Wirkungen des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates auf der Grundlage einer Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle vom 3. September 2003

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Bericht 1

Ziele und Vorgehen

Das 1977 in Kraft getretene Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) ist ein wichtiges Instrument der Landschaftsschutzpolitik. Das BLN ist das erste Bundesinventar, welches in das Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) vom 1. Juli 1966 Eingang gefunden hat. Das Inventar enthält 162 schützenswerte Landschaften und Naturdenkmäler, die zusammen rund ein Fünftel der Landesfläche der Schweiz abdecken. Sie verteilen sich auf alle Landesteile, auch auf das Mittelland. Das Ziel des BLN besteht in der ungeschmälerten Erhaltung oder doch grösstmöglichen Schonung der inventarisierten Objekte nach Massgabe ihrer spezifischen Schutzinhalte. Das BLN hat somit nicht zum Ziel, jeglichen menschlichen Eingriff zu verhindern, sondern vielmehr allfällige Eingriffe mit besonderer Sorgfalt zu prüfen.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) hat im Rahmen ihres Jahresprogramms 2002 beschlossen, eine Evaluation zum BLN durchzuführen. Die Subkommission EDI/UVEK hat die Abklärungen betreut. Die Subkommission wird von Nationalrätin Milli Wittenwiler präsidiert und besteht aus den Nationalräten Max Binder, Toni Brunner, Maurice Chevrier, Hugo Fasel, Jakob Freund, Odilo Schmid, Pierre Tillmanns und Christian Waber. Die Subkommission hat der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle (PVK) am 24. Juni 2002 den Auftrag erteilt, eine Erfolgsbilanz zum BLN zu ziehen und das Konzept, auf dem das BLN basiert, zu prüfen sowie eine Beurteilung des BLN-Vollzugs, insbesondere auf Bundesebene, zu liefern.

Um eine Erfolgskontrolle des BLN vorzunehmen, hat die PVK auf der Grundlage der Arealstatistik Schweiz die Bodennutzung in BLN-Objekten mit jener in Referenzflächen ohne BLN-Status verglichen. Da die Arealstatistik nur einen sehr groben Überblick bot, ging die PVK im zweiten Schritt auf einzelne Objekte etwas genauer ein und führte Fallstudien durch, um zu prüfen, ob die tatsächliche Nutzung mit den spezifischen Schutzzielen der ausgewählten Objekte übereinstimmt oder nicht. Bei der Analyse des Konzepts des BLN-Programms hat sich die PVK auf Gesetzesmaterialien, relevante Bundesgerichtsentscheide und wissenschaftliche Studien abgestützt sowie Gespräche mit Landschaftsschutzexperten geführt. Auch für die Frage des BLN-Vollzugs hat die PVK mit Fallstudien gearbeitet.

Die PVK hat
ihre Ergebnisse der Subkommission am 26. Mai 2003 präsentiert. Am 26. Juni 2003 hat sich die Subkommission mit der Frage auseinandergesetzt, welche politischen Schlussfolgerungen aus der Evaluation des BLN gezogen werden können. Sie hat der GPK-N am 3. September 2003 Bericht erstattet, nachdem sie dem Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Gelegenheit zur Stellungnahme gab. Gemäss UVEK wären für die Umsetzung der Empfehlungen der GPK-N zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen nötig. Die GPK-N geht hingegen davon aus, dass die zusätzlichen Ressourcen durch Synergien innerhalb des UVEK mobilisiert werden können. Die GPK-N hat den vorliegenden Bericht am 3. September 2003 genehmigt. Sie hat beschlossen, mit diesem Bericht auch die Ergebnisse der Evaluation der PVK zu veröffentlichen.

Damit kann auch der Umfang des vorliegenden Textes in Grenzen gehalten werden, indem hier nur die wichtigsten Ergebnisse der Evaluation genannt werden.

