99.096 Botschaft betreffend das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen des Europarates vom 5. Mai 1989 vom 6. Dezember 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen des Europarates vom 5. Mai 1989 mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. Dezember 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

10762

Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-6217

1291

Übersicht Das Übereinkommen des Europarates über das grenzüberschreitende Fernsehen ist am 5. Mai 1989 durch die Schweiz unterzeichnet worden. Es soll die Freiheit des Fernsehempfangs und der Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen in den Vertragsstaaten garantieren.

Die Europäische Union hat im Jahr 1998 ihre Fernsehrichtlinie, welche die Modalitäten der grenzüberschreitenden Verbreitung von Fernsehprogrammen innerhalb des europäischen Binnenmarktes regelt, revidiert. Diese Tatsache hat den Europarat bewogen, eine entsprechende Anpassung des Übereinkommens vorzunehmen.

Das Ministerkomitee des Europarates hat am 9. September 1998 das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens genehmigt, welches am 1. Oktober 1998 für die Unterzeichnung freigegeben worden ist. Die Schweiz hat im August 1999 die vorläufige Anwendbarkeit des Vertragswerkes erklärt.

Die Änderungen des Übereinkommens umfassen insbesondere folgende Aspekte: ­

Der Begriff der sendenden Vertragspartei wird neu definiert.

­

Die Auslagerung der Veranstaltertätigkeit in eine andere Vertragspartei zwecks Umgehung der Rechtsordnung des Ursprungslandes wird als Rechtsmissbrauch qualifiziert.

­

Der Zugang der Allgemeinheit zu Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung soll gewährleistet werden. Die Vertragsparteien erstellen eine Liste mit schützenswerten Ereignissen.

­

Reine Eigenwerbe- und Teleshoppingprogramme werden neu im Übereinkommen geregelt.

­

Die Revision des Übereinkommens erfolgt neu im Rahmen eines sogenannten «Opting-out-Verfahrens».

­

Die zweijährige Wartezeit für die Verbreitung von Kinofilmen am Fernsehen wird fallengelassen.

Es ist vorgesehen, das Protokoll spätestens am 1. Oktober 2000 in Kraft treten zu lassen; es sei denn, ein Mitgliedstaat des Europarates erhebe dagegen einen Einwand.

1292

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Entstehungsgeschichte

Der zunehmende Einsatz von Satelliten für die Verbreitung von Fernsehprogrammen zu Beginn der achtziger Jahre steigerte die Bedeutung des grenzüberschreitenden Fernsehens. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich eine internationale Konkurrenz zwischen den Fernsehprogrammen der verschiedenen Staaten abzeichnete, verabschiedete das Ministerkomitee des Europarates verschiedene Empfehlungen. Es sind dies insbesondere: ­

Empfehlung Nr. R (84) 3 vom 23. Februar 1984 betreffend die Prinzipien der Fernsehwerbung,

­

Empfehlung Nr. R (84) 22 vom 7. Dezember 1984 betreffend die Benützung von Satellitenkapazitäten für Fernsehen und Radio,

­

Empfehlung Nr. R (86) 2 vom 14. Februar 1986 betreffend die Grundsätze in Fragen des Urheberrechtes bei Satelliten- und Kabelfernsehen,

­

Empfehlung Nr. R (86) 3 vom 14. Februar 1986 betreffend die Förderung der audiovisuellen Produktion in Europa.

Anlässlich der Ersten Europäischen Ministerkonferenz über Massenmedienpolitik am 9./10. Oktober 1986 in Wien wurde eine Schlusserklärung über die Zukunft der Massenmedien in Europa verabschiedet. Darin wird festgehalten, dass im Rahmen des Europarates der Ausarbeitung eines juristisch verbindlichen Instrumentariums zu wesentlichen Fragen des grenzüberschreitenden Rundfunks höchste Priorität einzuräumen sei. Das Ministerkomitee des Europarates wurde aufgefordert, Wege für die Verhinderung bzw. Beilegung von Streitigkeiten auf diesem Gebiet aufzuzeigen.

Aufgrund dieser Erklärung beauftragte das Ministerkomitee des Europarates im Januar 1987 den Lenkungsausschuss für Massenmedien (CDMM), raschmöglichst eine juristisch verbindliche Grundlage mit den wichtigsten Grundsätzen zum grenzüberschreitenden Rundfunk in Europa auszuarbeiten. Der Lenkungsausschuss sollte sich bei seiner Arbeit auf die bereits bestehenden Empfehlungen stützen.

