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77. Jahrgang.

Bern, den 23. Dezember 1925.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, M Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgi bühr Einrückungsgebühr : 50 Happen die Petitzeile oder deren Baum, -- Inserats franko an Stumpft £ C/e. In Bern.

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2034

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährung einer neuen Subvention an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft.

(Vom 14. Dezember 1925.)

I.

Durch Bundesbeschluss vom 13. Oktober 1922 betreffend staatliche Hilfeleistung für die schweizerische Stickereiindustrie *) wurde die Grundlage für die Errichtung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft geschaffen, welche die Trägerin der durch diesen Erlass in die Wege geleiteten Bundeshilfe für die notleidende Stickerei werden sollte. Die Gründung der Genossenschaft selbst fand nach Genehmigung der Statuten durch den Bundesrat am 11. November 1922 statt, und am 15. Dezember 1922 erfolgte die Aufnahme der Geschäftstätigkeit, Der Bund hat sich gemäss Art. l, Ziff. 2, des erwähnten Bundesbeschlusses an der Gründung der Genossenschaft durch Übernahme von Anteilscheinen im Betrag von l Million Franken beteiligt ; der Rest des heute rund Fr. 1,520,000 betragenden Genossenschaftskapitals wurde durch die beteiligten Kantone, Korporationen, Banken und industriellen Kreise -aufgebracht. Ferner bat der Bund, gestutzt auf Ziffer 3 der soeben zitierten Bestimmung, der Genossenschaft eine Subvention von 5 Millionen Franken ausgerichtet An die Gewährung dieses Beitrages war die Bedingung geknüpft, dass das Geld nach den vom Bundesrat zu erlassenden Bestimmungen zu verwenden sei, wobei gleichzeitig die wichtigsten der StickereiTreuhand-Genossenschaft übertragenen Aufgaben bezeichnet wurden.

Weitere Vorschriften brachten die Statuten, deren § 2 zunächst den Zweck der Genossenschaft dahin bestimmt, dass sie in gemeinnütziger Absicht und mit Ausschluss jedes Erwerbszweckes die gegenwärtige Notlage der Stickereiindustrie und ihrer Hilfsindustrie zu mildern berufen sei. Diese allgemeine Zweckbestimmung erhält sodann eine nähere Umschreibung *). Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVIII, S. 538.

Siehe ferner die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über eine staatliche Hilfeleistung für die schweizerische Stickereiindustrie vom 9, Oktober 1922, .Bundesblatt 1922, MI, S. 350.

Bundesblatt. 77, Jahrg. Bd. III.

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durch Aufstellung einer Reihe besonderer Aufgaben, die auf folgenden» zwei hauptsächlichen Grundsätzen beruhen: 1. Auf dem Prinzip einer individuellen Hilfeleistung an Betriebe, die infolge des Krieges oder der daran anschliessenden Krisis iit finanzielle Bedrängnis geraten sind. Diese Hilfe soll erfolgen : a. durch Sanierung von überschuldeten Betrieben auf dem Wege des privaten oder gerichtlichen Nachlassverfahrens unter Gewährung der hierfür nötigen Kredite; b. durch Unterstützung bei der Naehholung von während de& Krieges oder der darauf folgenden Krisis unterlassenen Reparaturen oder Erneuerungen der maschinellen Anlagen, sowiedurch individuelle Stillegung von Betrieben; c. durch Gewährung verzinslicher Darlehen zur Durchhaltung von< Betrieben, die an Mangel flüssiger Mittel leiden.

2. Auf dem Prinzip der Kollektivhilfe, die in Form von Subventionen an einzelne Gruppen der Stickereiindustrie für grösser angelegte Sanierungsaktionen kollektiven Charakters gewährt werden soll nach* Massgabe von Spezialreglementen.

Weitere Aufgaben, denen sieh die Genossenschaft zuzuwenden hatte,, waren die Sorge für eine Verbesserung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die Beratung aller hilfesuchenden Angehörigen der Stickereiindustrie..

II.

Über die Tätigkeit der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft hat der Bundesrat in seinen Geschäftsberichten an die Bundesversammlung für die Jahre 1922, 1923 und 1924 Bericht erstattet (Abschnitt Volkswirtschaftsdepartement unter ,,Arbeitsamt, Arbeitsbeschaffung"). Es sei daher auf die bezüglichen Ausführungen verwiesen und hier in Zusammenfassung und teilweiser Ergänzung nur noch folgendes gesagt.

