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B Bundesblatt 77. Jahrgang.

Bern, den 6, Mai 1925.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege.

(Vom

27. März 1925.)

A. Die Entstehung des Entwurfs.

I. Die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Revision der Bundesverfassung zur Errichtung eines .eidgenössischen Verwaltungsgerichts vom 20. Dezember 1911 schildert die Entwicklung des Gedankens der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Schweiz bis zur Einbringung der Verfassungsrevisionsvorlage, welche bestimmt war, die konstitutionelle Basis für die neue Art der Gerichtsbarkeit zu schaffen.

Es erübrigt sich, diese Ausführungen zu wiederholen.

II. In der Volksabstimmung vom 25. Oktober 1914 wurde vom Volke (mit 204,394 gegen 128,431 Stimmen) und von den Ständen (mit 1 6 4 / 2 gegen3 2/2a Stimmen) folgender Bundesbeschluss Art. 114bis in die Bundesverfassung vom 20. Juni 1914 angenommen: «1. Art. 103 der Bundesverfassung wird aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt: Art. 108. Die Geschäfte des Bundesrates werden nach Departementen unter die einzelnen Mitglieder verteilt. Der Entscheid über die Geschäfte geht vom Bundesrat als Behörde aus.

Durch die Bundesgesetzgebung können bestimmte Geschäfte den Departementen oder ihnen untergeordneten AmtsBundesblatt 77. Jahrg. Bd. II.

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stellen unter Vorbehalt des Beschwerderechtes zur Erledigung überwiesen werden.

Die Bundesgesetzgebung bezeichnet die Fälle, in denen ein, .

eidgenössisches Verwaltungsgericht für die Behandlung der Beschwerde zuständig ist.

2, In die Bundesverfassung wird folgender Unterabschnitt eingefügt: IFbia. Eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit..

Art. 114bis, Das eidgenössische Verwaltungsgericht beurteilt die in den Bereich des Bundes fallenden Administrativstreitigkeiten, die die Bundesgesetzgebung ihm zuweist.

Dem Verwaltungsgericht steht auch die Beurteilung von Disziplinarfällen der Bundesverwaltung zu, die ihm durch dieBundesgesetzgebung zugewiesen werden, soweit dafür nicht einebesondere Gerichtsbarkeit geschaffen wird.

Die Bundesgesetzgebung und die von der Bundesversammlung genehmigten Staatsverträge sind für das eidgenössischeVerwaltungsgericht massgebend.

Die Kantone sind mit Genehmigung der Bundesversammlung befugt, Administrativstreitigkeiten, die in ihren Bereich fallen, dem eidgenössischen Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuzuweisen.

Die Organisation der eidgenössischen Verwaltungs- und, Disziplinargorichtsbarkeit, sowie das Verfahren wird durch das* Gesetz bestimmt.» Die Entstehungsgeschichte dieser Verfassungsrevision darf als bekannt vorausgesetzt werden. Wir verweisen auf die Protokolleder Kommissionen des Ständerates und des Nationalrates und auf: das Stenographische Bulletin der Bundesversammlung (Jahrgang 22,1912 Ständerat 49, 75, 81 und 95 und Jahrgang 24,1914 Nationalrat 127, 143, 200, Standorat 178, Nationalrat 439, Ständerat 214,.

216, 218, Nationalrat 489).

III. Im März 1916 kam Herr Professor Fleiner einem ihm unmittelbar nach Annahme der Verfassungsrevision erteilten Auftrag des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements nach, indem er seinen dritten Gesetzesentwurf einreichte. Die charakteristischen Merkmale dieser Vorlage sind: Es werden die in die Kompetenz des Verwaltungsgerichts als einziger Instanz fallenden Sachen enumeriert. Die Sachen, die ihm als Bekursinstanz zugewiesen sein sollen, worden durch eine Generalklausel bezeichnet : diese umfasst alle-

183 Verfügungen und Entscheidungen der eidgenössischen Mittelinstanzen in delegierten Sachen und der letzten kantonalen Instanzen ; ausgenommen sind die Ermessensfragen und ein relativ kleiner Kreis von positiv umschriebenen Verwaltungssachen. Die Delegation von Kompetenzen an eidgenössische Mittelinstanzen erfolgt durch Bundesratsbeschluss, deren Eückübertragung durch Besehluss der Bundesversammlung. -- Über vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes gegen den Beamten und des Beamten gegen den Bund aus dem Beamtenverhältnis urteilt das Verwaltungsgericht als einzige Instanz. Ebenso über die schwersten Disziplinarstrafen. Die von der Verwaltung verhängten mittelschweren Disziplinarstrafen können durch Eekurs an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden.

Die Ausfällung leichter Disziplinarstrafen ist ausschliesslich Sache der Verwaltung. -- Das Verwaltungsgericht besteht zunächst aus 8 ständigen und 2 nebenamtlichen Mitgliedern. Sein Sitz wird durch besondern Bundesbeschluss bestimmt.

Der III. Pleinersche Entwurf wurde einer 25gliedrigen Expertenkommission unterbreitet. Diese machte ihn in zwei Sessionen (12.

bis 17. Februar und 5. bis 9. März 1917) zum Gegenstand ihrer Beratungen. Wir verweisen auf das gedruckte Protokoll S. 58--366.

Am 1. Mai und 1. Juni 1917 fanden kleinere Spezialkonferenzen betreffend Schaffung eines Zollrates und Umschreibung des der Disziplinargerichtsbarkeit zu unterwerfenden Personals statt (vgl.

Protokoll S. 367--895).

IV. Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragte dem Bundesrate am 29. Juni 1917, er möge beschliessen, dass bei Umschreibung der Kompetenzen des Verwaltungsgerichts die Generalklausel statt der Enumerationsmethode zur Grundlage zu nehmen sei, dass bundesrätliche Verwaltungsentscheide der Kognition des Verwaltungsgerichts entzogen sein sollen, dass über Zollstreitigkeiten ein zu schaffender eidgenössischer Zollrat endgültig zu entscheiden habe und dass das eidgenössische Verwaltungsgericht zugleich auch eidgenössisches Disziplinargericht sein soll. Iin weitern schlug das genannte Departement dem Bundesrate vor, dem Bundesgericht die Frage zu unterbreiten, ob das eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinargericht dem Bundesgericht angegliedert, ob es losgelöst vom Bundesgericht errichtet, ob es mit der staatsrechtlichen Abteilung des
Bundesgerichts zu einem Gerichtshof für öffentliches Becht verschmolzen werden soll oder ob ihm eine andere Lösung als empfehlenswert erscheine. Zudem gab das Departement dem Wunsche Ausdruck, es mögen bei diesem Anlasse dem Bundesgericht einige Spezialfragen zur Meinungsäusserung vorgelegt werden.

184 Der Bundesrat zog am 37. Oktober 1917 den Antrag seines Justiz- und Pohzeidepartements in Beratung. Er nahm aber davon Umgang, zu den ihm vom Departement vorgelegten grundlegenden Fragen Stellung zu nehmen und beschloss, die ganze Angelegenheit dem Bundesgericht zur Berichterstattung zu übermitteln.

In einem am 5. Juni 1918 erstatteten, umfassenden Gutachten nahm das Bundesgericht zu den ihm vorgelegten Fragen wie folgt Stellung: 1. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist nicht durch eine allgemeine Formel, sondern durch Bezeichnung der Anstände nach Materien oder Kategorien zu bestimmen, die dem Gericht zugewiesen werden. 2. Die bundesrätlichen Verwaltungsentscheide sind der Kognition des Verwaltungsgerichts zu entziehen, wenn die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts durch eine allgemeine Formel bestimmt wird, im andern Falle nicht. 3. Es ist ein Zollrat für Zolltarifstreitigkeiten zu schaffen; es wäre vorzuziehen, wenn der Zollrat eine konsultative Funktion auszuüben hätte; will ihm entscheidende Befugnis gegeben werden, so ist das bei der Organisation zu berücksichtigen. 4. Das eidgenössische Verwaltungsgericht soll nicht z\i.gleich auch eidgenössisches Disziplinargericht sein; die Disziplinarrechtspflege ist zu dezentralisieren mit einer Zentralinstanz als Mittelpunkt ; die verschiedenen Kategorien von Beamten und Angestellten sind zur Ausübung der Disziplinargewalt beizuziehen. 5. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist dem Bundesgericht zu übertragen in der Meinung, dass sie von der staatsrechtlichen Abteilung besorgt würde; eventuell ist demVerwaltungsgericht die Rechtspflege auf dem Gebiete des öffentlichen Eechts zu übertragen, die jetzt vom Bundesgericht ausgeübt .wird.

Zudem beantwortete das Bundesgericht die ihm gestellten Einzelfragen.

In einem Minderheitsbericht stellte sich Herr Bundesrichter Dr. Jaeger auf folgenden Standpunkt: Bein theoretisch betrachtet wäre die Generalklausel vorzuziehen. Frage man sich aber, was politisch erreichbar sei, so müsse man sich gegen die sofortige Einführung der Generalklausel aussprechen. Es wären zunächst die Kompetenzen das Verwaltungsgerichts limitativ zu umschreiben und es soll der ellmählichen Entwicklung und dem natürlichen Schwergewicht der Dinge überlassen sein, schrittweise die Verwaltungsrechtspflege weiter auszubauen und nach und
nach sich dem Postulat der generellen Kompetenzumschreibung zu nähern. Es sei möglich, der staatsrechtlichen Abteilung, ohne dass sie auf mehr als 9 Mitglieder vergrössert wird, die für den Anfang in Aussicht zu nehmenden verwaltungsrechtlichen Anstände zuzuweisen, aber nur unter der Voraus*

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Setzung, dass sie die Bechtsverweigerungsrekurse ganz anders behandelt als bisher und alles tut, den vielen TrÖlereien, die auf diesem Gebiete vorkommen, den Eiegel zu stecken. Die zentrale Disziplinarbehörde sollte eine vollständig neutrale Instanz ohne Interessenvertretung sein und, wenn nur die schweren Disziplinarfälle ihrer Beurteilung unterstellt werden, mit dem Verwaltungsgericht verbunden werden. Der Zollrat endlich sei mit dezisiver Funktion auszustatten.

Dem Gesetzesredaktor wurde das Schlusswort in diesem Meinungsaustausch eingeräumt. Dessen Ausführungen enthalten nichts wesentlich neues.

Hinsichtlich der Details verweisen -wir auf Bd, II der Gesetzgebungsmaterialien.

V. Zu Beginn des Jahres 1919 ersuchte das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement Herrn Prof. Fleiner, einen neuen Entwurf auszuarbeiten und dabei die neuen Gesetzgebungsmaterialien (Beratungen der Expertenkommission und bundesgerichtliche Gutachten) zu Eate zu ziehen.

Der IV. Entwurf Fleiner lag im April in deutscher Fassung, im Juli 1919 in französischer Sprache vor. Er nimmt zu den entscheidenden Fragen folgende Stellung ein: Wegen Verletzung eidgenössischen Eechts können letztinstanzliche Entscheide eidgenössischer oder kantonaler Verwaltungsbehörden in .Verwaltungssachen mit dem verwaltungsrechtlichen Eekurs angefochten werden (Generalklausel).

Ausgenommen sind Ermessensfragen und eine Eeihe von positiv umschriebenen Verwaltungssachen, Entscheide des Bundesrates sind von der Weiterziehung an das Verwaltungsgericht nicht ausgeschlossen. Streitigkeiten zwischen Bund und Dritten über vermögengrechtliche, dem eidgenössischen öffentlichen Eecht entsprungene Ansprüche und andere bestimmt bezeichnete Verwaltungsstreitsachen werden vom Bundesgericht als erster und letzter Instanz beurteilt. -- In betreff der Streitigkeiten aus dem Bundesbeamtenverhältnis weicht der IV. Entwurf in den Grundfragen nicht ab von seinem Vorgänger. -- Die Beurteilung der in den Bereich des Bundes fallenden Administrativstreitigkeiten und der Streitigkeiten aus dem Bundesbeamtenverhältnis werden dem Bundesgericht übertragen.

Dieses führt bei Ausübung dieser Gerichtsbarkeit den Namen «eidgenössisches Verwaltungsgerjcht».

Auf den 10, November 1919 wurde die Expertenkommission neuerdings einberufen. Es war beabsichtigt, zunächst die
grundlegenden Fragen, die dem Bundesrat und dem Bundesgericht unterbreitet worden sind, zur Diskussion zu stellen; ferner sollte der Gesetzesentwurf in der gleichen Session durchberaten werden. In der

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Folge musate die Tagung der Expertenkommission verschoben werden, da auf den gleichen Tag (10. November 1919) die Bundesversammlung zu einer außerordentlichen Session zur Beratung der Völkerbundsfrage einberufen wurde.

Der am 9. November 1919 eingetretene Tod des Herrn Bundesrat Müller, des Vorstehers dea eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, hatte eine Unterbrechung der Vorarbeiten für das Verwaltungsgerichtsgesetz zur Folge.

VI. Der neue Chef des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements ergriff die Initiative zur Wiederaufnahme der Vorarbeiten für ein Verwaltungsgerichtsgesetz, indem er am 3. Juni 1920 dem Bundesrate einen Bericht über den ganzen Komplex von Fragen vorlegte. Am 26. Oktober 1920 nahm der Bundesrat zu den Anträgen des Justiz- und Polizeidepartements Stellung und fasste folgenden Beschluss : «1. Der Bundesrat erklärt sich mit der Schaffung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichts einverstanden. Das Verwaltungsgericht ist mit der staatsrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts zu verschmelzen.

2. Die Kompetenzen des Verwaltungsgerichts sind nach der Enumerationsmethode zu umschreiben, so dass ihm der letztinstanzliche und ausschliessliche Entscheid über ganz bestimmte, im Gesetz näher zu bezeichnende Verwaltungsstreitigkeiten zugewiesen wird.

Die Anrufung des Verwaltungsgerichts gegenüber bundesrätlichen Verwaltungsentscheiden ist ausgeschlossen.

Zu der Frage, ob die Anrufung des Verwaltungsgerichts auch gegenüber Verwaltungsentscheiden der Departemente ausgeschlossen werden soll, wird der Bundosrat Stellung nehmen, sobald ihm die Umschreibung der Kompetenzen des Verwaltungsgerichts nach der Enumerationsmethode vorliegt.

Als Verwaltungsstreitigkeiten im Sinno von Abs. l sind hauptsächlich solche' über Abgaben und Steuern, mit Ausschluss der Gebühren, sowie über andere Leistungen an den Staat zu betrachten.

.: Die Departemente sind eingeladen, dem Justiz- und Polizeidepartement bis Ende November 1920 die Streitigkeiten aus ihrem Geschäftskreis zu bezeichnen, die sich im Sinne dieses Beschlusses zur Entscheidung durch das Verwaltungsgericht eignen. Das Justiz- und Polizeidepartement ist beauftragt, dem Bundesrate gestützt auf die vorerwähnten Berichte der Departemente eine Vorlage zur Umschreibung der Kompe-

187 ienzen des Verwaltungsgerichts nach der Enumerationsmethode zu unterbreiten.

3. Die Anwendung des Zolltarifs bleibt dem Bundesrate und seinen Organen vorbehalten. Eekurse gegen Zollveranlagungen sind einer vom Bundesrate zu ernennenden Kommission zu unterbreiten, die dem Zolldepartement zuhauden des Bundesrates für die Erledigung solcher Zollstreitigkeiten einen Vorschlag einzureichen hat.

4. Die Disziplinargerichtsbarkeit in schwereren Disziplinarìallen ist dem Verwaltungsgericht zu übertragen; die gesetzliche Interessenvertretung ist bei der Bestellung des Gerichts ausser Acht zu lassen.» Die gestützt auf Ziffer 2 des erwähnten Bundesratsbeschlusses "beim eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingegangenen JEnumerationsvorschläge der Departemente erwiesen sich als ungenügend. Es fehlte ihnen auch die Einheitlichkeit der Ausgangspunkte. Dies hatte Wiedererwägungen und Weiterungen im Gefolge, :so dass erst im September 1921 die Justizabteilung beauftragt werden .konnte, im Sinne des Bundesratsbeschlusses vom 26. Oktober 1920 -einen Entwurf auszuarbeiten.

Ein solcher Entwurf lag Anfangs Februar 1922 vor. Er will --· abgesehen von der dem Versicherungsgoricht zustehenden Jurisdiktionsgewalt -- die gesamte Staats- und Verwaltungsrechtspflege des Bundes zusammenfassend ordnen. Er umschreibt den Kompetenzkreis der obersten Eechtspflegeorgane des Bundes auf dem Gebiete des Staats:und Verwaltungsrechts: der Bundesversammlung, des Bundesrates, ·des Bundesgerichts und der Disziplinarkommissionen und regelt ·das Verfahren. Was speziell die Verwaltungsgerichtsbarkeit anbetrifft, sei hervorgehoben, dass wegen Verletzung von Bundesrecht vor Bundesgericht als Kekursinstanz gezogen werden können: die vermögensrechtlichen Ansprüche des Bundes gegen einen Dritten oder eines Dritten gegen den Bund, andere als vermögensrechtlicho Ansprüche des Bundesbeamten als solchen gegen den Bund und die Verwaltungssachen, die in einem besondern Bundesbeschluss enumeriert sind. Die Ordnung der Disziplinargerichtsbarkeit ist nicht wesentlich verschieden von der des vierten Fleinerschen Entwurfs.

Dieser Entwurf ist am 20. April 1922 dem Bundesgericht übermittelt worden mit der Bitte, sich dazu auszusprechen.

In der vom 81.. Januar 1923 datierten Vernehmlassung macht 'das Bundesgericht vor allem geltend, dass der Eahmen des Gesetzes·entwurfs enger gezogen werden sollte. Für eine neue Kegelung der

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Kompetenzen der Bundesversammlung und des staatsrechtlichen" Eekuraes an das Bundesgericht sei ein Bedürfnis nicht vorhandenVor allem aber werde durch das Vorgehen des Entwurfs das Bundesgericht zum Teil aus seinem natürlichen Eahmen losgelöst und in ausgesprochener Weise in einen andern Zusammenhang: in denjenigen zur Bundesverwaltung gestellt. Eine Hauptseite der bundesgerichtlichen Tätigkeit finde ihre Regelung nicht und nicht mehr indem für die Stellung des Bundesgerichts massgebenden Gesetz, sondern in einem für die Bundesversammlung, die Bundesverwaltung und das Bundesgericht als Staats- und Verwaltungsgericht geltenden Spezialgesetz über Staats- und Verwaltungsrechtspflege überhaupt..

Werm auch eine innere Verwandtschaft der fraglichen Punktionen dieser verschiedenen Bundesorgane, soweit es sich um Eechtspflege und nicht um blosse Verwaltung handelt, bis zu einem, gewissen Grade zu einer solchen Zusammenstellung führen könne, so widerstreite ihr eben doch die konstitutionelle und organisatorische Stellung des Bundesgerichts und die historische Entwicklung und hergebrachte Methode in der Gesetzgebung über das Bundesgericht. Entschliesse man sich dazu, die Verwaltungsgerichtsbarkeit dem Bundesgericht anzuvertrauen, so sei die gegebene Lösung der gesetzgeberischen Aufgabe die, dass in einer kurzen Novelle zum OG die erforderlichen organisatorischen Kompetenz- und Verfahrensbestimmungen, diedurch die neue Funktion des Gerichts bedingt sind, erlassen werdenDas Bundesgericht gab seinen Anschauungen in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs Ausdruck.

In der Folge schloss sich das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement im Prinzip der Auffassung des Bundesgerichts an.

Dabei verhehlte es sich nicht, dass einer der bundesgerichtlichen Konzeption entsprechenden Vorlage die Eigenschaft, ein abgeschlossenes Ganzes zu sein, fehlt, dass ein auf diesem Fundament aufgebautes Gesetz, wenn es auch die Eechtspflegefunktionen der Bundesversammlung und den staatsrechtlichen Eekurs an das Bundesgericht, grundsätzlich von der Eegelung ausschliesst, sich doch genötigt sieht,, da und dort auch in diese Gebiete revidierend überzugreifen, dass es als ein neuer Flick auf dem schon sechs Mal geflickten Bundesrechtspflege-Organisationsgesetze erseheint, dass es den geltenden, sehr wenig übersichtlichen Eechtszustand
noch unübersichtlicher macht: dass aus allen diesen Gründen der bundesgerichtliche Vorschlag, sich als eine provisorische Lösung darstellt, die über kurz oder lang durch eine zusammenfassende oder zusammenfassendem Gesetzgebung ersetzt werden muss. Wenn das Justiz- und Polizeidepartement dennoch der bundesgerichtlichen Auffassung beitrat, so tat esdies, weil ein lediglich die Verwaltungsrechtspflege beschlagende»

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Gesetz den momentanen Bedürfnissen genügt, weil eine Vorlage mit beschränkterer Reichweite weniger Angriffspunkte bietet und leichter und rascher durchgeht, als ein Entwurf, der sich zur Aufgabe macht, einen grösseren Komplex von Fragen zu bearbeiten, und weil der Ungeduld der Interessenten an einer baldigen Ordnung nicht weitere Nahrung geboten werden wollte.

In einer Konferenz zwischen der mit der Vorbereitung der Vernehmlassung betrauten bundesgerichtlichen Kommission und dem Justiz- und Polizeidepartement wurde der Entwurf vom 5. März 1923 erstellt, der den beiderseitigen Anschauungen entspricht.

VII. Aus diesem Entwurf vom 5. März 1923 seien folgende charakteristische Züge hervorgehoben: Die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit wird von der staatsrechtlichen' Abteilung des Bundesgerichts ausgeübt, die den Namen «Staats- und verwaltungsrechtliche Abteilung» annimmt. Für die Disziplinargerichtsbarkeit bestellt das Bundesgericht eine Disziplinarkamnier von 5 Mitgüedern, der verwaltungsrechtliche Geschäfte, die Streitigkeiten aus dem Bundesbeamtenverhältnis beschlagen, übertragen werden können und die bei Erledigung solcher Geschäfte den Namen «Kammer für Beamtensachen» führt. -- Die verwaltungsgerichtliche Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die eine Abgabe oder andere Leistung an den Bund aus dem öffentlichen Becht oder einen nicht vormögensrechtlichen Anspruch des Bundesbeamten gegen den Bund zum Gegenstande haben und sodann in Verwaltungssachen, die in einem besondern Bundesbeschluss enumeriert sind. Ausgenommen sind Zolltarif- und Kriegssteuersachen. Das Verwaltungsgericht kommt nicht in den Fall, über bundesräthche Entscheide als Eekursinstanz zu urteilen, weil alle an das Bundesgericht weiterziehbaren Sachen von Gesetzes wegen nach unten delegiert sind und von der Mittelinstanz weg direkt an die gerichtliche Instanz gehen. -- Das Bundesgericht hat als einzige Instanz in der Hauptsache zu erkennen über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund aus dem öffentlichen Eecht, die nicht an das Versicherungsgericht oder durch verwaltungsgerichtliche Beschwerde an das Bundesgericht weiterziehbar sind. -- Der Entwurf regelt die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat. -- Hinsichtlieh der Disziplinargerichtsbarkeit schliesst er sich im wesentlichen an das Vorbild des
IV. Fleinerschen Entwurfs an.

In einem «Mitgeteilt» an die Presse wurde die Öffentlichkeit davon in Kenntnis gesetzt, dass der Vorentwurf erschienen sei und dasadas eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement Wert darauf lege, dass sich die interessierten Kreise zu dem Vorentwurf und zu der Frage äussern, welche Kompetenzen durch Bundesbeschluss dem.

190 Verwaltungsgericht zugewiesen werden sollen. Diesem Wunsche sind folgende Verbände nachgekommen: der schweizerische Handelsand Industrieverein und sein Vorort, die Handelskammern von Zürich und Genf, die schweizerische Liga für Wirtschafts- und Handelsfreiheit, die schweizerische Bankiervereinigung, der schweizerische Bauernverband, der schweizerische Gewerbeverband, der Verband schweizerischer Sekundärbahnen und in letzter Stunde noch der Föderativverband des eidgenössischen Personals und des Personals öffentlicher Verkehrsanstalten. Von folgenden Privaten sind Besprechungen des Entwurfs eingegangen: von einzelnen Mitgliedern der frühern Expertenkommission (von Begierungsrat ImHof, Prof.

Fleiner, Dr. Béguin, Nationalrat Klöti, Prof. Werner, Ständerat Bertoni, Dr. Meyer und Prof. Borei in einer Kollektiveingabe, dann von Prof. Burckhardt, Ständerat Bertoni, Nationalrat Klöti und Begierungsrat ImHof in besondern Eingaben), von Prof. Stooss in Wien und Dr. A. Ziegler in 8t. Gallen.

Dieser Entwurf vom 5. März 1923 ist den Kantonsregierungen zugestellt worden mit der Bitte, sich dazu aussprechen und insbesondere mitteilen zu wollen, welche von den Kantonsbehörden nach eidgenössischem Becht zu beurteilenden Verwaltungssachen der Kognition des Bundesrates (Art. 189, Abs. 2 OG) entzogen und an das Verwaltungsgericht weiterziehbar erklärt werden sollen. Abgesehen von Schaffhausen und Waadt haben alle Kantone geantwortet ; besonders eingehend hat Baselstadt zu den mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit zusammenhängenden, problematischen Fragen Stellung genommen.

Weiterhin haben sich -- dem Ersuchen des Justiz- und PolizeiDepartements entsprechend -- alle Departemente des Bundesrates und das Versicherungsgericht über den Entwurf vom 5. März 1928 ausgesprochen.

Dieses reiche, aber von Missverständnissen stark durchsetzte Material ist eingehend geprüft und die materiellen und redaktionellen Anregungen, die begründet erschienen, berücksichtigt worden. Das ganze Jahr 1924 wurde vom Meinungsaustausch unter den Departementen und im Bundesrate beansprucht.

B. Der Entwurf zu einem Bundesgesetz über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege.

a. Generalklausel oder Enumeration.

Die Kompetenzen des zu schaffendeneidgenössischen Verwaltungsgerichts bilden den Gegenstand lebhafter Diskussion. Zwei Parteien stehen sich gegenüber: die Freunde der « Generalklausel» und die Freunde der «Enumerationsmethode».

191 Die Anhänger der Generalklausei möchten grundsätzlich alle letztinstanzlichen Verfugungen und Entscheidungen eidgenössischer ·oder kantonaler Verwaltungsbehörden in bundesrechtliohen Verwaltungssachen an eine Gerichtsinstanz weiterziehbar erklären. Sie lassen eine Durchbrechung des Prinzips nur ausnahmsweise zu: dann nämlich, wenn der Entscheid in das freie Ermessen der urteilenden .Behörde gestellt ist oder wenn einer der in langer Liste enumerierten Ausnahmefälle gegeben ist1). Die Anhänger der Enumerationsanethode dagegen möchten die Sachen, sei es einzeln, sei es in ganzen Gruppen, nennen, die vom Verwaltungsgericht beurteilt werden sollen.

.Sie nehmen Sachen, die sich nach freiem Ermessen entscheiden, grundsätzlich in die Kompetenzenliste nicht auf und schliessen sie so von vornherein von der Kognition des Verwaltungsgerichts aus.

Äusserlich betrachtet betrifft der Gegensatz zwischen GeneralMausel und Enumeration lediglich die Art der Umschreibung der Kompetenzen des Verwaltungsgerichts, nicht dessen Kompetenzen selbst, lediglich die Methode, nicht die Sache. Vergegenwärtigen wir uns den ganzen Kreis von Verwaltungssachen, bestehend aus den Gruppen A, B, C, D und E und nehmen wir an, der Gesetzgeber wolle die Gruppen A, B und C dem Verwaltungsgericht, die Gruppen D und E dem Bundesrate zuweisen, dann wird er bei Verwendung der Generalklausel unter den Ausnahmen die Gruppen D und E und bei Anwendung der Enumerationsmethode die Gruppen A, B und 'C aufführen: was dort Kegel ist, ist hier Ausnahme und umgekehrt.

Beiderorts wird das Gleiche gesagt, «nur mit ein bischen andern Worten».

Sieht man aber näher zu, so erkennt man, dass der Gegensatz weit mehr als ein Spiel mit Worten ist. Er beruht auf innerlich sich widersprechenden Eechtsanschauungen.

Nicht gerade zahlreich sind die Anhänger der Generalklausel, "welche die Bundesverwaltung unter Vormundschaft stellen möchten, den richtigen Vormund im Verwaltungsgericht gefunden zu haben glauben s), und bereit sind, ihm zur Durchführung seiner Aufgabe 1

) Wenn wir im folgenden von «Generalklausel» sprechen, so haben wir die des IV. Fleinerschen Entwurfs im Auge. Eine Generalklausel in abstracto gibt es nicht.

a ) Als Beleg für diese Auffassung zitieren wir einige Sätze aus dem Bericht der Basler Handelskammer, in welchem sie die Generalklausel postuliert: «Die Erfahrungen, die in den letzten zehn Jahren mit den «idgenössischen Verwaltungen aller Departemente gemacht worden sind, haben unverkennbar ein grosses Misstrauen in allen Kreißen von Handel und Industrie zurückgelassen. Die durch die Kriegsverhältnisse bedingte erhöhte Selbständigkeit einzelner Verwaltungschefs hat in viele Zweige

192 weitestgehende Kompetenzen einzuräumen. Sie reden von "Willkürjustiz des Bundesrates und der ihm unterstellten Organe, vom Missbrauch der Macht und vom Bedürfnis, diese Macht zu brechen.

Schwerer dagegen wiegt die Ansicht derer, denen um der formalen Vorzüge- der Generalklausel willen deren materielle Nachteile unbeachtlich erscheinen oder denen diese Nachteile, wegen nicht genügenden Einblicks in die Verwaltung, überhaupt nicht oder nicht in vollem Umfange bekannt sind oder die grundsätzlich ein Gericht für geeigneter halten, in Verwaltungssachen zu entscheiden als die Verwaltung selbst. Mit diesen Freunden der Generalklausel werden wir uns auseinanderzusetzen haben. ·-- Auch im Lager der Anhänger der Enumeration herrscht nicht Einigkeit über die Motive. Die einen sind grundsätzliche Gegner jeder Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Sie gehören vornehmlich der Verwaltung an. Sie nehmen die Enumoration in Kauf, um sich der drohenden Generalklausel zu erwehren und möchten die zu enumerierenden Sachen auf ein Minimum reduziert wissen. Die andern aber befürworten die Enumerationsmethode, weil sie ermöglicht, dem Verwaltungsgericht die Kompetenzen zu geben, die ihm gehören, die Verwaltung aber nicht zwingt, ihm die Entscheidungsbefugnis in Sachen einzuräumen, zu deren Beurteilung sich die Verwaltung besser eignet.

Zu dieser Kategorie von Anhängern der Enumerationsmethode gehört der Bundesrat, Nicht erst heute nimmt er diesen Standpunkt ein. Schon im Jahre 1911 sagt er in seiner Botschaft zur Verfassungsrevision: «Viel schwieriger wird seinerzeit die Ausscheidung der Kompetenzen des Verwaltungsgerichts mit Rücksicht auf die einzelnen Materien sein. Wir sind durchaus der Auffassung, dass man hier mit gros.ser Vorsicht und Zurückhaltung wird vorgehen müssen. Es kann keine Eede davon sein, dass man in dieser Beziehung einfach di& Vorbilder anderer Staaten kopieren könnte. Es ist ausgeschlossen, der Verwaltung, auch in untergeordnete Stellen eine Selbstherrliohkeit hineingebracht, die dringend der Korrektur bedarf. Wir gestatten uns, dabei die Ansicht zu haben, dass diese Korrektur eben leider nicht von oben herab, d. h. aus der Verwaltung selber kommen kann, sondern dass sievon aussen her durch eine unbeteiligte Instanz ausgeübt werden imisB Ganz unangebracht wäre, aus unsern Ausführungen heraus zu lesen,
dass wir die Autorität der Verwaltung untergraben wollen. Einer Verwaltung, die ihrer Verantwortung bewusst ist und dementsprechend handelt, kann ein Verwaltungsgerioht auch nicht ein Jota ihres Ansehens, abbrechen und eine Verwaltung, die dieses Verantwortungsgefühl nicht hat, rnuss durch das Verwaltungsgerioht auf das ihr zukommende Mass beschränkt werden. Ist die Verwaltung gut, dann schadet ihr das Verwali tungsgericht nichts, ist sie schlecht, so hat sie das Verwaltungsgerioht bitter nötig.»

193 -dass wir in allen Fällen der Verletzung verfassungs- oder bundesgesetzmässiger Rechte einen verwaltungsgerichtliehen Eechtsschutz gewähren könnten; wir müssen vielmehr in jeder Verwaltungsabteilung untersuchen, ob sich die aus ihr hervorgehenden Streitfälle zu richterlicher Prüfung eignen oder ob man dem Eichter nicht eine .Aufgabe zumutet, die ausserhalb seines Gebietes liegt.» Wir stellen fest, dass wir uns als Anhänger der Enumerations.méthode in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichte, mit der überwiegenden. Mehrzahl der Kantonsregiorungen, mit dem Schweizerischen Bauernverband und dem Schweizerischen Gewerbeverband befinden. Wir unterlassen es aber nicht darauf hinzuweisen, dass der Schweizerische Handels- und Industrioverein, die Schweizerische Liga für Wirtschafts- und Handelsfreiheit, die Schweizerische Bankiervereinigung, der Föderativverband des eidgenössischen Personals »und des Personals öffentlicher Verkehrsanstalten und die Mehrheit ,der Expertenkommission vom Jahre 1917 mit dem Eedaktor der Vorentwürfe für die Generalklausol eintreten.

Wir schliessen uns im wesentlichen den Erwägungen an, die das Bundesgericht dazu bestimmt haben, sich zugunsten der Enumeraiionsmethode auszusprechen und haben noch folgendes beizufügen: Bei denVerfechtern der Generalklausel und der Enumerations:methode herrscht Einigkeit über die Zuweisung folgender drei Gruppen von Verwaltungssachen, sei es an das Bundesgericht oder .an den Bundesrat oder an eine andere Bundesbehörde. Die erste Gruppe umfasst die in Art. 8 des IV. Fleinerschen Entwurfs enume-rierten, der Kognition des Verwaltungsgerichts entzogenen Ausnahmen von der Generalklausel. Danach wäre das Verwaltungsgericht unzuständig, wenn und soweit eine Verwaltungsbehörde nach freiem Ermessen zu verfügen berechtigt ist, in Streitigkeiten, in denen die Beurteilung dem eidgenössischen Versicherungsgericht oder einer · eidgenössischen Schatzungskommission zusteht, in Zivil- und Strafsachen, gegenüber Verfügungen und Entscheidungen der mit der Militärstrafrechtspflege betrauten Behörden und der militärischen Kommando- und Disziplinargewalt, gegenüber Verfügungen betreffend die Vollziehung von gerichtlichen Urteilen und betreffend Überweisung von eidgenössischen Strafsachen an kantonale Behörden, gegenüber allen Massnahmen eidgenössischer Behörden gemäss
Art, 102, Ziff. 8--10 BV, gegenüber Verfügungen und Entscheidungen -eidgenössischer Behörden, die sich auf Art. 18, Absatz 3, Art. 27, Absätze 2 und S, Art. 51 und 52 und Art. 53, Absatz 2 BV beziehen, und gegenüber Dienstanweisungen für die Geschäftsführung der .Beamten und Angestellten der eidgenössischen Verwaltung. Zur jzweiten Gruppe von Verwaltungssachen, über deren Zuweisung an

194 das Verwaltungsgericht die Parteien einig gehen, gehören die Streitigkeiten, an deren Entscheid der Bund fiskalisch interessiert ist: dieeinen vormögensrechtlichen Anspruch des Bundes gegen Dritte oder Dritter gegen den Bund zum Gegenstand haben. Die dritte Gruppe von Verwaltungsaachen, die nach der in beiden Lagern feststehenden Auffassung in die Kompetenz des Verwaltungsgerichts fallen sollen,, urafasst die in die Enumeration aufgenommenen Sachen.

Aus dem eben Gesagten erhellt, dass wohl über einen grossen.

und wichtigen Teil der Bundesverwaltungssachen zwischen den.

Verfechtern der beiden Methoden eine Meinungsverschiedenheit nicht besteht. Hinsichtlich des nicht unansehnlichen Bestes aber herrscht Streit. Die zu diesem Rest gehörenden Verwaltungssachen werden von den Anhängern der Generalklausel gerichtlicher Kognition unterstellt. Die Freunde der Enumeration dagegen haben si& bei dem von ihnen durchgeführten Differenzierungsprozess ausgeschieden, um sie der Beurteilung durch die Verwaltung vorzubehalten..

Die Motive, die sie dabei geleitet haben, sind verschiedener Art. Wir wollen im folgenden einige der Gründe beispielsweise aufführen..

Sie werden zeigen, zu welch unannehmbaren Ergebnissen die Generalklausel führt.

Man sollte meinen, dass ein Verwaltungsgericht dazu berufen wäre, nur über Rechtsfragen oder doch über Fragen vorwiegend rechtlicher Natur zu erkennen. Die Generalklausel geht aber weit darüber hinaus, wenn sie auch nach technischen Gesichtspunkten zu beurteilende Verwaltungssachen der Kognition des Verwaltungsgerichts unterstellt. Diese Streitigkeiten sind gross an Zahl und mannigfaltig in ihrer Art. Aus der Eisenbahngesetzgebung erwähnen wir beispielsweise die Anschlussanstände zwischen mehreren Eisenbahnen (Art. 80 des Eisenbahngesetzes von 1872) und die Streitigkeiten über die Zulässigkeit von Anlagen, die eine Bahnlinie durchkreuzen (Art. 15, leg. cit.), sowie die Fahrplanrekurse (Art. 88, leg..

cit.); die Streitigkeiten über den Ansehluss industrieller Unternehmungen an eine Bahn (Art. l des Verbindungsgeleisegesetzes) und zwischen mehreren Bahnen über Konkurrenz- und Verkehrsteilungsfragen (z. B. Art. 21 des Tarifgesetzes vom 27. Juni 190l1).

In diesen Sachen sind technische Erwägungen entscheidend. Ebensoverhält es sich in vielen Streitsachen aus dem
Elektrizitätsgesetz vom 24. Juni 1902; man denke z. B. an Entscheide über die Natur einer elektrischen Anlage als Stark- oder Schwachstromanlage (Art. 2)r über die Art der Ausführung einer Schwachstromleitung (Art. 7),.

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) Hier ist übrigens der Rekurs an die Bundesversammlung vorbehalten.

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19$ über Weisungen der Kontrollstellen und Differenzen zwischen mehreren Kontrollstellen (Art. 28 und 24). Von technischen Gesichtspunkten aus beurteilt sich weiterhin die Frage, ob eine Verkehrsbewilligung für Automobile oder eine Betriebsbewilligung für Schiffe konzessionierter Unternehmungen zu erteilen, ob ein gewisses System für Wasser-, Gas- und Elektrizitätsverbrauchsmesser, für automatische Wagen usw. zuzulassen sei. Technischer Natur sind auch eine Keine von wasserbaupolizeilichen (z. B. Art. 3, 5 und 6 des Wasserbaupolizeigesetzes) und von forstpolizeiliohen Massnahmen (z. B. Art. 29 und 32 des Forstpolizeigesetzes). Das sind aus einer grossen Zahl von Streitigkeiten einzelne Beispiele, in denen der Verwaltungsentscheid ganz oder zum grössten Teil von der Beantwortung technischer Fragen abhängt. Über Sachen dieser Art entscheidet aber die Verwaltung richtiger und weniger kostspielig als ein auf technische Expertisen angewiesenes Juristengericht, zumal dann, wenn sie über die zu ihrer Orientierung erforderlichen unbefangenen Hilfskräfte selbst verfügt.

Weiterhin gibt es Verwaltungssachen, die nach der Generalklausel in die Kompetenz des Verwaltungsgerichts fallen würden,, aber doch so fest in der Verwaltung verankert sind, dass deren endliche Entscheidung nicht ohne Schaden in die Hand eines Gerichts gelegt würde. Man denke beispielsweise an die Disziplinarkompetenzen gegenüber den Studenten der eidgenössischen Technischen.

Hochschule, an die Aufnahme und den Ausßohluss von Studenten und an das ganze Prüfungswesen (Zulassung zur Prüfung, Diplomerteilung usw. bei der Technischen Hochschule und bei den eidgenössischen Maturitäts-, Medizinal- und Grundbuchgeometerprüfungen usw). Das sind spezifische Verwaltungssachen, die sich zu gerichtlicher Beurteilung nicht eignen.

