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Bundesblatt

77. Jahrgang.

Bern, den 7. Oktober 1925.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, lo Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückung Einrückungsgebühr ; 50 Kappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

Ablauf der Referendumsfrist:

4. Januar 1926.

Bundesgesetz betreffend #ST#

die Bestrafung des Frauen- und Kinderhandels sowie der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen.

(Vom 30. September 1925.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung des Mädchenhandels vom 4. Mai 1910, des internationalen Übereinkommens zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels vom 30. September 1921 und des internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen vom 12, September 1923, in Anwendung von Art. 64bis der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 25. November 1924, beschliesst:

L Frauen- und Kinderhandel.

Art. 1.

1. Wer, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, mit Frauen oder Minderjährigen Handel treibt, insbesondere indem er sie anwirbt, verschleppt oder entführt, wird mit Zuchthaus bestraft.

2, Die Strafe ist Zuchthaus nicht unter drei Jahren : wenn die Person das achtzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat, Bundesblatt. 77. Jahrg. Bd. IH.

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wenn sie die Ehefrau, das Kind, Grosskind, Adoptivkind oder Stiefkind des Täters ist oder wenn sie ihm zur Pflege, Obhut oder Aufsicht anvertraut ist, wenn der Täter List, Gewalt, Drohung oder Zwang angewendet hat, wenn er die Notlage der Person oder ihre durch ein Dienstverhältnis begründete Abhängigkeit missbraucht hat, wenn die Person in das Ausland gebracht worden ist, wenn sie einem gewerbsmässigen Kuppler überliefert werden sollte, wenn der Täter den Frauen- oder Kinderhandel gewerbsmässig betreibt.

3. Wer Anstalten zu Frauen- oder Kinderhandel trifft, wird mit Zuchthaus oder Gefängnis bestraft.

4. Der Täter wird überdies in jedem Falle mit Busse bis zu 20,OOQ Fr. bestraft.

Art. 2.

Wer das Verbrechen des Art. \ im Ausland verübt, ist, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist, dem schweizerischen Gesetze unterworfen, wenn er in der Schweiz betreten und nicht an das Ausland ausgeliefert wird .oder wenn er der Eidgenossenschaft wegen dieses Verbrechens ausgeliefert wird.

Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter milder, so ist dieses anwendbar.

Der Täter wird wegen des Verbrechens nicht mehr bestraft, wenn die Strafe, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.

Ist die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so wird der vollzogene Teil angerechnet.

Art. 3.

Art. 3, Ziff. 15, des Bundesgesetzes vom 22. Januar 1892 betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande er hält folgend e Fassung : ,,gewerbsmässige Kuppelei; Frauen- und Kinderhandel ;a

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II. Unzüchtige Yerüffentlichungen.

Art. 4.

1. Wer unzüchtige Schriften, Bilder, Filme oder andere unzüchtige Gegenstände herstellt oder vorrätig hält, um damit Handel zu treiben, sie zu verbreiten oder öffentlich auszustellen, wer solche Gegenstände, zu den genannten Zwecken einführt, befördert, ausführt, einführen, befördern oder ausführen lässt oder sonstwie in Verkehr bringt, wer solche Gegenstände öffentlich oder geheim verkauft, verbreitet, öffentlich ausstellt oder gewerbsmässig ausleiht, wer, um die verbotene Verbreitung oder den verbotenen Vertrieb zu fördern, ankündigt oder sonstwie bekanntgibt, dass sich eine Person mit den genannten strafbaren Handlungen befasst, wer ankündigt oder bekanntgibt, wie und durch wen die genannten Gegenstände unmittelbar oder mittelbar bezogen werde» können, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft. Beide Strafen können verbunden werden.

2. Wer solche Schriften, Bilder, Filme oder Gegenstände einer Person unter achtzehn Jahren übergibt oder vorzeigt, wird mit Gefängnis und mit Busse bestraft.

3. Der Richter lässt die unzüchtigen Schriften, Bilder, Filme und Gegenstände vernichten.

Art. 5.

