04.070 Botschaft zur Ratifizierung des Protokolls über Wasser und Gesundheit zu dem Übereinkommen von 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen vom 10. November 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit unsere Botschaft zum Protokoll über Wasser und Gesundheit zu dem Übereinkommen von 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen und beantragen Ihnen, dem beigefügten Entwurf für einen Bundesbeschluss zuzustimmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. November 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2002-2746

6831

Übersicht Das Protokoll über Wasser und Gesundheit zu dem Übereinkommen von 1992 der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen wurde an der dritten Ministerkonferenz über Umwelt und Gesundheit verabschiedet. Diese Konferenz wurde vom Regionalbüro für Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO/EURO) vom 16. bis 18. Juni 1999 in London veranstaltet. Das Protokoll wurde von 36 Staaten, darunter auch von der Schweiz, unterzeichnet und bis heute von 13 Staaten ratifiziert. Es wird 90 Tage nach der Hinterlegung der 16. Ratifikationsurkunde in Kraft treten.

Das Protokoll bezieht sich auf die gesamte europäische Region der Organisation der Vereinten Nationen (CEE/UNO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Er ist das erste internationale Übereinkommen zur Förderung der Gesundheit durch Verbesserung der Wasserbewirtschaftung und durch Bekämpfung wasserbedingter Krankheiten. Es handelt es sich um ein neuartiges Instrument, da keine technischen Normen festgelegt werden, sondern ein Konzept für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden, die sich auf nationaler und lokaler Ebene und im grenzüberschreitenden Umfeld mit der Wasserbewirtschaftung befassen.

Eines der wesentlichen Elemente besteht darin, dass jede Vertragspartei innerhalb von zwei Jahren nach der Ratifizierung des Protokolls die zu erreichenden Ziele festlegen und bekannt geben muss. Diese Ziele müssen eine Wasserbewirtschaftung ermöglichen, mit der die menschliche Gesundheit und die Ökosysteme gemäss den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung geschützt werden. Im Hinblick auf die Erreichung dieser Ziele muss jede Vertragspartei einen Bericht erstellen und publizieren, in dem die erhobenen und evaluierten Daten zusammengefasst werden.

Unabhängig von dieser Verpflichtung sind im Protokoll die Bedeutung und die Notwendigkeit der Information und Beteiligung der Öffentlichkeit festgehalten.

Jede Vertragspartei verpflichtet sich ausserdem, innerhalb von drei Jahren nach der Ratifizierung des Protokolls ein Überwachungs- und Frühwarnsystem einzurichten, mit welchem dem Ausbruch oder Auftreten wasserbedingter Krankheiten wirksam begegnet werden kann.

Die Schweiz arbeitet bereits in mehreren internationalen Kommissionen
für den Schutz von grenzüberschreitenden Wasserläufen und europäischen Seen sowie im Rahmen von regionalen Übereinkommen mit und hat sich auch an der Erarbeitung dieses Protokolls aktiv beteiligt. Auf Grund ihrer zentralen geografischen Lage, die sie zum «Wasserschloss Europas» macht, ist die Schweiz prädestiniert, hinsichtlich dieses Protokolls zu den Vorreiterländern zu gehören. Die zentrale Lage bedeutet auch Verpflichtung, den Nachbarstaaten qualitativ hochwertiges Wasser zu überlassen.

Die Schweiz verfügt bereits über einen Grossteil der gesetzlichen Grundlagen, die für die Umsetzung der aus der Ratifizierung des Protokolls resultierenden Verpflichtungen notwendig sind. Es sind jedoch gesetzliche Anpassungen auf Bundesebene

6832

erforderlich, damit allen gesundheitsrelevanten Aspekten in den Bereichen Trinkund Badewasser Rechnung getragen werden kann. Die Ratifizierung des Protokolls ist aber insbesondere in Bezug auf die Festlegung einer langfristig ausgerichteten Politik zur Bewirtschaftung des Trinkwassers mit zusätzlichen Aufgaben verbunden.

Dies setzt voraus, dass der Bund im Zusammenhang mit der Umsetzung des Protokolls, ein entsprechendes Projekt durchführt.