Es gibt auch Verwaltungssachen, die nicht unter die Ausnahmevorschrift des Art. 8, Ziff. 6 des IV. Fleinerschen Entwurfs fallen und daher von der Generalklausel eriasst werden und doch wegen ihres i n t e r n a t i o n a l e n Einschlags in der Entscheidungsgewalt des Bundesrates verbleiben sollten. Zunächst scheint uns hinsichtlich der Unterstellung von Anständen aus Staatsverträgen unter gerichtliche Kognition grosse Vorsicht am Platze. Nach geltendem Recht ist gegen kantonale Entscheide wegen Verletzung von Staatsverträgen
der staatsrechtliche Belmrs an das Bundesgericht zulässig; ausgenommen sind jedoch Anstände aus den staatsvertraglichen Bestimmungen, die sich auf Handels- und Zollverhältnisse, Patentgebühren, Freizügigkeit, Niederlassung und Befreiung vom Militärpflichtersatz beziehen; diese, sowie auch alle Beschwerden gegen.

196 ·eidgenössische Entscheide aus Staatsverträgen sind vom Bundesj-ate zu entscheiden. Es darf nicht übersehen werden, dass bei der Anwendung von Staatsverträgen die Stellung der Verwaltungsbehörden eine andere ist, als die der Gerichte. Nach der Praxis des Bundesgerichts (vgl. BGE 49, I, 188 ff.) beschränkt sich die Aufgabe des Eichters, bei dem ein Anspruch aus einem Staatsver·trage von einem Angehörigen des andern Vertragsstaates geltend gemacht wird, darauf, zu prüfen, ob die Voraussetzungen, die der Vertrag selbst für die Entstehung des Anspruches aufstellt, erfüllt :Sind; ist dies der Pali, so muss der Richter den Anspruch anerkennen, ohne Rücksicht daraui, ob überhaupt und wie der Vertrag vom andern Vertragsstaat angewendet wird. Die Verwaltungsbehörden haben ·dagegen die Möglichkeit und unter Umständen sogar die Pflicht, auf die Art, wie der Vertrag tatsächlich im andern Vertragsstaate zur Anwendung gebracht wird, Bücksicht zu nehmen. Ferner können -die Verwaltungsbehörden ihre Praxis leichter einer Veränderung der Verhältnisse anpassen als die Gerichte, Aus diesen Gründen geht es z. B. nicht an, die Anwendung der staatsvertraglichen Bestimmungen über die Niederlassung dem Verwaltungsgericht zu unterstellen; auf diesem Gebiete muss die Praxis das Verhalten des andern Vertragsstaates berücksichtigen und den jeweiligen Verhältnissen, die in dem im Einzelfalle in Betracht fallenden Kanton bestehen, Rechnung tragen. Es darf nicht aus lauter Sorge für einen möglichst vollkommenen Rechtsschutz des einzelnen Ausländers das Landesinteresse ausser acht gelassen werden. Staatsverträge über Materien, bei denen die Behörden eine gewisse Bewegungsfreiheit haben müssen, wenn die Interessen der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt werden sollen, sind der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung nicht zu unterstellen. -- Sodann gibt es Anstände aus gleichgearteten Rechtsnormen, die nicht in Staatsverträgen, sondern in der Landesgesetzgebung aufgestellt sind. Auch sie fallen unter die Generalklausel, trotzdem sie wegen ihrer internationalen Bedeutung verwaltungsgerichtlicher Kognition nicht unterstehen sollten; dies ist beispielsweise der Fall inbezug auf die Bewilligung der Ableitung von Wasser und elektrischer Energie ins Ausland (Art. 8 des Wasserrechtsgesetzes) .

Der IV. Fleinersche Entwurf nimmt hinsichtlich
der in den Geschäftsbereich des eidgenössischen Militärdepartements fallenden Verfügungen die Entscheide der mit der Militärstrafrechtspflege betrauten Behörden und der militärischen Kommando- und D i s z i p l i n a r g e w a l t von der Generalklausel aus. Diese Vorschrift leidet jedoch an Mängeln verschiedener Art. Einmal ist sie zu unbestimmt : Es dürfte in der Praxis schwierig, oft sogar unmöglich sein,

197 die Grenzlinie zwischen den Verfügungen der militärischen Kommandound Disziplinargewalt und den von ihr nicht erfassten militärischen Verfügungen zu finden. Vor allem aber ist jene die Geltung der Generalklausel einschränkende Vorschrift zu eng: Es gibt, abgesehen von den unter sie fallenden Verwaltungssachen, eine Menge von Adminißtrativstreitigkeiten, die sich für die Beurteilung durch ein Gericht nicht eignen, weil bei ihrer Entscheidung militärische Gesichtspunkte massgebend sind. Man denke insbesondere an die Fragen, ·die mit der Erfüllung der Mihtärdienstpflicht zusammenhängen: .an die Frage beispielsweise, ob der wegen eines schweren Delikts Verurteilte von der Dienstpflicht auszuschliessen sei (Art. 17 MO) oder ob nach Art. 13 MO Dienstbefreiung einzutreten habe. Man denke aber auch an die zahlreichen Administrativentscheide, bei "welchen das Interesse der Landesverteidigung, der militärischen Ordnung, des raschen und ungestörten Dienstganges mitspielt oder .ausschlaggebend ist, ohne dass sie als Ausfluss der militärischen Kommando- und Disziplinargewalt angesprochen werden könnten.

Die Goneralklauael unterwirft auoh Verwaltungsstreitigkeiten, die ihrer Natur nach rasch, oft von einer Stunde auf die andere, erledigt werden müssen, gerichtlicher Beurteilung. Es geht aber vernünftigerweise nicht an, auf solche Administrativstreitigkeiten ein umständliches, mit Komplikationen und Verzögerungen verbundenes Gerichtsverfahren anzuwenden; eine in einer solchen Sache vom Gericht erlassene, vorsorgliche Verfügung, die den Vollzug der an.gefochtenen Massnahme aufschieben würde, wäre gegebenenfalls imstande, die Verwaltung in der Ausübung ihrer Funktionen lahmzulegen. Dringlicher Natur sind namentlich die Massnahmen der Epidemienpolizei (vgl. z. E. Art. 8 und 4 des Epidemiengesetzes vom 2. Juli 1886; Art. 1--8 und 13 der Verordnung betreffend den ioichentransport vom 6. Oktober 1891). Auch die Tierseuchenpolizei ·-- man denke insbesondere an die Massnahmen beim Ausbruch von 'Tierseuchen nach Art. 20 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1917 -- muss rasch und möglichst ungehindert arbeiten können, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen soll. Aus dem Gebiete der Fabrikgesetzgebung ertragen vor allem die Bewilligungen von Überzeit-, Nacht- und Sonntagsarbeit (Art. 48 ff. des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1919 und
meist auch die Bewilligung einer Abänderung der Normalarbeitswoche (Art. 41) keine Verzögerung.

Wer den Administrativbetrieb aus eigener Erfahrung kennt, weiss endlich, wie viel Kleinkram tagaus, tagein die Tretmühle der Verwaltung passiert. Alle diese, weder wirtschaftliches, noch rechtliches Interesse bietenden Sachen, wären nach der General.klausel grundsätzlich an das Verwaltungsgericht weiterziehbar. Und Bundesblatt. 77. Jahrg. Bd. II.

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198 doch ist ohne weiteres klar, dass ihre Bedeutung in keinem Verhältnis zu dem Aufwand stände, wenn zu ihrer Beurteilung ein aus 5 oder 7 Eichtern bestehendos Gericht berufen wird. Dieses Missverhältnis würde besonders stossend, wenn -- wie es der Entwurf tun will -- das Bundesgericht mit der Ausübung der Verwaltungsgerichtsbarkeit betraut wird. Es hiesse das Bundesgericht zum Bagatellgericht degradieren, wenn man ihm zumuten würde, sich mit allen diesen Quisquilien zu befassen1).

Aus dem Vorstehenden erhellt, dass es ungezählte Verwaltungssachen gibt, welche die Anhänger der Generalklausel dem Gericht zuweisen, die Anhänger der Enumeration dagegen bei der Verwaltung belassen möchten, "Wenn wir nach dem tiefern Grunde für dieses Auseinandergehen der Meinungen suchen, so finden wir ihn in der verschiedenen Wertung der richterlichen und der administrativen Entscheidungstätigkeit. Die Anhänger der Generalklausel geben auch da, wo ein fiskalisches Interesse nicht in Frage steht und gegen die Unbefangenheit der Administrativbehörden nichts einzuwenden ist, grundsätzlich der richterlichen gegenüber der administrativen Behandlung den Vorzug. Die Anhänger der Enumeration dagegen vermögen eine solche a priori gegebene Superiorität der gerichtlichen Verwaltungsrechtsprechung nicht anzuerkennen. Sie gehen von der Anschauung aus, dass zu den legitimen Funktionen der Verwaltung deren Entscheidungstätigkeit in Verwaltungssacben gehört. Dabei anerkennen sie aber, dass es Verwaltungssachen gibt, die ebensogut oder besser von einem Gericht beurteilt werden. Diese -- und nur diese -- Verwaltungssaehen sollen dem Verwaltungsgericht zugewiesen werden. Nicht unbesehen soll eine unbestimmte Zahl von Verwaltungssachen an das Verwaltungsgericht geleitet werden. Gestützt auf sorgfältige Auslese sind nur diejenigen Verwaltungssachen der Beurteilung eines Gerichts zu unterstellen, die vor dieses Forum passen oder besser passen als vor das Forum der Verwaltung. Das sind die Anschauungen, von denen ausgehend wir zur Enumerationsmethode gelangen -- gelangen müssen.

Gegen die Enumerationsmethode wird geltend gemacht, dasa bei ihrer Anwendung nicht ausgeschlossen sei, dass wichtige Fragen *) Die Bücksicht auf die Stellung unseres obersten Gerichts hat uns auch veranlasst, im vorliegenden Entwurf (Art. 47) zu bestimmen, dass
der Bundesrat bis zum Erlass eines neuen Verwaltungsreglements berechtigt sei, ausserhalb der Bundesverwaltung stehende, endgültig entscheidende Instanzen zu schaffen, die berufen sind, die unzähligen kleinen Ansprüche Dritter gegen den Bund und des Bundes gegen Dritte aus dem Verwaltungsreglement und aus der Militärorganisation zu beurteilen.

199 dem Gericht nicht übertragen werden, sei es, dass man deren Zuweisung an das Verwaltungsgericht vergisst oder dass man erst nachträglich erkennt, dass eine verborgene und anscheinend abseits liegende Bestimmung entscheidende Bedeutung hat. Man kann darin dann ein Übel erblicken, wenn man von der Meinung ausgeht, dass jede Verwaltungssache grundsätzlich vor Gericht gehört. Wir stehen aber, wie wir dargetan haben, nicht auf diesem Standpunkte. Nach unserer Auffassung ist die Nichtenumerierung einer Verwaltungssache nur dann zu bedauern, wenn das Gericht sich zu deren Beurteilung besser eignen würde, als die Verwaltung. Vergessene und übersehene Fälle dieser Art dürften so selten sein, dass ihnen ein entscheidendes Gewicht nicht zukommt.

Dazu kommen noch weitere Gründe sekundärer Art, die gegen die Annahme der Generalklausel sprechen.

Die Generalklausel und die Enumeration stimmen darin überein, dass da, wo das Verwaltungsrecht den Entscheid in das freie Ermessen der urteilenden Instanz legt und diese ihr eingeräumte Freiheit nicht missbraucht wird, es an einer Eechtsverletzung fehlt, über welche die Partei sich beschweren und ein Gericht urteilen könnte. Das «freie Ermessen» spielt aber bei den beiden Methoden eine ganz verschiedene Eolle, Bei der Enümerationsmethode wird der Umstand, dass eine Verwaltungssache ganz oder vorwiegend nach freiem Ermessen zu entscheiden ist, zum Motiv für die Nichtübertragung der ganzen Sache an das Verwaltungsgericht; hier bildet die Nichtenumerierung der Sache den Kompetenzgrund für den Bundesrat. Bei der Generalklausel dagegen ist das freie Ermessen selbst Kompetenzgrund für den Bundesrat. Dieser hat alle Sachen oder Teile von Sachen zu beurteilen, die ins freie Ermessen der urteilenden Instanz gelegt sind.

Dieses System hat zwei Nachteile: die Kompetenzausscheidung zwischen Bundesrat und Verwaltungsgericht stützt sich auf einen Begriff, der an Unbestimmtheit und Verschwommenheit nichts zu wünschen übrig lässt. Zwischen der absoluten rechtlichen Gebundenheit und der absoluten Ungebundenheit der urteilenden Instanz gibt es so viele Übergangsformen und Zwischenstufen, dass niemand ·mit Bestimmtheit sagen kann, wo das freie Ermessen beginnt, wo also die Grenze zwischen der Kompetenz des Verwaltungsgerichts und des Bundesrates durchgeht. Eine so unklare Ausscheidung
der Zuständigkeiten führt zu Unsicherheiten und zu Kompetenzkonflikten. Der Hinweis auf Art. 85, Ziff. 18 BV, der die Bundesversammlung zum Entscheid über Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bundesbehörden beruft, ist nur ein magerer Trost. Der zweite Nachteil, der mit dem "Kompetenzgrund des freien Ermessens verknüpft ist, zeigt sich bei den Verwaltungssachen, deren Entscheidungsnorm

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200 nicht einheitlich ist, die sich zum Teil nach freiem Ermessen, zum Teil nicht nach freiem Ermessen entscheiden. In einem solchen Falle musate der Bundesrat entscheiden, soweit die Sache sich nach freiem Ermessen beurteilt, und das Verwaltungsgericht müsste über ihn erkennen, soweit die rekurrierende Partei die Verletzung eines positiven Rechtssatzes geltend macht. Eine solche Doppelspurigkeit in der Behandlung ein und derselben Streitigkeit sollte, wenn immer möglich, vermieden werden.

Auch wenn die Generalklausel an und für sich annehmbar wäre, so ist deren Verwendung dann ausgeschlossen, wenn -- wie es der Entwurf tut -- die verwaltungsgerichtlichen Funktionen dem Bundesgericht übertragen werden, dessen staatsrechtliche Abteilung jetzt schon mit Arbeit überlastet ist und dessen Richterzahl nicht ins Ungemessene vermehrt werden darf. Selbst bei Anwendung der Enumerationsmethode hat man nicht freie Hand: es muss auf die vom Bundesgericht bestimmt ausgesprochene Erwartung Bücksicht genommen werden, «dass der zu erlassende Bundesbeschluss nur diejenigen Geschäfte enumeriert, bei denen ein eigentliches Bedürfnis nach verwaltungsgerichtlioher Kontrolle wirklich auch vorhanden ist».

Die vom Entwurf dem Verwaltungsgericht zugewiesenen Funktionen stellen nicht unbedeutende Anforderungen an dieses. Fast Unmögliches aber forderte die Generalklausel von ihm: nur ein mit universeller Begabung ausgestattetes Gericht ist imstande, der ihm durch die Generalklausel zugemuteten Aufgabe gerecht zu werden, die wirtschaftlichen Zusammenhänge der seiner Beurteilung unterliegenden Fragen richtig-zu würdigen, die Bedürfnisse eines Betriebes zutreffend einzuschätzen, über alle die verschiedenartigen und vielgestaltigen technischen Fragen ein über der Sache stehendes Urteil zu fällen usw. Ein solches Gericht dürfte nur schwer zu finden sein.

Die Generalklausel führt tatsächlich -- verglichen mit dem faktischen Ergebnis der Enumeration -- zu einer wesentlichen Erweiterung des Kompetenzkreises des Verwaltungsgerichts. In gleichem Masse aber verengert sich der Kreis des der Bundesversamm-.

lung nach Art. 85, Ziff. 11 BV über die eidgenössische Verwaltung zustehenden Oberaufsichtsrechts. Dieses Oberaufsichtsrecht gibt den eidgenössischen Bäten die Befugnis, über Verwaltungsakto Auskunft zu verlangen, an ihnen Kritik
zu üben und sie zum Ausgangspunkt von Wünschen und Anregungen zu machon. Dieso Befugnis cessiert gegenüber Urteilen des Verwaltungsgerichts und mittelbar auch gegenüber Verwaltungsakten, die sich auf solche Urteile stützen.

Denn der Satz des Art. 47 OG, dass innerhalb seiner richterlichen

201 Tätigkeit das Bundesgericht unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen ist, gilt auch für das Verwaltungsgericht, Endlich sei noch darauf hingewiesen, dass der Begierungsrat des Kantons Basel-Stadt die Anregung macht, allgemein den Satz aufzusprechen, dass Beschwerden gegen die Kantone über die Handhabung eidgenössischen Verwaltungsrechts vom Verwaltungsgericht zu beurteilen seien; Die Eingabe macht geltend, dass für Kantone mit ausgebildeter Verwaltungsrechtspflege dadurch eine Einheitlichkeit des Bechtszustandes entstände, die heute fehlt, dass, wenn der Kanton Basel-Stadt grundsätzlich eine gerichtliche Überprüfung der von seinen Behörden getroffenen Verwaltungsverfügungen einrichten wolle, es bei ihm Bedenken erregen müsse, dass eine solche Überprüfung da, wo diese Behörden Bundesrecht anwenden, nicht oder nur sporadisch erreichbar ist. Es ist uns nicht möglich, dieser Anregung Folge zu geben. Einmal sind unsere Einwendungen gegen die Generalklausel grundsätzlicher Art: wir lehnen sie nicht nur hinsichtlich der Entscheide von Bundesbehörden ab; auch kantonale Entscheide sollen ihr nicht unterworfen werden.

Sodann greifen die Kompetenzen von Bundes- und Kantonsbehörden so ineinander, dass es nicht anginge, die einen Entscheide enumerativ, die andern generell der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu unterstellen.

Und schliesslich fehlen in den meisten Kantonen die speziellen Voraussetzungen, unter denen es dem Kanton Basel-Stadt wünschenswert erscheint, die kantonalen Entscheide in Bundesverwaltungssachen an das Verwaltungsgericht weiterziehbar zu erklären.

b. Das Verwaltungsgericht als einzige und als Beschwerdeinstanz.

Die Verwaltungssachen des Bundes zerfallen in zwei grosse Gruppen : in die Sachen, an deren Ausgang der Fiskus beteiligt ist, und die Sachen, deren Entscheidung der Fiskus ohne eigenes Interesse gegenübersteht. Jene sollen, diese können der Entscheidungskompetenz der Verwaltung entzogen werden.

I. Hinsichtlich der Verwaltungssachen, an deren Ausgang der Fiskus beteiligt ist, sind Fragen verschiedener Art zu beantworten.

1. Der Bund macht es sich als Kulturstaat zur Aufgabe, jeden fremden Einfluss von der Eechtspflege fernzuhalten. Seine Gesetzgebung ist bestrebt, für deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Gewähr zu bieten. Nur auf dem Gebiete der Bundesverwaltungsi-echtspflege
ist es anders. Hier entscheidet über Sachen, an deren Erledigung der Fiskus interessiert ist, die Verwaltung selbst. Dies wäre unbedenklich, wenn in einer Verwaltungsstreitigkeit von der entscheidenden Behörde mit mathematischer Sicherheit festgestellt werden

202 könnte, was dem Dritten gegenüber dem Bund oder dem Bund* gegenüber einem Dritten nach Gesetz und Eecht zukommt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Des Eechtes Wege sind oft verschlungen und dunkel.

Oft lässt das Gesetz der entscheidenden Behörde freie Hand. Oft schafft sie sich selbst die Freiheit. Da aber, wo die Verwaltung nicht durch klares Eecht gebunden ist, ist sie -- dem natürlichen Triebe jeder Verwaltung folgend -- der Versuchung ausgesetzt, auch auf die Interessen des Fiskus Eüoksicht zu nehmen und als Eichter in eigener Sache zu erkennen. Und wenn sie auch der Versuchung tatsächlich nicht erliegt, so ist die im Verwaltungsstreit unterlegene Partei doch gerne geneigt, dies anzunehmen. Dieser Rechtszustand lässt sich nicht halten : an Stelle der befangenen oder doch befangen scheinenden hat eine Instanz zu treten, deren Unabhängigkeit und Objektivität ausser allem Zweifel steht, sei dies eine ausserhalb der Bundesverwaltung stehende endgültig urteilende eidgenössische Kommission, sei es ein Gericht. Wer dies ablehnt oder nur halb will, setzt sich mit einem der elementarsten Postulate des modernen Eechtsstaates in Widerspruch.

Diese fiskalisch infizierten Verwaltungssachen hat der Entwurf im Auge, wenn er von den in der Bundesgesetzgebung begründeten vermögensrechtlichen Ansprüchen des Bundes oder gegen den Bund aus öffentlichem Eecht spricht. Zu diesen Ansprüchen gehören zunächst die Ansprüche des Bundes gegen Dritte auf Entrichtung bundesrechtlicher Abgaben (Steuern -- also Militärpflichtersatz, neue ausserordentliche Kriegssteuer, Stempelund Couponsabgaben ---, Taxen und Gebühren) oder auf Leistung öffentlich-rechtlicher Kautionen, sowie die Ansprüche Dritter gegen den Bund auf Eückerstattung bundesrechtlicher Abgaben oder auf Bückerstattung öffentlich-rechtlicher Kautionen. Ferner fallen aber unter die in der Bundesgesetzgebung begründeten vermögensrechtlichen Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus öffentlichem Eecht beispielsweise auch die vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem Dienstverhältnis der Btmdesbeamten, die Ansprüche auf öffentlich-rechtliche Entschädigung, die Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen über deren Anteil am Ertrag der eidgenössischen Stempelabgaben oder des Militärpflichtorsatzes usw. Die genannte Formel erstreckt sich nur auf Ansprüche aus öffentlichem
Bundesrecht ; von ihr werden die im kantonalen Eecht begründeten und die privatrechtlichen Ansprüche nicht erfasst. Die Frage, ob ein konkreter Anspruch privat- oder öffentlich-rechtlichen Charakter hat, dürfte nicht immer leicht zu beantworten sein. Es kann aber nicht Aufgabe des vorliegenden Gesetzes sein, durch Definitionen Klarheit zu schaffen. Die Grenzziehung zwischen öffentlich-rechtlichen, vor

203 die Verwaltung oder das Verwaltungsgericht gehörenden Sachen und den zivilrechtlichen, in die Kompetenz des Zivilrichters fallenden Streitigkeiten musa der Praxis überlassen werden. Darüber aber wollen wir keine Zweifel aufkommen lassen, dass der Entwurf das ganze Dienstverhältnis des Bundesbeamten und alle daraus sich ergebenden Ansprüche als dem öffentlichen Eecht angehörig betrachtet (vgl. Art. 17, Abs. 1). Ferner ist hervorzuheben, dass der Entwurf sich auf in der Bundesgesetzgebung b e g r ü n d e t e Ansprüche bezieht. Das Gesetz über die Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege soll ein Prozessgesetz sein; es hat nur das Verfahren zu regeln, in dem ein im materiellen Eecht begründeter Anspruch im Streitfalle geltend zu machen und zu beurteilen ist. Es kann daher kein Zweifel darüber bestehen, dass die Vorlage kein materielles Eecht schafft und dass sich also aus ihr keine Forderungsansprüche ableiten lassen. Wer vor Verwaltungsgericht einen Anspruch geltend macht, muss dartun, dass der von ihm geltend gemachte Anspruch in einer materiellrechtlichen bundesgesetzlichen Bestimmung begründet ist. Wer z. B. die Eückerstattung einer Steuer verlangt, kann das Verwaltungsgericht nur anrufen, wenn die Steuergesetzgebung einen Anspruch auf Eückerstattung der in Frage stehenden Steuer vorsieht und die gesetzlichen Voraussetzungen, an die ein solcher Anspruch geknüpft ist, erfüllt sind.

Ebenso kann man beispielsweise einen streitigen Anspruch gegen den Bund aus öffentlicher Entschädigung nur dann beim Verwaltungsgericht geltend machen, wenn die Entschädigungspflicht in der Bundesgesetzgebung vorgesehen ist. Wird ein Entschädigungsanspruch geltend gemacht, ohne dass eine Entschädigungspflicht in der Bundesgesetzgebung aufgestellt sei, so muss das "Verwaltungsgericht den Anspruch abweisen. Weiterhin denkt der Entwurf nur an «vermögensrechtliche» Ansprüche. Er versteht darunter die geldwerten Eechte, die Ansprüche, die einen wirtschaftlichen Wert darstellen. Über diesen Begriff des vermögensrechtlichen Anspruchs bestehen keine Zweifel, wenn auch dessen Anwendung im einzelnen Falle hie und da zu Schwierigkeiten führen dürfte; diese werden aber nicht so gross sein, dass die Praxis nicht ihrer Herr zu werden vermöchte. Endlich handelt es sich um vermögensrechtliche Ansprüche «des Bundes oder gegen den
Bund», d. h. Ansprüche, die dem Bunde zustehen oder gegen ihn gerichtet sind. Die Bundesbahnen gelten selbstverständlich als « Bund». Aber auch die eidgenössische Alkoholverwaltung wird nach Art. 46 des Entwurfs dem «Bunde» gleichgestellt, trotzdsm ihr nach Art. 19 des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser vom 29. Juni 1900 juristische Persönlichkeit zukommt: im öffentlichen Eecht begründete vermögensrechtliche Ansprüche der

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204 Alkoholverwaltung und gegen diese werden daher als Ansprüche des Bundes und gegen den Bund behandelt. Als «Bund» fallen dagegen ausser Betracht die selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten des Bundesrechts: die Schweizerische Nationalbank (Art. l des Bundesgesetzes vom 7. April 1921), die Schweizerische 'Unfallversicherungsanstalt (Art. 41 KUG) und das Linthunternehmen (BGE.

Bd. 47, I, 116).

Wird der Entwurf Gesetz, so wird die Zuständigkeit zur Beurteilung der im öffentlichen Becht begründeten vermögensrechtlichen Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund verändert : diese Sachen gehen vom Bundesrate auf das Bundesgericht, auf die Zollrekurskommission oder auf andere, ausserhalb der Buhdesverwaltung stehende, endgültig urteilende eidgenössische Instanzen über.

Diese Eegel gilt jedoch nicht ohne Vorbehalt und Ausnahme.

Einmal macht der Entwurf (Art. 17, Abs. 3) einen Vorbehalt hinsichtlich der Kompetenzen der eidgenössischen Bäte. Dies brauchte er nicht zu tun, -wenn die Bundesversammlung nur Organ der gesetzgebenden Gewalt wäre. In grossem Umfang übt sie aber auch administrative Funktionen aus. Mit Bücksicht auf diese Art der Betätigung ist der Vorbehalt nicht überflüssig: er bringt zum Ausdruck, dass Ansprüche, die nach geltendem Becht von der Bundesversammlung zu entscheiden sind, nicht vor Verwaltungsgericht gebracht werden können. Wenn beispielsweise Art. l, Abs. 2, des Militärverßicherungsgesetzes den Entscheid über Anstände sswischen Bund und Kantonen der Bundesversammlung zuweist, so hat es hierbei eein Bewenden.

Sodann bestimmt der Abs. 5 des Art. 17, dass alle öffentlichrechtlichen Ansprüche auf Beiträge oder Zuwendungen des Bundes in irgendwelcher Form von der Beurteilung durch das Verwaltungsgericht ausgeschlossen sind. Damit werden alle Bundessubventionen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ausgenommen. Wir gehen dabei von der grundsätzlichen Erwägung aus, dass die Subventionserlasse gar nicht die Schaffung eines individuellen Anspruchs auf eine Leistung des Bundes bezwecken, sondern um der Förderung eines allgemeinen Staatszweckes willen die Gewährung von Bundesbeiträgen in Aussicht nehmen. Ferner fällt in Betracht, dass bei den Subventionen das verwaltungstechnische Ermessen eine grosse Bolle spielt. So enthalten verschiedene Erlasse eine Bestimmung, wonach
der Bund einen Beitrag gewähren kann oder auch wonach hinsichtlich der Höhe des Bundesbeitrages ein weiter Bahmen aufgestellt wird, innerhalb dessen die Festsetzung der Höhe dem Bundesrate zusteht; es ist von vornherein klar, dass in solchen Fällen die Entscheidung einem Verwaltungsgericht nicht übertragen werden

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kann. Aber auch wenn ein Erlass den Bund unter gewissen Voraussetzungen zur Leistung oines Beitrages verpflichtet und dessen Höhe genau festsetzt, handelt es sich bei den Voraussetzungen und Bedingungen der Beitragsleistung in der Kegel um technische Prägen, die sich zu einer gerichtlichen Beurteilung nicht eignen. Ferner ·würde die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete des Subventionswesens auch praktisch grosse Schwierigkeiten bereiten und namentlich zu Eingriffen in das Budgetrecht der Bundesversammlung führen.

> Im -weiteren bestimmen Art. 8, Ut. e, und Art. 17, Abs. 4, dass die Ansprüche aus dem Tarif-, Tax-, Gebühren- und Transportwesen der Schweizerischen Bundesbahnen von der Beurteilung durch das Verwaltungsgericht ausgeschlossen sind. Die Streitigkeiten über Gebühren und den Gebührencharakter tragende Taxen werden nicht uin ihrer selbst willen, sondern deshalb von der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgenommen, weil die Streitigkeiten über die gleichartigen Abgaben der Privatbahnen ihr nicht unterstellt werden können und es unverständlich wäre, wenn über gleichartige Leistungen verschiedene Instanzen zu befinden hätten. Im übrigen begründen diese Vorschriften nur äusserlioh und scheinbar einen Einbruch in den Grundsatz, dass die dem öffentlichen Hecht angehörenden verrhögensrechtlichen Ansprüche des Bundes und gegen den Bund der Kognition der Verwaltung entzogen sind. In Wahrheit werden diese eisenbahnrechtlichen Forderungsrechte von dem Grundsatze überhaupt nicht erfasst: nach der übereinstimmenden Auffassung der Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen *) und des eidgenössischen Eisen1 ) Die Generaldirektion der SBB sagt in einein Berichte: «Infolge der staatlichen Tarifhoheit, die auch für die Privatbahnen gilt, und der erforderlichen Genehmigung der Tarifsätze durch Bundesbehörden, steht der öffentlichreohtliche Charakter der Tarifbestimmungen und Tarifsätze ausser Zweifel. Soweit aber die Beziehung der Einzelpersonen zur Eisenbahn einer besondem Ordnung bedarf, liegt eine Aufgabe des Privatrechts vor. Hierunter fallen die allgemeinen Beförderungsbedingungen und die Haftung für die durch den Betrieb verursachten Schäden. Beim Absohluss eines Beförderungsvertrages sind die Parteien an das öffentlichrechtlich festgelegte Element des Tarifsatzes allerdings gebunden,
allein diese Gebundenheit der Vertragsohliessenden an öffentlichrechtliche Bestimmungen vermag den privatrechtlichen Charakter des Beförderungsvertrages, der allein Anlass zu Streitigkeiten geben kann, keineswegs Eintrag zu tun. -- Es ginge auch nicht an, Tarifstreitigkeiten und Prachtreklamationen gegenüber den Bundesbahnen allein vom Verwaltungsgericht entscheiden zu lassen. Infolge des bestehenden durchgehenden Verkehrs der Bundesbahnen mit einer Reihe von Privatbahnen berühren solche Streitigkeiten in vielen Fällen mehrere Bahnverwaltungen und es wäre ganz undenkbar, zur Anbringung von Reklamationen für ein und denselben Transport über Routen verschiedener Bahnen für die Bundesbahnen ein Verwaltung^ gericht und für Privatbahnen den ordentlichen Richter, also verschiedene

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206 bahndepartements sind sie -- wie auch die entsprechenden Ansprüche der Privatbahnen -- privatrechtlicher Natur und gelangen, wenn sie im Streite liegen, vor das Forum der Zivilgerichte. Der Entwurf führt sie deshalb unter den Ausnahmen auf, damit kein Zweifel darüber bestehe, dass sie, nach wie vor, von den Zivilgerichten und nicht vom Verwaltungsgericht zu beurteilen sind.

Von mehr als einer Seite ist uns das Ansinnen gestellt worden, den Katalog der Ausnahmen zu erweitern. Wir haben ihm nicht Folge gegeben, nicht Folge geben können, ohne das Prinzip zu gefährden. Auf eines dieser Begehren soll um seiner generellen Bedeutung willen im folgenden noch hingewiesen werden.

Von verschiedenen Seiten ist die Anregung gemacht worden, allgemein vorzuschreiben, dass vermögensrechthche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund, deren Streitwert eine bestimmte .

Grenze nicht überschreitet, von der Kognition des Verwaltungsgerichts ausgenommen seien. Wenn dieser Vorschlag das Verwaltungsgericht von Bagatellsachen entlasten möchte, ist er verständlich. Wenn aber seine Tendenz lediglich darauf gerichtet ist, die Verwaltungsgerichtsbarbeit auf diesem Gebiete einzuschränken, so steht er in Widerspruch mit der Grundauffassung des Entwurfs.

Die Verwaltung ist hinsichtlich jener Streitigkeiten Eichter in eigner Sache, mag der Streitwert grösser oder kleiner sein. Sie ist durch eine unbefangene Instanz auch da *zu ersetzen, wo die Bedeutung des Handels unerheblich ist. Namentlich bei direkten Steuern, die nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abgestuft sind, muss der Bechtsschutz der gleiche sein, gleichviel ob der im Streite liegende Steuerbetrag bedeutend oder unbedeutend ist. Die Festsetzung einer Streitwertgrenze trägt immer den Charakter des Willkürlichen an sich. Sie kann auch dazu führen, dass einzelne Verwaltungssachen, deren Entscheid für den Bund eine Mehr- oder Mindereinnahme von Hunderttausenden von Franken zur Folge hat, oder dass ganze Verwaltungsgebiete wegen der Geringfügigkeit des Streitwertes verwaltungsgerichtlicher Beurteilung tatsächlich entzogen sind. Diese Bedenken gegen die Fixierung einer generellen Streitwertgrenze scheinen uns schwerer zu wiegen, als die Eücksicht auf das Verwaltungsgericht und dessen Entlastung von kleinen Sachen.

2. Das Bundesgericht kommt in zwei verschiedenen
Funktionen dazu, sich mit diesen fiskalisch gebundenen Sachen zu befassen: als einzige I n s t a n z (Art. 17) "und als B e s c h w e r d e i n s t a n z Gerichtsstände, vorzusehen. Die Transporttaxen und sonstigen Gebühren, die als Entgelt für die Inanspruchnahme der Bahn zu betrachten sind, sollten deshalb bei verstaatlichten, wie bei Privatbahnen aus den Gegenständen der Verwaltungsgerichtsbarkeit ganz ausscheiden.»

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(Art. 3), je nach der Stellung, in welcher die Verwaltung der Verwaltungssache gegenübersteht. Dort nimmt die Verwaltung lediglich als Partei Stellung zu Ansprüchen des Bundes gegen Dritte und Dritter gegen den Bund, hier entscheidet sie über diese Ansprüche. Dort ist der Stellungnahme der Verwaltung jede exekutorisohe Wirkung versagt, hier kann der Verwaltungsentscheid einem vollstreckbaren Urteil gleichgestellt werden. Dort liegt eine beim Gericht anfechtbare Parteierklärung, hier ein weiterziehbarer Entscheid vor. Dort ist der Eechtsbehelf die Klage, hier die Beschwerde.

Die der Natur der Sache entsprechende Stellung der Verwaltung zu den vermögensrechtlichen Ansprüchen des Bundes oder gegen den Bund ist die einer Partei. Daher stellt Art. 17 des Entwurfs die Eegel auf, dass das Bundesgericht über sie als einzige Instanz urteilt.

Diese Eegel ohne Einschränkung gelten zu lassen, ginge jedoch zu weit. Es gibt vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes und gegen den Bund, denen die Verwaltung objektiver gegenübersteht, als eine Partei, deren Abstand von der Verwaltung wesentlich grösser ist als der Abstand zwischen Sache und Partei zu sein pflegt. Zu diesen Ansprüchen nimmt die Verwaltung als erkennende Instanz und dann das Verwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz Stellung. Als solche Sachen bezeichnet der Entwurf in Art. 8 die Ansprüche auf Entrichtungoder Eückerstattung bundesrechtlicher Abgaben und auf Leistung oder Eückerstattung öffentlich-rechtlicher Kautionen.

II. Die vermögensrechtlichen Ansprüche des Bundes und gegen den Bund umfassen wohl die erdrückende Mehrheit der Sachen, an deren Ausgang der Fiskus beteiligt ist. Der von dieser Formel etwa nicht erfasste Best soll durch Enumeration der Beurteilung des Bundesrates entzogen werden. Diesen Streitigkeiten steht der Komplex von Verwaltungssachen gegenüber, an denen der Fiskus nicht interessiert ist. Dort verlangt es die Natur der Sache, dass sie richterlicher Kognition unterstehen. Hier dagegen ist entscheidend, ob die verschiedenen Arten von Verwaltungssachen sich besser zu administrativer oder zu gerichtlicher Erledigung eignen; hier k a n n enumeriert werden.

c. Weiterziehung bundesrätlicher Entscheide an das Verwaltungsgericht.

Zu wiederholten Malen haben wir in unserer Botschaft betreffend Eevision der Bundesverfassung zur Errichtung
eines eidgenössischen Verwaltungsgerichtß vom 20. Dezember 1911 (Bundesbl. 1911, Bd. V.

S. 334, 385 und 353) der Ansicht Ausdruck gegeben, dass eine Lösung unannehmbar erscheine, wonach die Beschlüsse des Bundes-

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rates als Gesamtbehörde an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden könnten.

Der vierte Pleinersche Entwurf dagegen statuiert generell die Weiterziehbarkeit bundesrätlicher Verwaltungsentscheide an das Verwaltungsgericht.

Der vorliegende Entwurf nun aber schliesst die Weiterziehbarkeit aus, hält mithin an dem Standpunkte fest, den die Verfassungsrevisionsbotschaft vom Jahre 1911 vertritt. Die Gründe, die ihn bestimmen, diese Haltung einzunehmen, sind verschiedener Art.

Obenan steht und entscheidend ist die Frage, ob die Unterwerfung bundesrätlicher Entscheide unter die Kognition des Verwaltungsgerichts verfassungsrechtlich zulässig ist.

Art. 95 BV bezeichnet den Bundesrat als die «oberste» vollziehende Behörde. Der Bundesrat hätte aber nicht den Charakter einer «obersten» Verwaltungsbehörde, wenn seine Verwaltungsentscheide im allgemeinen an das Verwaltungsgericht weiterziehbar wären. Ein kantonales Obergericht ist in Strafsachen, nicht aber in Zivilsachen oberste richterliche Instanz, weil dort seine Urteile grundsätzlich nicht weiterziehbar, hier jedoch im Prinzip auf dem Wege der Berufung angefochten werden können. Eine Behörde hört auf, auf ihrem Kompetenzgebiet «oberste» Instanz zu sein, wenn ihre Entscheide im allgemeinen von einer noch höhern Instanz überprüft und, gestützt hierauf, abgeändert oder aufgehoben werden können.

Hiegegen könnte eingewendet werden, die Bundesverfassung garantiere dem Bundesrate nur die Stellung einer obersten «vollziehenden», nicht einer obersten Behörde überhaupt; der Bundesrat bleibe oberste «vollziehende» Behörde, wenn ihm eine «richterliche» Behörde übergeordnet werde. Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass er auf einer Konzeption beruht, die mit unserer Verfassung zugrundeliegenden Anschauungen nicht vereinbar ist: sie steht in Widerspruch zu der Stellung, die dem Bundesrate eingeräumt ist; sie stört das Verhältnis, in dem nach Verfassung Bundesrat und Bundesgericht zu einander stehen. Unser Grundgesetz betrachtet Bundesrat und Bundesgericht als ebenbürtige, koordinierte und von einander unabhängige Behörden. Die eine ist der andern weder übernoch untergeordnet. Nirgends ist eine Norm dieses Inhalts expressis verbis ausgesprochen. Trotzdem gehört sie zum gefestigten Bechtsbestand des eidgenössischen Staatsrechts. Wir gehen wohl auch nicht fehl,
wenn wir annehmen, dass sie dem Volksempfinden entspricht, sei es, dass sie von ihnj rezipiert oder aus ihm herausgewachsen ist. Bundesrichter Hafner gibt dieser Anschauung klaren und bestimmten Ausdruck: er erklärt Besehwerden aus Art, 113, Ziffer 3 BV gegen Verfügungen und Erlasse eidgenössischer Behörden des-

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halb für unzulässig, «weil Bundesrat und Bundesgericht von einander unabhängig sind». (Vgl. Entwurf Hafner zu einem Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege vom Frühjahr 1888, S.140), Wenn Dubs (Das öffentliche Recht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1878, II, S. 71) darauf hinweist, dass die Weiterziehung von bundesrätlichen Administrativentscheiden an die Bundesversammlung «die Stellung der beiden Staatskörper denaturiere und den Bundesrat zu einer Unterinstanz der Bundesversammlung mache», so würde dies in erhöhtem Masse gelten für den Fall, dass man bundesrätliche Verwaltungsentscheide generell der Überprüfung des Bundesgerichts unterstellt.

