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K

1 3

453

Bundesblatt

7.3. Jahrgang.

Bern, den 30. März 1920.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, l» Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Bericht des

schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1920.

(Vom 26. Februar 1921.)

Herr Präsident l Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen gemäss Art. 47 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege über unsere Amtstätigkeit im Jahre 1920 folgenden Bericht zu erstatten:

A. Allgemeines.

Personelles.

Auf Ende des Berichtsjahres nahm Herr Bundesrichter Eeichel, der dem Gerichte seit 1905 angehörte, infolge anhaltender Krankheit seine Entlassung. Zu seinem Nachfolger wählte die Bundesversammlung Herrn Oberrichter Z'graggen, bisher Suppléant des Bundesgerichtes; er wurde vom Gerichte der zweiten Zivilabteilung zugeteilt.

Infolge längerer Krankheit mehrerer Mitglieder war es nötig, in vermehrtem Masse Suppleanten beizuziehen.

Im Personal der Sekretäre ist leider wiederum eine erhebliche Veränderung eingetreten; die Herren Dr. Schenker und Dr. Haab haben ihre Entlassung verlangt ; sie wurden ersetzt durch die Herren Dr. Wagner in Bern und Dr. Ziegler in St. Gallen. Durch den Tod verlor das Gericht seinen Kassier, Herrn Petitmaître ; an seine Stelle wählte es den bisherigen Registratur, Herrn Diriwächter.

Bundpsblatt. 7:3. Jahrg. Bd. I.

35

454

Geschäftslast und -Verteilung.

Die Geschäfte der staatsrechtlichen Abteilung zeigen eine sehr erhebliche Zunahme (697 gegen 471), während diejenigen der Strafrechtspflege (mit Ausnahme der Kassationen) erheblich abgenommen haben; in der Zivilrechtspflege haben sowohl die direkten Prozesse als namentlich die Berufungen zugenommen, die Expropriationen dagegen etwas abgenommen. Die durch die Anhäufung der Berufungsfälle in Zivilsachen hervorgerufene längere Dauer der Erledigung, dient oft den Berufungsparteien zur erwünschten Hinausschiebung der Vollstreckung ; es sollte ihr durch die im Entwurfe zur Änderung des Organisationsgesetzes vorgeschlagene Verminderung der mündlichen Verhandlungen und die Erhöhung des gesetzlich verlangten Streitwertes entgegengetreten werden.

Verschiedenes.

Die im Geschäftsberichte pro 1918 erwähnte Verordnung, die den Parteien mit Bücksicht auf die Verkehrsschwierigkeiten gestattet,, bei Berufungen mit einem Streitwert von mehr als Fr. 4000 das mündliche Verfahren durch das schriftliche zu ersetzen, ist vom Gerichte verlängert worden. Veranlasst durch die Anregung des Bundesrates,, die Gebühren des Gerichtes zu erhöhen, und in der Absicht, damit auch die Anpassung der Streitwertbestimmungen des Organisationsgesetzes an den veränderten Geldwert herbeizuführen, unterbreitete, das Bundesgericht dem Bundesrate einen Entwurf zu einer Änderung, des Organisationsgesetzes, wobei es sich, im Bestreben, die Frage der Totalrevision nicht zu präjudizieren, auf das Notwendigste beschränkte (Erhöhung der Gebühren und Entschädigungen sowie des Streitwertes, Beschränkung der mündlichen Verhandlungen).

Dem Begehren des Bundesrates um Eevision des Raumprogrammes zum Neubau des Bundesgerichtshauses im Sinne einer Herabsetzung und Verkleinerung der benötigten Eäume konnte' das Gericht, da sich die Grundlage für das Bauprogramm vom 1. März 1913 nicht geändert hat, nicht entsprechen; dagegen erklärte es sich bereit, sich mit den jetzigen wenn auch sehr knappen Räumlichkeiten zu begnügen, bis die Frage, ob ihm die Verwaltungs-, Disziplinarund Strafgerichtsbarkeit übertragen wird, entschieden ist.

