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Schweizerisches Bundesblatt.

XVl.

Jahrgang. l.

Nr. 8.

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13. Februar

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1864.

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der

kommission des Nationalrathes über die Einsprachen gegen die Ehe de.... Joh. Stauffer von Niederhallwyl.

(Vom I9. Dezember 1863.)

Johannes S tau s s er von Riederhallwyl., Eant. Aargau, wurde am 1. Dezember 1837 als das Kind gänzlich vermögensloser Eltern geboren.

Die einzige Quelle des Unterhaltes dieser Familie ruhte auf dem Schustergewerbe des Vaters. Jm Jahr 1851, als J. Stauffer 14 Jahre alt war, entriss der Tod der Familie ihren Ernährer. Mit dem 1. Dezember 1853, ungefähr zwei Jahre nach diesem Hinscheide des Vaters, war J. Stauffer 16 Jahre alt und hatte damit, nach den Festlegungen der aargauischeu Geseze, das Mündia.keitsalter erreicht. Um diese Zeit wurde er zur Erlernung eines Berufes bei den Bandfabrikanten Gebrüder U rech untergebracht, blieb zwei Jahre bei ihnen, und erhielt von denselben am

25. Januar 1856 zum .abschiede das Zeugniss, steh fleissig, redlich

und treu ausgeführt zu haben. Die Ulkten geben nun gar keine Auskläruug darüber, aus welche Veranlassung und Grundlage hin Stauffer bei den Gebrüdern Ureeh Unterkommen fand, ob diesssalls ein Vertrag geschlossen wurde, wer ihn unterzeichnet habe und welche Lehrgeldssumme ansbedungen worden sei. die Gemeinde Riederhallwyl behauptet einfach, für

Joh. Staufser 1854 und 1855, somit zur Zeit seiner Mündigkeit, jeweilen Fr. 30, zusammen Fr. 60 Jahrgeld befahlt zu habeu. Sie beruft Bundesblatt. Jahrg. XVI.

Bd.l.

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sich hiefür anf ihre Rechnungen . Auszug liegt ebensails keiner vor, und es ist daher die Thatsache gar nicht aufgeklärt, wer um diese Unterstü^nng angesucht, wer sie empfangen und wer sie den Gebrüdern Urech übermittelt h..be. ...dieses Dunkel der Verhältnisse hat zur Stunde keinen Einfluss .nehr auf die Rechtsbeständigkeit der Forderung an und für sich , aber zusammengehalten mit dem damalige... Filter Staussers , wird seine Einrede, er selbst habe nie v.^n der. Gemeinde Geld begehrt oder empsa...gen , er selbst habe nie von Deinem solchen Vorschusse zu seinen Gunsten .aus dex Gemeindekasse etwas gewusst, sehr glaubwürdig. Von den Gebrüdern Urech hinweg begab steh Stausser nach Basel , und hier zeigte es fich, dass seine Lehrmeister mit Stausser zufriedener sein konnten, als er mit ihnen. Statt als Geselle sein Brod verdienen zu können, musste er froh sein, aegen Kost, ^immer und Kleidung 2 Jahre hindurch Arbeit zu finden. So mangelhast soll nach seiner Behauptung die von seinen Lehrmeistern erhaltene ^lnsbildung im Bernse gewesen sein . nud so sehr soll er zu Feldarbeiten statt ^ur Handwerksbesehäftigung verwendet worden sein, dass er eigentlich die Hauptbestandteile seines Berufes e^st m Basel habe erlernen müssen. Zwei Jahre Arbeit besähigten ihn nun von 1858 an, gegen wirkliehen Lohn den einträglichen Beruf betreiben zu konnen. Mit Zeugniss vom l . Rovember 1862 beseheinigen ihm die Herren Sulger und Stückelberger in Basel, er habe seit 1. Juli

1862 in ihrer Fabrik gearbeitet und wöchentlich Fr. 24 bis 25 verdient.

