04.072 Botschaft über die Genehmigung und die Umsetzung des Strafrechts-Übereinkommens und des Zusatzprotokoll des Europarates über Korruption (Änderung des Strafgesetzbuches und des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb) vom 10. November 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Strafrechtsübereinkommens und des Zusatzprotokolls des Europarates über Korruption, einschliesslich Änderungen des Strafgesetzbuches und des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. November 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-0640

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Übersicht Die weltweiten Bestrebungen zur besseren Verhütung und Bekämpfung der Bestechung haben in den letzten Jahren mehrere internationale Abkommen hervorgebracht. Nach dem OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, welchem die Schweiz im Jahr 2000 beigetreten ist, bildet das Strafrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption eine zweite, fortgeschrittene Etappe der Prävention und Repression von Bestechung. Es verfolgt das Ziel einer Harmonisierung der einschlägigen Rechtsnormen in den Mitgliedstaaten des Europarates und einer Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet.

Das eigentliche Kernstück des Übereinkommens bilden die Tatbestände, welche die Mitgliedstaaten unter Strafe stellen müssen. Dazu gehören insbesondere die aktive und passive Bestechung in- und ausländischer Beamter, Behördenmitglieder und Parlamentarier sowie von entsprechenden Amtsträgern internationaler Organisationen und internationaler Gerichtshöfe. Zu bestrafen sind zudem auch aktive und passive Bestechung von Privatpersonen sowie weitere mit Bestechung verbundene Taten, wie insbesondere das Waschen von aus Bestechung stammenden Geldern.

Die Mitgliedstaaten sind ferner verpflichtet, für die aktive Amtsträger- und Privatbestechung die Verantwortlichkeit juristischer Personen vorzusehen. Weiter haben sie im Anwendungsbereich der Konvention effiziente Rechtshilfe zu leisten. Die vollständige Umsetzung der Konvention durch die Vertragsstaaten bildet ein weiteres zentrales Anliegen. Sie wird insbesondere durch gegenseitige Länderprüfungen der Mitgliedstaaten gewährleistet, die im Rahmen der zu diesem Zweck gebildeten Kommission (GRECO) stattfinden.

Die Ziele des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls decken sich mit der schweizerischen Strafrechtspolitik. Nachdem das Korruptionsstrafrecht anlässlich des Beitritts der Schweiz zur OECD-Konvention im Jahre 2000 revidiert worden ist, vermag das geltende Recht auch dem Übereinkommen des Europarates über weite Strecken zu genügen und geht in verschiedenen Punkten sogar darüber hinaus. Der Beitritt gibt jedoch Anlass, einzelne, noch bestehende Lücken des innerstaatlichen Bestechungsstrafrechts zu schliessen. In erster Linie betrifft dies die im Bundesgesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb nur fragmentarisch erfasste Privatbestechung.

Hier soll neu auch die Annahme entsprechender Vorteile, das heisst die passive Privatbestechung, unter Strafe gestellt werden. Weiter sind die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Privatbestechung strukturell der Amtsträgerbestechung anzupassen.

Hingegen soll die Privatbestechung auch künftig nur auf Antrag verfolgt werden, da zur Aufdeckung dieser Delikte die Mitwirkung der betroffenen Privaten ohnehin in aller Regel unabdingbar ist. Weiter schlägt der Entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches vor, neben der aktiven neu auch die passive Bestechung von ausländischen und internationalen Funktionären unter Strafe zu stellen. Schliesslich ist der Deliktskatalog

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bei der primären Strafbarkeit des Unternehmens (Art. 100quater Abs. 2 StGB) um den Tatbestand der aktiven Privatbestechung zu ergänzen. Das Zusatzprotokoll ergänzt das Übereinkommen bezüglich der Bestechung von Geschworenen und von Schiedsrichtern, welche Rechtsstreitigkeiten entscheiden. Die Randbereiche, die das Zusatzprotokoll abdeckt, machen keinerlei zusätzliche innerstaatliche Umsetzungsmassnahmen nötig.

6985

Inhaltsverzeichnis Übersicht

6984

1 Allgemeiner Teil 1.1 Einleitung 1.2 Die Arbeiten des Europarates auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung 1.3 Grundzüge des Strafrechtsübereinkommens und des Zusatzprotokolls über Korruption 1.4 Würdigung 1.5 Ergebnisse des Vorverfahrens

6989 6989

2 Die einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls und ihre Umsetzung ins innerstaatliche Recht 2.1 Begriffsbestimmungen (Art. 1 Ü) 2.2 Innerstaatlich zu treffende Massnahmen (Art. 2­23 Ü) 2.2.1 Bestechung von Amtsträgern (Art. 2­6 und 9­11 Ü) 2.2.1.1 Aktive Bestechung inländischer Amtsträger (Art. 2 Ü) 2.2.1.2 Passive Bestechung inländischer Amtsträger (Art. 3 Ü) 2.2.1.3 Bestechung von Mitgliedern inländischer öffentlichrechtlicher Versammlungen (Art. 4 Ü) 2.2.1.4 Bestechung ausländischer Amtsträger (Art. 5 Ü) 2.2.1.5 Bestechung von Mitgliedern ausländischer öffentlichrechtlicher Versammlungen (Art. 6 Ü) 2.2.1.6 Bestechung von Amtsträgern internationaler Organisationen (Art. 9­11 Ü) 2.2.2 Der neue Tatbestand der passiven Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies Abs 2 E-StGB) 2.2.3 Privatbestechung (Art. 7 und 8 Ü) 2.2.3.1 Einführung 2.2.3.2 Vorgaben von Art. 7 und 8 Ü 2.2.4 Neue Strafbestimmung über die aktive und passive Privatbestechung (Art. 4a und 23 E-UWG) 2.2.4.1 Systematische Einordnung 2.2.4.2 Beibehaltung des Antragserfordernisses 2.2.4.3 Weitere Elemente des neuen Art. 4a E-UWG 2.2.5 Missbräuchliche Einflussnahme (Art. 12 Ü) 2.2.5.1 Vorgaben 2.2.5.2 Vergleich mit dem schweizerischen Recht 2.2.5.3 Gesetzgebungsbedarf?

2.2.6 Geldwäscherei (Art. 13 Ü) 2.2.6.1 Vorgaben 2.2.6.2 Vergleich mit dem schweizerischen Recht 2.2.7 Buchführungsdelikte (Art. 14 Ü) 2.2.7.1 Vorgaben 2.2.7.2 Vergleich mit dem schweizerischen Recht 2.2.8 Teilnahmehandlungen (Art. 15 Ü) 6986

6990 6991 6993 6993 6995 6995 6996 6996 6997 6998 6999 7000 7002 7002 7004 7004 7004 7007 7007 7007 7009 7009 7013 7013 7014 7015 7017 7017 7017 7018 7018 7018 7019

2.3

2.4 2.5 2.6

2.2.9 Immunität (Art. 16 Ü) 2.2.10 Gerichtsbarkeit (Art. 17 Ü) 2.2.10.1 Vorgaben 2.2.10.2 Vergleich mit dem schweizerischen Recht 2.2.10.3 Schlussfolgerung 2.2.11 Verantwortlichkeit juristischer Personen (Art. 18 Ü) 2.2.11.1 Vorgaben 2.2.11.2 Vergleich mit dem schweizerischen Recht 2.2.11.3 Notwendigkeit der Ergänzung von Art. 100quater Abs. 2 StGB 2.2.12 Sanktionen und Massnahmen (Art. 19 Ü) 2.2.13 Spezialisierte Behörden (Art. 20 Ü) 2.2.14 Zusammenarbeit zwischen innerstaatlichen Behörden (Art. 21 Ü) 2.2.14.1 Inhalt und Vorgaben 2.2.14.2 Situation im schweizerischen Recht 2.2.15 Schutz von Informanten und Zeugen (Art. 22 Ü) 2.2.15.1 Vorgaben 2.2.15.2 Situation im schweizerischen Recht 2.2.16 Massnahmen zur Erleichterung der Beweisaufnahme und der Einziehung von Erträgen (Art. 23 Ü) 2.2.16.1 Vorgaben 2.2.16.2 Situation im schweizerischen Recht Internationale Zusammenarbeit (Art. 25­31 Ü) 2.3.1 Allgemeine Grundsätze und Massnahmen der internationalen Zusammenarbeit (Art. 25 Ü) 2.3.2 Rechtshilfe (Art. 26 Ü) 2.3.2.1 Vorgaben 2.3.2.2 Vereinbarkeit mit dem schweizerischen Recht 2.3.3 Auslieferung (Art. 27 Ü) 2.3.4 Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen (Art. 28 Ü) 2.3.5 Zentralbehörde (Art. 29 Ü) 2.3.6 Unmittelbarer Schriftverkehr (Art. 30 Ü) 2.3.7 Information (Art. 31 Ü) Überprüfung der Umsetzung des Übereinkommens (Art. 24 Ü) Schlussbestimmungen (Art. 32­42 Ü) Das Zusatzprotokoll 2.6.1 Begriffsbestimmungen (Art. 1 ZP) 2.6.2 Innerstaatlich zu treffende Massnahmen (Art. 2­6 ZP) 2.6.3 Weitere Bestimmungen des Zusatzprotokolls

7019 7020 7020 7020 7022 7022 7022 7022 7024 7024 7025 7025 7025 7026 7026 7026 7027 7027 7027 7028 7029 7029 7030 7030 7030 7032 7033 7033 7034 7034 7034 7035 7036 7036 7037 7038

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Volkswirtschaftliche Auswirkungen 3.3 Auswirkungen auf die Kantone

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4 Verhältnis zur Legislaturplanung

7040

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5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Verhältnis zum europäischen Recht

7040 7040 7041

Anhänge: Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Strafrechts-übereinkommens und des Zusatzprotokolls des Europarates über Korruption (Entwurf) 7043 Strafrechtsübereinkommen über Korruption

7047

Zusatzprotokoll zu dem Strafrechtsübereinkommen über Korruption

7063

6988

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Einleitung

Die Korruption bildet seit einigen Jahren eines der wichtigsten Themen der Kriminalpolitik. Die Anstrengungen zu ihrer Verhütung und Bekämpfung haben u.a. zu einer Reihe von internationalen Übereinkommen geführt: Neben den Konventionen des Europarates1, der Europäischen Union2 und der Organisation Amerikanischer Staaten3 ist insbesondere das OECD-Übereinkommen vom 17. Dezember 19974 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr zu erwähnen, welches die Schweiz am 31. Mai 2000 ratifiziert hat5. Schliesslich liegt nun mit der UNO-Konvention gegen die Korruption auch ein globales Instrument gegen Bestechung vor. Es wurde im Dezember 2003 zur Unterzeichnung aufgelegt und ist seither von über 100 Staaten signiert worden. Die Schweiz unterzeichnete die UNO-Konvention anlässlich der UnterzeichnungsKonferenz am 10. Dezember 2003.

Im Inland haben Bundesrat und Parlament in den letzten Jahren verschiedene Massnahmen zur besseren Prävention und Repression der Bestechung getroffen. Im Zentrum steht dabei zweifellos das seit dem 1. Mai 2000 in Kraft stehende neue Korruptionsstrafrecht6. Hinzuweisen ist aber auch auf das Bundesgesetz über die Unzulässigkeit steuerlicher Abzüge von Bestechungsgeldern, welches Anfang 2001 in Kraft getreten ist7. Zu nennen sind weiter die 1998 erstellte umfassende Analyse über Korruptionsgefährdungen und Sicherheitsvorkehrungen in der gesamten Bundesverwaltung, der Verhaltenskodex für Bundesbedienstete sowie der Bericht des Bundesrates vom 16. Juni 20038 über Korruptionsprävention. In strafprozessualer Hinsicht ist schliesslich die per Anfang 2002 durch die so genannte Effizienzvorlage eingeführte verstärkte Rolle des Bundes bei der Verfolgung von organisiertem Verbrechen und Wirtschaftskriminalität zu erwähnen9: Die in Artikel 340bis StGB neu eingeführte Bundesgerichtsbarkeit umfasst namentlich auch die Bestechungstatbestände.

Mit der bereits erwähnten Revision des Korruptionsstrafrechts sind die Strafnormen gegen die Amtsträgerbestechung von Grund auf reformiert und auf die Herausforderungen systemischer und grenzüberschreitender Korruption zugeschnitten worden.

1 2

3 4 5

6 7 8 9

Vgl. nachfolgend 1.2.

Übereinkommen vom 26. Mai 1997 über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der EG oder der Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind. Vgl. auch das Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften sowie die beiden Zusatzprotokolle vom 27. September 1996 und vom 19. Juni 1997.

Inter-Amerikanische Konvention gegen Korruption vom 29. März 1996.

SR 0.311.21.

Vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates vom 19. April 1999 zur Revision des Korruptionsstrafrechts sowie über den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, BBl 1999 5497 ff.

Artikel 322ter ff. StGB; vgl. AS 2000 1121 ff. und BBl 1999 5497 ff.

AS 2000 2147 f.

BBl 2003 5144 ff.

AS 2001 3071 ff. und BBl 1998 1529 ff.

6989

Allerdings hatte der Bundesrat schon in der entsprechenden Botschaft10 darauf hingewiesen, dass zusätzliche Modifikationen, insbesondere zur besseren Erfassung der Privatbestechung, notwendig sein würden, um den Anforderungen der Strafrechtskonvention des Europarates zu genügen. Ein etappenweises Vorgehen war insbesondere deshalb erforderlich, weil andernfalls die damals vordringliche Ratifikation der OECD-Konvention eine zu grosse Verzögerung erfahren hätte.

1.2

Die Arbeiten des Europarates auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung

Im Rahmen der internationalen Initiativen gegen die Korruption hat der Europarat substanzielle Arbeiten geleistet. Seine Aktivitäten wurden durch die 19. Europäische Justizministerkonferenz 1994 ausgelöst. Eine eigens dafür vom Ministerkomitee eingesetzte multidisziplinäre Arbeitsgruppe (Groupe multidisciplinaire sur la corruption, GMC), in welcher die Schweiz aktiv mitwirkte, erstellte in der Folge ein umfassendes Aktionsprogramm gegen die Korruption11 und wandte sich anschliessend der Umsetzung dieses Aktionsprogrammes zu. Die Arbeiten des GMC wurden im Oktober 2001 abgeschlossen und brachten mehrere internationale Instrumente hervor: Die wohl wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeiten bilden das vorliegend zur Ratifikation anstehende Strafrechtsübereinkommen sowie die Zivilrechtskonvention vom 4. November 199912 gegen die Korruption. Letztere ist ein erstmaliger Versuch, auf der Basis eines multilateralen Vertrags zivilrechtliche Mindeststandards in Bezug auf die Entschädigung von Korruptionsopfern zu statuieren. Bereits 1997 verabschiedete das Ministerkomitee die 20 Leitprinzipien zur Korruptionsbekämpfung13.

Dabei handelt es sich um eher allgemein gehaltene, rechtlich nicht verbindliche Grundsätze, die sich teils an die Gesetzgeber, teils an die Justizbehörden der einzelnen Staaten richten. 1999 wurde sodann im Rahmen eines erweiterten Teilabkommens des Europarates14 ein Überwachungsmechanismus geschaffen, mit welchem die Umsetzung und Anwendung der Konventionen und der übrigen Instrumente auf dem Gebiete der Korruptionsbekämpfung gesichert werden soll. Die Tätigkeit der entsprechenden Kommission (Groupe d'Etats contre la corruption, GRECO) bezweckt die Evaluation der in den Mitgliedstaaten zur Korruptionsbekämpfung getroffenen Massnahmen, insbesondere der Umsetzung der europäischen Übereinkommen zur Korruptionsbekämpfung. Dazu werden wechselseitige Länderprüfungen durchgeführt, die sich am Muster der Geldwäschereibekämpfungs-Arbeitsgruppe, der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), orientieren.

GRECO steht sämtlichen Mitgliedstaaten des Europarates sowie denjenigen weiteren acht Staaten offen, die als Beobachter an der Ausarbeitung des Statuts beteiligt waren. Neben dem ordentlichen Beitritt zum Statut begründet auch die Ratifikation des Strafrechts- bzw. Zivilrechtsübereinkommens automatisch die Mitgliedschaft im GRECO. Auf die Einzelheiten ist bei der Erläuterung von Artikel 24 des Straf10 11 12 13 14

BBl 1999 5497ff., S. 5512 und 5522 f.

Programme d'action contre la corruption, Strasbourg 1996.

Konvention Nr. 174 des Europarates; bisher von 17 Staaten unterzeichnet und von 21 ratifiziert. Das Übereinkommen ist am 1.11.2003 in Kraft getreten.

Resolution (97)24 vom 6.11.1997.

Resolutionen (98)7 vom 4./5.5.1998 und (99)5 vom 1.5.1999.

6990

rechtsübereinkommens zurückzukommen15. Weiter hat das Ministerkomitee im Mai 2000 eine Empfehlung verabschiedet, die einen Modellverhaltenskodex für öffentlich Bedienstete enthält16. Schliesslich hat das GMC eine Empfehlung zur Bekämpfung der Korruption bei der Parteienfinanzierung und bei Wahlkampagnen sowie das Zusatzprotokoll zum Strafrechtsübereinkommen ausgearbeitet. Letzteres dehnt das Strafrechtsübereinkommen auf Schiedsrichter- und Geschworenenbestechung aus.

1.3

Grundzüge des Strafrechtsübereinkommens und des Zusatzprotokolls über Korruption

Das Strafrechtsübereinkommen wurde zwischen Februar 1996 und September 1998 vom GMC und seiner strafrechtlichen Arbeitsgruppe (GMCP) in total 14 Sessionen ausgearbeitet. Die Genehmigung durch das Ministerkomitee des Europarates erfolgte im November 1998 und die Auflage zur Unterzeichnung am 27. Januar 1999. Die Konvention ist am 1. Juli 2002 in Kraft getreten und bislang (Stand November 2004) von 30 Staaten ratifiziert und von 16 weiteren Staaten unterzeichnet worden. Die Unterzeichnung durch die Schweiz erfolgte am 26. Februar 2001.

Inhaltlich geht das Übereinkommen im Vergleich zu anderen Anti-KorruptionsKonventionen, wie namentlich auch der von unserem Land ratifizierten OECDKonvention, wesentlich weiter: Während letztere sich auf das Thema der aktiven Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr beschränkt, enthält das Strafrechtsübereinkommen des Europarates generelle Mindestanforderungen an die strafrechtliche Bekämpfung der verschiedenen Formen von Amtsträger- und Privatbestechung.

Im Einzelnen sind folgende wesentlichen Anforderungen und Bestimmungen hervorzuheben: ­

15 16

Unter den auf nationaler Ebene zu treffenden Massnahmen zählt das Übereinkommen in den Artikeln 2­14 als eigentliches Kernstück die Tatbestände auf, die durch den nationalen Gesetzgeber unter Strafe zu stellen sind: Neben der Verpflichtung, aktive und passive Bestechung inländischer Amtsträger zu kriminalisieren (Art. 2­4), sind die Vertragsstaaten auch gehalten, die aktive und passive Bestechung ausländischer Amtsträger strafrechtlich zu erfassen (Art. 5 und 6). Gleiches gilt bezüglich Amtsträgern internationaler Organisationen bzw. Gerichtshöfe (Art. 9­11). Sodann besteht die Verpflichtung, die aktive und passive Privatbestechung unter Strafe zu stellen (Art. 7 und 8). Zu erfassen sind weiter auch als missbräuchliche Einflussnahme (trafic d'influence) bezeichnete Vorstufen der inländischen und grenzüberschreitenden Bestechung (Art. 12), die Korruptionsgeldwäscherei (Art.13) sowie Buchführungsstraftaten, die zwecks Begehung oder Verschleierung von Bestechung begangen werden (Art. 14). Unter den weiteren auf nationaler Ebene zu treffenden Massnahmen ist sodann Artikel 18 hervorzuheben, welcher die Mitgliedstaaten verpflichtet, für Korruptionsstraftaten die Verantwortlichkeit juristischer Personen vorzusehen.

Nachfolgend Ziffer 2.4.

Empfehlung(2000)10 vom 11.5.2000.

6991

­

Das Kapitel über die internationale Zusammenarbeit statuiert am Anfang den Grundsatz weitestmöglicher Kooperation auf Grund bestehender multilateraler und bilateraler Verträge und des innerstaatlichen Rechts (Art. 25). Als Mindeststandards vorbehalten bleiben jedoch die nachfolgenden Sonderbestimmungen (Art. 26­31), die allerdings im Ergebnis nicht über das geltende schweizerische Rechtshilferecht hinausgehen. Dies gilt namentlich auch für Artikel 26 Ziffer 3, wonach Rechtshilfe nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis abgelehnt werden darf.

­

Unter den Schlussbestimmungen ist vorab auf Artikel 32 hinzuweisen, welcher für das Inkrafttreten der Konvention 14 Ratifikationen voraussetzt. Wie bereits erwähnt bewirkt nach dieser Bestimmung der Beitritt zum Übereinkommen automatisch auch die Mitgliedschaft im GRECO für diejenigen Beitrittsländer, die ­ wie die Schweiz ­ der Gruppe noch nicht angehören.

Im Interesse einer möglichst gleichwertigen Umsetzung der Verpflichtungen des Übereinkommens durch die Vertragsstaaten besteht sodann eine doppelte Einschränkung der Möglichkeit, Vorbehalte zur Konvention anzubringen: Zum einen können nur zu bestimmten Bestimmungen (Art. 4­12, 17 und 26) Vorbehalte oder einschränkende Erklärungen angebracht werden (Art. 36 und 37) und zum andern können gesamthaft nicht mehr als 5 verschiedene Vorbehalte erklärt werden (Art. 37 Ziff. 4).

Das Zusatzprotokoll, welches das Übereinkommen in Randbereichen ergänzt, wurde am 15. Mai 2003 zur Unterzeichnung aufgelegt und bislang von 7 Staaten (Albanien, Bulgarien, Norwegen, Rumänien, Schweden, Slowenien und Vereinigtes Königreich) ratifiziert und von 20 weiteren Staaten unterzeichnet. Die Unterzeichnung durch die Schweiz erfolgte am 3. Juni 2004.

Inhaltlich dehnt das Zusatzprotokoll das Übereinkommen auf Schiedsrichter- und Geschworenenbestechung aus. Nach der Bestimmung verschiedener Begriffe (Art. 1) enthält das Protokoll in Kapitel II (Art. 2­6) die auf innerstaatlicher Ebene zu treffenden Massnahmen: Bestrafung der aktiven und passiven Bestechung von in- und ausländischen Schiedsrichtern, d.h. von Personen, die auf Grund einer Schiedsabrede in einem ihnen unterbreiteten Rechtsstreit rechtlich verbindliche Entscheidungen fällen, sowie Bestrafung der aktiven und passiven Bestechung von in- und ausländischen Geschworenen, d.h. von Laien, die als Angehörige eines Kollegialgerichts über die Schuld von strafrechtlich Angeklagten entscheiden. Alle übrigen Tatbestandsmerkmale der Artikel 2­6 entsprechen den Bestechungsnormen der Konvention.

Unter den übrigen Bestimmungen des Zusatzprotokolls zu erwähnen sind Artikel 8 (sinngemässe Anwendung der Konventionsbestimmungen auf das Zusatzprotokoll, so z.B. bezüglich Rechtshilfe), Artikel 9 (Möglichkeit, die zur Konvention angebrachten zulässigen Erklärungen und Vorbehalte auch auf Parallelbestimmungen des Zusatzprotokolls auszudehnen bzw. anzuwenden) sowie Artikel 10 (Erfordernis von 5 Ratifikationen für das Inkrafttreten des Zusatzprotokolls).

Der Grund für die gesonderte Ausarbeitung des Zusatzprotokolls ist darin zu sehen, dass ­ anders als in der Schweiz ­ Schiedsrichter und Geschworene von nationalen Korruptionsstrafrechten teilweise anders als Richter oder gar nicht erfasst werden17.