Die Gesamtzahl der Sitzungen beläuft sich im Berichtsjahreauf 288 (gegenüber 327 im Jahre 1919). Diese Sitzungen verteilen, sich wie folgt:

455 Plenum I. Zivilabteilung IL Zivilabteilung Staatsrechtliche Abteilung Abteilung für Schuldbetreibung und Konkurs Kassationshof Anklagekammer Bundesstrafgericht

7 82 - 78 75 21 16 6 8 Total

288

Dabei ist zu bemerken, dass 193 Geschäfte der Schuldbetreibungsund Konkurskammer auf dem Zirkularwege erledigt worden sind.

1916

1917

1918

456

Statistik über die Erledienine'fvn von Ißlß hin 1O9.IY 1919

1920

i*,*«**», if g| i §f ,| » ifj i ii 11 ii 11 f§ li "I " Jj z| à li "l Mi B| a g| "I 5 J

I. Zivilsachen: 1. Erst-u.letztinstanzlichzu beurteilende Zivilsachen 24 31 2. Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte . .

33 518 3. Zivilrechtl. Beschwerden 2 28 4. Andere Zivilsachen . .

2 10 5. Rekurse in Expropriationssachen 84 100 II. Strafsachen . . . .

2 55 III. Staatsrechtliche fStreitigkeiten . . . . .

53 407 IV.a) Beschwerdcnbetr.das Schuldbetreibtingsund Konkurswesen 3 425 b) Zwangsliquidationsbegehren gegen EisenbahngeseUsehaften u.

Gesuche um Einleitung des Nachlassverfahrens vonsolchen -- -- F.*) Freiwillige Gerichtsbarkeit 4_ 4_ Total 207 1578 *) In Ziffer V waren bisher auch die

21

34

22

32

24

19

16

27

31

21

482 24 10

69 534 487 116 6 31 36 l 2 19 19 2

541 571 26 23 15 16

86 627 613 4 27 29 l 12 13

115 46

69 63 74 11 119 110

58 20

56 44 143 142

70 21

415

45 382 393

34 382 355

423

5 375 374

6 290 295

--

--

--i

--

--

--

__

95 79

84 77

61 410 374 l

--

245 236

--

--

37

39

32

44

100 697 639 15g 2 40 40 2 -- 13 12 l 81 23

56 56

94 68

43 11

97 600 577 120 10 216 208

3

10

7

18

6

2_ 6_ 4_- 5_ 5 13 9_ 9_ 3_ 8_ i_ 4_ 5 -- 1538 247 1549 1530 266 1485 1471 '280"l529 1455 354 Ï73T1632 ~4Ö3 Zwangsliquidationsbegehren etc. iubegrift'en.

457

B. Spezieller Teü.

I. Zivilrechtspflege.

Neu 1 eingegangen |

Natur der Streitsache

Übertragen aus 1 dem Vorjahre 1

Eine Übersicht über die Zivilsachen, mit denen sich das Bundesgericht im Jahre 1920 zu befassen hatte, gibt folgende Tabelle: .2

1. Vom Bundesgericht als einziger Zivilgerichtsinstanz zu beurteilende Streitsachen (Art. 48-52 OG) 37 39 76 2. Berufungen (Art. 56 f. OG) . . 100 697 797 3. Zivilrechtliche Beschwerden 42 2 40 (Art. 86 und 87 OGJ . . .

4. Revisions- und Erläuterungsbe-- 13 13 gehren, Moderationsgesuche 5. Rekurse in Bxpropriationssachen 81 56 137

·& 'ov TZ Hl

i| *"·£

t= W

SS

32 44 639 158 40

2

12 94

1 43

220 845 1065 817 248

^40! 1. Von den 76 direkten Prozessen betrafen: 1. Streitigkeiten zwischen Korporationen oder Privaten als Klägern und dem Bund als Beklagten 40 2. Streitigkeiten zwischen Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten anderseits 13 3. Streitigkeit aus Art. 47 des Bundesgesetzes vom 1. Mai 1850 über die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten l 4. Streitigkeiten aus Art. 30, Abs. 3, des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen 3 5. Streitigkeit über Rechtsverhältnisse der Verbindungsgeleise l 6. Streitigkeit aus Art. 12, Abs. 6, des Bundesgesetzes betreffend die Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Eechnung des Bundes, vom 15. Oktober 1897 . . .