Dazu kommt noch folgende, dem Antrag unseres Justiz- und Polizeidepartements vom 29. Juni 1917 entnommene Erwägung rechtlicher Natur: «Der Art. 103 BV schreibt vor, gegen Entscheidungen der Mittelinstanzen stehe die Beschwerde an den Bundesrat oder an das Verwaltungsgericht offen. Dieser revidierte Art. 108 ist von der Bundesversammlung gleichzeitig mit Art. 114bis beschlossen worden. Beide Artikel stehen in einem innern organischen Zusammenhang. Der Art. 114biB darf deshalb nicht losgelöst von dem gleichzeitig mit ihm zustandegekommenen Art. 103 interpretiert werden.

Aus der Vergleichung beider Artikel aber ergibt sich, dass die Zuweisung von Verwaltungsgeschäften an mittlere Instanzen und die Eröffnung des .Rekurses von diesen Mittelinstanzen an das Verwaltungsgericht wesentlich zu dem Zwecke erfolgt, um den Bundesrat der Kontrolle des Verwaltungsgerichts zu entziehen.» (Gesetzesmaterialien II 8.14.)

Ob die Weiterziehung bundesrätlicher Verwaltungsentscheide an das Bundesgericht vorzusehen sei, ist nicht nur eine Rechts-, sondern auch eine Zweckmässigkeitsfrage. Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist unter anderem damit begründet worden, dass sie eine Vereinfachung des Rechtszuges und eine Entlastung des Bundesrates mit sich bringe {vgl. Botschaft betreffend die Revision der Bundesverfassung zur Errichtung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichtes vom 20. Dezember 1911, Bundesbl. 1911, Bd. V, S. 334). Weder das eine noch das andere tritt aber ein, wenn bundesrätliche Verwaltungsentscheide der Kognition des Bundesgerichts unterworfen werden : die Vereinfachung des Rechtszuges nicht, weil die jetzigen Instanzen um
eine Instanz vermehrt würden; die Entlastung des Bundesrates nicht, weil der Bundesrat den Entscheid nicht nur zu fällen, sondern auch vor Bundesgericht zu vertreten hätte.

Die Frage, ob bundesrätliche Verwaltungsentscheide der Überprüfung des Bundesgerichts zu unterwerfen seien, hat bei der Generalklausel nicht die gleiche Bedeutung wie bei der Enumerations-

210 méthode. Die Verwaltungsstreitigkeiten, die der vorliegende Entwurf selbst (Art. 8, lit. a und 6) oder durch den Enumerationsbeschluss dem Bundesgerieht als Beschwerdeinstanz zuweist, lassen sich unschwer überblicken. Sie sind solcher Art, dass -- sobald sie der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterstellt werden ·-- kein Bedürfnis besteht, dass der Bundesrat über sie entscheide. Von dieser "Überlegung ausgehend gelangt der Entwurf (Art. 50) dazu, die an das Verwaltungsgericht weiterziehbaren Sachen -- unter Ausschaltung des Bundesrates als entscheidender Instanz -- ex lege an Mittelinstanzen zu delegieren und von diesen hinweg die Weiterziehung direkt an das Verwaltungsgericht vorzusehen. Es werden nicht die delegierten Sachen als weiterziehbar, sondern die weiterziehbaren als delegiert erklärt. Die der Kognition des Verwaltungsgerichts unterworfenen Sachen berühren den Bundesrat überhaupt nicht; ihr Weg führt am Bundesrate vorbei nach Lausanne. So wird nach dem Entwurf die Frage der Weiterziehung bundesrätlicher Verwaltungsentscheide an das Bundesgericht gegenstandslos. Es ist kein Nachteil dieser Lösung, dass sie zur sorgfältigsten Prüfung bei der Vornahme der Enumerierung verpflichtet.

Dabei übersehe man aber nicht, dass nicht alle Entscheide des Bundesrates in Verwaltungssachen gleicher Art sind. Es gibt solche, die sich als verbindliche behördliche Anordnungen, es gibt aber auch solche, die sich lediglich als namens des Bundes abgegebene Parteierklärungen darstellen. Nur jene sohliesst der Entwurf von der Kognition des Bundesgerichts aus. Diese verweist er in Art. 17 und 18 an das Bundesgericht. Dieses kommt also auch dann, wenn der Entwurf geltendes Recht wird, dazu, über Schlussnahmen des Bundesrates zu erkennen, aber nicht als Rechtsmittelinstanz, sondern als einzige Instanz.

d. Das Bundesgericht als Verwaltungsgericht.

Zu den Problemen, zu denen der Verwaltungsgerichtsgesetzgeber von Anfang an Stellung zu nehmen hatte, gehört die Erage nach der Organisation des neuen Eechtspflegeorgans. Der bundesrätliche Bericht zur Verfassungsrevision vom Jahre 1911 rang mit ihr. Im Jahre 1917 noch bildete sie den Gegenstand eines beim Bundesgerieht eingeholten Gutachtens, Heute kann die Frage als abgeklärt gelten. Allgemein1) ist man ') Eine Ausnahme macht vor allem der Föderatiwerband des
eidgenössischen Personals und des Personals öffentlicher Verkehrsanstalten.

Er postuliert in erster Linie Schaffung eines selbständigen Verwaltungsund Disziplinargerichts und, für den Fall der Ablehnung dieses Gedankens, die Übertragung der Verwaltungs- und Disziplinargeriohtsbarkeit an das eidgenössische Versicherungsgericht in Luzern.

r^ 211 damit einverstanden, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Sinne des Entwurfs dem Bundesgericht inkorporiert wird. Das natürliche Gewicht der Grunde, die für diese Lösung sprechen, war -- wie es scheint -- so gross, das ohne jede äussere Veranlassung und unvermerkt sich in der allgemeinen Meinung dieWage nach dieser Seite neigte.

Trotzdem glauben wir bei der grundsätzlichen Bedeutung der Frage nichts Überflüssiges zu tun, wenn wir die Lösung des Entwurfs kurz begründen: Die zu beantwortende Hauptfrage ist darauf gerichtet, ob ein selbständiges Verwaltungsgericht einzurichten oder ob in dieser oder jener Form die Verwaltungsgerichtsbarkeit dem Bundesgericht zu übertragen sei.

Wir haben in der Botschaft zur Verfassungsrevision vom 20. Dezember 1911 die Gründe für und gegen ein selbständiges Verwaltungsgerioht gegeneinander abgewogen und sind mm Schlüsse gelangt, dass einem vom Bundesgericht losgelösten Verwaltungsgericht der Vorzug zu geben sei. Das entscheidende Moment schien uns damals in der grundsätzlichen Eigenartigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu liegen : wif haben vor allem darauf abgestellt, dass sie eine besondere, von. der staatsrechtlichen Gerichtsbarkeit, vollends aber von der Betätigung auf zivilrechtlichem Gebiete, verschiedene Rechtsprechung sei ; kein Gebiet -- so sagten wir damals -- würde eine Behandlung nach den starren Normen des Zivilrechts weniger ertragen als die Verwaltungsrechtspflege; die ganze Geistesrichtung sei eine andere, derart, dass nicht nur der Einfluss gewisser zivilistisch or Auffassungen auf den Entscheid von Verwaltungsstreitigkeiten, sondern auch der Einfluss gewisser verwaltungsrechtlicher Auffassungen auf den Entscheid von Zivilstreitigkeiten kaum ein günstiger sein könnte. Wie im Jahre 1911, sind wir uns heute der Wesensverschiedenheit öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rechtsprechung bewusst. Wir ziehen aber daraus nicht den gleichen Schluss, wie bei Erlass der Botschaft zur Verfassungsrevisionsvorlage. Wir legen heute das Hauptgewicht nicht auf den Gegensatz zwischen zivilistischer und publizistischer Bechtsauffassung, sondern auf die nahe, innere Verwandtschaft zwischen staatsrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Rechtsprechung: darauf, dass die jetzige staatsrechtliche Bechtsprechung sich zum grossen Teil als Administrativjustiz
darstellt, dass die Kompetenzen, die der Entwurf der staatsrechtlichen Abteilung zuweisen möchte, deren Jurisdiktionstätigkeit lediglich erweitert, in ihrem Wesen aber nicht verändert (vgl. die zutreffenden Ausführungen des Bundesgerichts, Materialien II S. 74 ff. und 86). Wenn es bis jetzt nicht als Mangel empfunden worden ist, dass dem Bundesgericht neben den zivilrechtlichen auch eine staatsrechtliche Abtei-

TM|^L

212 lung angehört, so kann es auch nicht als verfehlt gelten, wenn der staatsrechtlichen Abteilung eine neue, nicht wesensfremde Zuständigkeit zuwächst. Die «Eigenartigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit» besteht überhaupt nicht, wenn man sie mit der Staatsrechtspflege des Bundesgerichts in Beziehung bringt und bildet, soweit sie existiert, keinen Grund für die Schaffung eines selbständigen, vom Bundesgericht losgelösten Verwaltungsgerichts.

Geht es an, die Staats- und verwaltungsrechtliche Jurisdiktion zusammenzulegen, so sollte man es unbedenklich tun. So eng wie möglich sind die beiden geschwisterlichen Eechtspflegefunktionen miteinander in Verbindung zu bringen. Dann ist nicht zu befürchten, dass in verwandten Fragen die Staats- und verwaltungsrechtliche Rechtsprechung auseinandergeht. Dann kommt die in der staatsrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts verkörperte reiche richterliche Erfahrung und Bildung auch der Vorwaltungsjustiz zugute. Dann überträgt sich das Ansehen, das die staatsrechtliche Judikatur des Bundesgerichts geniesst, auch auf dessen verwaltungsrechtliche Bechtsprechung. Das Ansehen eines Verwaltungsgerichts ist kein leerer Wahn. Es hat praktische Bedeutung. Ein Verwaltungsgericht hat die eigentümliche, weit über die Entscheidung des konkreten Falles hinausgehende Aufgabe, sich mit seinen Auffassungen bei der Verwaltung durchzusetzen, sich bei ihr Beachtung zu verschaffen, sie sich zu unterwerfen T). Je höher sein Ansehen steht, um so leichter wird ihm dies möglich sein.

Vor nicht langer Zeit ist das eidgenössische Versicherungsgericht in Ludern geschaffen worden. Heute schon ist die Einsicht weit verbreitet, dass man besser getan hätte, die versicherungsgerichtliohen Funktionen dem Bundesgericht zu übertragen. Es fehlt auch nicht an Stimmen, die den seinerzeit begangenen Fehler jetzt noch korrigieren möchten. Nach diesen Erfahrungen schien es nicht ratsam, wieder ein Spezialgericht mit einem relativ beschränkten Koinpetenzenkreis zu kreieren. Ein spezielles und isoliertes Verwaltungsgericht zu errichten, ist auch a priori nicht gerechtfertigt. Dem Mitl ) Abnormal, aber doch typisch ist folgende, von Otto Mayer (Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl., I, S. 92, Note 28) erwähnte Begebenheit: Das preussisohe Oberverwaltungsgericht hatte unterm 8. August 1876 ausgesprochen,
dass es rechtswidrig sei, eine Versammlung deshalb aufzulösen, weil die Eedner sich der polnischen Sprache bedienten. Die Polizei fuhr fort. Auf eine Interpellation im Abgeordnetenhause erklärte der Minister: das Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichts beziehe sich natürlich nur auf den konkreten Fall. Unterm 5. Oktober 1897 entschied das Oberverwaltungsgericht nochmals in jenem Sinn. Auf eine neue Interpellation im Abgeordnetenhause erklärte der Minister: «er warte ruhig ab» und die Verwaltung blieb bei ihrem Verfahren, bis sie bekanntlich im Reichs gesetze vom 19. April 1908 ihren Willen durchsetzte.

213 glied eines Spezialgerichts ist es allerdings möglich, sieh in das besondere, ihm anvertraute Bechtsgebiet gründlicher zu vertiefen, als es ihm sonst vielleicht möglich wäre. Es ist aber der Gefahr ausgesetzt, die Zusammenhänge aus dem Auge zu verlieren, die sein Spezialgebiet mit andern Spezialgebieten und vor allem mit dem Eecht im allgemeinen verbindet. Dazu kommt, dass jede Isolierung, jedes Sichabschliessen für den Eichter verderblich ist: ein auf der Höhe seiner Aufgabe stehendes Gericht darf die Fühlung nicht nur mit dem Leben, sondern auch mit den rechtlichen Anschauungen, Ideen und Strömungen nicht verlieren, die auf andern Becbtsgebieten und im Eecht überhaupt massgebend sind. Der Zivilist soll die Denkweise des Publizisten kennen und verstehen. Der Verwaltungsrichter soll sich nicht verschliessen dem, was jenseits der Grenzen seines Spezialgebietes liegt. Es soll ihm auch die Möglichkeit gegeben sein, im persönlichen Verkehr mit anders gerichteten Eichtern, durch praktische Betätigung in zivilrechtlichen, strafrechtlichen oder betreibungsrechtlichen Abteilungen und Kammern über das spezielle Fachgebiet hinausreichende Interessen zu befriedigen. Das sind die Anschauungen, die uns leiten, wenn wir vorschlagen, die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit dem Bundesgericht zu verbinden.

Das politische Bedenken gegen die Zentralisation der Gerichtsbarkeit und der damit verbundenen Macht in einem Gericht teilen wir nicht. Die Machtfülle des Bundesgerichts als solchen ist und bleibt unbedeutend. Wird doch die Eechtsprechungnicht vom Bundesgeiicht selbst, sondern nur namens des Bundesgerichts ausgeübt; die wahren Träger der Jurisdiktionsgewalt sind die einzelnen Abteilungen und Kammern. Die Macht aber, die der staatsrechtlichen Abteilung zuwächst, wenn ihr die verwaltungsgerichtlichen Funktionen überwiesen werden, entspricht genau der Macht, die einem selbständigen Verwaltungsgericht zukäme, wenn ein solches geschaffen würde.

Wir begrüssen es vielmehr, wenn --- entsprechend dem Gedanken des Art. 106 BV --· die Eechtspflege unseres Landes sich im Bundesgericht vereinigt. «Das Bundesgericht verkörpert so den Gedanken rechtsstaatlicher Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit; eine solche Eechtspflegeeinrichtung festigt nicht nur den innern Halt des Staatswesens, sondern auch sein Ansehen nach aussen.»
(Gutachten des Bundesgerichts.)

Es unterliegt keinem Zweifel, dass zur Bewältigung der neuen richterlichen Aufgabe neue richterliche Kräfte erforderlich sind. Die Zahl dieser Kräfte ist aber nicht wesentlich verschieden, mag die neue Aufgabe dein Bundesgericht oder einem selbständigen VerwalBundesblatt. 77. Jahrg. Bd. II.

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214 tungegericht zugewiesen werden; immerbin dürfte die Kombination mit dem Bundesgericht eher reduzierend wirken.

Die Grenze zwischen den staatsrechtlichen und den verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten ist nicht scharf: die Rechtslage ist unbestimmt und dürfte oft zu Zweifeln und zu Kompetenzkonflikten Anlass geben, wenn die staatsrechtlichen Streitigkeiten vom Bundesgericht, die verwaltungsrechtlichen aber von einem selbständigen Verwaltungsgericht zu beurteilen sind. Diese Rechtsunsicherheit und vor allem die daraus sich ergebenden Streitigkeiten werden aber vermieden, wenn Staats- und verwaltungsgerichtliche Kompetenzen in einer Hand vereinigt werden.

Nebenbei mag endlich darauf hingewiesen werden, dass die Verschmelzung von Verwaltungsgericht und Bundesgericht die für den Bund weniger kostspielige L/ösung ist als die Errichtung einer selbständigen, neuen Instanz.

Die vom Entwurf vorgeschlagene Lösung schliesst eine Verlegung des Sitzes des mit der Verwaltungsrechtspflege betrauten Gerichts nach Bern aus. Wer aus dem Verwaltungsgericht einen «Generalvogt der Verwaltung» machen will, begrüsst dies. Wir denken nicht so. Befindet sich der Sitz des Gerichts am Sitz der Verwaltung, so ist die Gefahr weniger drohend, dass sich zwischen den beiden Gewalten ein Antagonismus herausbildet, der auf das off enthebe Leben lähmend einwirken müsste. Sodann ist das Gericht vor allem dann vor Irrtümern und Missgriffen geschützt, wenn es sich in enger Fühlung mit der Verwaltung, mit deren Bedürfnissen, Bestrebungen und Nöten befindet: einer Fühlung, der die distantia loci nicht förderlich ist. Es wäre auch leichter, das Gericht zu einer fortgesetzten und intensiven Mitarbeit bei der Schaffung der Verwaltungsgesetzgebung heranzuziehen, wenn Bundesrat und Verwaltungsgericht nicht räumlich getrennt wären. Die Befürchtung endlich, dass das am Sitze der Verwaltung befindliche Gericht an Unabhängigkeit, Bückgrat und Selbständigkeit einbüsse, teilen wir gestützt auf die in den Kantonen und im Ausland gemachten Erfahrungen nicht. So erblicken wir in der vom Entwurf getroffenen Lösung der Sitzfrage einen Nachteil; dieser wird aber reichlich auf gewogen durch die Vorteile, welche die Verbindung von Staats- und Verwaltungsgerichtsbarkeit bietet.

Es ist die Anregung gemacht worden, die staatsrechtliche Abteilung des
Bundesgorichts vom Bundesgericht loszulösen, ihr die verwaltungsgerichtlichen Geschäfte zu übertragen und aus ihr eine selbständige Cour de droit public zu machen. Der Entwurf folgt den Spuren dieses Vorschlages insofern, als er die verwaltungsgerichtlichen Funktionen der staatsrechtlichen Abteilung zuweist.

215 Er weicht aber von ihnen ab, wenn er die organisatorische Trennung der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung vom Bundesgericht nicht vorsieht. Eine solche Spaltung des Bundesgerichts in zwei selbständige Jurisdiktionsorgane entspräche nicht dem Gedanken des Art. 106 BV, wonach die Gerichtsbarkeit des Bundes in einer Behörde verkörpert wird. Sie wäre mit einer Eeihe organisatorischer Schwierigkeiten verbunden. Sie wäre bei dem Ineinandergreifen von öffentlichem und privatem Eecht nur schwer durchführbar. Sie hätte zur Folge, dass dio Eichterwahlen für das Bundesgericht und die Cour de droit public getrennt erfolgen müssten1).

Vor allem aber ist ein Bedürfnis nach einer Neuerung dieser Art nicht ersichtlich.

e. Die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs.

Zu Titel und Ingress.

Der Titel des Gesetzes entspricht nicht vollständig dessen Inhalt, Er umfasst mehr. So fällt z. B. die vom eidgenössischen Versicherimgsgericht hinsichtlich der Militärversicherung und auch der obligatorischen Unfallversicherung geübte Verwaltungsrechtspflege ausser den Eahmen dos vorliegenden Gesetzes. Auch werden die Verwaltungsrechtspflegefunktionen der Bundesversammlung in dem Gesetze nicht erschöpfend geregelt.

Wir beschränken uns darauf, im Ingress auf die Bestimmung der Bundesverfassung Bezug zu nehmen, auf die das Gesetz sich in der Hauptsache stützt und lassen die Art. 85, Ziff. 12, 102 Ziff. 2, 108 und 106 bis 114 BV, denen mir sekundäre Bedeutung zukommt, unerwähnt.

Das vorliegende Gesetz überträgt einen Teil der Verwaltungsrechtspflege und der Disziplinarrechtspflege dem Bundesgericht, Dabei hat es nicht die Meiming, dass ein neues Verwaltungsgericht geschaffen und dem Bundesgericht angegliedert werde. Das Bundesgericht als solches übernimmt vielmehr die neuen Funktionen.

Seine jetzige Zuständigkeit wird erweitert, ohne dass seine rechtliche Stellung dadurch berührt würde. Dieser Auffassung entspricht es, ·wenn die Zuweisung neuer Kompetenzen an das Bundesgericht in einer Novelle zum Bundesrechtspflege-Organisationsgesetz geregelt wird. Der zweite Absatz dos Ingresses gibt diesem Gedanken Ausdruck. Er macht die Vorlage zu einem Ergänzungsgesetz zum OG. Daraus ergibt sich, dass die allgemeinen Bestimmungen des 1 ) Sollte man in den gesonderten Bichterwahlen wirklich einen Fortschritt erblicken, so liesse sich dieser auch ohne die organisatorische Scheidung von Bundesgericht und Cour de droit public verwirklichen.

216 0 G auf die verwaltungs- und disziplinargerichtlichen Sachen Anwendung finden.

Zu Art. 1.

Art. l der Vorlage und Art. 114bis BV sprechen von « Vcrwaltungsgerichtsbarkeit» und verstehen darunter die von einem Gericht geübte Verwaltungsrechtspflege, im Gegensatze zu derjenigen der Verwaltungsbehörden.

Das Gericht, in dessen Hand in der Hauptsache die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbarkeit gelegt ist, ist das Bundesgericht. Das Bundesgericht ist im Sinne des Art. 114bis das eidgenössische Verwaltungsgericht, dem die Bundesgesetzgebung die in den Bereich des Bundes fallenden Administrativstroitigkeiten zur Beurteilung zuweist.

Diese dem Bundesgericht zustehende Jurisdiktionsgewalt wird von dessen staatsrechtlicher Abteilung ausgeübt, die den Namen «Staats- und verwaltungsrochtliche Abteilung» annimmt. Die durch diesen Kompetenzzuwachs notwendig werdenden organisatorischen Änderungen sind in Art. 49 vorgesehen.

Zu Art. 2.

Gewisse dem Bundesgericht zugewiesene verwaltungsrechtliche Materien -- man denke beispielsweise an die in Art, l des Enumerationsbeschlusses genannten Patent-, Marken-, Muster-und Modell-, Handelsregister-, Zivilstandsregister-, Güterrechtsregister-, Viehver' schreibungs-, Grundbuch- und Schiffsregistersachen -- haben einen mehr oder weniger starken zivilrechtlichen Einschlag. In dem Masse, in welchem dies der Fall ist, berühren sich diese Materien mit der Bechtsprechung der Zivilabteilungen des Bundesgerichts und können ihnen aus diesem Grunde zur Beurteilung zugewiesen werden. Der Entwurf sieht diese Möglichkeit vor. Er erlaubt es, durch interne reglementarische Bestimmung hinsichtlich verwaltungsrechtlicher Sachen, die mit zivilrechtlichen Verhältnissen zusammenhangen, Kompetenzverschiebungen vorzunehmen und auf diesem Wege einen Ausgleich in der Belastung der Staats- und verwaltungsrechtlichen und der zivilrechtlichen Abteilungen herbeizuführen.

Bei der Disziplinarrechtspflege handelt es sich um BechtS' pflege auf einem Spezialgebiete. Der Entwurf räumt ihr deshalb eine gesonderte Stellung ein und sieht für die Beurteilung von DisziplinarfälJeu, soweit sie dem Bundesgericht übertragen wird, die Bildung einer besonderen Kammer vor. Diese Kammer wird in den Eall kommen, bei der Beurteilung von Disziplinarfällen zìi

217 Fragen des Beamtenrechtg Stellung zu nehmen, die auch in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis (Art. 17) auftauchen. Will man es vermeiden, dass über solche Fragen, je nachdem sie sich anlässlich einer vorn Bundesgericht zu beurteilenden Disziplinarstreitigkeit (Art. 33 ff.) oder anlässlich einer Streitigkeit über vermögensrechtliche Ansprüche (Art. 17) stellen, zwei verschiedene Abteilungen oder Kammern des Bundesgerichts entscheiden, so muss man der für Disziplinarsachen zuständigen Kammer auch andere Streitigkeiten aus dem Bundesbeamtenverhältnis übertragen und ihr dann den Namen «Kammer für Beamtensachen» geben. Der Entwurf sieht in den Art. 2, 33 und 49 eine solche aus 5 Mitgliedern des Bundesgerichts zu bildende Kammer vor: sie übt die Disziplinargerichtsbarkeit aus, soweit diese dem Bundesgericht zusteht (Art. 38--42); andere Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis der Bundesbeamten können ihr durch Reglement des Bundesgerichts zugewiesen werden.

Zu Art. 3.

Hat eine mit der selbständigen Erledigung einer Verwaltungäsache betraute Amtsstelle (Art. 50) als erkennende Instanz entschieden, so gabelt sieh, wenn Weiterziehung erfolgt, der Weg: der eine Weg führt zum Bundesrat, der andere zum Verwaltungsgericht.

Dort ist das zur Verfügung stehende Eechtsmittel die «Verwaltungsbeschwerde» (Art. 21), hier die «Verwaltungsgerichtsbeschwerde» (Art. 3). Wir legen aber Gewicht darauf, im Gesetze selbst-zum Ausdruck zu bringen, dass es sich dabei um zwei Arten eines einheitlichen Rechtsmittels : der «verwaltungsrechtlichen Beschwerde» handelt.

Wir befassen uns hier lediglich mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und zwar zunächst mit deren Anwendungsgebiet.

Die Sachen, die mit der Verwaltimgsgerichtsbeschworde angefochten werden können, werden zum Teil im Gesetze selbst (Art. 3, lit. a: Abgaben, lit. b: Kautionen), zum andern Teil -- gestützt auf die lit. c des Art. 3 -- durch einen Bundesversammlungsbeschhiss umschrieben.

1. Die lit. a des Art. 3, die durch Art. 4 und 5 näher präzisiert wird, lässt gegen Entscheide kantonaler oder eidgenössischer Behörden über bundesrechtliche Abgaben die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu. Diese Gruppe umfasst die bundesrechtlichen Steuern, Taxen und Gebühren, z. B. die eidgenössischen Stempel- und Couponsabgaben, die neue ausserordentliche Kriegssteuer, den Militärpflichtersatz, die Zölle (vgl. aber die Ausnahme in lit. b des Art. 8)

218 und die handelsstatistische Gebühr, die Alkoholmonopolgebühren, die Konzessionsgebühren der Transportanstalten, die Staatsgebühr der Versicherungsgesellschaften, die Patentgebühren der Auswanderungsagenturen, die BewiJligungsgebühren für Ausgabe und Durchführung von Prämienanleihen, die Gebühren für Erfindungspatente, gewerbliche Muster und Modelle, Fabrik- und Handelsmarken, die Prüfungsgebühren (betreffend Prüfungen bei der Technischen Hochschule, Maturitàts- und Medizinalprüfungen usw.), die Post-, Telegraphen- und Telephontaxen und -gebühren, die Patenttaxen für Handelsreisende, die Gebühr für die Ausfuhr elektrischer Energie, sowie überhaupt die Gebühren für Einfuhr- oder Ausfuhrbewilligungen, die Kanzleigebühren der Bundesverwaltung und die Gebühren im Beschwerdeverfahren bei der Bundes Verwaltung (vgl. aber Art. 11, Abs. 3), die Konsulargebühren, die Gebühren betreffend Handelsregister, Güterrechtsregister usw., die Gebühren für die Kontrollierung von Gold-, Silber- und Platinwaren sowie für die Ermächtigung zum Handel mit Edelmetallen, für die Prüfung von Mass und Gewicht, für Grenzuntersuchungen gemäss Lebensmittelgesetz und gemäss Tierseuchengesetz, die Untersuchungsgebühren der Materialprüfungsanstalt und der landwirtschaftlichen Versuchsanstalten und die Gebühren der Alkoholverwaltung für chemische Untersuchungen.

Nicht unter Art. 3, lit. a, fallen beispielsweise: die Taxen und Gebühren der Bundesbahnen (vgl. Art. 8, ht. c), die Gebühren der Betreibungs- und Konkursämter (weil das Eechtsmittel der Betreibungsbeschwerde gegeben ist) und die im Verfahren vor dem Bundesgericht oder dem eidgenössischen Versicherungsgericht zu entrichtenden Gebühren (weil darüber keine im Art. 9 angeführte Instanz, sondern eine eidgenössische Gerichtsbehörde entscheidet;).

Keine «Abgaben» (Art. 3, lit. a) sind die Naturalleistungen (z. B. aus Art. 30, 31, 33, 34, 203, 212 ff. und 217 ff. der Militärorganisation), 2. Durch die lit. b des Art. 3 wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide der Bundesverwaltung über öffentlichrechtliche Kautionen zugelassen. Die Tragweite der lit. b wird durch die Bestimmungen der Art. 6 und 7 näher geregelt.

Der Ausdruck «öffentlich-rechtliche Kautionen» soll klarlegen.

dass die zivilrechtlichen Kautionen ausser Betracht fallen. Die Bundesverwaltung kommt
z. B. bei der Vergebung von Bauarbeiten in den Fall, von Unternehmern Sicherheitsleistungen zu verlangen, die zivilrechtlicher Natur sind; es liegt kein Anlass vor, derartige

219 Sicherheitsleistungen der verwaltungsgerichtlichen Kognition zu unterstellen.

Zu den öffentlich-rechtlichen Kautionen, über die die Bundesverwaltung entscheidet und künftig in letzter Instanz das Verwaltungsgericht urteilen soll, gehören insbesondere die Kautionen der "Versicherungsgesellschaften, der Auswanderungsagenturen und der Inhaber von Luftfahrzeugen, ferner die Kautionen gemäss Art. 2, Abs. 2, des Bundesgesetzes betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze vom 30. Juni 1849, sowie die Sicherstellung gemäss Art. 65--72 des Entwurfs zum neuen Zollgesetz.

3. Nach dem Entwurf weist nicht nur das Gesetz selbst dem Verwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz Kompetenzen zu ; auch ein gestützt auf das Gesetz --- lit. o des Art.8 .-- erlassener Bundesversaminlungsbeschluss, der sogenannte Enumerationsbeschluss, kann es tun. Es lässt sich fragen, ob die Zuweisung eines Teils der Enumeration an einen Bundesversammlungsbeschluss innerlich gerechtfertigt ist oder ob es nicht richtiger wäre, die Kompetenz des Verwaltungsgerichts als Beschwerdeinstanz ganz im Gesetze zu umschreiben.

Die beiden ersten Fleinerschen Entwürfe haben es getan. Neuerdings ist der Gedanke von Freunden und Gegnern der Generalklausel wieder aufgegriffen worden. Es spricht aus ihm ein gewisses Misstrauen gegen die Bundesversammlung: die Freunde der Generalklausel befürchten, dass diese --- unter dem Drucke des Bundesrates -- den Kreis der der Verwaltungsgerichtsboschwerde unterworfenen Verwaltungssachen zu eng ziehen werde, die Freunde der Enumerationsméthode dagegen sind von der Sorge erfüllt, dass die eidgenössischen Räte der Bundesverwaltung leicht Kompetenzen entziehen könnten, auf die der Bundesrat nicht verzichten zu können glaubt. Wir legen der Frage, ob die Enumeration nur im Gesetz oder aber im Gesetz und in einem besondern BundesversarnrnlungsbeschJuss erfolge, keine entscheidende Bedeutung bei. Immerhin halten wir das letztere Vorgehen für praktischer nnd daher empfehlenswert: es ermöglicht, leichter und rascher eine den Bedürfnissen entsprechende Verschiebung in den Kompetenzen des Bundesrates und des Bundesgerichts vorzunehmen; zudem berührt die Frage, ob bestimmte Arten von Verwaltungssachen .vom Bundesrate oder vom Bundesgericht endgültig beurteilt werden, die Interessen
des Volkes nicht so intensiv, dass die Delegation der Kompetenz an die Bundesversammlung als ein Verstoss gegen die Grundsätze der Demokratie erscheint.

Beachtenswert sind folgende Bemerkungen des Begierungsrates des Kantons Zug zum Vorentwurf vom 5. März 1928: «Unseres Er-

220 achtens ist es durchaus unabgeklärt, welche Mehrbelastung die im Vorentwurf bezeichneten Zuweisungen von Geschäften an das Bundesgericht für dasselbe zur Folge haben werde und wie sich die Neuerungen bewähren werden. Es scheint uns daher zweckmässig, dass mit dem Erlass des Enumerationsbeschlusses noch einige Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zugewartet und davon abgesehen werde, jetzt schon den Kreis der dem Bundesgericht einzuräumenden weitern Kompetenzen festzusetzen oder auch nur hierüber Erhebungen zu machen».Wir teilen diese Auffassung nicht. Sie lässt unbeachtet, dass die im Gesetze und im Enumerationsbeschluss enthaltenen Kompetenzzuweisungen ein innerlich zusammenhängendes Ganzes bilden und nicht auseinander gerissen werden sollten. Käme es jedoch -- entgegen unserer Auffassung -- dazu, dass zwischen dem Rechtswirksam werden des Gesetzes und des Enumerationsbeschlusses Jahre liegen, dann dürfte es sich empfehlen, einzelne im Enumerationsbeschluss aufgeführte Verwaltungssachen in das Gesetz hinüberzunehmen.

Die lit. c des Art. 8 verwendet den Ausdruck «Bundesversammlungsbeschluss», weil es sich um einen Erlass handelt, den das Gesetz in die abschliessende Kompetenz der Bundesversammlung legt.

Zu dieser Kategorie von Erlassen gehören beispielsweise auch die Truppenordnung und der Beschluss über die Organisation und das Verfahren des eidgenössischen Versicherungsgerichts (vgl. Art. 52 MO und Art. 122 KUVG). Um diese Art von Erlassen gegenüber den «Bundesbeschlüssen» klarer zu unterscheiden, erscheint es als angezeigt, für sie eine besondere Bezeichnung zu wählen; deshalb möchten wir die Benennung «Bundesversammlungsbeschluss» einführen (Art. 3, lit. K, 49 und 53 des Gesetzesentwurfs, sowie Titel des Enumerationsbeschlusses). Damit würde man zugleich schon einen Schritt zur Verwirklichung des vom Nationalrate am 5. Juni 1924in folgender Fassung angenommenen Postulats Nobs tun: «Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und Bericht und Antrag einzubringen, ob und auf welchem Wege es angezeigt wäre, zur Klarlegung und Sicherstellung der Referendumsrechte des Volkes eine genaue Umschreibung und Abgrenzung der Begriffe des Bundesgesetzes einerseits und der verschiedenen Arten von Bundesbeschlüssen anderseits vorzunehmen.»

Zu Art. 4.

Um das Gesetz konkreter und anschaulicher zu gestalten, werden im Art. 4 einige Beispiele von bundesrechtlichen Abgaben aufgezählt. In erster Linie werden die wichtigsten Abgaben genannt, die den Gegenstand der grössten Zahl der Verwaltungsgerichtsbe-

221 schwerden bilden werden: Militärpflichtersatz, Kriegssteuer, Stempelund Couponabgaben, Sodann werden als Beispiel von Gebühren die Konzessionsgebühren der Transportanstalten angeführt. Endlich werden die Post-, Telegraphen- und Telephontaxen erwähnt, weil dies eine Abgabenkategorie ist, mit der jedermann in Berührung kommt.

Was den Militärpflichtersatz anbelangt, sollen künftig die Entscheide der letzten kantonalen Instanz durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können (vgl. Art. 9, lit. e); der Bundesrat wird also als Rekursinstanz in Militärsteuersachen ausgeschaltet. In Art. 11, Abs. 2, und Art. 18, lit. b, enthält der Entwurf noch besondere Bestimmungen über den Beschwerdegrund bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden betreffend den Militärpflichtersatz, sowie über die Streitigkeiten zwischen Kantonen mit Bezug auf den Militärpflichtersatz.

Bei Beschwerden gegen Entscheide über die neue aueserordentliche Kriegssteuer soll der Instanzenzug ebenfalls von der kantonalen Eekurskommission unmittelbar an das Verwaltungsgericht gehen; dieses tritt also an die Stelle der eidgenössischen Kriegssteuerrekurskommission, die infolgedessen aufgehoben wird (vgl.

Art. 58, lit. a). Wie für den Militärpflichtersatz, gelten die besondern Bestimmungen der Art. 11, Abs. 2, und 18, lit. b, über den Beschwerdegrund und über Streitigkeiten zwischen Kantonen auch für die Kriegssteuer.

Der vom 5. März 1923 datierte Vorentwurf des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements zu diesem Gesetze nahm die Kriegssteuersachen von der Kognition des Verwaltungsgerichts aus. Er liess sich dabei von der Überlegung leiten, dass sich die über diese Sachen endgültig erkennende, von der Verwaltung unabhängige Kriegssteuerrekurskommission als ein Spezialverwaltungsgericht darstelle und dass es sich um des temporären Charakters der Kriegssteuer willen nicht rechtfertige, die Kompetenzen dieser bestehenden Kommission, die sich auch bereits eine Praxis geschaffen habe, auf das ohnehin schwer belastete Verwaltungsgericht übergehen zu lassen. Nachdem nun aber allgemein dem Wunsche Ausdruck gegeben worden ist, dass die Kriegssteuersachen der Kognition des Verwaltungsgerichts unterstellt werden, lässt der vorliegende Entwurf gegen Entscheide über die Kriegssteuer die Verwaltnngsgerichtsbeschwerde zu und hebt die eidgenössische
Kriegssteuerrekurskommission auf. Diese Lösung hat den Vorzug, dass alle Steuerstreitigkeiten des Bundes in einer Hand vereinigt sind und die Garantie für eine einheitliche Rechtsprechung auf diesem Gebiete grösser ist.

222 Abgesehen von den Entscheiden über den Steueranspruch und über die Steuerrückforderung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gegen die nach Massgabe des Bundesbeschlusses über die Kriegssteuer erlassenen Sicherstellungsverfügungen und Entscheide über Nachsteuern und Steuerbussen zuzulassen (vgl.

Art. 114 und 121---128 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1920). Obgleich es sich dabei weder um Entscheide über die Entiichtung oder Bückerstattung von Abgaben noch um Entscheide über Abgabepflicht oder Abgabenfreiheit (vgl. Art. 5) handelt, sind auch die Sicherstellungsverfügungen, Nachsteuern und Steuerbussen in Art. 4, lit. b, angeführt, da es wegen des innern Zusammenhanges als zweckmässig erscheint, sie im Gesetz im Anschluss an die Entscheide über Entrichtung oder Rückerstattung der Kriegssteuer zu behandeln. Die Ordnungsbussen nach Art. 82, 84 und 85 des zitierten Bundesbeschlusses werden dagegen, wie die Ordnungsbussen im Zollwesen, im Enumerationsbeschluss (Art. 10) genannt.

Von der Eegel, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide der kantonalen Kriegssteuerrekurskommissionen zu richten ist, weichen zwei Fälle ab: die Sicherstellungsverfügungen der kantonalen Kriegssteuerverwaltungen werden unmittelbar an das Verwaltungsgericht weitergezogen und über die Eückerstattung der Kriegssteuer entscheiden die eidgenössische Steuerverwaltung als erste und das Verwaltungsgericht als zweite Instanz (vgl. Art. 114 und 118 des Bundesbeschlusses).

Bei den Stempelabgaben gemäss Bundesgesetz vom 4. Oktober 1917 und bei der Stempelabgabe auf Coupons (BG vom 25. Juni 1921) soll künftig gegen die Entscheide der eidgenössischen Steuerverwaltung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig sein. Dementsprechend ändert der Entwurf in den Übergangsbestimmungen (Art. 52) einzelne Bestimmungen des BG vom 4. Oktober 1917 ab.

Um einige Anhaltspunkte über die mutmassliche Geschäftslast zu geben, die dem Bundesgericht auf dem Gebiete der wichtigsten Abgaben erwachsen wird, lassen wir eine Übersicht über die Zahl der Steuerrekurse aus den letzten Jahren folgen: Militärpflichtersatz, Zahl der vom Bundesratc entschiedenen Beschwerden: 1920:118; 1921: 94; 1922: 68; 1923: 85; 1924: 64.

Neue ausserordentliche Kriegssteuer, Zahl der eingegangenen Beschwerden an die eidgenössische Kriegssteuerrekurskommission:
1922: 23; 1923: 117; 1924: 41.