Als Stausser sich in die Lage hinaufgearbeitet hatte, sieh über Kost,

Zimmer und Kleidung hinaus noch etwas zu verdienen, nahm er einen jüngern Bruder zu sich, lehrte denselben den Bosamentiererberuf so vollständig, dass derselbe daraufhin bereits seinen eigenen Hausstand gründen konnte, auch sandte er der Mntter Unterstützungen, welche dieselbe aus ..inen Betrag von ^r. 100 fcha^t. Jn einem notarialisch gefertigten Akte erklärt diese Mutter, Stausser habe, wo er immer nur konnte, seine dürstige Mutter zu untersten gesucht, habe aber namentlich dadurch viel, sehr viel zur Unterstü^ung und Erleichterung der drückenden .Lage. der Mntter und der vier Geschwister beigetragen, dass er den jüngern Bruder Jakob zu sich genommen und ihm zur Erlernung des Berufes behilflich gewesen sei. Jn einer spätern Bescheinigung ohne Datum erklärt die Mutter, sie habe seit einem halben Jahre bei ihrem Sohne J o h a n n e s Aufnahme und ^fle^e gefunden.

Jn legerer Zeit nahm Stauffer seinen Wohnsil^ in Birsfelden, lernte dort die ^eidenweberin .^nna Reich von Empfingen, Amt Haigerloeh, im ehemaligen Fürstenthnm .^igmaringen, seligem Bestandtheile des Königreichs Breusseu, kennen, und erzeugte mit ihr ein Kind. Ausser diesem Falle lauten alle Zeugnisse der ^lnna Reich sehr günstig in Beziehung aus Sitte und Tätigkeit, und zwei von Zeugen nnd Rotaren erstellte Seheine beurkunden ihr den Besi^ einer Baarschaft von ^.r. 120 und einer Fahrhabe von ^r. .465. Stausser ist resormirt, Anna Reich katholisch. Um seine Geliebte und sein Kiud zu Ehren ^.. Riehen, wollte

159 Stausser Anna Reich ehelichen.^

Am 1. September 1862 zahlte er dem

Pfleger Friedrich U rech in Riederhallw^l Fr. 24 Heirathsgeld und Fr. 40 Weibereinzugsgeld. Beide Geldbeträge wurden ihm abgenommen ; Niemand bemerkte ihm, er schulde der Gemeinde noch weitere Fr. 60 sür früher genossene Unterstützung ; Niemand wies ihn an, vorerst diese Schuld abzuführen.

Mitte Oktober wurde^ die Ehe in der .Kirche zu Seengen verkündet, und hierauf die Gemeindbehorde versammelt und von ihr gegen diese Verkündung Einsprache erhoben , weil der Bräutigam wegen Abgang haushälterischen Eharakters nicht im Stande sei, eine Familie zu ernähren. Es muss hervorgehoben werden, dass diess der einzige Einsprachsgrund war, welcher die Behörde in ihrer Simung vom 16. Oktober erhob und ihrem Protokolle einverleibte , erst als dieselbe. aargauischeu Gesezen gemäss , hievon den Betroffenen schriftliche Mittheilung machte, flocht sie den ferneren Grund ein, es werde gegen die Ehe auch Einsprache erhoben, weil der Bräutigam in den Jahren 1854 und 55, in den Jahren seiner Mündigkeit.

aus der Armenkasse eine Unterstützung von Fr. 60 genossen und noch nicht zurückzahlt habe.

Jm Kantone Aargau werden solche Einsprachen nicht aus dem Ver.waltnngs-, sondern aus dem Gerichtswege weiter geführt und entschieden ; nicht ein Bezirks- oder Oberamt oder die Regierung , sondern das Bezirks-

und Obergericht fällen die erst- un^ endgültigen Entscheide. Demgemäß

zog Staufser die Frage vor das Bezirksgericht Lenzbnrg , verlangte den Nachweis sür die Anschuldigung der Unhausliehkeit und für das Dasein einer Unterstützung von Fr. ^0 aus der Armenkasse , d.. er von einer solchen Schuld durchaus nichts wisse, sie nie eingegangen nnd die fragliche Summe nie empfangen habe. Zur Würdigung eines Theiles der obergerichtlichen Erkanntniss muss das Versahren des Bezirksgerichtes einigermassen näher berührt werden. Diese Behörde erkannte am 20. Rovember