Mit der Ratifizierung des Protokolls sendet die Schweiz gegenüber den EU-Ländern und der UNO, welche sich mit schwerwiegenden Infektionsproblemen im Zusammenhang mit verunreinigtem Wasser auseinandersetzen muss, ein positives politisches Signal aus. Ausserdem steht die Ratifizierung im Einklang mit der internationalen Umweltpolitik des Bundesrats, in deren Rahmen die Erarbeitung von internationalen Gewässerschutzvorschriften zu den Prioritäten gehört.

6833

Botschaft 1

Grundzüge des Protokolls

1.1

Ausgangslage

An der zweiten Ministerkonferenz über Umwelt und Gesundheit (Helsinki, 20. bis 22. Juni 1994), die vom Regionalbüro für Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO/EURO) veranstaltet wurde, lag der Schwerpunkt der Schlussdeklaration auf der Tatsache, dass über 120 Millionen Menschen, die in der europäischen Region der WHO leben, nach wie vor keinen Zugang zu garantiert sauberem Trinkwasser haben und dass für eine noch grössere Zahl dieser Menschen keine angemessenen Systeme für die Reinigung des Abwassers zur Verfügung stehen. In einigen Ländern der Region bestehen schwer wiegende Infektionsprobleme (Diarrhöe, Hepatitis A) infolge einer mikrobiologischen Verunreinigung des Wassers sowie des Vorhandenseins von verschiedenen Rückständen (Schwermetalle, chemische Produkte usw.).

Vor diesem Hintergrund haben die WHO/EURO und das Sekretariat der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (EWG/UNO) beschlossen, enger zusammenzuarbeiten und ihre Kräfte unter der Aufsicht des Europäischen Ausschusses für Umwelt und Gesundheit (CEES), der für die Vorbereitung dieser Konferenz geschaffen wurde, zu vereinen. Am vierten Treffen des CEES (Riga, Lettland, 14. bis 15. November 1996) wurde entschieden, ein internationales, gesamteuropäisches Instrument zu erarbeiten, mit dem wasserbedingte Krankheiten verhütet, bekämpft und verringert werden sollen.

1.2

Ablauf der Verhandlungen

In der Folge beschloss der CEES, ein zwischenstaatliches Treffen zu veranstalten (Budapest, 11. bis 12. Februar 1998), an dem die Mitgliedstaaten der EU/UNO und der WHO/EURO zur Form des zu entwickelnden Instruments konsultiert wurden.

Im Rahmen dieses Treffens wurde vereinbart, dieses Instrument als Zusatzprotokoll zum Übereinkommen von 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen auszugestalten. Dieses am 17. März 1992 in Helsinki verabschiedete Übereinkommen wurde von der Schweiz am 23. Mai 1995 ratifiziert (BBl 1994 I 253) und trat am 6. Oktober 1996 in Kraft.

Das Protokoll wurde im Rahmen von zwei Verhandlungsrunden unter dem Vorsitz von Ungarn erarbeitet. Die Schweiz nahm aktiv an diesen Sitzungen teil (Budapest, 21. bis 23. September und 3. bis 4. Dezember 1998). Auf Grund seiner Funktion als «Wasserschloss Europas» trägt unser Land hinsichtlich der internationalen Bewirtschaftung der Trinkwasserressourcen eine grosse Verantwortung. Angesichts ihrer privilegierten geografischen Lage und der bereits geleisteten Pionierarbeit zum Schutz ihrer Ressourcen ist die Schweiz aufgerufen, bei der Umsetzung des Protokolls eine führende Rolle zu übernehmen.

An der dritten Ministerkonferenz über Umwelt und Gesundheit (London, 16. bis 18. Juni 1999) stand das Protokoll zur Unterzeichnung offen und wurde von 36 Staaten, darunter auch von der Schweiz, unterzeichnet. Bislang wurde es von