Individuelle Hüfsbegehren liefen namentlich im ersten Jahr nach Errichtung der Genossenschaft, teilweise aber auch im weitern Verlauf der Aktion sehr zahlreich ein. Es wurde ihnen entsprochen meist durch Gewährung verzinslicher und grundpfändlich sichergestellter Darlehen.

Durch diese Hilfe konnten viele Betriebe vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch bewahrt werden, der sonst unvermeidlich gewesen wäreund zu schlimmen Auswirkungen für weite Volkskreise geführt hätte.

Ausserdem sind von der Genossenschaft in beträchtlichem Umfang Sanierungen notleidender Betriebe durchgeführt worden, die den Betriebsinhabern wesentliche finanzielle Entlastungen brachten. Die bisherigen.
Aufwendungen für Darlehen betragen rund Kr. 2,250,000, die sich auf über 400 Debitorenkonti verteilen (Zahl der behandelten Gesuche annähernd 900); was insbesondere die Sanierungskredite betrifft, erreicht der durch solche Kredite erzielte Schuldennachlass nahezu 8,35 Millionen-

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Franken gegenüber einem Kapitalaufwand für diesen Zweck von rund Fr. 1,150,000.

Die Kollektivhilfe verfolgte angesichts dos starken Überangebote im Lohnstickmarkt in erster Linie den Zweck, die Produktionsmittel den wirtschaftlichen Bedürfnissen anzupassen, um auf diese Weise eine Besserung der Verbältnisse in den Stichpreisen und Arbeitslöhnen zu erreichen, welche eine wesentliche Voraussetzung für die Gesundung der ganzen Stickereiindustrie bildet. Das führte zunächst zur Demoliernng einer grössern Anzahl von Maschinen auf dem besonders darniederliegenden und die stärkste Überzahl von Maschinen aufweisenden Gebiet der Handmaschinenstickerei. Diese endgültige Ausschaltung von Betrieben erfolgte in der Weise, dass auf Gesuch hin mit einer gewissen Entschädigung à fonds perdu sukzessive grössere und kleinere Einzelbetriebe mit zusammen rund 3100 Maschinen durch Zerstörung der letztern definitiv stillgelegt wurden. Die Aufwendungen hierfür betragen rund Fr. 580,000. Mit der vollzogenen Ausschaltung dieser Maschinen ist einem schwer notleidenden Volksteil eine im Einzelfall zwar kleine, aber immerhin wohltätig wirkende finanzielle Nachhilfe und zugleich die gewünschte Möglichkeit geboten worden, sich auf einen andern Erwerb zu verlegen. Dem noch lebensfähigen Teil der Handmaschinenstickerei wurden Subventionen für Maschinenreparaturen gewährt, um dadurch denjenigen Berufsstickern, die noch ordentlich beschäftigt sind oder Aussicht haben, nach Durchführung einer Reparatur wieder Arbeit zu erhalten, zu einer Verdienstgelegenheit zu verhelfen (Auslagen hiefttr rund Fr. 95,000).

Eine weitere Massnahme der Kollektivhilfe war die temporäre Stilllegung von Schifflimaschinen. Diese als ^Plombierungsaktion" bekannt o;ewordene Subveutionierung -- die ebenfalls durch Verminderung der internen Konkurrenz einer Hebung der Stichlöhne dienen sollte -- setzte im Frühling 1923 ein, und zwar in der Weise, dass den im Lohn arbeitenden Sehifflistickmaschmenbesitzern Gelegenheit geboten wurde, ihre Maschinen oder einzelne derselben ausser Betrieb zu setzen gegen eine nach Zahl und Art des Maschinenbestandes abgestufte und monatlich zur Auszahlung gelangende Tagesentscbädigung. Die Plombierung erfasste zur Zeit, als sie ihren Höchststand erreichte, 1006 Maschinen, Da der Erfolg der Massnahme, die seinerzeit vom Verwaltungsrat
der Genossenschaft bloss versuchsweise und in der Hoffnung angeordnet worden war, dass schon eine temporäre Betriebsausschaltung einen sanierenden Einfluss auf die Stichpreise ausüben werde, den Erwartungen nur aum Teil entsprach, erfolgte schon im zweiten Semester 1923 der Abbau und auf Ende April 1924 die gänzliche Aufhebung dieser Aktion. Die hiefür gebrauchten Subventionen erreichen den Betrag von rund l,i Millionen Franken. Das Resultat der Plombierung ist wie gesagt bestritten. ^Es wäre aber ein grosser Irrtum" -- so äussert sich der Verwaltungsrat in seinem Geschäftsbericht für das Jahr 1922/23 -- ,,wenn man sagen wollte, die ausge-

