04.024 Botschaft zur Ratifikation des Protokolls vom 30. November 1999 zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung, betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon vom 19. Mai 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, mit dem Antrag auf Zustimmung unterbreiten wir Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss zur Ratifikation des Protokolls vom 30. November 1999 zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung, betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Mai 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003-2342

3013

Übersicht Am 6. Mai 1983 hat die Schweiz als Mitglied der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE-UNO) das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung (Genfer Konvention) ratifiziert. Um die in diesem Rahmenübereinkommen festgelegten Zielsetzungen zu konkretisieren, sind Zusatzprotokolle erforderlich.

Am 30. November 1999 wurde anlässlich einer ausserordentlichen Tagung des Exekutivorgans des Übereinkommens auf Ministerebene in Göteborg (Schweden) ein Protokoll betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon verabschiedet. Ziel des Protokolls ist die Begrenzung und Verringerung der Emissionen von Schwefel, Stickstoffoxiden, Ammoniak und flüchtigen organischen Verbindungen, die durch menschliche Tätigkeit entstehen und die sich auf Grund von Versauerung, Eutrophierung oder Bildung von bodennahem Ozon infolge weiträumigen grenzüberschreitenden atmosphärischen Transports nachteilig auf die menschliche Gesundheit, die natürlichen Ökosysteme, Materialien und landwirtschaftliche Kulturen auswirken können.

Die grundlegenden Bestimmungen des Protokolls, namentlich dessen ökologische Zielsetzungen (kritische Eintragsraten für versauernde Stoffe und für Stickstoff mit düngender Wirkung, kritische Konzentrationen für Ozon) sowie die Massnahmen zur Begrenzung von Schadstoffemissionen, sind mit der geltenden schweizerischen Gesetzgebung im Bereich der Luftreinhaltung und mit der bisherigen Luftreinhaltepolitik des Bundesrates vereinbar. Dazu gehören das Bundesgesetz über den Umweltschutz, das Luftreinhaltekonzept des Bundesrates, die Luftreinhalte-Verordnung und die Verordnungen betreffend die technischen Anforderungen an Motorfahrzeuge, aber auch die Programme der Agrarpolitik 2002 und 2007 auf der Grundlage des Bundesgesetzes über die Landwirtschaft und der dazu gehörenden Verordnungen. Detaillierte Angaben über den aktuellen Stand der Luftreinhaltung bietet der Bericht des Bundesrates über die lufthygienischen Massnahmen des Bundes und der Kantone.

Die verschiedenen in den technischen Anhängen zum Protokoll genannten Verpflichtungen zur Emissionsverringerung werden von der Schweiz mit dem Vollzug der oben genannten Verordnungen bereits umgesetzt, so dass keine Änderungen von Gesetzen oder Verordnungen erforderlich sind.
Auf Grund der aktuellen Schätzungen und unter Berücksichtigung der ungewissen Entwicklungsperspektiven in der Wirtschaft, beim Verkehr, beim Energieverbrauch und in der Agrarpolitik bis 2010 kann davon ausgegangen werden, dass die Schweiz die landesspezifischen Emissionshöchstmengen gemäss Anhang II des Protokolls dank der Umsetzung der bereits beschlossenen Massnahmen einhalten wird.

Das Protokoll wurde von 28 europäischen Ländern sowie von den USA, Kanada und der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet. Damit stellt das Protokoll einen weiteren wichtigen Schritt hin zur Bewältigung des Problems der Luftverunreinigung auf dem geografhischen Gebiet der ECE-UNO dar.

3014

Die Schweiz hat sich aktiv an der Ausarbeitung dieses Protokolls beteiligt, dessen Umsetzung in den kommenden Jahren eine wesentliche Verbesserung der Luftqualität in der Schweiz wie auch in ganz Europa bewirken wird und das damit eine erste Etappe darstellt in der Verwirklichung der ökologischen Zielsetzungen hinsichtlich des Schutzes der menschlichen Gesundheit, der Materialien und der natürlichen Ökosysteme.

