04.075 Botschaft zum Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich über die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft vom 17. November 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. November 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Übersicht Angesichts der durch die Anschläge vom 11. September 2001 veranschaulichten Bedrohung erweist sich eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen mehr denn je als notwendig. Vor diesem Hintergrund und um von den Erfahrungen des G8-Gipfels profitieren zu können, haben, initiiert durch eine Anfrage Frankreichs, Michèle Alliot-Marie, Verteidigungsministerin der Französischen Republik, und Bundesrat Samuel Schmid, Chef des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), am 10. März 2004 eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet. Darin verpflichteten sich beide Staaten, Verhandlungen in die Wege zu leiten und einen rechtlichen Rahmen für eine ständige Zusammenarbeit im Bereich grenzüberschreitender Luftpolizeieinsätze zu schaffen.

Das Ihnen mit der vorliegenden Botschaft zur Genehmigung unterbreitete Abkommen regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Frankreich im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen. Diese Kooperation bezweckt die Erleichterung des gegenseitigen systematischen Informationsaustausches über die allgemeine Luftlage sowie die Verbesserung der Interventionsmöglichkeiten beider Parteien beim Vorliegen einer konkreten Bedrohung. Unter dem Kommando des Gastlandes sind grenzüberschreitende Luftpolizeieinsätze bis hin zum Warnschuss mit Hilfe von Infrarotlockzielen möglich. Ausgenommen bleiben dagegen der Warnschuss mit scharfer Munition sowie der Zerstörungsschuss.

Auf die Souveränität der beiden Staaten wie auch auf geltende bilaterale Abkommen wird Rücksicht genommen.

Die Zusammenarbeit ist mit keinerlei finanziellen Verpflichtungen für die Eidgenossenschaft verbunden. So müssen weder Frankreich noch die Schweiz für Luftpolizeieinsätze entschädigt werden. Hingegen muss die Einrichtung technischer Systeme zum Informationsaustausch finanziert werden. Diese Kosten werden mit Mitteln aus dem ordentlichen Budget des VBS bestritten.

Gemäss Art. 54 Absatz 1 Bundesverfassung (BV) fallen auswärtige Angelegenheiten in den Zuständigkeitsbereich des Bundes. Da der Abschluss eines Staatsvertrages über die militärische Einsatzzusammenarbeit nicht im Kompetenzbereich des Bundesrates liegt, muss ein solcher gemäss Art. 166 Absatz
2 BV der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden.

Das vorliegende Abkommen wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, es ist aber jederzeit kündbar. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, enthält keine wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen im Sinne von Art. 141 Absatz 1 Buchstabe d BV und kann ohne den Erlass zusätzlicher Bundesgesetze umgesetzt werden. Somit ist es nicht dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstellt.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Angesichts der durch die Anschläge vom 11. September 2001 veranschaulichten Bedrohung erweist sich eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft mehr denn je als notwendig. Einige unserer Nachbarländer haben sich mit Mitteln und Strategien gerüstet, welche die Sicherheit gegenüber diesen neuen Bedrohungen erhöhen. Auf supranationaler Ebene laufen ausserdem verschiedene Projekte oder sind bereits realisiert worden. Damit soll diese Art von Terrorakten bekämpft werden (Während die NATO über das Datenaustauschprogramm Air Situation Data Exchange [ASDE] verfügt, wird in Europa das Projekt European Regional Renegade Information Dissemination System [ERRIDS] entwickelt).

Auf Grund ihrer geostrategischen Lage wird die Schweiz zu einem Partner von zentraler Bedeutung, der nicht übersehen werden kann. Da die Terrorbedrohung keine Grenzen kennt, muss angesichts der kurzen Vorwarnzeit eine Partnerschaft mit unseren direkten Nachbarn sowie den supranationalen Organisationen angestrebt werden, welche im Bereich des Luftraums und dessen Sicherung tätig sind. Ohne die Einmischung eines Drittlandes in unsere Souveränität dulden zu wollen, sind wir zu einer Zusammenarbeit bereit, um diese Bedrohungen wirksam bekämpfen zu können.