17

Vgl. dazu auch den Erläuternden Bericht zum Zusatzprotokoll N 35 unter www.coe.int (legal affairs, treaty office).

6992

1.4

Würdigung

Das Strafrechtsübereinkommen des Europarats stellt im Rahmen der internationalen Bestrebungen zur wirksamen Bekämpfung der Korruption einen wichtigen Schritt dar. Seine Hauptziele Verstärkung und Harmonisierung der strafrechtlichen Antikorruptionsvorschriften in den Mitgliedstaaten des Europarates und Erleichterung der diesbezüglichen internationalen Zusammenarbeit decken sich mit der schweizerischen Strafrechtspolitik. Die vergleichsweise sehr grosse Zahl von Mitglieds- und Signatarstaaten unterstreicht den hohen Stellenwert der Konvention. Auch mit Blick auf die aktive Mitarbeit der Schweiz an der Ausarbeitung des Übereinkommens ist nach Auffassung des Bundesrates ein Beitritt folgerichtig. Das geltende schweizerische Recht vermag den Anforderungen des Übereinkommens über weite Strecken zu entsprechen; es weist in verschiedener Hinsicht sogar einen höheren Standard auf als die Konvention. Andererseits gibt der Beitritt Anlass, durch die hier vorgeschlagene Strafbarkeit auch der passiven Bestechung ausländischer und internationaler Amtsträger im Strafgesetzbuch sowie durch die Verstärkung der im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geregelten Privatbestechung Lücken in unserem innerstaatlichen Abwehrdispositiv zu schliessen.

Ein Beitritt zum Zusatzprotokoll führt zu keinerlei zusätzlichen Verpflichtungen für unser Land, weil die Korruptionsstrafnormen in Artikel 322ter ff. des Strafgesetzbuches explizit auch Schiedsrichter als Täter bzw. Tatobjekt nennen und der Begriff der «richterlichen Behörde» auch Geschworene und Laienrichter durchgehend abdeckt. Es liegt deshalb nahe, gleichzeitig mit dem Übereinkommen auch das Zusatzprotokoll zu ratifizieren.

1.5

Ergebnisse des Vorverfahrens

Mit Beschluss vom 20. August 2003 nahm der Bundesrat vom Bericht und Vorentwurf zum Beitritt zum Strafrechtsübereinkommen und zum Zusatzprotokoll des Europarates über Korruption und zu der damit verbundenen Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) und des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Kenntnis und ermächtigte das EJPD, ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Die Vorlage wurde vom EJPD mit Rundschreiben vom gleichen Tag den Kantonen, den in der Bundesversammlung vertretenen Parteien, den interessierten Verbänden und Organisationen sowie den eidgenössischen Gerichten zur Stellungnahme bis Ende November 2003 unterbreitet.

Es beteiligten sich insgesamt 45 Vernehmlasser (24 Kantone, alle Bundesratsparteien, 8 Wirtschaftsverbände sowie 9 weitere interessierte Organisationen und Institutionen)18. Die grosse Mehrheit stimmte einem Beitritt der Schweiz zu Übereinkommen und Zusatzprotokoll zu. Ablehnend äusserten sich zwei Parteien und einzelne Verbände19. Auch das Ausmass der vorgeschlagenen Umsetzungsgesetzgebung wurde mehrheitlich als richtig erachtet. Einer Minderheit ging die Vorlage zu wenig 18 19

Vgl. dazu im Einzelnen: Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens, Bundesamt für Justiz, März 2004.

SVP und CVP sowie Centre Patronal, Fédération des Entreprises Romandes, Chambre Vaudoise des Arts et Métiers; kritisch auch Schweizerischer Gewerbeverband und die FMH.

6993

weit20. Im Vordergrund stand hier einerseits der Wunsch, die Privatbestechung im Strafgesetzbuch statt im UWG zu regeln, als Verbrechen zu bestrafen und / oder von Amtes wegen zu verfolgen, und andererseits die Forderung nach Bestrafung des sogenannten trafic d'influence gemäss Artikel 12 des Übereinkommens. Nur vereinzelte Befürworter eines Beitritts wünschten demgegenüber eine restriktivere Umsetzung des Überinkommens, so namentlich keine primäre Unternehmenshaftung für die aktive Privatbestechung21.

Zu den einzelnen im Vorentwurf unterbreiteten Regelungsvorschlägen ergab das Vernehmlassungsverfahren folgendes Bild: Der neu vorgeschlagenen Kriminalisierung der passiven Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies Abs. 2 VE-StGB) und der passiven Privatbestechung (Art. 4a Abs. 1 Bst. b VE-UWG) erwuchs kaum Opposition. Dies gilt ­ etwas weniger ausgeprägt ­ auch für die Aufnahme der aktiven Privatbestechung (Art. 4a Abs. 1 Bst. a VE-UWG) in den Katalog der Anlasstaten für die Unternehmenshaftung gemäss Artikel 100quater Absatz 2 StGB.

Über die konkrete Ausgestaltung der Neuregelung der Privatbestechung gingen die Meinungen zum Teil erheblich auseinander: Ein erster Streitpunkt betraf die Frage, ob Privatbestechung ­ entsprechend dem geltenden Recht und dem Vorentwurf ­ als Antragsdelikt oder aber als Offizialdelikt ausgestaltet werden soll. Während eine deutliche Minderheit für die Ausgestaltung als Offizialdelikt plädierte, befürwortete die Mehrheit die Beibehaltung des Antragserfordernisses; für einzelne Vernehmlasser bildete dies zugleich eine Bedingung für die Zustimmung zur Vorlage als solche.

Während sich ebenfalls eine Mehrheit für die Belassung der Privatbestechung im UWG aussprach, forderte eine Minderheit die Regelung der Materie im Kernstrafrecht. Nur vereinzelt wurde sodann ein höherer Strafrahmen (Ausgestaltung der Privatbestechung als Verbrechen und damit als Vortat zur Geldwäscherei) oder eine Ausweitung der Strafbarkeit (Einbezug der blossen Vorteilsgewährung) gefordert.

Ein weiterer Diskussionspunkt der Vernehmlassung bildete der im Vorentwurf vorgeschlagene Verzicht auf die Einführung einer neuen Strafnorm der missbräuchlichen Einflussnahme (trafic d'influence), verbunden mit der Anbringung eines entsprechenden Vorbehalts der Schweiz zum Übereinkommen. Während einige
Vernehmlasser diese Position kritisierten, überwog auch hier die ausdrückliche Zustimmung zum Vorentwurf, welche in Einzelfällen wiederum mit der Aussage verbunden wurde, dass die Anbringung des Vorbehalts für die Akzeptanz der Vorlage als Ganzes zwingend sei.

Schliesslich enthielten die Vernehmlassungen diverse Hinweise, Anregungen oder Vorbehalte zu Einzelpunkten.

Mit Beschluss vom 28. April 2004 nahm der Bundesrat von den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfahrens Kenntnis und legte das weitere Vorgehen fest. Nachdem die Vernehmlassung den Bundesrat in seiner bisherigen Position bestätigt hatte, wonach durch einen Beitritt zum Übereinkommen und zum Zusatzprotokoll und durch eine massvolle Ergänzung des strafrechtlichen Abwehrdispositivs Korruption noch wirksamer bekämpft werden soll, beauftragte er das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit der Ausarbeitung von Botschaft und Entwurf auf der Basis der Vernehmlassungsvorlage. Der Bundesrat legte dabei im Einzelnen fest, dass die Privatbestechung wie bis anhin im UWG als Vergehen geregelt und nur auf Antrag 20 21

Fünf Kantone, die SPS und vereinzelte weitere Vernehmlasser.

Swiss banking, Schweizerischer Baumeisterverband.

6994

verfolgt werden soll, und dass auf die Einführung der Strafbarkeit der so genannten missbräuchlichen Einflussnahme zu verzichten ist. Mit Blick auf die Ratifikation beschloss der Bundesrat sodann die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls über Korruption, welche am 3. Juni 2004 erfolgt ist.

2

Die einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls und ihre Umsetzung ins innerstaatliche Recht

2.1

Begriffsbestimmungen (Art. 1 Ü)

Gemäss Buchstabe a von Artikel 1 ist die Bezeichnung «Amtsträger», die in den Artikeln 2, 3 und 5 des Übereinkommens (Ü) Anwendung findet, in Anlehnung an die Definition «Beamter», «öffentlich Bediensteter», «Bürgermeister», «Minister» oder «Richter» nach dem Recht des Staates zu verstehen, in welchem die betreffende Person diese Funktion ausübt. Massgebend ist dabei die strafrechtliche Definition des innerstaatlichen Rechts.

Trotz der Rückverweisung auf das innerstaatliche Recht möchte die Konvention mit dieser Umschreibung sicherstellen, dass Lücken in der Kriminalisierung der Amtsträgerbestechung möglichst vermieden werden. Insbesondere sollen neben Beamten auch Angehörige der Exekutive und Personen mit richterlichen Funktionen abgedeckt sein.

Der umfassende Amtsträgerbegriff des schweizerischen Strafrechts gemäss Artikel 110 Ziffer 4 StGB sowie im geltenden Korruptionsstrafrecht (Art. 322ter ff.) genügt diesem Erfordernis vollumfänglich; so nennen die einschlägigen Bestechungsstrafnormen neben den Beamten insbesondere auch richterliche oder andere Behörden als mögliche Täter bzw. Tatobjekte. Neben Angehörigen einer Exekutive sind dadurch auch Angehörige einer Legislative erfasst22. Der Amtsträgerbegriff des schweizerischen Strafrechts geht gerade hier explizit über den Amtsträgerbegriff der Konvention hinaus.

Buchstabe b von Artikel 1 präzisiert, dass der Begriff «Richter» in Buchstabe a auch die Angehörigen der Staatsanwaltschaft sowie Personen, die richterliche Funktionen ausüben, umfassen soll. Dem schweizerischen Recht, welches nicht grundsätzlich zwischen Richter- und Amtsträgerbestechung unterscheidet, bietet diese Präzisierung keine Probleme. Wird beispielsweise ein weisungsabhängiger Staatsanwalt nicht als «richterliche Behörde» erfasst, so untersteht er als «Beamter» denselben Tatbeständen des Korruptionsstrafrechts.

Buchstabe c gibt dem verfolgenden Staat die Kompetenz, auch dann seine eigene strafrechtliche Amtsträgerdefinition anzuwenden, wenn ein Amtsträger eines anderen Staates Gegenstand des Verfahrens bildet. Ein Vertragsstaat muss mit anderen Worten die Bestechung eines ausländischen Amtsträgers gemäss Artikel 5 Ü nur dann verfolgen, wenn der Bestochene eine Stellung hat bzw. Funktionen ausübt, die ­ wäre er im verfolgenden Staat tätig ­ von dessen strafrechtlichem Amtsträgerbegriff abgedeckt würde.

22

BBl 1999, 5497ff., S. 5497 ff., 5524.

6995

Schliesslich definiert Buchstabe d von Artikel 1 den Begriff «juristische Person» im Hinblick auf Artikel 18 Ü (Unternehmenshaftung). Als juristische Person gilt demnach jedes Gebilde, welchem dieser Status nach Massgabe des anwendbaren innerstaatlichen Rechts zukommt. Auch hier verzichtet mithin das Übereinkommen auf eine autonome Definition und begnügt sich mit der Rückverweisung auf nationales Recht. Nicht unter den Begriff fallen gemäss Übereinkommen die Staaten oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften mit staatlicher Autorität sowie öffentlich-rechtliche internationale Organisationen. Das innerstaatliche Recht ist aber frei, auch diesbezüglich weiter zu gehen23.

2.2

Innerstaatlich zu treffende Massnahmen (Art. 2­23 Ü)

2.2.1

Bestechung von Amtsträgern (Art. 2­6 und 9­11 Ü)

Die Pflicht zur Bestrafung der verschiedenen Spielarten der Bestechung von Amtsträgern und Parlamentariern bildet das eigentliche Kernstück des Übereinkommens.

Artikel 2 und 3 über die aktive und passive Bestechung von inländischen Amtsträgern enthalten die einzelnen Elemente des unter Strafe zu stellenden Verhaltens, während die übrigen Bestimmungen über die Amtsträgerbestechung i.w.S. (Art. 4­6 und 9­11 Ü) diese Definitionen für weitere Tatobjekte bzw. Täterkategorien als anwendbar erklären. So erfasst Artikel 4 Bestechung und Bestechlichkeit von Mitgliedern inländischer öffentlich-rechtlicher Versammlungen, d.h. insbesondere von Parlamentariern. Artikel 5 und 6 schreiben die Bestrafung der aktiven und passiven Bestechung ausländischer Amtsträger bzw. von Mitgliedern öffentlich-rechtlicher Versammlungen vor. Artikel 9 ­ 11 schliesslich handeln von der aktiven und passiven Bestechung von Amtsträgern internationaler Organisationen, wobei zwischen Funktionären internationaler Organisationen (Art. 9), Mitgliedern internationaler parlamentarischer Versammlungen (Art. 10) sowie Richtern und Amtsträgern internationaler Gerichtshöfe (Art. 11) unterschieden wird.

Diese Regelungstechnik der Konvention ist auf ausländische Rechtsordnungen zurückzuführen, die teilweise zwischen der Bestechung von Beamten, Richtern oder Parlamentariern differenzieren24. Demgegenüber behandelt das geltende schweizerische Strafrecht die unterschiedlichen Kategorien von Amtsträgern nicht in verschiedenen Tatbeständen und fasst zudem die (aktive) Bestechung von ausländischen Amtsträgern sowie Amtsträgern internationaler Organisationen in einer Strafnorm (Art. 322septies StGB) zusammen. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, ergeben sich indessen aus diesen unterschiedlichen Regelungstechniken keine besonderen Probleme.

23 24

Vgl. Erläuternder Bericht zur Konvention N 31.

Vgl. z.B. dStGB § 331 ff.

6996

2.2.1.1

Aktive Bestechung inländischer Amtsträger (Art. 2 Ü)

Gemäss der Grundnorm von Artikel 2 Ü trifft jede Vertragspartei die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Massnahmen, um nach ihrem innerstaatlichen Recht jede Person für die vorsätzliche Bestechung ihrer eigenen Amtsträger mit Strafe zu bedrohen. Die eigentliche Tathandlung besteht nach der Definition des Übereinkommens im unmittelbaren oder mittelbaren Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines unbilligen Vorteils an einen Amtsträger, für diesen selbst oder für einen Dritten, damit der Amtsträger in Ausübung seiner Funktion eine Handlung vornimmt oder unterlässt.

Wie bereits erwähnt25, ist die weite Umschreibung des Amtsträgerbegriffs im schweizerischen Strafrecht geeignet, den Anforderungen des Übereinkommens vollumfänglich zu genügen; namentlich sind neben den Beamten auch Mitglieder einer Exekutive oder Personen mit richterlichen Funktionen abgedeckt, wie dies den Intentionen der Konvention entspricht.

Was die einzelnen Elemente der Tathandlung betrifft, so ist vorab festzustellen, dass sowohl Artikel 2 Ü als auch die einschlägigen Tatbestände des schweizerischen Strafrechts26 deckungsgleich das Anbieten, Versprechen und Gewähren erfassen.

Obgleich der Gesetzestext dies nicht explizit erwähnt, kommt es sodann auch nach schweizerischem Recht für die Strafbarkeit des Bestechers nicht darauf an, ob die Zuwendung unmittelbar durch diesen oder aber mittelbar durch die Verwendung von Drittpersonen erfolgt27.

Der Begriff des Vorteils im schweizerischen Bestechungsstrafrecht umfasst sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen materieller wie immaterieller Art, soweit sie objektiv messbar sind28, und damit auch jeglichen Vorteil im Sinne der Konvention.

Grundsätzlich deckungsgleich zu interpretieren ist sodann der Begriff des «unbilligen» bzw. «nicht gebührenden» Vorteils. Auch gemäss Konvention sollen damit Vorteile von der Strafbarkeit ausgeschieden werden, die entweder gestützt auf Gesetz oder Verwaltungsvorschrift angenommen werden dürfen oder die Bagatellcharakter haben bzw. sozial akzeptabel sind29. Schliesslich erwähnen sowohl die Bestechungsdefinition der Konvention wie auch die einschlägigen Schweizer Strafnormen die Vorteilsgewährung an Dritte ausdrücklich. Es spielt mithin keine Rolle, ob der Vorteil dem Amtsträger selber oder aber einem Dritten zukommt bzw.

zukommen soll, sofern ein
ausreichender Zusammenhang zwischen Zuwendung und Amtshandlung besteht.

Die durch den Vorteil anvisierte Gegenleistung des Beamten besteht gemäss Übereinkommen darin, dass der Beamte in Ausübung seiner Funktion eine Handlung vornimmt oder unterlässt. Demgegenüber zielt der Vorteil bei der aktiven Bestechung gemäss Artikel 322ter StGB (wie auch gemäss Art. 322septies StGB) auf eine im Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit stehende Handlung oder Unterlassung, die pflichtwidrig ist oder im Ermessen des Amtsträgers steht.

25 26 27 28 29

Oben 2.1.

Insbesondere Art. 322ter, vgl. auch Art. 322quinquies und 322septies.

Vgl. BBl 1999, 5497ff., S. 5528 und 5540.

Vgl. BBl 1999, 5497ff., S. 5527.

Erläuternder Bericht zur Konvention, N 38; vgl. Art. 322octies Ziff. 2 StGB.

6997

Mit einer Ausnahme ist auch die Definition der Gegenleistung im Straftatbestand der aktiven Bestechung von Artikel 322ter StGB deckungsgleich oder weiter als in Artikel 2 der Konvention. So ist in beiden Fällen ebenfalls die Honorierung einer Unterlassung, beispielsweise das Untätigsein eines Strafverfolgungsorgans trotz hinreichendem Tatverdacht, explizit erwähnt. Die schweizerischen Bestechungsstrafnormen erfassen sodann auch Tätigkeiten des Amtsträgers, für die dieser gar nicht zuständig ist, bzw. die gesetzlich nicht vorgesehen sind, wie beispielsweise der Verrat von Amtsgeheimnissen30. Der erforderliche Zusammenhang zwischen gekauftem Verhalten und amtlicher Stellung ist mit anderen Worten nach schweizerischem Recht weniger eng als nach Artikel 2 der Konvention. Zudem erfassen die Bestechungstatbestände des schweizerischen Strafrechts seit ihrer Revision auch Zuwendungen, die als Belohnung für eine bereits erfolgte Handlung oder Unterlassung des Amtsträgers erfolgen.

Gemäss Konvention bildet eine (beliebige) Diensthandlung Gegenstand der Bestechung. Zur Strafbarkeit genügt es daher bereits, wenn der Beamte einen Vorteil für eine Amts- oder Diensthandlung erhält, die im Einklang mit seinen Pflichten steht.

Nicht erforderlich ist somit, dass die erkaufte Tätigkeit des Beamten eine Amtspflichtverletzung bildet oder von einem Ermessensspielraum Gebrauch machen kann31. Zu erfassen wäre mithin auch der (wenig wahrscheinliche) Fall, wo sich eine Zuwendung ­ die als unbilliger Vorteil über eine Bagatelle hinausgehen muss ­ auf gebundenes Verwaltungshandeln richtet.

Die aktive Bestechung des schweizerischen Strafrechts erfasst demgegenüber pflichtwidrige oder im Ermessen stehende Akte des Amtsträgers. Während Missbrauch und Überschreitung des Ermessens bereits der Pflichtwidrigkeit zuzurechnen sind, werden auch Handlungen des Beamten abgedeckt, die sich innerhalb der gesetzlichen Spielräume bewegen. Einzig auf die von der Konvention ebenfalls erfassten Fälle, wo es um rechtmässige Amtshandlungen geht, die zudem keinen Ermessensspielraum eröffnen, sind die Bestechungstatbestände nicht mehr anwendbar. Solche Konstellationen fallen jedoch unter den Auffangtatbestand der Vorteilsgewährung von Artikel 322quinquies StGB, der seinerseits wesentlich weiter reicht als Artikel 2 der Konvention, indem die
Vorteilszuwendung keinen Bezug zu einer konkreten Amtshandlung haben muss und schon das so genannte Anfüttern erfasst wird32.

Im Ergebnis ergibt sich somit, dass das geltende Korruptionsstrafrecht den Anforderungen von Artikel 2 des Übereinkommens vollumfänglich genügt.

2.2.1.2

Passive Bestechung inländischer Amtsträger (Art. 3 Ü)

Artikel 3 des Übereinkommens bildet gleichsam das spiegelbildliche Gegenstück zu Artikel 2, indem er die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, ihre Amtsträger für das Fordern oder Annehmen eines unbilligen Vorteils sowie für die Annahme des Angebots oder Versprechens eines solchen Vorteils unter Strafe zu stellen. Abgesehen von der Tathandlung im engeren Sinn stimmen die einzelnen Elemente von Artikel 3 30 31 32

Vgl. BBl 1999, 5497ff., S. 5530.

Vgl. Erläuternder Bericht zur Konvention, N 39.

Vgl. BBl 1999, 5497ff., S. 5535.

6998

mit Artikel 2 überein. Eine analoge Konkordanz besteht auch zwischen dem Tatbestand des Sich-bestechen-Lassens von Artikel 322quater StGB und demjenigen der aktiven Bestechung in Artikel 322ter StGB. Die Strafnorm der passiven Bestechung nach schweizerischem Recht umschreibt ihrerseits die Tathandlung mit «fordert, sich versprechen lässt oder annimmt».

Wegen der im Verhältnis zur aktiven Bestechung jeweils spiegelbildlichen Ausgestaltung der passiven Bestechung gemäss Konvention und schweizerischem Strafrecht kann für alle übrigen Tatbestandselemente, wie insbesondere Amtsträger- und Vorteilsbegriff, Vorsatz sowie anvisierte Gegenleistung des Beamten auf die vorstehenden Erläuterungen zu Artikel 2 Ü verwiesen werden33: Auch auf der passiven Seite ist die Definition von Artikel 322quater StGB mit einer Ausnahme deckungsgleich oder weiter als diejenige in Artikel 3 Ü. Die Ausnahme betrifft auch hier den Fall, wo sich der Beamte für gebundenes Verwaltungshandeln bestechen lässt.

Solche Sachverhalte sind gemäss schweizerischem Korruptionsstrafrecht auf der passiven Seite nicht durch Artikel 322quater erfasst. Hingegen werden sie durch die Vorteilsannahme (Art. 322sexies StGB) abgedeckt, welche ­ als Pendant zur Vorteilsgewährung (Art. 322quinquies StGB) ­ ihrerseits wiederum wesentlich über die Erfordernisse von Artikel 3 Ü hinausgeht.

Bezüglich der Tathandlungen besteht schon sprachlich Übereinstimmung, soweit das Fordern oder Annehmen betroffen ist. Aber auch zwischen der «Annahme des Angebots oder Versprechens» gemäss Übereinkommen und dem «sich versprechen lässt» gemäss Artikel 322quater StGB besteht materiell kein Unterschied: In beiden Fällen geht es um das Akzept der Unrechtsvereinbarung durch den Bestochenen, wobei für die Erfüllung des Tatbestandes weder erforderlich ist, dass der Vorteil tatsächlich gewährt wird, noch dass der Amtsträger die gewünschte Handlung auch wirklich vornimmt.

Auch bezüglich Artikel 3 Ü lässt sich somit feststellen, dass das geltende schweizerische Recht alle Anforderungen erfüllt.