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legten Gelder seien nutzlos verwendet worden. Die Subvention ist in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle solchen Betriebsinhabern zugute gekommen, die sich sonst in anderer Form mit Hilfsgesuchen an uns hätten wenden müssen, und es konnten damit die Wünsche derjenigen Kreise berücksichtigt werden, die sich vor allem um das Zustandekommen einer Bundesaktion bemüht haben. Daneben hat die Plombierungsaktio fraglos den Stichlohnmar gestützt und vor weiterem Zerfall bewahrt.

Überdies hat sie die gesunde Wirkung gezeitigt, dass sie auf dem Gebiete der Lohnstickerei eine Abklärung herbeigeführt und volkswirtschaftlich gewissermaßen die Funktion der Siebung ausgeübt hat, durch die festgestellt werden konnte, welche Betriebe noch lebensfähig und welche zur Liquidation reif sind." Im Zusammenhang mit der Plombierung war auch die Frage einer gänzlichen Ausschaltung von Betrieben im Sinn einer Kollektivmassnahme grossen Stils erwogen worden. Das Projekt musste aber fallen gelassen werden, da nicht anzunehmen war, dass der ihm entgegenstehende grundsätzliche Widerstand einzelner Kreise und die Bedenken finanzieller Natur verschwinden würden. Dagegen wurde in der Folge die Demolierung von Schifflistickmaschinen als individuell aufgefasste Hilfe im Fall der Notlage durchgeführt. Trotz der gewaltigen Verluste, welche die endgültige Stillegung dem Betriebsinhaber bringt -- zusammen mit dem Materialerlös macht die Subvention für die Demolierung (zumal i n d e n spätem Fallen) n u r etwa 10%o d e r einstigen wofür ein Subventionsbeitrag von ungefähr Fr. 400,000 bewilligt wurde.

Ferner wurden Subventionen geleistet im Gesamtbetrag von rund Fr. 40,000 für Reparaturen vonSchifflistickmaschinen.

Zu den Aufgaben der Genossenschaft gehörte ferner die Sorge um eine Besserung der Lage der Lohnsticker und ihrer Arbeiter. Zu diesem Zwecke stand sie in ständiger Verbindung mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmer verbänden, um auf dem Weg der Vermittlung wenigstens den Abschlags von Rahmenverträgen herbeizufuhren. Leider blieben alle Bemühungen erfolglos. Das veranlasste die Arbeitnehmerorganisationen eine amtliche Erhebung über die Arbeitsbedingungen und Lohnverhältnisse in der Stickereiindustrie zu verlangen. Sie wurde denn auch durchgeführt und ihr Ergebnis bestätigte sowohl die alte Klage über die schlechte Entlöhnung
der Stickereiarbeiterschaft als auch den Einwand, dass unter den gegebenen Umständen eine Erhöhung der Stichpreise infolge der notwendigen Rücksicht auf die ausländische Konkurrenz grossen Schwierigkeite begegnet. Weitere Verhandlungen mit den beteiligten Kreisen, insbesondere der Arbeitnehmerorganisationen der Stickereiindustrie, führten den Verwaltungsrat der Stickerei-Treuhand Genossenschaft im Frühling dieses Jahres zur Aufstellung folgenden Programms zur Sanierung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse r

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1. Organisation einer Berechnungs- und Kontrollstelle zur Behandlung von Gesuchen um Berechnung oder Kontrolle einzelner Stichpreisanstände, in der Meinung, dass diese Funktion von der Stickerei-Treuhand-Genossenscbaft ohne Erweiterung ihres bestehenden Apparates besorgt werden kann ; 2. Schaffung einer Schieds- und Beschwerdeinstanz, verbunden mit der Einsetzung einer Spezialkommission aus Organen der StickereiTreuhand-Genossenschaft unter Zuzug von neutralen Fachleuten.