Die Schweiz verfügt über wertvolle Erfahrungen der Zusammenarbeit in diesem Bereich. Im Rahmen der Organisation des G8-Gipfels in Evian vom 1.­3. Juni 2003 wurde die Effizienz des Dispositivs zur Sicherung des französisch-schweizerischen Luftraums unter Beweis gestellt. Die Partnerschaft in Evian war nur dank der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen den Regierungen sowie einer technischen Vereinbarung zwischen den beiden Ländern möglich. Um von den Erfahrungen des G8-Gipfels profitieren zu können, wurde am 10. März 2004 von Michèle AlliotMarie, Verteidigungsministerin der Französischen Republik, und Bundesrat Samuel Schmid, Chef des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), eine Absichtserklärung unterzeichnet. Damit verpflichteten sich beide Länder, Verhandlungen in die Wege zu leiten und so einen rechtlichen Rahmen für eine ständige Zusammenarbeit im Bereich der grenzüberschreitenden Luftpolizei zu schaffen. Es wurde eine binationale Arbeitsgruppe
gebildet und die Delegationen trafen sich mehrmals, um das hier vorgestellte Gesamtabkommen vorzubereiten.

Die künftige Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern wird in diesem Abkommen in einem Rahmen festgelegt, der den Austausch von Informationen zur anerkannten Luftsituation ermöglicht und es einem im Einsatz stehenden Flugzeug der Luftpolizei angesichts einer nichtmilitärischen Bedrohung erlaubt, die Grenze zu überfliegen und unter dem Kommando des Gastlandes die Operationen bis zum Warnschuss mit Hilfe von Infrarotlockzielen weiter zu verfolgen. Ausgenommen bleibt einzig der Zerstörungsschuss.

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Diese Art der Zusammenarbeit ist im Rahmen einer Kontinuität der Politik der «permanenten Luftraumüberwachung» (Bundesratsbeschluss vom 20. Aug. 2003) zu sehen. Damit wird unter anderem die Identifizierung des gesamten Luftverkehrs über unserem Territorium rund um die Uhr gewährleistet. Diese zusätzliche Zusammenarbeit mit Frankreich ergab sich auf Grund der Besorgnisse der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates (SIK-S). Diese nahm «Kenntnis von einem Katalog möglicher Massnahmen, welcher unter anderem den Abschluss ständiger Regelungen mit den betroffenen Nachbarländern, eine Verbesserung des Nachrichtenverbundes und ein vermehrtes Üben und Testen der Prozesse und Strukturen vorsieht» (Pressemitteilung der SIK-S vom 18. Febr. 2004).

Das Abkommen mit Frankreich ist ein wichtiger und bedrohungsgerechter Schritt für die Regelung der grenzüberschreitenden Luftpolizeizusammenarbeit. Damit werden spätere multilaterale Regelungen nicht präjudiziert. Es erlaubt jedoch der Schweiz, die Sicherheit im Luftraum gegen nichtmilitärische Bedrohungen in Zusammenarbeit mit Frankreich entscheidend zu erhöhen und wertvolle Erfahrungen für die nachbarschaftliche Zusammenarbeit und den Abschluss allfälliger ähnlicher Abkommen zu sammeln.

1.2

Projektorganisation

Im Februar 2004 wurde eine französisch-schweizerische Arbeitsgruppe mit der Organisation des Projektes beauftragt. Dieser gehören juristische, operationelle und technische Vertreter an. Unter der Leitung der Luftwaffe und in enger Zusammenarbeit mit den internationalen Verteidigungsbeziehungen hat die Schweizer Delegation ihre Arbeiten mit denjenigen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) koordiniert. Die Resultate dieser Arbeiten sind im hier erläuterten Gesamtabkommen zwischen Frankreich und der Schweiz festgehalten.