2.2.1.3

Bestechung von Mitgliedern inländischer öffentlich-rechtlicher Versammlungen (Art. 4 Ü)

Artikel 4 des Übereinkommens verlangt, dass aktive und passive Bestechung im Sinne der beiden vorangehenden Konventionsbestimmungen auch dann kriminalisiert werden, wenn Mitglieder einer inländischen öffentlich-rechtlichen Versammlung Tatobjekt bzw. Täter sind. Gemeint sind in erster Linie Parlamentarierinnen und Parlamentarier, und zwar nicht nur auf nationaler, sondern auch auf regionaler bzw. lokaler Ebene. Daneben sind alle weiteren gewählten oder ernannten Mitglieder von Kollegialbehörden zu erfassen, welche legislative oder administrative Funktionen ausüben. Zu denken ist beispielsweise an die in unserem Land zahlreichen Kommissionen auf kommunaler Ebene, wie z.B. Schul- oder Fürsorgekommissionen.

Die von Artikel 4 bezeichneten Personen fallen allesamt unter den Amtsträgerbegriff des schweizerischen Strafrechts. Da sie typischerweise nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Gemeinwesen stehen, sind sie nicht Beamte im Sinne von Arti33

Oben 2.2.1.1.

6999

kel 322ter ff. StGB, sondern sie fallen durchgehend unter den Begriff der «anderen Behörde» dieser Bestimmungen34.

2.2.1.4

Bestechung ausländischer Amtsträger (Art. 5 Ü)

Ausgehend vom Grundgedanken, dass Bestechung als schwere Straftat nicht nur vom Opferstaat, sondern von allen Vertragsstaaten verfolgt werden soll, dehnt Artikel 5 Ü die aktive und passive Amtsträgerbestechung gemäss den Artikeln 2 und 3 auf Sachverhalte aus, wo der Bestochene Amtsträger eines beliebigen anderen Staates ist. Im Vergleich zum Straftatbestand der Bestechung ausländischer Amtsträger nach Artikel 1 des auch von der Schweiz ratifizierten OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr geht die vorliegende Konvention in zweierlei Hinsicht weiter: Zum einen erfasst sie auch die passive Bestechung ausländischer Amtsträger, und zum andern beschränkt sie sich nicht auf den internationalen Geschäftsverkehr.

Abgesehen von der Umschreibung der bestochenen Personen (Amtsträger eines anderen Staates) sind die einzelnen Tatmerkmale von Artikel 5 Ü mit denjenigen von Artikel 2 (aktive Bestechung von inländischen Amtsträgern) bzw. Artikel 3 (passive Bestechung von inländischen Amtsträgern) identisch.

Die aktive Bestechung von ausländischen Amtsträgern steht im schweizerischen Recht seit 1. Mai 2000 in Artikel 322septies StGB unter Strafe. Diese Bestimmung, welche explizit auch mit Blick auf die Erfordernisse des Europarats-Übereinkommens konzipiert wurde35, verhält sich zur aktiven Bestechung von inländischen Amtsträgern (Art. 322ter StGB) gleich wie Artikel 5 Ü zu Artikel 2 Ü: Mit Ausnahme der Umschreibung der bestochenen Amtsträger sind die einzelnen Tatbestandsmerkmale identisch.

Was vorab die Amtsträgerdefinition von Artikel 322septies betrifft ­ Mitglieder einer richterlichen oder anderen Behörde, Beamte, amtlich bestellte Sachverständige, Übersetzer, Dolmetscher, Schiedsrichter oder Angehörige der Armee, die für einen fremden Staat oder eine internationale Organisation tätig sind ­, wird diese in ihrer Breite den Intentionen des Übereinkommens vollauf gerecht. Zu erinnern ist zudem an Artikel 1 Buchstabe c Ü, welcher dem verfolgenden Staat erlaubt, auch in Verfahren wegen Bestechung ausländischer Amtsträger seine eigene strafrechtliche Amtsträgerdefinition zu Grunde zu legen36.

Weil die übrigen Tatbestandsmerkmale von Artikel 2 und 5 Ü einerseits und von Artikel 322ter und 322septies StGB andererseits identisch sind,
ergibt sich bei der Prüfung der Konventionskonformität von Artikel 322septies StGB das gleiche Bild wie bei der oben unter Ziffer 2.2.1.1 erörterten Frage, ob Artikel 322ter StGB den Anforderungen des Übereinkommens genügt: Auch der Tatbestand der aktiven Bestechung fremder Amtsträger gemäss Artikel 322septies StGB ist mit einer Ausnahme deckungsgleich oder weiter gefasst als die aktive Bestechung von ausländi34 35

36

Vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl.

Bern 2000, N 6 f. zu § 57.

Vgl. BBl 1999, 5497ff., S. 5512. Aus diesem Grund wurde namentlich auf eine Beschränkung des Tatbestandes auf den internationalen Geschäftsverkehr i.S. des OECD-Übereinkommens verzichtet, a.a.O., S. 5516.

Vgl. Ziffer 2.1.

7000

schen Amtsträgern gemäss Artikel 5 Ü (i.V.m. Art. 2 Ü). Die Ausnahme betrifft auch hier den Fall, wo sich der Vorteil auf eine gebundene, rechtmässige Amtshandlung richtet, wo m.a.W. das erkaufte Verhalten des Beamten weder eine Amtspflichtverletzung bildet noch einen Ermessensspielraum eröffnet. Anders als entsprechende Vorteilszuwendungen an schweizerische Amtsträger sind derartige Schmiergeldzahlungen (sog. «facilitation payments») an ausländische Amtsträger gemäss StGB nicht strafbar, weil die Auffangtatbestände von Artikel 322quinquies und 322sexies (Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme) auf Schweizer Amtsträger beschränkt bleiben. Man könnte sich nun fragen, ob diese Differenzierung sachgerecht ist. Aus der teilweisen Straflosigkeit der Vorteilsgewährung und -annahme zu schliessen, Schmiergeldzahlungen seien nicht verwerflich, sofern sie nur ausländische Amtsträger betreffen, wäre zwar zweifellos falsch. Hingegen ist nicht zu verkennen, dass die erwähnten Auffangtatbestände weit über das von der Konvention Geforderte hinausreichen, indem sie auf die so genannte Äquivalenz, d.h. auf jeglichen Zusammenhang zwischen dem Vorteil und einem Einzelakt des Amtsträgers verzichten und schon die so genannte Klimapflege erfassen. Die Strafnormen von Artikel 322quinquies und 322sexies StGB sind auf unsere strengen, innerstaatlichen Standards zugeschnitten und lassen sich nicht einfach auf andere Kulturkreise übertragen.

Wesentlich ist sodann, dass in der Praxis kaum je Sachverhalte auftreten dürften, die nicht von Artikel 322septies StGB, wohl aber von Artikel 5 i.V.m. Artikel 2 Ü erfasst wären. Dies insbesondere deshalb, weil Artikel 322septies neben pflichtwidrigen Akten auch Amtshandlungen abdeckt, die im Ermessen des Amtsträgers stehen. In der Sache geht es einzig um Schmiergeldzahlungen an unterbezahlte lokale Beamte.

Solche Zuwendungen sind auch gemäss Konvention nur dann zu bestrafen, wenn es sich dabei um «unbillige Vorteile» handelt, d.h. um Vorteile, die nicht Bagatellcharakter haben37. Für gebundene Verwaltungsakte dürften nun aber in der Praxis kaum Zuwendungen gemacht werden, welche diese Schwelle überschreiten.

Wie die OECD-Konvention38 lässt schliesslich auch das vorliegende Übereinkommen explizit zu, dass Artikel 5 (sowie Art. 9 und 11) von landesrechtlichen Bestechungsstrafnormen
umgesetzt werden können, die bei der Umschreibung der erkauften Amtshandlung das Vorliegen einer Pflichtverletzung voraussetzen. Hierzu ist bei der Ratifikation die in Artikel 36 des Übereinkommens vorgesehene Erklärung abzugeben39.

Im Unterschied zur aktiven ist die passive Bestechung von ausländischen Amtsträgern nach schweizerischem Recht heute noch nicht strafbar. Mit dem neu vorgeschlagenen Artikel 322septies Absatz 2 E-StGB soll diese Lücke geschlossen werden40. Da der neu vorgeschlagene Tatbestand spiegelbildlich zur aktiven Bestechung von Artikel 322septies ausgestaltet ist und mit Ausnahme der Umschreibung der bestochenen Amtsträger mit der passiven Bestechung inländischer Amtsträger von 37 38

39 40

Vgl. Erläuternder Bericht zur Konvention N 38.

Art. 1 Ziff. 1 des Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr umschreibt die intendierte Beeinflussung des Amtsträgers gleich offen wie die vorliegende Konvention («damit der Amtsträger im Zusammenhang mit der Ausübung von Dienstpflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt»). Gemäss Kommentar zu dieser Konvention können indes auch landesrechtliche Strafnormen mit einem Pflichtwidrigkeitskonzept den Anforderungen genügen, vgl. BBl 1999, 5497ff., S. 5540.

Vgl. hinten 2.5.

Dazu unten 2.2.2.

7001

Artikel 322quater übereinstimmt, ergibt sich aus den oben gemachten Ausführungen, dass das schweizerische Recht mit Inkrafttreten dieser neuen Norm die Anforderungen der Konvention auch hinsichtlich der passiven Seite von Artikel 5 abdecken wird.

2.2.1.5

Bestechung von Mitgliedern ausländischer öffentlich-rechtlicher Versammlungen (Art. 6 Ü)

Diese Konventionsbestimmung dehnt ­ genau gleich wie Artikel 4 des Übereinkommens für die Inlandbestechung ­ die aktive und passive Bestechung von ausländischen Amtsträgern gemäss Artikel 5 auf Mitglieder einer öffentlichen Versammlung eines ausländischen Staates aus. Wegen dieser Parallelität ist auch Artikel 6 Ü von Artikel 322septies StGB und ­ auf der passiven Seite ­ von Artikel 322septies Absatz 2 E-StGB abgedeckt. Im Unterschied zur Beamtenbestechung in Artikel 5 ist diese Abdeckung zudem auch theoretisch lückenlos, weil es vorliegend ausschliesslich um gewählte oder ernannte Mitglieder von Kollegialbehörden geht, die definitionsgemäss in keinem Abhängigkeitsverhältnis zum Gemeinwesen stehen. Entsprechend führen ihre Mitglieder auch keine gebundenen Verwaltungsakte aus, für die sie geschmiert werden könnten. Die Bestechung kann sich hier nur auf Amtspflichtverletzung und insbesondere Ermessensausübung richten und ist insoweit durchgehend von Artikel 322septies StGB bzw. E-StGB, erfasst. Darin liegt auch der Grund, dass die in Artikel 36 Ü vorgesehene Erklärung sich nicht auf Artikel 6 (sowie Art. 10, Bestechung von Mitgliedern internationaler parlamentarischer Versammlungen) bezieht.

2.2.1.6

Bestechung von Amtsträgern internationaler Organisationen (Art. 9­11 Ü)

Die Artikel 9­11 erstrecken die Pflicht zur Bestrafung der aktiven und passiven Bestechung gemäss den Artikeln 2 und 3 auf verschiedene Kategorien vom Amtsträgern internationaler Organisationen (Art. 9 und 10) bzw. internationaler Gerichtshöfe (Art. 11).

Tatobjekte bzw. Täter nach Artikel 9 sind einerseits Beamte und andere im Sinne der Personalsatzungen der Organisation vertraglich gebundene Angestellte und anderseits weitere Personen, welche entsprechende Funktionen für die Organisation ausüben. Die zweite Kategorie bezieht sich primär auf Personen, welche von Mitgliedstaaten der Organisation entlöhnt sind und letzterer für deren Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt werden. Zu erfassen sind mithin ­ als formelle Amtsträger ­ Bedienstete der Organisation und ­ als materielle Amtsträger ­ weitere Personen, die amtliche Funktionen für die Organisation ausüben. Dem entspricht das schweizerische Strafrecht, welches sowohl institutionelle wie auch funktionale Beamte abdeckt41.

41

Vgl. BBl 1999, 5497 ff., S. 5524 ff.

7002

Der Begriff der internationalen oder supranationalen öffentlichen Organisation gemäss Übereinkommen ist insofern enger als der Begriff der internationalen Organisation in Artikel 322septies StGB (sowie in der OECD-Konvention), als er auf Organisationen beschränkt bleibt, denen der Vertragsstaat als Mitglied angehört. Im Übrigen besteht Übereinstimmung; sowohl nach dem Übereinkommen wie auch vom schweizerischen Korruptionsstrafrecht sind nur Amtsträger intergouvernementaler Organisationen erfasst. Ausser Betracht fallen demgegenüber Funktionäre von nicht-gouvernementalen Organisationen (sog. NGO's)42.

Gemäss Artikel 10 müssen die Bestechungsstrafnormen auch auf Mitglieder parlamentarischer Versammlungen der genannten internationalen oder supranationalen Organisationen Anwendung finden. Ein Beispiel bildet die Parlamentarische Versammlung des Europarates. Die in Artikel 10 Ü genannten Personen sind in Artikel 322septies StGB durch den Begriff der für eine internationale Organisation tätigen anderen Behörde abgedeckt.

Schliesslich müssen die Vertragsstaaten gemäss Artikel 11 auch in der Lage sein, aktive und passive Bestechung von Richtern und weiteren Amtsträgern internationaler Gerichtshöfe, deren Jurisdiktion der Vertragsstaat anerkennt, zu bestrafen. Zu denken ist namentlich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Internationalen Strafgerichtshof und an die ad hoc-Tribunale der UNO zur Verfolgung von schwer wiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts. Artikel 322septies StGB bzw. E-StGB genügt auch diesem Erfordernis: Personen mit richterlichen Funktionen sind vom Begriff der richterlichen Behörde, weitere Amtsträger wie beispielsweise Ankläger der UN-Tribunale, Gerichtsschreiber oder Kanzleipersonal vom strafrechtlichen Beamtenbegriff abgedeckt. Auch lassen sich die genannten Gerichtshöfe ohne weiteres als Unterorganisationen der UNO bzw. des Europarates unter den Begriff der internationalen Organisation gemäss Artikel 322septies StGB subsumieren.

Alle übrigen Tatbestandsmerkmale der Artikel 9­11 entsprechen der aktiven und passiven Amtsträgerbestechung der vorangehenden Konventionsbestimmungen.

Damit kann auch bezüglich der Konventionskonformität des schweizerischen Strafrechts auf bereits gemachte Ausführungen verwiesen werden43: Artikel 322septies StGB sowie Artikel
322septies Absatz 2 E-StGB erfüllen ebenfalls die Anforderungen der Artikel 9­11 Ü. Hinsichtlich Artikel 9 und Artikel 11 ist die Erklärung gemäss Artikel 36 (Anwendung des Pflichtwidrigkeitskonzepts) abzugeben44, während Schmiergeldzahlungen für gebundene Verwaltungsakte mit Bezug auf Artikel 10 ­ aus den gleichen Gründen wie in Artikel 6 ­ irrelevant sind45.

42 43 44 45

Vgl. Erläuternder Bericht zur Konvention N 61 und BBl 1999, 5497 ff., S. 5539.

Insbes. oben 2.2.1.4.

Vgl. oben 2.2.1.4 und hinten 2.5.

Dazu oben 2.2.1.5.

7003

2.2.2

Der neue Tatbestand der passiven Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies Abs 2 E-StGB)

Bereits in der Botschaft zur Revision des Korruptionsstrafrechts46 hat der Bundesrat die strafrechtliche Erfassung auch der passiven Bestechung fremder Amtsträger in Aussicht gestellt und die Gründe dargelegt, die für einen solchen Schritt sprechen: Entgegen einer gelegentlich geäusserten Auffassung ist es nicht allein Sache des geschädigten Rechtssubjekts, für die Bestrafung seiner bestechlichen Beamten zu sorgen. Ganz ausgeprägt gilt dies für internationale Organisationen, da diese über keine eigene Strafkompetenz verfügen. Hier ist die Staatengemeinschaft gefordert, wobei Länder, die als Sitzstaaten internationaler Organisationen solche Amtsträger beherbergen ­ wie die Schweiz ­, eine besondere Verantwortung trifft. Aber auch in grenzüberschreitenden Fällen passiver Bestechung von Amtsträgern anderer Staaten kann die Gefahr bestehen, dass der Bestochene einer Bestrafung entgeht, weil der Opferstaat nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Strafverfolgung selber an die Hand zu nehmen, oder weil sich eine Auslieferung des Bestochenen an seinen Heimatstaat verbietet. Deshalb muss eine ­ wenn auch subsidiäre ­ Möglichkeit bestehen, bestechliche Beamte anderer Staaten ebenfalls ins Recht zu fassen.

Es liegt nahe, den neuen Tatbestand entsprechend der Inland-Bestechung spiegelbildlich zur aktiven Bestechung ausländischer Amtsträger auszugestalten. Artikel 322septies Absatz 2 stimmt daher sowohl bezüglich des Amtsträgerbegriffs wie auch bezüglich der auszutauschenden Leistung und Gegenleistung mit der aktiven Bestechung in Absatz 1 überein. Auch die Strafdrohung (Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder Gefängnis) ist dieselbe wie in den bestehenden Bestechungsstrafnormen. Damit ist u.a. sichergestellt, dass die gleichen Verjährungsfristen gelten und auch passive Bestechung fremder Amtsträger Vortat zur Geldwäscherei bildet. Was schliesslich die Tathandlung anbelangt, besteht kein Grund, von der Formel für die InlandBestechung in Artikel 322quater abzugehen («fordert, sich versprechen lässt oder annimmt»). Durch diese Tatbestandskonstruktion ist, wie bereits oben dargelegt wurde, sichergestellt, dass den Anforderungen der Konvention an die verschiedenen Spielarten der passiven Bestechung fremder Amtsträger in den Artikeln 5, 6 und 9­11 Ü entsprochen wird.

2.2.3

Privatbestechung (Art. 7 und 8 Ü)

2.2.3.1

Einführung

Die Privatbestechung besteht in erster Linie aus einer Dreiparteien-Beziehung, in der eine Person, die zu einem anderen in einem Vertrauens- und Loyalitätsverhältnis steht, von einem Dritten einen unbilligen Vorteil erhält, um im Rahmen ihrer Tätigkeit in Verletzung ihrer Treuepflicht, namentlich gegenüber ihrem Arbeitgeber, ihrem Auftraggeber oder der Gesellschaft, zu handeln.

46

BBl 1999, 5497ff., S. 5516 f.

7004

Geltendes schweizerisches Recht Artikel 4 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 23 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 198647 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bedroht auf Antrag mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 100 000 Franken das Anbieten oder Gewähren von rechtmässig nicht zustehenden Vergünstigungen an Arbeitnehmer, Beauftragte oder andere Hilfspersonen eines Dritten in der Absicht, einen Vorteil daraus zu ziehen. Die Vergünstigungen müssen weiter geeignet sein, die genannten Personen zu pflichtwidrigem Verhalten bei ihren dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen zu verleiten.

Demgegenüber sieht das UWG keine Strafbarkeit für die passive Bestechung vor, also für das Verhalten des Empfängers des Vorteils.

Abgrenzung zur Beamtenbestechung Wenn auch die Struktur der Privatbestechung und ihr Mechanismus jener der Amtsträgerbestechung ähnlich ist, so sind die bedrohten Rechtsgüter doch deutlich verschieden. Die Privatbestechung beeinträchtigt in erster Linie den freien Wettbewerb und die Gesetze des Marktes, jedoch nur über den strafrechtlichen Schutz eines Vertrags mit Dritten oder von Berufspflichten48. Demgegenüber schützt die Strafbarkeit der Beamtenbestechung in allgemeiner Weise das öffentliche Vertrauen in die Sachlichkeit und Objektivität staatlicher Tätigkeit.

Die Privatisierung und Übertragung von Staatsaufgaben erschweren jedoch zuweilen die Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Bestechung. So ist auch als Amtsträger anzusehen, wer öffentliche Aufgaben erfüllt49, und nicht nur, wer formell einen derartigen Status aufweist. Wichtig ist daher die Festlegung, ob es sich bei dem mit der Vorteilszuwendung anvisierten Verhalten um eine Staatsaufgabe handelt oder nicht50.

Strafbarkeit der passiven Privatbestechung nach anderen Strafbestimmungen Das Verhalten der bestochenen Person, das nicht in den Anwendungsbereich des geltenden UWG fällt, kann unter gewissen Umständen von anderen Strafbestimmungen erfasst sein. So kann Artikel 158 StGB (Ungetreue Geschäftsbesorgung) in bestimmten Fällen anwendbar sein, jedoch keineswegs in systematischer Weise.

Diese Bestimmung verlangt ebenfalls das Vorhandensein einer Treuepflicht, setzt jedoch die Verletzung dieser Pflicht durch eine Person voraus, die eine besondere Garantenpflicht für die Erhaltung und Mehrung fremden Vermögens
trifft (Ziff. 1).

Ziffer 2 wiederum ist auf besondere Fälle ausgerichtet, bei denen eine spezifische Vertretungsmacht missbräuchlich überschritten wird.

Artikel 168 StGB, der die aktive und passive Bestechung bei Zwangsvollstreckung unter Strafe stellt, bezieht sich ausdrücklich auf die Vereinbarung zur privaten Bestechung, durch die ein Schuldner einem Gläubiger besondere Vorteile zuwendet oder zusichert, um namentlich dessen Zustimmung zu einem gerichtlichen Nachlassvertrag zu kaufen, oder einem Mitglied der Konkursverwaltung, einem Sachverwalter oder dem Liquidator, um dessen Entscheidungen zu beeinflussen51. Durch 47 48 49 50 51

SR 241 Nicolas Queloz, Processus de corruption en Suisse, Helbing & Lichtenhahn 2000, S. 352.

BBl 1999, 5497ff., S. 5525.

Siehe die entsprechenden Beispiele in BBl 1999, 5497ff., S. 5525 f.

Zitiert in Nicolas Queloz, Processus de corruption en Suisse, S. 46.

7005

ihre Beschränkung auf die Zwangsvollstreckung hat diese Bestechungsnorm allerdings nur eine sehr punktuelle Funktion.

Notwendigkeit zur Änderung des geltenden Rechts Das derzeit in Kraft stehende schweizerische Recht ist bezüglich der Bekämpfung der Privatbestechung unzureichend. Tatsächlich ist die passive Seite dieses Verhaltens im UWG überhaupt nicht und vom StGB nur ganz ausnahmsweise erfasst, obwohl es sich zweifelsfrei rechtfertigt, auch den Bestochenen zu bestrafen, der von seiner Situation gegenüber einem Dritten profitiert, um Vorteile von einem Konkurrenten zu erlangen. Solches Verhalten ist ebenso verwerflich wie das Gegenstück auf der aktiven Seite. Im Weiteren entspricht die Verstärkung der Bekämpfung der privaten Bestechung einem wichtigen Anliegen des privaten Sektors. Gemäss einer 1997 durch REVISUISSE veröffentlichten Umfrage geben 67 % der befragten Unternehmen an, Opfer von Korruption geworden zu sein, in einem erklärten Umfang von 5 000 000 Franken (gemäss REVISUISSE ist dieser Betrag mit einem Faktor 25 zu multiplizieren, um der Realität nahe zu kommen)52.

Angesichts solcher Zahlen ist das fast vollständige Fehlen von Gerichtsentscheiden zu Artikel 4 Buchstabe b UWG frappant53. Neben der praktisch fehlenden Strafbarkeit der passiven Privatbestechung dürfte dieser Umstand namentlich auch auf den eingeschränkten Anwendungsbereich des geltenden Artikels 4 Buchstabe b UWG zurückzuführen sein. Es ist daher angezeigt, die Reichweite von Artikel 4 Buchstabe b UWG zu verbessern und die Strafnorm auch auf die passive Seite auszurichten. Dabei ist die Struktur der privaten Bestechungsdelikte jener der Delikte der Bestechung von Amtsträgern anzugleichen.