6834

13 Staaten ratifiziert. Es wird 90 Tage nach der Hinterlegung der 16. Ratifikationsurkunde in Kraft treten.

2

Kommentar

Das Protokoll ist der erste internationale gesetzliche Rahmen für die Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der menschlichen Gemeinschaft durch eine Verbesserung der Wasserbewirtschaftung und die Bekämpfung wasserbedingter Krankheiten. Es handelt sich um ein neuartiges Instrument, da es keine technischen Normen festlegt, sondern die Erarbeitung von nationalen Zielen sowie ein Konzept für die Organisation und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen für die Wasserbewirtschaftung zuständigen Behörden vorschlägt. Die Organisation umfasst sowohl eine nationale und lokale Ebene als auch einen grenzüberschreitenden Bereich. Die im Protokoll festgelegten Ziele bestehen in der Gewährleistung des Zugangs zu Trinkwasser für alle sowie in der Reinigung des Abwassers. Dies soll im Rahmen einer integrierten Bewirtschaftung der Wasserressourcen erfolgen, die auf die Sicherstellung des Schutzes und auf eine nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen ausgerichtet ist.

In der Präambel sind die Grundsätze festgehalten, auf denen das Protokoll beruht. Es stützt sich insbesondere auf die Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung und auf das Programm zur weiteren Umsetzung der Agenda 21. Der Schwerpunkt liegt in einer nachhaltigen Bewirtschaftung des hydrologischen Kreislaufs. Damit soll zum einen den Bedürfnissen der Menschen entsprochen und zum andern die Umwelt geschützt werden.

2.1

Verbesserung der Wasserbewirtschaftung

Das Ziel des Protokolls besteht im Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens der menschlichen Gemeinschaft im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung (Art. 1). Dieses Ziel soll durch eine Verbesserung der Wasserbewirtschaftung, einschliesslich des Schutzes der Wasserökosysteme, und durch die Verhütung und Bekämpfung wasserbedingter Krankheiten erreicht werden.

In Artikel 2 werden die im Protokoll verwendeten Begriffe und Konzepte definiert.

Der Geltungsbereich des Protokolls umfasst alle Gewässer, die für den Konsum, zu Erholungszwecken (Baden), für die Aquakultur, die Zucht oder das Einholen von Schalentieren und die Landwirtschaft genutzt werden, sowie Abwasser im Zuge der Sammlung, des Transports, der Aufbereitung, der Entsorgung oder der Wiederverwendung (Art. 3).

Die Vertragsparteien sind verpflichtet, sich an die allgemeinen Bestimmungen für die Umsetzung des Protokolls zu halten (Art. 4). Sie verpflichten sich insbesondere, alle angemessenen Massnahmen zur Schaffung stabiler rechtlicher, verwaltungsmässiger und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen zu ergreifen, um die Wasserbewirtschaftung zu verbessern.

Bei der Umsetzung des Protokolls müssen die Vertragsparteien von bestimmten Grund- und Leitsätzen wie dem Vorsorgeprinzip und dem Verursacherprinzip ausgehen (Art. 5). Die Wasserressourcen müssen nachhaltig bewirtschaftet werden.

6835

Dies bedeutet, dass der Bedarf der heutigen Generation gedeckt werden soll, ohne dass künftigen Generationen die Fähigkeit genommen wird, ihren eigenen Bedarf zu decken. Notwendig und von Bedeutung sind auch der Zugang zu Informationen und die Öffentlichkeitsbeteiligung am Entscheidungsprozess im Zusammenhang mit dem Wasser und der Gesundheit.

2.2

Besserer Schutz vor wasserbedingten Krankheiten

Die Vertragsparteien legen als nationale und lokale Ziele Normen und die zu erreichenden oder zu erhaltenden Resultate fest, um die im Protokoll festgelegten Ziele zu erreichen und so einen besseren Schutz vor wasserbedingten Krankheiten zu gewährleisten (Art. 6). Diese Ziele stützen sich auf die Trinkwasserqualität unter Einbezug der Richtlinien der WHO für die Trinkwasserqualität und die Qualität des für Bewässerungszwecke genutzten Abwassers, des Handbuches der WHO für die risikolose Verwendung von Abwasser der Industrie, der Landwirtschaft und der Aquakultur sowie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (PNUE). Innerhalb von zwei Jahren nach der Ratifizierung des Protokolls müssen die Ziele veröffentlicht werden, und sie müssen regelmässig überarbeitet werden (Art. 7). Ausserdem müssen die Vertragsparteien Daten bezüglich der Fortschritte erheben und bewerten, die im Hinblick auf die Verwirklichung ihrer Ziele realisiert werden.