1.3

Haltung des Bundesrates

Die Anschläge vom 11. September 2001 haben auf dramatische Art und Weise gezeigt, welche Gefahren von nichtmilitärischen Luftfahrzeugen in der Hand von Terroristen ausgehen können. Der Bundesrat ist zwar nach wie vor der Ansicht, dass die Schweiz zur Zeit kein primäres Ziel solcher Angriffe darstellt, die Erfahrungen aus dem G8-Gipfel haben jedoch klar gezeigt, dass der Schutz bedeutender Anlässe, insbesondere am Konferenzstandort Genf, eine angemessene Antwort auf Gefahren aus der Luft erfordert. Die Schweiz soll sich aktiv an den Massnahmen zur Verbesserung des Schutzes des europäischen Luftraums gegen terroristische Bedrohungen beteiligen; unser Land darf in diesem sensitiven Bereich nicht zur Sicherheitslücke werden. Das vorliegende Abkommen schafft nun die Grundlagen einer dauerhaften und engeren Zusammenarbeit mit Frankreich bei der Erfüllung luftpolizeilicher Aufgaben, welche über weiten Teilen unseres Staatsgebiets wegen der fehlenden Vorwarnzeit nicht im Alleingang bewältigt werden können. Die oft kurzfristige Ankündigung von wichtigen Konferenzen erlaubt es nicht, fallweise Staatsverträge über luftpolizeiliche Zusammenarbeit abzuschliessen. Der Bundesrat begrüsst daher 6872

die Bereitschaft Frankreichs, diese für unsere Sicherheit wichtige Zusammenarbeit auf eine dauerhafte Basis zu stellen. Das Abkommen beschränkt sich dabei auf die Kooperation bei der Abwehr nichtmilitärischer Gefahren und kann im Falle einer Krise oder eines Konflikts jederzeit und mit sofortiger Wirkung einseitig sistiert werden. Es schafft somit keinerlei Präjudiz für eine militärische Kooperation im Rahmen eines bewaffneten Konflikts, die mit der Neutralität der Schweiz unvereinbar wäre.

1.4

Notwendigkeit eines Vertragsabschlusses

Die zwischen den beiden Ländern beabsichtigte Zusammenarbeit bei der Sicherung des Luftraums bedingt eine beschränkte gemeinsame Ausübung der Souveränität; sie muss sich daher auf eine formelle Rechtsgrundlage stützen können. Der Abschluss eines bilateralen Staatsvertrags ist deshalb unumgänglich.

1.5

Ablauf der Verhandlungen

Nach der Absichtserklärung (gemäss Ziff. 1.1) wurden die Verhandlungen aufgenommen. Die Arbeitsgruppe ist jeden Monat abwechslungsweise in Frankreich und der Schweiz zusammengekommen, um das hier vorgestellte Gesamtabkommen fertigzustellen.

2

Besonderer Teil

2.1

Inhalt des Abkommens

Das vorliegende Abkommen regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Frankreich im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen. Diese Zusammenarbeit bezweckt die Erleichterung des gegenseitigen systematischen Informationsaustausches über die allgemeine Luftlage sowie die Verbesserung der Interventionsmöglichkeiten beider Parteien beim Vorliegen einer konkreten nichtmilitärischen Bedrohung.

Es nimmt Rücksicht auf die Souveränität der beiden Staaten wie auch auf geltende bilaterale Abkommen.

2.1.1

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1.1.1

Begriffsbestimmungen (Art. 1)

Es ist wichtig festzuhalten, dass die luftpolizeilichen Verfahren der beiden Staaten identisch sind. Unter dem Oberbegriff Identifizierung versteht die Schweiz die in Frankreich als Aufklärung und Überwachung bezeichneten Massnahmen, unter dem Oberbegriff Intervention die in Frankreich als Befragung, Begleitschutz, Erzwingung der Einhaltung der Flugroute, Überflugverbot, Zwang zur Landung und Warnschuss mit Hilfe von Infrarotlockzielen bezeichneten Massnahmen. In den Absätzen 4.1 und 4.2 von Artikel 1 werden die verschiedenen Etappen der aktiven Massnah6873

men zur Sicherung des Luftraums beschrieben. Dabei wird das Verfahren festgelegt, welches ein Jagdflugzeug bei einer Operation der Interception in Frankreich beziehungsweise der Schweiz zu befolgen hat. In Übereinstimmung mit dem Reglement der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation beschränken sich diese Massnahmen auf den Warnschuss mit Hilfe von Infrarotlockzielen (Das Infrarotlockziel ist eine pyrotechnische Munition, welche bei ihrer Verwendung starke Hitze entwickelt und am Tag und während der Nacht vom abgefangenen Flugzeug aus deutlich zu sehen ist. Diese für die Umwelt nicht schädliche Munition wird von unseren Flugzeugen im Rahmen von Trainingsflügen laufend verwendet). Der Warnschuss mit scharfer Munition sowie der Zerstörungsschuss verbleiben hingegen in der ausschliesslichen Kompetenz des Staates, der die jeweiligen Hoheitsrechte ausübt.

