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Mehrheit der nationlräthlichen kommission in Rekurssache des Hrn. Johann Schürch von Buren zum Hof, Kts.

.Bern , gegen seine Ausweisung an.... dem .Danton Freiburg.

(Vom 19. Dezember 1863.)

T i t. l Die Kommission, weiche von Jhrem Bureau mit Prüfung der Rekursangelegenheit des Johann Schürch beauftragt worden ist, hat hiermit

die Ehre, ihren diesfälligen Bericht zu erstatten.

Es liegt in der Ratur des menschlichen Wesens, dass jeder Verur-

theilte stch stets für minder schuldig hält, als es von seinen Richtern nr.d

ihrem Urtheil geschieht. .So verhält es sich nieht nur bei den wegen irgend eines Vergehens dnrch ein gerichtliches Urtheil Bestrasten, sondern auch bei denjenigen , gegen welche eine von Administxatwbehorden ausgehende Verfügung in Anwendung kommt.

Durch diese zur Vorsieht mahnende Betrachtung geleitet, hat Jhre Kommission die Vrüfnng des Rekurses Schüreh an Hand genommen und war daher von vornherein geneigter, in demselben eine unbegründete Reklamation , als eine ans haltbaren Gründen beruhende Besehwerde zu erbliken. Wenn dessen ungeachtet die Mehrheit der Kommission zu einem dem Rekurrenten günstigen Sehlusse gelangte, so geschah dies nicht sowohl

wegen des Gewichtes der Rekursgründe , als wegen des Umstandes , dass der Kommission die Ausweisungsgründe gar zu wenig stichhaltig schienen.

Absehend von Allem, was nicht zu den Thatumständen gehort, auf die sich die Ausweisung des Sehüreh stüzt, sah Jhre Kommisston hier

169 nichts Anderes vor sich , als einen von einer Kantonsregieruug ausgew.esenen Schweizerbürger.

Vorerst fragte si.e sich, ob stch diese Ausweisung durch den Axt. ^41 der ..Bundesverfassung, seinem Wortlaute und Geiste nach, rechtfertigen lasse.

Der Staatsrath des Kantons Freiburg macht gegen Schürch geltend : 1) Zwei in Bern, in den Jahren 1843 und 1845 erfolgte Bestrafungen ; 2) sechs Strafurtheile der freibuxgischen Behorde. 3) endlieh die Beschuldigung eines prozesssüchtigen, chieanensen Eharakters.

Die gegen Schürch in Bern erlassenen Strafurtheile werfen ans

dessen Vergangenheit allerdings kein günstiges Licht. Auch verdient die Behauptung des Sehürch, dass er den diesen Urtheilen ^u Grunde liegenden Handlungen fremd gewesen sei, keinen Glauben.

Dagegen entsteht die Frage : konnen diese vor 20 nud beziehungsweise 18 Jahren ausgefällten Strasurtheile heute noch eine Ausweisung

dieses Bürgers rechtfertigen .^ Die Bestrafung vom 9. September 1843 erfolgte wegen Betrug und Wucher. Da das Urtheil diese beiden Vergehen vereint anfuhrt, so ist nicht ersichtlich, welches das schwerere, das bei dex Strafe haupt-

sächlich in die Wagschale fallende war. Jst es der Betrug , so kann nichts jene mildern; handelte es sieh aber mehr um Wucher, so ist zu berükstchtigen , dass derselbe zwar damals als ein Vergehen galt, gegen wärtig jedoch in den meisten Gesetzgebungen nicht mehr als solches l.ehandelt wird.

Bezüglich des Strafurtheils vom 11. Januar t 845, welches Jnjurien und Beschimpfungen ahndet, mochten wir fragen, ob es wohl der Mühe werth sei, sieh dabei aufzuhalten^ .^lber selbst wenn man annimmt, dass es sich um schwere Vergehen handelte, so hat Schüreh die dadurch sich zugezogene Strafe abgebüsst und seine Schuld an die menschliche Gesellschast abgetragen.