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2

Hauptergebnisse der Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle

Die PVK zieht in ihrem Bericht eine kritische Erfolgsbilanz des BLN. Vor allem im Zeitraum der achtziger Jahre lassen die Fallstudien unerwünschte Eingriffe im Sinne der Schutzziele des BLN erkennen. Das Schutzziel gemäss Artikel 6 NHG wurde in diesem Zeitraum in ¾ der untersuchten Fälle nicht erreicht. Vereinzelt gab es Aufwertungen spezifischer Schutzinhalte. Die Entwicklung in den neunziger Jahren erwies sich gemäss PVK weiterhin als problematisch. In knapp 2/3 der analysierten Fälle wurde das Schutzziel nicht erreicht. Das Ausmass der Wertverminderung war aber im Vergleich zu den achtziger Jahren tendenziell reduziert. Allerdings lässt sich eine solche Trendwende gemäss den Studien der PVK namentlich bei den Einzelgebäuden und den flächendeckenden Siedlungen nicht ausmachen. Auf der Grundlage der verfügbaren Daten und Erfolgsindikatoren beurteilt die PVK das übergeordnete Ziel des BLN gemäss Artikel 6 NHG insgesamt als nicht erreicht.

Aus konzeptueller Sicht stellt die PVK einen Widerspruch zwischen den hochgesteckten Schutzzielen des BLN-Inventars und dem schwachen Instrumentarium zur Umsetzung dieser Ziele fest. Die Schutzziele des Inventars sind nur vage definiert und deren Konkretisierung stellt eine schwierige Aufgabe für die Vollzugsbehörden dar. Als wesentliche Schwachstelle des BLN-Programms nennt die PVK die ungenaue Bestimmung der Verbindlichkeit des BLN bei der Erfüllung der Kantons- und Gemeindeaufgaben und die eher schwache Integration des BLN in die übrigen raumwirksamen Politikbereiche. Angesichts der beschränkten Zuständigkeit des Bundes in Belangen des Natur- und Heimatschutzes fokussiert das NHG vor allem den Schutz des BLN bei der Erfüllung von Bundesaufgaben. Beim BLN ist eine Aufsplitterung im Vollzug festzustellen, der von einer Vielzahl von Sachpolitiken und Behörden abhängt, die verschiedene und teilweise auch gegensätzliche Interessen vertreten. Eine institutionalisierte Koordination zwischen den Entscheidbehörden sieht die Gesetzgebung zum BLN nicht vor.

Die Analyse des BLN-Programms im Kontext der Raumplanung führte die PVK zum Schluss, dass das Raumplanungsgesetz (RPG) implizit Instrumente für die Umsetzung der Ziele des BLN bereit stellt. Das Potential der Raumplanungsgesetzgebung wird gemäss PVK dennoch nicht vollständig ausgeschöpft. Das Ausmass des BLN-Schutzes
hängt weitgehend vom politischen Willen der Kantone und Gemeinden ab, wie und inwieweit sie BLN-Belange im Vollzug des RPG berücksichtigen wollen.

Bei der Umsetzung der BLN-spezifischen Schutzbestimmungen im Rahmen der Erfüllung von Bundesaufgaben stellt die PVK gegenüber den achtziger Jahren eine Verbesserung fest. Die inhaltliche Qualität der Behördenentscheide ist mehrheitlich zufriedenstellend. Während sich in den damaligen Erhebungen 77 Prozent der Verfügungen als ungeeignet erwiesen, die BLN-Objekte vor Beeinträchtigungen zu schützen, ist heute noch in 40 Prozent der Fälle eine Beeinträchtigung der betroffenen BLN-Objekte im Sinne des Schutzziels zu befürchten. Dass die PVK trotz der festgestellten Verfahrensverbesserungen auf der Stufe Bund zu kritischen Ergebnissen der Erfolgskontrolle des BLN kommt, erklärt der Bericht der PVK durch die nach wie vor bestehenden Schwächen der Verfahren auf Bundesebene und vor allem durch den Einfluss kantonaler und kommunaler Entscheide auf das BLN. Die PVK betont in diesem Zusammenhang, dass beim Ausscheiden der BLN-Gebiete den 779

Anliegen der Kantone und Gemeinden nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Das BLN wird als eine von Bern auferlegte Massnahme empfunden. Die Bereitschaft der lokalen Behörden, das BLN umzusetzen, wird ausserdem durch das Nebeneinander von Inventaren, die sich geografisch überschneiden und die teilweise über eine unbestimmte Verbindlichkeit und unterschiedliche Schutzziele verfügen, geschmälert.