Dabei sollen sich die Staaten auf vergleichbare Indikatoren stützen. Die Ergebnisse müssen von den Vertragsparteien regelmässig publiziert werden. Die Häufigkeit dieser Veröffentlichungen wird durch die Tagung der Vertragsparteien festgelegt.

2.3

Überwachungssystem

In den ersten drei Jahren nach Beitritt zum Protokoll muss jede Vertragspartei Überwachungs- und Frühwarnsysteme einrichten, mit denen ein Ausbruch oder das Auftreten wasserbedingter Krankheiten oder die Bedrohung durch solche Krankheiten erkannt und rasch gemeldet werden kann (Art. 8). Für die Bewältigung solcher Situationen müssen die Vertragsparteien ausserdem nationale Notfallpläne erarbeiten.

2.4

Sensibilisierung der Öffentlichkeit

Die Vertragsparteien sind verpflichtet Massnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu ergreifen und die theoretische und praktische Ausbildung sowie die Forschung und die Entwicklung von Techniken mit einem guten Kosten-NutzenVerhältnis zu fördern.

Das Protokoll betont die Bedeutung der Information der Öffentlichkeit durch die Vertragsparteien (Art. 10).

6836

2.5

Internationale Zusammenarbeit

Die internationale Zusammenarbeit und gemeinsame und aufeinander abgestimmten internationale Massnahmen werden in Artikel 11, Artikel 12 und Artikel 14 geregelt.

Die Vertragsparteien müssen insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung von Indikatoren zusammenarbeiten, die erforderlich sind, um die Fortschritte zu messen, die in Hinsicht auf die Erreichung der von den Vertragsparteien festgelegten Ziele realisiert werden sollen. Diese Indikatoren werden auch für die Einführung von Überwachungs- und Frühwarnsystemen benötigt. Von besonderer Bedeutung ist die Zusammenarbeit in Bezug auf grenzüberschreitende Gewässer. In diesem Bereich ist der gegenseitige Austausch von Informationen und Kenntnissen ganz besonders wichtig, um die grenzüberschreitenden Auswirkungen wasserbedingter Krankheiten zu verhüten, zu bekämpfen und zu verringern (Art. 13).

Im Rahmen des Protokolls bleibt die Wahl der innerstaatlichen Politik und Massnahmen zur Erreichung der Ziele den einzelnen Ländern überlassen. Überdies können die Vertragsparteien Leitlinien und Empfehlungen annehmen, welche der Durchführung dienen (Art. 16 Abs. 3 Bst. i). Ein bedeutendes Instrument zur Überprüfung der erzielten Fortschritte in den einzelnen Ländern ist die periodische Berichtspflicht der Vertragsstaaten (Art. 7 Abs. 5).

2.6

Beilegung von Streitigkeiten

Die Vertragsparteien vereinbaren Verfahren zur Überprüfung der Einhaltung des Protokolls (Art. 15).

In Artikel 20 des Protokolls werden die Streitbeilegungsmechanismen geregelt, welche den Vertragsparteien zur Verfügung stehen: konsensuale Streitbeilegung durch Verhandlung oder durch andere von den Streitparteien annehmbare Mittel.

Wenn die konsensualen Mittel nicht zum Erfolg führen, gelten die Bestimmungen des Übereinkommens von 1992 für die Beilegung von Streitigkeiten (Art. 20 Abs. 2 Bst. a). Subsidiär besteht die Möglichkeit, die Streitigkeit dem internationalen Gerichtshof vorzulegen, sofern die Vertragsparteien nicht ein Schiedsverfahren oder eine andere Form der Streitbeilegung vereinbaren (Art. 20 Abs. 2 Bst. b).

2.7

Organisation

Die Artikel 16­26 begründen die Organe des Protokolls, d.h. die Tagung der Vertragsparteien und das Sekretariat. Die erste Tagung der Vertragsparteien wird spätestens achtzehn Monate nach Inkrafttreten des vorliegenden Protokolls einberufen.

Danach findet mindestens alle drei Jahre eine Tagung statt. Die Sekretariatsaufgaben werden von der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa und vom Regionalbüro für Europa der WHO gemeinsam erfüllt. In diesen Artikeln sind ausserdem die Modalitäten festgelegt, die für die Anwendung des Protokolls massgebend sind.