.^..rbescheidlich , die Gemeinde Riederhallw^l habe ihre Behauptung, sür^

Stanffex Fr. 60 Armennnterstützung bezahlt zu haben , durch Vorlage eines Auszuges aus ihren Amtsbüchern nicht mit überzeugender Sicherheit dargethan, uud es seien daher die Armenrechnungen von Riederhallw^l aus den Jahren 1854 und 1855 zu den Akten einzufordern. Das Be-

zirksgericht fand somit am 20. Rovember 1862 die Angelegenheit noch

nicht spruchreif. Stausser benutzte den entstandenen Aufschub und vielleicht auch die erhaltene Aushellnng, zahlte am 9. Dezember, ^bevor das Gericht seinen entscheidenden Bescheid fällte, der Armenkasse .^iederhallw^l

die geforderten Fr. 60 zurück, und .setzte gleichen Tages das Gericht hievon in Kenntniss. Zwei Tage später schritt das Gericht zu seinem Haupt-

urtheile, erklärte die Eheeinsprache für gegründet und verbot ^dem Johannes Stauffer, vor Ablauf von zwei Jahren die Ehe wieder verkünden zn lassen.

Das aargauische Gesetz über das Eheeinspruehsrecht der Gemeinden vom

29. Hornung 1860 berechtigt in seinem Art. 6 ein Gericht, eine solche Frist auszusprechen , wenn die Gründe der Einsprache auf Lilt. .^ des

160 Art. 1 beruhen, d. h. wenn dieselben sich. auf schlechte Sitten, auf ..^r-

beitsuntüchtigkeit, auf Abgang von Fleiss oder ans Mangel haushälterischen Sinnes des Bräutigams fnssen , sie gestattet aber eine solche Frist nicht, wenn die Einsprache im Empfange von Armenunterstü^ung liegt. Sonderbarerweise fusste das Bezirksgericht seinen Entscheid nicht nur auf Mangel haushälterischen Sinnes des J. Stausfer, sondern auch auf den Genuss emer im Mündigkeitsalter erhaltenen Armenunterstüt^ung von Fr. 60 ; ^ie am 9. Dezember stattgehabte Zahlung vermöge nichts zu ändern, weil der Streitsall aus denjenigen Grundlagen zu benrtheilen sei, ans welchen er sich am 20. Rovember befunden habe. Der Fall gelangte an das Obergericht und wurde von diesen. am 28. Februar l 863 behandelt, und ebenfalls zu Ungunsten Staussers entschieden. Auch diese Behörde nahm a.n, die Angelegenheit sei am 20. November vor Bezirksgericht spruchreif gelegen, die spätere Zahlung könne keinen Einsluss ausüben, diese Thatsache der Rückvergittnng möge dem Joh. Stausfer erst bei einer allsälligen spätern Eheverkündung zu Statten kommen , der Mangel haushälterischen Sinnes sei gerade dadurch bewiesen, dass Stausfer erst zwei Tage vor

Ausfüllung des gerichtlichen Urtheils die empfangene Unterstützung zurück-

bezahlt habe. Das Obergericht machte also aus der empfangenen und zurückbezahlten Unterstützung nieht nur einen Abweisungsgrund des EheBegehrens, sondern es bildete daraus auch noch den Beweis für den Abweisungsgrund unhaushälterischen Sinnes, und fügte dem Allem noch den weitern auffallenden Entscheidungsgrund bei, Stauffers Alter sei von der Art, um auch noch nach zwei Jahren die Eingehung einer Ehe sur ihn nicht als allzuspät erscheinen zu lassen.

So von seinen Heimathsgeriehten behandelt und abgewiesen , rief J. Stanfser mit Besehwerdeschrift vom 25. Mai 1863 den Schn^ des Bundesrathes und der Bundesgese^gebung an. Die Gemeinde Riederhallw.^l und das Obergerieht des Eantons Aargau erhielten Gelegenheit zur Vernehmlassung. Das Obergericht fand sich nicht im Falle, seinem Urtheile Anderes beizusügen. wohl aber gelangte eme Rechtsertigungssehrist der Gemeinde Riederhallwhl an den Bundesrath, der jedoch mit dem Jhnen unterbreiteten Entscheide vom 15. Jnli 18^3 die Beschwerde be-

gründet erklärte. Gegen diesen Beseheid ergriss die Regierung des Eantons Aargau am 19. Oktober mit einer höchst weitläufigen Denkschrift Weiter^ ziehung an die Bundesversammlung. Jn dieser Auseinauderse^ung stellt die Regierung dar: 1) der Eanton Aargau und seine Regierung sei den gemisehten Ehen

durchaus nicht feindlieh gesinnt ;