Stempelabgaben (Couponsabgaben Inbegriffen), Zahl der eingegangenen Beschwerden an das Finanzdepartement: 1918: 62; 1919: 53; 1920: 55; 1921: 54; 1922: 77; 1923: 39; 1924: 23.

223 Zu Art. 5.

Entscheide über bundesrechtliche Abgaben, die durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können, sind zunächst die Entscheide über den Anspruch auf Entrichtung oder auf Bückerstattung bundesrechtlicher Abgaben. Ein Anspruch auf Bückerstattung kann naturgemass nur bei solchen Abgaben in Frage kommen, bei denen die Steuergesetzgebung unter bestimmten Voraussetzungen eine Bückerstattung vorschreibt (vgl. beispielsweise Art. 118 des Bundesbeschlusses über die Kriegssteuer). Die Entscheide über Stundung oder Erlass von Abgaben werden in Art. 5 nicht genannt, weil gegen sie keine Verwaltungsgerichtsbeschwerde zuzulassen ist; die Ermessensfrage, ob im Einzelfalle eine Abgabe gestundet oder erlassen werden soll, eignet sich nämlich nicht für eine gerichtliche Beurteilung und muss endgültig von der Verwaltung, bzw. bei der Kriegssteuer von der Steuererlasskommission entschieden werden.

Ausser den Entscheiden über Entrichtung oder Bückerstattung von Abgaben nennt der Art. 5 noch die Entscheide «über die blosse Abgabepflicht oder Abgabefreiheit». Auf verschiedenen Gebieten des eidgenössischen Abgabenrechts zeigt sich nämlich ein wesentliches Interesse daran, schon vor Eintritt der Leistungspflicht zu wissen, ob die Abgabe geschuldet wird, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. So wurden Auskünfte der eidgenössischen Steuerverwaltung über die Stempelpflicht, welche feststellungsweise darüber sich aussprachen, ob unter den von den Interessenten namhaft gemachten Voraussetzungen die Stempelpflicht zur Entstehung gelangen werde oder nicht, als durch Beschwerde weiterziehbare Entscheide behandelt. Weiterhin haben die bisherigen Erfahrungen gezeigt, dass es zweckmässig wäre, wenn bei Ausmusterungsfällen der Enthebungsgrund des Art. 2, lit. bt des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 nicht nur gleichzeitig mit der Beschwerde gegen die Veranlagung geltend gemacht und wenn vorgängig der Veranlagung durch eine besondere Verfügung der zuständigen Behörde festgestellt werden könnte, ob grundsätzlich eine Ersatzpflicht besteht oder ob die Voraussetzungen dos Art. 2, lit. fc, vorhegen. Um dies zu ermöglichen, sieht der Entwurf vor, dass Entscheide, die, soweit sie bundesrechtliche Abgaben betreffen, eine Abgabepflicht oder Abgabenfreiheit feststellen, an das Verwaltungsgericht weiterziehbar sind. In diesen Fällen ist Gegenstand des Entscheides nicht die einzelne «Abgabe» oder «Leistung», sondern die Abgabepflicht.

224 Zu Art. 6 und 7.

Die lit. fe des Art. 8 -- Entscheide der Bundesverwaltung über öffentlich-rechtliche Kautionen -- wird im Art. 6 durch Anführung von Beispielen und im Art. 7 durch die Bestimmung präzisiert, das» sowohl die Entscheide über die Leistung als diejenigen über die Rückerstattung öffentlich-rechtlicher Kautionen durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar sind.

Zu Art. 8.

Der Art., 8 statuiert die Ausnahmen von Art. 3 und gilt mithin nur im Eahmen der die Hegel enthaltenden Bestimmung.

- Unseres Wissens gibt es zurzeit keine bundesgesetzlichen Bestimmungen, welche im Sinne von Art. 8, lit. a die, Weiterziehung kantonaler Entscheide aus den in Art. 3 bezeichneten Gebieten an eine Instanz des Bundes ausschliessen. Sollten aber solche bestehen, oder künftig aufgestellt werden, so zessiert die von Art. 3 vorgesehene Weiterziehungsmöglichkeit. (Vgl. im übrigen unsere Bemerkungen zu Art, 22 sub 3.) Im weitem ergibt sich aus Art. 8, lit, a, das« das kantonale Hecht die Anfechtung kantonaler Entscheide durchVerwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausschliessen kann.

Die Zolltarifentscheide haben die Entrichtung bundesrechtlicher Abgaben zum Gegenstand. Da sie aber laut Art. 81 der gegenwärtigen Vorlage und Art. 109 des Zollgesetzentwurfs nicht an das Verwaltungsgericht, sondern an die zu schaffende Zollrekurskommission weiterziehbar sein sollen, werden sie unter den Ausnahmen des Art, 8 aufgeführt; die Bedaktión der lit. b wird der Fassung anzupassen sein, die der Zollgesetzentwurf in seiner definitiven Gestalt erhalten wird.

Von den in lit. c bezeichneten Entscheiden ist oben sub B b gesprochen und dargelegt worden, warum sie dem Verwaltungsgerichtsverfahren entzogen sind, Zu Art. 9.

Der Zweck des Art. 9 ist nicht darauf gerichtet, Kompetenzen des Verwaltungsgerichts zu begründen. Art. 9 setzt dessen Zuständigkeit als gegeben voraus. Er macht ßich lediglich zur Aufgabe, die Instanz zu bezeichnen, deren Entscheid mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann, von der also der zum Verwaltungsgericht führende Eekursweg ausgeht.

1. Für die in die Entscheidungskompetenz der Bundesverwaltung fallenden, aber nicht dem Geschäftskreis der Bundesbahnen ange-

225 hörenden Vorwaltungssachen ist dio mit der selbständigen Erledigung betraute Mittelinstanz -- also nicht der Bundesrat -- die Behörde, deren Entscheid der Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegt.

Bundesrätliche Administrativentscheide der Weiterziehung an das Verwaltungsgericht zu unterwerfen, liegt für den Entwurf keine Veranlassung vor, nachdem er selbst alle Verwaltungssachen dieser Art, die er der Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterstellen will, an Mittelinstanzen delegiert hat (vgl. Art. 50).

2. Auf den ersten Blick erscheint die G-eneraldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen als eine selbständige, mit weitgehenden Kompetenzen ausgestattete Mittelinstanz. Wäre sie dies, so fiele sie unter lit, a, und es wäre ht. b überflüssig.

Bei näherem Zusehen zeigt sich aber, dass die rechtliche Stellung der Generaldirektion wesentlich verschieden ist von der einer selbständigen Mittelinstanz der Bundesverwaltung. Den M i t t o l i n s t a n zen stehen nur übertragene, delegierte, abgeleitete Kompetenzen zu: Kompetenzen, die originär in der Hand des Bundesrates vereinigt waren. Nach Art. 108 BV erfolgt die Übertragung nicht in dem Sinne, dass die Mittelinstanzen endgültig urteilen; ihr Entscheid ist zurzeit ausnahmslos weiterziehbar an den Bundesrat; diese Weiterziehungsrnöglichkeit besteht nicht um ihrer selbst willen : sie stellt sich lediglich als Korrelat der Delegation dar. -- Anderer Art sind die Kompetenzen der Organe der B u n d e s b a h n v o r w a l t u n g . Sie leiten sich nicht von Zuständigkeiten dos Bundesrates her. Sie sind nicht übertragen.

Der Entscheid der letzten Bundesbahninstanz ist grundsätzlich an den Bundesrat nicht weiterziehbar (vgl. Bemerkungen zu Art. 21).

Deshalb werden in lit. b die Generaldirektion der Bundesbahnen und auch ihre Kreisdirektiorien ausdrücklich erwähnt ; die letztem werden angeführt, weil es Entscheide der Kreisdirektionen gibt, die nicht an die Generaldirektion weiterziehbar sind. Demnach wäre die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sofern sie überhaupt gegen Entscheide der Bundesbahnverwaltung zugelassen wird, gegen die Generaldirektion oder -- wenn keine Weiterziehung an die Generaldirektion statthaft ist --- gegen die Kreisdirektion zu richten. Der Entwurf zum Enumerationsbeschluss zählt keine Entscheide der Bundesbahnverwaltung auf;
auch unter die Sachen, in denen eine Verwaltungsgerichtsboschwerde durch ht. a oder b des Art, 3 (vgl. Art. 8, lit. c) des Gesetzentwurfs vorgesehen wird, fallen unseres Wissens keine Entscheide der Bundesbahnverwaltung. Da aber die Möglichkeit besteht, dass durch eine spätere Abänderung des Enumerationsbeschlusses die Verwaltungsgerichtsbesehwerde gegen gewisse Entscheide der Bundesbahnverwaltung eingeführt werde, wird in Art. 8,

226

lit. b, die Instanz bezeichnet, gegen die eine solche Beschwerde zu richten wäre.

3. Die lit. c endlich handelt von der Weiterziehung kantonaler Entscheide und bringt den Gedanken zum Ausdruck, dass der .kantonale Instanzenzug erschöpft sein muss, bevor die Sache an das Verwaltungsgericht weiterziehbar ist, und dass der Entscheid der letzten kantonalen Instanz direkt durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann. Überall, wo der Entwurf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Sachen vorsieht, die von kantonalen Behörden beurteilt werden, fällt die Bundesverwaltung als Eekursinstanz weg und ist die Verwaltungsbeschwerde unmittelbar gegen den Entscheid der letzten kantonalen Instanz zu richten (z. B. in Militärsteuersachen gegen den Entscheid der kantonalen Eekursinstanz, in Grundbuchsachen gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde).

Zu Art. 10.

I. Der Art, 10 unischreibt die Legitimation zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Der staatsrechtliche Eekurs steht nach Art. 178, Ziff. 2, OG den Bürgern und Korporationen «bezüglich solcher Eechtsverletzungen zu, welche sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich betreffende Verfügungen oder Erlasse erlitten haben». Ein früherer Entwurf wollte die Beschwerdelegitimation nur dem einräumen, «der ein rechtliches Interesse am Entscheide der angerufenen Behörde glaubhaft zu machen vermag». Der Entwurf vom 5. März 1923 bezeichnete, dem Vorschlage des Bundesgerichts folgend, den «Beteiligten» als zur Beschwerdeführung berechtigt und wollte es der Praxis überlassen, im einzelnen Ealle die angemessene Lösung zu finden. Da jedoch eine genauere gesetzliche Umschreibung der Legitimation wünschbar ist, bestimmt der vorliegende Entwurf im Art. 10, Abs. l, dass zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt ist, wer im angefochtenen Entscheid als Partei beteiligt war oder durch ihn in seinen Eechten verletzt worden ist.

II. Der Abs. 2 des Art. 10 bezeichnet auch den Bundesrat als zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen kantonale Entscheide legitimiert.

Der Bundesrat hat nach Art. 102, Ziff. 2, BV über die Beobachtung eidgenössischen Verfassungs- und Verwaltungsrechts zu wachen. Aus diesem Aufsichtsrecht fliessen nach der Auslegung, die ihm gegeben worden ist, zwei Befugnisse: die Befugnis, für noch

227 nicht entschiedene Fälle allgemeine oder besondere Weisungen zu erteilen und die Befugnis, erlassene Entscheide von Behörden des Bundes oder der Kantone von Amtes wegen aufzuheben oder abzuändern.

1. Das Eecht zur Erteilung von Weisungen steht wi& bis anhin dem Bundesrato zu hinsichtlich der Verwaltungssachen, die auf dem Wege der Verwaltungsbeschwerde an ihn weitergezogen werden können. Aufsicht und Entscheidungskompetenz bleiben hier in e i n e r Hand vereinigt.

Nicht rechtlich, aber tatsächlich anders verhält es sich hinsichtlich der Verwaltungssachen, die durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können. Hier spaltet sich die Kompetenz: der Bundesrat hat die Aufsicht, das Verwaltungsgericht die Entscheidungsbefugnis. Durch diese Zweiteilung wird theoretisch dio Aufsicht nicht berührt. Paktisch aber büsst sie einen Teil ihrer Autorität ein, insbesondere auf den Gebieten, wo ·-- wie z. B. im Handelsregister-, Zivilstands- und Grundbuchwesen -- die Gesetzgebung oder die Praxis den Aufsichtsfunktionen eine positive Gestalt gegeben haben. Zudem werden der Bundesrat und die ihm unterstellten Organe künftighin weit grössere Zurückhaltung üben, wenn sie angegangen werden, Anstände durch Auskunftserteilung kurzerhand zu erledigen und zweifelhafte Fragen in Weisungen zu beantworten, weil sie befürchten müssen, nachher vom Bundesgericht desavouiert zu werden. Diese G-efahr und ihre Bückwirkung auf die Verwaltung, wird aber dann weniger ins Gewicht fallen, wenn die Fühlung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgericht nicht verloren geht, 2. Die aus dem Aufsichtsrecht fliessende weitere Befugnis, Entscheide der der Aufsicht u n t e r s t e l l t e n Behörden von A m t e s w e g e n a u f z u h e b e n oder abzuändern, liegt ausserhalb des vorliegenden Gesetzes. Sie kann in einem Ausführungsgesetz zu Art. 102, Ziff. 2. BV Gegenstand der Begelung sein, nicht aber hier.

Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass Berührungspunkte vorhanden sind zwischen dem Offizialeinschreiten des Bundesrates und der Verwaltungsrechtspflegetätigkeit des Bundesrates und des Bundesgerichts.

Wo die Offizialbefugnis des Bundesrates. mit dessen Entscheidungsbefugnis konkurriert, hat es wohl beim gegenwärtigen, allerdings, nicht nach allen Seiten hin abgeklärten Bechtszustande sein Bewenden. Die vom Bundesgericht
vorgeschlagene Bestimmung: «Die Vorschriften. über dio Verwaltungsbeschwerde lassen die Befugnis des Bundesrates, als Vollziehungs- und Aufsichtsbehörde von Amtes wegen einzuschreiten, unberührt» bringt uns der Lösung der offenen-

228 Fragen nicht näher, weil sie Inhalt und Umfang der Offizialbefugnis des Bundesrates als gegeben annimmt, und ist deshalb in den Entwurf nicht aufgenommen worden.

Wo die Offizialbefugnis dea Bundesrates mit der Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts konkurriert, da cessiert wohl das Eecht des Bundesrates, Entscheide der seiner Aufsicht unterstellten Behörden von Amtes wegen aufzuheben oder abzuändern und zwar restlos gegenüber Entscheiden eidgenössischer Behörden (vgl. den Schlusssatz des zweiten Alineas des durch Art. 50 modifizierten Art. 28 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914), mit dem Besiduum des Beschwerderechts des Bundesrates gegenüber Entscheiden kantonaler Behörden. Um dem Bundesrate zu ermöglichen, für eine einheitliche Bechtsanwendung durch die Kantone zu sorgen, gibt nämlich der Art. 10, Abs. 2, ihm als Aufsichtsbehörde das Becht, Entscheide kantonaler Behörden über Verwaltungssachen, die der Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegen, bei diesem durch Beschwerde anzufechten. Um von diesem Bechtsmittel Gebrauch machen zu können, rnuss der Bundesrat von den kantonalen Entscheiden dieser Art offiziell Kenntnis erhalten. In Analogie zu Art. 161 OG sieht daher Art. 10, Abs. 2, vor, dass in bestimmten Materien ·-- man denke an Zivilstands-, Handelsregister-, Grundbuchsachen usw. -- solche Entscheide sofort, nachdem sie erlassen sind, unentgeltlich mitgeteilt werden. Von der Mitteilung an läuft für den Bundesrat die Beschwerdefrist.

Zu Art. 11.

Mit der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde kann geltend gemacht werden, dass der Entscheid auf einer Verletzung von Bundesrecht beruhe. Zum Bundesrecht gehört nicht nur das in Bundesgesetzen, Bundesbeschlüssen und Verordnungen, sondern auch das in Staatsverträgen des Bundes mit dem Ausland enthaltene Becht.

Mit der Verwaltungsgerichtsbeschworde kann die Verletzung nur von Bundesrecht gerügt werden, also nicht von kantonalem Eecht, nicht von in Staatsverträgen der Kantone mit dein Ausland enthaltenem Becht und nicht von Konkordatsrecht. Wer bei Anwendung von solchen Staatsverträgen und von Konkordaten durch kantonale Behörden in seinen Eechten lädiert worden ist, dem steht der staatsrechtliche Bekurs ans Bundesgericht zu (vgl. Art. 20 mit Art. 19 des interkantonalen Konkordats betreffend
wohnörtliche Unterstützung vom 15. Juni 1923).

Es ist allgemein anerkannt, dass ein Verwaltungsgericht über die Eechtmässigkeit, aber nicht über die Zweckmässigkeit des ange-

229 iochtenen Entscheides befinden soll. Das Verwaltungsgerieht soll ·als Rechtsschutzorgan eine Garantie für die richtige Anwendung des Rechts bilden. Nur soweit die Verwaltung durch bestimmte bundesrechtliche Normen gebunden ist, können ihre Entscheide ·einer gerichtlichen Überprüfung unterstellt werden. Infolgedessen hat das Verwaltungsgericht in der Regel nur über Rechtsfragen zu erkennen ; es hat nicht zu untersuchen, ob der angefochtene Entscheid zwcckmässig und den Verhältnissen angemessen ist. Das Verwaltungsgericht soll nicht selbst Verwaltung treiben und kaim daher nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der Verwaltung ·.setzen.

Da mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Unangemessen'heit des angefochtenen Entscheides nicht geltend gemacht werden kann, entsteht die Frage, ob Entscheide, gegen die bei Rechtsverletzung eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, zugleich -- .soweit Unangemessenheit geltend gemacht wird -- durch Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat angefochten werden können; ·dann wären gegen einen Entscheid zwei Eechtsmittel nebeneinander zulässig, das eine würde zur Überprüfung der Rechtsfragen durch stehen. Der Entwurf kann eine solche Doppelspurigkeit um so eher vermeiden, als er sich bei der Enumeration vom Gedanken leiten lässt, Sachen, die sich aus-schliesslich oder Vorwiegend nach freiem Ermessen beurteilen, nicht -aufzunehmen und somit sie der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht .zu unterstellen. Unter diesen Umständen kann eine UnangemessenBundesblatt. 77. Jahrg. Bd. II.

18

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heitsbeschwerde an den Bundesrat gegen Entscheide, gegen die eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, ausgeschlossen werden > Der Abs. 2 des Art. 11 sieht ausdrücklich vor, dass in Kriegsund Militärsteuersachen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sich auch darauf stützen kann, durch den angefochtenen Entscheid sei die dem Steuerpflichtigen auferlegte Steuerleistung offensichtlich unrichtig berechnet worden. Der Art. 104 des Bundesbeschlusses über die neue ausserordentliche Kriegssteuer vom 28. September 1920nennt nämlich als Beschwerdegrund bei der Weiterziehung an dieeidgenössische Eekurskommission neben der Eechtsverletzung auch: die offensichtlich unrichtige Berechnung der Steuerleistung. Das Verwaltungsgericht soll nun an die Stelle der eidgenössischen Eekurskommission treten; an den Beschwerdegründen soll aber dadurch nichts geändert werden. Beim Militärpflichtersatz sind nach der Praxis dieselben Beschwerdegründe gegeben.

Der Abs. 3 des Art. 11 schliesst die selbständige "Weiterziehung, eines Entscheides, soweit er die Beschwerdekosten betrifft, aus. Ira Verwaltungsverfahren ist das Interesse am Kostenerkenntnis als solchem in der Eegel so klein, dass es als gerechtfertigt erscheint, zu bestimmen, dass es nicht für sich, sondern nur mit der Hauptsache angefochten werden kann. -- Der Satz, dass Entscheide über Beschwerdekosten nur in Verbindung mit der Hauptsache vor Verwaltungsgericht gezogen werden können, bringt aber noch den weitern Gedanken zum Ausdruck, dass, -wenn die Hauptsache der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht unterliegt, für die Beschwerdekosten die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig ist. So kann beispielsweise der Bundesrat, wenn er über eine Verwaltungsbeschwerde entscheidet, gleichzeitig die Beschwerdekosten endgültig festsetzen.

Zu Art. 12.

Der Entwurf stellt -- abgesehen von den Vorschriften über die Voraussetzungen der Verw"altungsgerichtsbeschwerde (Art. 3--11) -- in Art. 13--16 Bestimmungen über das Beschwerdeverfahrer» auf..

Soweit hier keine abweichende Regelung vorgesehen wird, finden subsidiär die für den staatsrechtlichen Eekurs geltenden Verfahrensbestimmungen Anwendung. Insbesondere gelten die Art. 183--185,, 187--188, 194--195 und 221 OG, sowie hinsichtlich der Beschwerdefrist die durch Art. 49, lit. c, des Entwurfs abgeänderte Ziff. 3 des Art. 178. OG. Im übrigen sind noch die Verfahrensvorschriften des allgemeinen Teils des OG (Art. 89 ff., sowie Art. 22) subsidiär auf,: die Verwaltungsgerichtsbeschwerde anwendbar.

23t Zu Art. 13.

Der Art. 18 regelt die Stellung des Verwaltüngsgerichts zur tatsächlichen Seite des Beschwerdefalles. Er weicht vom Art. 186 OG (vgl. Art. 49, lit. d, des Entwurfs) ab, der für den staatsrechtlichen Bekurs an das Bundesgericht, sowie für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als einziger Instanz (Art. 17--20) und vor dem Bundesrat (Art. 21--30) gilt.

Es kann vorkommen, dass die Verwaltungsinstanz, deren Entscheid durch Verwalturigsgerichtsbeschwerde angefochten wird, den Sachverhalt in ungenügender Weise festgestellt hat. Es ist daher zum.

Schutze des Bürgers notwendig, dass das Verwaltungsgericht nicht an den im angefochtenen Entscheid festgestellten Tatbestand gebunden sei. Anderseits würde man zu weit gehen, wenn das Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren neue Beweiserhebungen, vornehmen und infolgedessen auf einer andern tatsächlichen Grundlage als die Vorinstanz sein Urteil fällen würde. Der Entwurf gelangt zu einer Lösung, die eine neue Feststellung und Würdigung des Tatbestandes durch die Vorinstanz ermöglicht. Gemäss Abs. l des Art. 18 kann die Vorinstanz anlässlich der Entladung zur Vernehmlassung (Art. 184 OG) aufgefordert werden, sich über den Saehverhalt und namentlich auch über allfällige neue tatsächliche Anbringen der Parteien auszusprechen, neue Beweise zu erheben und den sich daraus ergebenden Tatbestand neu festzustellen und zu.

würdigen. Ferner kann das Gericht laut Abs. 2 des Art. 18, wenn ihm im Zeitpunkt der Beurteilung der Sachverhalt nicht genügend abgeklärt erscheint, die Angelegenheit vor dem Erlass eines Urteils zur Ergänzung und neuen Würdigung des Tatbestandes an die Vorinstanz zurückweisen und gleichzeitig auch Weisungen in rechtlicher Beziehung erteilen. Die Vorinstanz hat die Möglichkeit, den angefochtenen Entscheid auf Grund der neuen Feststellungen zu berichtigen. Der Tatbestand, wie er von der Vorinstanz auf Grund der infolge eines Eückweisungsentscheides des Verwaltungsgerichts ergänzten Erhebungen festgestellt wird, ist für das Verwaltungsgericht bindend.

Zu Art. 14.

Nach Art. 40 OG sind die für das Bundesgericht bestimmten Eechtsschriften in doppelter Ausfertigung einzureichen. Art. 14, Abs. l, des Entwurfs verlangt drei Doppel der Verwaltungsgerichtsbesehwerde, wenn durch sie ein kantonaler Entscheid weitergezogen wird: eine Ausfertigung bleibt bei den Akten des Instruktionsriehters und des Bundesgerichts; die beiden andern sind dazu bestimmt,

232 den Stellen (beschwerdebeklagte Behörde und Eeigeladener) übermittelt zu werden, die sich zu der Beschwerde zu äussern haben.

Hat ein Beteiligter gegen einen kantonalen Entscheid die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, so ist diese stets auch dem Bundesrate zur Vernehmlassung mitzuteilen. Der Bundesrat kommt hier als Beigeladener zum Worte, weil es nötig ist, dass die Aufsichtsbehörde Gelegenheit erhalte, im Beschwerdeverfahren Stellung zu nehmen.

Frühere Entwürfe (vgl. z. B. IV. Entwurf Fleiner, Art. 11) enthielten Bestimmungen über die Beiladung dritter Personen, die ein unmittelbares Interesse am Ausgang eines schwebenden Verwaltungstechtsstreites haben. Wir haben sie fallen lassen, nachdem uns das Bundesgericht mitgeteilt hatte, dass beim staatsrechtlichen Bekurs die Praxis trotz des Fehlens gesetzlicher Vorschriften eine solche Beiladung Dritter, z. B. in Doppelbesteuerungssachen, gelegentlich vorgenommen habe und es auch bei der verwaltungsrechtlichen Beschwerde in den seltenen Fällen, wo es angezeigt sein wird, tun werde.

Der letzte Absatz des Art. 14 schreibt vor, dass Urteile über Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen kantonale Entscheide stets auch dem Bundesrate in vollständiger Ausfertigung zu übermitteln sind. Durch diese Bestimmung wird dafür gesorgt, dass die Aufeichtsinstanz von den Entscheiden der Bekursinstanz Kenntnis erhalte und über die Bekurspraxis auf dem laufenden sei.

Zu Art. 15.

Der Entwurf stellt den Grundsatz auf, dass der Verwaltungsbeschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt, sieht aber zwei Ausnahmen vor: 1. Er behält zunächst die Speziälgesetzgebung vor. In Fällen, für die durch besondere Bundesgesetze oder Bundesbeschlüsse der gegen den Entscheid der letzten kantonalen Instanz oder der eidgenössischen Mittelinstanz gerichteten Beschwerde aufschiebende.

Wirkung eingeräumt ist (vgl. Art. 113, Abs. 2, des Bundesbeschlusses über die Kriegssteuer), soll es bei der besondern Vorschrift sein Bewenden haben: Wird nicht oder nicht rechtzeitig Beschwerde erhoben, so wird der Entscheid mit dem Ablauf der Beschwcrdefrist vollstreckbar; wird rechtzeitig Beschwerde erhoben, so hemmt die Einlegung des Eechtsmittels die Vollziehung.

2. Sodann besteht die Möglichkeit, dass im Einzelfalle der Präsident der zuständigen Abteilung oder Kammer des Bundesgerichts durch eine vorsorgliche Verfügung (Art. 185 OG) den Aufschub der Vollziehung des. angefochtenen Entscheides anordnet.

233 Zu Art. 16.

Bei seinem Urteile ist das Bundesgericht an die Anträge der Parteien gebunden ; die ref ormatio in pejus ist unzulässig : das Gericht darf, wenn es die Anträge des Beschwerdeführers abweist, nicht noch den angefochtenen Entscheid zuungunsten des Beschwerdeführers abändern. Immerhin ist zu beachten, dass der Bundesrat, wenn er gemäss Art. 10, Abs. 2, gegen einen kantonalen Entscheid die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhebt, als Beschwerdeführer einen Antrag stellen kann, der auf eine Abänderung des angefochtenen Entscheides zuungunsten des beteiligten Privaten hinzielt.

An die von den Parteien vorgebrachte Begründung ihrer Anträge ist das Bundesgericht nicht gebunden ; es kann beispielsweise die Anträge des Beschwerdeführers aus Gründen gutheissen, die von diesem gar nicht geltend gemacht worden sind.

Hebt das Bundesgericht den vorinstanzlichen Entscheid auf, so entscheidet es in der Begel selber in der Sache, es kann aber auch die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen.

Zu Art. 17.

Die Art. 17 bis 20 regeln den direkten verwaltungsrechtlichen Prozess vor Bundesgericht : Art. 17 undlS nennen die Voraussetzungen, unter denen ein solcher Prozess angestrengt werden kann, Art. 19 und 20 ordnen das Verfahren.

1. Der Art. 17 überträgt dem Bundesgericht als einziger Instanz die Beurteilung von Streitigkeiten über die in der Bundesgesetzgebung begründeten vermögensrechtlichen Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus öffentlichem Hecht (vgl. unsere oben sub B b gemachten Ausführungen). Sobald die gesetzlichen Voraussetzungen eines solchen vermögensrechtlichen Anspruchs gegeben sind, entscheidet das Verwaltungsgericht über den ganzen Streit; es urteilt beispielsweise hinsichtlich einer öffentlich-rechtlichen Entschädigung über deren Höhe, auch wenn diese ins Ermessen der erkennenden Behörde gestellt ist.

Diese Eegel muss sich aber verschiedene Vorbehalte und Ausnahmen gefallen lassen: Einen Ausschnitt aus dem Kreis der vermögensrechtlichen Ansprüche des Bundes und gegen den Bund aus öffentlichem Bundesreoht bilden alle in Art. 8, Ut. a und b, genannten Verwaltungssachen und von den im Enumerationsbeschluss (Art. 8, lit. c) bezeichneten Sachen diejenigen, die vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund zum Gegenstand haben. Alle zu diesem Ausschnitt gehö-

234 renden Administrativstreitigkeiten sind, weil für sie das Beschwerdeverfahren gilt, dem direkten Prozess entzogen. Diese Eegelung schliesst es aus, dass vor das Verwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz gehörende Sachen unter Umgehung der Beschwerdefrist oder unter Nichtheachtung der Bechtskraft des Verwaltungsentscheides vor das Verwaltungsgericht als einzige Instanz gebracht werden können. Umgekehrt gibt sie aber der Bundesversammlung die Möglichkeit, unter Art. 17, Abs. l, fallende Verwaltungssachen durch Nennung im Enumerationsbeschluss auf das Geleise des Beschwerdeverfahrens hinüberzuschieben..

Ein weiterer Vorbehalt bezieht sich auf die Entscheide der ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, endgültig urteilenden eidgenössischen Instanzen. Diese stellen sich als Spezialverwaltungsgerichte dar, für deren Weiterziehung an das allgemeine Verwaltungsgericht ein Bedürfnis nicht besteht.

Die übrigen Vorbehalte und Ausnahmen von der Eegel des Art. 17, Abs. l, sind schon oben sub B b und, was die Beschwerdekosten anbelangt, in den Bemerkungen zum Art. 11, Abs. 3, besprochen worden.

2. Es kann hier nicht eine erschöpfende Aufzählung der. gemäss Art. 17 vom Bundesgericht zu beurteilenden Streitigkeiten gegeben werden. Dagegen führen wir im folgenden wenigstens einige Beispiele solcher Streitigkeiten an, von denen einzelne im Abs. l dieses Artikels ausdrücklich erwähnt sind.

Unter Art. 17 fallen alle streitigen vermögensrechtlichen Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus dem Bundesbeamtenverhältnis (vgl. oben sub B b, sowie S. 198/99 der Botschaft vom 18. Juli 1924 über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten). Nach bisherigem Kecht werden die Streitigkeiten über Leistungen der Versicherungskasse für die eidgenössischen Beamten, Angestellten und Arbeiter oder der Pensions- und Hilfskasse für das Personal der Bundesbahnen an Anspruchsberechtigte vom eidgenössischen Versicherungsgericht beurteilt. Der Entwurf überträgt die Beurteilung auch dieser Streitigkeiten dem Bundesgericht, indem er im Art. 17, Abs. l, die «Streitigkeiten über Leistungen einer Versicherungskasse des Bundes an Anspruchsberechtigte» ausdrücklich erwähnt und in Art. 53, lit. b, die entgegenstehenden Bestimmungen aufhebt. Dadurch wird die einheitliche und gleiehmässige Beurteilung aller aus dem Dienstverhältnis der
'Bundesbeamten entspringenden yermögensrechtlichen Ansprüche gewährleistet. Es wird die .Doppelspurigkeit vermieden, die z. B. entstehen würde, wenn im Falle einer disziplinarischen Entlassung einerseits das Bundesgericht (Kammer

235 ïur Beamtensachen) gemäss Art. 40 des Entwurfs über die Entschädigung für ungerechtfertigte Entlassung, anderseits aber eine andere Instanz, nämlich das eidgenössische Versicherungsgericht über die statutarischen Leistungen der Versicherungskasse, die ein ohne eigenes Verschulden Entlassener beanspruchen kann, zu erkennen hätten.

Eine grosse Gruppe von vermögensrechtlichen Ansprüchen aus öffentlichem Bundesrecht bilden die Ansprüche des Bundes oder :gegen den Bund aus der Militärorganisation und aus dem Verwaltungsreglement für die Armee. Die Streitigkeiten über derartige Ansprüche sind sehr zahlreich; man denke beispielsweise an Streitigkeiten über Saeh- und Landschaden bei Truppenübungen, über Mietgeld und Abschätzung für Pferde, Motorwagen usw., über Entschädigungen für Requisitionen, über Soldfragen, Unterkunftsentschädigung u. dgl., sowie an Kevisionsanstande mit Rechnungsführern der Truppe, Zum grossen Teil handelt es sich um Bagatellsachen, zum Teil um Fragen, die mit der militärischen Ordnung und Disziplin verwachsen sind, vielfach auch um Ansprüche, die rasch erledigt werden müssen.

Pur die Entscheidung der meisten vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus der Militärorganisation oder aus dem Verwaltungsreglement eignen sich deshalb besondere Instanzen besser als das Bundesgericht. Für gewisse Streitigkeiten bestehen schon jetzt besondere ICommissionen, von denen einzelne endgültig entscheidende Instanzen sind (vgl. die Ausführungen unter Ziff. 2 zum Art. 22); für andere Streitigkeiten empfiehlt es sich, neue ausserhalb der 'Bundesverwaltung stehende Instanzen mit endgültiger Entscheidungsbefugnis zu schaffen oder auch bestehende Kommissionen, denen jetzt keine endgültige Entscheidungsbefugnis zusteht, zu endgültig entscheidenden Instanzen auszubauen. Um dies schon vor der 'Revision des Vorwaltungsreglements zu ermöglichen, ermächtigt der Art. 47 des Entwurfs den Bundesrat, bis zum Inkrafttreten eines neuen Verwaltungsreglements derartige Instanzen einzusetzen. Alle Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes ·oder gegen den Bund aus der Militärorganisation oder aus dem Verwaltungsreglement, zu deren endgültigen Entscheidung ausserhalb ; der Bundesverwaltung stehende Instanzen bereits bestehen oder neu eingesetzt werden, sind von der Beurteilung durch das Bundes Bericht
ausgenommen. Die Streitigkeiten über Ansprüche aus Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen infolge militärischer Übungen (Art. 27 und 29 MO) werden im Art. 17, Abs. l, des Entwurfs erwähnt (vgl. auch Art. 47, Abs. 2, des Entwurfs); für sie wird die Beurteilung durch das Bundesgoricht als Verwaltungsgericht einziger Instanz vorbehalten. Auch Streitigkeiten über den Ersatz

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für den Schaden, der Eisenbahn- und Dampfschiffunternebmungei» durch den Kriegsbetrieb entsteht, sind nach Art. 219 und 220 MO und 18, lit, e, des Entwurfs vom Bundesgericht als Verwaltungsgericbt einziger Instanz zu entscheiden. Alle andern Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus der Militärorganisation oder dem Verwaltungsreglement können besondern ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden Instanzen zur endgültigen Entscheidung übertragen werden und sollen daher nur, soweit keine solche Übertragung vorgenommen.

·wird, durch das Bundesgericht beurteilt werden.

Unter Art. 17, Abs. l, fallen ferner Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen über ihre Anteile am Ertrag bundesrechtlicher Abgaben (z. B. Militärpflichtersatz, Stempelabgaben, Handelsregistergebühren).

Von den öffentlich-rechtlichen Entschädigungsansprüchen, die,, sofern ein Bundesgesetz die Entschädigungspflicht aufstellt, unter Art. 17 fallen, sind einige schon in den obigen Bemerkungen über die Ansprüche aus der Militärorganisation erwähnt worden. Die Streitigkeiten über Expropriationsentschädigungen kommen hier nicht in Betracht, weil darüber die Schätzungskommissionen und das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz in Zivilsachen entscheiden (vgl. Art. 55 OG und das Expropriationsgesetz). Der Art, 17 bezieht sich auch nicht auf Ansprüche aus der Transporthaftpflicht der Post; diese Ansprüche sind bisher als Zivilrechtsstreitigkeiten (im Sinne des Art. 48 OG; vgl. BGE 84, II, 145) behandelt worden, und das neue Postverkehrsgesetz vom 2. Oktober 1924 hat diese Ordnung beibehalten,, indem es im Art. 55 für Haftpflichtklagen gegen die Postverwaltungp bei einem Streitwert von weniger als Fr. 4000 die kantonalen Zivilgerichte und bei höherem Streitwert das Bundesgericht als Zivilgerichtsinstanz zuständig erklärt. Es besteht keine Veranlassung,, diese Streitigkeiten den Zivilgerichten zu entziehen und dem Verwaltungsgericht zu übertragen, um so weniger, als auch die Haftpflichtansprüche gegen die Bundesbahnen von den Zivilgerichtert beurteilt werden (vgl. oben B V) und es für den Kläger vorteilhaft ist, wenn er den Anspruch gegen die Post (bis zu Fr. 4000) vor den kantonalen Gerichten geltend machen kann.

Endlich ist darauf hinzuweisen, dass von der Bundesverwaltung verhängte Ordnungsbussen nicht
Gegenstand einer Streitigkeit nach Art, 17 sein können. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Verwaltung, indem sie eine derartige Ordnungsbusse verhängt, einen vollstreckbaren Entscheid trifft, so dass eine Beurteilung durch das Bundesgericht als einzige Instanz gar nipht in Frag©

TBf

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kommen kann. Da die Ordnungsbussen auch keine «Abgaben» (Art. 3, lit. a) sind, müssen sie, soweit man sie überhaupt der verwaltungsgerichtlichen Kognition unterstellen will, im Enumerationsbeschluss (vgl. dessen Art, 10 und 11) aufgezählt werden.

Zu Art. 18.

Art. 18 bezeichnet die Kompetenzen, die dem Verwaltungsgericht als einziger Instanz übertragen sein sollen und ihm nicht schon durch Art. 17 zugewiesen sind. Er uinfasst heterogene Kompetenzen: Zuständigkeiten, die den bisherigen Kompetenzkreis des Bundesgerichts erweitern und solche, die darin schon enthalten sind; unter den letztern wiederum befinden sich Streitigkeiten, die einem andern Verfahren unterstellt und solche, die nur um des Zusammenhanges mit andern Kompetenzen willen erwähnt werden.

1. Art. 179 OG unterwirft Steuerstreitigkeiten zwischen Bund und Kantonen der Kognition des Bundesgerichts als Staatsgerichtshofes, wenn von dem einen oder andern Teil sein Entscheid angerufen wird.

Der Entwurf erweitert diese Bestimmung, indem er in Art. 18, lit. a, vorsieht, dass das Bundesgericht als Verwaltungsgericht ((Anstände über eine durch das Bundesrecht vorgesehene Befreiung von kantonalen Abgaben oder Beschränkung kantonaler Abgaben» zu beurteilen hat. Es gibt eine Eeihe bundesrechtlicher Bestimmungen, die von kantonalen Abgaben befreien oder für kantonale Abgaben gewisse Schranken aufstellen (man denke beispielsweise an Art. 7 des Garantiegesetzes, Art. 3, Abs. l, des Organisationsgesetzes der Bundesbahnen, Art. 12 des Nationalbankgesetzes, Art. 31 und 53 des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, Art. 164 und 165 der Militärorganisation, Art. 18 und 49, Abs. 3 und 4, des Wasserrechtsgesetzes, Art. l, Abs. 8 und 4, und Art. 15 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, Art. 8 des neuen Postverkehrsgesetzes, Art. 44 des Expropriationsgesetzes, Art. 6 des Patenttaxengesetzes, §§ l und 2 der Verordnung über die Linthpolizei und Art. 2 des Stempelgesetzes). Es gibt auch ungeschriebenes Êundesrecht, das das kantonale Abgabenrecht einschränkt (man denke an die Normen, dass die Eidgenossenschaft keine kantonalen Stempelabgaben zu entrichten hat.

wenn sie in ihrer Eigenschaft als Staat in den Verkehr tritt oder im Verkehr sich befindet oder wenn das kantonale Becht die öffentliche Verwaltung des Kantons als solche von der Stempelpflicht auenimmtBundesbl. 1916, II, 429). Die bundesgerichtliche Kompetenz er,.

streckt sich heute in der Begel -- eine Ausnahme bildet Art. 2 des Stempelgesetzes --- auf das Verhältnis zwischen Bund und Kanton,

238 sowie nach der neuesten Praxis (BGE 50, I, 243 ff.) auf dasjenige zwischen den öffentlichen Anstalten des Bundes und den Kantonen, dagegen nicht auf das Verhältnis zwischen Privaten und Kantonen.