3015

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Wissenschaftliche Aspekte und Probleme im Zusammenhang mit Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon

Seit Ende der 80er-Jahre wurden im Rahmen des ECE-UNO-Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung bedeutende Anstrengungen unternommen, um die Empfindlichkeit der Ökosysteme auf die weiträumige Verschmutzung zu charakterisieren. Im Zuge dieser Arbeiten wurde die Strategie der «kritischen Konzentrationen» beziehungsweise der «kritischen Eintragsraten» entwickelt. Die kritischen Konzentrationen und Eintragsraten bezeichnen Schwellenwerte für die Verschmutzung durch Konzentrationen und Depositionen von Luftschadstoffen, unterhalb denen gemäss heutigem Kenntnisstand keine schädigenden Auswirkungen auf empfindliche Ökosysteme zu erwarten sind. Sind diese Schwellenwerte bekannt, können die Strategien zur Verringerung der weiträumigen Luftverunreinigung darauf abgestimmt werden.

Die Definition der Begriffe kritische Konzentration und kritische Eintragsrate deckt sich mit jener des Immissionsgrenzwertes im Sinne des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983 (USG, SR 814.01). Die erwähnte internationale Strategie mit dem wirkungsorientierten Ansatz entspricht demnach dem Vorgehen, das auf schweizerischer Ebene seit Mitte der 80er-Jahre mit dem USG und der LuftreinhalteVerordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV, SR 814.318.142.1) Eingang in die Praxis gefunden hat. Die Schweiz hat sich deshalb aktiv an der Erarbeitung der Strategie der kritischen Konzentrationen beziehungsweise der kritischen Eintragsraten beteiligt und namentlich in enger Zusammenarbeit mit Österreich, Deutschland und Italien an der Charakterisierung der Empfindlichkeit des Alpenraums gegenüber Schadstoffen mit versauernder und eutrophierender Wirkung mitgearbeitet.

Zur Bewältigung der Probleme, die sich aus Schadstoffeinträgen und übermässigen Ozonkonzentrationen ergeben, reichen nationale Massnahmen alleine nicht aus.

Vielmehr ist ein international abgestimmtes Vorgehen erforderlich. Damit die Schweiz ihre empfindlichen Ökosysteme vor Einträgen und übermässigen Konzentrationen schützen kann, sind internationale Vereinbarungen mit möglichst strengen Vorgaben zur Emissionsverringerung nötig.

Die schweizerischen Arbeiten im Zusammenhang mit den kritischen Konzentrationen und Eintragsraten haben deutlich gemacht, dass die Schwellenwerte für Wälder, landwirtschaftliche Kulturen und Bergseen vielerorts und zum Teil
massiv überschritten werden.

Das Protokoll beruht auf einer eingehenden Beurteilung der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die sich aus übermässigen Depositionen von versauernden und stickstoffhaltigen Schadstoffen sowie aus zu hohen Ozonkonzentrationen ergeben. Trotz der Fortschritte, die in der Schweiz und in anderen Ländern erzielt wurden, stellen die schädigenden Auswirkungen der Luftverunreinigung nach wie vor ein Besorgnis erregendes Problem dar. Mit Hilfe numerischer Simulations3016

modelle zur Herstellung der Beziehungen zwischen den Quellen und den Rezeptoren von Verunreinigungen konnten die Anstrengungen zur Verringerung von Emissionen optimiert werden mit dem Ziel, die Kosten zu minimieren und die Wirksamkeit der Interventionen zu verbessern.

Die Versauerung betrifft grossflächige Gebiete, deren Böden, Vegetation und Gewässer übermässigen Eintragungen von Schwefel und Stickstoffverbindungen in Form von Stickstoffoxiden sowie von Ammoniumverbindungen ausgesetzt sind. In den Seen und Flüssen auf kristallinem Muttergestein wirkt sich die Versauerung insbesondere auf die Gewässerchemie und -biologie sowie auf die Fische aus. In Waldböden können Eintragungen, die die kritischen Werte überschreiten, zu Ungleichgewichten im Nährstoffhaushalt oder zur Freisetzung vorhandener toxischer Metalle führen. Dies verringert die Bodenfruchtbarkeit und beeinträchtigt die Vitalität der Pflanzen. Auf Versauerung besonders empfindliche Regionen finden sich in Skandinavien, in Schottland und in den Alpen.