l 7. Streitigkeiten, in welchen das Bundesgericht als vereinbarter Gerichtsstand angerufen wurde 17 ~~76

458 ·

Von diesen 76 direkten Prozessen wurden erledigt : Durch Vergleich bzw. Rückzug der Klage oder Anerkennung Klagebegehrens Durch Nichteintreten Durch Urteil Übertragen auf 1921

des 20 8 '9 44 J76

15, Prozesse wurden von der I. Zivilabteilung, 9 von der II.

Zivilabteilung und 8 von der staatsrechtlichen Abteilung erledigt.

Ad 2. Von den 639 erledigten Berufungen, von denen 130 im schriftlichen Verfahren behandelt wurden, betrafen: 1. Das Zivilgesetzbuch (neues Eecht) 146 und zwar: Personenrecht 6 Familienrecht (Ehescheidung 40, Vaterschaft 48, andere Materien 16) 104 Erbrecht 18 Sachenrecht (Eigentum 11, Wasserrecht l, Nutzniessung l, Pfandrecht 4, Grundbuchvormerkung 1) 18 146 2. Obligationenrecht 481 und zwar im wesentlichen: Allgemeine Bestimmungen (Schadenersatz aus Vertrag und unerlaubter Handlung) . . . .

64 Kaufvertrag 240 Miete und Pacht 10 Dienstvertrag 15 Werkvertrag 19 Bürgschaft 6 Gesellschaftsrecht 22 8. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (Anfech-.

tungsklagen 7) 19 4. Haftpflichtgesetze (Fabrikhaftpflicht 6, Eisenbahnhaftpflicht 7) 13 5. Urheberrecht und gewerblicher Rechtsschutz 8 6. Versicherungsrecht 11 7. Berufungen, auf die wegen Anwendung kantoüalen bzw.

fremden Rechts nicht eingetreten wurde 11 639

459

Von den 639 Berufungen wurden 334 von der L, 305 von der II. Zivilabteilung (davon 112 aus dem reglementarischen Geschäftskreis der I. Zivilabteilung) erledigt.

Die auf 1921 übertragenen 158 Geschäfte sind l im Jahre 1917, ·2 in der ersten und die übrigen in der zweiten Hälfte des Berichtsjahres eingegangen.

Über die Art der Erledigung und die Herkunft der 797 Berufungen gibt die nachstehende Tabelle Auskunft:

460

I

J

i

*| II I y 5g -

11

I

Ì|H

S| -

i ji jli ! |i| sf i Aargau Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh. . .

Baselland . . . .

Baselstadt . . . .

Bern . . . ' . . .

Freiburg. . . . . .

Genf Glarus Graubanden . . .

Luzern Neuenburg . . . .

Nidwaiden . . . .

Obwalden . . . .

Schaffhausen . . .

Schwyz Solothurn . . . .

St. Gallen . . . .

Tessin Thurgau Uri Waadt Wallis Zürich Total

4 3 9 -- 3 -- -- 2 -- 1 -- -- -- l l 8 10 12 2 4 - 3 9 7 7 _ _ _ _ l 2 2 3 9 6 3 4 8 l -- -- -- -- l l 3 -- -- l l 2 2 9 2 28 4 5 l2 -- 2 l -- -- -- 2 7 7 -- -2 13 37 14

6 -- -- -- 1 -- 4 -- 11 -- 49 3 9 -- 37 -- l _ 5 -- 19 l 22 -- l -- 2 -- 3 -- 1__ 14 l 43 14 -- 8 l l -- 18 -- 6 l 83 l

57 126 ^9~358

3 2 -- 3 9 16 l 10 l 3 8 9 -- -- l

25 5 3 8 22 98 19 70 2 13 46 46 2 3 8 3 9 37 14 94 2 24 4 16 l 8 42 5 14 48 196

11 156~ 797_

Von den 57 Nichteintretensfallen war in 11 Fällen kantonales bzw. fremdes Eecht anwendbar; in 24 Fällen fehlte der Streitwert

461 oder ein Haupturteil, und in 22 Fällen waren die gesetzlichen Formvorschriften nicht gewahrt, oder es war die Berufung verspätet oder gegenstandslos.