Und doch besteht ein Bedürfnis, dass auch solche Anstände dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung unterbreitet werden können, damit nicht -- wie es jetzt der Fall ist --- der Bundesrat nach Art. 189, Abs. 2, OG darüber urteilt. Dieses Bedürfnis will durch die Bestimmung des den Art. 179 OG ersetzenden Art. 18, lit. o, des Entwurfs befriedigt werden.

2. Streitigkeiten zwischen Kantonen über den Militärpflichtersatz und über den Eückgriff für Beiträge an Seuchenschäden werden nach bisherigem Eechte vom Bundesrate entschieden (Art. 16 des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz vom 28. Brachmonat 1878; Art. 21, Abs. 2, letzter Satz des Tierseuchengesetzes vom 13. Juni 1917). Die lit. b des Art. 18 weist die Beurteilung dieser Streitigkeiten dem Bundesgericht zu. Ferner überträgt sie ihm die gegenwärtig der Kriegssteuerrekurskommission zustehende Entscheidung von Anständen zwischen Kantonen über ihre Anteile an der Kriegssteuer (Art. 148 des Bundesbeschlusses betreffend die neue ausserordentliche Kriegssteuer vom 28. September 1920).

3. Die lit. o des Art. 18 des Entwurfs wählt aus den in Art. 50 OG ausdrücklich als «zivilrechtliche Streitigkeiten» bezeichneten, dem Bundesgericht zur ausschliesslichen Beurteilung unterstellten Sachen -diejenigen aus, die verwaltungsrechtlicher oder mehr verwaltungsrechtlicher als zivilrechtlicher Natur sind. Als solche fallen in Betracht : a. Bestimmte Streitigkeiten aus dem Bundesgesetz über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872 (Art. 50, Ziff. l, 2 und 3 OG); 1). Bestimmte Streitigkeiten aus dem Bundesgesetz über die Bechtsverhältnisse der Verbindungsgeleise vom 19. Dezember 1874 (Art. 50, Ziff. 4, OG); c. Bestimmte Streitigkeiten aus dem Bundesgesetz betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten vorn 1. Mai 1850 (Art. 50, Ziff. 8 und 9, OG); d. Streitigkeiten aus Art. 23 des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente vom 21. Juni 1907 (Art. 50, Ziff. 14, ÖG); e. Streitigkeiten aus Art. 11 und 17 des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902 (Art. 50, Ziff. 15, OG).

239 Diese Streitigkeiten werden heute (Art. 2, Ziff. 8 und 8 und Art. 3, Ziff. 4, des Beglements für das Bundesgericht vom 26. März 1912) als zivilrechtliche Streitigkeiten zum Teil (lit. a, b, c und e hiervor) von der staatsrechtlichen, zum andern Teil (lit. d hiervor) von einer zivilrechtlichen Abteilung erledigt. Künftighin sollen diese Sachen vom Verwaltungsgericht als einziger Instanz nach dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Art. 20 des Entwurfs) behandelt werden.

4. Art. 52 OG verpflichtet das Bundesgerioht, unter bestimmten Voraussetzungen die erst- und letztinstanzliche Beurteilung von Streitigkeiten auch dann zu übernehmen, wenn sie nicht rein zivilrechtlicher Natur sind. Diese Verpflichtung hat aber nur subsidiären Charakter : sie tritt nur ein, wenn das Bundesgericht nicht auf anderem ÌVege als einzige Instanz angerufen werden kann.

Der Entwurf weist nun in Art. 18, lit. d, die unter Art. 52 OG fallenden Sachen dem Verwaltungsgericht als einziger Instanz zu und unterstellt sie dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Art. 20), wenn sie überwiegend verwaltungsrechtlicher Natur sind. Der Entwurf differenziert mithin zwischen Streitigkeiten von vorwiegend verwaltungsrechtlicher und solchen von vorwiegend zivilrechtlicher Natur. Das Unterscheidungsmerkmal ist nicht so bestimmt, dass der Kläger von vornherein mit Gewissheit weiss, ob seine Sache im Verwaltungsgerichts- oder Zivilprozessverfahren behandelt wird.

Diese Unsicherheit hat aber deshalb nichts auf sich, weil die Klage im einen und andern Falle gleich lauten kann. Es wird dann Sache des Bundesgerichts sein, unmittelbar nach deren Einreichung zu verfügen, welchen Charakter die Eechtsschrift habe und welche Verfahrensbestimmungen auf sie anwendbar seien.

5. Der Entwurf weist endlich in Art. 18, lit. e, dem Verwaltungs.gericht als einziger Instanz generell die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten zu, die nach der Spezialgesetzgebung des Bundes entweder dem Bundesgericht als Staatsgerichtshof oder dem Bundesgericht :als solchem zur ausschliesslichen Beurteilung übertragen sind. Er nimmt davon Umgang, die einzelnen, hier in Betracht kommenden Streitigkeiten aufzuzählen, weil eine solche Enumeration nicht nötig "ist und bei neuen Kompetenzzuweisungen unvollständig würde. Man >denke beispielsweise an Streitigkeiten aus Art. 79,
lit. 6 und c, des Bundesgesetzes über die schweizerische Nationalbank vom 7. April 1921 (A. S. 37, 581). Einzelne Spezialgesetze (z. B. Streitigkeiten aus Art. 8,13,14,15, 25, 26, 28, 33, 43, 44 und 71 des Bundesgesetzes betreffend die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916) erklären .für bestimmte Sachen das Bündesgericht «als Staatsgerichtshof » für zuständig und unterwerfen sie dem staatsrechtlichen

~TM-vî"?y>''

240 Verfahren, Durch Zuweisung dieser Sachen an das Verwältungsgericht und deren Unterstellung unter das Verfahren des Art. 20 treten materielle Änderungen im heute geltenden Bechtszustand nicht ein.

Zu Art. 19. ' Dass eine nach Art. 17 oder 18 gegen den Bund gerichtete Klage beim Bundesgericht erst dann erhoben werden kann, nachdem die Bundesverwaltung Gelegenheit erhalten hat, zur Forderung des Klägers Stellung zu nehmen, ergibt sich schon daraus, dass ausdrücklich im Art. 17 von «streitigen» Ansprüchen und im Art. 18 von «Anständen» und «Streitigkeiten» gesprochen wird. Solange der Bund zum. Anspruch, den der Kläger gegen ihn geltend macht, noch gar nicht Stellung genommen hat, liegt noch keine Streitigkeit vor.

Es soll aber auch vermieden werden, dass jede nach Art. 17 oder 18 gegen den Bund gerichtete Klage schon dann erhoben werden könne, wenn lediglich eine untergeordnete Amtsstelle des Bundes den Anspruch des Klägers ganz bestritten oder nur teilweise anerkannt hat. Es muss namentlich dafür gesorgt werden, dass vor der Klageerhebung eine höhere Verwaltungsinstanz zum Anspruch Stellung nehmen könne, wo dies zur Wahrung der einheitlichen Behandlung erforderlich ist oder wenn der Fall wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung oder auch infolge der Höhe des Anspruchs wichtig ist. Deshalb ermächtigt der Art. 19 den Bundesrat, durch Verordnung zu bestimmen, dass eine gegen den Bund gerichtete Klage (Art. 17 und 18) beim Bundesgericht erst erhoben werden darf} nachdem eine bestimmte Verwaltungsinstanz zum Anspruch des Klägers Stellung genommen hat; die Verordnung wird allgemein oder für näher zu umschreibende Fälle die Verwaltungsinstanz bezeichnen, die vor der Klageerhebung sich darüber auszusprechen hat, ob und inwieweit der Bund den Anspruch anerkennt.

Zu Art. 20.

Wie im Art. 16, Abs. l, für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, wird im Art. 20, Abs. l, für den direkten verwaltungsgerichtlichen Prozess bestimmt, dass das Bundesgericht an die Anträge der Parteien, nicht aber an deren Begründung, gebunden ist.

Im übrigen richtet sich das Verfahren im direkten verwaltungsgerichtlichen Prozess nach den für den staatsrechtlichen Rekurs geltenden Bestimmungen der Art. 188--188, 194, Abs. 2, 195 und 221 OG; subsidiär sind die Verfahrensbestimmungen des allgemeinen Teils des OG (Art. 39 ff. und 22 OG) anwendbar. Vom Verfahren bei

241 der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterscheidet sich der direkte verwaltungsgerichtliche Prozess zunächst darin, dass keine Beschwerde, sondern eine direkte Klage erhoben -wird und infolgedessen die Bestimmungen über Beschwerdefrist usw. ausser Betracht fallen, und sodann darin, dass der -- in Art. 49, ht. d, des Entwurfs abgeänderte -- Art. 186 OG Anwendung findet (im Gegensatz zu dem für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltenden Art. 18 des Entwurfs),

Zu Art. 21.

Die Art. 21--30 regeln die Verwaltungsrechtspflege, soweit sie vom Bundesrat ausgeübt wird; die Art. 21--28 befassen sich mit dem Bundesrat als Beschwerdeinstanz, die Art. 29 und 80 mit den Streitigkeiten, die vom Bundesrat als einziger oder erster Instanz entschieden werden. Der Entwurf hat diese Bestimmungen deshalb aufgenommen, weil es als angezeigt erscheint, anlässlich der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch das Verfahren in denjenigen Streitsachen zu verbessern, deren Entscheidung nicht dem Verwaltungsgericht übertragen wird, sondern auch künftig dem Bundesrat zusteht.

Das geltende Eecht kennt zwei Arten der Weiterziehung an den Bundesrat: einmal die Verwaltungsbeschwerde gegen Entscheide eidgenössischer Amtsstellen (Art. 103, Abs. 2, BV und Art. 23, Abs. 2, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914) und sodann den staatsrechtlichen Eekurs gegen kantonale Entscheide (Art. 113, Abs. 2, und Art. 85, Ziff. 12, BV, sowie Art. 189 OG). Der Entwurf beschränkt das Anwendungsgebiet der beiden Rechtsmittel, verschmilzt diese zu einem Rechtsmittel: zur Verwaltungsbeschwerde und regelt teilweise das Verfahren neu.

Im Art. 21 wird das Anwendungsgebiet der Verwaltungsbeschwerde umschrieben.

1. Mit der Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat weiterziehbar sind vorerst die Entscheide der Depaïtemente und anderer eidgenössischer Amtsstellen in den ihnen zur selbständigen Erledigung übertragenen Verwaltungssachen (vgl. Art. 50 des Entwurfs und unsere Bemerkungen hierzu), soweit Art. 22 diese Weiterziehung nicht ausschliesst. Wie nach dem bisherigen Hechte (Art. 23, Abs. 2, des Bundesverwaltungs-Organisationsgesetzes) geht die Beschwerde gegen eidgenössische Amtsstellen auf dem ordentlichen Instanzenwege an den Bundesrat.

2. Art. 95 BV bezeichnet den Bundesrat als die «oberste» vollziehende und leitende Behörde der Eidgenossenschaft. Die dem

242 Bundesrate durch diese Bestimmung eingeräumte Stellung wird jedoch ausnahmsweise durch die Bundesverfassung selbst oder durch Bundesgesetze eingeschränkt. Eine dieser Schranken enthält Art; 18 des Bundesgesetzes betreffend die Organisation und Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen vom I.Februar 1928. Diese Vorschrift legt die «oberste» Leitung und Geschäftsführung der schweizerischen Bundesbahnen in die Hand der Generaldirektion. Dieser kommt bei den Bundesbahnen die Stellung zu, wie dem Bundearate in der übrigen Bundesverwaltung: die Entscheidungsbefugnis ist nicht durch Delegation an die Generaldirektion übergegangen. Die Verwaltungssachen der Bundesbahnen haben nicht die Natur von «Geschäften des Bundesrates» (Art, 108 BV). Der Bundesrat ist r ?

gegenüber den Organen der Bundesbahnverwaltung nicht Bechtsmittelinstanz. Erjiat jiur. Aufsichtsfunktionen. Es entspricht dies · '.» · . der autonomen Stellung, welche die Bundesgesetzgebung von Anfang an der Bundesbahnverwaltung eingeräumt hat (vgl. Art. 18 des Eückkaufsgesetzes, ferner Art. l, Abs. Z und Art. 6 des Bundesgesetzes vom 1. Februar 1923 über die Organisation und Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen, die Botschaft und Art. l der Vollziehungsverordnung vom 9. Oktober 1928 zu diesem.

Gesetze und die Botschaft betreffend Erteilung der Ermächtigung an Beamte, Angestellte oder Arbeiter der schweizerischen Bundesbahnen, zur Annahme eines öffentlichen Amtes vom 24. November 1911).

Daraus ergibt sich, dass die Weiterziehung von Verwaltungsentscheiden der Organe der Bundesbahnverwaltung an den Bundesrat grundsätzlich ausgeschlossen ist. Sie ist -- in Durchbrechung des Prinzips -- nur da zulässig, wo die Bundesgesetzgebung sie ausdrücklich vorsieht (vgl. z. B. Art. 3 des Bundesbeschlusses betreffend.

Ermächtigung von Beamten, Angestellten und Arbeitern der schweizerischen Bundesbahnen zur Annahme eines öffentlichen Amtes vom 9. Juli 1912, A. S. 28, 668). Das sagt Art. 21, lit. 6, des vorliegenden Entwurfs.

3. Es gibt nach der geltenden Bundesgesetzgebung eine Eeihe von ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden Behörden, die nicht die Stellung einer nur begutachtenden, aber auch nicht die Stellung einer endgültig entscheidenden Instanz haben : sie entscheiden, aber nicht endgültig; gegen ihre Erkenntnisse ist die Beschwerde an ein&
Verwaltungsbehörde (meist Departement und Bundesrat) zulässig.

Man denke beispielsweise an den leitenden Ausschuss für die eidgenössischen Medizinalprüfungen, die eidgenössische Maturitätskommission, den leitenden Ausschuss für Lebensmittelehemikerprüfungen, die Schätzungskommissionen des Verwaltungsreglements für Pferde-

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und Maultiere, Bequisitionsfuhrwerke, Motorfahrzeuge und Fahrräder, der eidgenössischen Mass- und Gewichtskommission in bestimmten Sachen usw. Die lit. c des Art. 21 will diesen bestehenden Bechtszustand beibehalten.

Zu den ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, nicht endgültig entscheidenden Instanzen gehören auch die Schätzungskommissionen des Expropriationsgesetzes. Sie weisen aber die Besonderheit auf, dass ihre Entscheide an das Bundesgericht, nicht an die Verwaltung weiterziehbar sind (vgl. Ait. 22, lit. a, des Entwurfs).

4. Die lit. d des Art. 21 spricht -- im Gegensatz zu den Weiterziehungen der lit. a bis o -- von den Beschwerden, die sich gegen kantonale Entscheide richten.

Die Kognition des Bundesrates erstreckt sich nicht auf das ganze Gebiet des Bundesrechts, sondern nur auf die in Art. 189, Abs. l, 2 und 4, OG vorgesehenen Kechtsverletzungen. Wo ein Eechtssatz als von der kantonalen Behörde verletzt bezeichnet wird, über dessen Anwendung das Bundesgericht wacht, cessiert die Zuständigkeit des Bundesrates, es sei denn, sie werde durch Kompetenzattraktion begründet. Auch hierin besteht ein nicht zu verkennender Gegensatz zwischen der lit, d und den übrigen lit. des Artikels.

Die Beschwerde wechselt den Namen: sie heisst nicht mehr, wie bis anhin, staatsrechtliche Beschwerde (Art. 175, Abs. 2 und 190, OG) ; sie nennt sich Verwaltungsbeschwerde. Das Anwendungsgebiet der sich auf Art. 189, Abs. 2 und 4, OG stützenden Beschwerde wird durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde insofern eingeschränkt, als bei einzelnen Materien (z. B. bei Militärsteuerrekursen) an die Stelle der bisher zulässigen Beschwerde an den Bundesrat künftig die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht tritt.

Zu Art. 22.

Diese Bestimmung nennt die Fälle, in denen die Verwaltungsbeschwerde unzulässig ist ; sie enthält die Ausnahmen von der Eegel des Art. 21 : 1. Wo das Bundesgericht oder das eidgenössische Versioherungsgericht, sei es als Beschwerde-, sei es als einzige Instanz, zu entscheiden haben, ist kein Baum für die verwaltungsrechtliche Beschwerde an den Bundesrat.

Expropriationsstreitigkeiten sind Verwaltungssaehen, Darüber entscheiden nicht endgültig (Art. 21,lit. c) die Schätzungskommisionen.

Ihre Erkenntnisse sind aber nicht mit Verwaltungsbeschwerde anfecht-

244 bar, weil ihre Weiterziehung an das Bundesgericht vorgesehen ist (Art. 22, Ht. a).

2. In gleicher Weise ist die Verwaltungsbeschwerde unzulässig in Sachen, die von einer andern ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden Instanz endgültig zu beurteilen sind 1).

Als solche Instanzen fallen beispielsweise in Betracht : die Landschadenkommissionen (Art. 298 des Terwaltungsreglenients), die Expertenkommission der Art. 174 und 175 des Verwaltungsreglements, die Evakuationsschätzungskoramissionen (Art. 7 der Verordnung vom 28. Januar 1912 über Evakuation), die eidgenössische Steuererlasskommission (Art. 117 und 133 des Bundesbeschlusses betreffend die neue ausserordentliche Kriegssteuer vom 28. September 1920), die eidgenössische Mass- und Gewichtskommission hinsichtlich bestimmter Sachen (Art. 18 des Bundesgesetzes über Mass und Gewicht vom 24. Juni 1909; Art. 31, 78 und 88 der Vollziehungsverordnung betreffend die in Handel und Verkehr gebrauchten Längen- und Hohlmasse, Gewichte und Wagen vom 12. Januar 1912 in Verbindung mit Bundesratsbeschlüssen vom 14. Oktober 1916 und 2. Februar 1922; Art. 2, 16, 18 und 27 der Vollziehungsverordnung betreffend die amtliche Prüfung und Stempelung von Elektrizitätsverbrauchsmessern vom 9. Dezember 1916; Art. 15 der Vollziehungsverordnung betreffend die amtliche Prüfung und Stempelung von Gasmessern vom 12. Januar 1912; Art. 5, 14, 15, 16 und 20 der Vollziehungsverordnung betreffend die amtliche Prüfung und Stempelung von Wassermessern vom 29. Oktober 1918).

Wenn auch --: formell betrachtet -- die Bundesversammlung eine ausserhalb der Bundesverwaltung stehende, endgültig entscheidende Instanz ist, so denkt doch Art.22, lit. b, nicht daran, die Verwaltungsbeschwerde hinsichtlich der an die eidgenössischen Kate weiterziehbaren Verwaltungssachen ausssuschliessen. Die hier besprochene Bestimmung hat Instanzen nicht im Auge, die dem Bundesrate übergeordnet sind.

Auf den Gebieten, auf welchen die Eidgenossenschaft gesetzgebungsberechtigt ist, kann der Bundesgesetzgeber den Kreis der ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden Instanzen erweitern oder verengern (vgl. Art. 47 des Entwurfs).

1 ) Zu den ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, zum Teil endgültig (Art. 22, lit. b), zum Teil nicht endgültig (Art. 21, lit. e) entscheidenden Eistanzen treten in Gegensatz
die ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden Behörden, die lediglich begutachtende Punktionen haben: man denke beispielsweise an die eidgenössische Fabrikkommission, Werkstättenkommission (Art. 86 und 85, Abs. 2, des Fabrikgesetzes) und Stempelkommission (Art. 8 des Stempelabgabengesetzes).

245 8. Die lit. c des Art. 2'2 bestimmt, dass kantonale Entscheide dann mit der Verwaltungsbeschwerde nicht angefochten worden können, wenn ihre Weiterziehung bundesrechtlich ausgeschlossen ist.

Einen solchen Ausschluss sieht ausdrücklich vor z. B. Art. 24 des Bundesgesetzes betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen vom 18. Juni 1917: er bestimmt, dass die Beiträge an die Tierbesitzer «von den Kantonsregierungen endgültig» festgesetzt werden, Sinngemäss muss der kantonale Entscheid beispielsweise nach Art. 25, Abs. 4, des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 als endgültig betrachtet werden.

4. Der revidierte Art. 103 BV geht von der Anschauung aus, dass es keine eigenen Geschäfte eines Departementes oder einer Abteilung gibt. Es gibt nur Geschäfte des Bundesrates. Durch Delegation kann die Erledigung von Geschäften den Departementen und Abteilungen übertragen werden. Die Delegation ist aber nur unter Vorbehalt des Beschwerderechts an den Bundesrat zulässig. An diese Norm ist auch der Bundesgesetzgeber gebunden: er darf die Weiterziehung an den Bundesrat nicht ausschliessen. Gesetzesvorschriften, die, wie z, B. Art. 28 des Patentgesetzes, eine endgültige Entscheidungskompetenz von Departementen vorsahen, sind mit Inkrafttreten des revidierten Art. 108 BV dahingefallen.

Trotzdem nehmen wir an, dass der Bundesgesetzgeber (Art. 22, lit. d, des Entwurfs) befugt ist, den Bekurs gegen Entscheide auszuschliessen, die das eidgenössische Militärdepartement als militärische Disziplinarbehörde erlassen hat.

Die Praxis (vgl. Salis III Nr. 1258; Bundesbl. 1905, I, 2 und IV, 526) geht dahin, dass das eidgenössische Militärdepartement militärische Disziplinarstrafsachen als oberste Instanz endgültig erledigt und dass eine Weiterziehung seiner Entscheide an den Bundesrat ausgeschlossen ist. Dieser Standpunkt wurde wie folgt begründet : Allerdings stehe dem Untergebenen lar t Art, 196 MStrG das Becht zu, beim Obern des Vorgesetzten, der die Strafe diktiert hat, sich zu beschweren; die höchste Instanz sei aber der Chef des Militärdepartements, da der Bundesrat nicht der militärische Obere des Departementschefs sei und daher eine gegen dessen Disziplinarßtrafontscheide gerichtete Beschwerde nicht entgegennehmen könne.

Diese Argumentation vermag aber
den Einbruch in das Prinzip des revidierten Art. 103 BV nicht zu rechtfertigen. Wohl aber lässt sich die Lösung des Entwurfs verfassungsrechtlich rechtfertigen durch folgende Überlegung: Die Disziplinarstrafgewalt ist grundsätzlich ein Attribut der Kommandogewalt des Truppenführors. Sie ist eine Funktion der Bundesblatt. 77. Jahrg. Bd. II.

19

246 Truppenführung. Die Truppenführung nimmt aber innerhalb der Staatsverwaltung eine eigenartige Stellung ein (vgl. Schindler, Bechtsbeziehungen zwischen Bund und Kantonen im Heerwesen, S. 52--72). Sie ist -- im Gegensatze zur Militärverwaltung im engern Sinne -- so selbständig, dass ihre Akte nicht als unter die «Geschäfte des Bundesrates» fallend betrachtet werden tonnen und somit nicht zur bundesrätlichen Verwaltung gehören. Die Bestimmungen der MO, die dem Bundesrate ein Aufsichtsrecht über die Truppenführung einräumen, sind Ausnahmen, welche die Begel bestätigen. Wir nehmen also an, dass das in Art. 108 BV gewährleistete Beschwerderecht sich grundsätzlich nicht auf Akte der Truppenführung (Kommandogewalt) erstreckt. (Vgl. Mitbericht des eidgenössischen Justizund Polizeidopartementes vom 29. Juli 1920 und Entscheid des Bundesrates vom 81. Dezember 1920 in Sachen Neuhaus.)

Zu Art. 23.

Mit der Verwaltungsbeschwerde gegen den Entscheid einer eidgenössischen Instanz kann geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer Verletzung von Bundesrecht oder auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des Sachverhalts oder er sei unangemessen.

Kantonale Entscheide können dagegen nicht -wegen Unangemessenheit durch Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat weitergezogen werden. Es besteht kein AnlasS; diese schon im bisherigen Becht (Art. 189, Abs. 2, OG) geltende Eegelung abzuändern.

Während Art. 16, Abs. l, des Entwurfs das Bundesgericht an die Anträge der Parteien bindet, ist bei der Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat eine solche Bindung nicht vorgesehen. Daraus ergibt sich, dass der Bundesrat -- entsprechend seiner Stellung als oberstes Vollziehungs- und Aufsichtsorgan -- an .die Anträge der Parteien nicht gebunden ist und völlig frei in der Sache entscheidet, also auch in der Lage ist, eine reformatio in pejus vorzunehmen.

Zu Art. 24.

Der Art. 24 stellt den Grundsatz auf, dass der Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat keine aufschiebende Wirkung zukommt.

Vorbehalten bleibt die Möglichkeit, dass im Einzelfalle der Bundesrat durch eine vorsorgliche Verfügung den Aufschub des Vollzuges des durch Verwaltungsbeschwerde angefochtenen Entscheides anordnet.

Grundsätzlich hat also zunächst die gegen kantonale Entscheide gerichtete Verwaltungsbeschwerde keinen Suspensiveffekt, gleichviel, ob der Beschwerdeführer geltend macht, dass eine positive.

247 vom Kanton zu vollziehende Norm des Bundesrechts nicht oder nicht richtig angewendet worden sei oder ob er dartut, dass der Kanton eine vom Verwaltungsrecht des Bundes aufgestellte Schranke nicht beachtet habe. Damit konserviert der Entwurf den bisherigen Kechts· zustand: zurzeit hat die staatsrechtliche Beschwerde des Art. 189 OG, die der Entwurf durch die Verwaltungsbeschwerde ersetzt, nach Art. 191 OG keinen Suspensiveffekt. Es sprechen aber,auch innere Gründe für diese Lösung: das Schwergewicht liegt so sehr auf der kantonalen Entscheidung, dass deren Eechtskraft nicht durch die rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels gehemmt werden soll.

Nach Art. 24 des Entwurfs soll das gleiche auch gelten für die gegen eidgenössische Entscheide gerichteten Verwaltungsbeschwerden, Das geltende Eecht schweigt sich über die uns hier beschäftigende Frage aus. Tatsächlich aber hat das der Verwaltungsbeschwerde entsprechende Bechtsmittel keinen Suspensiveffekt: wo die Anfechtung des Erkenntnisses der Mittelinstanz unbefristet ist, da ist der Suspensiveffekt der Beschwerde von vornherein ausgeschlossen und auch, wo sie befristet ist, wird angenommen, das Bechtsmittel habe keine aufschiebende Wirkung. Diese Lösung erscheint uns auch innerlich als gerechtfertigt. Der Gesetzgeber, der die Kompetenzdelegation als zulässig erklärte (revidierter Art. 103 BV und Art. 23 des BG vom 26. März 1914) imd sie tatsächlich aussprach (Bundesratsbeschluss vom 17. November 1914), wollte dem Bundesrat die Pflicht, zu urteilen, abnehmen und das massgebende Erkenntnis in die Hand der selbständigen Mittelinstanz legen; er hat mit dem frühern Bechtszustande. gebrochen, wonach der Bundesrat «eigentlich die grundsätzlich zur alleinigen Entscheidung berufene Behörde war»; er wollte die Behörde, die der Sache näher steht als der Bundesrat, das entscheidende "Wort sprechen lassen, ihr aber auch die ganze Verantwortung für die richtige Erledigung der Sache zuschieben. Das Institut der Kompetenzdelegation verlegt das Schwergewicht in der Entscheidungstätigkeit vom Bundesrat auf die ihm untergeordnete Mittelinstanz. Seinem Wesen entspricht es, wenn der Beschwerde der Suspensiveffekt vorenthalten wird. Dazu kommt, dass die Nichtweiterziehung des Entscheides der Mittelinstanz die Begel, die Weiterziehung die Ausnahmebildet und voraussichtlich
auch bilden wird. Unter diesen Umständen wäre es nicht verständlich, wenn man um der wenigen weitergezogenen Sachen willen die Vollstreckbarkeit der übrigen erst 80 Tage nach Mitteilung des Entscheides der Mittelinstanz eintreten liesse. Weiterhin liegt im Suspensiveffekt ein Anreiz zu trölerischer Beschwerdeführung. Und endlich sei darauf hingewiesen, dass -- würde der Beschwerde aufschiebende Wirkung gegeben -- der Pa-

248 rallelismus zwischen der gegen eidgenössische Entscheide gerichteten Vorwaltungsbeschwerdc und der Verwaltungsgerichtsbesehwerde gestört wäre.

Zu Art. 25.

.

Die Bestimmung des Art. 25 enthält eine Neuerung im Verwaltungsbeschwerdeverfahren, auf die wir Gewicht legen.

Zurzeit mangelt es nicht an Verwaltungsbehörden, die in ihrer hierarchischen Stufenfolge dazu berufen sind, über eine konkrete Administrativsache zu erkennen. Es fehlt aber die erforderliche Getrenntheit und Unabhängigkeit der Instanzen voneinander.

"Wenn eine Abteilung über eine bestrittene Verwaltungssache entschieden hat und gegen das Erkenntnis beim vorgesetzten Departement Beschwerde geführt wird, so ist es die angegriffene Abteilung selbst, die dem Departement den fertigen Entwurf eines Departementalentscheides unterbreitet. Der Departementschef entscheidet.

Neuerdings erfolgt Boschwerde. Wiederum ist es die Abteilung, die dem Departement den fertigen Entwurf zu einem Antrag an den Bundesrat vorlegt. Der Chef des Departements, dessen Entscheid angefochten ist, unterzeichnet den Antrag. Der Bundesrat urteilt nach Einholung des Mitberichtes eines unbeteiligten Departements.

Nach aussen erweckt dieses Verfahren mit den zwei Bekursinstanzen den Eindruck, dass dem Beschwerdeführer die Kechtsgarantien geboten sind, auf die er billigerweise Anspruch erheben kann. In Wirklichkeit ist häufig die erste Instanz der spiritus rector im ganzen Bekursverfahren; sie übt hier den bestimmenden Einfluss aus; man kann sich oft des Eindrucks nicht erwehren, dass nicht drei verschiedene Instanzen in der Sache erkennen, sondern eine Instanz zu drei verschiedenen Malen urteilt.

Diese Erkenntnis führt uns zu dem Vorschlag, das Justiz- und Polizeideparternent und, wo es selbst beteiligt ist, ein anderes vom Bundespräsidenten zu bezeichnendes Departement mit der Instruktion und Antragstellung zu betrauen. Gewiss soll auch in diesem Verfahren die Mittelinstanz, deren Entscheid angefochten ist, zum Worte kommen, aber nur als dem Beschwerdeführer gegenüberstehende Beschwerdebeklagtc.

Diese Art des Vorgehens hat sich in einzelnen Dikasterien des Justiz- und Polizeidepartements eingelebt und bewährt. So gehen Beschwerden, die sich gegen Verfügungen des Amtes für geistiges Eigentum richten, an die Justizabtoilung und werden von dieser instruiert;
werden Verfügungen des eidgenössischen Amtes für das Handelsregister angefochten, so wird der Beschwerdeentscheid von der engern Justizabtcilung vorbereitet, Es gibt auch jetzt schon

249

Departement«, die in einzelnen Bekurssachen dae eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ersuchen, Instruktion und Antragstellung an den Bundesrat zu übernehmen.

Wird der Art. 25 des Entwurfs geltendes Eecht, so wird das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement auf, die gesamte Rechtspflegetätigkeit der Verwaltung einen regulierenden Einfluss auszuüben vermögen, der durchaus in der Eichtung geht, wie ihn die unentwegten Vorkämpfer des Verwaltungsgerichts nur von einer richterlichen Instanz glauben erwarten -m dürfen. Dieser Stellung entspricht es auch, dass diesem Departement die Aufgabe zugewiesen worden ist, für Publikation derjenigen Administrativentscheide besorgt zu sein, die geeignet sind, veröffentlicht zu werden.

Zu Art. 26.

1. Art. 26 ergänzt die besprochenen Verfahrensvorschrifteu dadurch, dass gewisse für den staatsrechtlichen Rekurs geltende Verfahrensbestimmungen als auf die Verwaltungsbeschwerde entsprechend anwendbar erklärt werden. Vergleicht man das Verfahronsrécht vor Bundesrat als Beschwerdeinstanss (Art. 26) mit dem ihm innerlich am nächsten verwandten Verfahrenerecht vor Bundesgericht als Beschwerdeinstanz (Art. 12), so zeigen sich folgende Differenzen : a. Art. 190 OG erklärt unter anderra auch den Art. 182 OG auf die vom Buiidesrat zu beurteilenden staatsrechtlichen Streitigkeiten als anwendbar. Art. 190 OG wird aber durch Art. 49, lit. g, des Entwurfs aufgehoben werden.

Art. 182 OG schliesst die staatsrechtliche Beschwerde aus, wenn es sich um Verletzung privatrechtlicher oder strafrechtlicher Vorschriften eidgenössischen Eechts handelt. Diese Bestimmung sollte für die Verwaltungsbeschwerde beibehalten werden. Es soll beispielsweise ausgeschlossen sein, dass die Verfügung einer kantonalen Vormundechaftsbehörde wegen Verletzung eidgenössischen Eechts durch Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat gezogen werden kann.

Daher verweist Art. 26 des Entwurfs auf Art. 182, Abs. l, OG.

Bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 12) fehlt ein Hinweis auf Art. 182 OG, weil er faktisch nicht als erforderlich erscheint.

fc. Art. 12 verweist für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf Art. 188 OG. Diese Bestimmung handelt vom Instruktionsverfahren und von der mündlichen Schlussverhandlung. Art. 26 enthält nun für die Verwaltungsbeschwerde den Hinweis auf Art. 188 OG nicht; in Art. 25 sind die erforderlichen Bestimmungen über die Instruk-

"Jfrw^'Tfiy:.'

250 tion enthalten; eine Schlussverhandlung vor Bundesrat fällt ausser Betracht.

c. Art. 12 erklärt für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde den Art.

185 OG als entsprechend anwendbar. Diese Bestimmung gibt dem Präsidenten des Bundesgerichts die Befugnis zum Erlass vorsorglicher Verfügungen. Für die Verwaltungsbesclvwerde genügt die Vorschrift des Art. 24; der Bundesrat kann als entscheidende Behörde vorsorgliche Verfügungen treffen.

d. Der Art. 26 verweist für die Verwaltungsbeschwerde unter andern auf den Art. 186 OGr, während der Art. 18 für die Verwaltungsgeriohtsbeschwerde abweichende Bestimmungen aufstellt.

e. Art. 12 verweist für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf Abs. l und 2 des Art. 187 OG-, Art. 26 für die Verwaltungsbeschwerde nur auf den ersten Absatz. Der Abs. 2 des Art, 187 kommt für den Bundesrat nicht in Betracht.

/. Bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 12) wird dem Art. 188 OG gerufen, bei der Verwaltungsbeschwerde (Art. 26) dagegen nicht. Dort entspricht es der Natur des Gerichtsurteils, dass dessen Revision und Erläuterung an bestimmte formale Voraussetzungen geknüpft sind, hier scheint eine solche Formatierung nicht erforderlich zu sein. Die Praxis oder die in Art. 26, Abs. 2, vorgesehene Verordnung des Bundesrates werden die Eevision bundesrätlicher Entscheide mindestens so weit zulassen, als diese gegenüber bundesgerichtlichen Urteilen gestattet ist. Sie können aber noch weiter gehen und eine erleichterte Möglichkeit einräumen, die Wiedererwägung eines Beschwerdeentscheides zu verlangen.

g, Art, 12 erklärt den Art. 195 OG als auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde anwendbar. Für die Verwaltungsbeschwerde braucht dieser Bestimmung nicht gerufen zu werden, weil der Entwurf selbst in Art. 27 für sie eine entsprechende Vorschrift aufstellt.

2. Die Absätze 2 und 8 des Art. 26 geben dem Bundesrate die Befugnis, auf dem Verordnungswege Vorschriften aufzustellen und zwar ergänzende Bestimmungen hinsichtlich des Verfahrens der Verwaltungsbeschwerde im allgemeinen, sowie von Art. 221 OG abweichende Bestimmungen hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens (vgl. Bundesratsbeschluss betreffend die Kosten des Beschwerdeverfahrens und den Bezug von Kanzleigebühren in der Bundesverwaltung vom 15. Juli 1921).

Zu Art. 27.

Diese Bestimmung entspricht dem Art. 196, Abs. l, OG (vgl.

Art. 49, lit. g, des Entwurfs).

251 Zu Art. 28.

1. Art. 113, Ziff. 3, BV verhält sich zu Art. 118, Abs. 2, BV wie Kegel und Ausnahme: Art. 113, Ziff. S, weist «Beschwerden betreffend Verletzung verfassungsmässiger Eechte der Bürger, sowie über solche von Privaten -wegen Verletzung von Konkordaten und Staatsverträgen» dem Bundesgericht zu; der die «Administrativstreitigkeiten» umfassende Ausschnitt aus diesem Kreis wird durch Art. 113, Abs. 2, wieder der Kognition des Bundesgerichts entzogen und durch Art. 85, Ziff. 12, BV der Beurteilung des Bundesrates und der Bundesversammlung unterstellt. An diese, durch die Verfassung getroffene Regelung ist das Bundesgesetz gebunden. Gewiss kann es den Kreis der «Administrativstreitigkeiten» erweitern oder verengern. Was es als «Administrativstreitigkeit» bezeichnet, kann es aber nicht von der Kognition des Bundesrates und der Bundesversammlung aussohliessen.

Art. 189 OG umschreibt den Kreis der «Administrativstreitigkeiten» und zwar Abs. l hinsichtlich der Verletzung verfassungsmässiger Eechte der Bürger, Abs. 4 hinsichtlich der Verletzung von Konkordaten und Staatsverträgen. Die Umschreibung ist nicht unanfechtbar. Wir nehmen sie aber als etwas Gegebenes hin.

So gelangen wir zu der Vorschrift des Art, 28, lit. o, des Entwurfs, welche bestimmt, dàss die Administrativstreitigkeiten des Art. 189, Abs. l und 4, OG an die Bundesversammlung weiterziehbar sind und damit zu einer Bestätigung dessen, was heute gelten muss und gilt.

Neu ist lediglich die Eeduktion der Dauer der bisherigen Beschwerdefrist von 60 auf 30 Tage, die sich allgemein aufdrängte.

2. Grösser als die positive ist die negative Bedeutung der Bestimmung.

Art. 189, Abs. 2 OG legt die Beurteilung von Beschwerden gegen, kantonale Entscheide wegen Verletzung von Bundesgesetzen in die Hand des Bundesrates und der Bundesversammlung. Der Bundesgesetzgeber hat hier die Bundesversammlung zur Eechtsmittelinstanz gemacht, ohne hierzu verfassungsrechtlich genötigt zu sein. Er ist mithin rechtlich nicht daran gehindert, auf die von ihm getroffene Regelung zurückzukommen. Der Entwurf nun möchte die Weiterziehung des in diesen Sachen ergangenen bundesrätlichen Entscheides an die Bundesversammlung ausschliessen. Er bringt diesen Willen zum. Ausdruck, indem er in Art. 28 die Beschwerden des Art. 189, Abs. 2, OG nicht erwähnt und durch den Art. 49, lit. e, die in Art. 189, Abs. 2, OG enthaltenen Worte «oder von der Bundesversammlung» beseitigt.

252 Wenn wir vorschlagen, die Entscheidungsbefugnis der Bundesversammlung soweit auszuschalten, als es verfassungsrechtlich zulässig ist, so tun wir es nicht aus Machthunger, sondern aus rein praktischen Gründen: weil die Bundesversammlung zum Reclitspflegeorgan weder bestimmt noch geeignet ist und weil die Weiterziehbarkeit bundesrätlicher Entscheide dem in Art. 95 BV ausgesprochenen Prinzip zuwiderläuft, wonach der Bundesrat die oberste vollziehende Behörde ist. Tatsächlich haben auch die bisher an die Bundesversammlung gezogenen Fälle dieser selbst sicherlich den Eindruck erwecken müssen, dass ihre kostbare, für wichtigste Landesaufgaben bestimmte Zeit meist für kleinliche Rechthabereien, recht häufig für direkte Trölereien, in Anspruch genommen wurde.