Die Aufgabe dieser Spezialkommission soll bestehen in : a. der Aufstellung von Richtpreisen und Richtlöhnen, b. der Behandlung von Beschwerdefällen mit eventueller Anordnung von Sanktionen (Publikation).

c. der Beschlussfassung über zu gewährende Unterstützungen an solche Arbeitnehmer (Arbeiter, Einzelsticker und eventuell Lohnfabrikanten), die infolge der Ablehnung von Aufträgen unter den Richtlöhnen und Richtpreisen arbeitslos werden ;

3. Ausübung einer fortlaufenden und allgemeinen Kontrolle der Lohn- und Arbeitsverhältnisse ; 4. Mitwirkung durch Beratung und Vermittlung boi Überführung der Stickereiarbeiterschaft in andere Berufe ; 5. Kontrolle über die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeit und Bekämpfung einer Überschreitung derselben.

Diesem Programm hat der Bundesrat mit Beschluss vom 20. Mai 1925 die Genehmigung erteilt, und es wurde bei Auszahlung der letzten Rate der Bundessubvention in der Höhe von Fr. 500,000 bestimmt, dass dieser Betrag zur Durchführung der im erwähnten Programm aufgestellten Postulate dienen solle.

III.

Näheren Aufschluss über die Finanzlage der Stickerei-TreuhandGenosseuschaft und die bisherige Verwendung ihrer Mittel gibt folgende, auf den Bilanzziffern vom 30. Juni 1925 beruhende Zusammenstellung : Die der Genossenschaft anvertrauten Gelder bestehen in : Fr. 1,526,900. -- Genossenschaftskapital, ,, 5,000,000. -- Bundessubvention, ,, 8,437. 70 ordentlicher Reservefonds, ,, 32,528. 24 Vortrag der Gewinn- und Verlustrechnung, ,, 3,266. 45 ausstehende Anteilschein-Zinsen und transit. Passiven, ,, 72,011. 25 Zinsenkonto.

Fr. 6,643,143. 64

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Diesem Betrag stehen folgende Anlagen und Verwendungen gegenüber: Fr. 2,265,581. 07 liquide Anlagen, , ,, 2,102,423. 63 Darlehensforderungen, ,, 2,246,362. »4 geleistete Subventionen, 28,776.10 Unkosten im I. Semester 1925.

Fr. 6,643,143. 64 Vom liquiden Teil der Aktiven, der vorstehend mit Fr, 2,265,581. 07 angegeben ist, müssen reserviert werden : Fr. 1,527,000. --- zur Sicherstellung des Genossenschaftskapitals, ,, 500,000, -- zur Durchführung des am Schiusa von Ziffer II erwähnten Programms, ^ 131,000. -- für ausstehende Anteilscheinzinsen, für den ordentlichen Reservefonds und für bewilligte, aber noch nicht ausbezahlte Darlehen und Subventionen.

Fr. 2,158,000. --- wobei die laufenden Verwaltungskosten nicht berücksichtigt sind, weil vorausgesetzt wird, dass sie wie bisher durch Zinseingänge gedeckt werden können.

Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass für neue Darlehens- und Subventionsbewilligungen noch ungefähr Fr. 107,000 (Differenz zwischen Fr. 2,265,581. 07 und Fr. 2,158,000) verfügbar waren. Diese Summe lässt sich um Fr. 145,000 erhöhen, wenn der Bestand der bestgesicherten ,,Darlehen I"1 zur Anlage des Genossenschaftskapitals herangezogen wird, womit ein entsprechender Teil vom Wertschriftenbestand der liquiden Anlagen frei würde. Unter dieser Voraussetzung kann die noch verfügbare Summe auf den 30. Juni 1925 mit maximal Fr. 250,000 festgesetzt werden. Die Genossenschaft ist also ausserstande, ohne neue Mittel ihre Tätigkeit in bisherigem Masse weiterzuführen.