Das Ministerkomitee des Europarates genehmigte das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen am 15. März 1989. Das Vertragswerk wurde am 5. Mai 1989 für die Unterzeichnung freigegeben. Die Unterzeichnung durch die Schweiz erfolgte am 5. Mai 1989.

1.1.2

Grundzüge des Übereinkommens

Das Vertragswerk zielt in erster Linie darauf ab, den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen und Gedanken zu ermöglichen und zu fördern. Die Freiheit des Empfangs und der Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen in den Vertragsstaaten wird garantiert, sofern die Programme bestimmten inhaltlichen Mindestansprüchen genügen. Die Normen des Übereinkommens beschränken sich auf 1293

diejenigen Punkte, welche anlässlich der Ersten Ministerkonferenz über Massenmedienpolitik als wesentlich erachtetet wurden und sich auf Grundwerte stützen, die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind (z. B. die Förderung von Ideen- und Meinungspluralismus und die kulturelle Entfaltung der Völker), nämlich: ­

Schutz von Individualrechten (z. B. das Recht auf Gegendarstellung),

­

Verantwortung der Rundfunkveranstalter,

­

kulturelle Ziele,

­

den Zugang der Fernsehzuschauer zu bedeutenden Ereignissen,

­

inhaltliche Mindeststandards (z. B. Jugendschutz, Gewalt, Werbung und Sponsoring).

Im Vordergrund stehen Regeln, welche die Verbreitung grenzüberschreitender Programme grundsätzlich fördern sollen. Das Übereinkommen verzichtet dagegen auf eine umfassende Regulierung der Fernsehtätigkeit in den Vertragsstaaten. So behandelt das Vertragswerk unter anderem die Frage der Konzessionierung von Rundfunkveranstaltern nicht. Im übrigen sind die Vertragsstaaten frei, im Rahmen ihrer eigenen politischen, juristischen, kulturellen und sozialen Traditionen für eigene Fernsehveranstalter detailliertere und strengere Regeln vorzusehen.

Angesichts der Ziele des Übereinkommens ist dieses so gestaltet, dass ihm auch Nichtmitglieder des Europarates, so beispielsweise die Europäische Union, beitreten können.

1.2

Revision des Übereinkommens

Die EU-Fernsehrichtlinie1 verfolgt auf EU-Ebene eine analoge Zielrichtung wie das Europaratsübereinkommen. Die kürzlich erfolgte Revision der Richtlinie schaffte im europäischen Raum zweierlei Recht. Vor diesem Hintergrund hielt es der Europarat für unerlässlich, das Übereinkommen entsprechend anzupassen. Er ging davon aus, dass zwei unterschiedliche Regelwerke in Europa mit gleichem Normierungsgegenstand aber unterschiedlichen Lösungen mit erheblichen Nachteilen verbunden sind. Die Vermeidung einer Diskrepanz zwischen den beiden Regelwerken ist insbesondere für die EU-Mitgliedstaaten von grosser Bedeutung, da diese Staaten andernfalls gleichzeitig zwei inhaltlich verschiedene Rechtstexte ­ mit u. U. widersprüchlichen Normen ­ anwenden müssten. Im EU-Raum hätte einerseits die revidierte Fernsehrichtlinie Geltung, andererseits müssten die EU-Mitgliedstaaten gegenüber Nicht-EU-Staaten das bestehende Übereinkommen des Europarates anwenden. Widersprüche zwischen dem EU-Recht und dem Europarats-Übereinkommen wären für die EU-Staaten kaum lösbar und würden möglicherweise zu einer Kündigung des Übereinkommens führen. Die Konsequenzen einer solchen Entwicklung für die Schweiz wird weiter unten aufgezeigt (Ziff. 2.4).

Nebst europapolitischen Überlegungen haben auch technische und medienpolitische Entwicklungen einen Revisionsbedarf begründet. Auf Einzelheiten wird später einzugehen sein (Ziff. 2.1.2).

1

Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit vom 3. Oktober 1989

1294

Das Ministerkomitee des Europarates beauftragte 1996 den Ständigen Ausschuss, der im Rahmen des Europarates für die Anwendung des Übereinkommens verantwortlich ist, mit den Revisionsarbeiten. Der Ständige Ausschuss brachte unter schweizerischer Präsidentschaft das Übereinkommen mit den revidierten Normen der Fernsehrichtlinie der EU in Einklang und schloss die Revisionsarbeiten am 17. April 1998 ab. An seiner Sitzung vom 9. September 1998 genehmigte das Ministerkomitee des Europarates das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens. Das Protokoll wurde am 1. Oktober 1998 für die Unterzeichnung freigegeben. Die Schweiz hat im September 1999 die vorläufige Anwendbarkeit des Protokolls erklärt.