2.1.1.2

Gegenstand, Souveränität (Art. 2 und 3)

Gegenstand (Art. 2) Der Vertrag regelt die Zusammenarbeit der Parteien bei der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen, indem der systematische Informationsaustausch über die allgemeine Luftlage erleichtert und die Interventionsmöglichkeiten gegen konkrete nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft verbessert werden. Die Parteien bemühen sich, Luftannäherungen im gegenseitigen Interessenraum zu überwachen und die in Artikel 1 definierten Massnahmen zur Sicherung des Luftraums zu ergreifen, die Art der Bedrohung aufzuklären und zu evaluieren, den zuständigen Organen der anderen Vertragspartei die Elemente der Luftlage mitzuteilen, welche deren Entscheidfindung ermöglichen und einer konkreten nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft vorbeugend oder abwehrend mit den in Artikel 1 definierten Massnahmen zu begegnen.

Souveränität (Art. 3) Die im Abkommen vorgesehene Zusammenarbeit erfolgt unter Achtung der Souveränität und der jeweiligen Zuständigkeiten der Schweiz und Frankreichs. Zur Sicherstellung einer effektiven und effizienten Zusammenarbeit besitzen die Behörden der beiden Länder indes eine beschränkte Handlungskompetenz im Hoheitsgebiet des anderen Staats. Der Einsatz von Schusswaffen bleibt in jedem Fall alleinige Kompetenz des Staates, welcher die Hoheitsrechte ausübt.

2.1.1.3

Umfang der Zusammenarbeit (Art. 4)

In Artikel 4 wird der Umfang der Zusammenarbeit geregelt und es werden Massnahmen beschrieben, welche für den erfolgreichen Ablauf der Operationen erforderlich sind. So ist beispielsweise die Möglichkeit der Luftbetankung eines Flugzeugs vorzusehen, wenn sich diese als notwendig erweisen sollte. Ebenso muss die Logistik bei der Landung eines Flugzeugs in einem Drittland organisiert werden. Absatz 2 bildet die Grundlage für den Abschluss technischer Vereinbarungen. In diesem für die operationelle Leitung unerlässlichen Dokument werden die Verfahren beschrieben. Während das Gesamtabkommen den Rahmen festlegt, regelt die technische Vereinbarung die Details.

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2.1.1.4

Konkrete Umsetzung (Art. 5)

Die Umsetzung der Zusammenarbeit beim Vorliegen einer konkreten nichtmilitärischen Bedrohung durch ein Luftfahrzeug beruht auf einer klaren Kommandoregelung, welche zur erfolgreichen Durchführung solcher Aktionen unerlässlich ist. Der Entsendestaat erteilt seinen Einsatzkräften die Erlaubnis zum Einsatz über dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei. Von diesem Zeitpunkt an werden sämtliche Massnahmen der Sicherung des Luftraums von der Einsatzzentrale des Aufenthaltsstaates geleitet. Dieses Vorgehen erfordert eine Koordination auf taktischer Stufe durch die Einsatzzentralen beider Vertragsstaaten und die Übergabe der taktischen Kontrolle an die Einsatzzentrale des Aufnahmestaates für die Dauer der Aktion. Der Einsatz von Schusswaffen bleibt unter alleiniger Verantwortung des Aufnahmestaates und darf nur mit nationalen Mitteln erfolgen. Luftfahrzeuge des Entsendestaates verfügen somit über keine Kompetenz, Schusswaffen über fremdem Hoheitsgebiet einzusetzen. Immerhin sieht das Abkommen vor, dass Waffen und Munition von Luftfahrzeugen des Entsendestaates über dem Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates mitgeführt werden dürfen. Dies ist deshalb erforderlich, weil dieselben Luftfahrzeuge unter Umständen während des gleichen Einsatzes erneut über eigenem Staatsgebiet fliegen und dort nach den Bestimmungen ihrer nationalen Gesetzgebung ihre Waffen einsetzen müssen. Die Parteien verpflichten sich, regelmässig grenzüberschreitende Übungen zur gemeinsamen Sicherung des Luftraums durchzuführen.