Die zur Neige gehenden Geldmittel einerseits und die Überzeugung von der Notwendigkeit einer Fortsetzung der Hilfsaktion anderseits führten die Generalversammlung der Genossenschaft schon im letzten Frühling dazu, den Verwaltungsrat mit der Prüfung der Frage zu beauftragen, ob nicht bei der Bundesversammlung eine Erhöhung der Bundessubvention nachzusuchen sei. Die eingehende Prüfung der Frage durch den Verwaltungsrat hatte das Ergebnis, dass dieser in seiner Sitzung vom 9. September 1925 beschloss, ,,beim Bundesrat ein Gesuch einzureichen, es möchte den eidgenössischen Räten die Gewährung einer weitern Bundessubvention an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft in der Höhe bis zu 2 Millionen Franken beantragt werden." Die bezügliche Eingabe langte unmittelbar darauf beim eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement ein.

Sie wurde
in der Folge unterstützt durch eine solche der Regierung des Kantons St. Gallen.

Die Begründung des Gesuches lässt sioh in der Hauptsache wie folgt zusammenfassen.

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Die Hilfstätigkeit der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft bedeutet eine wirtschaftliche Notwendigkeit, welche für die beteiligten Landesgegenden «ine grosse Wohltat war und es auch weiterhin sein wird. Eine umfassende Sanierung der Stickereiindustrie kann allerdings nicht in Frage kommen, denn sie hat einen wesentlichen Umschwung in den AbsatzVerhältnissen zur Voraussetzung. Den Ursachen dieser Konjunkturkrisis -die alle mehr oder weniger in den Nachwirkungen des Krieges begründet -sind -- allgemeine Kaufkraftverminderung, Schutzzölle, Wegfall früherer Absatzgebiete, starke Zunahme der ausländischen Konkurrenz, Währungszerfall -- wozu als besonders erschwerendes Moment noch die Ungunst der Damenbekleidungsmode für die Produkte der Stickereiindustrie kommt, -- allen diesen Faktoren steht die Genossenschaft machtlos gegenüber. Gerade deswegen aber muss es in ihrer Aufgabe liegen, die schädlichen Auswirkungen des Notstandes so gut als möglich zu mildern und den vom .Zusammenbruch bedrohten Existenzen bis zur Wiederkehr einer etwas .bessern Konjunktur das Durchhalten zu erleichtern. Eine solche Hilfe ist
Bestand: 1891

Total

Pantographmaschine (gegenüber 2789 Stück im Jahre 1922, Verminderung also 32 %) 2001 Automatmaschinen (gegenüber 2255 Stück im Jahre 1922, Verminderung also 11 %) 3892 Schifflimaschinen

von denen beschäftigt waren: ziemlich regelmässig rund 1000 Stück = ca. 26 % hie und da ,, 1100 ,, = ,, 28% gar nie 1800 ,, = ,, 46 % ,, Handstickmaschinen

Bestand ca. 4000 (gegenüber 7959 stück im Jahre 1920, Verminderung also 50 %) wovon beschäftigt waren : ziemlich regelmässig rund 1200 Stück -- ca. 30 % fast nie ,, 2800 ,, = ,, 70 % Dieser Arbeitsmangel, der sich seither noch verschlimmert hat, erhält seine besondere Schwere durch den Umstand, dass auch das noch

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erhältliche reduzierte Arbeitsquantum in den meisten Fällen kaum soviel einbringt, dass daraus ein bescheidener Lebensunterhalt bestritten werden kann. An Amortisationen, Verbesserungen oder Erneuerungen abgenutzter Maschinen, einen richtigen Gebäudeunterhalt ist meistens erst recht nicht zu denken, und doch sollten die Produktionsmittel ständig den höchsten Anforderungen genügen. Wenn auch nicht anzunehmen ist, dass dieStickereiindustrie je wieder ihre frühere Bedeutung wird erlangen können, so muss doch alles daran gesetzt werden, um den überlebenden Teil auf die Stufe höchster Leistungsfähigkeit für Qualitätsware zu bringen, und zu verhindern, dass die tüchtigsten persönlichen Elemente abwandern und die technischen Einrichtungen allmählich zugrunde gehen. Wird die Industrie in ihrer Notlage sich selbst überlassen, so ist zu befürchten, dassihr die besten menschlichen und maschinellen Kräfte verloren gehen und dass sie -- zum Schaden des ganzen Landes -- bei einem Wiederauflebender Stickerei im internationalen Konkurrenzkampf nicht mehr leistungsfähig genug sein wird. Hilfe ist daher dringend geboten. Sie übersteigt aber die Kraft des Einzelnen und auch die Kraft kollektiver privater Initiative. Hier kann nur die Gesamtheit helfen : der Staat.