3

Würdigung und Schlussfolgerungen der Geschäftsprüfungskommission

3.1

Allgemeine Bemerkungen

Aufgrund der Ergebnisse der Evaluation der PVK stellt sich die Frage, welche politischen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Ziel der Untersuchung der GPK-N ist nicht, das im Gesetz festgelegte Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung als solches zu hinterfragen, sondern dessen Umsetzung zu verfolgen. Dies ist der Auftrag einer Geschäftsprüfungskommission, welche den Vollzug von Bundesgesetzen nach den Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit beurteilt.

Beim BLN handelt es sich um ein im NHG gesetzlich umschriebenes Instrument. Es hat eine rechtliche Verbindlichkeit für all jene Behörden, die eine Bundesaufgabe im Sinne des NHG erfüllen. Zumal verschiedene Behörden auf verschiedenen Ebenen am Vollzug beteiligt sind, hängen die Wirkungen des BLN von verschiedenen Faktoren und Akteuren im Bereich der Landschaftsentwicklung ab. Die Evaluation der PVK zeigt die Grenzen der Zielerreichung auf. Trotz der kritischen Beurteilung kann in den letzten Jahren eine tendenzielle Verbesserung hinsichtlich der Zielerreichung und insbesondere des Vollzugs des BLN im Rahmen der Erfüllung von Bundesaufgaben beobachtet werden. Es bestehen aber noch Möglichkeiten, das Instrumentarium zu stärken bzw. das BLN besser auszuschöpfen.

Die GPK-N ist der Auffassung, dass nur eine Politik, welche die Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes in die regionale Raum- und Wirtschaftsentwicklung einbindet und gleichzeitig auf die Interessen der betroffenen Bevölkerung sowie die Eigentumsinteressen Rücksicht nimmt, dem Instrument des BLN die angestrebten Wirkungen zu verleihen vermag.

Nach Ansicht der GPK-N sollten die Resultate der vorliegenden Evaluation der PVK möglichst breit diskutiert und daraus insbesondere in Fachkreisen Schlussfolgerungen gezogen werden. Die GPK-N auferlegt sich im heutigen Zeitpunkt eine gewisse Zurückhaltung und beschränkt sich in ihren Schlussfolgerungen auf jene Bereiche, die geeignet sind, das Instrument des BLN auf Bundesebene zu optimieren. Dabei trägt sie der föderalistischen Ausrichtung des Natur- und Heimatschutzes Rechnung.

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3.2

Schutzziele des BLN

Angesichts der eher bescheidenen Erfolgsbilanz des BLN stellt sich die GPK-N die Frage, ob die Schutzziele des BLN unter den heutigen Rahmenbedingungen überhaupt umsetzbar sind. Wie bereits erwähnt bestimmen verschiedene Faktoren und Akteure über den Erfolg des BLN. Die GPK-N hat den Eindruck, dass es heute einer Überprüfung der Ziele des BLN bedarf. Für eine grundsätzliche Überprüfung bestehen verschiedene Gründe. Die in den Inventarblättern für jedes BLN-Objekt beschriebenen Schutzziele sind zum Teil seit 1977 nicht mehr überarbeitet worden und scheinen unter dem Gesichtspunkt einer einvernehmlichen Landschafts- und Umweltpolitik teilweise nicht mehr aktuell. Die raumwirksamen Bundespolitiken (wie z.B. Wasserbau-, Wald-, Energie-, Verkehrspolitik etc.) haben sich in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt und verändert. Die Evaluation hat auf für den Vollzug problematische Zielüberlagerungen hingewiesen und auch die unklare Zielformulierung spricht dafür, eine Bereinigung der Ziele vorzunehmen. Allenfalls müssten auch Gebiete aus dem BLN eliminiert werden, sofern sie sich in keiner Form mehr unter das Ziel von Artikel 6 NHG subsumieren lassen. Oder es ergibt sich, dass ein BLN-Gebiet in ein anderes Bundesinventar aufgenommen werden sollte, das unter Umständen den Schutzzielen besser Rechnung trägt, indem es eine umfassendere Rechtswirkung entfaltet oder die Ziele präziser umschreibt. Eine Überprüfung des Inventars ist in Artikel 5 Absatz 2 NHG ausdrücklich vorgesehen und sollte eigentlich periodisch erfolgen.