3. Es gibt eine Reihe von bundesgesetzlichen Bestimmungen, die eine Weiterziehung bundesrätlicher Verwaltungsentscheide an die Bundesversammlung vorsehen. Dabei handelt es sich meistens um Entscheide, die der Bundesrat als erste Instanz getroffen hat (vgl. unsere Bemerkungen zu Art. 29 und 80); sofern aber der erstinstanzliche Entscheid beispielsweise an ein Departement delegiert wird, entscheidet der Bundesrat als Beschwerdeinstanz. Der Art. 28.

lit. fe, des Entwurfs möchte die Weiterziehung bundesrätlicher Beschwerdeentscheide an die Bundesversammlung in Fällen, für die eine solche Weiterziehung durch besondere Bundesgesetze vorgesehen ist, beibehalten, ohne näher zu prüfen, ob dieser Rechts/rastand innerlich gerechtfertigt sei oder nicht. Zu dieser Frage Stellung zu nehmen, muss einer umfassenderen Revision des Rechtspflegegesetzes vorbehalten bleiben, Auch hier besteht die Neuerung darin, dass die Beschwerdefrist auf 30 Tage festgesetzt wird.

4, Der zweite Absatz von Art. 28 des Entwurfs ermöglicht es dem Bundesrat, durch vorsorgliche Verfügung den Vollzug eines an die Bundesversammlung weitergezogenen Beschwerdeentscheides aufzuschieben und tritt an die Stelle des Art. 198 OG, der in Art. 49, lit. g, des Entwurfs aufgehoben wird.

Zu Art. 29 und 30.

1. Aus dem Kreis von Verwaltungssachen, die der Bundesrat als erste oder einzige Instanz zu beurteilen hat (Art. 103, Abs. l, BV), heben die Art. 29 und 80 des Entwurfs die Verwaltungsstreitigkeiten heraus. Diese bilden das Komplement zu den Verwaltungsstreitsachen des Bundes, die nach den vorausgehenden Bestimmungen anderer Beurteilung unterliegen. Dem Gesetze würde die Geschlossenheit des Aufbaus fehlen, wenn diese Gruppe von Verwaltungsstreitigkeiten stillschweigend übergangen würde; zudem würde es

253 sich nicht empfehlen, das Verfahren in diesen Fällen völlig ungeregelt zu lassen.

Der Bundesrat kommt in die Lage, als einzige Instanz zu entscheiden, beispielsweise in einigen ausdrücklich dem Bundesrate zur Entscheidung zugewiesenen Streitigkeiten zwischen Kantonen (man denke an Art. 24 des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888), Sodann weist die Bundesgesetzgebung hie und da dem Bundesrate Verwaltungsstreitigkeiten zur erstinstanzlichen Beurteilung zu, in der Meinung, dass dessen Entscheide entweder an die Bundesversammlung oder an das Bundesgericht weiterziehbar sein sollen.

Die Weiteraiehung an die Bundesversammlung ist beispeilsweise vorgesehen: in Art. 41, Abs. 2, des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten vom 9. Dezember 1850; in Art. l, Abs. 3, des Bundesgesetzes über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft vom 23. Dezember 1851 ; in Art. 14, Abs. 3, des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 23. Dezember 1872; in Art. 12 des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei im Hochgebirge vom 22. Brachmonat 1877; in Art. 8 des Bundesgesetzes betreffend das Stimmrecht der Aktionäre vonEisenbahngesellschaften und dio Beteiligung des Staates bei deren Verwaltung vom 28. Juni 1895; in Art. l, Abs. 3, des Buudesgesetzes über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen vom 21. Dezember 1899 ; in Art. 21, Abs. 5, des Bundesgesetzes betreffend das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen vom 27. Juni 1901. Soweit diese Geschäfte nicht an untere Instanzen delegiert sind, entscheidet über sie der Bundesrat als erste Instanz.

Die Weiterziehung bundesrätlicher Entscheide an das Bundesgericht endlich sieht die Bundesgesetzgebung nur ganz ausnahmsweise vor 1). Wir finden sie beispielsweise in Art. 12, 16 und 20 des Bundesgosetzes über das Eechnungswesen der Eisenbahnen vom 27. März 1896 (vgl. Art. 180, Ziff. 2, OG) und in Art. 12 des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei im Hochgebirge vom 22. Brachmonat 1877.

Es erhellt, dass die Aufnahme der Art. 29 und 30 in den Entwurf nicht nur einem systematischen, sondern auch einem praktischen Bedürfnis entspricht : die Zahl und die Bedeutung der in diese Kate*)
Die Streitigkeiten des Art. 9 des Bundesgesetzes die Heimatlosigkeit betreffend vom 3. Dezember 1850 werden von Art. 110 BV als zivilrechtlicher Natur bezeichnet. Art. 49 OG verweist sie vor das Bundesgericht als einzige Zivilgerichtsinstanz. Sie fallen unter diesen Umständen hier ausser Betracht.

254 gorie fallenden Sachen ist nicht so gering, dass man sie unbeachtet lassen könnte.

2. Die Art. 29 und 30 regeln das Verfahren vor dem Bundesrat als einziger oder erster Instanz, indem sie entweder selbst Bestimmungen aufstellen oder gewissen für den staatsrechtlichen Eekurs geltenden Verfahrensvorschriften rufen. Vergleichen wir ·-- ähnlich wie wir es bei Art. 26 getan haben -- das Verfahrensrecht vor Bundesrat als einziger oder erster Instanz (Art. 29) mit dem Verfahrensrecht vor Bundesgericht als einziger Instanz (Art. 20), so gelangen ·wir zu folgenden Differenzpunkten: a. Nach Art. 20, Abs. l, ist das Bundesgericht als gerichtliche Instanz an die Anträge der Parteien gebunden. Der Art. 29 sieht für den Bundesrat eine solche Bindung nicht vor.

b. Die zu Art. 26 unter l, b, o und e--g gemachten Bemerkungen gelten mutatis mutandis auch hier.

Im übrigen entspricht Art. 29, Abs. 2, dem Art. 20, Abs. 2.

S. Hinsichtlich der Abs. 3 und 4 des Art. 29 verweisen wir auf unsere Bemerkung 2 zu Art. 26.

4. Dem Art. 30, Abs. 2, entspricht Art. 28.

Zu Art. 31 und 32.

Die Zollgesetzgebung schafft die Rekurskommission für Zolltarifbeschwerden und regelt das vor ihr zu beobachtende Verfahren.

Trotzdem muss die neue Instanz im Verwaltungsgerichtsgesetz erwähnt werden, weil deren rechtlicher Charakter der eines Spezialverwaltungsgerichts ist und die ihr zugewiesenen Kompetenzen von der Zuständigkeit des allgemeinen Verwaltungsgerichts ausgenommen werden müssen (vgl. Art. 8, lit. b).

Die Anschauungen darüber, ob der Rekurskomraission entscheidende oder nur begutachtende Funktionen zugewiesen werden sollen, haben geschwankt. Heute ist darüber durch Aussprache zwischen den moist engagierten Verwaltungsorganen und den Interessentenkreisen speziell aus Handel und Industrie eine Verständigung eingetreten, welche neben dem Verwaltungsrechtsschutz im Einzelfall auch die allgemein wirtschaftliche Bedeutung des Zolltarifs für das Volksganze, seinen Charakter als ·wirtschaftliche Schutzwaffe gegen Auslandkonkurrenz berücksichtigt und deshalb vor allem das Verordnungsrecht des Bundesrates für generelle Tariffeststellungen, für im Tarif nicht geordnete Positionen, unangetastet lässt.

Die Redaktion der Art. 31 und 32 des Entwurfs wird sich der Fassung anzupassen haben, die der definitive Text des Zollgesetzentwuri's seinen Art. 22, 109 und 143 geben wird.

255 Zu Art. 33.

Der zweite Abschnitt des Gesetzesentwurfs behandelt die Disziplinarrechtspflege, und zwar in dem Sinne, dass ihre Ausübung verschiedenen Instanzen übertragen werden soll. Eine Teilung der Kompetenzen wird schon durch die in ihrer Schwere und Bedeutung mannigfach abgestuften Disziplinarstrafen notwendig. Die Schwierigkeit liegt darin, eine Lösung zu finden, die dem Art. 114bta der Bundesverfassung genügt und sich zugleich mit den praktischen Bedürfnissen der Verwaltung verträgt. Der Verfassungsartikel postuliert die Disziplinargerichtsbarkeit. Es handelt sich also heute nicht mehr um die Frage, ob eine solche eingeführt werden soll -- diese Frage ist durch die Verfassung entschieden --, sondern um die Art der Ausführung des Grundsatzes. Das entscheidende Merkmal einer Disziplinargerichtsbarkeit liegt darin, dass dem Beamten gegen ungerechte Behandlung ein Rechtsschutz bei einer ausserhalb der Verwaltung stehenden und von ihr unabhängigen Instanz gegeben wird.

Dadurch unterscheidet sich die Disziplinargerichtsbarkeit von der im Rahmen der Bundesverwaltung verbleibenden Disziplinarrechtspflege. Auch diese setzt die Anhörung des angeschuldigten Beamten in einem geordneten Verfahren voraus, allein es fehlt ihr die für den Begriff der Gerichtsbarkeit wesentliche Entscheidungskompetenz einer mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Behörde. Ein so gearteter Eechtsschutz muss also, soll der Verfassungsvorschrift nachgelebt werden, wenigstens für die schwersten Disziplinarfälle geschaffen werden.

Wie bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit fragt es,sich aber, ob für diese Fälle das Bundesgericht als Disziplinargericht bezeichnet oder ein selbständiges Disziplinargericht bestellt werden soll. Im Sinne der zweiten Lösung könnte daran gedacht werden, die zu schaffende neue Instanz nach Art der gewerblichen Schiedsgerichte zu organisieren, dergestalt, dass sie sich aus Vortretern der niedern und der höhern Beamtenschaft zusammensetzen und von einem ausserhalb des Beamtenkörpers stehenden Präsidenten geleitet würde.

Diese Organisation brächte die Gefahr mit sich, dass in der Mehrzahl dor Fälle der Entscheid vom neutralen Präsidenten und nicht vom Kollegium als solchem gefällt werden müsste. Jedenfalls bietet ein Kollegium von unabhängigen, mit den Parteien nicht in irgendwelchem
Interessenzusammenhang stehenden Persönlichkeiten mehr Garantien für eine objektive Rechtsprechung als ein faktisch auf die Person des Präsidenten abgestellter Entscheid. Sucht man also nach der postulierten neutralen Instanz, so findet man sie zwangsläufig im Bundesgericht als dem Gericht, das auch über die Vermögens

256

rechtlichen Ansprüche der Beamten aus ihrem Dienstverhältnis entscheidet und dessen Aufgabe es ist, das Beamtenrecht auszulegen und durch die Auslegung weiterzubilden. Da es sich dabei um Bechtspflege auf einem Spezialgebiete handelt, will der Entwurf sie nicht der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung, sondern der «Kammer für Beamtensachen » als einer besondern, neu zu bildenden Kammer des Bundesgerichts übertragen. Für diese erscheint eine Mitgliederzahl von fünf Eichtern angemessen. Die Loslösung von der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung wird die letztere entlasten und den Mitgliedern der neuen Kammer die Einarbeitung in das Spezialgebiet des Beamtenrechts erleichtern.

Art. 49 des Entwurfs sieht die für die Bildung der Kammer notwendigen Abänderungen des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vor. Durch Anordnung des Bundesgerichts tonnen ihr auch verwaltungsrechtliche Fragen aus dem Dienstverhältnis der Bundesbeamten zur Entscheidung zugewiesen werden (Art. 2, Abs. 2).

Zu Art, 34.

Die Tragweite der Disziplinargerichtsbarkeit -wird bestimmt einerseits durch die Abgrenzung der Disziplinarstrafen, die der Überprüfung durch das Disziplinargericht zugänglich gemacht werden, anderseits durch den Kreis der ihr unterworfenen Personen. In ersterer Hinsicht kann es sich nur um eine enge Auswahl unter den mannigfach abgestuften Disziplinarstrafen handeln, die ihrerseits durch die Vorschriften über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten bestimmt werden. Die leichten und mittlern Dis/ipliiiarmassregeln der Überprüfung durch das Bundesgericht zu unterwerfen, wäre weder mit der Stellung des letztern noch mit einein geordneten Gang der Verwaltung verträglich; es kann auch nicht von einem hinreichenden Bedürfnis nach gerichtlichem Schutz gegen diese untergeordneten Massregeln gesprochen werden, zumal Art. 44 auch für die in der Verwaltung zu erledigenden Fälle die Möglichkeit der Begutachtung durch besondere Disziplinarkommissionen vorsieht. Der Entwurf gelangt daher dazu, die Beschwerde ans Bundesgericht auf die Entlassung als die einzige Disziplinarstrafe, deren Anwendung ein lebenswichtiges Interesse des Beamten trifft, zu beschränken.

Die Entlassung als Disziplinarstrafe ist zunächst scharf zu scheiden von der Mchtwiederwahl nach Ablauf der Amtsdauer. Es liegt im Begriff der Amtsdauer, dass bei jedem Ablauf derselben die Wahlbehörde frei ist, den Beamten -wiederzuwählen oder nicht.

An diesem Eechtszustand ändert die Tatsache nichts, dass aller Regel nach die Wiederwahl erfolgt; der Beamte hat doch keinen

257 rechtlichen Anspruch darauf. Wird er also nach Ablauf der Amtsdauer nicht wieder gewählt .so steht ihm die Beschwerde ans Bundesgericht nicht zii. Auch bei Entlassung während der Amtsdauer ist dies nicht stets der Fall, sondern nur dann, wenn die Entlassung als Disziplinarstrafe wegen Verletzung der Dienstpflicht verfügt wird.

Das Dienstverhältnis kann auch aus andern Gründen während der Amtsdauer zu Ende gehen, namentlich wenn der Beamte pensioniert oder die von ihm bekleidete Stelle aufgehoben wird. In solchen Fällen scheidet der Beamte zufolge einer rein administrativen Verfügung ohne Strafcharakter aus dem Bundesdienst aus, und es ist eine Frage für sich, ob und welche ökonomischen Ansprüche ihm deshalb gegen den Bund zustehen; die Beschwerde ans Bundesgericht aus Art. 34 ist ihm in diesen Fällen nicht gegeben.

Neben der Entlassung gibt es eine zweite Disziplinarstrafe, durch welche das auf bestimmte Dauer begründete Amts- oder Anstellungsverhältnis aufgelöst wird : die Versetzung in das provisorische Dienstverhältnis. Sie wird auch etwa im Sinne einer letzten Warnung in Fällen angewendet, da die Verwaltung zur sofortigen Entlassung berechtigt wäre. Der ins Provisorium Versetzte hat den Anspruch auf Beendigung der Amtsdauer verwirkt; er kann bei jeder weitern Dienstverfehlung entlassen werden. Stände ihm aber alsdann keine Beschwerde zu, so würde er des Schutzes der Disziplinargerichtsbarkeit verlustig gehen, und die Verwaltung hätte es in der Hand, in jedem Entlassungsfall durch vorgängige Versetzung des Fehlbaren, ins Provisorium die Anrufung des Disziplinargerichts zu verhindern. Art. 34 gibt daher die Beschwerde an das Gericht auch dem nach Versetzung ins provisorische Dienstverhältnis disziplinarisch, d. h. wegen Verletzung der Dienstpflicht Entlassenen, natürlich auch in diesem Falle nur dann, wenn die Entlassung vor Ablauf der Amtsdauer erfolgt, für die der Entlassene vor seiner Versetzung ins Provisorium gewählt war, da ja über diesen Zeitpunkt hinaus kein Beamter eine rechtliche Gewähr für die Belassung in den dienstlichen Funktionen hat.

Nicht Sache des vorliegenden Gesetzes, sondern der das Dienstverhältnis ordnenden Vorschriften ist es, zu bestimmen, welche Behörde im einzelnen Fall zuständig ist, die Entlassung zu verfügen, von welcher Verwaltungsinstanz also die Beschwerde
ans Bundesgericht geht (vgl. Art. 48).

Von seiten der Beamtenschaft ist verlangt worden, dass der Schutz des Disziplinargerichts sich auch auf die strafweise Kürzung oder Einstellung im Bezug der ordentlichen Besoldungserhöhung erstrecken soll. Da aber diese Massnahme jeweilen erst auf den Beginn der nächsten Amtsdauer wirksam wird, für die ohnehin keine

258

Garantien mehr bestehen, kann diesem Postulat nicht Bechnung getragen werden.

Art. 84 bestimmt auch den Kreis der der Disziplinargerichtsbarkeit unterworfenen Personen: es sind die Beamten des Bundes mit Ausnahme derjenigen des Bundesgerichts. Der Begriff des Bundesbeamten wird vom vorliegenden Gesetz nicht umschrieben, er ergibt sich aus der das Beamtenverhältnis selbst normierenden Gesetzgebving.

Immerhin folgt aus Art. 34 selbst notwendig, dass die Disziplinargerichtsbarkeit des Bundesgerichts nur den auf bestimmte Amts« dauer gewählten Funktionären zugänglich ist. Die feste Amtsdauer bildet somit das Kriterium der Unterstellung, nicht die Bezeichnung als Beamter. Der Entwurf nimmt insbesondere keine Rücksicht auf die Unterscheidung zwischen «Beamten» und «Angestellten» des Bundes; auch die herkömmlich der letztem Kategorie zugeteilten Funktionäre sind Inbegriffen, sofern sie eine feste Amtsdauer haben. Im nämlichen Umfang wie das Personal der allgemeinen Bundesverwaltung nimmt das Personal der Bundesbahnen an der Disziplinargerichtsbarkeit teil. Dagegen sind die Beamten des Bundesgerichts von ihr ausgenommen, da es nicht angeht, gegen eine vom Plenum des Bundesgerichts verfügte diziplinarische Entlassung eine Beschwerde an eine Kammer dieses Gerichts zuzulassen. Eine Spezialinstanz zum Eechtsschutz der Kanzleibeamten des Bundesgerichts zu schaffen, liegt aber auch keine genügende Veranlassung vor.

Die militärischer Dienstgewalt unterstehenden Beamten, wie Instruktoren, Hilfsinstruktoren, ständige Angestellte der Festungen, des Kavallerieremontendepots und der Pferderegieanstalt und GrenzWächter, nehmen ebenfalls an der Disziplinargerichtsbarkeit teil, aber ausschliesslich in Hinsicht auf ihre Beamteneigenschaft. Da diese Personen auch dem militärischen Disziplinarrecht unterworfen sind, bleibt die Verhängung militärischer Strafen durch die Vorgesetzten vorbehalten; sie wird durch den Entwurf nicht berührt.

Alles im Dienste des Bundes beschäftigte, aber nicht auf Amtsdauer gewählte Personal steht aus diesem Grunde ausserhalb der Disziplinargerichtsbarkeit, Angesichts der in den einzelnen Zweigen der Bundesverwaltung und bei den Bundesbahnen herrschenden, mannigfach verschiedenen Verhältnisse wäre es schwierig und weitläufig, ein lückenloses Verzeichnis dieser Funktionäre aufzustellen.
In kurzer Zusammenfassung ausgedrückt, handelt es sich vornehmlich um das dauernd beschäftigte, aber nicht auf Amtsdauer gewählte Personal der Regiebetriebe des Bundes, die nicht ständigen Angestellten und das «übrige Personal» des Militärdepartements im Sinne der Art. 6--18 der Verordnung vom 10. März 1911 (Gesetzsammlung, Bd. XXVII, S. 127), die Fortwächter (Art. 3 der Verordnung vom

259

29. Juli 1910, Gesetzsammlung, Bd. XXVI, S. 897) sowie das bei ständigen Abteilungen der Bundesverwaltung zur Aushülfe angestellte Personal, das der Verordnung vom 7. Mai 1918 betreffend die Anstellung von Aushülfspersonal in dor Bundesverwaltung (Gesetzsammlung, Bd. XXXIV, S. 518) untersteht. Dem ohne Amtsdauer gewählten oder angestellten Personal einen gerichtlichen Schutz gegen Entlassung zu gewähren, hätte keinen Sinn, weil es auch ohne Dienstverletzung jederzeit auf kurze Frist entlassen werden kann.

Die Arbeiter der Bundesbetriebe sodann stehen im privatrechtlichen Dienstverhältnis und können im Falle vertragswidriger Entlassung den Schutz der Zivilgerichte anrufen.

Zu Art. 35.

Das Verfahren vor dem Disziplinargerichtshof wird in den Art. 35 bis 89 des Entwurfs kurz umschrieben. Der Behandlung jeder Disziplinarbeschwerde vor dem Bundesgericht geht ein Disziplinar* verfahren innerhalb der Verwaltung voraus, das aber, wie schon erwähnt, nicht durch das vorliegende Gesetz, sondern durch die Vorschriften über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten geordnet wird (vgl. Art. 48 des Entwurfs). Hält der Gemassregelte die Entlassung für ungerechtfertigt, so hat er binnen zehn Tagen seit deren Eröffnung der Kammer für Beamtensachen eine schriftliche Beschwerde einzureichen, in der er seine Anträge stellt und begründet und die Beweismittel angibt.

Zu Art. 36.

Art. 36 bestimmt, dass der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die Suspension der Entlassung bis zum Entscheid des Bundesgerichts hätte in der Tat keinen Sinn, weil bei begründet befundener Beschwerde das Bundesgericht ohnehin in der Bemessung der Entschädigung gemäss Art. 40 den Betrag der dem Beschwerdeführer vom Zeitpunkt der Entlassung bis zum Ablauf der Amtsdauer entgehenden Besoldung in Betracht ziehen wird.

. Zu Art. 37.

Die Beschwerde wird der Verwaltungsstelle, die die Entlassung verfügt hat, zur Beantwortung mitgeteilt und die Antwort wiederum dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. Ein weiterer Schriften-: Wechsel ist nicht vorgesehen, kann aber vom Instruktionsrichter angeordnet werden. Öfters wird sich zur Aufklärung des Sachverhalts eine Beweisaufnahme als notwendig erweisen, die sich sehr verschieden gestalten kann. Der Entwurf lässt denn auch dem Instruktionsrichter in dieser Hinsicht grosse Freiheit; er kann die Beweisführung entweder selbst vornehmen oder sie durch die zu-

260 ständigen Bundes- oder Kantonsbehörden vornehmen lassen. Zur eigenen Beweisaufnahme wird der Instruktionsrichter vorzugsweise dann schreiten, wenn ein stark bestrittener Sachverhalt und die Schwierigkeit der Entscheidung es erheischen. In einzelnen Fällen und für bestimmte Beweismassnahmen wird die Bundesverwaltung selbst herangezogen werden können, wenn es sich z. B.

um die Beibringung von Akten, allfällig auch wenn es sich um die Abhörung von Zeugen handelt. Ausserdem stehen dem Instruktionsrichter, zu seiner Entlastung und zur Vereinfachung und Verbilligung des Verfahrens die kantonalen Gerichtsbehörden zur Verfügung, die als unparteiische und in der Aufklärung von Tatbeständen geübte Insttxnzen sich sehr wohl zu einer objektiven Beweisführung eignen.

Der Beschwerdeführer ist in'allen Fällen zur Beweisaufnahme vorzuladen, die aber alsdann auch in seiner Abwesenheit durchzuführen ist, sofern er unentschuldigt ausbleibt.

Zu Art. 38.

Nach einmal eingereichter Beschwerde wird das Verfahren ganz vom Instruktionsrichter geleitet. Es ist deshalb notwendig, der Bundesverwaltung sowohl als dem Beschwerdeführer und seinem allfällig bestellten Eeehtsvertreter ausdrücklich das. Eecht einzuräumen, vor der Schlussverhandlung die Akten einzusehen, damit sie sich vom Ergebnis der Beweisaufnahme Bechenschaf t geben und ihre Schlüsse daraus ziehen können. Unter Umständen wird der Beschwerdeführer vorziehen, noch in diesem Stadium des Verfahrens die Beschwerde zurückzuziehen.

Zu Art. 39.

Kommt es zur Schlussverhandlung, so werden zu dieser beide Parteien vorgeladen, im Falle unentschuldigter Abwesenheit wird aber dennoch verhandelt. Der Vertreter der Verwaltung, sowohl als der Beschwerdeführer und sein Eeehtsvertreter können in mündlichem Vortrag ihre Standpunkte geltend machen. Die Beratungen der Kammer sind jedoch angesichts ihres Gegenstandes geheim, auch vor den Parteien selbst ; die Mitglieder der -Kammer müssen die Gewähr haben, sich ohne jede Eücksicht in voller Freiheit über den Beschwerdefa]] aussprechen zu können.

Zu Art. 40.

Es ist eine der heikelsten Fragen der Disziplinargerichtsbarkeit, wie weit inhaltlich der dem entlassenen Beamten gewährte Eechtssehutz gehen soll. Wenn im Beschwerdeverfahren das .Bundesgericht die Entlassung ungerechtfertigt findet, kann es alsdann diese Massnahme selbst rückgängig machen, den Entlassenen also wieder in

"·'" 261 sein Amt einsetzen, oder ist es darauf beschränkt, ihm eine Entschädigung unter Aufrechterhaltung der Entlassung zuzusprechen?

Die vollkommene Durchführung des Gedankens der Disziplinar-.

gerichtsbarkeit würde dazu führen, einem Postulat der Beamtenschaft entsprechend dem Disziplinargericht die erste, viel weitergehende Befugnis einzuräumen. Allein dieser Lösung stehen allzugrosse praktische Bedenken entgegen. Man kann sich der Einsicht nicht verschliessen, dass es zu weit gehen würde, der Verwaltung einen Beamten wieder aufzuzwingen, der nach ihrer Auffassung seine dienstlichen Pflichten so schwer verletzt hat, dass es zur Entlassung gekommen ist. Die Autorität der Verwaltung würde durch Bückversetzung zu sehr beeinträchtigt, und von der weitern Arbeit des Entlassenen in der Verwaltung lässt sich ein erspriessliches Ergebnis ohnehin kaum erwarten. Heute schon pflegen die Verwaltungen nur im äussersten Falle zur Entlassung eines Beamten wegen Dienstpflichtverletzungen zu schreiten. Kommt es einmal zur Entlassung, so wird man regelmässig der Tatsache gegenüberstehen, dass der Entlassene in seiner Stellung einfach unmöglich geworden ist. Dieser Tatsache könnte sich sicherlich auch das Bundesgericht nicht verschliessen, selbst wenn es die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hätte.

Zudem wäre aber die Verwaltung durch einen die Entlassung aufhebenden Entscheid ohnehin nur bis zum Ablauf der Amtsdauer des Beamten gebunden und alsdann frei, um wiederzuwählen oder nicht ; der Schutz im Amte selbst wäre also doch nur ein sehr beschränkter. Die Aufnahme der Möglichkeit der Wiedereinsetzung würde sich demnach im Grunde mehr als eine Scheinkonzession an das theoretische Prinzip denn als ein praktisch bedeutsamer Eechtsschutz zugunsten des Beamten darstellen. Wenn der Bundesrat also zu dem Vorschlag gelangt, den ungerecht Entlassenen auf eine Entschädigungsforderung unter Aufrechterhaltung der Entlassung zu verweisen, so geschieht «s nicht aus Verkennung des in Art. 114bis der Verfassung liegenden Gedankens, sondern in der Überzeugung, dass bei der Ausführung des Verfassungspostulates das Eechtsschutzinteresse der Beamtenschaft gegen die Bedürfnisse eines geordneten Verwaltungsganges abgewogen werden muss und dass es sich nicht rechtfertigen liesse, in einseitiger Betonung jenes Interesses die
Verwaltungen der Gefahr unleidlicher Reibungen auszusetzen.

Demnach beschränkt Art, 40 die Kompetenz des Bundesgerichts im Falle ungerechtfertigt befundener Entlassung auf den Zuspruch einer Entschädigung. Für die Entscheidung behält trotzdem das Disziplinarrecht der Beamten seine Bedeutung; denn das Bundesgericht kann nicht entscheiden, ob und in welcher Höhe dem Beschwerdeführer eine Entschädigung gebühre, ohne zu prüfen, öl?

Bnndesblatt.

77. Jahrg.

Bd. II.

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262 die Entlassung gerechtfertigt war oder dem Beschwerdeführer damit ein Unrecht angetan wurde.

Die Entschädigung selbst umfasst vor allem den Ersatz des dem Beschwerdeführer aus dem Verlust seiner Stelle erwachsenden materiellen Schadens. Bei der Ausnutzung desselben ist einmal die Höhe der zuletzt bezogenen Besoldung und die Möglichkeit anderweitigen Arbeitsverdienstes des Entlassenen bis zum Ablauf der Amtsdauer zu berücksichtigen. Sodann können dem Beschwerdeführer gemäss den Statuten der Versicherungskasse für das Personal der allgemeinen Bundesverwaltung oder der Pensions- und Hilfskasse für das Personal der Bundesbahnen Ansprüche zustehen, die ebenfalls festzusetzen und deren allfälliger Einfluss auf die Schadenersatzforderung zu prüfen ist. Endlich kann das Bundesgericht, wenn die Umstände es rechtfertigen, dem Beschwerdeführer ausser dem materiellen Schadenersatz eine Genugtuungssumme für das ihm durch die grundlose Entlassung zugefügte moralische Unrecht zubilligen.

Zu Art. 41.

Gegen die Disziplinarentscheide der Kammer für Beamtensachen ist das Rechtsmittel der Revision in gleicher Weise vorgesehen wie gegen die vom Bundesgericht in seiner Stellung als Berufungsoder Beschwerdeinstanz erlassenen Urteile. Es ist vornehmlich an den Fall zu denken, dass entweder die Bundesverwaltung oder der Beschwerdeführer nachträglich Beweismittel auffinden, deren Beibringung ihnen im frühern Verfahren unmöglich gewesen war (vgL Art. 95 OG und Art. 192 des Bundesgesetzes über das Verfahren bei dem Bundesgericht in bürgerlichen Bechtsstreitigkeiten).

Zu Art. 42.

Art. 42 des Entwurfs ordnet die Kostentragung im Disziplinarverfahren vor Bundesgericht, etwas abweichend von den für das verwaltungsgerichth'che Verfahren vorgesehenen Grundsätzen. Die Kostentragung hängt vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens ab.

Erweist sich die Beschwerde als unbegründet oder wird sie zurückgezogen, so sind dem Beschwerdeführer die Gerichtskosten, bestehend aus den allfälligen Barauslagen des Bundesgerichts für Augenschein, Zeugen und Experten, einer Gerichtsgebühr und den Kanzleigebühren (Art. 214 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege), ganz oder teilweise aufzuerlegen. Wird dagegen die Beschwerde begründet erklärt, so bleiben die Kosten des Verfahrens zu Lasten der Gerichtskasse, und es kann in diesem Falle dem Beschwerdeführer eine Prozessentschädigung zugesprochen werden, um

263

ihn für die ihm selbst aus dem Beschwerdeverfahren erwachsenen Kosten in billiger Weise schadlos zu halten.

Zu Art. 43.

Im Gegensatz zu der durch das Bundesgericht ausgeübten Disziplinargerichtsbarkeit steht die Disziplinarrrechtspflege innerhalb der Verwaltung. Sie umfasst einerseits die endgültig von Verwaltungsorganen beurteilten Dienstverletzungen, anderseits das Verfahren innerhalb der Verwaltung hinsichtlich der Fälle, in welchen die Beschwerde ans Bundesgericht gegeben ist, also bei disziplinarischer Entlassung. Diese im Eahmen der Verwaltung verbleibende Disziplinarrechtspflege wird durch den Entwurf selbst nicht geordnet, sondern ihre Normierung der Bundesgesetzgebung über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten vorbehalten. Nach der letztern bestimmen sich insbesondere auch die in den einzelnen Verwaltungen zur disziplinarischen Entlassung von Beamten zuständigen Verwaltungsorgane .

Zu Art. 44.

Auch im Eahmen der von der Verwaltung selbst ausgeübten Disziplinarrechtspflege lässt sich der Bechtsschutz der Beamten in gewissem Sinne vermehren durch die Einführung sogenannter Disziplinarkommissionen, die zur Mitwirkung bei der Erledigung bestimmter Disziplinarfälle herangezogen werden. Wenn bei den schwersten, mit Entlassung bedrohten Verfehlungen das Bedürfnis nach der Möglichkeit der Anrufung einer unabhängigen richterlichen Behörde im Vordergrund steht, will das nicht heissen, dass die nämliche Garantie sich für die übrigen, selbst schwereren Disziplinarfälle als unerlässlich oder auch nur als zweckmässig erweise. Mit der Bejahung dieser Frage würde leicht der an sich logisch richtige Gedanke des Rechtsschutzes eine Überspannung erleiden, die kaum mehr im Interesse des Beamten und auch nicht in demjenigen einer gesunden Verwaltung läge. Für den Beamten, gegen den ein Disziplinarverfahren schwebt, muss es wünschenswert erscheinen-, dass bei der Beurteilung auch Sachverständige zum Worte kommen; das gleiche gilt umgekehrt auch für eine loyal denkende Verwaltung. Die Möglichkeit hierfür gibt gerade die Einsetzung von Disziplinarkommissionen, insofern als zu Mitgliedern derselben auch Beamte der beteiligten Verwaltungen gewählt werden können.

Unseres Erachtens sollen den Disziplinarkommissionen nur begutachtende, nicht entscheidende Funktionen übertragen werden.

Sie vermögen auch so bei der Erledigung von Disziplmarfällen nützlich zu wirken und bei dem gemassregelten Beamten das Gefühl

264 nicht aufkommen zu lassen, dass er ganz von der Verwaltung abhänge.

Von Kommissionen mit entscheidender Kompetenz wären wiederum für die Autorität der Verwaltung bedenkliche Beibungen zu gewärtigen. Anderseits haben wir in Art. 44 die Frage offengelassen, ob die Kommissionen innerhalb oder ausserhalb der Verwaltung oder in kombinierter Zusammensetzung gebildet werden sollen. Es ist sehr wohl denkbar, dass auf dem Verordnungswege verschieden* artige Lösungen für verschiedenartige Verwaltungszweige (Zentral» Verwaltung, Bundesbetriebe) gefunden und die Einsetzung von Kommissionen vielleicht auf einzelne Teile der Verwaltung beschränkt wird, wie auch einzelne Disziplinarstrafen (Versetzung, Entzug von Fahrbegünstigungen) praktisch nicht für alle Bundesbeamten in Frage kommen können.

Für unsere schweizerischen Verhältnisse muss die Institution der Disziplinarkommissionen erst noch erprobt werden. Wir möchten deshalb im Gesetz die Einsetzung solcher Kommissionen nicht geradezu vorschreiben, sondern nur die Möglichkeit dazu schaffen und dafür auf den Weg bundesrätlicher Verordnung verweisen. Dieses Vorgehen wird uns gestatten, seinerzeit die. in der Verwaltung erst noch zu sammelnden Erfahrungen zu Bäte zu ziehen.

Zu Art, 45.

Die Ausdrücke «Entscheide» und «Verfügungen» .werden ölt in der gleichen Bedeutung gehraucht. Immerhin wird mitunter doch jedem der /beiden Worte ein besonderer Sinn gegeben und; von Entscheiden namentlich da gesprochen, wo im Parteiverfahren über ein strittiges Rechtsverhältnis erkannt wird. Der Entwurf verwendet überall den Ausdruck «Entscheide». Um es aber auszuschliessen, dass dieser Ausdruck in einem engern, die «Verfügungen» nicht initumfassenden Sinn aufgefasst werden könne, stellt der Art. 45 fest, dass «Verfügungen» ebenfalls als Entscheide im Sinne dieses Gesetzes gelten. Diese Bestimmung wegzulassen und durchgängig von «Verfügungen und Entscheiden» zu sprechen, empfiehlt sich wegen der Schwerfälligkeit des Ausdrucks nicht.

; Das jetzige OG redet im Art. 178 von «Verfügungen und Erlassen», weil der staatsrechtliche Bekura auch gegen allgemeine Erlasse (Gesetze, Verordnungen usw.) kantonaler Behörden zulässig ist. Der Entwurf stellt dagegen die Erlasse den Entscheiden nicht gleich, weil es nicht nötig ist, dass Kreisschreiben oder andere Erlasse durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können; es genügt, dass die in Anwendung eines allgemeinen Erlasses · ergangenen konkreten Entscheide angefochten

265

werden können; dabei findet nämlich eine Überprüfung der Gesetzmässigkeit des allgemeinen Erlasses statt mit der Wirkung, dass das Bundesgericht einen Erlass, den es als nicht gesetzmäßig erachtet, im konkreten Falle nicht anwendet.

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Zu Art. 46.

Bei der im Jahre 1900 durchgeführten Gesamtrevision des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser vom 23. Dezember 1886 wurde von der ständerätlichen Kommission beantragt, der Alkoholverwaltung juristische Persönlichkeit zu verleihen. Die Begründung, die der Berichterstatter dem Vorschlag gab, war -- wie Salis, III, Note zu Nr. 1881 mit Eecht bemerkt -- weder einwandfrei noch erschöpfend.

Trotzdem wurde der Antrag in der Bundesversammlung diskussionslos angenommen und in Art. 19 des BG- vom 29. Juni 1900 bestimmt, dass die eidgenössische Alkoholverwaltung das Eecht der Persönlichkeit habe.

Wir sehen davon ab, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob dieso Verleihung innerlich begründet ist oder nicht. Wir rechnen mit der Rechtspersönlichkeit der Alkoholverwaltung als etwas Gegebenem, möchten es aber doch ausschliessen, dass auf dem Gebiete des vorliegenden Gesetzes aus dem ihr verliehenen Charakter die rechtlichen Konsequenzen gezogen werden. Es erschiene uns als unangemessen, wenn ein vermögensrechtlicher Anspruch der Alkoholverwaltung oder gegen die Alkoholverwaltung aus öffentlichem Eecht deshalb nicht unter Art. 17 des Entwurfs fiele, weil er kein Anspruch des Bundes oder gegen den Bund, sondern ein Anspruch einer vom Bunde abgespaltenen selbständigen juristischen Person oder gegen eine solche ist.

Der Art. 46 will eine solche Argumentation von vornherein ausschliessen.

Zu Ari. 47.

Insbesondere auf dem Gebiete der Militärverwaltung existieren j etzt schon ausserhalb der Bundesverwaltung stehende, endgültig entscheidende Instanzen (vgl. unsere Bemerkungen zu Art. 17, sub 2, und zu Art. 22, sub 2). Sie haben den Charakter von Spezialverwaltungsgerichten.

"~ Die vorliegende Bestimmung will nun dem Bundesrate die Kompetenz geben, selbst solche Eechtspflegeorgane zu schaffen; sie möchte es aber nur tun unter dem Vorbehalt, dass die bundesrätlichen Vorschriften mit dem- Inkrafttreten des neuen Verwaltungsreglements ihre Geltung verlieren, dass die neuen Instanzen nur über Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund zu entscheiden haben, die sich auf die Militärorganisation stützen und dass endlich Ansprüche aus

266

Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen infolge militärischer Übungen ihrer Kognition entzogen sind.

Sowohl die Eücksicht auf die Militärverwaltung als vor allem auch die Eücksicht auf das Bundesgericht hat zu dieser Bestimmung Veranlassung gegeben. Sie soll ermöglichen, unbedeutende, aber zum Teil recht zahlreiche Militärverwaltungssachen an solche Spezialinstanzen zu weisen und so das Bundesgericht von Sachen zu entlasten, die ihrer Natur nach nicht vor ein solches Forum gehören.

Der Bundesrat wird zweifellos eine Mehrheit von solchen Kommissionen einsetzen und deren sachliche und eventuell auch örtliche Kompetenz abgrenzen. Es ist ihm möglich, einzelne dieser Instanzen so zu organisieren, dass das militärische Element darin den entscheidenden Einfluss ausübt und diesen die Sachen zuzuweisen, die mit militärischer Ordnung und Disziplin mehr oder weniger eng verwachsen sind: man denke an Soldfragen, Beise- und Transportentschädigungen, Kleider- und Bquipementsentschädigungen usw.

Zu Art. 48.

In den Bereich des Kantons fallende Administrativstreitigkeiten können nach Art. 114bi* Abs. 4 BV mit Genehmigung der Bundesversammlung dem eidgenössischen Verwaltungsgericht zur Beurteilung zugewiesen werden. Art. 48 des Entwurfs enthält nun nach zwei Seiten eine Ausführungsbestimmung zu dieser Verfassungsnorm: er gibt der Bundesversammlung das Becht, anlâsslich der konkreten Kompetenzzuweisung selbst die erforderlichen Verfahrensbestimmungen aufzustellen und macht für den Fall des Fehlens splcher die für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgesehenen Veffahrensvorschriften zum subsidiär geltenden Eecht.

Zu Art. 49, lit. a.