Dies das Wesentliche aus der Begründung des Subventionsgesuches der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft. Was die Verwendung der verlangten 2 Millionen betrifft, so erklärt die Genossenschaft in ihrer Eingabe, dass es sich im grossen und ganzen um eine Fortsetzung ihrer bisherigen Tätigkeit handle, die sich gut bewährt habe : Gewährung individueller Betriebskredite, Durchführung von Sanierungen, Umstellung: oder Stillegung von Betrieben, Gewährung von Subventionen für die Reparaturen von Maschinen, Mitwirkung1 beim Austausch von Maschinen (Ersatz älterer Typen durch neuere Modelle). Dabei sollen die Bemühungenzur Förderung des Absatzes sowie zur Sanierung der Stichpreise und Arbeitslöhne fortgesetzt werden. Ferner werde die Genossenschaft in Vorbindung mit den Organen der Arbeitslosenfürsorge auch bei der Überführung von Stickern in andere Berufe mithelfen, wo immer sich Gelegenheit hierzu biete. Auf diese Weise hoffe sie, mit den neuen 2 Millionen Franken ihre Hilfstätigkeit auf ungefähr weitere zwei Jahreausdehnen zu können.

IV.

Der. Bundesrat hat den Ausführungen der Stickerei-TreuhandGenossenschaft, soweit es die Begründung des Nachsubventionsbegehrens betrifft, nur wenig beizufügen. Es ist richtig, dass die Genossenschaft der ihr übertragenen Aufgabe in weitgehendem Masse gerecht geworden ist.

Konnte es sich für sie auch nicht darum handeln, die Marktlage der Industrie zu heben, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass ohne ihre stützenden und ausgleichenden Massnahmen namentlich die Situation der Lohnfabrikanten, die im Wirtschaftsleben der Ostschweiz einen wichtige»,

625Paktor darstellen, wie auch die Lage der von ihnen abhängigen Arbeiterschaft noch viel schlimmer geworden wäre. Richtig ist ferner, dass die Stickereindustri immer noch unter einer starken Krisis leidet, die der Bevölkerung grosser Landesteile Not und Entbehrung auferlegt, so dasszurzeit eine Fortsetzung der staatlichen Hilfsaktion notwendig und gerechtfertigt ist. Bliebe dieso Unterstützung aus, wäre eine zunehmende Verarmung vieler Volksgenossen und eine wachsende Schädigung eines wichtigen Teiles der schweizerischen Volkswirtschaft zu befürchten, da die Beteiligten sich bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht aus eigener Kraft helfen können. Die Folgen hätte das ganze Land zu tragen.

Nachstehende Zahlen über die Ausfuhr mögen die Entwicklung der Krisis in der Stickerei, die neben der Seidenbandweberei heute zu den notleidendsten Industrien der Schweiz gehört, näher illustrieren: Jahr

1913 1916 1919 1920 . . . . . .

1921 1922 1923 1924 1925 (9 Monate) . .

Menge in q

91,800 76,400 59,000 55,800 28,300 37,300 40,700 37,900 24,200

Wert In Millionen Franken

. . . . 215 239 . . . . 426 412 . . . . 126 . . . . 157 . . . . 161 . . . . 165 . . . . 103

Die Ausfuhrzahlen zeigen einen fortwährenden Rückgang in den ausgeführten Mengen, ausgenommen die kleine Erholung von 1922 auf 1923. Dieser Rückgang des Exportquantum ist noch deutlicher aus der Zusammenstellung über die Monatsdurchschnittsziffer zu erkennen : Jahr Menge in q 1913 . . . . 7640 = 1 0 0 1916 . . . . 6360 = 8 3 1919 . . . . 4910 = 6 4 1920 . . . . 4650= 61 1921 2360= 31 1922 . . . . 3110 = 41 1923 . . . . 3390 = 44 1924 . . . . 3150 = 41 1925 . . . . 2690 = 35 Aus diesen Zahlen geht hervor, dass die Ausfuhr im Jahr 192,> kaum viel mehr als einen Drittel der im letzten Vorkriegsjahr exportierten Menge ergeben dürfte.