Bei einer solchen Bereinigung müsste darauf geachtet werden, dass die Kantone und Gemeinden Gelegenheit erhalten, sich in ausreichendem Mass am Prozess der Zielfestlegung und Zielpräzisierung zu beteiligen. Um Akzeptanz bei den Vollzugsbehörden zu schaffen, ist eine solche Beteilung entscheidend. Diesem Erfordernis wurde offenbar im Rahmen der Entstehungsgeschichte des BLN nicht in allen Teilen genügend Rechnung getragen.

Um dem BLN eine neue Dynamik im Sinne des einvernehmlichen Landschaftsschutzes zu verleihen, empfiehlt es sich, auch beim BLN den Ansatz des Landschaftsentwicklungskonzepts (LEK) unter Beteiligung lokaler Trägerschaften zu prüfen. Dies würde dem im Rahmen der NHG-Revision vorgesehenen Konzept der Landschaftsparks entsprechen. Das LEK skizziert die gewünschte Entwicklung
einer Landschaft auf kantonaler, regionaler und kommunaler Ebene im Hinblick auf eine nachhaltige Nutzbarkeit und eine ästhetische Aufwertung. Die Erarbeitung eines LEK ist prozessorientiert und erfolgt in konstruktiver Zusammenarbeit zwischen Bevölkerung, Interessengruppen und direkt Betroffenen.

Unabhängig von einer grundsätzlichen Überprüfung der Ziele sind die gebietsspezifischen Schutzziele des BLN zu präzisieren. Der Vollzug ist heute für alle Beteiligten sehr anspruchsvoll, zumal der Schutzinhalt des BLN nicht ein für allemal definiert werden kann, sondern für jedes einzelne Objekt spezifisch bestimmt werden muss. Diese Konkretisierung ist heute für die Vollzugsbehörden sehr komplex und aufwändig. Bei unklaren Schutzzielen ist auch unklar, wie weit eine mögliche Nutzung gehen kann und wo Schutz- und Nutzungsinteressen kollidieren. Nach Ansicht der GPK-N sind deshalb die Schutzziele präziser zu fassen, um den Vollzug des BLN zu erleichtern. Die Konkretisierung der Schutzziele kann teilweise auf bereits existierenden Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) aufbauen.

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Empfehlung 1: Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, die gebietsspezifischen Schutzziele des BLN zu überprüfen und zu präzisieren.

Die Ziele sollen unter den Gesichtspunkten einer ganzheitlichen Regionalentwicklung und einer zeitgemässen Umweltpolitik reformuliert werden. Diese Überarbeitung hat in konstruktiver Zusammenarbeit zwischen den Behörden unter Einbezug der Bevölkerung und der direkt Betroffenen zu geschehen.

3.3

Koordination und Integration des BLN in die übrigen raumwirksamen Politikbereiche

Von der Überlagerung verschiedener Instrumente in der Natur- und Landschaftsschutzpolitik wurde bereits gesprochen. Diese Überlagerung verschiedener Instrumente und Schutzziele beeinträchtigt einen wirkungsvollen Vollzug. Nach Ansicht der GPK-N muss eine verstärkte Koordination der Instrumente mit einer intensiveren Zusammenarbeit der zuständigen Vollzugsbehörden einhergehen. Für das BLN bedeutet dies, dass es besser in die übrigen raumwirksamen Politikbereiche eingebunden werden sollte. Die teilweise widersprüchlichen Interessen könnten im Rahmen einer institutionellen Plattform der Vollzugsbehörden diskutiert und koordiniert werden. Es sollte präzisiert werden, welche Behörde was umsetzt. Allenfalls sind in den gesetzlichen Grundlagen wichtiger raumwirksamer Sektoralpolitiken konkrete Bezugnahmen auf das BLN einzufügen, damit die Koordination und Integration des BLN verstärkt werden kann. Für den Vollzug von Bundesaufgaben sollte geprüft werden, ob sich für eine Konzentration der Genehmigungsentscheide das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) als unabhängige Genehmigungsinstanz eignet. Die Koordination beim Vollzug im Rahmen von Bundesaufgaben kann auch durch entsprechende Weiterbildungsmassnahmen und Entscheidraster verstärkt werden.