2

Besonderer Teil

2.1

Inhalt des Protokolls zur Änderung des Übereinkommens

2.1.1

Überblick

Anlässlich der Revisionsarbeiten behandelte der Ständige Ausschuss verschiedene Problemkreise. Das Protokoll umfasst folgende Teile: ­

Präambel,

­

Artikel 1­33 regeln die neuen Bestimmungen des Übereinkommens, auf die später im Einzelnen eingegangen wird (Ziff. 2.1.2),

­

Artikel 34­36 regeln die Verfahrensgrundsätze betreffend die Annahme des Protokolls,

­

Anhang mit dem Erläuterungsbericht zum Protokoll.

Im Folgenden werden nur die im Protokoll enthaltenen materiellen Änderungen erläutert. Auf die im Rahmen der Revision notwendig gewordenen redaktionellen Anpassungen wird nicht eingegangen.

2.1.2

Einzelne Bestimmungen

2.1.2.1

Begriffe

2.1.2.1.1

Teleshopping

Die Verkaufssendungen (Teleshopping) werden im revidierten Übereinkommen nicht mehr als eine Unterform der Werbung, sondern als eigene Kategorie behandelt.

Im Sinne des Übereinkommens beinhaltet Teleshopping Sendungen mit direkten Angeboten an die Allgemeinheit für den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschliesslich unbeweglicher Sachen, Rechten und Verpflichtungen, gegen Entgelt.

1295

2.1.2.1.2

Eigenwerbung

Die Definition der Werbung in Artikel 2 Buchstabe f des Übereinkommens umfasst neu ebenfalls die Eigenwerbung. Aussagen, die sich nur auf das Programm oder eigene Programmbestandteile beziehen und die das Ziel verfolgen, das Publikum zum Betrachten dieser Sendungen zu bewegen (also reine Progrmamhinweise), gelten nach wie vor nicht als Eigenwerbung bzw. Werbung. Sie unterliegen daher weiterhin keiner Beschränkung und müssen vom redaktionellen Teil des Programms nicht abgetrennt werden. Entfaltet eine Aussage aber eine kommerzielle Wirkung zu Gunsten des Programmveranstalters oder eines Dritten, gilt diese Aussage als Eigenwerbung im Sinne des Übereinkommens und somit als Werbung. Als Werbung angesehen werden daher auch Programmbestandteile, die darauf ausgerichtet sind, Produkte und Dienstleistungen des Programmveranstalters zu fördern (Merchandising), sei dies mit oder ohne Mitwirkung von Dritten.

2.1.2.2

Bestimmung der sendenden Vertragspartei (Art. 5 des Übereinkommens)

Damit die einzelnen Fernsehveranstalter in Pflicht genommen werden können und das Übereinkommen durchsetzbar wird, muss die Frage der Zuständigkeit der Vertragsstaaten klar geregelt werden.

Nach Artikel 5 des Übereinkommens sorgt jede sendende Vertragspartei dafür, dass alle grenzüberschreitenden Programme, die durch Rundfunkveranstalter unter ihrer Rechtshoheit verbreitet werden, den Bestimmungen des Übereinkommens entsprechen. Der Sendestaat ist somit in erster Linie für die Durchsetzung des Übereinkommens zuständig.

Bisher folgte das Übereinkommen bei der Bestimmung des Sendestaates verbreitungstechnischen Kriterien und erklärte denjenigen Staat als zuständig, aus dem das Signal in den Äther oder auf den Satelliten geschickt wird. Ausschlaggebend ist neu der Ort der Niederlassung des Rundfunkveranstalters. Für die Bestimmung des Ortes der Niederlassung gelten folgende Grundsätze: Ein Veranstalter gilt dort als niedergelassen, wo er seinen tatsächlichen Sitz hat und die Entscheidungen bezüglich der Programmgestaltung trifft. Hat der Veranstalter seinen Sitz in der einen, trifft er aber seine Entscheidungen bezüglich der Programmgestaltung in einer anderen Vertragspartei, so gilt er dort als niedergelassen, wo ein wesentlicher Teil der im Fernsehbereich Beschäftigten tätig ist. Ist ein wesentlicher Teil der Beschäftigten in beiden Vertragsparteien tätig, ist für die Bestimmung der Niederlassung der tatsächliche Sitz massgebend. Artikel 5 Absatz 3 des Übereinkommens regelt schliesslich noch weitere Spezialfälle.