Hand in Hand mit diesem gewaltigen Rückgang ist eine starke Verminderung der Berufstätigen in der Stickereiindustrie zu verzeichnen.

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Schon von 1910 auf 1920 war diese Zahl von rund 72,000 auf rund -50,000 gesunken, der Anteil der Erwerbenden dieser Industrie an der ·Gesamtzahl der Erwerbenden der Schweiz von 41 %o auf 33 °/oo zurückgegangen. Heute jedoch muss angenommen werden, dass die Gesamtzahl der in der Stickereiindustrie Beschäftigten schätzungsweise die Zahl von 35,000 nicht mehr stark überschreitet. Aber selbst unter dieser Zahl gibt es noch sehr viel Arbeitslose, und ein grosser Prozentsatz aller ·Stickmaschinen steht andauernd still oder ist nur schwach beschäftigt.

Diese außerordentlichen Verhältnisse erfordern ausserordentliche Massnahtnen, denn trotz ihres Niedergangs hat die Stickereiindustrie noch heute ihre grosse volkswirtschaftliche Bedeutung, und es rechtfertigt sich, solange noch die Hoffnung auf Rettung eines Teiles besteht, alles zu tun, um ihren gänzlichen Zerfall zu vermeiden. Es ist gegeben, dass diese Massnahmen in Form der Gewährung einer weitern Bundessubvention an die StickereiTreuhand-Genossenschaft erfolgen. Die hiefür aufgewendeten Gelder gehen übrigens dem Bund nicht vollständig verloren. So kann im gegebenen Zeitpunkt mit einer restlosen Rückzahlung des vom Bund übernommenen Genossenschaftskapitals von l Million Franken (das zudem für das Jahr 1924 eine 3°/oige Verzinsung eintrug) gerechnet werden. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass ein wesentlicher Teil der Bundessubvention -- bis jetzt rund 2,25 Millionen Franken -- für die Gewährung von Darlehen verwendet wurde ; dasselbe wird auch beim neuen Staatsbeitrag geschehen.

Diese Darlehen sind rückzahlbar. Ob sie alle realisierbar sind, ist aller·dings eine andere Frage. Doch zählt die Direktion der Genossenschaft ·darauf, dass voraussichtlich mindestens die Hälfte sämtlicher Guthaben wieder einbringlich sein wird. Auf diese Gelder hat der Bund insofern Anspruch, als nach § 27, Abs. 4, der Statuten im Liquidationsfall an die ·Genossenschafter nur der Nominalbetrag der Anteilscheine zuzüglich 5 °/o Dividende p. r. t. vom letzten Abschlusstag an ausbezahlt wird, während ·der weitere Liquidationsüberschuss zur Rückzahlung der vom Bund und ·anderer öffentlich-rechtlicher Korporationen geleisteten Subventionen verwendet werden muss. Da ausser dem Bund kein anderer Subvenient in Betracht fällt, wird der ganze nach Rückzahlung des Genossensehaftskapitals
verbleibende Liquidationsüberschuss dem Bund zufallen, also wenigstens l Million Franken (unerwartete Ereignisse vorbehalten).

Was die Höhe der neuen Subvention angeht, hält der Bundesrat dafür, dass ein Betrag von einer halben Million Franken genügen dürfte.

Einmal ist darauf hinzuweisen, das der Bund den beiden Kantonen, in denen die Stickereiindustrie und deren Hilfsindustrien am stärksten vertreten sind, für die Durchführung ihrer Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit seine finanzielle Beteiligung zugesichert hat. So wurde dem Kanton Appenzell A.-Rh. durch Beschluss des Bundesrates vom 28. September 1925 «in Beitrag bis zu Fr. 200,000 zur Verfügung gestellt ; diesem Beschluss hat die Bundesversammlung nach Kenntnisnahme eines Berichtes des

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Bundesrates*) am 30. September/l. Oktober 1925 die Genehmigung erteilt.