2.1.1.5

Sicherheit und Umweltschutz (Art. 6 und 7)

Sicherung und Sicherheit von Personen und Sachen (Art. 6) Der Entsendestaat ist im Hoheitsgebiet des Aufenthaltsstaates für die Betriebssicherheit seiner eingesetzten Luftfahrzeuge, des Materials, der Waffen und der Munition verantwortlich. Der Aufenthaltsstaat sorgt für die Sicherung (z.B. Bewachung). Beide Parteien arbeiten in Sicherheitsbelangen zusammen.

Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften (Art. 7) Die Parteien beachten die in Kraft stehenden Sicherheits- und Umweltschutzbestimmungen, insbesondere was die eingesetzten Luftfahrzeuge sowie Material, Waffen und Munition betrifft.

2.1.1.6

Austausch von Informationen (Art. 8)

Der Informationsaustausch zwischen den beiden Staaten erfolgt nach den jeweiligen nationalen Vorschriften. Der Informationsaustausch über die allgemeine Luftlage wird in einem separaten technischen Abkommen geregelt. Die Parteien tauschen zudem gegenseitig Informationen über operationelle Belange aus, welche geeignet sind, ihren Informationsstand zu verbessern.

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2.1.1.7

Ausgaben (Art. 9)

Jede Partei trägt ihre bei der Umsetzung des vorliegenden Abkommens anfallenden Kosten.

2.1.1.8

Rechtsstellung der Streitkräfte (Art. 10)

Beim Einsatz der Streitkräfte im Rahmen dieses Abkommens werden die Bestimmungen des Übereinkommens vom 19. Juni 1995 zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen (PfP-Truppenstatut, SR 0.510.1) sowie des Zusatzprotokolls vom 19. Juni 1995 zum Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen (Zusatzprotokoll zum PfP-Truppenstatut, SR 0.510.11) angewendet, welche den Status der eingesetzten Militärpersonen umfassend regeln.

2.1.1.9

Untersuchung von Flugunfällen und medizinische Unterstützung (Art. 11 und 12)

Untersuchung von Flugunfällen oder -zwischenfällen (Art. 11) Im Zusammenhang mit der Untersuchung von Flugunfällen auf dem Territorium eines Vertragsstaates unter Beteiligung eines Luftfahrzeuges des anderen Staates hat letzterer das Recht auf Einsitznahme in der Flugunfallkommission.

Medizinische Unterstützung (Art. 12) Der gegenseitige Zugang zu medizinischer Versorgung wird gewährt. Der Aufenthaltsstaat sichert die kostenlose medizinische Versorgung bis zum Erstellen der Transportfähigkeit zu; alle darüber hinausgehenden Kosten müssen vom Entsendestaat getragen werden.

2.1.1.10

Suspendierungsklausel (Art. 13)

Beide Parteien behalten sich vor, im Falle eines Krieges, eines Belagerungszustandes, einer Krise oder beim Vorliegen nationaler Interessen die Durchführung des Abkommens einseitig und gegebenenfalls mit sofortiger Wirkung auszusetzen. Es obliegt somit den politischen Behörden des Bundes, beim Vorliegen von Gründen gemäss Artikel 13 zu entscheiden, ob der Vertrag aus neutralitätsrechtlichen oder -politischen Gründen ausgesetzt werden muss.

2.1.1.11

Beilegung von Streitigkeiten (Art. 14)

Die Klärung unterschiedlicher Auffassungen in Zusammenhang mit der Umsetzung oder Auslegung des Abkommens erfolgt auf dem Konsultationsweg.

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2.1.1.12

Schlussbestimmungen (Art. 15)

Die Parteien informieren sich über den Abschluss der notwendigen Ratifikationsverfahren. Das Abkommen tritt am Tage des Eintreffens der zweiten Notifikation in Kraft. Es kann jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen abgeändert werden. Das Abkommen ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann jedoch jederzeit durch eine Partei unter Beachtung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Die bereits entstandenen Verpflichtungen bleiben dadurch unberührt.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das Abkommen ist mit keinerlei finanziellen Verpflichtungen für den Bund verbunden. So müssen weder Frankreich noch die Schweiz für die Leistungen ihrer Luftpolizei entschädigt werden.