Wird ein Sachverhalt durch die erwähnten Grundsätze nicht erfasst, greift subsidiär Artikel 5 Absatz 4, der technische Kriterien heranzieht. Danach untersteht ein Rundfunkveranstalter dem Hoheitsbereich einer Vertragspartei, wenn er eine Frequenz dieses Staates nutzt. Ist dies nicht der Fall, ist diejenige Vertragspartei zuständig, welche dem Veranstalter eine Satellitenkapazität zur Verfügung stellt. Trifft auch dies nicht zu, liegt die Zuständigkeit im Vertragsstaat, wo der Veranstalter sein Sendesignal zu einem Satelliten hochschickt (Uplink).

1296

2.1.2.3

Zugang der Allgemeinheit zu Ereignissen von erheblicher Bedeutung (Art. 9 und 9a des Übereinkommens)

Die Fragen des Rechts auf Information und der Exklusivrechte im Zusammenhang mit Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung wurden bereits Ende der 80er Jahre im Europarat diskutiert. Als Resultat dieser Diskussionen entstand Artikel 9 des Übereinkommens und die Empfehlung Nr. R (91) 5 über das Recht auf Auszüge von wichtigen Ereignissen, die Gegenstand der Exklusivrechte von Fernsehübertragungen in einem grenzüberschreitenden Kontext sind (Kurzberichterstattungsrecht).

Seit dieser Zeit wurde die Frage der Exklusivrechte in Europa immer bedeutender.

Der Ständige Ausschuss stellte fest, dass es in der Tat Fälle gab, wo dem Publikum in gewissen Vertragsstaaten Bilder über bedeutende Ereignisse vorenthalten worden waren.

Weiter stellte der Ständige Ausschuss fest, dass in letzter Zeit die Tendenz zunimmt, dass Pay-TV-Veranstalter Exklusivrechte erwerben. Dies hat zur Konsequenz, dass gewisse Ereignisse ­ insbesondere Sport- und Kulturveranstaltungen ­ nicht mehr über ein frei zugängliches Fernsehprogramm ausgestrahlt werden können. Der Zugang der Allgemeinheit zu solchen Informationen soll im revidierten Übereinkommen durch eine besondere Schutzbestimmung in Artikel 9a gewährleistet werden. Dem Problem wird wie folgt Rechnung getragen: Analog zur Fernsehrichtlinie der Europäischen Union wird jeder Vertragsstaat eine Liste von Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung ­ z. B. Sportoder Kulturveranstaltungen ­ erstellen können, welche der ganzen Bevölkerung des betreffenden Landes zugänglich sein sollen. Die auf dieser Liste aufgeführten Anlässe dürfen nicht exklusiv über ein Pay-TV verbreitet werden, sondern müssen ebenfalls über ein frei zugängliches Fernsehprogramm ausgestrahlt werden können. Die Listen können periodisch geändert und ergänzt werden. Jeder Vertragsstaat ist gehalten, die Listen der anderen Vertragsstaaten anzuerkennen und zu respektieren, damit Umgehungen ausgeschlossen sind.

2.1.2.4

Kinofilme (Art. 10 Abs. 4 des Übereinkommens)

Das Übereinkommen sah bis heute vor, dass die Erstausstrahlung von Kinofilmen am Fernsehen nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach deren Erstaufführung im Kino erfolgen durfte. Diese zweijährige Wartezeit wird nun fallengelassen. Massgebend bleiben ausschliesslich die Verträge zwischen den Inhabern der Rechte an kinematografischen Werken und den Fernsehveranstaltern.

Damit sollen die Inhaber der entsprechenden Rechte die Fristen für die Erstverbreitung der Kinofilme vertraglich selber bestimmen können. Tatsächlich können die Interessen der Rechteinhaber betreffend die Frist der Erstausstrahlung unterschiedlich sein. Der Verkauf der Rechte an einen Pay-TV-Veranstalter könnte möglicherweise früher angestrebt werden, als derjenige an einen Veranstalter mit einem frei empfangbaren Programm. Den Rechteinhabern wie auch den Fernsehveranstaltern wird mit der neuen Regelung mehr Handlungsspielraum gewährt.