Unter Eutrophierung versteht man den übermässigen Eintrag von Stickstoffverbindungen in Form von Stickstoffoxiden oder von Ammoniumverbindungen. Diese führen zu einer Verringerung der Artenvielfalt, schwächen die Resistenz der Vegetation, insbesondere von Bäumen, gegen gewisse Stressfaktoren wie Frost, Trockenheit oder parasitäre Insekten und beeinträchtigen die Widerstandskraft gegen Wind.

Ferner reagieren gewisse Ökosysteme äusserst empfindlich auf übermässige Stickstoffeinträge; in Hochmooren beispielsweise führen diese zu Störungen bei der für die Torfbildung nötigen Flora. Darüber hinaus führt die Auswaschung von Nitraten in den Böden zu einem Anstieg der Nitratkonzentration im Grundwasser.

Beim bodennahen Ozon können die derzeit in den Sommermonaten gemessenen Konzentrationen weiterhin Reizungen der Augen und des Halses sowie Asthmaanfälle hervorrufen und die Leistungsfähigkeit der Atemwege beeinträchtigen. Zudem wurde als Folge des gleichzeitigen Auftretens von übermässigen Konzentrationen von Ozon und von anderen Schadstoffen wie beispielsweise Feinstaub ein Anstieg der Spitaleintritte und der Todesfälle beobachtet. Die Vegetation, namentlich landwirtschaftliche Kulturen und Bäume, ist ebenfalls betroffen, denn Vitalität und Wachstum der Pflanzen werden vermindert. Aber auch gewisse
Materialien, namentlich Farben und synthetische Stoffe, leiden unter der Einwirkung von Ozon.

Das Problem der übermässigen Ozonkonzentrationen im Sommer lässt sich nur durch europaweite Bemühungen zur Verringerung der Emissionen von Vorläuferstoffen (Stickstoffoxide und flüchtige organische Verbindungen) bewältigen.

1.1.2

Lage in der Schweiz

Die grundlegenden Bestimmungen des Protokolls, namentlich die darin genannten ökologischen Zielsetzungen (kritische Eintragsraten für versauernde Stoffe und für Stickstoff mit düngender Wirkung, kritische Konzentrationen für Ozon) und die Massnahmen zur Verringerung der Schadstoffemissionen, stehen im Einklang mit der geltenden schweizerischen Gesetzgebung im Bereich der Luftreinhaltung, die sich ihrerseits auf die folgenden rechtlichen Instrumente und politischen Programme stützt: ­

das Umweltschutzgesetz (SR 814.01),

­

das Luftreinhaltekonzept des Bundesrates (BBl 1986 III 269), 3017

­

die Luftreinhalteverordnung (LRV;SR 814.318.142.1), die Verordnung über die Lenkungsabgabe auf flüchtigen organischen Verbindungen (VOCV; SR 814.013.21), die Verordnung über die Lenkungsabgabe auf «Heizöl Extraleicht» mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,1 Prozent (HELV; SR 814.013.22), die Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS; SR 741.41) sowie die Verordnung über technische Anforderungen an Transportmotorwagen und deren Anhänger (TAFV 1; SR 741.412), die Verordnung über technische Anforderungen an landwirtschaftliche Traktoren (TAFV 2; SR 741.413), die Verordnung über technische Anforderungen an Motorräder, Leicht-, Klein- und dreirädrige Motorfahrzeuge (TAFV 3; SR 741.414) sowie die Verordnung über die Abgasemissionen leichter Motorwagen (FAV 1; SR 741.435.4).

­

die Programme der Agrarpolitik 2002 und 2007 auf der Grundlage des Landwirtschaftsgesetzes (SR 910.1) und der dazu gehörenden Verordnungen, insbesondere der Direktzahlungsverordnung (SR 910.13).