2) der Eanton Aargau sei aber leichtsinnigen Ehen nicht freundlich gesinnt, und habe hiezu seine guten Gründe. Jn solchen Ehen liege die reichhaltige ....Quelle von ^lrmenlasten, und der Eanton Aargau

habe nur in den Jahren 1850^1861 ^r. 2,887,^00 an Armen-

lasten bestritten ^

161 3) die ganze schweizerische Bevölkerung theile nicht die Anschauungen für leichtes Gestatten der Ehen, wie diese Anschauungen die Mehr.^ zahl der Mitglieder der ..Bundesversammlung beherrschen ; 4) die strengern Grnndsätze über Bestattung der Ehe stellen den Eanton Aargau in Beziehung auf gute Sitte nicht tiefer als andere Eantone, die Zahl der unehelichen Geburten verhalte sich zu den ehelichen wie 6 oder 7 zu 100 ; 5) schon die Besugn.ss des Bundes zu Erlassung eines Gesezes über gemischte Ehen sei sehr bestritten gewesen, nach Erlass desselben dürfe aber seine Wirksamkeit jedenfalls nur eintreten , wenn das Vorhandensein eines Hindernisses vorliege, das im Religionsunterschiede von Bräutigam und Braut beruhe , sonst entstehe ein unbe-

sugtes Vorrecht für gemischte Ehen;

6) die Vermutung , jeder Verweigerung einer gemischten Ehe liegen ..^orurtheile gegen gemischte Ehen überhaupt zu Grunde, sei unwürdig und im vorliegenden Falle gar nicht gerechtfertigt; ein solcher Beweggrund sei der Gemeinde Riederhallwhl nicht zuzumuthen ; weder die Verhandlungen vor Bezirksgericht, noch por Obergerieht enthalten diessalls ein Wort; der Grund verweigerter Ehe liege vielmehr in einem Widerwillen gegen die preussische Braut ; die Zeit aligemeiner Abneigung und einstimmiger Erhebung gegen Vreussen liege noch nicht fern; süddeutsches Wesen und Hass gegen ^reussen seien zusammenhängende Begriffe.

Jm Wesen stützte sich sonnt die Auseinandersetzung aus die Darftel.luug der Minderheit im ^alle des ...lnton Bisang von Egolzw.^l. (Bun-

desblatt 1863, l, 172.)

Hätte Jhre kommission die gleiche Bundesversammlung vor sieh, wie im Juli v. J., oder lägen noch weitere maßgebende Entscheide vor, als der angeführte von Anton Bisang , so wäre ihre Darstellung sehr kurz geworden; bei der ....Sachlage jedoch, dass die Versammlung ihre Mitglieder theilweise gewechselt, und die Regierung von Aargau noch keine feste Grundlage sur die Entscheidung des vorliegenden Verhältnisses anerkennen will, glaubte die kommission sich psliehtig, umfassender zu sein und sich zu fragen: Jst der Bund befugt, in der Eheeinsprnchsache des Joh. Stauffer ^u entscheiden^ und zwar: Hat er diese Besugniss grundsätzlich, auf den

Standpunkt bestehender Gesetzgebung hin^ und hat er diese Befugniss

auch zur Zeit noch .^ Steht ihm dieselbe jetzt sehon zu, oder müssen vorerst noch andere Mittel ergriffen, andere ^Behörden begrüsst werden^ Entscheidet sich die Frage der Spruchsähigkeit in bejahendem Sinne, so mnss ferner untersucht werden : Liegen gegen die Ehe des Joh. ^tanffer mit Anna Reich gesetzliche Einspraehsgründe gerechtfertigt vor ^ und zwar: Jst diese Einsprache begründet bezüglich genossener Armennnterstütznng und bezüglich unhaushälterischen Lebenswandels.^

162 Wir schreiten mit Folgendem zur Lösnng der gestellten Fragen.

A. ^ie Bundesversammlung ist befugt, die Einsprache gegen die Ehe des J. Stausser mit .^l. Reich absehliesslieh zu entscheiden.