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2.1.2.5

Medienvielfalt (Art. 10a des Übereinkommens)

Die Erklärung des Ministerkomitees des Europarates vom 29. April 1982 betreffend die Meinungsäusserungsfreiheit und die Freiheit auf Information weist bereits auf die Wichtigkeit der Medienvielfalt hin. Artikel 10a des Übereinkommens soll die generelle Bedeutung der Medienvielfalt unterstreichen und appelliert an die Verantwortung der Vertragsstaaten, dass die Medienvielfalt in Europa nicht gefährdet werden darf.

2.1.2.6

Werbung und Verkaufssendungen (Artikel 11 bis 16 des Übereinkommens)

Der Begriff der Verkaufssendungen (Teleshopping) wurde in Ziffer 2.1.2.11 bereits erläutert.

Die Teleshopping-Fenster innerhalb eines Programms, das nicht einen reinen Verkaufskanal darstellt, müssen eine ununterbrochene Zeitspanne von mindestens fünfzehn Minuten umfassen. Pro Tag sind höchstens acht solcher Fenster zulässig. Ihre gesamte Dauer darf drei Stunden täglich nicht überschreiten. Weiter müssen sie durch optische und akustische Mittel eindeutig als solche erkennbar sein.

Weiter ist darauf hinzuweisen, dass Teleshopping für Medikamente und medizinische Behandlungen generell verboten wird.

2.1.2.7

Sponsoring durch die pharmazeutische Industrie (Art. 18 des Übereinkommens)

Unternehmen im pharmazeutischen oder medizinischen Bereich produzieren regelmässig Produkte, die nicht rezeptpflichtig sind und somit im Fernsehen beworben werden dürfen, wie auch solche, für die ein Werbeverbot besteht. Wegen dieser besonderen Konstellation sieht das Übereinkommen vor, dass solche Unternehmen Sendungen nur sponsern dürfen, falls sie sich dabei auf den Namen und das Erscheinungsbild des Unternehmens beschränken und für spezifische Medikamente oder medizinische Behandlungen, die in der sendenden Vertragspartei nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind, nicht werben. Zum Schutz des Publikums soll verhindert werden, dass die pharmazeutische Industrie das für das Sponsoring ebenfalls geltende Werbeverbot für rezeptpflichtige Medikamente und medizinische Behandlungen (Art. 15 Abs. 3 des Übereinkommens) umgeht.

2.1.2.8

Reine Eigenwerbeprogramme (Art. 18a des Übereinkommens)

Seit kurzem ist feststellbar, dass Firmen TV-Angebote veranstalten, die ausschliesslich der Eigenwerbung und der Promotion ihrer Produkte dienen. Da die Entwicklung solcher Programme und deren Auswirkung auf die Medienlandschaft heute kaum absehbar sind, werden entsprechende Angebote ebenfalls dem Übereinkommen unterworfen.

Der Begriff der Eigenwerbung wurde in Ziffer 2.1.2.12 erläutert.

1298

2.1.2.9

Reine Teleshoppingprogramme (Art. 18b des Übereinkommens)

Neu fallen reine Verkaufssendungskanäle (Teleshopping) ebenfalls in den Geltungsbereich des Übereinkommens. Die bereits bestehenden Regelungen über die Werbung werden analog auf solche Angebote ausgedehnt. So dürfen beispielsweise Produkte, für die ein Werbeverbot besteht, in Verkaufssendungen nicht angepriesen werden.

Mit dieser neuen Regelung dürfen die im Ausland zugelassenen Verkaufskanäle in der Schweiz ins Kabelnetz eingespeist werden. Allerdings können solche Programme in der Schweiz gemäss geltendem Recht weiterhin nicht konzessioniert werden, da sie die Konzessionsvoraussetzungen gemäss Artikel 11 des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) nicht erfüllen.

2.1.2.10

Neue Revisionsmodalitäten (Art. 23 des Übereinkommens)

Für die Revision des Übereinkommens wird die Möglichkeit eines sogenannten Opting-Out-Verfahrens nach folgendem Muster eingeführt: Das Ministerkomitee des Europarates kann beschliessen, dass eine Änderung des Übereinkommens zwei Jahre nachdem sie zur Annahme vorgelegt wurde, automatisch in Kraft tritt. Ein Mitgliedstaat kann das Inkrafttreten verhindern, indem er dem Europarat während der zweijährigen Frist einen Einwand gegen das Inkrafttreten notifiziert. In einem solchen Falle tritt die Änderung erst in Kraft, wenn die Vertragspartei, die den Einwand notifiziert hat, ihre Annahmeurkunde hinterlegt.