Insbesondere scheint der GPK-N das Instrumentarium des Raumplanungsrechts geeignet, um das BLN besser in die raumwirksamen Politikbereiche einzubinden.

Die Evaluation der PVK hat gezeigt, dass das RPG dem BLN implizit Rechnung trägt und von seinem Instrumentarium her unterstützend wirken kann. Dem Bund steht die Kompetenz und Pflicht zu, die Oberaufsicht über den Vollzug der Raumplanungsgesetzgebung auszuüben. Die GPK-N ist überzeugt, dass den Zielen des BLN im Rahmen der bestehenden Kompetenzordnung durch einen konsequenten Vollzug des RPG verbesserte Wirkung verliehen werden kann. Die GPK-N ist sich durchaus bewusst, dass die Kantone und Gemeinden in Sachen Raumplanung kraft Verfassung und Gesetz über grosse Ermessensspielräume verfügen. Dem Bundesrat ist es vorab im Rahmen der Genehmigung der Richtpläne möglich, auf kantonale und kommunale Planungen Einfluss zu nehmen. Im Rahmen von Artikel 45 der Raumplanungsverordnung (RPV) hat der Bund die Möglichkeit, die Entwicklung in den BLN-Objekten zu beurteilen. Der Bundesrat sollte auch prüfen, BLN-Gebiete in ein
Konzept oder Sachplan nach Artikel 13 RPG zu überführen, um die Synergien zwischen dem BLN und dem Raumplanungsrecht zu nutzen.

Die GPK-N stellt fest, dass sich der Bund in letzter Zeit für eine verstärkte Koordinationsfunktion eingesetzt hat. Im Rahmen der so genannten Realisierungsprogramme orientiert der Bundesrat regelmässig über den Vollzug und die Ausrichtung 782

der Raumordungspolitik. Solche Anstrengungen, den Koordinationsauftrag des Bundes gemäss Artikel 75 Absatz 2 der Bundesverfassung auf politischer Ebene konsequent umzusetzen, sind weiterhin voranzutreiben.

Empfehlung 2: Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, das BLN besser in den raumwirksamen Politikbereichen zu verankern. Zur Verbesserung der Koordination sollte geprüft werden, ob sich das Bundesamt für Raumentwicklung als unabhängige Genehmigungsinstanz eignet. Der Bundesrat soll sich weiterhin für einen koordinierten Vollzug der Raumplanungsgesetzgebung einsetzen und die Synergien zwischen dem BLN und dem Raumplanungsrecht nutzen.

3.4

Akzeptanz des BLN

Das BLN wird von den Kantonen und Gemeinden oft als vom Bund verordnete Massnahme empfunden. Entsprechend ist die Bereitschaft der lokalen Träger klein, die Ziele des BLN zu vollziehen. Die Umsetzung des BLN ist aber eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Kantonen, Gemeinden und Privaten. Die Akzeptanz des BLN wird aus verschiedenen bereits erwähnten Gründen geschwächt. Die Überlagerung von Schutzzielen und -zonen führt zu Verständnisschwierigkeiten bei den lokalen Behörden und bei der Bevölkerung. Die mangelnde Beteiligung der lokalen Akteure ist einer zielorientierten Zusammenarbeit ebenfalls abträglich. Hinzu kommt das Problem des komplexen Vollzugs des BLN aufgrund der unklaren Schutzziele.

