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Minderheit der nationalräthlichen Kommission fur Begutachtung des Rekurses der Frau genant gegen Hrn. Alexander Favre, Baron v. Buttlar-Brandenfels, in Cortaillod, Kts. Neuenburg, betreffend Gerichtsstand.

(Vom

Tit.

28. September 1864.)

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Frau Karoline Wilhelmine Witwe g e n a n t , geb. Horlmay von Frankfurt a. M., wohnhast in Würzburg. zitirte den Hrn. Alexander Favre, Baron v. Buttlar, aus Reuenburg, vor das Gericht in Bern, behufs Rükerlaugung einer Summe von mehr als l40,0l)0 Gulden, welche sie ihn. ..ur Bestreitung verschiedener Auslagen vorgeschossen haben wil.l.

Diese Klage fand Opposition von Seite des Hrn. v. Buttlar, welcher an den Bundesrath wegen Jukompelenz des Forums rekurrirte.

Brüfen wir nun diese Frage, nicht von ihrer materielleu Seite, sondern vom Standpunkte der Bundeskompetenz und des festzustellenden Forums.

Hr. Baron v. Buttlar hat sich nach einer langen Abwesenheit von feinem Heimatkanton am 27. Oktober 1863 in Bern niedergelassen, seine Schriften dort deponirt und von der Lokalpolizeibehorde eine Auf-

euthaltsbewilligung erlangt.

Am 2. März 1864 entschließt er sich, Bern zu verlassen, begibt sich aus das Polizeibüreau,

erfüllt dasjenige,

Vergl. Selle 242, 51.... und 658 hievor.

was die bernischen Geseze

840 diessalls vorschreiben, zieht seine Rapiere z..rük und erstattet seine Ausenthalt^- und Stimmkarte.

Am 4. Mär^ nimmt Hr. v. Buttlar Domizil in Eortaillod, Kts.

Reuenburg, und übermittelt, durch den Eigentümer des Hanses, ^vo er sich eingemiethet hat, dem Fr.emdenpolizeiamt von Eortaillod die zum dortigen Ausenthalt erforderlichen Sehristen.

Am 5. März begibt sich Hr. v. Buttlar als Mitglied des Verwaltuugsrathes der eidgenossisehen Bank nach Bern, uni einer auf den 7. Mär... angesäten Sizung desselben beizuwohnen.

Am nämliche.. Tage seiner Ankunft in Bern gelangt von ^e.te der Frau Denant eine Vorladung an .^.rn. v. Buttlar ans den ll. März vor das Ri.hteramt Bern, belmfs Einvernahme zum ewigen ...^edäehtniss hinsichtlieh der Erstattung der von Fran Denant bezahlten Summe von mehr als 140,000 Dulden, eine Vorladung, welche in der bis dahin von Hrn. v. Buttlar in Bern innegehabten Wohnuug abgegeben wurde.

Kaum hatte Hr. v. Buttlar von dieser Vorladung .^enntniss erlangt, so liess er dem intimirenden Weibel eine Erklärung dahin zukommen, daß er am 2. Mär.. sein Domizil nach Eortaillod, Kts. Reuenburg, verlegt habe, und dass er sich bloss vorübergehend i.. B^rn aufhalte, was der Weibel in seiner Jntimationsbeseheinignng bemerken solle.

Hr. v. Buttlar verreiste naeh Eortaillod^ und überiiess es seinen^ Beauftragten, ihn bei dem auf den l1. März anberaumten Vortritt zu vertreten. Wirklieh erschien l^enn auch .^r. ...^teck vor den. bernischen Richteramt, woselbst er, ohne in das Materielle der Sache einzutreten, sich auf die Erklärung beschränkte, dass Hr. v. Buttlar nicht mehr in Beru niedergelassen sei.

Das Riehteramt von Bern fand die Klage der Frau Denant gegen Hrn. v. Buttlar, nach der kantonalen Gese^gebung, für zulässig und die Jntima.tion an leztern statthast, und verfällte den Hrn. v. Buttlar, von dem angenommen wurde, dass er tatsächlich seine Wohnung in der Aarbergergasse nicht aufgegeben habe, in die Kosten des ...... ortritt^, u..ter weiterer Zitation u.it Androhung des Kontumazialversahreus.

Gegen diese Verfügung rekurrirte der Anwalt des Hru. v. Buttlar, mit Einlage vom 26. März, au den Bundesrath, wegen Jnkompeten.^ des bernischen Gerichtsstandes. Der Bundesrath fand den Rekurs unterm 20. März begründet und lud die Regierung von Bern ein, jedes weitere Versahreu bis zn seinem Entscheide in dieser Angelegenheit zu suspeudireu.

Es fragt sich nun, ob das Urtheil des Bundesrathes sieh innert den Schranken seiner Kompetenz gehalten und ob wirklieh eine Verlezun^ des Art. ^0 der Bundesverfassung stattgefunden hat o.. er nicht .^

841 Der Art. 50 der Bundesverfassung sagt: ,,Der ..aufrecht stehende Schweizerische ^ ..huldner, welcher einen festen Wohnsiz hat, mnss für personliehe Ansprachen vor dem Richter seines Wohnortes gesucht werden.^ Run ist Hr. v. Buttlar Reuen.^urgischer Bürger, und aus der Erklärung des Vorstel^rs der ^remdenpoli^ei von Eortaillod vom 4. Marz geht^ hervor, dass Hr. v. Buttlar schon au jenem Tage seine Schriften dem Bol^eibür..au abgegeben und von der neuen Wohnung im Hause des Hrn. Bürki, in genannter Gemeinde, Besi^ genommen hatte, gemäss Mietvertrag mit demselben.