Ad 3. Von den 40 zivilrechtlichen Beschwerden, von denen 3 von der I. und 37 von der II. Zivilabteilung zu behandeln waren, betrafen l Verweigerung der Einwilligung des Vormundes zur Eheschliessung (Art. 861 OG), 8 Elternrechte (Art. 862), 18 Vormundschaft (Art. 863), 3 Kraftloserklärung von Inhaberpapieren (Art. 864), 10 die Anwendung kantonalen oder fremden statt eidgenössischen Kechts oder die Verletzung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1891 (Art. 87); 14 Beschwerden wurden abgewiesen, 11 gutgeheissen ; auf 12 wurde nicht eingetreten, 3 wurden zurückgezogen.

Ad 5. Von den 94 Expropriationsstreitigkeiten entfielen 66' auf die Bundesbahnen, 5 auf Nebenbahnen, 22 auf Kraftwerke und l auf Waffen- bzw. Schiessplätze. Es wurden erledigt: 11 durch Eückzug bzw. Vergleich, 74 durch Annahme des Vorentscheides, 9 durch Urteil. Von den 43 übertragenen Geschäften ist l im Jahre 1918, 8 sind im Jahre 1919, die übrigen im Berichtsjahre eingegangen.

II. Strafrechtspflege, a. Anklagekammer.

Während im Vorjahre bei der Anklagekammer noch 80 Geschäfteanhängig gemacht worden waren, beschränkte sich ihre Tätigkeit im Berichtsjahre auf die Erledigung von 8 Geschäften. Die Zahl der Sitzungen betrug 6. Es wurden 2 ÜberweisungsVerfügungen an das Bundesstrafgericht erlassen: eine wegen öffentlicher Beschimpfung von Mitgliedern des Bundesrates, die andere wegen Mithilfe bei der Befreiung eines Gefangenen. In 2 Fällen (wegen verbotenen Nachrichtendienstes zugunsten einer fremden Macht) wurde die Untersuchung eingestellt, unter Auflage der Untersuchungskosten auf die Angeklagten. Zwei Begehren um Zuerkennung einer Entschädigung wegen ausgestandener Untersuchungshaft wurden als unbegründet abgewiesen, desgleichen eine Beschwerde wegen verweigerter Einsichtgabe in die Akten einer eingestellten Strafuntersuchung. Die gegen einen frühern a. o. Untersuchungsrichter in der Presse erfolgten Vorwürfe der Beeinflussung durch einen fremden Konsularbeamten wurden als unbegründet zurückgewiesen, nachdem die angeordneten Erhebungen ergeben hatten, dass diese Vorwürfegrundlos waren.

462

b. Bundesstrafgericht.

Gleich wie bei der Anklagekammer ist auch beim Bundesstrafgericht eine erhebliche Abnahme der Geschäftslast zu verzeichnen.

Gegenüber 81 pendenten Geschäften im Jahre 1918 betrug ihre Zahl im Berichtsjahre bloss 4: 2 Fälle, mit zusammen 8 Angeklagten, sind als unerledigt vom Vorjahre übernommen worden, 2 Fälle, mit zusammen 4 Angeklagten, wurden im Berichtsjahre anhängig gemacht.