Vorgeschichte Der Vorentwurf zur Revision des Korruptionsstrafrechts vom Juni 1998 hatte die Einführung eines neuen Artikel 4bis UWG vorgeschlagen, der die aktive und passive Privatbestechung in Geschäftsbeziehungen als Offizialdelikt vorsah. Obschon die Notwendigkeit einer Revision der Strafbestimmungen bezüglich der Privatbestechung im Vernehmlassungsverfahren weitgehend bejaht wurde, waren die Stellungnahmen zum Inhalt der Vorschläge kontrovers54. Der Bundesrat stellte deshalb fest, dass die angezeigte vertiefte Prüfung der Privatbestechung im Rahmen der Revision von 1999/2000, für die eine gewisse Dringlichkeit bestand, nicht möglich war. Aus diesem Grund beschloss er, die Frage der Privatbestechung im Rahmen der Ratifizierung der Strafrechtskonvention des Europarates anzugehen55.

52 53 54

55

Beispiel zitiert in Nicolas Queloz, a.a.O., S. 352, N. 50.

Siehe Christof Müller, Die Bestechung gemäss Art. 4 lit. b UWG, Diss. St.Gallen 1996, S. 163.

Das Vernehmlassungsverfahren zeigte einerseits praktisch keine Opposition gegen die Einführung der Strafbarkeit der passiven Bestechung. Andererseits wurde der Verzicht auf das Antragserfordernis teils deutlich abgelehnt. Während die Revision von den Kantonen sehr weitgehend gutgeheissen wurde, äusserten sich die Parteien und Wirtschaftskreise eher zurückhaltend (vgl. die Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens, November 1998, S. 14 .).

BBl 1999, 5497ff., S. 5522 f. Zur Vorgeschichte dieser Vorlage vgl. vorne 1.5.

7006

2.2.3.2

Vorgaben von Art. 7 und 8 Ü

Artikel 7 Ü sieht die Strafbarkeit vor für das vorsätzliche, unmittelbare oder mittelbare Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines unbilligen Vorteils im Rahmen einer Geschäftstätigkeit für eine Person, die einen privatrechtlichen Rechtsträger leitet oder für einen solchen tätig ist, für diese selbst oder für einen Dritten, damit diese Person unter Verletzung ihrer Pflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt. Artikel 8 Ü behandelt seinerseits spiegelbildlich die passive Seite der Straftat, nämlich das Fordern oder Annehmen eines unbilligen Vorteils sowie die Annahme des Angebots oder Versprechens eines solchen Vorteils.

Die beiden Konventionsbestimmungen dehnen die Strafbarkeit der Bestechung auf den privaten Sektor aus56. Sie zielen auf den Schutz des Vertrauens und der Loyalität ab, ohne die auch private Beziehungen nicht existieren können. Die Strafbarkeit nähert sich jener der Bestechung von Amtsträgern an, insbesondere bezüglich der Umschreibung der Tathandlung, des Vorteils sowie des subjektiven Tatbestandes.

Andererseits unterscheidet sich die Privatbestechung gemäss Konvention von der Amtsträgerbestechung in Artikel 2 ff. insbesondere in Bezug auf den auf geschäftliche Tätigkeiten begrenzten Anwendungsbereich, auf die Eigenschaften der bestochenen Person sowie auf die Natur der anvisierten Gegenleistung (Pflichtverletzung)57.

2.2.4

Neue Strafbestimmung über die aktive und passive Privatbestechung (Art. 4a und 23 E-UWG)

2.2.4.1

Systematische Einordnung

Vorerst ist zu prüfen, wo die fragliche Bestimmung einzuordnen ist. Das doppelte Rechtsgut (Wettbewerb und Vermögen) könnte eine Überführung dieser Bestimmungen in das Strafgesetzbuch rechtfertigen. Dennoch steht als geschütztes Rechtsgut die Loyalität in den Geschäftsbeziehungen gegenüber dem Vermögen als solchem im Vordergrund. Im Weiteren beschränkt das StGB das Antragsrecht auf den Verletzten (Art. 28 Abs. 1 StGB), d.h. auf jeden, der durch die Tat tatsächlich verletzt worden ist58. Es ist damit restriktiver als das UWG. Tatsächlich ist im Rahmen des UWG die Legitimation erweitert, indem Artikel 23 die Strafantragsberechtigung auf die nach Artikel 9 und 10 zur Zivilklage Berechtigten ausdehnt. Dort wiederum wird bestimmt, dass die Berechtigung zur Einreichung einer Zivilklage nicht nur dem zukommt, der in seiner Kundschaft, seinem Kredit oder beruflichen Ansehen, in seinem Geschäftsbetrieb oder sonst in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt wird, sondern auch dem Kunden, der durch unlauteren Wettbewerb in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt ist, den Berufs- und Wirtschaftsverbänden, die nach den Statuten zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder befugt sind, den Organisationen von gesamtschweizerischer oder regionaler Bedeutung, die sich statutengemäss dem Konsumentenschutz widmen, und schliesslich dem Bund, wenn er es zum Schutz des Ansehens der Schweiz 56 57 58

Vgl. Erläuternder Bericht zur Konvention N. 52.

Vgl. Erläuternder Bericht zur Konvention N. 53, 54 und 55.

Vgl. BGE 121 IV 258, JT 1997 IV 99, zitiert in Martin Kilias, Précis de droit pénal général, S. 129.

7007

im Ausland als nötig erachtet und die klageberechtigten Personen im Ausland ansässig sind.

Konkret bedeutet dies, dass im Falle der Einfügung dieser Straftat in das Strafgesetzbuch nur der verletzte Konkurrent oder der Arbeitgeber/Gesellschafter bzw.

Auftraggeber des Bestochenen Strafantrag stellen und damit die Eröffnung des Strafverfahrens bewirken könnte. Die Ausdehnung der Klageberechtigung auf den Kunden kann in den Fällen nützlich sein, in denen der Nachweis des Schadens nicht leicht zu erbringen ist59, da es genügt, dass er in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht ist. In gleicher Weise bietet sich diese Möglichkeit den Konsumentenschutzorganisationen sowie den Berufs- und Wirtschaftsverbänden. Während erstere im Rahmen der Privatbestechung eine geringere Rolle spielen dürften, ist anzunehmen, dass die Verbände ein Interesse daran haben, die Geschäftsbeziehungen in dem sie betreffenden Sektor frei von Privatbestechung zu halten, und dass sie das Verfahren in Gang brächten, wenn ihnen derartige Tatsachen zu Kenntnis gelangen würden.

Aus den genannten Gründen würde die Überführung der Privatbestechung in das Strafgesetzbuch zu einer Einschränkung ihres Anwendungsbereichs führen, da am Grundsatz des Antragserfordernisses festgehalten werden soll.

Was den räumlichen Geltungsbereich dieser Bestimmungen betrifft, so unterscheidet sich dieser nicht von jenem des Strafgesetzbuches, da die Bestimmungen des Allgemeinen Teils (insbesondere die Art. 3 ff.) auf das UWG Anwendung finden. Auch in diesem Punkt besteht somit kein Nachteil, die Bestimmungen im UWG zu belassen.

Im Weiteren wird entgegen dem System von Artikel 322ter ff. StGB keine Unterscheidung zwischen Bestechungshandlungen gegen ein schweizerisches oder gegen ein ausländisches Unternehmen getroffen. Mit anderen Worten deckt die neue Bestimmung auch die grenzüberschreitende Privatbestechung ab, soweit ein Anknüpfungspunkt für das schweizerische Recht im Sinne von Artikel 3 ff. StGB besteht. Eine im Ausland begangene Tat unterliegt dem UWG ebenfalls, wenn sie gegen eine schweizerische natürliche oder juristische Person (Art. 5 StGB) oder von einer solchen (Art. 6 StGB) begangen wird60.

Ein weiterer Vorteil, die Strafbestimmungen im UWG zu belassen, ergibt sich durch die in Artikel 9 vorgesehenen Zivilklagen (mit einer erweiterten
Klageberechtigung gemäss Art. 9 und 10, wie oben im Zusammenhang mit der Strafantragsberechtigung dargelegt wurde). Die Zivilklage kann auf Unterlassung, Beseitigung oder Feststellung gehen.

Angesichts all dieser Elemente wird vorgeschlagen, das UWG als Sedes Materiae der Privatbestechung beizubehalten. Hingegen wird darauf verzichtet, die Strafbarkeit der blossen Vorteilsgewährung und ­annahme im Sinne von Artikel 322quinquies und 322sexies StGB in die Privatbestechung einzuführen. In der Tat erscheint es weder notwendig noch wünschenswert, diese auf Amtsträgerbeeinflussung zugeschnittenen Auffangtatbestände in den privaten Sektor zu übertragen. Der grundsätzliche Unterschied zwischen den durch das Bestechungsverbot im öffentlichen Bereich geschützten und den sich auf die Privatbestechung beziehenden Rechtsgü59 60

Siehe Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), BBl 1983 II 1009 ff., 1076.

Vgl. auch Christof Müller, a.a.O. Fn 52, S. 102 f.

7008

tern legt diese Differenzierung nahe. Es ist nicht unmittelbar ersichtlich, wie die durch das UWG geschützten Güter durch die Gewährung eines Vorteils an den Angestellten eines Konkurrenten bedroht wären, sofern der Vorteil nicht mit einer pflichtwidrigen oder einer im Ermessen stehenden Handlung oder Unterlassung in Zusammenhang gebracht werden kann. Wenn auch ein solches Verhalten des Angestellten unter Umständen arbeitsrechtlichen Bestimmungen zuwiderläuft, so wiegt es doch nicht derart schwer, dass sich ein Einsatz strafrechtlicher Mittel rechtfertigen würde. Schliesslich gehen auch die Artikel 7 und 8 Ü von einer Pflichtverletzung des bestochenen Privaten aus.

2.2.4.2

Beibehaltung des Antragserfordernisses

Der vorliegende Entwurf sieht, anders als der Vorentwurf von 1998, nicht vor, die Privatbestechung als Offizialdelikt auszugestalten. Es ist davon auszugehen, dass die Strafverfolgungsbehörden in aller Regel ohnehin nur auf Grund einer Anzeige von solchen Straftaten erfahren. Dass eine Privatbestechung den Strafverfolgungsbehörden ohne die Mitwirkung von betroffenen Privatpersonen zur Kenntnis gelangen würde, ist unwahrscheinlich. Im weiteren hat, wie bereits erwähnt, die Beibehaltung der Strafnormen im UWG zur Folge, dass ein erweiterter Kreis von Personen oder Organisationen die Eröffnung eines Verfahrens bewirken kann. Auch lassen die Natur der betroffenen Rechtsgüter und der im Vergleich zur Amtsträgerbestechung verminderte Schweregrad der Privatbestechung die Beibehaltung des Antragserfordernisses als angemessen erscheinen.

Schliesslich ist die Ausgestaltung der Privatbestechung als Antragsdelikt auch mit den Vorgaben des Übereinkommens vereinbar. Weder der Konventionstext noch der Erläuternde Bericht beschränken die diesbezügliche Freiheit der Vertragsparteien.

2.2.4.3

Weitere Elemente des neuen Art. 4a E-UWG

Betreffend den Anwendungsbereich bestimmt Artikel 2 UWG, dass dieses Gesetz auf jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren Anwendung findet, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst. Dabei ist das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Beteiligten zur Begehung einer derartigen Handlung nicht nötig, da auch ein Dritter auf das Wettbewerbsverhältnis Einfluss nehmen kann. So ist es denkbar, dass Konsumentenschutzorganisationen unlauter handeln, indem sie zum Beispiel Vergleichstests veröffentlichen61.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob das UWG und damit die neuen Normen der Privatbestechung auch auf nicht gewinnorientierte Organisationen (namentlich NGOs) Anwendung finden. Dies scheint in dem Masse nicht der Fall zu sein, als NGOs in keinem wirtschaftlichen Wettbewerbsverhältnis stehen. Wenn jedoch eine NGO in ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen mit wirtschaftlichen Zwecken einwirkt, ist die Anwendung des UWG möglich. So könnte ein Vertreter einer Organisation mit ideellen Zwecken, der einem Angestellten eines 61

Siehe Botschaft des Bundesrates zum UWG, BBl 1983 II 1060.

7009

Unternehmens einen finanziellen Vorteil zukommen lässt, damit dieser dafür sorgt, dass sich das Unternehmen nicht um einen Auftrag bewirbt und dadurch den freien Wettbewerb beeinträchtigt, nach Artikel 4a Absatz 1 Buchstabe a E-UWG bestraft werden.

In diesem Zusammenhang kann sich die Frage stellen, ob Verbände und NGOs, z.B.

Sportvereinigungen wie etwa die FIFA (Fédération Internationale de Football Association) oder das IOC (Internationales Olympisches Komitee) unter den neuen Tatbestand fallen. Dies erscheint jedenfalls dann zweifelhaft, wenn Mitglieder eines solchen Verbandes beispielsweise von einer für die Organisation einer Veranstaltung kandidierenden Stadt finanzielle Vorteile für die Erteilung des Zuschlags entgegennehmen würden. In diesem Fall ist fraglich, ob es sich um ein vom UWG erfasstes Geschäftsgebaren handelt und ob die Kandidaturstädte in einem Wettbewerbsverhältnis im Sinne des UWG stehen. Anders wäre zu entscheiden, wenn mit Bestechungszahlungen an oder von privatwirtschaftlichen Unternehmen auf ein Wettbewerbsverhältnis eingewirkt würde, bspw. beim Abschluss von Sponsoringverträgen.

Es ist deshalb zu prüfen, ob es angezeigt ist, die Anwendbarkeit von Artikel 4a E-UWG auf NGOs ausdrücklich zu regeln. Auch wenn es vorliegend um eine ideelle Zweckverfolgung geht, lässt sich zwar nicht bestreiten, dass auch hier unter Umständen erhebliche finanzielle Interessen im Spiel sind. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass es in erster Linie den genannten Verbänden obliegt, Vorkehrungen zu treffen, um ihre internen Wahl- und Abstimmungsmechanismen frei von unstatthafter Beeinflussung zu halten. Es haben sich denn auch etliche dieser Organisationen mit internen Disziplinarverfahren und weiteren Vorkehrungen ausgestattet, die Gewähr dafür bieten, dass entsprechende Beeinflussungen unterbleiben62. Gesamthaft gesehen besteht daher kein Anlass, die Anwendbarkeit des UWG auf NGOs im Rahmen der vorliegenden Revision ausdrücklich zu regeln bzw. insoweit von den allgemeinen Grundsätzen des UWG abzuweichen. Dies umso mehr, als auch das Übereinkommen NGOs und Vereinigungen mit nicht-wirtschaftlichen Zwecken von seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen sehen will63.

Der Täterkreis umfasst wie bis anhin Arbeitnehmer, Beauftragte und andere Hilfspersonen und soll neu auf Gesellschafter ausgedehnt
werden. Damit ist jede Person gemeint, die mit einem Dritten im Dienste von diesem zusammenarbeitet, unter welchem Titel auch immer. Entscheidend ist allein das Vorhandensein einer Dreiparteienbeziehung, in welcher einer der Täter mit dem Opfer durch eine allgemeine Treuepflicht verbunden ist.

Nach wie vor nicht strafbar wegen Privatbestechung ist der Marktteilnehmer, der direkt einem anderen Wettbewerbsteilnehmer (dem Geschäftsherrn) einen Vorteil gewährt. Zum einen geht es dabei oftmals um die blosse Gewährung von Rabatten, zum anderen fehlt es in jedem Fall an der Verletzung einer Treuepflicht. Wenn die Interessen der Gläubiger durch eine derartige Transaktion berührt werden, so kommen gegebenenfalls die Bestimmungen des StGB zum Schutz des Vermögens zur Anwendung. Geht es andererseits um den Kauf von Wettbewerbsbeschränkungen, so kann das Kartellgesetz anwendbar sein.

62 63

Siehe z.B. die Olympische Charta vom 14.7.2001.

Gemäss Erläuterndem Bericht N 53 wird einzig jede Art von Handelstätigkeit ins Auge gefasst, insbesondere der Warenhandel und das Erbringen von Dienstleistungen.

7010

Die Tathandlungen, nämlich das Anbieten, Versprechen oder Gewähren auf der aktiven Seite und das Fordern, sich Versprechen lassen und Annehmen (passiver Aspekt) entsprechen der Amtsträgerbestechung (Art. 322ter ff. StGB). In materieller Hinsicht weichen diese Änderungen auch nicht vom Inhalt des geltenden Artikel 4 Buchstabe b UWG ab.

Der Begriff des nicht gebührenden Vorteils übernimmt ebenfalls die in den Artikeln 322ter ff. StGB verwendete Terminologie und ersetzt jene des unrechtmässigen Vorteils des aktuellen Artikels 4 Buchstabe b UWG, ohne jedoch dessen Bedeutung zu ändern. Es muss sich um einen materiellen oder immateriellen Vorteil handeln, auf den der Bestochene kein Recht hat. So ist beispielsweise der Arbeitnehmer verpflichtet, seinem Arbeitgeber alles herauszugeben, was er im Rahmen der Ausführung seiner Arbeit von Dritten erhalten hat, unter Vorbehalt von Trinkgeldern (Art. 321b OR64); für den Beauftragten besteht dieselbe Pflicht kraft Artikel 400 Absatz 1 OR.

Absatz 2 des vorgeschlagenen neuen Artikels 4a E-UWG verdeutlicht den Umfang dieses Begriffs und schliesst geringfügige, sozial übliche Vorteile sowie vertraglich vom Dritten genehmigte Vorteile vom Anwendungsbereich der Privatbestechung aus. Analog zu Artikel 322octies Ziffer 2 StGB geht es auch hier darum, die Untergrenze der Strafbarkeit im Gesetz zu konkretisieren. Die Formulierung entspricht jener von Artikel 322octies Ziffer 2 StGB, angepasst an die privatrechtlichen Beziehungen, weshalb nicht von dienstrechtlich erlaubten Vorteilen, sondern von vertraglich vom Dritten genehmigten Vorteilen die Rede ist. Unter vertraglich genehmigten Vorteilen ist alles zu verstehen, was zwischen den Vertragsparteien ­ d.h. zwischen dem Arbeitnehmer, Gesellschafter, Beauftragten oder der anderen Hilfsperson einerseits und dem Dritten andererseits ­ explizit oder implizit vereinbart ist; eine ausdrückliche Verankerung in einer Klausel des Vertrags ist nicht notwendig.

Der Begriff des geringfügigen, sozial üblichen Vorteils entspricht dem geltenden Korruptionsstrafrecht in Artikel 322octies Ziffer 2 StGB. Im Rahmen der Privatbestechung wird das Kriterium der Sozialüblichkeit allerdings bloss in seltenen Ausnahmefällen erfüllt sein, weil Artikel 4a E-UWG nur die Bestechung im engeren Sinn erfasst. Die Frage der Sozialüblichkeit stellt
sich in erster Linie bei blosser Vorteilsgewährung und ­annahme, welche unter Privaten ohnehin nicht tatbestandsmässig ist.

Verzichtet wird dagegen auf eine Opportunitätsklausel nach dem Vorbild von Artikel 322octies Ziffer 1 StGB. Zum einen besteht dafür im Vergleich zur Amtsträgerbestechung ein geringeres Bedürfnis, weil auch die Auffangtatbestände der Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme für die Privatbestechung nicht übernommen werden sollen. Zum anderen sieht der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches65 in Artikel 52 ohnehin die Einführung einer allgemeinen Opportunitätsklausel vor.

Wenn der Vorteil nicht direkt vom Täter an den Empfänger übergeben wird, sondern durch einen Dritten, liegt ein Fall der mittelbaren Zuwendung vor. Die Strafbarkeit bleibt ebenfalls unberührt, wenn der Vorteil nicht direkt dem Bestochenen, sondern einem Dritten übergeben wird. Auch hier entspricht die Formulierung der Amtsträgerbestechung.

64 65

SR 220 BBl 2002 8240.

7011

Die Formel «für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung», die ebenfalls aus Artikel 322ter ff. übernommen wurde, ersetzt die weniger präzise Formulierung des geltenden Rechts, die verlangt, dass die unrechtmässigen Vorteile geeignet sind, diese Personen zu pflichtwidrigem Verhalten bei ihren dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen zu verleiten.

Unter einer pflichtwidrigen Handlung ist die Verletzung der vertraglichen Pflichten zu verstehen, auch wenn diese nicht notwendigerweise ausdrücklich im Vertrag festgehalten sind. Es kann sich auch um eine allgemeine Pflicht handeln wie die Sorgfalts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber66, die Sorgfaltspflicht des Beauftragten67 oder auch die Sorgfaltspflicht unter Gesellschaftern68. Mit dem Begriff der «im Ermessen stehenden Handlung» sollen die Fälle abgedeckt werden, in denen der Arbeitnehmer, Gesellschafter, Beauftragte oder Gehilfe, ohne eine ausdrückliche vertragliche Pflicht zu verletzen, auf Grund der Vorteilszuwendung seinen Ermessensspielraum zu Gunsten des Bestechers ausübt, zum Beispiel gegen Entschädigung eine bestimmte Offerte unter gleichwertigen wählt. Relevant ist, dass sich die Wahl nicht auf objektive Kriterien stützt, sondern im Gegenteil durch die Vorteilszuwendung verfälscht wird, was die übrigen Wettbewerbsteilnehmer verletzt und in allgemeiner Weise den Markt beeinträchtigt.

Ohne Einbezug der Ermessensausübung würden zahlreiche Bestechungshandlungen der Strafbarkeit entgehen69.

Was den Zusammenhang zwischen dem erlangten Vorteil und der Handlung betrifft, so reicht es aus, dass die Handlungen des Bestochenen ihrer Art nach bestimmbar sind, wie dies auch in den Fällen der Amtsträgerbestechung vorgesehen ist. Der konkrete Nachweis einer Unrechtsvereinbarung wird nicht verlangt, jedoch muss eine Entsprechung zwischen der pflichtwidrigen Handlung und dem Vorteil nachweisbar sein70. Wenn es an der so genannten Äquivalenz zwischen dem Vorteil und der Handlung oder Unterlassung fehlt, liegt keine Straftat vor, da anders als bei der Amtsträgerbestechung (Art. 322quinquies und 322sexies StGB) Vorteilszuwendung und Vorteilsannahme hier nicht unter Strafe gestellt werden sollen.

Schliesslich ist es notwendig, dass die fragliche Handlung oder Unterlassung im Zusammenhang mit der dienstlichen
oder geschäftlichen Tätigkeit des Bestochenen steht71. Die Privatbestechung ist nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar, wie dies auch das Übereinkommen vorsieht. Das vorgesehene Strafmass bleibt dasselbe wie im geltenden Recht (Gefängnis oder Busse bis zu 100 000 Franken). Die Frist zur Klageeinreichung beträgt 3 Monate (Art. 29 StGB) und die Verjährungsfrist 7 Jahre (Art. 70 StGB).

66 67 68 69 70 71

Art. 321a OR.

Art. 397 OR.

Für die einfache Gesellschaft: Art. 538 OR.

Hans Dubs, Strafbarkeit der Privatbestechung, FS Niklaus Schmid, Zürich 2001, S. 390.

Vgl. BBl 1999, 5497ff., S. 5533.

BGE 118 IV 316.

7012

2.2.5

Missbräuchliche Einflussnahme (Art. 12 Ü)

2.2.5.1

Vorgaben

Artikel 12 der Konvention schreibt die Bestrafung der vorsätzlichen aktiven und passiven missbräuchlichen Einflussnahme vor. Demnach ist auf der aktiven Seite das unmittelbare oder mittelbare Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines unbilligen Vorteils als Gegenleistung für denjenigen zu bestrafen, der behauptet oder bestätigt, dass er (missbräuchlichen)72 Einfluss auf die Entscheidungsfindung einer der in den Artikeln 2, 4­6 und 9­11 bezeichneten Personen nehmen kann. Auf der passiven Seite ist das Fordern oder Annehmen eines solchen Vorteils bzw. die Annahme des Angebots oder Versprechens als Gegenleistung für eine solche Einflussnahme zu erfassen. Die Strafbarkeit nach Artikel 12 besteht unabhängig davon, ob die Einflussnahme erfolgt ist oder nicht oder die mutmassliche Einflussnahme zu einem Ergebnis führte oder nicht.