Detaillierte Angaben über den aktuellen Stand der Luftreinhaltung und den verbleibenden Handlungsbedarf bietet der Bericht des Bundesrates vom 23. Juni 1999 über die lufthygienischen Massnahmen des Bundes und der Kantone (BBl 1999 7735).

Die erwähnten Verordnungen dienen zur Begrenzung der Emissionen von Stickstoffoxiden, Ammoniak oder flüchtigen organischen Verbindungen aus stationären industriellen und gewerblichen Anlagen, aus Heizungen und lösungsmittelhaltigen Produkten sowie zur Verringerung der Emissionen von Motorfahrzeugen und aus der Landwirtschaft. Die in den technischen Anhängen des Protokolls genannten Emissionsbegrenzungen sind mit den in der Schweiz geltenden Emissionsgrenzwerten vergleichbar. Angesichts dessen sind zur Umsetzung des Protokolls keine Änderungen von Gesetzen oder Verordnungen erforderlich.

Bei der Landwirtschaft ist ­ entsprechend dem Bericht des Bundesrates vom 21. Mai 2003 über die Reduktion der Umweltrisiken von Düngern und Pflanzenschutzmitteln (vgl. BBl 2003 4802) ­ ein verstärktes Engagement des Bundes und der Kantone im Bereich der Düngung, der Bodenbewirtschaftung und der Luftreinhaltung erforderlich. Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen im Umweltbereich und in der Landwirtschaftspolitik sehen folgende Massnahmen vor: a)

eine Düngung und Bodenbewirtschaftung namentlich in empfindlichen Gebieten nach den Bewirtschaftungspotenzialen der Standorte;

b)

den Vollzug vorsorglicher Emissionsbegrenzungen nach LRV zur Senkung der landwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen sowie kantonale Massnahmenpläne nach LRV zum Abbau übermässiger Stickstoffbelastungen.

1.1.3

Internationale Rahmenbedingungen

Das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung wurde am 13. November 1979 anlässlich der Konferenz der Umweltminister der Mitgliedstaaten der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE-UNO) in Genf unterzeichnet. Mittlerweile haben es 48 Länder sowie die Europäische Gemeinschaft ratifiziert, darunter am 6. Mai 1983 auch die Schweiz (SR 0.814.32). Das Übereinkommen ist am 16. März 1983 in Kraft getreten.

3018

Im weiteren Verlauf wurden sieben Zusatzprotokolle erarbeitet, nämlich: ­

das Protokoll betreffend das Programm über die Zusammenarbeit bei der Messung und Bewertung der weiträumigen Übertragung von luftverunreinigenden Stoffen (EMEP) (Genf 1984),

­

das Protokoll betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen um 30 % (Helsinki 1985),

­

das Protokoll betreffend die Stabilisierung der Stickstoffoxid-Emissionen (Sofia 1988),

­

das Protokoll betreffend die Verringerung der Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen um 30 % (Genf 1991),

­

das Protokoll betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen (Oslo 1994),

­

das Protokoll betreffend persistente organische Schadstoffe (Aarhus 1998),

­

das Protokoll betreffend Schwermetalle (Aarhus 1998).

Die Schweiz hat diese Protokolle ratifiziert und setzt die damit eingegangenen Verpflichtungen um.

Am 30. November 1999 wurde anlässlich einer ausserordentlichen Tagung des Exekutivorgans des Übereinkommens auf Ministerebene in Göteborg (Schweden) ein neues Protokoll betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon verabschiedet. Das Protokoll wurde von 28 europäischen Ländern, von der Europäischen Gemeinschaft sowie von den USA und von Kanada unterzeichnet. Damit stellt das Protokoll einen weiteren grossen Schritt hin zur Bewältigung des Problems der Luftverunreinigung im ECE-UNO-Raum dar.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Angesichts der mehrfachen nachteiligen Auswirkungen von Luftschadstoffen (Schwefel, Stickstoffoxide, Ammoniak und flüchtige organische Verbindungen), die gleichzeitig die menschliche Gesundheit sowie die Vegetation und die Böden beeinträchtigen können, wurde beschlossen, zur Optimierung der Zuteilung der erforderlichen Emissionsverringerungen einen integrierten Ansatz zu verfolgen. Mit dem grossräumigen Modell des EMEP (Programm über die Zusammenarbeit bei der Messung und Bewertung der weiträumigen Übertragung von luftverunreinigenden Stoffen in Europa) sowie den «integrierten Bewertungsmodellen» der Konvention zur Beschreibung der Ausbreitung und Deposition von Schadstoffen wurden unter Einbeziehung der Karten, die die Empfindlichkeit der Ökosysteme für das gesamte geograische Gebiet der ECE-UNO veranschaulichen, Szenarien für eine wirkungsorientierte und kosteneffiziente Verringerung von Schadstoffemissionen entwickelt.