Das Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen ist die erste Konvention des Europarates, welche ein solches Verfahren vorsieht. Die Einführung des Opting-out wurde gewählt, um eine grösstmögliche Flexibilität für zukünftige Revisionen zu gewährleisten. Es soll verhindert werden, dass die EU ihre Fernsehrichtlinie ändert, ohne dass das Übereinkommen innert nützlicher Frist ebenfalls angepasst werden könnte.

Das Opting-out-Verfahren ist mit dem innerstaatlichen Genehmigungsverfahren für völkerrechtliche Verträge vereinbar. Innerhalb der Frist von zwei Jahren kann das vorgesehene Verfahren durchlaufen werden. Sollte innert Frist keine Genehmigung oder ein negativer Entscheid zustande kommen, können die schweizerischen Interessen mittels Notifikation eines Einwandes gewahrt werden. Der Bundesrat ist zuständig solche Einsprachen zu formulieren.

2.1.2.11

Rechtsmissbrauch (Art. 24a des Übereinkommens)

Nach zähen Verhandlungen hat sich der Ständige Ausschuss dazu durchgerungen, eine Regelung betreffend missbräuchliche Berufung auf das Übereinkommen in die Konvention aufzunehmen. Materiell ist der Ständige Ausschuss dabei den Grundsätzen gefolgt, wie sie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entwickelt hat. Neu wird das Verhalten eines Veranstalters, der seine Tätigkeit in einen anderen Vertragsstaat verlegt, um sein Programm ins Ursprungsland auszustrahlen und um sich durch die Verlegung den Rechtsnormen dieses Landes zu entziehen, als 1299

rechtsmissbräuchlich angesehen. Das Übereinkommen regelt ferner ein Verfahren zur Behandlung behaupteter Rechtsmissbräuche (Art. 24a).

Die Schweiz hat sich während der Verhandlungen sehr für die Aufnahme der entsprechenden Bestimmungen eingesetzt. Allerdings hat sich der Ständige Ausschuss für eine weniger strikte Formulierung entschieden, als dies von der Schweiz gewünscht wurde. Mit der neuen Bestimmung wird es der Schweiz weiterhin nicht möglich sein, auf sie gerichtete Werbe- und ­ je nach Konstellation ­ auch Programmfenster ausländischer Veranstalter zu verhindern, da bei solchen Angeboten eine eigentliche Verlegung der Sendetätigkeit regelmässig fehlt. Trotzdem ist die Annahme des neuen Artikels 24a als Kompromiss zu begrüssen.

2.2

Verhältnis des revidierten Übereinkommens zum schweizerischen Recht

2.2.1

Überblick

Das bestehende Radio- und Fernsehgesetz vom 21. Juni 1991 (RTVG, SR 784.40) und die Radio- und Fernsehverordnung vom 6. Oktober 1997 (RTVV, SR 784.401) sind grundsätzlich bereits eurokonform und mit dem Übereinkommen vereinbar.

Dem Artikel 9a des Übereinkommens betreffend die Umsetzung des Listenprinzips (vgl. Ziff. 2.2.2.1) und der neuen Regelung in Artikel 10 Absatz 4 des Übereinkommens betreffend Kinofilme (vgl. Ziff. 2.2.2.2) hat der Bundesrat im Rahmen der vorläufigen Anwendung des Übereinkommens durch eine am 1. August 1999 in Kraft getretene Verordnungsänderung Rechnung getragen.

Die übrigen Änderungen des Übereinkommens rufen nach keiner zwingenden Anpassung des schweizerischen Rechts. So betreffen die Neudefinition des Sendestaates sowie die Regelung des Rechtsmissbrauchs in erster Linie die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den Mitgliedstaaten und haben keinen direkten Einfluss auf die innerstaatliche Ordnung. Ausländische Verkaufskanäle können künftig ohne Rechtsänderung in Kabelnetze eingespeist werden, da das RTVG bei der entsprechenden Regelung im wesentlichen auf das internationale Recht verweist.