1. Über die mutmassliche Zahl der verwaltungsgerichtlichen Beschwerden lassen sich positive Angaben nicht machen. Es kann lediglich der Annahme Ausdruck gegeben werden, dass der Geschäftsandrang kurz nach Errichtung des Verwaltungsgerichts am grössten Bein und nach und nach abnehmen wird, vorausgesetzt dass die Kompetenzen des Verwaltungsgerichts nicht erweitert werden. Unter diesen umständen lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie gross die Vermehrung der Zahl der Eichter, der Gerichtsschreiber und des Kanzlcipersonals ist, die das neue Gesetz erfordert.

Das .Bundesgericht hat sich in seinem Gutachten vom Jahre 1918 (S. 90) dahin ausgesprochen, dass es mit einer Vermehrung um ein Mitglied die neue Aufgabe der Verwaltungsgerichts-

267

barkeit bewältigen könnte. Hierbei wurde angenommen, dass die staatsrechtlichen Rekurse eher zurückgehen, jedenfalls nicht wesentlich anwachsen würden. Schon im Januar 1923 wies das Bundesgericht darauf hin, dass sich diese Annahme nicht erfüllt hat; die staatsrechtliche Abteilung werde auch in Zukunft schon durch die staatsrechtlichen Rekurse stark belastet sein und das Bundesgericht werde die neuen Kompetenzen nicht ohne Vermehrung um mehr als ein Mitglied übernehmen können.

Bevor der Bundesrat den Entwurf in Beratung zog, wurde das Bundesgericht ersucht, sich über die Frage der Vermehrung des Mitgliederbestandes und der sonstigen organisatorischen Änderungen, die durch die Übernahme der neuen Aufgabe beim Bundesgericht nötig werden, auszusprechen. Die aus 7 Mitgliedern bestehende Kommission des Gerichts, die die vorbereitende Beratung dieser Frage übernahm, war darin einig, dass eine Vermehrung um nur ein Mitglied jedenfalls nicht genüge und dass eine neue Kammer gebildet werden müsse. Für diese Stellungnahme waren folgende Gründe massgebend : Die Zahl der jährlich neu eingehenden staatsrechtlichen Eekurse hat sich gegenüber der Periode 1912--1917 beinahe verdoppelt. Sie betrag im Jahre 1912: 354; 1913: 381; 1914: 886; 1915: 408; 1916: 886; 1917: 361; 1918: 862; 1919: 393; 1920: 578; 1921: 714; 1922: 751; 1928: 727. Nachdem diese Erscheinung schon während längerer Zeit angehalten hat, sei nicht anzunehmen, dass in absehbarer Zukunft ein starker Eückgang eintreten werde, wie denn auch eine hauptsächliche Ursache der Vermehrung, die Ausgestaltung und strengere Handhabung des Fiskalrechts in den Kantonen, die einem entsprechenden Anwachsen der interkantonalen Doppelbesteuerungskoni'likte und der Eekurse wegen willkürlicher Anwendung des kantonalen Steuerrechts rufen, zweifellos dauernden Charakter habe. Was die neue Geschäftslast anbelangt, die sich aus der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ergeben werde, so müsse mit einer Mindestzahl von 300, wenn nicht mehr, Geschäften gerechnet werden, die das Gericht gleich von Anfang an als Verwaltungsgerichtshof jährlich zu erledigen haben werde ; ferner sei schon nach kurzer Zeit eine noch stärkere Belastung vorauszusehen. Schon jetzt seien aber die Tagesordnungen der beiden wöchentlichen Sitzungen der staatsrechtlichen Abteilung aufs äusserste
belastet. Eine Vermehrung der wöchentlichen Sitzungen würde den Mitgliedern wegen des Zeitverlustes für die Mehrsitzungen und für das Aktenstudium die Vorbereitung ihrer Eeferate entsprechend erschweren. Wollte man jedoch den Mitgliederbestand der Abteilung derart erhöhen, dass es für jeden Richter nur eine beschränkte Zahl von Wochen träfe, in denen er an den Sitzungen teilnehmen müsste,

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BÖ müsste dadurch der Überblick des einzelnen über die Rechtsprecliung der Abteilung leiden; dazu käme die aus einer solchen standig wechselnden Besetzung sich ergebende Gefahr mangelnder Kontinuität in der Behandlung derselben Rechtsfragen. Die Übernahme der neuen Aufgabe mache daher unter allen Umständen und von Anfang an die BUdung einer neuen Kammer im Gerichte oder besser innert der staatsrechtlichen Abteilung, als Unterabteilung der letzteren, nötig. Diese Kammer hätte die im Geeetzesentwurf dem Bundesgericht zugewiesenen Geschäfte zu erledigen, soweit sich nicht wegen des Zusammenhangs mit zivilrechtlichen Verhältnissen die Übertragung an die Zivilabteilungen als zweckmässig erweist. Bei dieser Kammer würde, ohne dass darunter die dem Publikum gebotenen Rechtsschutzgarantien litten, die Besetzung mit 5 Mitgliedern und die Mitwirkung dieser Zahl bei der Beratung und Urteilsfällung genügen. Zugleich sollte dann die Erledigung durch ein fünfgliedriges Kollegium auch für staatsrechtliche Rekurse gegen kantonale Verfügungen (im Gegensatz zu kantonalen Gesetzen) wegen Verletzung von Art. 4 BV zugelassen werden, was es ermöglichen würde, dass die staatsrechtliche Kammer solche Bekurse an die verwaltungsrechtliche Kammer abgeben könnte.

Hinsichtlich des Umfangs der auf dieser Grundlage notwendigen Vermehrung der Mitgliederzahl konnte sich die Kommission nicht auf eine einheitliche Auffassung einigen.

Der- Bericht der Kommissionsmehrheit führt aus, dass die nötigen Mitglieder für die neue Kammer, soweit nicht das Gesetz eine Vermehrung des Mitgliederbestandes des Gesamtgerichts gewährt, den bestehenden drei Abteilungen durch Herabsetzung der Zahl der ihnen zugeteilten Richter entnommen werden müssten.

Da eine weitere Verminderung dieser Abteilungen als auf 7 Richter, also um l Mitglied, nicht in Frage kommen kann, könnten auf diese Weise 8 Richter gewonnen werden. Zur Besetzung der neuen Kammer wäre somit daneben auf alle Fälle noch eine Vermehrung der Mitgliederzahl des Gesamtgerichts auf 26, also um 2, erforderlich, es wäre denn, dass man den Vorsitz in dieser Kammer mit demjenigen in einer andern Abteilung verbinden wollte. Damit würde aber das betreffende Gerichtsmitglied neben den ihm sonst obliegenden Präsidialfunktionen, namentlich der Vorprüfung aller eingehenden Geschäfte auf die formelle
Zulässigkeit des Rechtsmittels, durch Sitzungen und Aktenstudium in einer Weise belastet, die das Mass des Zulässigen und Erträglichen überschritte. Die Herabsetzung der Mitgliederzahl der heutigen staatsrechtlichen Abteilung auf 7 Hesse sich unter der Voraussetzung durchführen, dass die Abteilung in gewissem, durch Reglement des Gerichts festzusetzendem Umfang staatsrechtliche

269 Eekurse aus Art. 4 BV an die neue Kammer abgeben könnte. Die Zahl der zivilrechtlichen Berufungen und Beschwerden ist seit der Bevision des OG ,im Jahre 1921 gegenüber den auBserordentlich hohen Zahlen von 1920 und 1921 (787 und 789) bedeutend zurückgegangen, wenn schon sie mit 589 im Jahre 1923 immer noch erheblich über den Ziffern von 1912--1915 steht. Man könne darin eine gewisse Eechtfertigung dafür finden, den Versuch zu machen, ob sich nicht die Geschäftslast beider Zivilabteilungen auch mit einer 7gliedrigen Besetzung bewältigen lasse. Allerdings seien die besondern Schwierigkeiten nicht zu verkennen, die dies für die 2. Zivilabteilung bei der heutigen Organisation biete, da 3 ihrer Mitglieder zugleich die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer.bilden. Auch abgesehen hiervon bestehen ernstliche Bedenken gegen die Herabsetzung des Mitgliederbestandes der gegenwärtigen Abteilungen. Es sei keineswegs sicher, wie lange der heutige verhältnismässig niedrige Stand der zivilrechtlichen Geschäfte anhalten werde. Sodann bringe die Beduktton der Abteilungen auf den für die Mitwirkung an den Sitzungen strikte notwendigen Bestand Schwierigkeiten für die Stellvertretung, namentlich in Krankheitsfällen, mit sich. Wenn die Kommissionsmehrheit trotzdem dem Gerichte vorschlage, sich zu dem Versuche bereit zu erklären, mit einer Erhöhung der Mitgliederzahl des Gesamtgerichts auf 26 auszukommen, so sei dafür bestimmend, einerseits das Bestreben, zur Erleichterung der Einführung der Verwaltungsrechtspflege wegen der damit verbundenen allgemeinen Interessen alles noch in den Kräften des Gerichts beizutragen, anderseits die Erwägung, dass ein zu starkes Anschwellen des Kollegiums im Interesse des Bundesgerichts selbst, solange als tunlich, vermieden werden sollte. Voraussetzung eines solchen Versuches sei, dass die Bundesversammlung ermächtigt werde, durch einfachen Bundesbeschluss eine weitere Erhöhung bis auf 28 vorzunehmen.

Die Kommissionsminderheit betont, dass unter der Erfüllung der neuen Aufgabe die Erfüllung der gegenwärtig dem Bundesgericht übertragenen Aufgaben nicht leiden darf. Die Abnahme der Zahl der zivilrechtlicheo Geschäfte sei wahrscheinlich nur eine vorübergehende Erscheinung; ausserdem würden die Zivilabteilungen künftig auch Verwaltungsgerichtsbeschwerden, die mit zivilrechtlichen
Verhältnissen zusammenhängen, und bisher von der staatsrechtlichen Abteilung behandelte Gerichtsstandsfragen zu erledigen haben; es brauche also nur ein geringes Anwachsen derZivilberufongen, um die ausserordentlich hohe Belastimg der Zivilabteilungen in den Jahren 1920/21, wobei die Geschäfte auch mit 8 Mitgliedern mit knapper Not bewältigt werden konnten, nicht nur zu erreichen, sondern zu überschreiten. Der Bericht erörtert dann einlässlich die

270

Schwierigkeiten, die sich für die Stellvertretung in Ausstands- und Krankheitsfällen ergeben würden, wenn der Mitgliederbestand des Gesamtgerichts auf die Zahl reduziert wird, die strikte nötig ist, um die Abteilungen mit dem gesetzlichen Quorum besetzen zu können; die Erfahrung habe gezeigt, dass das Vorhandensein weiterer Mitglieder, als der zur Bildung des Quorums in jeder Abteilung erforderliehen für das Gericht eine absolute Notwendigkeit ist. Besondere Schwierigkeiten würden bei der 2. Zivilabteilung entstehen, in der die 8 Mitglieder der Schuldbetreibungskammer die Zivilreferate in Betreibungs- und Konkurssachen übernehmen; für die andern ZivilTeferate würden dieser Abteilung neben dem Präsidenten, der namentlich dann, wenn er auch das Präsidium des Gerichts zu führen hat, nicht voll gezählt werden kann, nur 8 ordentliche Referenten bleiben. Eine Vermehrung des Gesamtgerichts um 4 Mitglieder sei auf alle Fälle das Minimum, das sich gleich von vornherein zur BewtTltigung der neuen Aufgabe als notwendig erweisen werde, wobei die Zivilabteilungen nach wie vor mit 8, die staatsrechtliche Abteilung mit 7 besetzt würden; letzteres wäre erträglich, weil diese Abteilung nicht wie die Zivilabteilungen eine Mehrbelastung erfahre, sondern von ihren gegenwärtigen Geschäften einen namhaften Teil an die neue Kammer abgeben könne (wobei allerdings gewisse sachliche Nachteile in den Kauf genommen werden müssten).

Das Bundesgericht hat in seiner Plenarsitzung vom 24. Oktober 1924 über die Angelegenheit beraten und ist zum Schlüsse gelangt, dass jedenfalls die in den früheren Entwürfen vorgesehene Vermehrung um nur ein Mitglied unzulänglich sei und dass für die Behandlung der neuen verwaltungsrechtlichen Geschäfte eine besondere Kammer im Gerichte oder innert der staatsrechtlichen Abteilung, als Unterabteilung derselben, gebildet werden müsse. Im übrigen betrachtet das Bundesgericht die Angelegenheit nicht als hinlänglich spruchreif, uni ihm schon jetzt eine definitive Stellungnahme zu ermöglichen. Es beschränkt sieh daher auf die Anregung, dass die früheren Entwürfe mindestens im Sinne der Vorschläge der Kom' missionsmehrheit abgeändert werden, ohne sich indessen damit auf diese Lösung festlegen vmd sie als genügend erklären zu wollen, in der Meinung, dass ihm Gelegenheit gegeben werde, sich nochmals
auszusprechen, wenn die Beratung des Gesetzesentwurfes in ein Stadium gelangt ist, wo die Frage für die gesetzgebenden Behörden ·wirklich aktuell wird und von ihnen gelöst werden muss. Inzwischen -werde sich zeigen, ob man es beim Eückgang der zivilrechtlichen Berufungen lediglich mit einer vorübergehenden Erscheinung zu tun hat oder ob sie durch dauernde Ursachen bestimmt ist; ersteres wäre aber die notwendige Voraussetzung, um einen Teil der Mitglieder der neuen verwaltungsrechtlichen Kammer den vorhandenen

271 Kichtera durch Beduktion der Besetzung der Zivilabteilungen entnehmen zu können. Anderseits sei nicht ausgeschlossen, dass inzwischen der ausserordentlich starke Zufluss staatsrechtlicher Bekurse doch wieder etwas zurückgehe, so dass unter Umständen der staatsrechtlichen Abteilung eine stärkere Mitwirkung an den Geschäften der verwaltungsrechtliehen Kammer zugemutet werden könnte, als dies heute möglich wäre.

Entsprechend der Anregung des Bundesgerichts wird im Art. 49, lit. a, des Entwurfs von Anfang an eine Vermehrung der Zahl der Bichter um 2 Mitglieder, auf 26, vorgesehen. Der Bundesversammlung wird die Kompetenz eingeräumt, durch dem Referendum nicht unterstellten Beschluss die Bichterzahl bis auf 28 zu erhöhen. Auf diesem Wege wird für den Fall, dass die Erweiterung des Kollegiums auf 26 Bichter sich als ungenügend erweisen sollte, eine weitere Vermehrung um 2 Mitglieder sich ohne Verzug durchführen lassen.

2. Der neue Art. 16 OG sieht vor, dass innerhalb der staatsund verwaltungsrechtliehen Abteilung zwei Kammern gebildet werden können. Das Beglement des Bundesgerichts wird die erforderlichen organisatorischen Bestimmungen aufstellen. Die jetzige Vorschrift, wonach sich jede Abteilung aus 8 Bichtern zusammensetzt, wird durch die neuen organisatorischen Bestimmungen hinfällig.

Ferner wird eine neue Kammer für Beamtensachen gebildet (Art. 2, Abs. 2, und SS des Entwurfs), die aus 5 Bichtern bestehen soll. Der Entwurf hat einer Anregung des Begierungsrates des Kantons iîug keine Folge gegeben, wonach die Kammer für Beamtensachen bloss aus drei Mitgliedern zu bestehen hätte und vorzuschreiben sei, dass wegen der innern Verwandtschaft von Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege die Mitglieder dieser Kammer aus den der Staats- und verwaltungärechtlichen Abteilung zugehörenden Bichtern gewählt werden sollen.

3. Die Art. 17 und 19 OG handeln von den Vorsitzenden der Abteilungen und Kammern und müssen im Hinblick sowohl auf die Bildung zweier Kammern innerhalb der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung, als auch auf die Schaffung einer Kammer für Beamtensachen revidiert werden.

Entsprechend einem Wunsche des Bundesgerichts schlagen ivi r vor, bei diesem Anlass auch den ersten Absatz des Art. 19 OG zu ändern.

Die Bestimmung, wonach die staatsrechtliche Abteilung vom Präsidenten oder
Vizepräsidenten des Bundesgerichts präsidiert werden rnuss, hat sich als hemmend erwiesen. Es soll die Möglichkeit bestehen, dass in der staatsrechtlichen Abteilung auch ein vom Gerichte gewählter Vorsitzender das Präsidium führe. Durch die vorgeschlagene Bevision des Art. 19, Abs. l, wird das vom Nationalrate am 20. Dezember 1924 angenommene Postulat Müller in seinem ersten Teile

272 erledigt, worin der Bundesrat zur Prüfung und Berichterstattung darüber eingeladen wurde, ob nicht Art. 19 OG in dem Sinne abzuändern sei, dass der Präsident oder Vizepräsident des Bundesgerichts nicht mehr notwendig der staatsrechtlichen Abteilung zugeteilt werden muss.

4. Der Art. 25 OG wird durch eine Bestimmung ergänzt, wonach bei verwaltungsrechtlichen Sachen und bei staatsrechtlichen Rekursen gegen kantonale Verfügungen wegen Verletzung des Art. 4 B V die Mitwirkung von 5 Richtern genügt. .

Zu Art. 49, lit. fc.

"Wir kommen einem Wunsche des Bundesgerichts nach, wenn wir vorschlagen, dem Art. 87 OG eine neue Ziffer beizufügen, wonach die Verletzung von Gerichtsstandsbestimmungen des eidgenössischen Hechts durch kantonale Entscheide in Zivilsachen (vgl. Ingress des Art. 87) mit der zivilrechtlichen Beschwerde vor Bundesgericht gebracht werden kann. Wir anerkennen, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dein vorliegenden Gesetze und der Abänderung des Art. 87 fehlt. Materiell ist aber der Vorschlag begründet: die eidgenössischen Gerichtsstandsfragen, die in der Zivilrechtspflege streitig werden, eignen sich ihrer Natur nach besser für die Beurteilung durch das Bundesgericht als Zivilgericht denn als Staatsgericht.

Neben der neuen Bestimmung des Art. 87, Ziff. 8, OG bleibt für alle andern Gerichtsstandsfragen Art. 189, Abs. 8, OG aufrecht.

Zu Art. 49, lit. c.

Diese Bestimmung setzt die Rechtsmittelfrist für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 12), die Verwaltungsbeschwerde (Art. 26) und für den staatsrechtlichen Bèkurs auf 80 Tage fest. Das Bundesgericht begründet dies wie folgt: «Die 60tägige Frist für den staatsrechtlichen Eekurs ist für die verwaltungsgerichtliche Beschwerde ohne Frage zu lang. Andererseits muss die Frist für beide Rechtsmittel dieselbe sein. Die Abgrenzung derselben wird bei der Anfechtung kantonaler Entscheide vielfach unsicher sein; sind die Fristen verschieden, so wird ein Irrtum des Beschwerdeführers über das richtige Rechtsmittel häufig fatale Folgen haben. Nicht selten werden auch die beiden Beschwerden in derselben Sache gleichzeitig nebeneinander erhoben werden, und es wird der berechtigte Wunsch bestehen, sie in einer Rechtsschrift zu vereinigen; das wäre aber, bei verschiedenen Fristen, nur möglich unter Verzicht auf die Ausnutzung der längern Frist für das eine Rechtsmittel. Für den staatsrechtlichen Rekurs kann man nicht unter 80 Tage, die Hälfte der bisherigen Frist, hinuntergehen, während allerdings 80 Tage schliesslich genügen

r^'7:": 273 dürften; die Bedeutung des Bechtsmittels, die Natur der Bechte, zu deren Schutz es dient, erfordern eine reichliche Frist. Darnach musa sich aber im Interesse der notwendigen Einheitlichkeit die verwaltungsgerichtliche Beschwerde richten, für die, wenn sie allein in Betracht käme, eine Frist von 20 Tagen ausreichend wäre.» «Die Frist für die Verwaltungsbeschwerde sollte notwendigerweise dieselbe sein, wie diejenige für die staatsrechtliche und die verwaltungsgerichtliche Beschwerde, weil es sich um parallele Rechtsmittel handelt, deren Abgrenzung vielfach unsicher und zweifelhaft sein wird. Und da nun die Frist für die Beschwerde an das Bundesgericht aus den oben angegebenen Gründen nicht unter 30 Tagen angesetzt werden kann, so rnuss man diese etwas lange Frist auch für die Beschwerde an den Bundesrat in Kauf nehmen. Der Nachteil wird durch den Vorteil der einheitlichen Frist mehr als auf gewogen.» Wir stimmen diesen Ausführungen zu.

Von verschiedenen Seiten ist verlangt worden, dass Ausnahmen von der dreissigtägigen Frist vorgesehen werden. So wies beispielsweise das Amt für geistiges Eigentum für Markenstreitigkeiten darauf hin, dass es möglich ist, dass Markenantneldungen aus dem Ausland direkt, d. h. ohne Bestellung eines schweizerischen Vertreters, eingereicht werden, und * dass ausländischen, namentlich überseeischen Anmeldern die Einhaltung einer dreissigtägigen Beschwerdefrist zur Unmöglichkeit werden könne. Umgekehrt hat die Zollverwaltung geltend gemacht, dass sie ein Interesse daran hätte, dass die Frist für die Anbringung von Beschwerden gegen Sicherstellungsverfügungen möglichst kurz bemessen werde. Wir haben diesen Wünschen nicht Rechnung getragen, weil uns das Interesse an einer einheitlichen Frist grösser erschien als das Interesse an einer längeren oder kürzeren Frist für spezielle Verwaltungssachen.

Zu Art. 49, lit. d.

Der Art. 186 OG bestimmt, dass der Instruktionsrichter für Erhebung «der von den Parteien angetragenen» Beweise zu sorgen hat.

Das Bundesgericht hat uns mitgeteilt, dass diese Beschränkung auf die Beweisanträge der Parteien sich beim staatsrechtlichen Bekurs bisweilen als hemmend erwiesen habe, und dass es vorgekommen sei, dass der Instruktionsrichter trotzdem von Amtes wegen Beweise erhoben habe. Es empfiehlt daher, in Art. 186 OG dem Instruktionsriohter
die Befugnis zu geben, a die zur Abklärung des Sachverhalts erforderlichen Beweiserhebungen» zu machen.

Zu Art. 49, Ut. e.

Vergleiche unsere Bemerkungen zu Art. 28 des Entwurfs.

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274 Zu Art. 49. lü. f.

In Zivil- und Strafsachen ist die Kompetenzordnung so abgeklärt, dass Zweifel darüber selten entstehen, welche eidgenössische Instanz entscheidungsberechtigt ist. Anders verhält es sich auf dem Gebiete des Staats- und Verwaltungsrechts. Hier erweist sich die Abgrenzung der Zuständigkeiten oft als unsicher und unklar. Insbesondere kann als fraglich erscheinen, ob eine Beschwerde an den Bundesrat oder an das Bundesgericht zu richten, ob sie von dieser oder jener Behörde zu beurteilen sei. Diese Zweifel können von vornherein gegeben sein, sie können sich aber auch erst bei näherer Prüfung der Sache herausstellen. Wird nun die Beschwerde irrtümlicherweise bei der unzuständigen Instanz eingereicht, so wurde bis jetzt angenommen (BGE, Bd. 19, 8. 65, Bd. 28, I, S. 41 und Entscheid des Bundesrates vom 21. Juni 1902: Bundesbl. 1902, III, 908 und Salis II, Nr. 294), dass auf die nachträglich bei der zuständigen Behörde erhobene Beschwerde nur dann eingetreten werden kann, wenn diese selbst nicht verspätet ist. Auf diesen Standpunkt stellte man sich selbst dann, wenn ein Meinungsaustausch im Sinne von Art.

194, Abs. l, 0G zwischen Bundesrat und .Bundesgericht stattgefunden hatte. Diese Praxis mag dem geltenden Eecht^ entsprechen; sie ist aber unbillig und hart. In der Grosszahl der Fälle ist der Irrtum entschuldbar. Daher möchten wir dem Art. 194 OG einen neuen Absatz beifügen, der bestimmt, dass die bei der unzuständigen Behörde (Bundesrat oder Bundesgericht) eingereichte Beschwerde von Amtes wegen an die zuständige Behörde abzugeben ist, und dass die Beschwerdefrist als eingehalten gilt, wenn die Beschwerde bei der unzuständigen Instanz rechtzeitig erhoben worden ist.

Zu Art. 49, lit. g.

Art. 179 OG wird durch Art. 18, lit. a, des Entwurfs, Art. 191 OG durch Art. 24 des Entwurfs, Art. 192 OG durch Art. 28 und 80 des Entwurfs, Art. 198 OG durch Art. 28, Abs. 2, des Entwurfs und Art. 196, Abs. l und 2, OG durch Art. 27, 28 und 30 des Entwurfs ersetzt.

Die auf Art. 178, 182, 188, Abs. l, 184, 186 und 187 Abs. l, OG verweisende Vorschrift des Art. 190 OG kann aus folgenden Gründen aufgehoben werden: Art. 26 des Entwurfs erklärt den Art. 178, Ziff. 8, OG als entsprechend anwendbar auf die Fälle, in denen der Bimdesrat als Beschwerdeinstanz urteilt; Art. 178, Ziff. l, OG trifft für
die Verwaltungsbeschwerde nicht zu und Art. 178, Ziff. 2, OG wird ersetzt durch Art. 28 des Entwurfs; für die Fälle, in denen der Bundesrat als einzige oder erste Instanz entscheidet, kommt Art. 178

275OG überhaupt nicht in Betracht. -- Der Art. 26 des Entwurfs ruft dem Art, 182, Abs. l, OG; der zweite Absatz dieser Bestimmung hat für die Verwaltungsbeschwerde praktisch keine Bedeutung; auf di& Fälle, über die das Bundesgericht als einzige oder erste Instanz erkennt, kommt die Bestimmung des Art. 182 OG nicht zur Anwendung, weil sie nur für Eekurssachen paset. -- Die Verweisung auf Art. 183, Abs. l, OG wird ersetzt durch Art. 25 und 29, Abs. l, des Entwurfs. -- Die Art. 184, 186 und 187, Abs. l, OG endlich werden durch Art. 2& und 29 des Entwurfs als entsprechend anwendbar erklärt.

Zu Art. 50.

Diese Bestimmung bringt den Art. 23 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914 in Einklang mit dem durch das vorliegende Gesetz geschaffenen Rechtszustand.

Die Verwaltungssachen, die von eidgenössischen Verwaltungsbehörden zu behandeln sind, zerfallen in zwei grosse Gruppen: in.

die in den Kompetenzkreis der Schweizerischen Bundesbahnen und in die in den Kompetenzkreis der übrigen Bundesverwaltung fallenden Verwaltungssachen.

I. Die Verwaltungssachen der S. B. B. lägen eigentlich im Eahmen des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrerwaltung. Sie werden aber .tatsächlich von ihm nicht erfasst:.

Art. 23 dieses Gesetzes lässt sie ausser Betracht, Art. 35 spricht von ihnen nur, soweit sie den Geschäftskreis der Eisenbahnabteilung: berühren. Bei der Eevision einer einzelnen Bestimmung des Gesetzes erachten wir uns nun aber an den Eahmen gebunden, den das Gesetz selbst sich gegeben hat. Wir sehen mithin davon ab, in dem revidierten Art. 23 von den Verwaltungssachen der S. B. B.

zu sprechen.

II. Die Verwaltungssachen der übrigen Bundesverwaltung als «Geschäfte des Bundesrates» (Art. 108 BV) zu bezeichnen, ist heute noch richtig. Nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit aber trifft diese Benennung nur noch zu auf Sachen, die nicht durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gezogen werden können. Diese an das Verwaltungsgericht weiterziehbaren Sachen berühren den Bundesrat unmittelbar nicht mehr.

Diese von eidgenössischen Verwaltungsbehörden zu behandelnden Verwaltungssachen lassen sich in drei Gruppen scheiden : 1. Die ex lege delegierten Sachen. Die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. das Bundesgericht (Art, 3 des vorliegenden

276 Entwurfs) weiterziehbarôn Sachen Bind von Gesetzes wegen nach unten delegiert. Die Instanz, an welche die Kompetenz delegiert ist, wird ;vorn Entwurf « Mittelinstanz» genannt. Sie ist im Zweifel das sachlich zuständige Departement: dem Bundesrate aber steht es zu, auf dem Verordnungswege eine unter dem Departement stehende AmtssteÏÏe zu bezeichnen, an die die Sache delegiert sein soll. Diese Art der Kegelung hat die Wirkung, dass das Bundesgericht nicht in die Lage kommt, als Beschwerdeinstanz Verwaltungsentscheide des Bundesrates zu überprüfen.

Im weitern lässt es sich der Entwurf angelegen sein, das Verhältnis der Behörde, an die Kompetenzen delegiert sind, nach unten und nach oben zu normieren.

Zunächst nach unten: Die Eegelung dieses Verhältnisses weist der Entwurf einer bundesrätlichen Verordnung zu. Soweit diese nichts sagt, ist anzunehmen, dass die Behörde, an die delegiert ist, als erste Instanz entscheidet. Diese Verordnung kann aber vorcchreiben, dass über bestimmte Sachen dieser Behörde hierarchisch unterstellte Verwaltungsinstanzen zu erkennen haben, bevor über sie die Behörde entscheidet, an die delegiert worden ist, und regelt dann den Instanzenzug.

Das Verhältnis der Behörde, an welche Kompetenzen delegiert sind, nach oben, d.h. zu den ihr vorgesetzten Verwaltungsbehörden, ist folgendes : Soweit der Entscheid der Mittelinstanz durch Venvaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann, haben die vorgesetzten Verwaltungsbehörden keine Entscheidungsbefugnis. Es ist mithin ausgeschlossen, dass beispielsweise der Bundesrat über eine durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare Sache urteilt und dann gegen eine an das Bundesgericht gerichtete Beschwerde «inwendet, bundesrätliche Entscheide seien an das Verwaltungs" gericht nicht weiterziehbar.

2. Die k r a f t V e r o r d n u n g delegierten Sachen. Die nicht tìx lege delegierten Bundesverwaltungssachen können durch Verordnung des Bundesrates an eine Mittelinstanz : an -das Departement oder an eine dem Departement untergeordnete Amtsstelle, zur selbständigen Erledigung übertragen werden. Es ist dies die Delegation im heutigen Sinn. Diese setzt an die Stelle des als erste oder einzige Instanz entscheidenden Bundesrates eine Mehrheit von entscheidenden Verwaltungsinstanzen und sieht einen Instanzenzug von der MittelInstanz bis
zum Bundesrate vor. Die Mittelinstanz entscheidet und dann kann eine Weiterziehung bis an den Bundesrat stattfinden.

Es kommt aber auch vor, dass wichtigere Fragen oder Streitigkeiten, von denen man annimmt, dass sie ohnehin an den Bundesrat

1

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277

·weitergezogen werden, von der Mittelinstanz nicht entschieden, sondern direkt dem Bundesrate unterbreitet werden.

Der Entwurf ordnet auch hier die Stellung der Mittelinstanz gegenüber den ihr untergeordneten und übergeordneten Verwaltungsbehörden. Hinsichtlich ihres Verhältnisses nach unten ist die Eegelung die gleiche, wie bei den ex lege delegierten Sachen. Hinsichtlich ihres Verhältnisses nach oben ist der in Art. 108, Abs. 2, BV aufgestellte Grundsatz massgobend, wonach die Delegation nur «unter Vorbehalt des Beschwerderechts» zulässig sei. Die Weiterziehung des Entscheides der Mittelinstanz bis an den Bundesrat hat, wie im bisherigen Recht, auf dem ordentlichen Instanzenwege zu erfolgen (vgl. Art. 21 des Entwurfs).

8. Die nicht delegierten Sachen. Wenn eine Bundesverwaltungssache weder ex lege noch durch Verordnung des Bundesrates delegiert ist, so wird sie vom Bundesrat als erster oder einziger Instanz beurteilt.

Endlich mag noch darauf hingewiesen werden, dass es noch eine andere, durch Verordnung des Bundesrates begründete Delegation von Kompetenzen gibt: Geschäfte des Bundesrates, die von einer ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden eidgenössischen Behörde als einziger Instanz beurteilt werden, können nämlich durch bundesrätliche Verordnung an Mittelinstanzen zur Stellungnahme delegiert werden (vgl. Art. 19 des Entwurfs). Davon braucht nicht besonders gesprochen zu werden.

Zu Art. .51.

Das Bundesgericht (BGE 24, I, 84) sagt: «E résulte ainsi de l'interprétation logique et de la genèse des art. 80 et 81 LP que les décisions définitives d'autorités administratives fédérales doivent être assimilées aux jugements exécutoires». (Vgl. auch BGE 47,1 192 ff. und Jaeger, SchKG I, Note 4 zu Art. 81). Was jenes Urteil aus dem Jahre 1898 aus Art. 80 und 81 SchKG und aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungön herleitet, das spricht Art. 51 des Entwurfs aus. Er bestimmt, dass auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung lautende rechtskräftige Entscheide der eidgenössischen Verwaltungsinstanzen Gerichtsurteilen gleichstehen.

Wir haben uns die Erage vorgelegt, ob es sich nicht empfehlen würde, auch die von kantonalen Behörden in Anwendung von Bundesrecht erlassenen, auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung lautenden Admimstrativentscheide gerichtlichen Urteilen gleichzustellen. Wir haben aber davon abgesehen. Einmal gibt es Bundesspezialgesetze, die diese Gleichstellung nicht nur für Entscheide

Bundesblatt. 77. Jahrg. Bd. II.

21

278 eidgenössischer, sondern auch kantonaler Behörden vorsehen. (Vgl.

Art. 113, Abs. 2, und Art. 114, Abs. l, des Bundesbeschlusses betreffend die neue ausserordentliche Kriegssteuer vom 28. September 1920). Sodann ist daran zu erinnern, dass das Konkordat betreffend die Gewährung gegenseitiger Eechtshilfe zur Vollstreckung öffentlichrechtlicher Ansprüche vom 28. August 1912, dem 24 Kantone beigetreten sind, die gröbsten Lücken in der interkantonalen Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Ansprüche ausfüllt. Und endlich ist es Sache der Kantone, hier das ihren Bedürfnissen Entsprechende vorzusehen.

Zu Art, 52.

Bei der Einführung der eidgenössischen Stempelabgaben wurde in Ermangelung eines Verwaltungsgerichts die Unabhängigkeit der Steuerjustiz durch folgende Ordnung zu erlangen gesucht: Einmal sollte das eidgenössische Finanzdepartement als erste Eekursinstanz nicht von sich aus, sondern nur nach Anhörung eines sachverständigen Kollegiums, der eidgenössischen Stempelkommission, entscheiden und sodann sollten die Entscheide der eidgenössischen Steuerververwaltung nicht nur auf dem Beschwerdewege angefochten, sondern durch Provokation des Strafverfahrens auch der Überprüfung durch den Strafrichter unterstellt werden können. Mit der Schaffung der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit verliert diese Ordnung ihre Berechtigung.

Da die Stempelsteuerstreitigkeiten in der Hauptsache reine Eechtsfragen /um Gegenstande haben, empfiehlt es sich, für die Zukunft nur eine einzige Eekursinstanz, das Bundesgericht (in Erlassund Stundungssachen aber den Bundesrat, weil es sich dabei um Ermessensfragen handelt, vgl, oben zu Art, 5), vorzusehen. Mit dem daherigen Ausscheiden des Finanzdepartements als Eekursinstanz fällt auch die bisher der eidgenössischen Stempelkommission zugedachte Aufgabe dahin. Ferner kann, weil nur mehr eine einzige Eekursinstanz vorzusehen ist, auch eine Umgestaltung der Stempelkommission zur entscheidenden Eekursbehörde nicht in Frage kommen. Ebenso kann die Stempelkommission nicht wohl als begutachtendes Organ der eidgenössischen Steuerverwaltung zur Seite gestellt werden, da die Verwaltungsentscheidungen den durch die regelmässige Einholung von Kommissionsgutacbten bewirkten Aufschub nicht ertragen. Die Stempelkommission hat in den Jahren der Einführung der Stempel- und Couponssteuergesetze wertvolle Dienste geleistet. Nachdem eich aber die Stempelsteuern eingelebt haben und die Eekurse seltener geworden sind, kann ohne Nachteil auf sie verzichtet werden, sobald die Unabhängigkeit der Steuer-

279

Justiz durch Einräumung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gewährleistet ist. Die in reicher Erfahrung sorgsam entwickelte Praxis der eidgenössischen Steinpelkommission wird übrigens auch in die Zukunft fortwirken und in mancher Beziehung für die Bechtssprechung des Verwaltungsgerichts nutzbar gemacht werden können.

Den Strafrichter als Organ der Steuerjustiz beizubehalten, besteht kein Anlass, Die Gleichmässigkeit der Gesetzesanwendung fordert vielmehr, dass die Kognition des Strafrichterb' auf den Strafpunkt beschränkt wird und nicht mehr die Frage nach Bestand und Umfang der Abgabepflicht zum Gegenstande haben kann.

Die notwendigen Neuerungen lassen sich durch Abänderung weniger Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 4, Oktober 1917 über die Stempelabgaben erzielen. Sie sind implicite auch für die Couponssteuer wirksam (vgl. Art. 2 und 15 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1921 betreffend die Stempelabgabe auf CouponSj wo u. a.

die Art. 8 und 61 bis 63 des Stempelgesetzos anwendbar erklärt sind). Im einzelnen ist zu den Vorschlägen zu bemerken: 1. Zu Art. 8 des Stempelgesetzes. Die eidgenössischen Stempelabgaben haben den Charakter von Tarifsteuern. Ihre Eigenart besteht darin, dass die Abgabe ohne Zutun der mit ihrer Erhebung betrauten Verwaltung fällig wird und vom Abgabepflichtigen spontan, zu entrichten ist. Ein eigentliches Veranlagungsverfahren findet nicht statt; der Steueranspruch wird nicht durch einen Taxationsentscheid ausgelöst. Dennoch erfordert die Erhebung der Stempelabgaben eine rege Entscheidungstätigkeit der Verwaltung. Die Überwachungder Steuereingänge und die Überprüfung der Erhebungsunterlagen (Geschäftsbücher, Eegister usw.) geben Anlass zu mannigfachen, von Amtes wegen zu treffenden Berichtigungsverfügungen. Ferner hat die Steuerverwaltung vielfach auf Antrag hin zu der Frage der Steuerbarkeit bestimmter Urkunden oder Geschäfte Stellung zu nehmen und über Kückerstattungs- und Ersatzgesuche, sowie über Gesuche um Anerkennung der Abgabefreiheit zu entscheiden. Schliesslich erfordern die Bedürfnisse des Verkehrs, dass in Stempelsachen der Entscheid der Steuerverwaltung angerufen werden kann zwecks vorsorglicher und verbindlicher Feststellung der Existenz und des Umfangs künftiger Steueransprüche (vgl. oben die Ausführungen zu Art. 5).

Der Abgabepilichtige kann sich aber auch
über seine Obliegenheiten erkundigen, indem er nicht eine eigentliche Entscheidung erwirkt, sondern eine amtliche Auskunft der Steueïverwaltung einholt.

Der Auskunft kommen die dem Entscheide eigentümlichen Eechtswirkungen nicht zu ; sie stellt keinen Vollstreckungstitel dar und ist

280

nicht unabänderlich, schützt aber den Abgabepflichtigen, der sich nach ihr richtet, vor Straffolgen. Eine auf Antrag des Abgabepflichtigen ergehende Äusserung der Steuerverwaltung über Prägen des Stempelsteuerrechts wird deshalb nur dann als Entscheid angesprochen werden können, wenn nicht eine blosse Auskunfterteilung, sondern ausdrücklich Entscheidung verlangt wurde. Das bei allen Beteiligten gleichermassen vorhandene Sicherheitsbedürfnis fordert klare Unterscheidung zwischen Auskunft und Entscheid auch in der Form der amtlichen Äusserung; es wird deshalb vorgeschrieben, dass der Entscheid nach seiner Form und nach der Art seiner Eröffnung als solcher zu kennzeichnen sei.