Um die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure zu stärken und Akzeptanz zu schaffen, kommen verschiedene Massnahmen in Betracht. Vorderhand kann durch einen verbesserten Informationsaustausch, durch gezielte Ausbildung und eine verstärkte Koordination unter den verschiedenen Vollzugsträgern auf einen optimalen kollektiven Vollzug des BLN hingewirkt werden. Darüber hinaus könnte der Bundesrat prüfen, ob nicht auch die finanziellen Anreize für die Umsetzung des BLN zu verstärken sind. Die Beiträge des Bundes zur Unterstützung der Pflege und der Unterhaltsmassnahmen nach Artikel 13 NHG decken beim BLN heute lediglich 35 % der Kosten, während sie sich beim Biotop- und Moorschutz auf 60­90 % der anfallenden Kosten belaufen. Landschaftsschonende Bewirtschaftungsformen in BLN-Gebieten könnten auch durch andere Anreize (z.B. Direktzahlungen) attraktiver gemacht werden. Nach Ansicht der GPK-N fehlt es nicht an Vorschriften, sondern eher an Anreizen, um in den BLN-Objekten spezifische Entwicklungen zu fördern und zu begünstigen. Um solche Anreize zu schaffen, sollte der Bund die Synergien zwischen Nutzung und Schutz überprüfen und die Nutzung der BLNGebiete im Einklang mit den Schutzzielen fördern.

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Empfehlung 3: Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, die Akzeptanz zur Umsetzung des BLN durch geeignete Massnahmen im Bereich der Koordination, Information und Partizipation zu erhöhen.

3.5

Öffentlichkeitsarbeit

Die Integration des BLN setzt nicht nur eine verbesserte Information und Koordination unter den verschiedenen Vollzugsträgern von Bund, Kantonen und Gemeinden voraus. Wegen der oben erwähnten unklaren Zielsetzung des BLN besteht nach Ansicht der GPK-N auch bei der Bevölkerung noch immer ein Bedarf an Information und Aufklärung über das BLN. Durch die Überlagerung der verschiedenen Landschaftsschutzmassnahmen kann in der Bevölkerung der Eindruck entstehen, dass immer mehr geschützt werden soll und somit die Nutzungsinteressen nicht mehr ernst genommen werden. Diesem Eindruck ist nach Ansicht der GPK-N durch eine entsprechende Information und Öffentlichkeitsarbeit entgegen zu wirken. Zu betonen ist insbesondere, dass es nicht darum geht, immer mehr zu schützen, sondern die Landschaft besser zu schützen. Es muss auch präzisiert werden, was geschützt werden soll. Dies wiederum setzt eine Konkretisierung der Schutzziele gemäss den Vorschlägen in Kapitel 32 voraus.

Die Öffentlichkeitsarbeit soll die Bedeutung des BLN für die regionale Raumentwicklung, die lokale Wirtschaft und den naturnahen Tourismus betonen. Das ökonomische Potential des naturnahen Tourismus ist gross. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) unterstützt zurzeit im Rahmen von RegioPlus verschiedene Projekte zur Förderung der touristischen Nutzung von BLN-Gebieten. Die Wertschöpfung der Landschaft im naturnahen Tourismus beträgt gemäss Seco jährlich 2,3 Milliarden Franken. Auch die Synergien zwischen Landwirtschaft und Landschaftsschutz dürften den Landnutzern zu wenig bekannt sein. Der Landschaftsschutz wird einseitig als kostenverursachend und einschränkend empfunden. Obschon die Pflege der Kulturlandschaft eines der Ziele der Agrarpolitik des Bundes ist, fehlen nach Ansicht der GPK-N noch weitgehend Instrumente, um Bewirtschaftungsformen in BLN-Gebieten attraktiver zu machen. Schliesslich ist noch die regionalpolitische Komponente des BLN zu erwähnen.

Missverständnisse scheint es zuweilen auch über die Tragweite des Schutzgedankens des BLN zu geben. Das BLN hat wie bereits erwähnt nicht zum Ziel, jeglichen menschlichen Eingriff in ein BLN-Gebiet zu verhindern, sondern vielmehr, allfällige Eingriffe mit besonderer Sorgfalt zu prüfen. BLN-Gebiete sind mit anderen Worten keine absoluten Schutzzonen, sondern Zonen, in welchen Schutz-
und legitime Nutzungsinteressen besonders sorgfältig abzuwägen sind. Ausserdem hat die Evaluation der PVK gezeigt, dass Nutzungen und Veränderungen der Landschaft auch zur Aufwertung eines BLN-Gebietes geführt haben.