Die Verhandlungen begannen 1994 mit dem Auftrag an die Working Group on Strategies and Review (Arbeitsgruppe für die Strategien und die Überprüfung der Protokolle), einen Protokollentwurf auszuarbeiten. Im Hinblick auf die Verhandlungen über die Ausarbeitung des Entwurfs und der technischen Anhänge stellten weitere Organe der Konvention, nämlich die Working Group on Effects (Arbeitsgruppe für Wirkungen), die Working Group on Abatement Techniques (Arbeitsgruppe für Reduktionstechniken), das EMEP und die Task Force on Integrated Assess3019

ment Modelling (Projektgruppe für integrierte Bewertungsmodellierung) sachdienliche Informationen und Grundlagen zur Verfügung. Vertreterinnen und Vertreter der schweizerischen Behörden und der Wissenschaft haben sich aktiv an diesen Arbeiten beteiligt, die im September 1999 abgeschlossen wurden.

Das Protokoll wurde so ausgestaltet, dass es von allen Mitgliedstaaten der ECEUNO, einschliesslich Kanadas und der USA, umgesetzt werden kann.

2

Besonderer Teil: Inhalt des Protokolls betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon

2.1

Ziel und grundlegende Verpflichtungen

Ziel des Protokolls ist die Begrenzung und Verringerung der Emissionen von Schwefel, Stickstoffoxiden, Ammoniak und flüchtigen organischen Verbindungen, die durch menschliche Tätigkeit entstehen und die sich auf Grund von Versauerung, Eutrophierung oder bodennahem Ozon infolge weiträumigen grenzüberschreitenden atmosphärischen Transports nachteilig auf die menschliche Gesundheit, die natürlichen Ökosysteme, Materialien und landwirtschaftliche Kulturen auswirken können.

2.1.1

Emissionsverringerung

Die Parteien des Protokolls sind verpflichtet, ihre Emissionen auf jene Höchstmengen zu senken, die auf der Grundlage der Ergebnisse der integrierten Bewertungsmodelle vereinbart wurden, um die beobachteten schädlichen Auswirkungen so kosteneffizient wie möglich zu verringern. Da die Empfindlichkeit der Ökosysteme und die Emissionsmengen von Land zu Land variieren, ergaben sich für jedes Land unterschiedliche prozentuale Emissionsminderungen. Die nationalen Emissionshöchstmengen, die von der Schweiz im Jahr 2010 nicht mehr überschritten werden dürfen, sind in Anhang II des Protokolls festgelegt und in der nachstehenden Tabelle aufgeführt: Emissionshöchstmengen, die die Schweiz spätestens ab 2010 nicht mehr überschreiten darf Schwefel

Stickstoffoxide

Ammoniak

flüchtige organische Verbindungen

26 000 Tonnen

79 000 Tonnen

63 000 Tonnen

144 000 Tonnen

Gemäss aktuellen Schätzungen und unter Berücksichtigung der ungewissen Entwicklungsperspektiven in der Wirtschaft, beim Verkehr, beim Energieverbrauch und in der Agrarpolitik bis 2010 kann davon ausgegangen werden, dass die Schweiz die landesspezifischen Emissionshöchstmengen gemäss Anhang II des Protokolls dank der schrittweisen Umsetzung der bereits beschlossenen Massnahmen einhalten wird.