Die Straftat geht somit von einer Dreiparteienbeziehung aus, in welcher eine Person, die tatsächlich oder mutmasslich Einfluss auf einen Amtsträger ausüben kann, von einem Dritten einen Vorteil erhalten soll, damit die Einflussnahme auf den Amtsträger erfolge.

Eine derartige Konstellation liegt beispielsweise vor, wenn ein Unternehmen einem Parlamentarier finanzielle Vorteile gewährt, damit dieser von seinem Einfluss gegenüber zwei Gemeinderäten, die Mitglieder seiner Partei sind, Gebrauch macht, damit jene das fragliche Unternehmen im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung berücksichtigen73.

Gemäss dem Erläuternden Bericht zum Übereinkommen soll mit der Strafbarkeit missbräuchlicher Einflussnahme das Umfeld des Amtsträgers oder die politische Partei, der er angehört, einbezogen und das Verhalten von Personen sanktioniert werden, die aus ihrer machtnahen Stellung Vorteile erlangen wollen und so zur Bildung eines Korruptionsklimas beitragen. Die Bestimmung versteht sich als verschieden von den bekannten Formen des Lobbying: Bei der missbräuchlichen Einflussnahme muss seitens der Person, die Einfluss nehmen soll, eine Korruptionsabsicht bestehen. Die Person hat sodann nur die Stellung eines Aussenstehenden und kann selber keine Entscheidungen treffen. Hingegen missbraucht sie ihren tatsächlichen oder mutmasslichen Einfluss auf andere Personen. Wie bereits erwähnt, spielt es zudem keine Rolle, ob die Einflussnahme tatsächlich erfolgt oder ob sie zum beabsichtigten Ergebnis
führt. Das geschützte Rechtsgut ist dasselbe wie bei der eigentlichen Korruption, nämlich die Transparenz und die Unparteilichkeit in den Entscheidprozessen der öffentlichen Verwaltungen74.

72 73 74

Der englische Konventionstext spricht von improper influence, während im französischen Text eine entsprechende Qualifikation fehlt.

Beispiel zitiert von Nicolas Queloz, Processus de Corruption en Suisse, S. 375.

Siehe Erläuternder Bericht zur Konvention N. 64 ff.

7013

2.2.5.2

Vergleich mit dem schweizerischen Recht

Die Artikel 322ter ff. StGB sehen die missbräuchliche Einflussnahme in der oben beschriebenen Form nicht spezifisch vor. Es ist jedoch zu prüfen, in welchem Masse das schweizerische Strafgesetzbuch die in Artikel 12 Ü erfassten Verhaltensweisen dennoch abdeckt. Dazu ist eine separate Prüfung der Fälle notwendig, in denen der Intermediär (d.h. die Person, welcher für die Ausübung ihres tatsächlichen oder mutmasslichen Einflusses ein Vorteil gewährt wird) ein Amtsträger ist und in denen es sich beim Intermediär um eine Privatperson handelt: Der Intermediär ist ein Amtsträger In der Mehrheit der Fälle macht sich der Amtsträger, der einen Vorteil annimmt, um seinen Einfluss auf einen ebenfalls mit einer öffentlichen Aufgabe betrauten Dritten auszuüben, der passiven Bestechung (Art. 322quater StGB) oder der Vorteilsannahme (Art. 322sexies StGB) strafbar. Die den Vorteil gewährende Person macht sich ihrerseits nach Artikel 322ter StGB (aktive Bestechung) oder nach Artikel 322quinquies StGB (Vorteilsgewährung) strafbar.

Dazu ist jedoch erforderlich, dass der gewährte Vorteil im Zusammenhang mit der Amtstätigkeit steht und nicht als Privatzuwendung zu betrachten ist. Anders ausgedrückt ist jeder Fall als Delikt anzusehen, in dem ein schweizerischer Amtsträger von einem Privaten einen nicht gebührenden Vorteil fordert oder sich gewähren lässt, um seinen Einfluss auf einen anderen Amtsträger zu missbrauchen, sofern die Einflussnahme im Zusammenhang mit seiner eigenen Amtsführung steht.

Wenn dagegen der Vorteil auf Grund einer anderen Eigenschaft gewährt wird, wie zum Beispiel der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei oder zum gleichen Verein, fällt dieses Verhalten nicht unter das Strafgesetzbuch. Eine solche Konstellation liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Angestellter des Bundes eine Geldsumme von einem Privaten erhält, um seinen Einfluss gegenüber einem kantonalen Regierungsrat, der sein Nachbar und Tennis-Partner ist, auszuüben, damit dieser dem Privaten eine Aufenthaltsbewilligung erteile.

Der Intermediär ist eine Privatperson Der Private, welchem von einem Dritten ein Vorteil gewährt wird, damit er seinen Einfluss auf einen Amtsträger ausübe, ist nicht strafbar, ausser wenn vorgesehen ist, den zu beeinflussenden Amtsträger einzubeziehen. Ist dies der Fall, insbesondere wenn der Amtsträger
in eine Bestechungsabrede eintritt und sie akzeptiert, wird der Straftatbestand der Bestechung in den meisten Fällen erfüllt sein. So macht sich je nach Absprache unter den Beteiligten der Dritte der aktiven Bestechung (oder der Anstiftung hierzu) strafbar, der Amtsträger der passiven Bestechung und der Intermediär der aktiven Bestechung (oder der Anstiftung oder Gehilfenschaft dazu).

Wenn die den Vorteil versprechende Person mit dem Intermediär vereinbart, dass dieser den Amtsträger direkt bestechen solle, der Intermediär jedoch nicht tätig wird, liegt ein Fall der versuchten Anstiftung zu aktiver Bestechung vor, welcher in Anwendung von Artikel 24 Absatz 2 StGB strafbar ist.

7014

Schlussfolgerung Es zeigt sich somit, dass das geltende schweizerische Recht den Fokus auf das Verhalten des letzten Gliedes in der Kette ­ den Amtsträger ­ legt, indem der Anwendungsbereich des Strafgesetzbuches auf Fälle der Vorteilsgewährung und -annahme ausgedehnt wird. Wenn dagegen der Amtsträger keinen Vorteil erhalten soll, wenn er die Abrede zwischen anderen sich im Umkreis der öffentlichen Aufgabe befindlichen Personen nicht kennt, sind entsprechende Handlungen nicht vom Strafgesetzbuch erfasst. Das geltende Recht hat sich auf Handlungen konzentriert, die es als die gefährlichsten erachtet, nämlich diejenigen, welche das Vertrauen der Bürger gefährden, das diese der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und generell den Behörden entgegenbringen können sollten.

Damit ist festzuhalten, dass das schweizerische Recht ­ auch wenn die schwersten Fälle der missbräuchlichen Einflussnahme vom Strafgesetzbuch erfasst sind ­ den Anforderungen von Artikel 12 der Konvention des Europarates nicht vollumfänglich entspricht.

2.2.5.3

Gesetzgebungsbedarf?

In dem Masse, wie das schweizerische Recht dem Konventionstext des Europarates nicht vollständig entspricht, ist die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung zu prüfen. Die Frage der Strafwürdigkeit missbräuchlicher Einflussnahme ist umstritten und wird auch in der Doktrin nicht einheitlich beantwortet: Teilweise wird bedauert, dass das schweizerische Strafgesetzbuch die missbräuchliche Einflussnahme praktisch ausklammert75. Es wird der Wunsch geäussert, dass sich die Schweiz ­ ähnlich wie Frankreich76 ­ in dieser Hinsicht mit zusätzlichen Strafnormen ausstatte. Nach dieser Meinung würde die neue Strafbarkeit erlauben, an der Quelle der klassischen Erscheinungsformen des so genannten «Klientelismus» zu intervenieren und einer Ausprägung schädlicher und gefährlicher Verbindungen entgegenzuwirken, die sich auch in hiesigen Beziehungen der Freundschaft, der Unterstützung und der gegenseitigen Abhängigkeit findet77.

Andere Autoren erachten es demgegenüber als nicht angebracht, das Korruptionsstrafrecht auf eine immer grössere Anzahl von Verhaltensweisen auszudehnen. Sie weisen auf die Ineffizienz einer derartigen Strafnorm hin und geben stattdessen der Prävention, der Verankerung von Berufspflichten und dem Rückgriff auf zivile, administrative und politische Sanktionen den Vorzug78.

Die beschriebenen persönlichen und sozialen Verpflichtungen existieren überall, und es ist daher nicht auszuschliessen, dass die enge Verbindung zwischen Politik, Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung, wie wir sie auch in der Schweiz kennen, zu so genanntem Filz und in Einzelfällen zu missbräuchlicher Einflussnahme führen 75 76

77 78

Siehe Nicolas Queloz, Processus de corruption en Suisse, S. 377.

Siehe Artikel 432-11 bis 432-13 (Korruption und missbräuchliche Einflussnahme durch Amtsträger) und Artikel 433-2 (Missbräuchliche Einflussnahme durch Private) des französischen Code pénal.

Siehe Nicolas Queloz, a.a.O., S. 377.

Siehe Maria Luisa Cesoni, Corruption et trafic d'influence en Suisse, une Italie en puissance?, in: Criminalité économique, Groupe suisse de travail de criminologie, 1999, S. 184.

7015

kann. Diese Voraussetzungen entstehen jedoch primär im Rahmen gegenseitiger Freundschaften oder gemeinsamer Zugehörigkeit zu Interessengruppen und bilden in erster Linie ein gesellschaftliches Phänomen, welches nicht Gegenstand strafrechtlicher Intervention sein sollte.

Im Weiteren ist der Einfluss dieser Verflechtungen angesichts des politischen Systems der Schweiz zu relativieren. Tatsächlichen stellen das Kollegialitätsprinzip der Regierung, das Mehrparteiensystem und die direkte Demokratie einen Schutzwall gegen das Aufkommen eines generellen Klientelismus dar. Es ist sodann zu bedenken, dass die politische Aktivität einem gewissen Erfordernis der Transparenz unterworfen ist. So sind nach Artikel 161 Absatz 2 der Bundesverfassung79 und nach Artikel 11 des Parlamentsgesetzes80 die Parlamentarier verpflichtet, ihre Interessenbindungen offen zu legen, um den Wählerinnen und Wählern über die sie leitenden Motive Aufschluss zu ermöglichen. Solche Vorschriften wurden auch von den meisten Kantonen übernommen81. Im Weiteren wird mit dem derzeitigen gesetzgeberischen Arsenal, sei es unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Beschaffungswesens82, der gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsentscheiden, der Bestimmungen bezüglich des öffentlichen Dienstes83 oder auch der internen Kontrolle der Verwaltungstätigkeit84, verhindert, dass Interessenverflechtungen ausarten und zu einer Zunahme der Korruption führen.

Demnach ist die Notwendigkeit der Einführung neuer Strafnormen zur Bekämpfung der missbräuchlichen Einflussnahme, in der von der Konvention des Europarates vorgesehenen Form, nicht ausgewiesen. Zudem erscheint der Begriff, wie er dem Konventionstext zu entnehmen ist, nicht genügend präzis. Er birgt die Gefahr einer Pönalisierung von simplem Lobbying, wie es überall auf der Welt und auch in der Schweiz praktiziert wird. Die Abgrenzung der zulässigen von den unzulässigen Verhaltensweisen würde sich als sehr risikobehaftetes und komplexes Unterfangen erweisen. Zudem wären erhebliche Beweisschwierigkeiten absehbar. Hinzu kommt, dass es als illusorisch erscheint, mit der Einführung einer solchen Strafbestimmung unerwünschte gesellschaftliche Verflechtungen unterbinden zu wollen. Eine derartige Strafnorm würde sich rasch als wenig effizient erweisen. Die Anhäufung neuer eher symbolischer Strafnormen
birgt letztlich das Risiko, das gesamte Strafrechtssystem zu schwächen.

Die Antwort auf die Thematik sollte mithin in erster Linie präventiver, nicht repressiver Natur sein. Das Strafrecht sollte sich demgegenüber auf den zentralen Bereich korruptiven Verhaltens fokussieren und klarer auf die Korruption im eigentlichen Sinn, verstanden als Annahme oder Gewährung nicht gebührender Vorteile durch 79 80 81

82

83

84

SR 101 SR 171.11.

Siehe z.B. Zürich: Art. 5 Bst. a Gesetz über die Organisation und die Geschäftsordnung des Kantonsrates vom 1. Juli 2002; Bern: Art. 7 Gesetz über den Grossen Rat vom 1. November 1993; Neuenburg: Art. 5 Bst. c und d Loi sur l'organisation du Grand Conseil vom 22. März 1993.

Siehe z.B. das BG vom 16. Dez. 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB, SR 172.056.1), welches das Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträgen regeln und transparent gestalten und die Gleichbehandlung aller Anbietenden gewährleisten will.

Siehe die Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001 (AS 2003 5011), welche den Angestellten die Pflicht auferlegt, Nebenbeschäftigungen zu melden und gewisse Einkommen dem Bund abzuliefern, und die Annahme von Geschenken verbietet.

Z.B. durch die Finanzkontrolle.

7016

oder an Amtsträger, ausgerichtet sein und damit primär deren Verhalten als Träger des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger anvisieren, statt alle Verhaltensweisen zu kriminalisieren, die sich als Begleitformen der eigentlichen Delikte zeigen könnten.

Es erscheint deshalb als angebracht, von der Vorbehaltsmöglichkeit zu Artikel 12 der Konvention Gebrauch zu machen, wie dies auch bereits Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, die Niederlande, Slowenien, Schweden und das Vereinigte Königreich getan haben85.

2.2.6

Geldwäscherei (Art. 13 Ü)

2.2.6.1

Vorgaben

Artikel 13 Ü verpflichtet die Vertragsstaaten zur Bestrafung der Geldwäscherei nach Massgabe von Artikel 6 des Übereinkommens Nr. 141 des Europarates86, sofern es sich bei der Vortat um ein Delikt gemäss Artikel 2­12 Ü handelt, zu dem kein Vorbehalt und keine Erklärung angebracht wurde. Nicht als Vortaten einbezogen werden müssen diese Delikte zudem, wenn der Vertragsstaat sie nicht als schwere Delikte im Sinne seiner Geldwäschereigesetzgebung betrachtet.

Gemäss dem Erläuternden Bericht rechtfertigt die enge Verbindung zwischen Korruption und Geldwäscherei, dass diese Konvention auch die Geldwäscherei zur Straftat erhebt. Das Übereinkommen stellt den Grundsatz auf, wonach die Vertragsparteien die Bestechungsdelikte im Sinne der Artikel 2­12 Ü als Vortaten im Rahmen der Geldwäschereigesetzgebung zu betrachten haben. Der Rückverweis auf die innerstaatliche Geldwäschereigesetzgebung führt allerdings dazu, dass die Vertragsstaaten faktisch frei bestimmen können, welche Bestechungsdelikte sie als Vortaten ausgestalten wollen.

2.2.6.2

Vergleich mit dem schweizerischen Recht 305bis

Artikel des Strafgesetzbuches, in Kraft seit dem 1. August 1990, stellt die Geldwäscherei unter Strafe, d.h. die Handlung, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie der Täter weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen herrühren.

Nach Artikel 305bis Absatz 3 wird der Täter auch bestraft, wenn die Haupttat im Ausland begangen wurde und diese auch am Begehungsort strafbar ist. Die Schweizer Geldwäschereistrafnorm ist im Übrigen mit dem Übereinkommen des Europara-

85

86

Im Rahmen der Ratifikation der Strafrechtskonvention plant auch Frankreich, welches den Tatbestand der missbräuchlichen Einflussnahme in seinem innerstaatlichen Recht vorsieht, die Anbringung eines Vorbehaltes zu Artikel 12. Demnach soll darauf verzichtet werden, Handlungen zu bestrafen, die auf eine Beeinflussung der Entscheidfindung von ausländischen Amtsträgern und Mitgliedern ausländischer öffentlich-rechtlicher Versammlungen gerichtet sind (vgl. Rapport Nr. 1424 de Marc Reymann au nom de la commission des affaires étrangères du 11 février 2004).

SR 0.311.53

7017

tes vom 8. November 199087 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vollständig kompatibel88.

Im geltenden Recht sind die aktive und passive Bestechung schweizerischer Amtsträger und die aktive Bestechung fremder Amtsträger als Verbrechen im Sinne von Artikel 9 StGB ausgestaltet und bilden folglich Vortaten zur Geldwäscherei. Im vorliegenden Vorentwurf wird zudem die passive Bestechung fremder Amtsträger ebenfalls als Verbrechen qualifiziert. Demgegenüber bilden die Privatbestechung und die in den Artikeln 322quinquies und 322sexies (Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme) vorgesehenen Auffangtatbestände blosse Vergehen und damit auch keine Vortaten zur Geldwäscherei.

Dies entspricht den Vorgaben von Artikel 13 Ü vollumfänglich, welcher den Vertragsstaaten die Freiheit bezüglich der Festlegung der einzubeziehenden Vortaten belässt.

2.2.7

Buchführungsdelikte (Art. 14 Ü)

2.2.7.1

Vorgaben

Artikel 14 sieht die Sanktionierung von Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der Buchführung zwecks Begehung oder Verschleierung von Bestechungshandlungen vor, durch das Erstellen oder Benutzen einer Rechnung oder anderer Buchführungsunterlagen mit falschen oder unvollständigen Angaben (Bst. a) oder durch das rechtswidrige Unterlassen der Verbuchung einer Zahlung (Bst. b).

Gemäss dem Erläuternden Bericht zum Übereinkommen können die Buchführungsdelikte entweder Vorbereitungshandlungen zu Bestechungsdelikten oder Handlungen zu deren Verschleierung darstellen. Artikel 14 sieht diese beiden Anknüpfungspunkte vor und deckt alle im Übereinkommen festgelegten Bestechungsdelikte ab89. Die Tat kann sich auf zwei verschiedene Arten konkretisieren, einerseits in einer Handlung, die im Erstellen oder Benutzen von Rechnungen oder von anderen Buchführungsunterlagen besteht, die falsche Angaben enthalten. Dieses Verhalten bezweckt, eine Person zu täuschen, um ein Bestechungsdelikt zu verbergen. Andererseits kann das anvisierte Verhalten auch in einer rechtswidrigen Unterlassung bestehen, wenn die beteiligten Personen der gesetzlichen Pflicht zur Verbuchung von Zahlungen unterliegen.

2.2.7.2

Vergleich mit dem schweizerischen Recht

Das schweizerische Recht erfüllt die Vorgaben des Übereinkommens. Artikel 957 OR90 wie auch Artikel 52 der Handelsregisterverordnung91 legen fest, dass die Eintragung einer Firma in das Handelsregister dazu verpflichtet, diejenigen Bücher 87 88 89 90 91

SR 01.311.53.

Siehe Botschaft des Bundesrates über die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 141, BBl 1992 VI 9 ff., 18 ff.

Vgl. Erläuternder Bericht zur Konvention, N 71.

SR 220.

SR 221.411.

7018

ordnungsgemäss zu führen und aufzubewahren, die nach Art und Umfang des Geschäftes nötig sind, um die Vermögenslage des Geschäfts und die mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden Schuld- und Forderungsverhältnisse sowie die Ergebnisse der einzelnen Geschäftsjahre festzustellen.

In strafrechtlicher Hinsicht bedroht Artikel 325 StGB mit Haft oder Busse, wer vorsätzlich oder fahrlässig der gesetzlichen Pflicht, Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen, nicht nachkommt. Darüber hinaus werden die Buchhaltung und ihre Bestandteile ­ auch ausserhalb einer gesetzlichen Buchführungspflicht ­ durch Artikel 251 StGB (Urkundenfälschung) vor Falschverbuchung und Unterlassung einzelner Buchungen geschützt. Werden Buchführungsunterlagen zur Täuschung eingesetzt, können zudem Straftaten gegen das Vermögen in Betracht kommen.

Schliesslich kann die Benützung einer gefälschten Rechnung zur Verheimlichung einer durch einen Dritten begangenen Straftat auch unter Artikel 305 StGB (Begünstigung) fallen oder Gehilfenschaft zu Bestechung darstellen.

2.2.8

Teilnahmehandlungen (Art. 15 Ü)

Artikel 15 Ü besagt, dass jede Form der vorsätzlichen Gehilfenschaft an einer durch das Übereinkommen begründeten Straftat unter Strafe zu stellen ist. Artikel 25 StGB sieht die Strafbarkeit der Gehilfenschaft vor. Diese Teilnahmeform findet auf alle geltenden wie auch auf sämtliche hier neu vorgeschlagenen Bestechungsstrafnormen Anwendung, womit Artikel 15 Ü vollumfänglich erfüllt ist.

2.2.9

Immunität (Art. 16 Ü)

Artikel 16 präzisiert, dass das vorliegende Übereinkommen die einschlägigen Bestimmungen von Verträgen, Protokollen oder Satzungen sowie deren Durchführungsbestimmungen über die Aufhebung der Immunität nicht berührt.

Diese Bestimmung betrifft in erster Linie das Personal internationaler oder supranationaler öffentlicher Organisationen, die Mitglieder internationaler parlamentarischer Versammlungen sowie die Richter und Bediensteten internationaler Gerichtshöfe.

Diese Personenkategorien geniessen denn auch regelmässig Privilegien und Immunitäten, so namentlich auch strafrechtliche Immunität, welche sich auf die Satzungen der betreffenden internationalen Organisation, auf einschlägige multilaterale Abkommen oder auf Abkommen zwischen dem Sitzstaat und der Organisation stützen. Die Aufhebung der Immunität ist Voraussetzung zur Eröffnung eines landesrechtlichen Strafverfahrens, entsprechend den auf die jeweiligen obgenannten Personenkategorien anwendbaren besonderen Regeln.

Praktisch bedeutsam ist die Frage der Immunität für Amtsträger internationaler Organisationen mit Sitz in der Schweiz, wie beispielsweise für die Organisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf oder für die Welthandelsorganisation. Die Rechtsstellung dieser Organisationen und ihres Personals in der Schweiz wird durch die mit dem Bundesrat abgeschlossenen Sitzabkommen bestimmt. Spitzenfunktionäre solcher Organisationen geniessen strafrechtliche Immunität sowohl für amtliche wie auch für private Handlungen. Für die restlichen Amtsträger beschränkt sich die Immunität auf in amtlicher Eigenschaft begangene Delikte. Die Immunität für amtliche Handlungen bleibt auch nach Wegfall der Amtsträgereigenschaft bestehen. Es 7019

obliegt der betroffenen Organisation, ihre zuständige Stelle zu bestimmen, die über die Aufhebung der Immunität ihrer Amtsträger befindet. In der Regel handelt es sich dabei um den Generaldirektor bzw. die Generaldirektorin oder um den Generalsekretär bzw. die Generalsekretärin der betreffenden Organisation.

2.2.10

Gerichtsbarkeit (Art. 17 Ü)

2.2.10.1

Vorgaben

Artikel 17 Ü sieht vor, dass jede Vertragspartei ihre Gerichtsbarkeit bezüglich der Straftaten gemäss den Artikeln 2­14 Ü begründet, wenn die Tat ganz oder teilweise in ihrem Hoheitsgebiet begangen wird (Bst. a), wenn der Täter Staatsangehöriger, Amtsträger oder Mitglied einer inländischen öffentlich-rechtlichen Versammlung der Vertragspartei ist (Bst. b) oder schliesslich wenn an der Straftat ein Amtsträger oder ein Mitglied einer inländischen öffentlich-rechtlichen Versammlung der Vertragspartei beteiligt ist oder eine der in den Artikeln 9­11 bezeichneten Personen, die gleichzeitig die Staatsangehörigkeit der Vertragspartei besitzt (Bst. c).