I. Die Bundesversammlung hat diese Besugniss grundsätzlich, auf den Standpuukt der bestehenden Gese^gebung hin, denn 1) es handelt sich um eine gemischte Ehe, und der ...lrt. 3 des Bundesgese^es vom 3. .Dezember l .^50 verfügt, jede solche Ehe müsse bewilligt werden, gegen welche keine gesetzlichen Bindernisse obwalten , 2) die Handhabung dieser Bestimmung, beziehungsweise der Bestand und das thatkräftige Leben des Gesezes ist nur moglich, wenn alle beanspruchten gemischten Ehen von dem Bundesrathe, beziehungsweise von der Bundesversammlung in lester Entscheidung beurtheilt werden, und zwar in vollkommen gleicher Be^ fugniss und Umfang, wie die Eantonalbehörde, welche unmittel.^ bar vorher verfügt, - denn .^. nur wenn alle Einsprachen gegen gemischte Ehen der Befugniss des Bundesrathes und der Bundesversammlung unter^ stellt werden, ist es moglieh, jene Fälle beurtheilen und ....erichtigen zu konnen, in welchen die Abneigung gegen gemischte Ehen sich hinter andere vorgeschobene Gründe versteckt ; h. eine Beschränkung der Besugn.ss auf jene Fälle, in welche..

die religiose .Abneigung gegen gemischte Ehen den Entschei-

dungspunkt der Einsprache bilden würde, wäre gleichbedeutend mit der .Aushebung des Gesezes über gemischte Ehen, und wäre die Unterbindung der Hanptpulsader des Gesezes , da .^. keine noch so befangene oder leidenschaftliche Behorde je so thoricht sein wird, eine Erwägung deutlieh ihrem Beschlusse beizusügen, von der sie weiss , dass sie gerade zum Gegentheile, statt zum beabsichtigten Ziele sichren, dass sie die verhafte Ehe nicht verhindern, sondern befordern würde. Es ist daher vollig undenkbar, dass je eine Schrift oder Erkauntniss irgend einer Behorde eine solche Begründung unter die Augen der Bm.desversammlung stellen würde , wie sehr aueh gerade dieser Grund und kein anderer den Unterbau der Einsprache ausmachen würde.

bh. Wo aber diese Abneigung gegen gemischte Ehen den Entscheidungsgrnnd der Einsprache bildet, aber nicht schristlich

niedergelegt ist, wird ein Beweis hiesür stets eine Un-

mogliehkeit sein. ^iese Abneigung hat im Herzen und Geiste ^es Einzelnen eine ^u tiefe innere Zufluchtsstätte,

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um den gewöhnlichen Beweismitteln zuganglich ^u sein.

die entgegengesehen Anschauungen der obern Behörden lehren Behutsamkeit in .^leussernnge.., und selbst entfallene Worte einzelner Mitglieder einer einsprechenden Behörde hätten kein Gewicht den gründen gegenüber, welche als Ergebnis.. der Gesammtanschauung und des Gesammtwillens der Behörde, als einzig massgebende Urkunde, in ihre ofsentliehen Bücher niedergelegt wurden.

c. Diesem Grnndsatze und dieser Entscheidungsbefugnis der Bundesbehörden müssen steh auch jene ...gemeinden , Berichte und Regierungen fügen, welche mit Recht sich daraus berusen könnten, weder ihr Wirken der Gegenwart, noch dasjenige der Vergangenheit lasse den Gedanken feindseliger Richtung gegen gemischte Ehen auskommen. Eine andere Auffassung würde zu der gehässigen Massnahme führen, die Behörden und Cantone in solche einzutheilen , bei welchen eine freundliche oder feindliche Gesinnung vorausgesetzt werden dürste; es würde dadurch eine ebenso unwürdige, als willkürliche Voraussetzung nothwendig begründet, und jeder Entscheid des Bundesrathes oder der Bundesversammlung über eine gemischte Ehe wäre zugleich auch ein ehrender oder befleckender Entscheid über die Geisteshöhe einer untern Behorde. Gerade um eine solche Voraussetzung, welche die aarganische Regierung, und wir mit ihr, eine unwürdige nennt, zu vermeiden, muss daher der Grundsatz selbst festge^ halten und für keinen ^all und sur keine Behorde eine .^l....^ ..alm.e gemacht werden.

lt. Die Bundesversammlung ist aber aneh spr^ehb^fugl der Zeit und .^.lrt ua..., wie ihr die Angelegenheit unterstellt wir... . denn 1) gemäss einem frühern Entscheide (der thurgauischen Regierung und

der Schulgemeinde Hes..lukosen gegenüber) tritt die Entscheides-

besugniss der Bnndesbehörden ein, sobald ein Bittsteller den durch die Gesetzgebung seines Eantons vorgeschriebenen ordentlichen Weg

für Erledigung seiner Angelegenheit durchschritten hat.