6837

2.8

Durchführung und Weiterentwicklung des Protokolls

Die Vertragsparteien werden die Ausrichtungen und Empfehlungen, die der Anwendung der Bestimmungen des Protokolls dienlich sind, prüfen und verabschieden (Art. 16 Abs. 3 Bst. i). Es ist auch vorgesehen, dass die Vertragsparteien Änderungsvorschläge prüfen und verabschieden können und damit den Inhalt des gegenwärtigen Protokolls ändern. Je nach Umfang dieser Änderungen müssen auch der Bundesrat oder das Parlament darüber befinden.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die gesetzlichen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Trinkwasser und der Bewirtschaftung der Wasserressourcen werden vom Bund festgelegt, der die Kantone damit beauftragt, diese Anforderungen durchzusetzen. In der Praxis kann die Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Trinkwasser als gut bezeichnet werden.

Dies gilt sowohl hinsichtlich der Quantität als auch in Bezug auf die Qualität des gelieferten Wassers.

Die Ratifizierung des Protokolls ist jedoch mit zusätzlichen Aufgaben verbunden.

Die Umsetzung der Bestimmungen des Protokolls setzt als Erstes voraus, dass die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen zuständigen Behörden formell festgelegt wird und dass auf Bundes- und Kantonsebene Ziele definiert werden. Diese neue Aufgabe ist Sache der für den Wasserbereich zuständigen Behörden und muss vom Bund koordiniert werden (Art. 6 Abs. 5 Bst. a).

In den ersten zwei Jahren nach der Ratifizierung des Protokolls muss die Schweiz nationale und lokale Ziele festlegen und veröffentlichen (Art. 6 Abs. 2 und 3).

Ausserdem müssen Daten über die bei der Verwirklichung der Ziele realisierten Fortschritte erhoben und evaluiert werden (Art. 7 Abs. 1 Bst. a). Diese Daten müssen auf der Grundlage von Indikatoren erhoben werden, mit denen die erzielten Fortschritte aufgezeigt werden können (Art. 7 Abs. 1 Bst. b). Um eine Gesamtbeurteilung der Trinkwasserqualität in der Schweiz zu ermöglichen, muss periodisch ein allgemeiner Evaluationsbericht veröffentlicht werden (Art. 7 Abs. 5).

In den ersten drei Jahren nach dem Inkrafttreten des Protokolls für die Schweiz muss sie ein Überwachungs- und Frühwarnsystem einrichten und dokumentieren, um dem Ausbruch oder Auftreten wasserbedingter Krankheiten zu begegnen (Art. 7 Abs. 3).

Die gesetzlichen Grundlagen eines solchen Systems bestehen bereits, und die meisten Kantone verfügen über eine gut eingespielte Organisation, um auf solche Vorfälle reagieren zu können. Es muss indessen auf nationaler und internationaler Ebene ein rasch funktionierendes Alarmsystem entwickelt werden, damit bei der Bewältigung solcher Vorfälle eine gute Koordination mit den Nachbarländern gewährleistet ist.

6838

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

In der Schweiz ist die Wasserbewirtschaftung dezentral organisiert. Die Trinkwasserversorgung gehört in der Regel zum Aufgabenbereich der Gemeinden. Jeder Versorgungsbetrieb ist für die Qualität des Wassers verantwortlich, mit dem die Konsumentinnen und Konsumenten beliefert werden. Die Kantonschemiker haben den gesetzlichen Auftrag, die Trinkwasserqualität in ihrem jeweiligen Kanton zu überprüfen.

Gegenwärtig werden jährliche kantonale Beurteilungen publiziert. Zudem werden verschiedene von Versorgungsbetrieben erarbeitete Berichte vorgelegt.

Der Bund muss die Grundlagen schaffen, damit von den offiziellen Labors vergleichbare Ergebnisse erarbeitet werden können. Davon ausgehend können die zu ergreifenden Massnahmen festgelegt werden. Ausserdem werden die Konsumentinnen und Konsumenten über den Wert dieses Gutes informiert und entsprechend sensibilisiert.