Ziffer 1 Buchstabe a von Artikel 17 verankert das Territorialitätsprinzip, wobei eine weite Auslegung angestrebt wird, nach welcher es für die Begründung der Gerichtsbarkeit ausreichen soll, dass ein blosser Teil der Straftat (z.B. die Übergabe der Bestechungssumme) auf dem Hoheitsgebiet des Staates begangen wird92.

Ziffer 1 Buchstabe b verankert das aktive Personalitätsprinzip. Nach der Konvention ist die Gerichtsbarkeit zudem auch dann gegeben, wenn die Amtsträger oder die Mitglieder öffentlicher Versammlungen des Landes eine derartige Straftat begehen, selbst wenn sie nicht gleichzeitig Staatsangehörige dieses Landes sind93.

Ziffer 1 Buchstabe c verankert das Prinzip der Wahrung der nationalen Interessen und das Personalitätsprinzip, indem die Gerichtsbarkeit mit dem Status der Person begründet wird, die sich hat bestechen lassen. Dabei handelt es sich entweder um einen Amtsträger oder um ein Mitglied einer nationalen öffentlichen Versammlung der Vertragspartei (und nicht notwendigerweise um einen Staatsangehörigen), oder aber es handelt sich um einen Staatsangehörigen, der gleichzeitig internationaler Bediensteter, Mitglied einer internationalen parlamentarischen Versammlung oder Richter oder Bediensteter eines internationalen Gerichtshofes ist94.

2.2.10.2

Vergleich mit dem schweizerischen Recht

Der räumliche Geltungsbereich des schweizerischen Strafgesetzbuches bestimmt sich nach drei Prinzipien, nämlich dem Territorialitäts-95, dem Personalitäts-96 und dem Weltrechtsprinzip97. Es ist zu prüfen, ob das schweizerische Recht alle in Artikel 17 Ziffer 1 Ü vorgesehenen Fallkonstellationen abzudecken vermag:

92 93 94 95 96 97

Siehe Erläuternder Bericht zur Konvention, N 79.

Siehe Erläuternder Bericht zur Konvention, N 80.

Siehe Erläuternder Bericht zur Konvention, N 81.

Art. 3 StGB, erg. durch Art. 7 StGB.

Art. 5 und 6 StGB.

Art. 6bis StGB.

7020

­

Auf Grund der Artikel 3 und 7 StGB ist die schweizerische Zuständigkeit für alle ganz oder teilweise in der Schweiz verübten Bestechungsdelikte gegeben. In diesem Punkt sind die Vorgaben des Übereinkommens vollumfänglich erfüllt.

­

Im Ausland durch einen Schweizer begangene Straftaten: Nach Artikel 6 StGB anerkennt die Schweiz ihre Zuständigkeit, allerdings unter dem Vorbehalt der beidseitigen Strafbarkeit.

­

Im Ausland durch einen schweizerischen Amtsträger ausländischer Nationalität begangene Bestechung: Viele Ämter erfordern nicht zwingend die schweizerische Staatsbürgerschaft. Daher kann ein schweizerischer Amtsträger ausländischer Nationalität sein und im Ausland delinquieren. Dies kann z.B. bei ausländischen Angestellten einer schweizerischen Botschaft zutreffen98. In diesem Fall findet Artikel 6bis StGB Anwendung, der die beidseitige Strafbarkeit und eine schweizerische Verpflichtung durch ein internationales Übereinkommen erfordert.

­

Im Ausland durch ein ausländisches Mitglied einer schweizerischen öffentlich-rechtlichen Versammlung begangene Bestechung: Im Rahmen der Ausdehnung des kantonalen oder kommunalen passiven Wahlrechts auf Ausländer99 ist nicht absolut auszuschliessen, dass sich ein derartiger Fall ereignen könnte. Artikel 6bis StGB findet auch hier unter den oben erwähnten Voraussetzungen Anwendung.

­

Bestechung im Ausland unter Beteiligung eines schweizerischen Amtsträgers, eines Mitglieds einer schweizerischen öffentlich-rechtlichen Versammlung oder eines Amtsträgers, Parlamentariers oder Richters einer internationalen Organisation, welcher Schweizer ist: Auf die Tatbeteiligten findet wiederum Artikel 6 oder 6bis Anwendung.

Der revidierte Allgemeine Teil des StGB100 sieht einen neuen Artikel 7 StGB vor, der den Anwendungsbereich auf die Fälle ausdehnt, in denen die Straftat im Ausland von einem Ausländer und gegen einen Ausländer begangen wurde, wenn die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder dieser Ort keiner Strafgewalt unterliegt, wenn der Täter sich in der Schweiz befindet oder ihr wegen dieser Tat ausgeliefert wird und wenn die Tat eine Auslieferung zulässt, der Täter aber nicht ausgeliefert wird. Absatz 2 präzisiert, dass, falls der Täter nicht Schweizer ist und das Verbrechen oder Vergehen nicht gegen einen Schweizer verübt wurde, Absatz 1 nur anwendbar ist, wenn das Auslieferungsbegehren aus einem Grund abgewiesen wurde, der nicht die Art der Tat betrifft.

Demnach dehnt das neue Recht den Anwendungsbereich des StGB leicht über das aktuelle Recht hinaus aus, behält aber das Prinzip der beidseitigen Strafbarkeit bei.

98

Das schweizerische Hoheitsgebiet umfasst allerdings auch die ausländischen Botschaften in der Schweiz (BGE 109 IV 156, JT 1984 IV 121, zit. in Martin Kilias, Précis de droit pénal général, Stämpfli 1998, S. 256, N. 1602).

99 Wie der Kanton Waadt.

100 BBl 2002 8240. Die revidierten Bestimmungen unterscheiden neu zwischen Verbrechen und Vergehen im Ausland gegen den Staat (Art. 4), Sexualstraftaten gegen Unmündige im Ausland (Art. 5), gemäss staatsvertraglicher Verpflichtung verfolgte Auslandtaten (Art. 6) und anderen Auslandtaten (Art. 7). Der neue Artikel 6 übernimmt in der Substanz den Inhalt des aktuellen Artikels 6bis StGB und behält das Prinzip der beidseitigen Strafbarkeit bei.

7021

2.2.10.3

Schlussfolgerung

Das schweizerische Strafgesetzbuch geht somit nicht ganz so weit wie das Übereinkommen, das ein erweitertes Konzept der Gerichtsbarkeit auferlegt. Es erscheint jedoch nicht als angebracht, neue Gesetzesbestimmungen zu schaffen, um sämtliche Vorgaben von Artikel 17 Ziffer 1 Buchstabe b und c Ü bis ins letzte Detail zu erfüllen, die in der Praxis ohnehin nur äusserst beschränkte Bedeutung haben. Insbesondere rechtfertigen im Ausland begangene Bestechungsstraftaten weder auf Grund ihrer Schwere noch auf Grund ihrer Eigenart einen Verzicht auf die Bedingung der beidseitigen Strafbarkeit101. Es ist daher angebracht, gemäss Artikel 17 Ziffer 2 Ü einen Vorbehalt anzubringen, wie dies auch Dänemark, Finnland, die Niederlande, Portugal, Schweden und das Vereinigte Königreich getan haben.

2.2.11

Verantwortlichkeit juristischer Personen (Art. 18 Ü)

2.2.11.1

Vorgaben

Artikel 18 Ü verpflichtet die Vertragsparteien sicherzustellen, dass auch juristische Personen für die Straftaten der aktiven Bestechung, der missbräuchlichen Einflussnahme und der Geldwäscherei gemäss diesem Übereinkommen verantwortlich erklärt werden können. Vorausgesetzt ist, dass die Tat zum Vorteil der juristischen Person begangen wird und die handelnde natürliche Person dort eine Führungsposition innehat, die auf Vertretungs-, Entscheidungs- oder Kontrollbefugnis basiert (Art. 18 Ziff. 1 Ü). Weiter ist die Verantwortlichkeit auch dann vorzusehen, wenn die Tat durch fehlende Überwachung und Kontrolle einer solchen natürlichen Person ermöglicht worden ist. In diesem zweitgenannten Fall ist eine andere, subalterne natürliche Person des Unternehmens Täter (Art. 18 Ziff. 2 Ü). Die Verantwortlichkeit des Unternehmens darf sodann die Strafverfolgung der handelnden natürlichen Personen nicht ausschliessen (Art. 18 Ziff. 3 Ü).

Die Bestimmung entspricht der Tendenz, in internationalen Übereinkommen auf dem Gebiete des Strafrechts die Verantwortlichkeit juristischer Personen vorzusehen, wie dies namentlich auch im OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr der Fall ist102.

2.2.11.2

Vergleich mit dem schweizerischen Recht

Die eidgenössischen Räte haben die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens bereits im Rahmen der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches als neue Artikel 102 f. nStGB beschlossen103. Um ein rechtzeitiges 101

Im Gegensatz zu schwersten Straftaten, für welche der Anwendungsbereich ausgedehnt wurde, wie z.B. der Geiselnahme (Art. 185 Abs. 5 StGB).

102 Ebenso z.B. das UNO-Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, BBl 2002 5462 ff., das UNO-Übereinkommen über das organisierte Verbrechen und das Übereinkommen des Europarates über die Cyberkriminalität.

103 BBl 2002 8240 ff.

7022

Inkrafttreten dieser Bestimmungen zur Umsetzung des UNO-Übereinkommens zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zu gewährleisten, ist die Unternehmenshaftung (mit ergänztem Deliktskatalog) in jene Vorlage104 übertragen und vom Parlament im Frühjahr 2003 verabschiedet worden105. Seit ihrer Inkraftsetzung am 1. Oktober 2003 ist die strafrechtliche Unternehmenshaftung damit im bestehenden Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches als Artikel 100quater und 100quinquies eingefügt106.

Der neue Artikel 100quater StGB führt eine allgemeine subsidiäre strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Person ein (wenn die Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden kann, Art. 100quater Abs. 1) sowie eine primäre Verantwortlichkeit für bestimmte Deliktskategorien, wenn dem Unternehmen vorzuwerfen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um eine solche Straftat zu verhindern (Art. 100quater Abs. 2).

Bei der Prüfung der Vereinbarkeit des revidierten schweizerischen Rechts mit dem Übereinkommen ist hervorzuheben, dass Artikel 100quater StGB einen weiteren Anwendungsbereich als Artikel 18 Ü hat, indem Artikel 18 sich auf Straftaten beschränkt, die zum Vorteil der juristischen Person begangen werden und die Implikation von Kaderpersonen voraussetzt. Bezüglich der weiteren Voraussetzungen vermag zwar die subsidiäre Unternehmenshaftung nach Artikel 100quater Absatz 1 den Intentionen des Übereinkommens nicht zu genügen, da hier keine parallele Sanktionierung der natürlichen und juristischen Person möglich ist. Hingegen deckt die Haftungsvoraussetzung der primären Unternehmenshaftung nach Absatz 2 (Vorwurf der Nicht-Vornahme aller erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren, um die Straftat zu verhindern) die Tatvariante nach Artikel 18 Ziffer 2 Ü vollumfänglich ab: Wird ein einschlägiges Delikt auf Grund mangelhafter Überwachung und Kontrolle einer Führungsperson ermöglicht, so ist stets davon auszugehen, dass das Unternehmen nicht ausreichende Vorkehren getroffen hat, um die Straftat zu verhindern. Gleiches gilt grundsätzlich auch für den Fall, dass die Tat von der Führungsperson selber begangen wird (Art. 18 Ziff. 1 Ü); anders wäre höchstens dann zu entscheiden, wenn die
Führungsperson trotz dem Vorhandensein aller erforderlichen und zumutbaren Präventionsmassnahmen dieselben umgeht und ihr Verhalten derart aussergewöhnlich erscheint, dass es aus der Perspektive der Unternehmung als nicht voraussehbar und vermeidbar erscheint107. Bei einer Tat, die zum Vorteil des Unternehmens begangen wird, ist eine solche Situation allerdings kaum denkbar. Daneben bleiben Sachverhaltskonstellationen, die von Artikel 100quater Absatz 2 StGB ebenfalls erfasst werden, ohne dass die Voraussetzungen der Konvention erfüllt wären, so beispielsweise, wenn ein Mitarbeiter ohne Führungsposition eine aktive Bestechung begeht und dem Unternehmen einschlägige Mängel bei dessen Auswahl oder Instruktion vorzuwerfen sind. Dabei ist, wie erwähnt, auch nicht erforderlich, dass das Delikt zum Vorteil des Unternehmens begangen wird.

104

Botschaft betr. die internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus und zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge, BBl 2002 5390 ff.

105 BBl 2003 2847 ff.

106 AS 2003 3043 ff.

107 Vgl. Alain Macaluso, La responsabilité pénale de l'entreprise, Zürich 2004, S. 155.

7023

Mit der Deliktsliste, für welche eine primäre Verantwortlichkeit des Unternehmens vorgesehen ist, deckt Artikel 100quater Absatz 2 alle Delikte der aktiven Amtsträgerbestechung im Sinne des Übereinkommens ab, indem die aktive Bestechung schweizerischer Amtsträger (Art. 322ter StGB), die Vorteilsgewährung (Art. 322quinquies StGB) und die aktive Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies StGB) erfasst sind. Die primäre Unternehmenshaftung erstreckt sich auch auf die Geldwäscherei (Art. 305bis StGB).

2.2.11.3

Notwendigkeit der Ergänzung von Art. 100quater Abs. 2 StGB

Nicht im Deliktskatalog der primären Unternehmenshaftung erfasst ist die aktive Privatbestechung, die neu in Artikel 4a Absatz 1 Buchstabe a UWG geregelt werden soll108. Es ist angezeigt, die primäre Verantwortlichkeit des Unternehmens auch im Falle der aktiven Privatbestechung einzuführen. Dies nicht nur zur Erfüllung der Anforderungen des Übereinkommens, sondern auch aus Gründen der Kohärenz der Gesetzgebung: Die aktive Privatbestechung zielt auf die Erlangung unlauterer Vorteile im wirtschaftlichen Wettbewerb. Es liegt auf der Hand, dass der eigentliche Nutzniesser des Delikts in aller Regel eine juristische Person ist, zu deren Vorteil der aktive Bestecher handelt. Die Verantwortlichkeit des Unternehmens hat mit anderen Worten im Bereich der Korruption gerade bei der Privatbestechung zentrale praktische Bedeutung. Dies insbesondere auch mit Blick auf die Prävention. Es wird deshalb vorgeschlagen, die aktive Privatbestechung nach Artikel 4a Absatz 1 Buchstabe a E-UWG auch in den Katalog der in Artikel 100quater Absatz 2 StGB aufgeführten Straftaten aufzunehmen.

Eine rein redaktionelle Änderung des Deliktskatalogs von Artikel 100quater Absatz 2 StGB betrifft sodann die aktive Bestechung ausländischer Amtsträger, die neu als Artikel 322septies Absatz 1 geregelt ist109.

Weil zum Tatbestand der missbräuchlichen Einflussnahme gemäss Artikel 12 Ü ein Vorbehalt anzubringen ist110, bleibt diese Norm logischerweise auch mit Bezug zur Unternehmenshaftung irrelevant.

2.2.12

Sanktionen und Massnahmen (Art. 19 Ü)

Artikel 19 Ü auferlegt jeder Vertragspartei die Pflicht, hinsichtlich der im Übereinkommen festgelegten Straftaten wirkungsvolle, verhältnismässige und abschreckende Sanktionen und Massnahmen vorzusehen, unter Einschluss von freiheitsbeschränkenden Massnahmen bei natürlichen Personen, welche die Auslieferung ermöglichen, und von Geldstrafen bei juristischen Personen. Weiter ist die Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten vorzusehen, die aus Straftaten gemäss dem Übereinkommen stammen.

108 109

Vgl. oben 2.2.4.

Wegen des neu vorgeschlagenen Tatbestandes der passiven Bestechung fremder Amtsträger als Art. 322septies Abs. 2; vgl. Ziff. 2.2.2.

110 Vgl. Ziff. 2.2.5.3.

7024

Die aktive und passive Bestechung von Amtsträgern wie auch die aktive Bestechung fremder Amtsträger gelten als Verbrechen und unterstehen einer Strafdrohung von bis zu fünf Jahren Zuchthaus. Der Revisionsentwurf von Artikel 322septies Absatz 2 StGB sieht vor, auch die passive Bestechung fremder Amtsträger als Verbrechen zu behandeln. Die Vorteilsgewährung und ­annahme und die private Bestechung gelten als Vergehen und unterstehen der Strafdrohung von maximal drei Jahren Gefängnis.

Es handelt sich mithin durchgehend um Auslieferungsdelikte gemäss Artikel 35 des Rechtshilfegesetzes.111 Unternehmen droht eine Geldstrafe von bis zu 5 Millionen Franken. Damit sind die Vorgaben des Übereinkommens vollumfänglich erfüllt.

Betreffend der Einziehung liefern die Artikel 58 ff. des Strafgesetzbuches das erforderliche Instrumentarium112.

2.2.13

Spezialisierte Behörden (Art. 20 Ü)

Nach diesem Artikel sollen die Vertragsparteien die Spezialisierung von Personen oder unabhängigen Einheiten zur Bekämpfung der Korruption vorantreiben und für Unabhängigkeit und ausreichende Dotation solcher Stellen sorgen.

Die Zuständigkeit zur Verfolgung und Beurteilung von Bestechungshandlungen liegt einerseits bei den Kantonen und andererseits beim Bund, wenn die Bedingungen von Artikel 340 oder 340bis StGB erfüllt sind.

Die Mehrzahl der Kantone ist mit spezialisierten Einheiten zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ausgestattet, zu deren Aufgabenbereich auch Korruptionsfälle gehören. Diese spezialisierten Einheiten finden sich in den verschiedenen Stufen des Verfahrens, sei es bei der Untersuchung (Finanzabteilung113 und spezialisierter Untersuchungsrichter114) oder bei der Urteilsfällung (Wirtschaftsstrafgericht115).

Im Bundesamt für Polizei wurde eine Abteilung «Ermittlungen Staatsschutz/ Besondere Tatbestände» geschaffen, die in verschiedene Untergruppen aufgeteilt ist, wovon sich eine spezifisch der Bekämpfung der Korruption widmet. Zurzeit setzt sich diese Einheit aus fünf Personen zusammen. Bei der Bundesanwaltschaft sind im Bereich der neuen Kompetenzen organisierte Kriminalität, Geldwäscherei, Korruption und Wirtschaftskriminalität 17 Ermittlungsteams tätig.

2.2.14

Zusammenarbeit zwischen innerstaatlichen Behörden (Art. 21 Ü)

2.2.14.1

Inhalt und Vorgaben

Artikel 21 sieht eine generelle, unter dem Vorbehalt des nationalen Rechts stehende Verpflichtung vor, die Zusammenarbeit von staatlichen Behörden und Amtsträgern mit den Behörden sicherzustellen, die mit der Ermittlung und Verfolgung von Straftaten betraut sind. Das Ausmass der Pflicht zur Zusammenarbeit mit den Strafver111 112 113 114

IRSG; SR 351.1 BBl 1999, 5497ff., S. 5544 f.

Z.B. in den Kantonen Genf, Zürich und Neuenburg.

S. z. B. Art. 47a Gerichtsorganisationsgesetz des Kantons Genf (RSG E. 2 05) oder Art. 102 Abs. 2 StPO des Kantons Neuenburg (CPPN; RSN 322.0).

115 Auch hier wieder als Beispiel unter vielen Neuenburg (Art. 33 CPPN; RSN 322.0).

7025

folgungsbehörden ist durch das interne Recht festzulegen. So wird von den Vertragsstaaten nicht verlangt, eine generelle Pflicht für ihre öffentlichen Angestellten zur Meldung von Straftaten einzuführen116. Der öffentliche Angestellte kann seiner Pflicht zur Zusammenarbeit entweder nachkommen, indem er aus eigener Initiative die Behörden unterrichtet, wenn begründeter Verdacht zur Annahme vorliegt, dass eine Straftat begangen worden ist, oder indem er den Strafverfolgungsbehörden die von diesen verlangten Informationen erteilt117. Es können auch Ausnahmen von der Pflicht zur Erteilung von Auskünften vorgesehen werden118.

2.2.14.2

Situation im schweizerischen Recht

Während einige Kantone eine generelle Anzeigepflicht für Amtsträger statuieren119, sehen alle die Möglichkeit vor, Amtsträger unter Vorbehalt der vorgängigen Aufhebung des Amtsgeheimnisses als Zeugen einzuvernehmen120.

Der Bundesstrafprozess sieht keine generelle Anzeigepflicht vor. Er bestimmt jedoch, dass nach Zustimmung der vorgesetzten Behörde jeder Amtsträger als Zeuge einvernommen werden kann121. In gleicher Weise können amtliche Dokumente beschlagnahmt werden. Im Rahmen des Projekts zur Vereinheitlichung der Strafprozessordnung ist vorgesehen, dass Amtsträger, die einer Anzeigepflicht unterstehen, zur Zeugenaussage verpflichtet sind, während die anderen dazu die Ermächtigung ihrer vorgesetzten Behörde benötigen. Letztere muss das Amtsgeheimnis aufheben, wenn das Interesse an der Wahrheitsfindung das Geheimhaltungsinteresse überwiegt122.

2.2.15

Schutz von Informanten und Zeugen (Art. 22 Ü)

2.2.15.1

Vorgaben

Nach dieser ebenfalls allgemein formulierten Bestimmung sind Massnahmen zu treffen, um einen effektiven und angemessenen Schutz von Informantinnen und Informanten sowie Zeuginnen und Zeugen zu gewährleisten, welche den Strafverfolgungsbehörden Informationen über die von der Konvention erfassten Straftaten liefern. Gemäss dem Erläuternden Bericht zur Konvention123 ist unter dem Informanten eine Person zu verstehen, gegen die Ermittlungen im Gange sind oder die wegen Beteiligung an einem Bestechungsdelikt verurteilt worden ist und die sich bereit erklärt, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, namentlich indem sie Informationen über die Taten liefert, an welchen sie beteiligt war und auf diese Weise die Strafverfolgung unterstützt.

116 117 118 119 120 121 122 123

S. Erläuternder Bericht zur Konvention, N 102.

S. Erläuternder Bericht zur Konvention, N 103.

S. Erläuternder Bericht zur Konvention, N 106.

S. z. sp. Art. 6 StPO des Kantons Neuenburg oder Art. 11 StPO des Kantons Genf.

Vgl. Art. 102 Abs. 8 und Art. 115 StPO des Kantons Bern.

Art. 78 Bundesstrafprozess (SR 312).

Art. 177 VE-StPO.

A.a.O., N. 110.

7026

2.2.15.2

Situation im schweizerischen Recht

Bezüglich des Schutzes von Zeuginnen, Zeugen und anderen Personen finden sich verschiedene Bestimmungen in den jeweils anwendbaren Prozessordnungen des Bundes und der Kantone. So sind Regelungen sehr verbreitet, die Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zugestehen, wenn die Zeugenaussage ihre Ehre gefährden oder sie schweren Nachteilen124 aussetzen würde; dies bietet den Zeugen einen effektiven Schutz, beeinträchtigt jedoch die Wahrheitsfindung. Sodann hat sich die Rechtsprechung des Bundesgerichts in mehreren Fällen zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit anonymer Zeugenaussagen geäussert125. Weiter sind materielle Schutzmassnahmen für Zeuginnen, Zeugen und andere Personen (Polizeischutz) auch ohne spezifische Gesetzesgrundlagen möglich. Hingegen kennt die Schweiz keine eigentlichen aussergerichtlichen Zeugenschutzprogramme, die beispielsweise die Identitätsänderung einschliessen würden126. Derartige, auf Schwerstkriminalität zugeschnittene Massnahmen erscheinen für Bestechungsfälle in aller Regel ohnehin als unverhältnismässig.