Nach Ansicht der GPK-N sind heute das Verständnis des BLN als Teil der modernen Umwelt- und Landschaftsschutzpolitik und dessen Chancen noch nicht genügend verankert.

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Empfehlung 4: Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, in seiner Öffentlichkeitsarbeit zum BLN die Synergien zwischen Schutz und Nutzung aufzuzeigen und zu fördern.

3.6

Informationsgrundlagen zur Beurteilung der Entwicklungen innerhalb der BLN-Objekte

Voraussetzung für den wirkungsvollen Vollzug des BLN sind aussagekräftige Informationsgrundlagen über dessen Auswirkungen. Sie tragen wesentlich zur Kenntnis der Umweltsituation wie auch der Landschaftsentwicklung in den BLNGebieten bei. Das Umweltdatenmanagement hat bisher die Entwicklung der BLNGebiete nicht systematisch einbezogen. Die bestehenden Raum- und Umweltinformationssysteme des Bundes sollten deshalb stärker auf das BLN und dessen Schutzziele ausgerichtet werden. Ein Umweltmonitoring, welches auch das BLN verstärkt einbezieht, spielt eine zentrale Rolle als Orientierungshilfe für ein zukunftgerichtetes Handeln und allfällige Anpassungen des BLN. Es ist im Weiteren zentral für die Koordination der verschiedenen umweltpolitischen Instrumente. Die Beobachtung der Landschaftsentwicklung muss auch qualitative Aussagen über den erreichten Schutz und die Nutzungen machen. Denn nicht jede Nutzung beeinträchtigt die Schutzwirkung. Im besten Fall erreicht sie sogar eine Aufwertung.

Empfehlung 5: Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt dem Bundesrat, die bestehenden Raum- und Umweltinformationssysteme des Bundes stärker auf das BLN auszurichten.

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4

Ausblick und weiteres Vorgehen

Wie in Kapitel 31 dargelegt, erhofft sich die GPK-N einen Dialog unter den Fachstellen und in der Bevölkerung zu den Ergebnissen der Evaluation des BLN. Im vorliegenden Bericht schlägt die GPK-N Massnahmen für den Bund vor, welche hauptsächlich die Zielsetzung des BLN klären, die Koordination und Transparenz beim Vollzug des BLN verbessern und das BLN somit im Rahmen der heutigen gesetzlichen Kompetenzen stärken sollen. Die Behörden sind aufgerufen, ihre Anstrengungen auf politischer und technischer Ebene weiterzuführen. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates überweist diesen Bericht samt Empfehlungen dem Bundesrat mit der Bitte, bis Ende 2003 dazu Stellung zu nehmen.

3. September 2003

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Die Präsidentin der Kommission: Brigitta M. Gadient, Nationalrätin Die Präsidentin der Subkommission EDI/UVEK: Milli Wittenwiler, Nationalrätin Der Stellvertretende Sekretär der Geschäftsprüfungskommissionen: Martin Albrecht

Anhang: Evaluation des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN). Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates 786

Abkürzungsverzeichnis ARE

Bundesamt für Raumentwicklung

BLN

Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

ENHK

Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

LEK

Landschaftsentwicklungskonzept

NHG

Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz, SR 451

PVK

Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle

RPG

Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung, SR 700

RPV

Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000, SR 700.1

Seco

Staatssekretariat für Wirtschaft

SR

Systematische Sammlung des Bundesrechts

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

Verzeichnis der Expertenberichte, die dieser Untersuchung zu Grunde liegen ­

Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle, 2003: Evaluation des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN), vgl. Anhang zu diesem Bericht

­

Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle (Hrsg.), 2003: Umsetzungs- und Verfahrenskontrolle BLN, Teilaktualisierung der Ersterhebung von Hintermann & Weber AG

­

Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle (Hrsg.), 2001: Wirkungskontrolle BLN, Teilaktualisierung der Ersterhebung von Hintermann & Weber AG

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