2. Zu den A r t . 62, 62 bis und 68. Für das Strafverfahren in Stempelsachen soll wie bisher das Bundesgesetz vom 30. Juni 1849 betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze die Grundlage bilden. Die vorgesehenen Abänderungen sind zum Teil durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit geboten; dies ist der Fall bei der Beschränkung der Kognition des Strafrichters auf den Strafpunkt (vgl. oben) unter Einräumung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den in der Bussverfügung enthaltenen Abgabeentscheid (Art. 63). Andei> seits soll gleichzeitig eine Anpassung der bisherigen Ordnung an die Grundsätze des modernen StrafbefeülsVerfahrens, wie sie bereits auf andern Gebieten (z. B. Alkohol und Zoll) herbeigeführt worden ist, angestrebt werden. In dieser Beziehung ist namentlich auf eine Neuerung aufmerksam zu machen, welche sich für die im StempelAvesen üblichen Bagatellstrafsachen ganz; besonders empfiehlt: Nach der geltenden Ordnung erlangt die administrative. Strafverfügung nur dann Eechtskraft, wenn sich der Betroffene ihr ausdrücklich unterzieht. Erfolgt keine Unterziehungserklärung, so inuss Klage beim zuständigen Strafgericht angehoben werden. Die Nichtunterziehung liât indessen in den allerwenigsten Fällen ihren Anlass darin, dass der Straffällige gerichtliche Beurteilung wünscht; ihre Ursache ist -vielmehr zu allermeist in der Indifferenz der Betroffenen zu suchen.

Deshalb wird im Entwurf (Art. 62 b i b ) die Unterziehung präsumiert -und dem Straffälligen auferlegt, diese Präsumtion, falls er gerichtliche Beurteilung verlangt, durch eine ausdrückliche Erklärung, die sogenannte
Einsprache, zu entkräften. Erfolgt keine Einsprache, so erwächst die Bussverfügung unter Vorbehalt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde über die Frage der Abgabeflicht (Art. 63) in Rechtskraft. Diese Regelung wird eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens gewährleisten; sie wird insbesondere die Zahl der Fälle, in welchen der Strafrichter in Anspruch genommen werden muss, stark herabmindern und deshalb auch,

281 ohne dags irgendwelche Interessen beeinträchtigt würden, eine Entlastung der kantonalen Behörden zur Folge haben.

Zu Art. 53.

1. Der erste Absatz des Art. 53 enthält die allgemeine Vorschrift, dass alle diesem Gesetze und dem Enumerationsbeschlusse widersprechenden Bestimmungen aufgehoben werden. Unter andern treten alle Bestimmungen der bisherigen Gesetzgebung ausser Kraft, die in Sachen, in denen das neue Gesetz selbst oder der Enumerationsl^eschluss die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässt, andere Behörden als Kekursinstanzen bezeichnen; an Stelle der bisherigen Rekursinstanzen tritt das Bundesgericht. Ebenso hat die im Art. 50 vorgesehene Delegation von Gesetzes wegen an Mittelinstanzen zur Folge, dass ohne weiteres überall, wo die bisherige Gesetzgebung zwar den Bundesrat als zuständig bezeichnet, es sich aber um einen Entscheid handelt, der nach der neuen Ordnung durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann, an Stelle des Bundesrates d'6 Mittelinstanz (vorletzter Absatz des Art. 50) zu entscheiden hat. Ferner werden beispielsweise Art. 16 des Militärpflichtersatzgesetzes und Art. 21, Abs. 2, letzter Satz des Tierseuchengesetzes durch Art. 18, lit, b, des Entwurfs ersetzt.

Durch die Bestimmungen des Entwurfs über die Beschwerdefristen wird eine ganze Eeihe von Gesetzesbestimmungen abgeändert : z, B. Art. 45 des Forstpolizeigesetzes, Art. 11, Abs. 2, des Wasserrechtsgesetzes, Art. 28 des Patentgosetzes, Art. 15 der Vollziehungsverordnung zum Markengesetz usw.

2. Die lit. a des Abs. 2 von Art. 58 stellt ausdrücklich fest, dass die Bestimmungen des Bundesbeschlusses betreffend die neue ausserordentliche Kriegssteuer vom 28. September 1920 über Organisation, Zuständigkeit und Verfahren der eidgenössischen Kriegssteuerrekurskommission ausser Kraft treten; damit wird auch diese Kommission aufgehoben. Entsprechend der Übergangsbestimmung des Art. 55, Abs. l, wird sie nur noch die Beschwerden gegen Entscheide, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gefällt werden, zu beurteilen haben; alle nach diesem Zeitpunkt erlassenen Entscheide sind dagegen an das Bundesgericht durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde weiterziehbar.

Die Steuererlasskommissiou (Art. 188 des zitierten Bundesbeschlusses) bleibt bestehen. Eines ihrer Mitglieder wurde bisher von der eidgenössischen Bekurskommission bezeichnet und ist künftig vom Verwaltungsgericht -- also von der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung, bzw. wenn dies durch Eeglement des Bundes-

282 gerichts bestimmt wird, von der verwaltungsrechtlichen Kammer -- zu ernennen.

S. Da gernäss Art. 17, Abs. l, des Entwurfs alle Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis der Bundesbeamten -- die vermögensrechtlichen Ansprüche aus den Statuten der Versicherungskasse der allgemeinen Bundesverwaltung und der Pensions- und Hilfskasse der Bundesbahnen Inbegriffen -- künftig durch das Bundesgericht als Verwaltungsgericht einziger Instanz zu beurteilen sind (vgl. unsere Bemerkung 2 zum Art. 17), werden die Bestimmungen aufgehoben, die das eidgenössische Versicherungsgericht in Streitigkeiten über Leistungen dieser Kassen an Anspruchsberechtigte als zuständig bezeichnen. Die gegenwärtig für diese beiden Kassen geltenden Vorschriften unterscheiden zwischen Administrativstreitigkeiten einerseits und (vom eidgenössischen Versicherungsgericht zu beurteilende) Streitigkeiten über Leistungen der Kasse an Anspruchsberechtigte anderseits. Diese Unterscheidung bereitet Schwierigkeiten, weil die Ansprüche auf Kassenleistungen von Vorfragen abhängen, die .auch den Gegenstand von Administrativstreitigkeiten bilden können (vgl. S. 194/5 unserer Botschaft vom 18. Juli 1924 über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten).

Sie kann nun wegfallen, da alle vermögensrechtlichen Ansprüche aus den Statuten der beiden Kassen künftig im Streitfälle vom Bundesgericht (Art. 17, Abs. l, des Entwurfs) beurteilt werden sollen. Das Bundesgericht hat gemäss Art. 194, Abs. 2, OG und Art. 20, Abs. 2, des Entwurf s auch die Vorfragen zu erledigen (z.B. die Frage, ob die Nichtwiederwahl oder Entlassung des Klägers ohne eigenes Verschulden erfolgt ist, vgl. Art. 19, Ziff.'l, lit. a, und Ziff. II, lit. b, der Statuten beider Kassen). Eine Ausnahme von dieser Eegel ergibt sich aus der Bestimmung, dass der Entscheid über das Vorhandensein der Invalidität von der Wahlbehörde ausgeht (Art. 4, Abs. l, des Versicherungskassengesetzes vorn 30. September 1919 und Art. 25, Abs. l, der Statuten) ; da diese Bestimmung beibehalten werden muss, ist die Frage, ob Invalidität vorhanden ist, der Beurteilung durch das Bundesgericht entzogen, auch wenn sie bei einer Streitigkeit über vermögensrechtliche Ansprüche als Vorfrage aufgeworfen wird. Die lit. b des Art. 53 des Entwurfs stellt deshalb ausdrücklich fest, dass der
Entscheid der Wahlbehörde über das Vorhandensein von Invalidität für das Bundesgericht verbindlieh ist. Wir fügen bei, dass infolge der Art. 17, Abs. l, 20 und 53, lit, fc, der gegenwärtigen Vorlage die Art. 60 und 61 des Gesetzentwurfs über das Dienstverhältnis der Bundosbeamten dahinfallen können; ferner würde durch die Neuregelung auch die im Art. 58 desselben Entwurfs vorläufig vorgesehene Lösung abgeändert.

283 Zu Art. 54.

Auf den Zeitpunkt, in welchem das vorliegende Gesetz rechtswirksam wird, soll auch der Enumera ti onsbeschluss in Kraft treten.

Zu Art. 55.

Der erste Absatz stellt fest, dass der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur Entscheide unterliegen, die nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes ausgefällt werden. Beschwerden gegen Entscheide, die von der Instanz, gegen die nach der neuen Ordnung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu richten wäre, vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gehen noch an die bisherigen Beschwerdeinstanzen. So sind z. B. die vor diesem Zeitpunkt ergehenden Entscheide der Steuerverwaltung über Stempelabgaben noch an das Finanzdepartement und an den Bundesrat weiterziehbar, ebenso können die vor diesem Zeitpunkt von der letzten kantonalen Instanz getroffenen Militärsteuerentscheide an den Bundesrat weitergezogen werden.

Der zweite Absatz stellt eine Übergangsbestimmung auf, die sich auf die Verkürzung der Beschwerdefrist des Art. 178, Ziff. 3, OG von 60 auf 30 Tage bezieht (vgl. Art. 49, lit. c, des Entwurfs).

Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Gesetzesentwurf zur Annahme und benützen den Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 27. März 192S.

Im Namen des sohweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Musy.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

284 (Entwurf.)

Bundesgesetz über

die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 114bis der Bundesverfassung, in Abänderung und Ergänzung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 (abgeändert durch die Bundesgesetze vom 28. Juni 1895, 24. Juni 1904, 6. Oktober 1911, 24. Juni 1919, 25. Juni 1921 und 1. Juli 1922), nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 27. März 1925, beschliesst: Erster Abschnitt.

Verwaltungsrechtspflege.

I. Verwaltungsrechtspflege durch das Bundesgericht.

l. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1.

Die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbarkeit wird, soweit sie dem Bundesgericht zusteht, von der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts ausgeübt.

Art. 2.

1

Das Bundesgericht kann durch Reglement verwaltungsrechtliehe Sachen, die mit zivilrechtlichen Verhältnissen zusammenhängen, den Zivilabteilungen übertragen.

285 2

In gleicher Weise kann es verwaltungsrechtliche Sachen aus dem Dienstverhältnis der Bundesbeamten der Kammer für Beamtensachen zuweisen.

2. Das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz.

Art. 3.

Die verwaltungsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) ist zulässig: a. gegen Entscheide über bundesrechtliche Abgaben; b. gegen Entscheide der Bundesverwaltung über öffentlichrechtliche Kautionen; c. gegen Entscheide, die durch einen Bundesversammlungsbeschluss generell bezeichnet werden.

Art. 4.

Zu den Entscheiden über bundesrechtliohe Abgaben, die durch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können, gehören namentlich die folgenden : a. Entscheide über Militärpflichtersatz; b. Entscheide über die neue ausserordentliche Kriegssteuer, inbegriffen Sicherstellungsverfügungen und Entscheide über Nachsteuern und Steuerbussen nach Massgabe des Bundesbeschlusses über die neue ausserordentliche Kriegssteuer ; c. Entscheide Über die Stempelabgaben; d. Entscheide Über die Stempelabgabe auf Coupons; e. Entscheide über Gebühren für Konzessionen der Transportanstalten ; f. Entscheide über Post-, Telegraphen- und Telephontaxen.

Art. 5.

Der Anfechtung durch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen sowohl die Entscheide über die Entrichtung oder die Rückerstattung bundesrechtlicher Abgaben als diejenigen über die blosse Abgabepflicht oder Abgabefreiheit.

Art. 6.

Zu den Entscheiden der Bundesverwaltung betreffend öffentlich-rechtliche Kautionen, die durch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können, gehören namentlich die folgenden :

286 a. Entscheide über Kautionen der Versicherungsgesellschaften ; b. Entscheide über Kautionen der Auswanderungsagenturen ; c. Entscheide über Kautionen gemäss Bundesgesetz betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze vom 30. Juni 1849 (Art. 2).

Art. 7.

Der Anfechtung durch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen sowohl die Entscheide betreffend Leistung einer Kaution als diejenigen betreffend Ruckerstattung einer solchen.

Art. 8.

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unzulässig : a. gegen kantonale Entscheide, deren Weiterziehung an eine ßundesbehörde durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen ist; b. gegen Entscheide, die durch Tarifbeschwerde an die eidgenössische Zollrekurskommission weitergezogen werden können ; e. gegen Entscheide über Ansprüche aus dem Tarif-, Tax-, Gebühren- und Transportwesen der schweizerischen Bundesbahnen.

Art. 9.

Mît der Verwaltungsgerichtsbeschwerde können nur angefochten werden : a. Entscheide der Departemente des Bundesrates oder anderer eidgenössischer Amtsstellen in den ihnen zur selbständigen Erledigung übertragenen Sachen; b. Entscheide der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen sowie Entscheide ihrer Kreisdirektionen, die nicht an die Generaldirektion weiterziehbar sind ; c. Entscheide der letzten kantonalen Instanz.

Art. 10-, Zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist berechtigt, wer in dem angefochtenen Entscheide als Partei beteiligt war oder durch ihn in seinen Rechten verletzt worden ist.

2 Gegen Entscheide, die von der letzten kantonalen Instanz erlassen worden sind, kann auch der Bundesrat Beschwerde erheben. Er kann anordnen, dass ihm derartige Entscheide sofort, nachdem sie erlassen worden sind, von den Kantonen unentgeltlich mitgeteilt werden.

, 1

287

Art. 11.

Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann der Beschwerdeführer nur geltend machen, der Entscheid beruhe auf einer Verletzung des Bundesrechtes.

2 In Kriegs- und Militärsteuersachen jedoch kann sich die Beschwerde überdies darauf stützen, dass durch den angefochtenen Entscheid die dem Steuerpflichtigen auferlegte Steuerleistung offensichtlich unrichtig berechnet worden sei.

Entscheide über Beachwerdekosten können nur in Verbindung mit der Hauptsache durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.

Art. 12.

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem für die Behandlung der staatsrechtlichen Beschwerde vorgeschriebenen Verfahren zu behandeln. Insbesondere gelten dafür die durch Art. 49 des gegenwärtigen Gesetzes teilweise abgeänderten Bestimmungen der Art. 178, Ziff. 3, 183--185, 187--188, 194--195 und 221 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893/25. Juni 1921. Die in Art. 13 und 14 hiernach vorgesehenen Abweichungen bleiben vorbehalten.

1

Art. 13.

1

Mit der Einladung zur Vernehmlassung nach Art. 184 des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege kann die Instanz, welche den angefochtenen Entscheid erlassen hat, aufgefordert werden, sich über den Sachverhalt und namentlich auch über allfällig neue tatsächliche Anbringen der Parteien auszusprechen, neue Beweise zu erheben und den sich daraus ergebenden Tatbestand neu festzustellen und zu würdigen.

2 Erscheint dem Gericht im Zeitpunkt der Beurteilung der Sachverhalt nicht genügend abgeklärt, so kann die Angelegenheit vor dem Erlass eines Urteils zur Ergänzung und neuen Würdigung des Tatbestandes an die Vorinstanz zurückgewiesen werden.

In einem solchen Rückweisungsentscheid können auch Weisungen in rechtlicher Beziehung erteilt werden.

8 Der Tatbestand, wie er von der Vorinstanz auf Grund der infolge eines Rückweisungseutscheides des Verwaltungsgerichts ergänzten Erhebungen festgestellt wird, ist für das Verwaltungsgericht bindend.

Art. 14.

1 Die Beschwerde gegen einen kantonalen Entscheid ist in dreifacher Ausfertigung einzureichen.

288 3

Sie ist dem Bundesrate zur Vernehmlassung mitzuteilen, sofern sie sich nicht sofort als unzulässig oder unbegründet darstellt.

3 Das Urteil ist in allen Fällen dem Bundesrate in vollständiger Ausfertigung zu Übermitteln.

Art. 15.

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn eine solche durch vorsorgliche Verfügung des Präsidenten der zuständigen Abteilung oder Kammer des Bundesgerichts angeordnet wird oder iu besondern Bundesgesetzen oder ßundesbeschlüssen vorgesehen ist.

Art. 16.

Bei seinem Urteile ist das Bundesgericht an die Anträge der Parteien, nicht aber an deren Begründung gebunden.

2 Hebt es den Entscheid auf, so entscheidet es selber in der Sache oder weist die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstan» zurück.

1

3, Das Bundesgericht als einzige Instanz.

Art. 17.

Das Buodesgericht urteilt als Verwaltungsgericht einziger Instanz über in der Bundesgesetzgebung begründete streitige vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus öffentlichem Recht (z. B. Streitigkeiten aus dem ßundesbeamtenverhältm's, Inbegriffen Streitigkeiten über Leistungen einer Versicherungskasse des Bundes an Anspruchsberechtigte; Haftung für Unfälle infolge militärischer Übungen; Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen über deren Anteil am Abgabenertrag).

2 Vorbehalten sind die nach Art. 3 dieses Gesetzes vom Bundesgericht als Beschwerdeinstanz zu beurteilenden Ansprüche, sowie alle Entscheide über Beschwerdekosten.

Ä Vorbehalten sind auch die Kompetenzen der Bundesversammlung und der ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, endgültig urteilenden eidgenössischen Instanzen.

4 Von der Beurteilung durch das Verwaltuugsgericht sind ausgeschlossen die Ansprüche aus dem Tarif-, Tax-, G-ebührenund Transportwesen der schweizerischen Bundesbahnen.

5 Von der Beurteilung durch das Verwaltungsgericht aind auch ausgeschlossen alle öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf Beiträge oder Zuwendungen des Bundes in irgendwelcher Form.

1

289

Art. 18.

Das Bundesgericht beurteilt ferner als Verwaltungsgericht einziger Instanz: a. Anstände über eine durch das Bundesrecht vorgesehene Befreiung von kantonalen Abgaben oder Beschränkung kantonaler Abgaben; .6. Anstände zwischen Kantonen über den Militärpflichtersatz, die Kriegssteuer und den Bückgriff für Beiträge an Sçuchenschäden; c. die in Art. 50, Ziff. l bis 4, 8, 9, 14 und 15, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege genannten Streitigkeiten; d. die in Art. 52 des zitierten Gesetzes bezeichneten Streitigkeiten, sofern sie überwiegend verwaltungsrechtlicher Natur sind; e. andere verwaltungsrechthche Streitigkeiten, die ihm in besondern Bundesgesetzen zur ausschliessliohen Erledigung zugewiesen sind.

Art. 19.

Eine Verordnung des Bundesrates kann bestimmen, dass eine gegen den Bund gerichtete Klage beim Bundesgericht erst erhoben werden darf, nachdem eine bestimmte Verwaltungsinstanz zum Anspruch Stellung genommen hat.

Art. 20.

Das Bundesgericht als Verwaltungsgericht ist an die Antrag« der Parteien, nicht an deren Begründung gebunden.

2 Irn übrigen finden auf das Verfahren die für die staatsrechtlich» Beschwerde geltenden, in Art. 49 des gegenwärtigen Gesetzes teilweisi abgeänderten Bestimmungen der Art. 183 bis 188, Art. 194, Abs. 2 Art. 195 und 221 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundes rechtspflege entsprechende Anwendung.

1

II. Yerwaltungsrechtspflege durch den Bundesrat.

1. Der Bundesrat als Beschwerdeinstanz.

Art. 21.

Die verwaltungsrechtliche Beschwerde an den Bundesrat (Verwaltungsbeschwerde) ist auf dem ordentlichen Instanzenwege zulässig : a. gegen Entscheide der Departements des Bundesrates und anderer eidgenössischer Amtsstellen in den ihnen zur selbständigen Erledigung übertragenen Verwaltungssachen;

290 6. gegen Entscheide der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen, soweit deren Weiterziehung an den Bundesrat ausdrücklich vorgesehen ist; c. gegen Entscheide von ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, nicht endgültig urteilenden eidgenössischen Instanzen; d. gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz in den in Art. 189, Abs. l, 2 und 4, dos Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege genannten Fällen.

Art. 22, Die Verwaltungsbeschwerde ist jedoch unzulässig: a. wenn das Bundesgericht oder das eidgenössische Versicherung^gericht zuständig sind; b. in Sachen, die von einer andern ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden eidgenössischen Instanz endgültig zu beurteilen sind; c. gegen kantonale Entscheide, deren Weiterziehung an eine Bundesbehörde bundesrechtlich ausgeschlossen ist; di gegen Entscheide, die das eidgenössische Militärdepartement, als militärische Disziplinarbehörde erlässt.

Art. 23.

1

Mit der Verwaltungsbeschwerde kann der Beteiligte geltend machen, der Entscheid beruhe auf einer Verletzung von Bundesrecht oder auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des Sachverhalts.

2 Entscheide eidgenössischer Amtsstellen können auch wegen Unangemessenheit angefochten werden.

Art. 24.

Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, soweit sie ihr nicht durch vorsorgliche Verfügung des Bundesrates verliehen wird.

Art. 25.

1

Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement besorgt die Instruktion der Beschwerde. Ist die Beschwerde gegen einen Entscheid dieses Departements gerichtet, so betraut der Bundespräsident ein anderes Departement mit dieser Aufgabe.

2 Das instruierende Departement stellt Antrag an den Bundesrat,

291 Art. 26.

Auf das Verfahren der Verwaltungsbeschwerde sind entsprechend anwendbar die für die staatsrechtliche Beschwerde geltenden, in Art. 49 des gegenwärtigen Gesetzes teilweise abgeänderten Bestimmungen der Art. 178, Ziff. 8, 182, Abs. l, 184, 186, 187, Abs. l, und 194 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege.

2 Der Bundesrat kann durch Verordnung ergänzende Vorschriften.

über das Verfahren aufstellen.

3 Die Entscheidung über die Beschwerdekosten richtet sich nach Art. 221 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, soweit eine Verordnung des Buiidesrates nicht anders bestimmt.

Art. 27.

Die Entscheide des Bundesrates sind mit der Ausfällung rechtskräftig und vollziehbar.

1

Art. 28.

Der Beschwerdeentseheid des Bundesrates kann innert 80 Tagen nach der Mitteilung durch Eekurs an die Bundesversammlung: weitergezogen werden: a. in den in Art. 189, Abs. l und 4, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege genannten Fällen; -fc. wenn ein Bundesgesetz die Weiterziehung vorsieht.

2 Wird der Entscheid weitergezogen, so kann der Bundesrat den.

Vollzug durch vorsorgliche Verfügung aufschieben.

1

2. Der Bundesrat als einzige oder erste Instanz.

Art. 29.

1 Die durch die Bundesgesetzgebung dem Bundesrate zur einzig.

oder erstinstanzlichen Beurteilung zugewiesenen Verwaltungsstreitigkeiten werden vom sachlich zuständigen Departement instruiert..

Der Entscheid geht vom Bundesrate als Behörde aus.

2 Auf das Verfahren finden die für die staatsrechtliche Beschwerde geltenden, in Art. 49 teilweise abgeänderten Bestimmungen der Art. 184, 186, 187, Abs. l, und 194, Abs. 2, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege entsprechende Anwendung.

3 Der Bundesrat kann durch Verordnung ergänzende Vorschriften über das Verfahren aufstellen.

4 Die Entscheidung über die Kosten richtet sich nach Art. 221 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege,, soweit eine Verordnung des Bundesrates nicht anders bestimmt.

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292

Art. 30.

1

Der vom Bundesrate als einziger oder erster Inatanz erlassene Entscheid ist mit der Ausfällung rechtskräftig und vollziehbar.

2 Hat der Bundesrat als erste Instanz geurteilt, so ist sein Entscheid innert dreissig Tagen nach der Mitteilung durch Rekurs weiterziehbar. Wird er weitergezogen, so kann der Bundesrat den Vollzug durch vorsorgliche Verfügung aufschieben.

III. Verwaltungsrechtspflege durch die Zollrekurskommission.

Art. 31.

Tarifbeschwerden gegen Entscheide der Oberzolldirektion werden von der Rekurskommission für Zolltarifbeschwerden endgültig entschieden. Diese ist dabei an die veröffentlichten Zuteilungsverfügungen des Bundesrates gebunden.

Art. 32.

Die Zollgesetzgebung regelt die Organisation der Rekurskommission und das vor ihr zu beobachtende Verfahren.

Zweiter Abschnitt.

Disziplinarrechtspflege.

T. Disziplinarrechtspflege durch das Bundesgericht.

Art. 33.

Die eidgenössische Disziplinargerichtsbarkeit wird, soweit sie dem Bundesgericht zusteht, von der Kammer für Beamtensachen als Beschwerdeinstanz ausgeübt.

Art. 34.

Die Beschwerde an die Kammer für Beamtensachen ist zulässig gegen Verfügungen, durch die ein Bundesbeamter während der Amtsdauer wegen Verletzung der Dienstpflicht entlassen wird.

Sie steht auch einein in das provisorische Dienstverhältais versetzten Bundesbeamten zu, wenn er vor Ablauf der Amtsdauer, für die er vor seiner Versetzung in das provisorische Dienstverhältnis gewählt war, wegen Verletzung der Dienstpflicht entlassen wird.

2 Den Beamten des Bundesgerichts steht die Beschwerde nicht zu.

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293 Art. 85.

Die Beschwerde ist binnen zehn Tagen, von der Eröffnung der "Verfügung an gerechnet, der Kammer für Beamtensachen schriftlich einzureichen und soll die Anträge des Besehwerdeführers, deren Begründung und die Angabe der Beweismittel enthalten.

Art. 86.

Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

Art. 3T.

Der Instruktionsrichter teilt die Beschwerde der Bundesverwaltung mit und setzt ihr eine Frist zur Beantwortung und Angabe der Beweismittel.

2 Die Antwort der Bundesvorwaltung wird dem Beschwerdeführer mitgeteilt.

3 Der Instruktionsrichter ordnet die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Beweisaufnahmen an. Er kann sie entweder selbst vornehmen oder durch die zuständigen Bundes- oder Kantonsbehörden vornehmen lassen.

4 Der Beschwerdeführer wird zu den Beweisaufnahmen mit dem Bemerken vorgeladen, dass die Verhandlung, wenn er unentschuldigt ausbleibt, in seiner Abwesenheit durchgeführt wird.

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Art. 88.

Die Bundesverwaltung, der Beschwerdeführer und sein EechtsTertreter sind befugt, Vor der Schlussverhandlung die Akten einzusehen.

Art. 89.

1 Der Beschwerdeführer wird zur Schlussverhandlung mit dem Bemerken vorgeladen, dass die Verhandlung, wenn er unentschuldigt ausbleibt, in seiner Abwesenheit durchgeführt wird.

2 In der Schlussverhandlung wird dem Vertreter der Bundesverwaltung, dem Beschwerdeführer und dessen Eechtsvertreter Gelegenheit zum mündlichen Vortrag gegeben.

3 Die Beratungen der Kammer für Beamtensachen sind nicht -öffentlich.

Art. 40.

Hält die Kammer für Beamtensachen die Entlassung für nicht gerechtfertigt, so bestimmt sie die Höhe der dafür zu leistenden Entschädigung.

Bundesblatt. 77. Jahrg. Bd. II.

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Art. 41.

Auf die Eevision der Disziplinarentscheide der Kammer für Beamtensachen sind die Art. 95 bis 98 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesreehtspflege anwendbar.

Art. 42.

Wird die angefochtene Verfügung nicht als gerechtfertigt befunden, so kann dem Beschwerdeführer eine Prozessentschädigung zugesprochen werden.

2 Wird die Beschwerde zurückgezogen oder die angefochtene Verfügung als gerechtfertigt befunden, so sind dem Beschwerdeführer die in Art. 214 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege genannten Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen.

3 Im übrigen sind die Kosten des Verfahrens von der Gerichtskasse zu tragen.

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II. Disziplinarrechtspflege innerhalb der BundesVerwaltung.

Art. 43.

Die Bundesgesetzgebung über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten regelt die Zuständigkeit und das Verfahren innerhalb der Verwaltung in Disziplinarfällen.

Art. 44.

Der Bundesrat ist ermächtigt, durch Verordnung zu bestimmen, dass Disziplinarfälle in der Bundes v er waltung zur Begutachtung an Disziplinarkommissionen gewiesen werden.

2 Die Organisation, die Zuständigkeit und das Verfahren der Disziplinarkommissionen werden durch Verordnung des Bundesrates geregelt.

1

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Dritter Abschnitt.

Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Art. 45.

Als Entscheide im Sinne des vorliegenden Gesetzes gelten auch Verfügungen.

Art. 46.

Im Sinne dieses Gesetzes ist die eidgenössische Alkoholverwaltung: eine Abteilung der Bundesverwaltung.

295

Art. 47.

Bis zum Erlass eines neuen Verwaltungsreglements für die schweizerische Armee ist der Bundesrat berechtigt, zur endgültigen Entscheidung über Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund, die sich auf die Militärorganisation stützen, ausserhalb der Bundesverwaltung stehende, eidgenössische Instanzen einzusetzen.

2 Ausgenommen sind jedoch die Ansprüche aus Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen infolge militärischer Übungen.

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Art. 48.

Kantonale Administrativstreitigkeiten, die dem eidgenössischen Verwaltungsgericht in Anwendung von Art. 114bis, Abs. 4, der Bundesverfassung zugewiesen werden, sind vom Bundesgericht in dem für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgesehenen Verfahren zu erledigen, insoweit der Genehmigungsbeschluss der Bundesversammlung nicht anders bestimmt.

Art, 49.

Die Art. 1, 16,17, 19, 25, 87, 178,186,189 und 194 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege erfahren folgende Änderungen: a. Die Art. l, 16, 17, 19 und 25 erhalten die Fassung: «Art. 1. Das Bundesgericht besteht aus 26 Mitgliedern und 9 Ersatzmännern. Wenn die Geschäftslast es erfordert, kann durch Bundesversammlungsbeschluss die Zahl der Mitglieder bis auf 28 erhöht werden.

Mitglieder und Ersatzmänner werden von der Bundesversammlung gewählt. Bei der Wahl soll darauf Bedacht genommen werden, dass alle drei Nationalsprachen vertreten seien.» «.Art. 16. Das Bundesgericht bestellt aus seiner Mitte für die Dauer von 2 Jahren, berechnet vom 1. Januar an, drei Abteilungen, von denen die. erste hauptsächlich die staats- und verwaltungsrechtlichen, die beiden andern vornehmlich die zivilrechtlichen Sachen zu erledigen haben. Innerhalb der staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung können zwei Kammern gebildet werden, von denen die eine hauptsächlich die staatsrechtlichen und die andere hauptsächlich die verwaltungsrechtlichen Sachen erledigt. Das Bundesgericht bestimmt die Organisation dieser Abteilungen und Kammern.

Auf denselben Zeitpunkt und für die nämliche Amtsdauer wählt es die aus drei Mitgliedern bestehende Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zur Erledigung der ihm als Aufsichtsbehörde im Schuldbetreibungs- und Konkurswesen zufallenden Geschäfte und die aus fünf Mitgliedern zusammengesetzte Kammer für Beamtensachen.

296 In gleicher Weise bestellt das Bundesgericht seine Strafgerichtsbehörden.» « Art. 17. Soweit es Geschäfte betrifft, die einer Abteilung (Kammer) zufallen, hat überall, wo das Gesetz vom Bundesgericht oder dessen Präsidenten spricht, diese Abteilung (Kammer) oder ihr Präsident zu handeln.

Ebenso hat in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, wenn das Gesetz vom Bundesgericht oder dessen Präsidenten spricht, die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer oder ihr Präsident zu handeln.

Vorbehalten bleibt der Erlass von Verordnungen, Reglementen und Kreisschreiben (Art. 23, Ziffer4)»» K Art. 19. Der Präsident und der Vizepräsident des Bundesgerichte führen den Vorsitz in den Abteilungen, die das Bundesgericht bestimmt.

Das Bundesgericht ernennt für die Dauer von zwei Jahren, berechnet vom 1. Januar an, den Vorsitzenden der verbleibenden Abteilung, gegebenenfalls den Vorsitzenden der verwaltungsrechtlichen Kammer, sofern sie nicht durch den Vorsitzenden der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung präsidiert wird, ferner den Präsidenten der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, der Kammer für Beamtensachen, der Anklagekammer und des Kassationshofes.

Der Präsident der Kriminalkammer und des Bundesstrafgerichts wird vom Bundesgericht für jeden Straff all bezeichnet.» «.Art. 25. Bei den Beratungen, und Abstimmungen in den Abteilungen des Bundesgerichts haben je 7 Richter mitzuwirken, Bei verwaltungsrechtlichen Sachen und bei staatsrechtlichen Beschwerden über kantonale Verfügungen wegen Verletzung von Art. 4 der Bundesverfassung genügt die Mitwirkung von S Mitgliedern.

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, sowie die eidgenössischen Strafgerichtsbehörden müssen vollzählig besetzt sein.» b. Art. 87 erhält den Zusatz: «3. wegen Verletzung von Gerichtsstandsbestimmungen des eidgenössischen Rechts.» c. Art. 178, Ziff. 3, erhält die Passung: «3. Die Beschwerde ist binnen dreissig Tagen, von der Eröffnung der Mitteilung der Verfügung oder des Erlasses an gerechnet, dem Bundesgericht schriftlich einzureichen und soll die Anträge des Beschwerdeführers sowie deren Begründung enthalten.» d._ Art. 186 erhält die Fassung: «Der Instruktionsrichter ordnet die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Beweisaufnahmen an. Er kann sie selbst vornehmen oder durch die zuständigen Bundes- oder Kantonsbehörden vornehmen lassen.»

297 e. In Art. 189, Abs. 2, werden die Worte: «oder von der Bundesversammlung» gestrichen.

/. Dem Art. 194 wird als dritter Absatz beigefügt: n Soweit eine dem Bundesgericht eingereichte Beschwerde in die Zuständigkeit des Bundesrates fällt oder umgekehrt, ist sie von Amtes wegen an die zuständige Bundesbehörde abzugeben. Ist in diesen Fällen die Beschwerde bei der unzuständigen Behörde rechtzeitig eingereicht worden, so gilt die Beschwerdefrist als eingehalten.» g, Die Art. 179, 190, 191, 192, 193 und 196, Abs. l und 2, sind aufgehoben.

Art. 50.

Der Art. 23 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914 erhält die Fassung: «Die Geschäfte des Bundesrates werden nach Departementen unter die einzelnen Mitglieder verteilt. Der Entscheid über die Geschäfte geht vom Bundesrate als Behörde aus.

Die durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weiterziehbaren Geschäfte sind an Mittelinstanzen zur selbständigen Erledigung übertragen. Die den Mittelinstanzen Übergeordneten Verwaltungsbehörden sind von der Entscheidungsbefugnis ausgeschlossen, Andere Geschäfte können durch Verordnung des Bundesrates an Mittelinstanzen zur selbständigen Erledigung übertragen werden; in diesen Fällen ist gegen den Entscheid der Mittelinstanz die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat nach Massgabe der Art. 21, lit. a, und 22 des Bundesgesetzes über die eidgenössische Verwaltungsund Disziplinarrechtspflege zulässig.

Mittelinstanzen sind die Departemente oder, soweit es der Bundesrat auf dem Verordnungswege verfügt, den Departements untergeordnete Amtsstellen, sowie die Bundeskanzlei.

Durch Verordnung des Bundesrates wird bestimmt, ob die Mittelinstanz als erste oder alsBeschwerdeinstanzz entscheidet.» Art. 51.

Die auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichteten, rechtskräftigen Entscheide der eidgenössischen Verwaltungsinstanzen stehen im ganzen Gebiete der Schweiz vollstreckbaren Gerichtsurteilen gleich (Art. 80 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs).

Art. 52.

Das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1917 abgaben erfährt folgende Änderungen:

übel die Stempel-

298 a. Die Art. 8 und 62 erhalten die Fassung: «.Art. 8. Die eidgenössische Steuerverwaltimg trifft von sich aus oder auf dahingehenden Antrag des Abgabepflichtigen die Entscheide, welche die Erhebung der Stempelabgaben nötig macht.

Sie ist befugt, zur Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vom Abgabepflichtigen alle Auskünfte und Belege zu verlangen, welche für die Abgabepflicht und die Bemessung der Abgabe wesentlich sind.

Die Entscheide der eidgenössischen Steuerverwaltung werden durch eingeschriebenen Brief eröffnet. Sie sollen eine Begründung und eine Rechtsmittelbelehrung enthalten.

Gegen die Entscheide der eidgenössischen Steuerverwaltung "kann nach Massgabe des Bundesgesetzes über die eidgenössische Verwaltungsund Disziplinarrechtspflege Beschwerde geführt werden.» a. Ari. 62. Die in den Art. 52 bis 04 dieses Gesetzes vorgesehenen Strafen werden auf administrativem Wege durch die eidgenössische Steuerverwaltung verhängt.

Das Verfahren richtet sich unter Vorbehalt der in Art. 62bis und 63 enthaltenen Abweichungen nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vmn 30. Juni 1849 betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischerunda polizeilicher Bundesgesetze.» b. Es wird ein neuer Art. 62bis eingefügt: «Art. 62bis. Erhebt der Beschuldigte Anspruch auf den in Art. 12, Abs. l , d e s Bundesgesetzes v o m 3 0 . Juni 1849 vorgesehenen Vorbehalt zu unterziehen.

Erhebt der Beschuldigte Anspruch auf den in Art. 12, Abs. 2, des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1849 vorgesehenen Nachlass der Geldstrafe, so hat er binnen 8 Tagen seit der Eröffnung der Strafverfügung die Busse zu bezahlen oder sicherzustellen.

Will sich der Beschuldigte der administrativen Strafverfügung nicht unterziehen, so hat er binnen 8 Tagen seit ihrer Eröffnung bei der eidgenössischen Steuerverwaltung Einsprache zu erheben und gerichtliche Beurteilung zu verlangen. Wird die Einsprache rechtzeitig erhoben, so werden unter Vorbehalt von Art. 63, Abs. 2 und 3, die Akten durch Vermittlung der Bundesanwaltschaft dem zuständigen Strafgericht überwiesen (Art. 16 des Bundesgesetzes über das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze, Art. 125, Abs. 3, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege).

Erhebt der Beschuldigte innert nützlicher Frist keine Einsprache, so erwächst die eröffnete Strafverfügung unter Vorbehalt von Art. 63, ; Abs. 2 und 3, in Rechtskraft und wird vollstreckbar.» :

299 c. Art. 68 erhält die Fassung: liArt. 63. Wird eine Geldstrafe wegen Nichtentrichtung oder wegen ·nur teilweiser Entrichtung der Abgabe verhängt, so kann der Beschuldigte unbeschadet seines Einspruches im Strafpunkte die AbgabepfUcht auf dem Wege der Beschwerde bestreiten (Art. 8), Wird Beschwerde erhoben, so unterbleibt bis zu ihrer Entscheidung die Überweisung an das zuständige Strafgericht (Art. 62bie, Abs. 3) oder die Vollstreckung der Busse (Art. 62bis, Abs. 4).

Stellt der Beschwerdeentscheid fest, dass der Abgabeanspruch der Steuerverwaltung nicht begründet ist, so fällt die Bussverfügung dahin; schützt er den Abgabeanspruch nur zum Teil, so erlässt die eidgenössische Steuerverwaltung eine neue Strafverfügung.

Der Beschwerdeentscheid ist für den Strafrichter verbindlich.»

Art. 53.

1

Alle diesem Gesetze und dem gestützt auf Art. 3, lit. c, dieses Gesetzes erlassenen Bundesversammlungsbeschluss -widersprechenden Bestimmungen sind aufgehoben.

2 Namentlich treten ausser Kraft: a, die Bestimmungen des Bundesbeschlusses betreffend die neue ausserordentliche Kriegssteuer vom 28. September 1920 über Organisation, Zuständigkeit und Verfahren der eidgenössischen Kriegssteuerrekurskommission; vorbehalten bleibt ihre Anwendung auf Beschwerden gegen die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes getroffenen Entscheide. Das bisher durch die eidgenössische Bekurskommission bezeichnete Mitglied der Kommission zur Entscheidung der Gesuche um Erlass der Kriegssteuer wird künftig vom Verwaltungsgericht bezeichnet; b. der Art. 7 des Bundesgesetzes über die Versicherungskasse für die eidgenössischen Beamten, Angestellten und Arbeiter vom 30. September 1919, der Art. 17, Abs. l und 2, der Statuten dieser Kasse vom 6, Oktober 1920, sowie der Art. 167bis des Bundesbeschlusses betreffend die Organisation und das Verfahren des eidgenössischen Versicherungsgerichts vom ·28. März 1917/22. Juni 1920. Der Entscheid der Wahlbehörde über das Vorhandensein von Invalidität ist für daa Bundesgericht verbindlich.

Art. 54.

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

300

Art. 55.

1

Der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, unterliegen die seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassenen.

Entscheide.

2 Bei Entscheiden, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen sind, läuft die Frist für den staatsrechtlichen Rekurs an.

das Bundesgericht oder die Verwaltungsbeschwerde an denBundesrat,.

sofern sie nicht schon vorher nach bisherigem Eecht zu Ende gegangen.

ist, spätestens am 80. Tage nach dem Inkrafttreten ab.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege. (Vom 27. März 1925.)

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1925

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06.05.1925

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