Der Vorentwurf für eine schweizerische Strafprozessordnung sieht besondere Bestimmungen zum Schutz von Zeuginnen, Zeugen, Auskunftspersonen, Beschuldigten, Sachverständigen sowie Übersetzerinnen und Übersetzern vor und verpflichtet die Gerichtsbehörden, die angemessenen Massnahmen zu treffen, wenn diese Personen einer ernsten Gefahr für Leib und Leben oder einem anderen schweren Nachteil ausgesetzt sind. So kann insbesondere die Feststellung der Personalien oder die Einvernahme in Abwesenheit der Parteien erfolgen, die Anonymität gewahrt und die einzuvernehmende Person vor Gericht abgeschirmt werden127.

2.2.16

Massnahmen zur Erleichterung der Beweisaufnahme und der Einziehung von Erträgen (Art. 23 Ü)

2.2.16.1

Vorgaben

In der ersten Ziffer dieser Bestimmung werden die Mitgliedstaaten aufgerufen, Massnahmen zur Erleichterung der Beweiserhebung bezüglich der in der Konvention aufgeführten Straftaten sowie mit Blick auf die Einziehung i. S. von Artikel 19 Ziffer 3 der Konvention zu treffen. Eingeschlossen sind dabei spezielle Ermittlungsmethoden nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts, wobei hier primär an den Einsatz von V-Leuten, an die Überwachung der Telekommunikation und an den Zugang zu Informatiksystemen gedacht ist.

Den Staaten ist allerdings freigestellt, den Rückgriff auf derartige Praktiken auszuschliessen bzw. ihre Anordnung von Schutzvorschriften abhängig zu machen128.

124 125

S. z.B. Art. 48 der StPO des Kantons Genf.

BGE 118 Ia 457, BGE 118 Ia 327, BGE 125 I 127; das Bundesgericht hält die Befragung eines V-Mannes unter optischer und akustischer Abschirmung für zulässig.

126 S. «Aus 29 mach 1», Bericht der Expertenkommission ,,Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, EJPD 1997, S. 61 ff.

127 Vgl. Art. 160­162 VE-StPO sowie ebenso schon die vom Parlament am 19. Dezember 2003 verabschiedete Änderung des Militärstrafprozesses (Schutz von Verfahrensbeteiligten, Art. 98a­98d MStP), BBl 2003, 8237 ff, in Kraft seit 1.6.2004, vgl. AS 2004 2691.

128 Vgl. Erläuternder Bericht zur Konvention, N 114.

7027

Ziffer 2 sieht die Beschlagnahme von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen durch die Gerichtsbehörden vor. Das Bankgeheimnis bildet für die prozessualen Zwangsmassnahmen i. S. der Ziffern 1 und 2 kein Hindernis (Ziff. 3).

2.2.16.2

Situation im schweizerischen Recht

Beweismittel Sowohl der Bund wie auch die Kantone verfügen über umfassende Möglichkeiten zur Beweismittelerhebung, mit denen die Vorgaben des Übereinkommens erfüllt werden können. Unter anderem zu erwähnen ist die Zeugeneinvernahme, die Einvernahme von Auskunftspersonen, das Gutachten, der Augenschein, die Durchsuchung sowie die Beschlagnahme von Beweismitteln oder im Hinblick auf eine Einziehung.

Schliesslich entbindet Artikel 47 Absatz 4 des Bankengesetzes129 die Banken von ihrer Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses im Falle der Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde und der Zeugnispflicht vor Gericht. Damit genügt das schweizerische Recht auch den Vorgaben von Artikel 23 Ü.

Spezielle Ermittlungsmethoden Das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs130(BÜPF), in Kraft seit dem 1. Januar 2002, ermächtigt namentlich zu solchen Überwachungsmassnahmen im Falle der aktiven und passiven Bestechung schweizerischer Amtsträger. Mit der Ergänzung des Deliktskataloges, die im Rahmen der so genannten Terrorismusvorlage am 21. März 2003 beschlossen wurde131, ist auch Artikel 322septies StGB (Bestechung fremder Amtsträger) abgedeckt. Die im vorliegenden Vorentwurf vorgeschlagene Integration der passiven Bestechung fremder Amtsträger in diese Strafbestimmung132 erweitert automatisch auch den Anwendungsbereich des BÜPF, ohne dass eine Anpassung des Deliktskataloges erforderlich wäre.

Grundsätzlich gleich liegen die Dinge bei der verdeckten Ermittlung: Gemäss dem vom Parlament am 20. Juni 2003 verabschiedeten Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung (BVE) kann auch diese Untersuchungsmethode Anwendung auf die in den Artikeln 322ter (aktive Bestechung), 322quater (passive Bestechung) und 322septies (Bestechung fremder Amtsträger) erfassten Fälle der Korruption finden133.

Wie bereits einleitend erwähnt, verpflichtet Artikel 23 Ü nicht zur Einführung spezieller Ermittlungsmethoden. Das Schweizer Recht geht somit über die Mindestanforderungen der Konvention hinaus.

129 130 131 132 133

Bundesgesetz vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (BankG, SR 952.0).

BÜPF, SR 780.1 In Kraft seit 1. Oktober 2003, AS 2003 3043 ff., vgl. auch die entsprechende Botschaft des Bundesrates, BBl 2002 5390 ff.

Oben Ziffer 2.2.2.

S. Art. 4 Abs. 2 Bst. a BVE, BBl 2003 4465.

7028

2.3

Internationale Zusammenarbeit (Art. 25­31 Ü)

2.3.1

Allgemeine Grundsätze und Massnahmen der internationalen Zusammenarbeit (Art. 25 Ü)

Artikel 25 Ü statuiert die für den Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen gängige Verpflichtung zur grösstmöglichen Kooperation. Darüber hinaus legt er das Verhältnis zwischen dem vorliegenden Übereinkommen und bereits bestehenden einschlägigen Übereinkommen und Verträgen, welche Bestimmungen über die Zusammenarbeit in Strafsachen enthalten, fest.

Primär erfolgt die Zusammenarbeit gemäss den entsprechenden Bestimmungen in den zwischen den jeweiligen Vertragsparteien geltenden multilateralen oder bilateralen Instrumenten sowie gemäss deren nationalem Recht134 (Ziff. 1). Die Artikel 26 bis 31 Ü gelangen subsidiär erst dann zur Anwendung, wenn zwischen den betreffenden Vertragsparteien keine internationalen Rechtshilfeinstrumente oder Vereinbarungen bestehen (Ziff. 2). Damit soll für diejenigen Vertragsparteien eine gesetzliche Grundlage für die Zusammenarbeit geschaffen werden, die sonst mangels eines internationalen Übereinkommens oder Vertrags nicht in der Lage wären zusammenzuarbeiten135. Für die Schweiz als ersuchte Vertragspartei ist Absatz 2 nicht relevant. Mit dem Rechtshilfegesetz136 verfügt sie nämlich über eine genügende rechtliche Grundlage, um auch ohne internationale Übereinkommen oder Verträge auf dem Gebiet der Korruption mit anderen Staaten zusammenarbeiten zu können.

Im Interesse einer möglichst weit gehenden und effizienten Kooperation sieht Ziffer 3 eine Ausnahme vom Subsidiaritätsgrundsatz vor: Auch bei Bestehen einschlägiger Instrumente oder Vereinbarungen gelangen die Artikel 26­31 Ü dann zur Anwendung, wenn sie für die internationale Zusammenarbeit günstiger sind, indem sie diese erleichtern, beschleunigen oder eine bestimmte Form der Zusammenarbeit überhaupt erst ermöglichen.

134

Die ebenfalls erwähnten «auf der Grundlage gleichförmiger oder gegenseitiger Rechtsvorschriften getroffenen Vereinbarungen» beziehen sich vor allem auf zwischen den nordischen Staaten entwickelte Systeme der Zusammenarbeit. Für die Schweiz sind sie nicht von Bedeutung.

135 In diesem Zusammenhang ist u.a. zu berücksichtigen, dass es sich beim vorliegenden Übereinkommen um ein sog. «offenes Übereinkommen» handelt, dem auch Staaten beitreten können, die nicht Mitglied des Europarats sind. Diese Staaten sind nicht zwangsläufig auch den Grundübereinkommen des Europarats im Bereich der Rechtshilfe wie etwa dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.1) oder dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen (SR 0.353.1) beigetreten. Unter Umständen würden sie daher über keine rechtliche Grundlage für eine Zusammenarbeit verfügen.

136 Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG; SR 351.1).

7029

2.3.2

Rechtshilfe (Art. 26 Ü)

2.3.2.1

Vorgaben

Artikel 26 Ziffer 1 Ü wiederholt die in Artikel 25 Ü statuierte Verpflichtung der grösstmöglichen Kooperation für den Bereich der akzessorischen Rechtshilfe. Die von den zuständigen Behörden gestellten Ersuchen sind dabei umgehend zu behandeln. Damit soll der Gefahr entgegengewirkt werden, dass Verzögerungen eine Untersuchung behindern oder gar den Untersuchungszweck gefährden. Ein ähnliches Gebot der raschen Erledigung findet sich in Artikel 17a IRSG137.

Ziffer 2 führt die Gründe, die eine Ablehnung der Zusammenarbeit nach sich ziehen können, auf. Es handelt sich um die klassischen Verweigerungsgründe der wesentlichen Interessen, der nationalen Souveränität, der Sicherheit sowie des Ordre public einer Vertragspartei. Im Interesse einer möglichst weit gehenden Zusammenarbeit sind die Verweigerungsgründe fakultativ ausgestaltet. Nicht aufgeführt ist demgegenüber der Verweigerungsgrund des politischen Delikts, welcher mit der Anbringung eines spezifischen Vorbehaltes gesichert werden müsste138.

Wie bereits andernorts in ähnlicher Form vorgesehen139, stellt die Berufung auf das Bankgeheimnis gemäss Ziffer 3 keinen zulässigen Grund für die Ablehnung der Rechtshilfe dar. Für die Schweiz ergeben sich hieraus keine neuen Verpflichtungen: Sind rechtshilfefähige Straftatbestände betroffen, ist das kein absolutes Recht verkörpernde Bankgeheimnis bereits heute kein Hindernis für die Zusammenarbeit140.

Falls im jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgeschrieben, kann jede Vertragspartei verlangen, dass ein zur Lüftung des Bankgeheimnisses führendes Rechtshilfegesuch von einer Strafjustizbehörde genehmigt wird.

2.3.2.2

Vereinbarkeit mit dem schweizerischen Recht

Artikel 26 Ü ist mit dem schweizerischen Recht ohne weiteres vereinbar. Ziffer 2 sieht zwar den Verweigerungsgrund des politischen Delikts nicht vor, dies im Gegensatz zur Regelung im IRSG, wonach als Grundsatz die politischen Delikte ausdrücklich von der Zusammenarbeit ausgenommen sind141.

Dennoch ist die Konvention auch in diesem Punkt mit dem internen schweizerischen Recht kompatibel, da Artikel 1 IRSG anders lautende internationale Vereinbarungen vorbehält. Es ist dies nicht das erste Mal, dass der Vorbehalt des politischen Delikts

137 138 139

140

141

Gemäss Art. 17a IRSG erledigt die zuständige Behörde die Ersuchen beförderlich; sie entscheidet ohne Verzug.

Gemäss Art. 37 Ziff. 3 Ü. Zur Frage der Erforderlichkeit eines Vorbehalts sogleich nachfolgend Ziffer 2.3.2.2.

Vgl. u.a. Art. 18 Ziff. 7 des Übereinkommens über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten (SR 0.311.53) oder Art. 9 Ziff. 3 des OECD-Übereinkommens vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (SR 0.311.21).

Vgl. in diesem Zusammenhang Art. 47 des Bankengesetzes; SR 952.0, dessen Abs. 4 die Bestimmungen der eidgenössischen und der kantonalen Gesetzgebung betreffend Zeugnis- und Auskunftspflicht gegenüber Behörden ausdrücklich vorbehält.

Vgl. Art. 3 Abs. 1 IRSG.

7030

bei einem Übereinkommen des Europarats eingeschränkt wird beziehungsweise unter bestimmten Voraussetzungen wegfällt142.

Der Verzicht auf einen Vorbehalt i.S. von Artikel 37 Ziffer 3 Ü dürfte ohnehin keine praktischen Auswirkungen haben. Bereits heute gelten gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts die aktive und die passive Bestechung als solche nicht als politische Delikte; dies, obwohl sie sich häufig in einem politischen Umfeld abspielen143.

Darum wird in solchen Fällen der Vollzug eines Rechtshilfeersuchens ohnehin nicht verweigert. Dies ergibt sich im Übrigen bereits aus dem schweizerischen Verständnis des relativen politischen Delikts144, welches vorliegend mangels Definition des politischen Delikts im Übereinkommen selber herangezogen werden kann. Die Anforderungen für die Annahme eines relativen politischen Delikts sind so hoch, dass in der Praxis mit dieser Begründung die Rechtshilfe kaum verweigert wird145.

Sollte, was zumindest denkbar wäre, zusammen mit der Rechtshilfe für ein Korruptionsdelikt auch um Rechtshilfe für ein eigentliches politisches Delikt ersucht werden, kann im konkreten Fall die Rechtshilfe für den Tatbestand der Korruption gewährt und mittels Anbringen eines Spezialitätsvorbehalts für das politische Delikt verweigert werden.

Nicht völlig ausgeschlossen werden kann sodann, dass ein ausländisches Verfahren politisch motiviert ist und bloss durchgeführt wird, um eine Person wegen ihrer politischen Anschauungen zu verfolgen oder zu bestrafen oder dass die politischen Anschauungen dieser Person zu einer Erschwerung ihrer Lage führen können. Solche Fälle, gemäss IRSG Ausschlussgründe für die Zusammenarbeit146, verletzen nach der geltenden Rechtsprechung den schweizerischen Ordre public147. Entsprechende Ersuchen könnten daher bereits gemäss Artikel 26 Ziffer 2 Ü unter Berufung auf den Ordre public abgelehnt werden. Wie zudem im Zusammenhang mit der Ausarbeitung dieses Übereinkommens ausdrücklich anerkannt, können allenfalls auch die «wesentlichen Interessen» der ersuchten Vertragspartei, welche ebenso einen fakultativen Verweigerungsgrund gemäss Artikel 26 Ü darstellen, tangiert werden148.

Auf einen Vorbehalt im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer politischen Straftat kann somit verzichtet werden. Dies ist insbesondere auch im Sinne eines Bekenntnisses zu grösstmöglicher Zusammenarbeit im Rahmen des Europarates, wo eine enge Staaten-Kooperation indiziert ist, angezeigt und gerechtfertigt.

142

143 144

145 146 147 148

So wurde der Vorbehalt des politischen Delikts in Bezug auf die Auslieferung eingeschränkt in Art. 1 des Zusatzprotokolls zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen (SR 0.353.11) und in den Art. 1 ff. des Europäischen Terrorismusübereinkommens (SR 0.353.3).

BGE 126 II 316 E. 4b, mit Hinweis.

Eine gemeinrechtliche Straftat wie ein Korruptionsdelikt kann ein relatives politisches Delikt darstellen, wenn sie im konkreten Fall aus einem überwiegend politischen Motiv begangen wurde.

Vgl. in diesem Zusammenhang BGE 128 II 355 E. 4.2, mit Hinweisen.

Art. 2 Bst. b und c IRSG.

Vgl. BGE 126 II 324 E. 4c.

Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn Rücksichten auf die Menschenrechte überwiegen sollten oder wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung ein missbräuchliches Rechtshilfeersuchen gestellt wird, indem die im ersuchenden Staat angehobene Strafverfolgung zu anderen Zwecken als zur Bekämpfung der Korruption missbraucht werden soll; vgl. Erläuternder Bericht zur Konvention, N 125. Einen solchen anderen Zweck kann z.B. die Verfolgung oder Bestrafung einer Person wegen ihrer politischen Anschauungen darstellen.

7031

2.3.3

Auslieferung (Art. 27 Ü)

Artikel 27 Ü enthält Regelungen, um die Auslieferung von Personen, die der Begehung einer unter das Übereinkommen fallenden Straftat verdächtig sind, zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Zu diesem Zweck wird die Auslieferungsfähigkeit der in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Straftatbestände vorgeschrieben: Zum einen sollen diese Straftatbestände für alle zwischen den Vertragsparteien bereits bestehenden oder in Zukunft abzuschliessenden Auslieferungsverträge als auslieferungsfähig gelten (Ziff. 1). Zum andern anerkennen diejenigen Vertragsparteien, welche die Auslieferung nicht vom Bestehen eines Vertrags abhängig machen, die im Übereinkommen aufgeführten Straftatbestände als auslieferungsfähig (Ziff. 3).

Wie bereits bei der Erläuterung von Artikel 19 dargelegt wurde149, ist bei sämtlichen geltenden wie auch bei allen hier neu vorgeschlagenen Bestechungsdelikten die prinzipielle Auslieferungsfähigkeit gegeben150. Neue Verpflichtungen ergeben sich damit für die Schweiz keine.

Vertragsparteien, welche die Auslieferung vom Bestehen eines Vertrags abhängig machen, können das Übereinkommen als Rechtsgrundlage heranziehen, um die Auslieferung auch dann zu ermöglichen, wenn kein Vertrag besteht (Ziff. 2)151. Für die Schweiz als ersuchte Vertragspartei ist diese Bestimmung nicht relevant.

Die Tatsache, dass die unter den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Straftatbestände als auslieferungsfähig erklärt werden, bedeutet nicht, dass die Auslieferung immer, wenn sie verlangt wird, auch bewilligt werden muss. Sie besagt lediglich, dass eine Auslieferung grundsätzlich möglich ist. Mit Bezug auf die Verweigerungsgründe und die weiteren Modalitäten der Auslieferung sind das Recht der ersuchten Vertragspartei sowie die anwendbaren Auslieferungsverträge massgebend (Ziff. 4). Ein Ersuchen kann abgelehnt werden, falls die dort festgelegten Bedingungen nicht erfüllt sind oder ein Verweigerungsgrund gegeben ist. Zu den Voraussetzungen für die Bewilligung einer Auslieferung gehören in der Schweiz auf Grund des IRSG unter anderem die doppelte Strafbarkeit152 sowie die Einhaltung der Garantien, wie sie insbesondere in der Europäischen Menschenrechtskonvention oder im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankert sind153.

Ziffer 5 ist Ausfluss des auf internationaler
Ebene anerkannten Grundsatzes «aut dedere aut iudicare». Verweigert die ersuchte Vertragspartei die Auslieferung einzig auf Grund der Staatsangehörigkeit der auszuliefernden Person154 oder weil sie von ihrer eigenen Gerichtsbarkeit ausgeht, ist sie, vorbehältlich einer anders lautenden 149 150 151 152 153 154

Oben Ziff. 2.2.12.

Art. 35 Abs. 1 Bst. a IRSG verlangt eine Strafandrohung mit einer freiheitsbeschränkenden Sanktion in der Höhe von mindestens einem Jahr.

Dies gilt auch für den Fall, dass ein bestehender Vertrag die Korruptionstatbestände nicht als auslieferungsfähige Straftaten erfasst.

Vgl. Art. 35 Abs. 1 Bst. a IRSG. Das Recht beider Staaten muss die erforderliche Mindeststrafandrohung vorsehen.

Vgl. Art. 2 Bst. a IRSG (mit den entsprechenden Verweisen).

Gemäss Art. 25 Abs. 1 BV dürfen schweizerische Staatsangehörige nur mit ihrem Einverständnis an eine ausländische Behörde ausgeliefert werden. Dementsprechend bestimmt Art. 7 Abs. 1 IRSG, dass für die Auslieferung eines Schweizer Bürgers an einen fremden Staat dessen schriftliche Zustimmung notwendig ist.

7032

Vereinbarung zwischen den Parteien, verpflichtet, ein eigenes Strafverfahren einzuleiten155. Die ersuchende Vertragspartei ist in der Folge vom Ergebnis der Strafverfolgung zu unterrichten.

2.3.4

Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen (Art. 28 Ü)

Unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht Artikel 28 die Übermittlung von Informationen von einer Vertragspartei an eine andere Vertragspartei auch ohne vorgängiges Rechtshilfeersuchen.

Die Bestimmung, die sich an Artikel 10 des Übereinkommens über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten orientiert156, ist von der Erkenntnis getragen, dass ein möglichst frühzeitiger und rascher Informationsaustausch für eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung von grösster Bedeutung ist. Ermöglicht wird ein solcher Informationsaustausch dadurch, dass kriminelles Handeln heutzutage oftmals grenzüberschreitende Elemente aufweist und dadurch der Behörde einer Vertragspartei im Laufe ihrer eigenen Ermittlungen vermehrt Informationen zukommen können, die für die Behörden einer anderen Vertragspartei möglicherweise ebenfalls von Interesse sind.

Die Informationsübermittlung ist fakultativ und hindert die übermittelnde Vertragspartei nicht an eigenen Ermittlungen oder der Einleitung eines eigenen Verfahrens.

In etwas differenzierterer Form sieht Artikel 67a IRSG die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen bereits vor.

2.3.5

Zentralbehörde (Art. 29 Ü)

Im Interesse einer schnellen und korrekten Abwicklung soll der Rechtshilfeverkehr über Zentralbehörden erfolgen. Gemäss Artikel 29 Ü obliegt es den Vertragsparteien, diejenigen Behörden zu bezeichnen, welche in diesem Sinn als Anlaufstelle für die Übermittlung bzw. die Erledigung oder Weiterleitung an die zuständige Behörde zur Erledigung und die Beantwortung von Ersuchen dienen sollen (Ziff. 1). Die Schaffung spezieller neuer Behörden ist dabei nicht erforderlich, sondern es kann auf bereits existierende Strukturen zurückgegriffen werden. In der Systematik des IRSG nimmt in der Schweiz das Bundesamt für Justiz die Aufgaben einer Zentralbehörde wahr. Dementsprechend ist dem Bundesamt diese Aufgabe auch für den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens zuzuweisen. Bezeichnung und Anschrift der Behörde sind dem Generalsekretär des Europarats mitzuteilen (Ziff. 2).

155

Auch ohne eine derartige Bestimmung kann die Schweiz eine Straftat auf Ersuchen des Staates, in welchem sie stattgefunden hat, verfolgen, falls die Auslieferung nicht zulässig ist; sog. «stellvertretende Strafverfolgung» gemäss den Art. 85 ff. IRSG.

156 SR 0.311.53; vermehrt finden sich ähnliche Bestimmungen in multilateralen Übereinkommen, so z.B. Art. 11 des 2. Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen im Sinne einer generellen, auf alle Straftaten anwendbaren Regelung.

7033

2.3.6

Unmittelbarer Schriftverkehr (Art. 30 Ü)

Artikel 30 Ü legt die Regeln für die Übermittlung von Ersuchen und damit zusammenhängenden Mitteilungen fest: Der unmittelbare Verkehr zwischen den Zentralbehörden stellt den Regelfall dar (Ziff. 1). Abweichend davon ist in dringenden Fällen die direkte Übermittlung zwischen den jeweiligen Justizbehörden möglich (Ziff. 2)157. Falls zur Durchführung des Ersuchens keine Zwangsmassnahmen erforderlich sind, kann die zuständige Behörde der ersuchenden Vertragspartei ein solches Ersuchen auch ohne Vorliegen von Dringlichkeit direkt an die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei übermitteln (Ziff. 5)158. Die Übermittlung über Interpol ist ebenfalls möglich (Ziff. 3). Die gemäss Ziffer 2 mit einem Ersuchen befasste Behörde, die sich als unzuständig erweist, hat das Ersuchen an die zuständige Behörde weiterzuleiten; sie informiert die ersuchende Vertragspartei unverzüglich darüber (Ziff. 4).

2.3.7

Information (Art. 31 Ü)

Die ersuchte Vertragspartei trifft gemäss Artikel 31 Ü eine Informationspflicht mit Bezug auf die Behandlung des Rechtshilfeersuchens. Sie hat die ersuchende Vertragspartei umgehend über die getroffenen Massnahmen, das endgültige Ergebnis sowie über alle Umstände, welche die Durchführung der erbetenen Massnahmen verunmöglichen oder erheblich zu verzögern drohen, in Kenntnis zu setzen.