2) Diese Bedingung wurde im gegenwärtigen Falle vollständig erfüllt, denn .^ Joh. ...^.tanfser hat alle diejenigen Behörden begrüsst und die Verhandlungen gepflogen, welche die Gesetze seines HeimathEantons .^iessalls vorschreiben , er trug seine Angelegenheit sowohl vor das Bezirksgericht Len^burg , als vor das OberBericht, und erschöpfte somit den ordentlichen Rechtgang

volli^.

164 b. Es liegt kein Beweis und keine Behauptung vor, es waren dem Joh. Staufser noch andere heimatliche Behorden zur Weitersziehung seiner Frage offen gestanden ; der Art. 7 des aargauischen Gesetzes bezeichnet vielmehr die Weitersziehung

an das Obergericht als das letzte zuständige Mittel.

.^. Die angerufenen Behörden haben abschliesslieh entschieden ; es liegen keine blossen Vorbescheide oder der Beweis da, Staufser hätte noch weitere ansserordentliche Maßnahme.: er^ greifen können, und hätte auch die nöthigen Mittel und Beweis- und Rechtsgründe besessen, um dieselben mit .^lussieht auf Erfolg an die Hand nehmen zu konneu.

B. Wir hoffen, hiemit die Frage der Zuständigkeit der Bundesversammlung nachgewiesen zu haben, nnd untersuchen ^nun ferner , ob der spruchsähigen Bundesversammlung gesetzliche Gründe vorliegen , um die .Einsprache gegen die Ehe des Joh. Stausser begründet zu finden. Wir verneinen dieses.

l. Es liegt kein solcher gesetzlicher Gr.^ud vor in der Behauptung, J. Stansfer habe in seinem Mündigkeitsalter eine ^lrmenunterstützung von Fr. 60 genossen, denn . 1) diese genossene Unterstützung ist befahlt, und damit led^ auf

dieselbe gegründete Einsprache dahin .gefallen .

2) diese Unterstützung .our.^e am .). De^mber, zwei Tage vor Ausfällung .^es Haupturtheiles, zu einer ^eit ^..rückbezahlt, als erst ein beweisergän.,endes Vor^Urtheil des Bezirksgerichts vorlag, ^n einer Zeit bezahlt, als auch die Regner Stauffers, die Gemeinde Riederhallw^l, keine andere Gerichtsentscheidung kannte, als diejenige , welche ihr die Vervollständigung ihrer Beweismittet auserlegte. Hätten trotzdem aber das Bezirks- und .^..ber^ gerieht finden wollen, Stausfers ^ahlung sei verspätet, so hätte diese Ansicht der Verspätung nur aus^ die Kostenfrage Einslnss ausüben dürfen, nie aber konnte .^esshalb die rückbezahlte Unterstütznug ganz gleich zur Abweisung des Staufferschen Ehebegehrens mehr dienen, als ob sie noch nicht bezahlt wäre.

3) Nehmen wir au, .^tausfer hätte am .). Dezember die ^r. 60 nieht bezahlt, nehmen wir an, er hätte sie am Gerichtstage,^am 11. Dezeml.er, noch nicht bezahlt, sondern vielmehr bestritten, so wäre das Gericht befugt gewesen, zu erkennen, Stausfer dürfe sich nieht verehelichen, bis er die Fr. 60 bezahlt habe. Keineswegs aber hätte das Gerieht aus diesem Grunde ihm die Ehe für die Dauer von zwei Jahreu verbieteu konnen, das aargauische Gesetz gestattet ein solches Verbot, wie wir anführten, nur aus den Grund des Unsleisses, der Unkem.tuiss des Berufes

l 65 oder Unhandlichst hin ; nehmen wir ferner an , dieser Einsprachsgrund empfangener Unterstützung von Fr. 60 wäre der einzige gewesen, und das Bericht hätte wirklich gesprochen, was es dann einzig sprechen konnte und durfte, Joh. Stauffer dürfe bis zur Einzahlung der Fr. 60 stch nicht verehelichen, so hätte Stausser gar nichts Anderes zu thnn gehabt, als nach Verkündigung des Urtheils die Fr. 60 zu zahlen. Jn welchem Augenblicke er dieses gethan hätte, an. gleichen, am folgenden, am nächstfolgenden Tage. im gleichen Augenblicke wäre das