2.2.2

Umsetzung der Bestimmungen

2.2.2.1

Listenprinzip

Die Umsetzung des in Artikel 9a des Übereinkommens vorgesehenen Listenprinzips erfolgt auf Verordnungsebene. In Artikel 20a RTVV wird das UVEK beauftragt, eine entsprechende Liste nach Anhörung der interessierten Kreise ­ zu denken ist namentlich an die betroffenen Fernsehveranstalter und die interessierten Verbände ­ zu erstellen. Als gesetzliche Grundlage dazu dient Artikel 7 Absatz 3 RTVG, wonach dem Bundesrat die Kompetenz zukommt, unter bestimmten Voraussetzungen Exklusivverträge einzuschränken oder zu untersagen.

1300

2.2.2.2

Kinofilme

Im Bereich der Kinofilme (Art. 10 des Übereinkommens) war in altArtikel 21 RTVV eine zweijährige Wartezeit für die Verbreitung von Kinofilmen im Fernsehen vorgesehen. Anlässlich der Revision der Verordnung wurde diese Bestimmung fallengelassen. Die schweizerische Regelung entspricht damit dem europäischen Recht.

2.3

Vorläufige Anwendung

Das Protokoll sieht in Artikel 35 Absatz 4 vor, dass ein Vertragsstaat erklären kann, er werde das Protokoll vor seinem Inkrafttreten vorläufig anwenden. Die Schweiz hat bereits bei der Unterzeichnung des Übereinkommens im Jahre 1989 von der Möglichkeit der vorläufigen Anwendbarkeit des Übereinkommens Gebrauch gemacht. Damals war dieses Vorgehen insbesondere mit Blick auf die verschiedenen hängigen Gesuche zur Einspeisung ausländischer Programme in schweizerische Kabelnetze als zweckmässig erachtet worden. Im August 1999 hat der Bundesrat betreffend das vorliegende Protokoll ebenfalls von der Möglichkeit der vorläufigen Anwendung Gebrauch gemacht.

Inwieweit das Übereinkommen vorläufig angewendet werden kann, ist anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens durch das Bundesamt für Justiz und die Direktion für Völkerrecht aus landesrechtlicher Sicht abgeklärt worden (Gutachten vom 10. Februar 1989). Die Gutachter formulieren zwei Voraussetzungen: Die vorläufige Anwendung muss in sachlicher und zeitlicher Hinsicht dringlich sein, und es dürfen keine wesentlichen Abweichungen vom bestehenden Landesrecht auftreten, es sei denn, triftige Gründe sprächen auch in diesem Fall für eine vorläufige Anwendung.

Beide Bedingungen sind erfüllt: Zunächst ist die sofortige Anwendbarkeit des revidierten Übereinkommens für die Schweiz von grosser Wichtigkeit. Auf diesem Wege soll die Zeitspanne verkürzt werden, in der die EU-Staaten auf gleiche Sachverhalte untereinander anderes Recht anwenden (EU-Richtlinie) als dies im Verhältnis zur Schweiz der Fall ist. Darüber hinaus führt die vorläufige Anwendung zu keinen wesentlichen Abweichungen vom geltenden Landesrecht (vgl. oben Ziff. 1.2).

Wie das erwähnte Gutachten darlegt, liegt die Zuständigkeit für die völkerrechtliche Zusicherung der vorläufigen Anwendung eines Staatsvertrages in Anwendung von Artikel 102 Ziffer 8 der Bundesverfassung beim Bundesrat. Würde man diese Kompetenz in die Hand derjenigen Organe legen, die für die ordentliche Ge-nehmigung des Staatsvertrages zuständig sind (Parlament bzw. Volk) so würde die Erklärung der vorläufigen Anwendung zeitlich mit der Genehmigung des Vertrages zusammenfallen. Damit würde der «Überbrückungseffekt», der mit der vorläufigen Anwendung angestrebt wird, regelmässig ausbleiben.

2.4

Bedeutung des Übereinkommens für die Schweiz

Die Schweiz hat während der Revisionsarbeiten den Vorsitz des Ständigen Ausschusses innegehabt und nicht zuletzt dadurch in den intensiven und manchmal schwierigen Verhandlungen eine tragende Rolle gespielt. Das Engagement ist Ausdruck der grossen Bedeutung des Übereinkommens für die Schweiz.

1301

Ins Gewicht fallen zunächst die geografischen Gegebenheiten: Kein Punkt unseres Landes liegt weiter als 80 km von der Grenze entfernt. Dies hat zur Konsequenz, dass einerseits in der Schweiz ausgestrahlte Programme rasch grenzüberschreitenden Charakter annehmen und anderseits das schweizerische Publikum eine grosse Zahl ausländischer Angebote empfangen kann. Diese Phänomene werden verstärkt durch die Satellitentechnologie und die ausgebauten Kabelnetze, die eine Versorgung der Haushalte mit einer grossen Zahl von Fernsehprogrammen ermöglichen.