Die Anklagen bezogen sich auf folgende Delikte: a. Befreiung eines Gefangenen bzw. Gehilfenschaft dazu, verbunden mit böswilliger Eigentumsbeschädigung (Art. 50 des BStrR) 2 Fälle (Die beiden Fälle wurden, weil die nämliche Angelegenheit betreffend, miteinander vereinigt und gleichzeitig beurteilt.)

b. Bestechungsversuch, Fälschung von Bundesakten, Amtspflichtverletzung, Unterschlagung, Diebstahl und Betrug (Art. 14, 20, 53, 56, 58 und 61 BStrE, wobei das Delikt der Fälschung von Bundesakten -- Art. 61 1. c. -- als das schwerste betrachtet wurde und die übrigen als Schärfungsgründe berücksichtigt worden sind) l Fall c. öffentliche Beschimpfung von Mitgliedern des Bundesrates (Art. 59 BStrE) l » zusammen 4 Fälle, ·die wie folgt erledigt worden sind: in den beiden Fällen von a wurde ein Angeklagter freigesprochen, die andern 5 wurden zu Gefängnis von 8 Tagen bis zu 4 Monaten und Geldbusse von 20 bis 100 Franken verurteilt; im Falle von fe sind alle 3 Angeklagten verurteilt worden: 2 zu je ·4 Monaten. Gefängnis, 100 Franken Busse und zum Ersatz des Schadens, der dritte zu 3 Monaten Korrektionshaus, umgewandelt in.

45 Tage Einzelhaft, unter Zubilligung des bedingten Straferlasses im Sinne des bernischen Gesetzes vom 20. Mai 1907 und einer Probezeit von 3 Jahren; im Falle von c ist einer der Angeklagten freigesprochen worden ; .gegenüber den beiden andern wurden Gefängnisstrafen von 15 Tagen ·und einem Monat ausgesprochen; überdies wurden sie zu je 500 Franken Geldbusse verurteilt.

c. Kassationshof.

Beim Kassationshof waren 75 Geschäfte anhängig (78 im Vorjahre). Davon wurden erledigt 64, und zwar:

463

durch » » »

Gutheissung der Beschwerde Abweisung der Beschwerde Nichteintreten auf die Beschwerde Bückzug der Beschwerde

16 37 10 l _64

Unerledigt blieben 11 Beschwerden, die meisten deshalb, weil rzuvor noch ein kantonales Eechtsmittelverfahren durchzuführen war.

Von den 16 Beschwerden, die als begründet erklärt wurden, richteten sich 14 gegen Urteile, die eine Strafe ausgesprochen hatten, ·2 gegen freisprechende Urteile, und es betrafen: das Bundesgesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 l das Bundesgesetz über Mass und Gewicht vom 24. Juni 1909 l das Bundesgesetz über die Stempelabgaben vom 4. Oktober 1917 l die bundesrätliche Verordnung vom 18. April/13. Juni 1916 über den Ankauf von Lebensmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsartikeln (sog. Kriegswucherverordnung) 4 den bundesrätlichen Beschluss vom 30. September 1916 betreffend Höchstpreise für Baumwollwaren l den bundesrätlichen Beschluss vom 2. Februar 1917 betreffend das Verbot der Anhäufung von Lebensmitteln l den bundesrätlichen Beschluss vom 13. Februar 1917 über den Verkehr mit fossilen Brennstoffen, in Verbindung mit den vom Politischen Departement am 7. und 22. März 1917 erlassenen Höchstpreisverfügungen l den bundesrätlichen Beschluss vom 30. Juni 1917 betreffend die Übertretung der Ausfuhrverbote 6 J^ Von den übrigen 48 Beschwerden bezogen sich auf: das Bundesgesetz über die Viehseuchenpolizei vom 8. Februar 1872 l das Bundesgesetz über die Handhabung der Bahnpolizei vorn 18. Februar 1878 l das Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst vom 23. April 1883 .' .

l das Bundesgesetz über die Fischerei vom 21. Dezember 1888 l das Bundesgesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 6 Übertrag 10