2.4

Überprüfung der Umsetzung des Übereinkommens (Art. 24 Ü)

Die Einführung eines wirksamen Mechanismus zur Sicherstellung der Umsetzung der Antikorruptionsinstrumente in den Mitgliedstaaten bildete von allem Anfang an ein zentrales Element der einschlägigen Arbeiten des Europarates. Wie bereits einleitend erwähnt159, wurde deshalb eine besondere Kommission der Mitgliedstaaten (Groupe d'Etats contre la Corruption, GRECO) eingesetzt, die namentlich auch für die Überprüfung der Umsetzung dieser Konvention zuständig ist.

Für das Inkrafttreten des ­ als so genannter Accord partiel élargi ausgestalteten ­ Statuts GRECO war ein zweistufiger Beschluss notwendig: Mit der Resolution (98)7 des Ministerkomitees vom 4./5. Mai 1998 wurde das Statut zum Beitritt freigegeben.

Zur Konstituierung von GRECO bedurfte es sodann der Anschlusserklärung von mindestens 14 Mitgliedstaaten des Europarates. Nachdem diese Voraussetzung erfüllt war, wurde GRECO am 1. Mai 1999 mit der Resolution (99)5 eingesetzt und nahm im Herbst 1999 seine Tätigkeit auf. Der Kommission gehören mittlerweile 35 Mitgliedstaaten des Europarates sowie die USA an. Mit der Ratifikation der Konvention wird auch die Schweiz automatisch Mitglied von GRECO (vgl. Art. 32 Ziff. 4 Ü).

157

Diesfalls hat die Zentralstelle der ersuchenden Vertragspartei die Zentralstelle der ersuchten Vertragspartei mittels Kopie des Ersuchens oder der Mitteilung zu orientieren.

158 Vgl. hierzu Erläuternder Bericht zur Konvention N 134.

159 Oben 1.2.

7034

Grundziel und Funktion des GRECO, welches seinen Sitz in Strassburg hat, ist die Unterstützung und Stärkung der Korruptionsbekämpfung in den Mitgliedstaaten durch einen dynamischen Prozess von wechselseitigen Länderexamen, welche die 20 Leitprinzipien sowie die rechtlichen Instrumente des Europarates zur Korruptionsbekämpfung zum Gegenstand haben (vgl. Art. 1­3 des Statuts). Gemäss Artikel 6 ff. des Statuts nehmen in der Kommission maximal 2 Vertreter jedes Mitgliedstaates Einsitz. Andere Organe des Europarates (CDPC, CDCJ sowie das statutarische Komitee gemäss Art. 18) nehmen als Beobachter teil. Im Übrigen finden die jährlich ca. vier Plenarsitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Zentrale Aufgabe des GRECO bildet die Durchführung der Länderexamen, die sich wesentlich am Muster der Financial Action Task Force on Money Laundering orientieren (vgl. Art. 10­16 des Statuts): Ausgehend von standardisierten Fragebogen wird die Umsetzung von ausgewählten Teilen der Leitprinzipien, der Konventionen und der einschlägigen Empfehlungen in den Mitgliedstaaten überprüft. Die Evaluationen, die regelmässig auch Besuche vor Ort einschliessen, werden durch Experten aus anderen Mitgliedstaaten vorgenommen. Die resultierenden Berichtsentwürfe werden anschliessend mit den geprüften Ländern bereinigt und schliesslich im Plenum diskutiert. Berichte und allfällige Empfehlungen sind vertraulich, können jedoch mit Einverständnis des geprüften Staates publiziert werden. Als Druckmittel gegen einen renitenten Staat kann unter gewissen Voraussetzungen eine öffentliche Erklärung durch das statutarische Komitee erfolgen.

Die erste Evaluationsrunde des GRECO dauerte bis Ende 2002 und hatte 3 der 20 Leitprinzipien zur Korruptionsbekämpfung zum Gegenstand. Die zweite Evaluationsrunde, welche Anfang 2003 begonnen hat und bis Mitte 2005 dauern soll, umfasst nun neben ausgewählten anderen Leitprinzipien auch Bestimmungen der mittlerweile in Kraft getretenen Strafrechtskonvention (Art. 13, 14, 18, 19 und 23) als Prüfungsgegenstand. Thematisch werden Einziehung und Beschlagnahme, Geldwäscherei sowie Strafbarkeit juristischer Personen bei Korruption, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Bestechungszahlungen sowie Präventionsmassnahmen in der Verwaltung im Vordergrund stehen.

Die Kosten von GRECO werden gemäss Artikel 17
des Statuts durch jährliche Beiträge der Mitgliedstaaten gedeckt. Deren Höhe sowie der Verteilschlüssel ­ der sich am allgemeinen Beitragsschlüssel für die Mitgliedstaaten des Europarates orientiert ­ wird von einem besonderen Aufsichtsorgan, dem statutarischen Komitee, bestimmt (vgl. Art. 18 des Statuts).

2.5

Schlussbestimmungen (Art. 32­42 Ü)

Gemäss Artikel 32 Ü steht der Beitritt nicht nur den Mitgliedstaaten des Europarates offen, sondern auch den Nicht-Mitgliedstaaten, die an der Ausarbeitung des Übereinkommens beteiligt waren (Japan, Kanada, Mexiko, Vatikan, Vereinigte Staaten von Amerika und Weissrussland). Sodann können weitere Nicht-Mitgliedstaaten eingeladen werden, dem Übereinkommen beizutreten (Art. 33 Ü).

7035

Die Konvention ist am 1. Juli 2002 in Kraft getreten, nachdem die dafür erforderlichen 14 Ratifikationen (Art. 32 Ziff. 3 Ü) erfolgt waren. Der Beitritt zur Konvention zieht automatisch den Beitritt zu GRECO (Groupe d'Etats contre la Corruption) nach sich.160 Gemäss Artikel 36 Ü können die Vertragsstaaten beim Beitritt zur Konvention erklären, dass sie die Bestechung von Amtsträgern im Sinne der Artikel 5, 9 und 11 Ü in ihrem innerstaatlichen Recht nur dann bestrafen, wenn das Verhalten des Bestochenen eine Amtspflichtverletzung darstellt. Aus den unter den Ziffern 2.2.1.4 und 2.2.1.6 dargelegten Gründen ist diese Erklärung von der Schweiz bei der Ratifikation anzubringen.

Eine wichtige Besonderheit des Übereinkommens stellt der Numerus clausus von möglichen Vorbehalten in Artikel 37 Ü dar. Zum einen können die Vertragsstaaten nur Vorbehalte zu den in den Artikeln 4­8, 10 und 12 Ü geregelten Straftaten, zur Gerichtsbarkeit gemäss Artikel 17 Ziffer 2 Ü sowie hinsichtlich der Einrede des politischen Delikts bei der Rechtshilfe (Art. 26 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Ü) anbringen.

Zum andern dürfen gesamthaft nicht mehr als fünf verschiedene Vorbehalte angebracht werden.

Wie bereits dargelegt161, sind von der Schweiz zwei Vorbehalte anzubringen: Sie betreffen den Ausschluss der Strafbarkeit der missbräuchlichen Einflussnahme gemäss Artikel 12 Ü sowie Randbereiche der Gerichtsbarkeit (Art. 17 Ziff. 2 Ü).

Diese im Entwurf zum Bundesbeschluss enthaltenen Schweizer Vorbehalte sind dem Generalsekretariat des Europarates anlässlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde bekannt zu geben.

Artikel 38 beschränkt sodann die Geltungsdauer der angebrachten Erklärungen und Vorbehalte auf jeweils drei Jahre. Zur Verlängerung bedarf es einer Notifikation an den Generalsekretär des Europarates.

Die restlichen Schlussbestimmungen des Übereinkommens entsprechen vergleichbaren Vorschriften in anderen Konventionen des Europarates und geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass. Das Übereinkommen kann jederzeit mit einer Frist von drei Monaten durch Notifikation an den Generalsekretär des Europarates gekündigt werden.

2.6

Das Zusatzprotokoll

2.6.1

Begriffsbestimmungen (Art. 1 ZP)

Gemäss Ziffer 1 von Artikel 1 des Zusatzprotokolls (ZP) ist der Begriff des Schiedsrichters nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien auszulegen. Im Sinne eines Mindeststandards enthält indessen das Zusatzprotokoll eine autonome Definition: Demnach ist mit Schiedsrichter eine Person gemeint, die gestützt auf eine Schiedsabrede dazu bestimmt ist, eine rechtlich bindende Entscheidung in einer Streitsache zu fällen, die ihr von den Parteien der Abrede unterbreitet wird. Die Schiedsabrede wiederum wird in Ziffer 2 als vom nationalen Recht anerkannte

160 161

Vgl. dazu im Einzelnen vorne unter 2.4.

Vorne 2.2.5 und 2.2.10.

7036

Vereinbarung umschrieben, in welcher die Parteien übereinkommen, eine Streitsache dem Entscheid eines Schiedsrichters (oder Schiedsgerichts) zu unterbreiten.

Sowohl im aktuellen wie auch im früheren162 Korruptionsstrafrecht sind Schiedsrichter als Tatobjekt bzw. als Täter ausdrücklich erwähnt. Sie werden in der Literatur als private Richter bezeichnet, die von den Parteien zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten eingesetzt werden163. Damit deckt der strafrechtliche Schiedsrichterbegriff des schweizerischen Rechts die autonome Definition des Zusatzprotokolls jedenfalls vollumfänglich ab.

Ziffer 3 sieht auch für den Begriff des Geschworenen neben der Rückverweisung auf das innerstaatliche Recht eine eigenständige Definition vor: Demnach müssen jedenfalls Personen erfasst sein, die als Laien in einem Spruchkörper mitwirken, welcher im Rahmen eines Strafverfahrens über die Schuld einer angeklagten Person befindet.

Der Begriff der richterlichen Behörde in den Korruptionsstrafnormen des Strafgesetzbuches erfasst nicht nur Geschworene im engeren Sinn, sondern beispielsweise auch Laienrichter, die als Mitglieder von Amts- oder Kreisgerichten gemäss der jeweils anwendbaren kantonalen Gerichtsorganisation wirken. Die Anforderungen des Zusatzprotokolls sind damit auch hinsichtlich des Begriffs des Geschworenen erfüllt.

Ziffer 4, welche Artikel 1 Buchstabe c Ü (Begriff des ausländischen Beamten) entspricht164, stellt sicher, dass auch die Begriffe Schiedsrichter und Geschworener in grenzüberschreitenden Bestechungsfällen vom verfolgenden Staat nur insoweit angewandt werden müssen, als sie mit dem nationalen Recht dieses Staates vereinbar sind.

2.6.2

Innerstaatlich zu treffende Massnahmen (Art. 2­6 ZP)

Das Zusatzprotokoll verpflichtet die Vertragsstaaten, die aktive und passive Bestechung von inländischen Schiedsrichtern (Art. 2 und 3 ZP), von Schiedsrichtern anderer Staaten (Art. 4 ZP)165, von inländischen Geschworenen (Art. 5 ZP) sowie von Geschworenen anderer Staaten (Art. 6 ZP) vorzusehen. Die Artikel 4­6 ZP verweisen dabei auf die Umschreibung der Tathandlung in den Artikeln 2 und 3 ZP, welche ihrerseits mit den Artikeln 2 und 3 Ü wörtlich übereinstimmt. Dies hat zur Folge, dass mit Ausnahme der Eigenschaft der bestochenen Person (Schiedsrichter, bzw. Geschworene) keinerlei Unterschiede zu den Vorgaben der Konvention bestehen.

162 163

Die per 1. Mai 2000 aufgehobenen Art. 288, 315 und 316 StGB.

Vgl. z.B. Rolf Kaiser, Die Bestechung von Beamten, Diss. Zürich 1999, S. 99 f. mit weiteren Nachweisen.

164 Vgl. dazu Ziff. 2.1.

165 Massgebend für die Frage, ob es sich um einen ausländischen Schiedsrichter handelt, ist weder dessen Nationalität noch diejenige der involvierten Parteien. Entscheidend ist vielmehr, dass der Schiedsrichter seine Funktion unter dem nationalen Recht eines anderen Staates als dem verfolgenden ausübt, vgl. Erläuternder Bericht zum Zusatzprotokoll N 33.

7037

Entsprechend den zu Artikel 2 Ü gemachten Ausführungen166 sind damit auch die Anforderungen des Zusatzprotokolls, so beispielsweise hinsichtlich Vorteilsbegriff, Vorsatz und Tathandlung, in gleicher Weise vom schweizerischen Strafrecht abgedeckt: Die aktive und passive Bestechung von inländischen Schiedsrichtern und Geschworenen fällt unter die Artikel 322ter/322quinquies bzw. 322quater/ 322sexies StGB167. Die aktive Bestechung von ausländischen Schiedsrichtern und Geschworenen fällt unter den geltenden Artikel 322septies StGB168, während die passive Seite vom neu vorgeschlagenen Artikel 322septies Absatz 2 des Entwurfs erfasst wird169.

Ebenso wie die Bestechungsstrafnormen der Artikel 2­11 Ü werden somit auch die Artikel 2­6 ZP mit Ausnahme eines Randbereichs vollumfänglich von den geltenden bzw. hier neu vorgeschlagenen Korruptionsstrafnormen erfasst. Die Ausnahme betrifft den Fall, wo einem ausländischen Schiedsrichter bzw. Geschworenen für eine rechtmässige, gebundene Amtshandlung ein nicht gebührender Vorteil zukäme170. Allerdings dürfte diese Fallkonstellation bei der Richterbestechung im weiteren Sinn keine praktische Bedeutung haben, da auch bei Schiedsrichtern und Geschworenen durchgehend Amtshandlungen in Frage stehen, die typischerweise Ermessensspielräume eröffnen. Das Zusatzprotokoll sieht in Artikel 9 Ziffer 1 vor, dass ein Vertragsstaat, der gemäss Artikel 36 Ü eine Erklärung abgegeben hat, wonach er Amtsträgerbestechung im Sinne von Artikel 5, 9 oder 11 Ü nur insoweit bestraft, als das Verhalten des Bestochenen eine Pflichtwidrigkeit i.w.S. darstellt, diese Erklärung auch bezüglich der grenzüberschreitenden Schiedsrichter- und Geschworenenbestechung (d.h. zu Art. 4 und 6 ZP) abgeben kann. Trotz der sehr geringen praktischen Relevanz erscheint es daher als sachgerecht, wenn die Schweiz ihre zu Artikel 36 Ü abzugebende Erklärung171 auch zu den Artikeln 4 und 6 ZP anbringt.

2.6.3

Weitere Bestimmungen des Zusatzprotokolls

Gemäss Artikel 7 ZP ist auch die Überwachung der Umsetzung des Zusatzprotokolls Aufgabe von GRECO172.

Artikel 8 ZP bestimmt das Verhältnis zur Konvention. Demnach bilden die Artikel 2­6 ZP zwischen den Vertragsparteien zusätzliche Bestimmungen der Konvention.

Die Konventionsbestimmungen finden ihrerseits so weit auf das Zusatzprotokoll Anwendung, als sie mit dessen Vorschriften kompatibel sind. In der Praxis bedeutet dies, dass beispielsweise die Vorschriften des Übereinkommens über die Zuständigkeit, die Verantwortlichkeit juristischer Personen oder über die internationale Zusammenarbeit auch auf Schiedsrichter- und Geschworenenbestechung Anwendung finden. Umgekehrt wirken sich gemäss Artikel 9 ZP auch die zur Konvention angebrachten Erklärungen und Vorbehalte auf das Zusatzprotokoll aus: Wie bereits vorstehend unter Ziffer 2.6.2 im Einzelnen erläutert, kann die Erklärung gemäss 166 167 168 169 170 171 172

Vgl. oben 2.2.1.1..

Vgl. oben 2.2.1.1 und 2.2.1.2.

Vgl oben 2.2.1.4.

Dazu oben 2.2.2.

Dazu im Einzelnen oben 2.2.1.1 und 2.2.1.4..

Vgl. oben 2.5.

Zu GRECO vgl. Ziff. 2.4.

7038

Artikel 36 Ü auch auf die Artikel 4 und 6 ZP erweitert werden. Mit einer ­ für die Schweiz nicht relevanten ­ Ausnahme173 gelten sodann die zum Übereinkommen angebrachten Vorbehalte automatisch auch für das Zusatzprotokoll, sofern der Vertragsstaat bei dessen Ratifikation nicht eine gegenteilige Erklärung abgibt. Für die Schweiz betrifft dies den Ausschluss der missbräuchlichen Einflussnahme gemäss Artikel 12 Ü sowie Randbereiche der Gerichtsbarkeit gemäss Artikel 17 Ziffer 2 Ü174. Andere, das heisst neue Vorbehalte zum Zusatzprotokoll sind nicht zulässig.

Die übrigen Schlussbestimmungen des Zusatzprotokolls entsprechen denjenigen der Konvention bzw. denjenigen in anderen Instrumenten des Europarates und geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass. Das Zusatzprotokoll muss zum Inkrafttreten von mindestens 5 Vertragsstaaten ratifiziert werden (Art. 10 Ziff. 3 ZP) und ist jederzeit kündbar (Art. 13 ZP).

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Der Beitritt zum Übereinkommen und zum Zusatzprotokoll sowie die innerstaatliche Umsetzung haben nur bescheidene direkte finanzielle Auswirkungen: Wie bereits dargelegt, wird die Schweiz durch den Beitritt zum Übereinkommen automatisch Mitglied von GRECO175. Unser Land wird sich gemäss Beitragsschlüssel durch jährliche Beiträge in der Höhe von ca. 40 000 Franken an den Kosten dieser Kommission zu beteiligen haben176. Die Beschickung der Konferenzen, die Organisation und Durchführung der Länderprüfungen in der Schweiz sowie die Stellung von Experten für Prüfungsmissionen in andere Länder bilden neue Aufgaben, die eine halbe Stelle im EJPD (Bundesamt für Justiz) in Anspruch nehmen werden.

Darüber hinaus hat die Vorlage keine unmittelbaren und auch kaum mittelbare finanzielle oder personelle Auswirkungen. Eine gewisse, durch die verstärkte Bekämpfung der Korruption zu erwartende Mehrbelastung der Strafverfolgungsorgane dürfte in erster Linie die Kantone betreffen177; demgegenüber wird die neu eingeführte Strafbarkeit auch der passiven Bestechung fremder Amtsträger kaum zu einer merklichen Zunahme der Fälle auf Stufe Bund führen, da die Bundesbehörden gestützt auf Artikel 340bis StGB schon heute für die aktive Seite von Auslandbestechungen über eine Verfolgungszuständigkeit verfügen. Allfälliger Zusatzaufwand sollte sich daher ­ jedenfalls mittelfristig ­ mit den bestehenden Ressourcen bewältigen lassen.

173

174 175 176

177

Vorbehalte zu Art. 5 Ü bezüglich Bestrafung der passiven Bestechung von ausländischen Amtsträgern müssen gegebenenfalls explizit auch zur passiven Bestechung von ausländischen Schiedsrichtern und Geschworenen (Art. 4 und 6 ZP) angebracht werden.

Vgl. vorne 2.2.5 und 2.2.10.

Dazu oben 2.4.

Gestützt auf das Budget 2004 von GRECO und den für die Schweiz anwendbaren Beitragssatz von 1,4421 % hätte sich der Beitrag der Schweiz für das Jahr 2004 auf 23 506 Euro belaufen.

Vgl. unten 3.3.

7039

3.2

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Ratifikation sowie die Anpassung des schweizerischen Rechts haben keine direkten volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Immerhin lässt sich erwarten, dass insbesondere die verstärkte Prävention und Repression der Privatbestechung zu einer Verminderung der mit der Bestechung verbundenen volkswirtschaftlichen Schäden beitragen wird.

3.3

Auswirkungen auf die Kantone

Der Beitritt zum Übereinkommen sowie zum Zusatzprotokoll und die Revision der Bestechungsstrafnormen haben auch keine weit reichenden Auswirkungen auf die Kantone. In erster Linie könnte sich eine gewisse Mehrbelastung der kantonalen Strafverfolgungsbehörden durch eine Zunahme der Verfahren wegen Privatbestechung ergeben, für welche kantonale Zuständigkeit besteht. Es ist indessen davon auszugehen, dass sich eine allfällige Geschäftszunahme auch bei den Kantonen mit bestehenden Ressourcen bewältigen lässt.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Das Geschäft ist im Bericht des Bundesrates über die Legislaturplanung 2003­2007 vom 25. Februar 2004 angekündigt178.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses zur Genehmigung des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls beruht auf Artikel 54 Absatz 1 BV, welcher den Bund ermächtigt, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig.

Laut Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV werden internationale Verträge dem fakultativen Referendum unterstellt, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2), wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn ihre Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Übereinkommen und Zusatzprotokoll sind jederzeit kündbar und sehen keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Hingegen verpflichten sich die Vertragsstaaten, dem Mindeststandard der Abkommen landesrechtlich zu entsprechen und dazu gesetzgeberische und andere geeignete Massnahmen zu treffen.

178

BBl 2004 1149 ff., 1202.

7040

Der Beitritt zum vorliegenden Übereinkommen und Zusatzprotokoll bedingt Anpassungen des Strafgesetzbuches sowie des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Der Genehmigungsbeschluss ist deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

5.2

Verhältnis zum europäischen Recht

Nachdem bis heute 30 Mitgliedstaaten des Europarates dem Übereinkommen beigetreten sind, hat sich die durch die Konvention initiierte Harmonisierung der strafrechtlichen Erfassung der verschiedenen Formen der Amtsträger- und Privatbestechung in Europa bereits zu einem beachtlichen Teil verwirklicht. Insbesondere kann, gestützt auf die Erklärung bzw. Nicht-Erklärung von entsprechenden Vorbehalten zur Konvention davon ausgegangen werden, dass mindestens 24 Vertragsstaaten die hier neu vorgeschlagene Bestrafung der passiven Bestechung von ausländischen und internationalen Amtsträgern und der passiven Privatbestechung in ihrem innerstaatlichen Recht vorsehen.

Zu erwähnen ist sodann, dass in den letzten Jahren auch die Europäische Union zur Bekämpfung der Korruption auf internationaler Ebene beigetragen hat. So hat der Rat am 27. September 1996 ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften verabschiedet179, welches die zum Nachteil dieser Interessen begangene passive Bestechung von Beamten der EU und ihrer Mitgliedstaaten erfasst und die dafür vorzusehenden Sanktionen harmonisiert. Ein zweites Zusatzprotokoll zu demselben Übereinkommen wurde am 19. Juni 1997 verabschiedet180. Es führt die Verantwortlichkeit des Unternehmens für die aktive Bestechung in gleicher Weise ein, wie sie in Artikel 18 der Strafrechtskonvention des Europarates vorgesehen ist.

Weiter hat der Rat am 26. Mai 1997 das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der EG oder der Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind, genehmigt181. Diese Konvention hält die Mitgliedstaaten dazu an, die aktive und passive Bestechung von nationalen Beamten, Beamten anderer Mitgliedstaaten sowie von Gemeinschaftsbeamten der verschiedenen Institutionen der EG unter Strafe zu stellen. Das Übereinkommen enthält weiter Vorschriften über die Zusammenarbeit und die Rechtshilfe.

Schliesslich hat der Rat am 22. Juli 2003 einen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor182 angenommen, welcher die Bestrafung natürlicher und juristischer Personen für aktive und passive Privatbestechung entsprechend den Definitionen im Strafrechtsübereinkommen des Europarates vorsieht.

179 180 181 182

Amtsblatt Nr. C 313 vom 23.10.1996, S. 2 ff.

Amtsblatt Nr. C 221 vom 19.7.1997, S. 12 ff.

Amtsblatt Nr. C 195 vom 25.6.1997, S. 2 ff.

Amtsblatt Nr. L 192 vom 31.7.2003, S. 54 ff.

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