Ausschlaggebend sind ferner europapolitische Gesichtspunkte: Das Übereinkommen und seine Institutionen stellen für die Schweiz eine Plattform dar, auf welcher die medienpolitischen Anliegen unseres Landes auf europäischer Ebene eingebracht werden können. Tritt die Revision des Übereinkommens nicht in Kraft, bleiben die inhaltlichen Differenzen zwischen seinen Regelungen und der EU-Richtlinie bestehen, was einzelne EU-Mitglieder veranlassen könnte, ihre Mitgliedschaft beim Übereinkommen aufzukündigen. Die Folge bestünde in erster Linie in einem Bedeutungsverlust des Übereinkommens und einer weiteren Verlagerung der Medienpolitik in die Europäische Union. Beide Konsequenzen wären mit Nachteilen für die Schweiz verbunden und sind nicht wünschbar. Kann dagegen das revidierte Übereinkommen in Kraft gesetzt werden, bestehen reale Aussichten, dass auch die EU dem Vertragswerk als Mitglied beitreten wird.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

3.1.1

Auf den Bund

Die Schweiz hat bereits 1989 das Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen des Europarates unterzeichnet. Die Ratifizierung des Protokolls zur Änderung des Übereinkommens bringt keine zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen mit sich.

Das Inkraftsetzen des Protokolls zur Änderung des Übereinkommens wirkt sich auf den Personalbestand des Bundes nicht aus.

3.1.2

Auf die Kantone und Gemeinden

Kantone und Gemeinden sind in keiner Weise vom Vollzug des Übereinkommens betroffen.

4

Legislaturplanung

Das vorliegende Projekt entspricht den Zielsetzungen der Regierungspolitik 1995­ 1999 (BBl 1996 II 293). Es wurde nicht angekündigt, da nicht abzusehen war, wann die Revisionsarbeiten des Übereinkommens abgeschlossen werden konnten.

1302

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das Übereinkommen ist selber bereits europäisches Recht. Allerdings muss das Vertragswerk auch im Zusammenhang mit der Fernsehrichtlinie der Europäischen Union beurteilt werden. Wie bereits in Ziffer 1.2 erklärt, hat das Ministerkomitee des Europarates mit der Genehmigung des Protokolls zur Änderung des Übereinkommens am 9. September 1998 gerade die Kohärenz zwischen der Fernsehrichtlinie und dem Übereinkommen des grenzüberschreitenden Fernsehen des Europarates angestrebt.

Damit wird gewährleistet, dass das Recht der Europäischen Union und das Übereinkommen des Europarates grundsätzlich kompatibel sind. Einer der wenigen Punkte, der in den beiden Rechtstexten unterschiedlich geregelt ist, betrifft den Anteil der Sendezeit zugunsten europäischer Werke (Quotenregelung). Im Rahmen der Fernsehrichtlinie sind die Fernsehveranstalter verpflichtet, einen gewissen Anteil ihrer Sendezeit den Sendungen von europäischen Werken vorzubehalten, während das Übereinkommen in diesem Bereich keine eigentlichen Pflichten begründet. Das Schweizerische Recht sieht ebenfalls keine sogenannte Quotenregelung vor, trotzdem kann festgestellt werden, dass in der Praxis die europäischen Eigenleistungen in einem sehr breiten Umfang berücksichtigt werden.

6

Verfassungsmässigkeit

Der Bundesbeschluss betreffend das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen des Europarates stützt sich auf Artikel 8 (Art. 54 Abs. 1 nBV) der Bundesverfassung, welcher dem Bund die Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen mit dem Ausland gibt. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 85 Ziffer 5; (Art. 166 Abs. 2 nBV) der Bundesverfassung.

Internationale Verträge unterliegen unter anderem dann dem fakultativen Referendum, wenn sie eine multilaterale Rechtsvereinheitlichungen herbeiführen. (Art. 89 Abs. 3 Bst. c, Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 3 nBV). Von einer solchen ist anlässlich der Genehmigung des Übereinkommens im Jahre 1991 zu Recht ausgegangen worden. Gleiches muss somit gelten, wenn das Regelwerk in wesentlichen Punkten materiell geändert wird. Dies führt zum Schluss, dass der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Protokolls zur Änderung des Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen des Europarates vom 5. Mai 1989 dem fakultativen Referendum unterliegt.

1303