Diese Bestrafungen nun hervorziehen, um Schürch ans dem Kanton Freiburg zu verweisen, wo er Grundeigentum erworben hat und im Vertrauen aus eine Bewilligung der Behorde niedergelassen ist, -- hiesse di.ess

nicht, im Widerspruch mit dem Grundsaz .^.^ ...... .... ^.^ ihm für die nämliehen Vergehen eine zweite Strafe auferlegen ^

Wollte die Freiburgex Behörde diese in Bern erlassenen Straf-urtheile geltend machen, so hatte dies zur Zeit zu geschehen, als Sehüreh sieh im Kanton Freiburg ansiedelte. Damals hätte ihm die Verweigerung der Niederlassung keinen Sehaden zugefügt . Schüreh hätte sieh einfach anderwärts eine Zuflnehtstätte gesucht.

170 ^war entgegnet die Regierung von Freiburg, sie sei durch das Zena^ niss der Ortspolizei von Bern irre geführt worden, welches bescheinigte,

dass während des Aufenthalts des Sehürch intern der Behörde nichts Ungünstiges von demselben zur Kenntniss gelangte.

Allein dieser Jrrthum ist nicht das Werk Schürchs , der also auch nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann. Sodann ist die gewissem massen rükwirkende Kraft, welche die Regierung von Freiburg bei der

Entdekung dieses Jrrthums eintreten lassen will, indem sie die Bewilli^

gung an Schürch als ordnungswidrig und nichtig erachtet, -- unzulässig sobald die Niederlassung des Schürch im Kanton Freiburg eine vollendete.

Thatsaehe ist. Einzig die Ausführung des Schürch im Kanton Freiburg selbst ist es, welche in Betracht .^ogen werden kann.

Der Staatsrath des Kantons Freiburg seheint jedoch dem eben berührten Jrrthum und der daraus entnommenen Begründung keine allzugrosse Wichtigkeit beiznmessen; denn er ruft zur Unterstüzung seiner Sehlussnahme noch sechs von der Freiburger Behörde ausgefällte Strafurtheile an.

Diese sechs Bestrafungen wären entscheidend, wenn ste schnell auf^ einander gefolgt und geeignet wären, den Sehürch als einen Mann erscheinen zu lassen , dessen Betragen den guten Sitten und der ossentliehen Ordnung Anftoss gibt, welche beide Fälle in Ziffer 6 des Art. 41 der Bundesverfassung vorgesehen sind.

Allein erstens vertheilen sich diese Strafen auf einen Zeitraum von fünf Jahren. die erste datirt vom 25. August 1858, die lezte vom

25. August 1863.

Zweitens betreffen fünf von diesen sechs Bestrafungen blasse polirei..

liehe Uebertretungeu und zwar zwei davon die Sonntagspolizei, eine die Gesundheits - und ^wei die Eisenbahnpolizei , --- bedingen also nicht ein Vergehen gegen die öffentliche Ordnung, welches schwer genug wäre, eine Ausweisung zu rechtfertigen.

Die sechste Verurteilung ersolgte wegen einer Schmähung, deren

Gewichtigkeit sehr relativ ist und die eine Ausweisung ebenfalls nicht zu begründen vermag.

Endlich muss die dem Sehureh vorgeworfene Brozess- und Händelsucht, selbst wenn es damit seine Richtigkeit hätte, lediglich als ein Hang, als ein Fehler im Eharakter des Schürch angesehen werden. Wenn nun, wie dies aus der Zuschrift des ^taatsraths des Kantons Freiburg vom 3. November 1863 hervorgeht, dieser Fehler den Hauptgrund des Ausweisungsbesehlusses bildet, so geht dieser Besehluss weit über die .Forschrift von Ziffer 6 des Art. 41 der Bundesverfassung hinaus.

17l Rach den. Sinne und Buchstaben dieser Bestimmung und nach ihrer Anwendung in der ^rar^is, sind diessalls positive Handlungen erforderlich, welche eine unsittliche und mit der Ausrechthaltnng der öffentlichen Ordnung unvereinbare Ausführung beurkunden.

Wollte mau die Ausweisung eines Bürgers mit seinem schikanösen

Wesen rechtfertigen , so würde man damit der Möglichkeit die Thü...^ offnen, Andere aus Grund von Eitelkeit, Stolz, Heuchelei, Reid .^., überhaupt eines Hanges, einer Leidensehast auszuweisen, was die in einem Danton niedergelassenen Angehörigen eines andern der Willkür und dem Gutdünken preisgeben n..d die von der Bundesverfassung gewährten Garantien illusorisch machen würde.