Wird bei einer Untersuchung in der Schweiz festgestellt, dass die untüchtigen Veröffentlichungen in einem fremden, dem internationalen Übereinkommen ebenfalls angehörenden Staate hergestellt oder von dort eingeführt wurden, so ist hiervon der in jenem Staate zur Bekämpfung der unzüchtigen Veröffentlichungen eingesetzten Zentralstelle durch Vermittlung der Bundesanwaltschaft sofort Kenntnis zu geben.

Art. 6.

Dio verwaltungsrechtlichen Bestimmungen des Bundes und der Kantone betreffend die unzüchtigen und unsittlichen Veröffentlichungen bleiben vorbehalten.

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III. Gemeinsame Bestimmungen.

Art. 7.

Die allgemeinen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Februar 1853 finden Anwendung, soweit in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist.

Art. 8.

Die Strafverfolgung und Beurteilung der durch dieses Gesetz unter Strafe gestellten Handlungen liegt den Kantonen ob.

Sämtliche Gerichtsurteile, Strafbescheide von Verwaltungsbehörden und Einstellungsverfügungen, die von kantonalen Behörden auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, sind durch die Kantonsregierungen sofort nach Erlass zuhanden des Bundegrates der Bundesanwaltschaft unentgeltlich einzusenden.

Art. 9.

Die Strafverfolgung erfolgt entweder am Orte, wo die strafbare Handlung begangen worden ist, oder am Wohnort des Angeschuldigten. In keinem Falle dürfen für die gleiche Tat mehrere strafrechtliche Verfolgungen eintreten. Das Verfahren ist da durchzuführen, wo es zuerst eröffnet wurde.

Das Verfahren gegen Gehilfen oder Begünstiger findet zu gleicher Zeit und vor dem nämlichen Richter statt wie dasjenige gegen den Haupttäter.

Art. 10.

Wenn die strafbare Handlung in mehreren Kantonen begangen wurde, so hat derjenige Kanton, in welchem das Verfahren zuerst eröffnet wurde, die Stellung und nötigenfalls die Auslieferung aller Mitschuldigen aus andern Kantonen behufs Beurteilung zu verlangen oder diese Kantone zur Zusicherung des Urteilsvollzuges zu veranlassen.

Wenn ein Täter mehrere zusammenhängende strafbare Handlungen in verschiedenen Kantonen begangen hat, so soll über ihn nach den vorgenannten Grundsätzen in einem einzigen Verfahren entschieden werden.

Art. 11.

Ist die strafbare Handlung im Auslande begangen worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo der Täter wohnt.

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Hat der Täter keinen Wohnort in der Schweiz, so sind die Behörden des Heimatortes zuständig. Hat der Täter in der Schweiz weder Wohnort noch Heimatort, so ist der Gerichtsstand an dem Ort, wo der Täter betreten wird, begründet.

Art. 12.

Das Bundesgericht entscheidet als Staatsgerichtshof über Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung der Art. 9, 10 und 11 dieses Gesetzes ergeben.

IT. Schlussbestimmungen Art. 13.

Die Straf bestimmungen der Kantone gegen Handlungen, die dieses Gesetz unter Strafe stellt, sind aufgehoben, unter Vorbehalt der nachstehenden Bestimmungen.

Es bleiben in Kraft: 1. Die Straf bestimmungen der Kantone gegen die unzüchtigen Veröffentlichungen, soweit sie sich auf Aufführungen beziehen.

2. Die Strafbestimmungen der Kantone, soweit sie ausser den unzüchtigen noch die unsittlichen, sittenwidrigen, anstössigen oder gleichartigen Veröffentlichungen unter Strafe stellen.

Art. 14.

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 29. September 1925.

Der Präsident: Andermatt.

Der Protokollführer: Kaeslin.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 30. September 1925.

Der Präsident: Maechler.

Der Protokollführer : F. T. Ernst.

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Der s c h w e i z e r i s c h e . B u n d e s r a t beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Artikel 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Artikel 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 30. September 1925.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates., Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

Datum der Veröffentlichung: 7. Oktober 1925.

Ablauf der Referendumsfrist : 4. Januar 1926.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz betreffend die Bestrafung des Frauen- und Kinderhandels sowie der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen. (Vom 30. September 1925.)

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