zu 01.462 Parlamentarische Initiative Die demokratische Kontrolle sichern Änderung des Finanzhaushaltgesetzes Bericht vom 25. März 2004 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Mai 2004

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, zum Bericht vom 25. März 2004 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates betreffend die Änderung des Finanzhaushaltgesetzes (die demokratische Kontrolle sichern) nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Mai 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-0930

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Im Nachgang zu den Swissair-Krediten hat eine parlamentarische Initiative eine Änderung der Kompetenzen des Bundesrates und der Finanzdelegation für die Bewilligung dringlicher Kredite vorgeschlagen. Diese Kompetenz soll gemäss den Vorstellungen der Initianten neu nur bis zu einem gewissen Betrag gegeben sein.

Die vorberatende Staatspolitische Kommission des Nationalrates hat zu diesem Geschäft einen Bericht ausgearbeitet und mit 24:1 Stimmen beschlossen, die Kompetenz der Finanzdelegation für Vorschüsse auf 250 Millionen zu begrenzen. Dem Bundesrat soll für dringliche Fälle ­ im Gegensatz zum heute geltenden Recht ­ jegliche Zuständigkeit im finanziellen Bereich genommen werden. Dies gilt auch für die bewilligungspflichtigen Kreditüberschreitungen am Jahresende.

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Stellungnahme des Bundesrates

Die Gestaltung der Budgetkompetenzen der Finanzdelegation ist eine Frage, die das Parlament selber betrifft. Der Bundesrat kann sich hier lediglich zur Opportunität des unterbreiteten Vorschlags äussern. Anders verhält es sich bei der vorgesehenen Streichung der Möglichkeit der Gewährung von dringlichen Vorschüssen durch den Bundesrat: Dieser Vorschlag beeinträchtigt unmittelbar die Kompetenzen des Bundesrates.

Der Bundesrat hält einleitend fest, dass sich nach seiner Auffassung die heutige Kompetenzaufteilung zwischen Bundesrat, Finanzdelegation und Bundesversammlung bewährt und mit Ausnahme des Sonderfalles Swissair zu keinen Beanstandungen geführt hat. Es besteht kein zwingender Handlungsbedarf, welcher es rechtfertigen würde, das bestehende Verhältnis zwischen Parlament und Regierung zu ändern.

Die Verlagerung der Kompetenz zur Bewilligung dringlicher Nachträge und Zusatzkredite vom Bundesrat zur Finanzdelegation bedeutet eine Schwächung der institutionellen Stellung des Bundesrates. Dieser wird faktisch zu einem antragstellenden Organ, was seiner verfassungsrechtlichen Stellung als oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes nicht gerecht wird. In dieser Funktion hat der Bundesrat insbesondere im Bereich des dringlichen Finanzrechts staatsleitende Funktionen zu übernehmen.

Bei jeder Änderung der heutigen, insgesamt bewährten Regelung gilt es zu beachten, dass die Handlungsfähigkeit des Bundes nicht unnötigerweise eingeschränkt und die Abläufe nicht unverhältnismässig erschwert werden. Der Staat muss auch in Zukunft in ausserordentlichen Lagen ­ unter Umständen verbunden mit erschwerten Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen ­ auf funktionstüchtige Instrumente des Krisenmanagements zurückgreifen. Dringlichkeit hält sich bekanntlich nicht an bestimmte Kompetenzgrenzen.

Stimmen die eidgenössischen Räte der beantragten Änderung des Finanzhaushaltsgesetzes zu, ist zu fragen, ob die eidg. Räte in der Lage sein werden, in dringenden Fällen zeitgerecht zu entscheiden. Dabei geht es nicht nur um den Zeitbedarf für die Einberufung des Parlamentes. In Rechnung zu stellen ist insbesondere auch, dass die 2800

eidg. Räte in diesem Fall über eine Botschaft verfügen müssen, welche übersetzt und den Mitgliedern der Räte vor der Sitzung zugestellt werden muss; die Kommissionen müssen schliesslich die Vorlage vorgängig noch beraten.

Wie bereits einleitend vermerkt, würde der Wegfall der Kompetenz des Bundesrates, gegebenenfalls dringliche Vorschüsse zu gewähren, ihn in seiner Handlungsfähigkeit unter Umständen stark beeinträchtigen. Zwar trachtet der Bundesrat mit Erfolg danach, dringliche Vorschüsse zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Finanzdelegation zu den Kreditbegehren Stellung nehmen kann. Ein Sonderproblem kann sich in diesem Zusammenhang jedoch bei Kreditüberschreitungen am Jahresende ergeben. Kreditüberschreitungen sind haushaltsrechtlich betrachtet vom Bundesrat mit dringlichem Vorschuss bewilligte Nachtragskredite. Kann die Finanzdelegation um den Jahreswechsel herum die Kreditüberschreitungen ­ in der Regel dürfte es sich um Beträge von weniger als 250 Millionen handeln ­ nicht beraten und bewilligen, dürften die Ausgaben nicht getätigt werden. Hier zeigt sich im übrigen ein wesentlicher Unterschied zu den Nachtragskrediten, welche die Finanzdelegation mit gewöhnlichem Vorschuss bewilligt. Führt die Ablehnung eines Begehrens durch die Finanzdelegation dazu, dass ein Nachtragskredit vorderhand nicht bewilligt ist und das ordentliche Nachtragkreditverfahren durchlaufen muss, hätte die Nichtbehandlung einer Kreditüberschreitung durch die Finanzdelegation zur Folge, dass der Kredit selber nicht bewilligt wäre. Im Folgejahr wäre mit dem ersten Nachtrag ein entsprechendes Kreditbegehren zu unterbreiten.

Die Notwendigkeit zu Kreditüberschreitungen beziehungsweise zu dringlichen Vorschüssen ergibt sich dann, wenn eine Ausgabe bzw. die ihr zugrunde liegende Tätigkeit keinen Aufschub duldet. Würde eine Kreditüberschreitung verunmöglicht, käme es auch zu einer Verzögerung in der Aufgabenerfüllung.

Das heutige System hat sich nach Auffassung des Bundesrates bewährt. Bei der Kreditsprechung im Falle «Swissair-Grounding» handelte es sich um einen absoluten Sonderfall, weshalb die Landesregierung ­ in Überereinstimmung mit der Finanzdelegation ­ zur Auffassung gelangt, auf die beantragte Änderung im Finanzhaushaltgesetz sei zu verzichten.

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