Nationale Emissionshöchstmengen für die gleichen Luftschadstoffe (die allerdings leicht strenger sind als jene des Protokolls von Göteborg) wurden übrigens auch im Rahmen der Europäischen Richtlinie 2001/81/EG vereinbart und sind für die 3020

15 EU-Mitgliedstaaten am 27. November 2001 in Kraft getreten. Die Verpflichtungen des Göteborg-Protokolles entsprechen für die Gesamtheit der Europäischen Gemeinschaft (EU 15) prozentualen Emissionsverringerungen, die mit den für die Schweiz geltenden Vorgaben vergleichbar sind.

Prozentuale Emissionsverringerungen gegenüber 1990 Schwefel

Stickstoffoxide

Ammoniak

flüchtige organische Verbindungen

Bisherige Reduktion in der Schweiz

51 %

45 %

ca.

15 %a

50 %

Für die Schweiz bis 2010 gemäss Verpflichtungen des Protokolls

40 %

52 %

13 %

51 %

Für die Europäische Gemeinschaft (EU 15) bis 2010 gemäss Verpflichtungen des Protokolls

75 %

49 %

15 %

57 %

a

Ein detailliertes Inventar wird derzeit erarbeitet.

Um die Emissionshöchstmengen einzuhalten, ist jede Vertragspartei verpflichtet, die besten verfügbaren Techniken zur Verringerung der gesamten jährlichen Emissionen dieser Schadstoffe anzuwenden. Die Emissionsgrenzwerte für grosse ortsfeste Quellen (Anhänge IV, V und VI) und für neue mobile Quellen (Anhang VIII) sollen vor Ablauf der Fristen gemäss Anhang VII angewendet werden. Im Hinblick auf die Verringerung der Ammoniakemissionen aus landwirtschaftlichen Quellen sind Massnahmen im Sinne von Artikel 3 Absatz 8 zu ergreifen. Diese Massnahmen werden in Anhang IX erläutert. Unter anderem sind die Vertragsparteien verpflichtet, innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Protokolls für das betreffende Land Empfehlungen zur guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft zur Begrenzung von Ammoniakemissionen zu veröffentlichen.

Im Übrigen haben die Vertragsparteien die Möglichkeit, für jeden der oben genannten Bereiche unterschiedliche Strategien zur Emissionsminderung anzuwenden, unter der Voraussetzung, dass solche Strategien zu Emissionshöchstmengen führen, die mit jenen gleichwertig sind, die sich durch Anwendung der spezifischen Emissionsgrenzwerte ergeben. Die Gleichwertigkeit der Ansätze muss in den regelmässigen Berichten im Sinne von Artikel 7 dokumentiert werden.

2.2

Weitere Verpflichtungen

Gemäss Artikel 9 werden die Umsetzung des Protokolls und die Einhaltung der Verpflichtungen der Vertragsparteien regelmässig von einem Durchführungsausschuss überprüft. Gemäss Artikel 6 Absatz 2 sowie Artikel 7 Absatz 1 ist jede Vertragspartei verpflichtet, ihre tatsächlichen Emissionen, Immissionskonzentrationen und Depositionen der im Protokoll geregelten Schadstoffe zu erheben und jährlich zu übermitteln. Auf diese Weise sollen künftig die Erfolgskontrolle sowie die Darstellung der Entwicklung bei der Verringerung der Schadstoffemissionen in den einzelnen Ländern weiter verbessert werden.

3021

Die im Protokoll genannten Verpflichtungen werden von den Vertragsparteien regelmässig überprüft. Im Anschluss daran legt das Exekutivorgan gegebenenfalls die Modalitäten fest, um Verhandlungen über weitere zur Emissionsverringerung geeignete Massnahmen aufzunehmen, welche die Einhaltung der kritischen Eintragsraten und Konzentrationen gewährleisten sollen (Art. 3 Abs. 12 sowie Art. 10).

2.3

Auswirkungen der Ergebnisse der Verhandlungen auf die Gesundheit und die Ökosysteme

Numerische Simulationen haben gezeigt, dass die geringeren Schadstoffbelastungen infolge der Reduktion der Emissionen eine erhebliche Verbesserung des Schutzes der empfindlichen Ökosysteme und der menschlichen Gesundheit bewirken werden.