Allein nicht bloss in den Akten finden sieh Beweise seines neuen Domizils zu Eortaillod, sondern es liegt auch der förmliche Vergeht auf das Domizil in Bern vor - durch das Zurükziehen der ^ehristen und die Erstattung der Aufenthalts- und Stimmkarte, wie dies am 2. Mar^ auf dem Volizeibüreau zn Bern stattfand.

Vom v. Buttlar indem Hr.

geseze ein alten, als

4. Mar^ an war also das neue und le^te Domizil des Hrn.

in Eortaillod. Dieses Domizil war nicht bloss vorhergehend, v. Buttlar allen Vorschriften der Berner und Reuenburger Genüge geleistet hat, sowof hinfiehtlieh des Aufhebens des der Erwerbung eines neuen Domizils.

Auch geschah dieser Domizilwechsel nicht, um dem gegen ihn beabfi^hti^ten Brozesse auszuweichen, sondern weil er sieh berechtigt hielt, in seinem Heimatkantone Rede zu stehen, dessen Sprache, Geseze und Rechtsformen er kennt.

^ .^ Es ist sehr natürlich, dass wenn man von einem ..Prozesse ansserhalb der Heimat bedroht ist, man sich in die lettere zu begeben sucht, um pon den eigenen Gerichten beuxtheilt zu werden. Dies geschah denn auch von Hrn. v. Buttlar, indem er sieh nach Eortaillod ^urnk.^og, um der unstatthaften Vrozedur (viziosa procedn^) der ferner Gerichte zu entgehen.

Ra.h Feststellung der Vorbedingungen ^ur gesezliehen Erwerbung eines neuen Domizils, als.

Verziehtleistung auf das erste und Erklärung über Besi^nahme vom zweiten Domizil,. gelangen wir zu dem Sehluss , das. die Vorladung der ^rau Denant dem Hrn.

v. Buttlar nicht in Bern, sondern in Eorlaillod hätte zugestellt werden müssen, als dem Orte seines legten Domizils, wie es der Art. 50 der Bnndesverfassung verlangt.

Darüber, dass diese beabsichtigte Klage sei, lassen.. die ^kten keinen ^weisel bestehen.

eine personliche Ansprache

Was ab.^r den Zweifel betrifft, der bezüglich der Wahl ^weier bestrittener Domizile stattfinden kann, so gilt so viel, .^ass das erste Domizil so lange fortbesteht, bis der Beweis von seinem Ausgeben vorliegt und lus zur Beibringung einer Erklärung über Wol^nsi^verlegung.

^42 Das Staatsrecht der .^chweiz bietet eine Menge in diesen. Sinne entschiedene Fälle, wo nicht nur die diesfällige .Kompetenz des Vundes^.athes anerkannt, sondern ftetsfort der Grundsaz festgehalten wurde, dass .der Schweizer vor kein anderes Bericht als dasjenige seines lezten Do.mizils gezogen werden kann.

Jn Betracht also, dass Hr. v. Bnttlar das Domizil in Bern am ^. März tatsächlich und rechtlich ausgegeben und vom 4. M.irz an .,..

^ortaillod Wohnsi^ genommen hat. dass die Jntimation der Frau Denant dem Hrn. v. Buttlar nach seinem Fortgehen von Bern und Wohnsiznehmen in Eortaillod, d. h. am 7. März zugi..g, dass d.e Anwesenheit des Hrn. v. Buttlar in Bern vorübergehend und dnrch die ZusammenBerufung des Verwaltungsrathes der eidgenossischen Bank, den.. er a^.gehort, veraulasst war; dass die Verlegung des Art. 50 der Bnndesverfassung den Hrn. v. Bnttlar zu seinen. Rekurse an den Bundesrath und diesen zu entsprechender Remedur berechtigte : beantragt Jhnen die Minderheit Jhrer kommission, an dem von Jhnen im Juli abhin gefassten

Beschlusse festzuhalten. in Bestätigung des Entscheides des Bundesrathes

.vom 27. Mai, der den Reknrs des Hrn. v. Buttlar begründet erklärte und das gegen ihn eingeleitete Verfahren aushob.

Bern, den 28. September 18^4.

Ramens der Minderheit der kommission, Der^ Veri.hterstaiter .

A. ^osfi.

^ o ^ e . ^n deu.^s^er Sprache referir^e f..r di^ ^inderhei.^ ..^err Bacher.

^Der ^ationalrall^ bestatig^ am 28. September feinen Beschluß .^.^^ 15. ^..i 1l8^4, hinwieder auch der S^anderalh am 2.^. September den seinigen (in ab^ ^eichendem Sinn) ^om 2.^. glichen ^ona^.

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Bericht der Minderheit der nationalräthlichen Kommission fur Begutachtung des Rekurses der Frau Denant gegen Hrn. Alexander Favre, Baron v. Buttlar-Brandenfels, in Cortaillod, Kts. Neuenburg, betreffend Gerichtsstand.*) (Vom 28. September 1864.)

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1864

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44

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15.10.1864

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839-842

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