Hingegen muss die Einrichtung technischer Systeme zum Informationsaustausch finanziert werden. Während die Grundkosten auf 70 000 Franken geschätzt werden, belaufen sich die jährlichen Kosten inklusive Wartung auf 110 000 Franken. Sowohl die Grundkosten als auch die wiederkehrenden Aufwendungen werden mit Mitteln aus dem ordentlichen Budget des VBS finanziert.

Es ist kein zusätzliches Personal vorzusehen.

Die Trainingsmissionen der Luftpolizei sind im aktuellen Budget enthalten. Es genügt somit, die Verfahren anzupassen, was mit keinerlei Kostensteigerungen verbunden ist.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Das Geschäft ist im Bericht des Bundesrates über die Legislaturplanung 2003­2007 vom 25. Februar 2004 (BBl 2004 1148) nicht angekündigt. Der Grund liegt darin, dass die Auswertung der G8-Erfahrungen im Zeitpunkt der Verabschiedung der Legislaturplanung immer noch im Gange war und die Bereitschaft von Frankreich zur bilateralen Regelung noch nicht vorlag.

Das vorliegende Abkommen trägt zur Umsetzung der sicherheitspolitischen Strategie des Bundesrates bei, die er im Bericht «Sicherheit durch Kooperation» vom 7. Juni 1999 dargelegt hat.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das vorliegende Abkommen hat keinen Bezug zum europäischen Recht.

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6

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 54 Absatz 1 BV fallen auswärtige Angelegenheiten in den Zuständigkeitsbereich des Bundes. Dieser ist für den Abschluss von Verträgen mit ausländischen Staaten zuständig. Auf Grund von Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung internationaler Verträge zuständig.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen internationale Verträge dem fakultativen Referendum, sofern sie von unbestimmter Dauer und nicht kündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder solche, deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Das vorliegende Abkommen kann jederzeit gekündigt werden (siehe Art. 15 Abs. 3) und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es bleibt damit zu klären, ob das Abkommen wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob seine Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Unter rechtsetzenden Bestimmungen sind gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generellabstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Wichtige Bestimmungen sind im Übrigen solche, welche nach innerstaatlichem Recht gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV in einem Gesetz im formellen Sinne zu erlassen sind. Das vorliegende Abkommen regelt den juristischen Rahmen einer militärischen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Frankreich im Bereich der Sicherung des Luftraums. Es bezweckt einen erleichterten systematischen Austausch von Informationen, insbesondere zur allgemeinen Luftlagesituation, und eine Verbesserung der Kapazitäten zur Intervention der Luftwaffen der Vertragsstaaten gegenüber einer nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft. Es enthält somit rechtsetzende Bestimmungen. Diese sind jedoch nicht wichtig genug, denn sollten sie auf nationaler Ebene erlassen werden, hätte dies nach Artikel 164 Absatz 1 BV nicht in Form eines Gesetzes im formellen Sinne zu erfolgen. Im Übrigen wird die militärische Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten im Bereich der Luftpolizei «unter Einhaltung der Souveränität sowie der jeweiligen Befugnisse jeder Partei» (vgl. Art. 3) erfolgen. Die Anwendung von Waffen und der Abschuss fallen ausserdem «ausschliesslich in
den Zuständigkeitsbereich und die Kompetenz jeder Partei und können somit nur mit einem nationalen Interventionsmittel über nationalem Hoheitsgebiet unter nationalen Kontroll- und Einsatzketten und nach nationaler Authentifizierung in Betracht gezogen werden» (siehe Art. 5 Abs. 2).

Wird mit Massnahmen der Luftpolizei auf eine nichtmilitärische Bedrohung aus der Luft reagiert, so wird dies schliesslich auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechtes des Vertragsstaates geschehen, in dessen nationalem Raum die Intervention stattfindet. Andererseits erfordert die Umsetzung des Abkommens keinerlei Gesetzesänderung in der Schweiz. Aus dem Vorhergehenden resultiert, dass der Bundesbeschluss über die Genehmigung dieses Abkommens nicht dem Referendum in Sachen internationale Verträge auf Grund von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegt.

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