Die nachstehende Tabelle veranschaulicht die Entwicklung, die für die Schweiz bis 2010 gegenüber dem Basisjahr (1990) zu erwarten ist. Selbstverständlich lassen sich diese Verbesserungen nur erzielen, wenn alle Vertragsparteien ihre Emissionen im vereinbarten Masse verringern.

Situation in der Schweiz

Fläche der Ökosysteme, die nicht geschützt sind gegen Versauerung

Eutrophierung

1990

40 bis 50 %

90 bis 95 %

2010

10 bis 15 %

60 bis 70 %

Die Aufstellung macht deutlich, dass sich die Situation in Bezug auf die Versauerung erheblich verbessern wird. Grund dafür sind die in den ersten beiden Protokollen über Schwefel (Helsinki 1985 und Oslo 1994) bereits vereinbarten und mit dem Göteborg-Protokoll noch darüber hinausgehenden Schwefel-Emissionsminderungen.

Hinsichtlich der Eutrophierung sind die Verbesserungen weniger stark ausgeprägt, da die internationalen Bemühungen zur Verringerung der Emissionen vor allem beim Ammoniak erst am Anfang stehen. Die bis 2010 vorgesehenen Emissionsverringerungen stellen somit einen ersten Schritt zur Erreichung der ökologischen Zielsetzungen dar.

Ferner dürften die vorgesehenen Verringerungen der Emissionen von Stickstoffoxiden und flüchtigen organischen Verbindungen ebenfalls in bedeutendem Masse zu einer Verbesserung im Bereich der übermässigen Ozonbelastung beitragen. Sie reichen jedoch nicht aus, um die kritischen Konzentrationen gemäss den geltenden Kriterien für die Luftqualität einzuhalten.

2.4

Weitere Emissionsverringerungen nach 2010 sind notwendig

Um die ökologischen und gesundheitlichen Zielsetzungen (kritische Eintragsraten für versauernde Stoffe und für Stickstoff mit düngender Wirkung, kritische Konzentrationen für Ozon und für lungengängige Feinstäube) zu erreichen, sind künftig in der Schweiz und in Europa weitere Verringerungen von Schadstoffemissionen (NOx, NH3 und VOC) erforderlich. Diese werden Gegenstand neuer Verhandlungen zur Verabschiedung weiterer Zusatzprotokolle für die Zeit nach 2010 sein. Insbesondere 3022

bei den Abgasen von Motorfahrzeugen, Baumaschinen und landwirtschaftlichen Traktoren besteht nach wie vor ein bedeutendes Emissionsminderungspotenzial. Die entsprechenden Bemühungen werden im Einklang mit der Europäischen Union fortgesetzt (Verschärfung der EURO-Normen nach dem Stand der Technik ). Ferner gilt es, die LRV dem heutigen Stand der Technik anzupassen. Diese Vorhaben liegen jedoch ausserhalb des Geltungsbereichs des zur Ratifizierung vorgelegten Protokolls, dessen Umsetzung dank den in der Schweiz bereits getroffenen Massnahmen möglich wird.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Umsetzung des vorliegenden Protokolls bewirkt weder beim Bund noch bei den Kantonen zusätzlichen Verpflichtungen im Personalbereich oder bei den Informatikkrediten. Hingegen müssen auf Grund der Verpflichtungen im Bereich der Emissionsinventare und der jährlichen Berichterstattung über die nationalen Daten die vom UVEK (BUWAL) eingerichtete Datenbank EMIS regelmässig aktualisiert und die damit verbundenen Arbeiten weitergeführt werden. Weitere Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beobachtung, der Überwachung der Einhaltung und der Berichterstattung (vgl. Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 1) sind unverzichtbar, um die Immissionen (Konzentrationen und Depositionen), die Wirkung der beschlossenen Emissionsminderungsmassnahmen und die Beurteilung der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Ökosysteme umfassend dokumentieren zu können.