Die Labors analysieren jährlich über 40 000 Wasserproben. Die entsprechenden Ergebnisse könnten als Datenbasis für die Statistiken dienen, die für die Erarbeitung eines nationalen Berichts im Rahmen des Protokolls erforderlich sind. Die marginalen Kosten, die mit den Evaluationen verbunden sind, werden vom Bund übernommen. Für die Kantone und die Gemeinden sollte sich daher kein zusätzlicher Finanzierungsbedarf ergeben.

3.3

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Für die Wirtschaft hat die Anwendung der Bestimmungen des Protokolls keine zusätzlichen Aufgaben zur Folge. Die Organisation der Trinkwasserversorgung ist eine Aufgabe, die zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt wird (siehe Ziff. 3.2). Seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts hat die Schweiz hohe Investitionen für die Realisierung einer nachhaltigen Wasserbewirtschaftung getätigt. Die Versorgungsbetriebe sind sich jedoch bewusst, dass der Unterhalt ihrer Versorgungsnetze in den kommenden Jahren mit beträchtlichen Investitionen verbunden sein wird. Diese können nur zum richtigen Zeitpunkt vorgenommen werden, wenn dazu eine konsequente Analyse der mit der Versorgung verbundenen Prioritäten verfügbar ist.

Das Know-how, das die Schweiz in diesem Bereich erworben hat, ist ein Erfahrungsschatz, den sie mit den mittel- und osteuropäischen Staaten teilen könnte. Im Rahmen von Entwicklungsprojekten sind diese Kompetenzen sehr gefragt.

3.4

Andere Auswirkungen (Personal und Finanzen)

2003 wurde eine Studie durchgeführt, mit der die Auswirkungen der Ratifizierung dieses Protokolls auf den Bund untersucht wurden. Aus dieser Studie geht hervor, dass unter der Leitung des BAG eine Projektgruppe geschaffen werden muss, die in der Lage ist, gemäss den im Protokoll festgehaltenen Bedingungen alle Fragen im Zusammenhang mit dem Trink- und Badewasser zu koordinieren. Im Rahmen des Projektes wird es nötig sein, Ziele für die Schweiz festzulegen, eine formelle 6839

Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Akteuren zu sichern, eine digitale Wasserdatenbank mit nationalen Auswertungen zu errichten und regelmässig Berichte zur Hand der internationalen Instanzen zu erarbeiten.

Die nötigen Mittel für die Durchführung dieses Projektes wurden durch das EDI im Aussprachepapier vom 14. November 2003 beschrieben und an den Bundesrat adressiert. Dieses Aussprachepapier hat als Basis des Bundesratbeschlusses vom 19. Dezember 2003 gedient.

Unter Annahme, dass das Parlament das Protokoll über Wasser und Gesundheit ratifiziert, kann das EDI dieses Projekt während drei Jahren durchführen. Die jährlichen Kosten sind in der Höhe von 542 000 Franken budgetiert worden. Diese nötigen Mittel sind zu Lasten des ordentlichen Budgets 2005 des EDI eingeschrieben, als auch in der entsprechenden Finanzpläne 2006 und 2007.

Eine neue Auslegeordnung ist nach der Umsetzung des Protokolles mit dem Finanzdepartement vorzusehen, wenn die Bedingungen (Finanz- und Personalbedarf) für die Erhaltung des Protokolles ändern sollten.

4

Verhältnis zur Legislaturplan

Die Vorlage wird im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003, Kapitel III, Ziffer 3.1, angekündigt (BBl 2000 2229).

Der Bundesrat konnte die Botschaft zum Protokoll über Wasser und Gesundheit in der Legislaturperiode 1999­2003 nicht verabschieden. Abklärungen bezüglich des Handlungsbedarfs zur Anpassung des schweizerischen Rechts bei einer Ratifikation des Protokolls nahmen mehr Zeit in Anspruch als vorgesehen. Zudem stellte das Entlastungsprogramm 2003 des Bundes die Mittel, die für die Umsetzung dieses Protokolls vorgesehen waren, in Frage. Am 19. Dezember 2003 hat der Bundesrat entschieden, dass die Ratifikationsbotschaft ausgearbeitet und Ressourcen für ein nationales Trinkwassermanagement freigegeben werden sollen.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit und rechtliche Grundlagen

Das Übereinkommen von 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen ist ein Rahmenübereinkommen. Dies bedeutet, dass zusätzliche Übereinkünfte in Form von Protokollen erforderlich sind, um die Ziele des Übereinkommens zu erreichen. Dieses Protokoll ist eine Übereinkunft zur Zusammenarbeit, die auf der Grundlage von Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) abgeschlossen wurde, gemäss dem der Bund ermächtigt ist, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung beruht auf Artikel 166 Absatz 2 BV.