Urtheil und die .^raft der Einspraehe dahingefallen ; all^ diess

an und für sich selbst, durch die Rechtskraft der Zahlung, ohne dass es irgend eines Bescheides des Obergerichtes oder weitere Vorkehrungen bedurft hätte. Gewiss muss aber eine .^ah^ lung, noch vor dem Urtheile und der Versäliung in dieselbe geleistet, die gleiche Reehtswirkung haben, wie eine Zahlung nach dem Urtheile und in Folge desselben. Ebenso ist es für

Würdigung dieses Rechtsgrnndes vollig gleichgültig, ob neben

der geforderten und bezahlten Rückzahlung noch andere Ein..

sprachsgründe bestanden haben, da ein Rechtsgrund durch fein Alleinstehen oder den Besitz von Gefährten in seiner inner..

....atur weder schlimmer noch besser wird.

lI. Es liegt kein gesetzlicher Grnnd zur Eheeinsprache vor in der Be-

hauptung, Stauffers Unhauslichkeit gewähre keine Aussicht für die

Ernährung einer Familie ; denn 1) für diese Behauptung hat die Gemeinde Riederhallw.^l auch nicht die Spnr eines Beweises geleistet. nichts liegt vor, um in ^.taufser einen Spieler, Trinker, Verschwender oder Schuldenmaeher zu vermuthen ; das Durchleuchtenlassen einer Abnei^ gung der Behorden in ^iederhallw^l gegen eine preussische Braut beleuchtet zugleich auch die Unstichhaltigkeit der Behauptung, .^tausfer sei unhauslich und habe desshalb sich noch nichts erspart. Die Gemeinde ....iederhallw^ mnss vielmehr selbst einiges

Vertrauen in die Erwerbssähigkeit und Erwerbsthätigkeit Joh.

^tausfers besessen haben, denn 1860 erhohte sie seine Militär..

steuer von jährlich ^r. 4 aus Fr. 8, auf einen Betrag , mit dem nur wohlhabende Sohne belegt werden.

2) Die Begründung des Obergerichts, ^taussers Unhauslichkeit gehe daraus hervor, dass er die Unterstützung von Fr. 60 so spät erst bezahlt habe, ist vollig unstichhaltig; denn

a. Stanffer bezahlte die Unterstützung nicht desshalb so spät, weil er ^ die Fr. 60 nicht besass, sondern weil er von dieser ..Schuld nichts wusste und sie bestritt.

b. Ein solches ^ichtkennen und Bestreiten der Schuld von .^eite Stauffers ist aber sehr begreiflich, denn

166 .^. es liegt kein Beweis vor, dass er selbst diese Schuld eingegangen, das Geld empfangen habe ; hh. sein damaliges Alter und die Familienzustande lassen vielmehr vermuthen, ein Verwandter des verstorbenen Vaters oder der trostlos zurückgelassenen Mutter habe hier versügt, oder eine Behörde sei von selbst eingeschritten; es

ist seinem damaligen Alter und damaliger Bildung auch

kaum die Gesetzeskenntniss zuzumuthen, solchen Beistand von der ..gemeinde fordern und solche Verträge abschlössen zu konnen.

c. Jn spätern Jahren wurde nie eine solche Forderung an ihn

gestellt. die Gemeinde ....iederhallw...l ist vollig ausser Stande,

eine solche Behauptung nur ausstellen ^u dürfen; das Heirathsgeld , die Einheirathungsgebühr wurden ih.n abgenommen, ohne noch eines weitern Guthabens der Gemeinde Erwähnung zu thun; am Tage der Einsprache, am 16. Oktober, erwähnt weder ein Mitglied der Behorde, noch eine Zeile ihres Beschlusses des Bestandet einer solchen Forderung, un... selbst das Bezirksgericht Lenzburg findet am 20. ..^ vember den Beweis für den wirklichen Bestand einer solchen Forderung nicht erbracht. Eine Riehtkenntniss dieser Forde^ rung und ein Sträuben gegen die Bezahlung derselben von Seite Sl.aussers ist daher sehr begreiflich und von ferne nicht geeignet, ein Beweisgrund für die Behauptung ^u sein, Stausser .visse zu seinem Gelde nicht Sorge zu tragen.