Die Kosten für den zusätzlichen Arbeitsaufwand im Zusammenhang mit den Verpflichtungen des Protokolls belaufen sich insgesamt auf rund 400 000 Franken pro Jahr und werden aus dem Budget des UVEK (BUWAL) bestritten.

4

Vereinbarkeit mit der Legislaturplanung

Das Projekt war im Bericht über die Legislaturplanung 1999-2003 aufgeführt (BBl 2000 2334). Infolge einer unvorhergesehenen Verzögerung bei der zusammen mit Deutschland, Österreich, dem Fürstentum Liechtenstein und der Europäischen Kommission vorgenommenen Übersetzung des Protokolls ins Deutsche konnten jedoch die Unterlagen nicht rechtzeitig eingereicht werden. Im Bericht über die Legislaturplanung 2003-2007 ist das bereits laufende Projekt nicht mehr erwähnt worden.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung der ECE-UNO ist ein Rahmenvertrag. Zur Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens sind somit zusätzliche Vereinbarungen in Form von Protokollen erforderlich.

Das Protokoll betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon ist eine Vereinbarung über Emissionsverringerungen und fällt als solche nicht in den Geltungsbereich von Artikel 39 Absatz 2 des Umweltschutzge3023

setzes (Delegation von Befugnissen). Aus diesem Grund liegt die Genehmigung des Protokolls nicht im alleinigen Zuständigkeitsbereich des Bundesrates. Der Abschluss der Vereinbarung gründet auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung, nach welchem dem Bund das Recht zusteht, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen.

Die Zuständigkeiten der Bundesversammlung sind in Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung geregelt.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1­3 BV sind völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum unterstellt, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3) Das Protokoll sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor und ist nach Artikel 18 nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Inkrafttreten jederzeit kündbar.

Es bleibt die Frage, ob das Protokoll wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob seine Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Zur Umsetzung des Protokolls ist der Erlass von Bundesgesetzen nicht erforderlich, da das Umweltschutzgesetz, das Landwirtschaftsgesetz und das Strassenverkehrsgesetz (betr.

Abgasvorschriften) die Grundlage für die Umsetzung der grundlegenden Verpflichtungen des Protokolls enthält. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand können die Ziele des Protokolls im Übrigen mit den bereits getroffenen Massnahmen auf Grundlage von bestehenden Verordnungen erreicht werden, so dass auch nicht Anpassungen auf Verordnungsstufe erforderlich sein werden. Somit bleibt zu prüfen, ob das Protokoll selbst wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes (SR 171.10) gelten Bestimmungen dann als rechtsetzend, wenn sie in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Wichtig ist eine solche Norm dann, wenn ihr Regelungsgegenstand im Landesrecht in Analogie zu Artikel 164 BV auf formell-gesetzlicher Stufe normiert werden müsste.

Das Protokoll auferlegt den Staaten als zentraler Punkt die Pflicht dafür zu sorgen, dass Emissionen bestimmter umweltschädlicher Stoffe innerhalb eines bestimmten Zeitraums in
einem bestimmten Mass begrenzt werden. Die Vertragsstaaten haben einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung der meisten dieser Verpflichtungen, die Ziele sind jedoch konkret und genau umschrieben. Teilweise sind auch die zu ergreifenden technischen Massnahmen im Einzelnen festgelegt (Anh. VIII) und verpflichten Personen in unmittelbarerer Weise. Solche Verpflichtungen müssten, würden sie im Landesrecht erlassen, eine Grundlage in einem formellen Gesetz haben und sind daher als wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu betrachten. Aus diesem Grund ist das Protokoll von Göteborg dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

5.2

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Europäische Gemeinschaft ist ebenfalls Vertragspartei der ECE-UNO-Konvention über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung und hat sich an der Seite der 15 Mitgliedstaaten aktiv an den Verhandlungen beteiligt. Sie hat das vorliegende Protokoll betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon am 23. Juni 2003 ratifiziert. Die Ratifikation des Protokolls durch die Schweiz ist somit grundsätzlich mit dem europäischen Recht kompatibel.

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