Nach Artikel 141 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Das Abkommen sieht keinen Beitritt zu einer 6840

internationalen Organisation vor und ist jederzeit kündbar (Art. 24 des Protokolls).

Es stellt sich somit einzig die Frage, wie es sich mit Ziffer 3 verhält, d.h. ob wichtige rechtsetzende Bestimmungen zu erlassen sind oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordern.

Wichtig sind Normen dann, wenn ihr Regelungsgegenstand im Landesrecht auf formell-gesetzlicher Stufe erlassen werden muss (Art. 164 Abs. 1 Satz 1 BV). Nach dem materiellen Gesetzesbegriff, der in Artikel 164 Absatz 1 Satz 2 BV umschrieben wird, sind Normen dann wichtig, wenn sie grundlegende Bestimmungen enthalten, so Bestimmungen über Aufgaben und Leistungen des Bundes und die Verpflichtung der Kantone bei der Umsetzung und beim Vollzug des Bundesrechts (Art. 164 Abs. 1 Bst. e und f BV). Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes gilt eine Bestimmung dann als rechtsetzend, wenn sie auf verbindliche und generellabstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Das Abkommen enthält keine rechtsetzenden Bestimmungen, welche direkt anrufbare Rechte und Pflichten statuieren. Die Bestimmungen, welche sich an die Mitgliedstaaten richten, sind programmatischer Natur und bedürfen der Umsetzung im innerstaatlichen Recht. Infolgedessen ist das erste Kriterium von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV für die Unterstellung unter das Staatsvertragsreferendum wegen wichtigen rechtsetzenden Vertragsbestimmungen nicht erfüllt.

Obschon einige Bundesgesetze bereits Normen enthalten, welche den Anforderungen von Ziffer 4 des Abkommens genügen, sind ergänzende rechtsetzende Bestimmungen erforderlich. Daher müssen in bestimmten Bereichen bundesrechtliche Bestimmungen zur Erfüllung des Abkommens erlassen werden, so die Festlegung einer Nachhaltigkeitspolitik im Bereich des Trinkwassers auf Landesebene, eine formell-gesetzliche Festlegung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Staatsebenen, die Definition von verbindlichen landesweiten und lokalen Zielen hinsichtlich der Trinkwasserqualität, die Errichtung einer nationalen Datenbank für die in den Kantonen gesammelten Daten über die Wasserqualität des Trink- und Badewassers sowie die Errichtung eines Überwachungs- und Frühwarnsystems, um auf Ausbrüche und bei Auftreten wasserbedingter Krankheiten reagieren zu können.

Bei der Umsetzung
dieser Vorschriften muss dem Bund eine neue Aufgabe zugewiesen werden. Überdies muss die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen geregelt werden. Diese Bestimmungen sind daher in einem formellen Bundesgesetz zu erlassen. Damit ist das zweite Kriterium von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 für die Unterstellung unter das Staatsvertragsreferendum erfüllt.

Folglich ist der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Abkommens dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

5.2

Auswirkungen auf das innerstaatliche Recht

Die Schweiz verfügt über ausreichende gesetzliche Grundlagen, um die meisten Verpflichtungen, die sich aus der Ratifizierung des Protokolls ergeben, in der Praxis umsetzen zu können.

Das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (SR 814.20) und dessen Ausführungsverordnung (SR 814.201) enthalten die für den Gewässerschutz notwendigen Bestimmungen. Deren Anwendung fällt unter die Zuständigkeit der Kantone.

6841

Gestützt auf dieses Gesetz werden über 97 % des Haushalt- und Industrieabwassers gesammelt und gereinigt.