..^ Die vorliegenden Akten sind sämmtlich der Art, die Einsprache der Gemeinde Riederhallwpl als uustiehhaltig zu erklären ; denn : a. Stauffer hat noch keine Ersparnisse, aber Stanffer besitztauch keine Schulden; er ist gegenwärtig erst ^25 Jahre alt; erst mit dem Jahr 1858 begann er, aus seiner Arbeit Lohn zu Ziehen, und seit 1. Juli l 862 hat er sich dazu hinaufgeschwungen, einen wöehentliehen Erwerb von Fr. 24-25 zu haben ; keineswegs geniesst er diesen Verdienst sehon seit

1858.

.^

h. Stausser hat aus seinem Erwerb seine Mutter unterstützt und nun seit einem halben Jahre bei sieh ausgenommen, er hat seinen Bruder unterstützt und ihn den Berns gelehrt; er hat die Auslagen für die Geburt und Verpflegung seines lindes

bestritten, hat alle pfliehtigen Beträge an die Behörden ab..

geführt, Heirathstar.e und Heirathsgebühr hinterlegt, die

genossene Unterstützung zurückzahlt , und will nun einfach Kind und Geliebte nicht leiehtsertig abschütteln und verlassen, sondern zur Ehre ziehen . Der kommission schien es , ein solches Bestreben verdiene alle Anerkennung und Unterstützung,

167 und wenn Stausser statt einige Fr. 100 in der Sparkasse ^u besinn , dieselben in der .Dankbarkeit einer Mutter und eines Brnders, und in dem Bewußtsein erfüllter Vflieht gesichert r.chen hat, so moge eine solche Kapitalanlage vor Jhren Augen wohl eben so gerechtfertigt erseheinen , und die wackern Gefühle, welche in der Handlungsweise Joh. Stausfers gegenüber Mutter und Geschwister, Braut und .^ind zu Tage treten, sind gerade jene Gefühle, ans denen der wackere Familienvater geschaffen wird. Es erscheint Joh. Stauffer der kommission jedenfalls als ein junger Mann, wie neben ihm noch Hunderte find, welche im 25. Jahre noch schwerer hätten , Ersparnisse auszuweisen und welchen gegenüber eine Eheei..spraehe ein grosses Unrecht, ein ungerechtfertigtes Misstrauen in ihre Erwerbsthätigkeit und in das sichere Hervortreten aller Bedingungen und Tugenden eines Familienhauptes ware, er erseheint ihr aber auch noch als ein junger Mann, der neben vielen andern, deren Ehe Niemand perhindert, sich sogar noeh durch hervorragendere und bessere Eigenschaften auszeichnen dürfte.

Aus diese Ansichten gestützt, unterstellt Jhnen Jhre Eommission einstimmig den Antrag:

dem Beschlusse des Bundesrathes, d^ d. 15. Juli l 863, bei^treten. ^) Mit Hochsehä^ung zeichnet Bern, den l.^. Dezember 1863.

Rameus d e r k o m m i s s i o n , Der Berichterstatter :

Mailer.

^) Der oberwahnte Beschluß langet also .

.,^s sel der .Rekurs begründet erklärt^ selen dle Urtheile des Obergerichts ^.des Kantons ^targau vom 28. .^ornung 18.^3 und des Bezirksgerichtes ^Lenzburg vom 11.. .^hristmonat 18.^2 aufgehoben und werde die Regierung ^von .^Iargau eingeladen , dafür zu sorgen, daß der .Vollziehung der ^he ^des .^ekurrenlen keine keltern Hindernisse in den Weg gelegt werden.^ ^ v t e . Die Bundesversammlung ist dem bundesrälhlichen Beschlusse beige^ treten, und zwar .^er Nationalrath am 1.^. Dezember 18^^ und der S.^nderatl..

am 22. gleichen ^ona...^.

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Bericht der Kommission des Nationalrathes über die Einsprachen gegen die Ehe des Joh.

Stauffer von Niederhallwyl. (Vom I9. Dezember 1863.)

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1864

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08

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13.02.1864

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157-167

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10 004 343

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