Durch einen weitern Besehlnss vom 12. Dezember 1925 hat der Bundesrat zum gleichen Zweck dem Kanton St. Gallen eine Subvention im Betrag ibis zu Fr. 660,000 gewährt; er unterbreitete darüber den eidgenössischen Raten einen besondern Bericht**), worin er um Genehmigung dieses Beschlusses nachsucht. Diese Beitragsleistungen an die Kantone Appenzell A.-Rh. und St. Gallen bedeuten für das Stickereigebiet ebenfalls eine wirksame Bundeshilfe. Als weiteres Moment bei Bemessung der Höhe ·der Bundessubvention fallt sodann in Betracht, dass die Genossenschaft infolge der bereits geschaffeneu Erleichterung und dank der gesammelten Erfahrungen mit wesentlich bescheideneren Beiträgen ihre sanierende Tätigkeit wird ausüben können. Und vor allem darf endlich nicht ausser ·acht gelassen werden, dass die Finanzlage des Bundes grösste Zurückhaltung fordert ; es dürfen keine Ausgaben verantwortet werden, die nicht «inem unbedingt notwendigen Bedürfnis entsprächen. Unter Berücksichti.gung aller dieser Momente ist der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass ·der Bund mit seinem Beitrag nicht über Fr. 500,000 hinausgehen kann ; ·er ist aber gleichzeitig der Auffassung, dass diese Zuwendung eine angemessene Hilfe ermögliche.

Die von der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft beabsichtigte Verwendung der neuen Bundessubvention gibt nicht Anlass zu besondern Bemerkungen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die für die einzelnen Aufgaben erforderlichen Beträge nicht zum voraus genau bestimmt werden können. Dadurch, dass die Subvention nicht auf einmal, sondern wiederum nur ratenweise zur Auszahlung gelangen wird, hat es der Bundesrat übrigens in der Hand, jede ihm untunlich erscheinende Verwendung zu verhindern. Über die Tätigkeit der Genossenschaft wird er wie bisher der Bundesversammlung in seinen jährlichen Geschäftsberichten nähern Aufschluss erteilen.

V.

'

·

Auf Grund der vorstehenden Ausführungen unterbreitet der Bundesrat ·den eidgenössischen Räten den Entwurf eines ,,Bundesbeschlusses betreffend Gewährung einer neuen Subvention an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft"'. Da die Angelegenheit sehr dringlich ist und ungesäumtes Handeln erfordert, wenn die Hilfe nicht zu spät einsetzen Boll, spricht «r gleichzeitig den Wunsch aus, die Vorlage möge unter allen Umständen *) Bericht deg Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beteiligung des Bundes an den Maßnahmen des Kantons Appenzell A.-Rh. zur Bekämpfung der .Arbeitslosigkeit vom 28. September 1925, Bundesblatt 1925, III, S. 158.

**) Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Beteiligung des Bandes an den Massnahmen der Kantone St. Gallen und Genf zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vom 12. Dezember 1925.

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in der laufenden Dezembersession behandelt und durch Annahme seines Beschlussentwurfes erledigt werden.

B e r n , den 14, Dezember 1925.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Musy Der Bundeskanzler : Kaeslin.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Gewährung einer neuen Subvention an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundegrates vom 14. Dezember 1925, beschliesst: Art. 1. Der Bundesrat wird ermächtigt, der Stickerei-TreuhandGenossenschaft eine weitere Subvention bis zu Fr. 500,000 auszurichten.

Art. 2. Zu diesem Zweck wird dem Bundesrat ein Kredit von Fr. 500,000 aus allgemeinen Bundesmitteln bewilligt.

Art. 3. Für die Verwendung dieser Subvention findet Art. l, Ziff. 3, desBundesbeschlusses vom 13. Oktober 1922 betreffend staatliche Hilfeleistung für die schweizerische Stickereiindustrie *) sinngemäss Anwendung.

Art. 4. Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

-- Der Bundesrat wird mit dessen Vollzug beauftragt und wird ermächtigt, alle hierfür dienlichen Vorschriften aufzustellen.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVIII, S. 538.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährung einer neuen Subvention an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft. (Vom 14. Dezember 1925.)

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