Die Bestimmungen zum Trinkwasser sind im Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (SR 817.0) und in der Lebensmittelverordnung (SR 817.02) enthalten. In dieser Verordnung ist festgehalten, was unter «Trinkwasser» zu verstehen ist. Ausserdem sind darin die Anforderungen hinsichtlich der Verfahren und Produkte festgelegt, die für die Wasserverarbeitung verwendet werden. Bestimmungen zum Trinkwasser enthält auch die Verordnung des EDI über die hygienischen und mikrobiologischen Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände, Räume, Einrichtungen und Personal (SR 817.051) sowie die Verordnung des EDI über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln (SR 817.021.23). Der Vollzug der Bestimmungen zu den Lebensmitteln ist Sache der Kantone.

Es besteht zudem ein System für die Meldung von Infektionskrankheiten, das durch das Epidemiengesetz (SR 818.101) und die entsprechenden zwei Verordnungen geregelt wird (SR 818.141.1 und 818.141.11). Ausserdem sind im Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung (SR 531) und in der entsprechenden Verordnung (SR 531.32) Massnahmen vorgesehen, mit denen in Krisenzeiten eine ausreichende Trinkwasserversorgung gewährleistet werden soll.

Die formelle Festlegung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen zuständigen Behörden und die Durchführung einer landesweiten Überprüfung der Trinkwasserqualität erfordern indessen eine Anpassung der Ausführungsbestimmungen des Lebensmittelgesetzes (Festlegung der Deklarationspflicht, Koordination zwischen Bund und Kantonen usw.).

Ausserdem müssen auf Bundesebene gesetzliche Grundlagen für die Festlegung von Kriterien für die Beurteilung von Badewasser geschaffen werden (Schwimmbäder, Seen und Flüsse). Heute stehen lediglich kantonale Gesetze auf der Basis von BAGEmpfehlungen zur Verfügung.

Was den in Artikel 10 des Protokolls vorgesehenen Zugang der Öffentlichkeit zu den Informationen anbelangt, haben die Kantone und die für die Trinkwasserversorgung zuständigen Unternehmen bereits verschiedene Systeme für die Bekanntgabe von Daten in die Öffentlichkeit entwickelt. Die Schweiz verbessert gegenwärtig den Zugang zu den Informationen. Zum einen erfolgt dies durch das Bundesgesetz über die Öffentlichkeit
der Verwaltung, das von den Eidgenössischen Räten behandelt wird. Zum anderen laufen derzeit die Vorbereitungsarbeiten für die Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens von 1998 über den Informationszugang, die Teilnahme der Öffentlichkeit am Entscheidungsprozess und den Zugang zur Justiz in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen). Zudem wird die Revision des Umweltschutzgesetzes durchgeführt, in deren Rahmen die Einführung eines Rechts auf den allgemeinen Zugang zu umweltrelevanten Informationen geplant ist. Es ist vorgesehen, dass die Schweiz das Aarhus-Übereinkommen nach der Änderung des Umweltschutzgesetzes ratifizieren kann. Im Rahmen der Revision 2002 der Lebensmittelgesetzgebung (Lebensmittelverordnung, SR 817.02, Art. 275d) wurde ausserdem eine Verpflichtung zur Unterrichtung der Konsumentinnen und Konsumenten eingeführt.

6842

5.3

Verhältnis zum europäischen und internationalen Recht

Auf internationaler Ebene entspricht die schweizerische Gesetzgebung den Richtlinien der WHO zur Wasserqualität und dem europäischen Recht (Richtlinie 98/83/EG des Rats vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch und Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Massnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik). Die EU-Behörden bereiten den Entscheid des Rats zur Unterzeichnung des Protokolls im Namen der Gemeinschaft vor (COM [2001] 483).

Im Rahmen von internationalen Übereinkommen über den Gewässerschutz beteiligt sich die Schweiz bereits aktiv an den Arbeiten mehrerer internationaler Kommissionen für den Schutz von grenzüberschreitenden Wasserläufen. Dazu gehören die internationalen Kommissionen für den Schutz des Bodensees (IGKB), des Genfersees (CIPEL) und des Rheins (CIPR). Die Schweiz hat auch das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks ratifiziert (OSPAR Convention).

6843

6844