Rach dem Geiste dieser Verfassung ist die Riederlafsungssreiheit in weitem , das Ausweisu..gsreeht dagegen im engsten Sinne aufzufassen.

Sonst müsste der geringste Fleken , die leichteste Trübung des guten ^a-

mens und der Vergangenheit eines Bürgers nothwe^dig ^.iue.. massgebenden Ausweisungsgrund abgeben konnen.

^ie Regierung eines Kantons soll gegenüber den Angehörigen eines andern die Stellung emes Familienvaters einnehmen , mehr auf deren Schuz als aus das Fühlenlassen der eigenen Macht bedacht sein und ^ züchtigendem Einschreiten nicht anders als im äussersteu ^..othsall vorgehen.

Bedenkt man im vorliegenden Fall, dass Schürch wahrend 20 Jahren in Bezng ans die Verfehlungen , welche ihm die im Kanton Bern gegen ihn verhängten Strafen eintrugen , sich keines Rüksalles schuldig machte , so darf man wohl annehmen , dass er sich hierin gebessert habe und erscheint es daher als eine zu weit gehende Strenge, ihn heute diese Bestrasungeu neuerdings empfinden z.. lassen , während dieselben in nichts seine Ausführung im Kanton Freilmrg besleken.

Und ebenso müsste auch .-^ da von den sechs im Kanton Freibnrg begangenen Übertretungen eine einzige , nämlich diejenige bezüglich der Sonntagspolizei, zu den im Art. 41, Ziffer 6 der Bundesverfassung vorgesehenen Fällen zu gehören scheint - die Ausweisung wegen dieser einzigen Handlung als eine übertriebene Härte abgesehen werden.

Uebrigens verweist der Bundesrath in seinem Beschlusse vom 11.

November 1863 die Regierung von Freiburg auf die geringe Gewichtigkeit der meisten von den fraglichen Uebertretungen , und spricht die Erwartung aus , dass vor Ausführung des Ausweisungsbeschlusses derselbe noch in reifliche Erwägnng gezogen werde.

.^us diesen Grimden - absehend von allen andern -. beantragt Jhnen die Mehrheit der Kommission die Annahme folgender Schlussnahme :

172 ^ .. r N a t i o n a l r a t h , Jn Erwagung : 1 . Dass die Regierung des Kantons Freiburg ihre Ausweisung des Schürch auf folgende zwei gründe stüzt: a) die bei der nachgesuchten Bewilligung der Riederia ssun.., stattgehabte Verheimlichung dex in den Jahren 1843 und 1845 erfolgten Bestrafungen des Schüreh, und b^ die seit der Ertheilung der Riederlassungsbewilligung ^em Rekurxenten auferlegte Busse wegen Uebertretung polizeilicher Vorschriften ; 2. Dass, was den ersten Grund betrifft, derselbe nicht mehr berüksiehtigt werden kann , weil seit der ersten Bestrafung an 20 Jahre und auch seit der Riederlassnngsbewilliguug eine Reihe von Jahren perstrichen

sind ;

3.

Das. auch der zweite Grund die Ausweisung nicht zu rechtser-

tigen vermag , weil die polizeilichen Uebertretungen , für die Schürch be-

straft worden, geringfügig sind, und nicht angenommen werden kann, der Gesezgeber habe bei der Erlassung des ^. 41 , Litt. 6, b den Behörden die Befngniss einräumen wollen, wegen der Uebertretung solcher polizeilieher Vorschriften ein so wichtiges Recht wie das der Riederlassnng ^u entgehen ,

beschliesst.

^ie Beschwerde des Sehüreh sei begründet und daher der Auswei-

sungsbes^.hlnss des Staatsraths von Freiburg von. 1. August 1863 auf^ ^eboben.

Bern, den 19. Dezember 1863.

Jm Ramen der Kommissionsn.ehrheit, Der Berichterstatter :

^l. .^. .^e^tre.

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Bericht der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission in Rekurssache des Hrn. Johann Schürch von Buren zum Hof, Kts. Bern, gegen seine Ausweisung aus dem Kanton Freiburg. (Vom 19. Dezember 1863.)

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1864

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13.02.1864

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168-172

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10 004 344

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