464

Übertrag 10 das Bundesgesetz über das Kunstweinverbot vom 7. März 1912 l das Bundesgesetz über die Stempelabgaben vom 4. Oktober 1917 2 die bundesrätliche Verordnung vom 18. April/13. Juni 1916 über den Ankauf von Lebensmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsartikeln (sog. Kriegswucherverordnung) . . . . 22 den bundesrätlichen Beschluss vom 80. September 1916 betreffend Höchstpreise für Baumwollwaren, in Verbindung mit der Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 2. Oktober 1917 l den bundesrätlichen Beschluss vom 30. Juni 1917 betreffend die Übertretung der Ausfuhrverbote 7 den bundesrätlichen Beschluss vom 22. Dezember 1917 betreffend Herstellung und Vertrieb von Futtermitteln l die bundesrätliche Verordnung vom 17. Juni 1919 über die Kontrolle der Ausländer l die Kassation vom Bundesstrafgerichte erlassener Urteile .

l Delikte, die nach kantonalem Strafrecht zu beurteilen waren (Meineid, Diebstahl) ' 2 JE

Die 64 erledigten Geschäfte verteilen sich auf die Kantone wie folgt: Aargau 2 Baselstadt 6 Bern 5 Freiburg l Luzern l Neuenburg . .'

4 St. Gallen l Thurgau 9 Tessin 5 Zürich 29 Eidgenössische Behörden l 64

465

III.

Staatsrechtspflege.

. Neu IIj eingegangen

Natur der Streitsachen

übertragen aus II dem Vorjahre j

Die im Jahre 1920 beim Bundesgerichte anhängig gewesenen staatsrechtlichen Streitigkeiten verteilen sich ihrer N a t u r nach wie folgt: T5»

»-- C

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! 1 *i 1ÌJ

<5

1. Kompetenzkonflikte zwisch. Bundesbehörden einerseits und Kantonalbehörden anderseits (Art.

1 1 1 1 2 175 1 OG) 2. Streitigkeiten zwischen Kanto5 6 4 2 n e n (Art. 1752 O G ) . . . . 1 3. Beschwerden von Privaten und Korporationen (Art. 175s OG) 92 578 670 555 115 4. Steuerstreitigkeiten zwischen Bund und Kantonen (Art. 179 1 1 2 3 2 OG) 5. Streitigkeiten zwischen Vormundschaf'tsbehörden verschie1 1 1 -- dener Kantone (Art. 180 4 OG) -- 6. Beschwerden betr. die politische Stimmberechtigung und betr.

kantonale Wahlen und Ab2 6 8 8 stimmungen (Art. ISO 5 OG) .

-- 7. Beschwerden betr. Verweigerung des Armenrechts in Haftpflichtfällen (Art. 180 6 OG) . -- -- -- -- -- 8. Einsprachen gegen Auslieferungsbegehren fremder Staaten 5 5 5 (Art. 181 OG) 9. Revisionshegehren und Wieder1 1 2 2 erwägungsgesuche . . . .

-- 97 600 697 577 120

466

Die auf 1921 ü b e r t r a g e n e n 120 Beschwerden stammen -- mit Ausnahme eines komplizierten Falles wegen Doppelbesteuerung,, der im Jahre 1918 anhängig gemacht worden ist und nunmehr seineErledigung gefunden hat -- alle aus dem Berichtsjahre; der grossie Teil derselben (74) ist in den Monaten November und Dezember eingegangen.

Zu den erledigten Fällen ist im speziellen folgendes zu berichten :: Ad 1. Der hier erwähnte Fall betraf einen Kompetenzkonflikt zwischen dem Bundesrat und dem Kanton Baselstadt bzw. dem Polizeigericht von Baselstadt, bei welchem die Frage zu entscheiden war, ob das Polizeigericht zur Verfolgung und Beurteilung des «verantwortlichen Vertreters» des eidgenössischen Ernährungsamtes, wegen angeblicher Widerhandlung gegen Art. 6 des Bundesratsbeschlusses über die Höchstpreise für Getreide vom 8. August 1916,.

kompetent gewesen sei. Die Frage wurde, gemäss dem Antrage des.

Bundesrates, verneint und das Strafurteil des Polizeigerichts aufgehoben.

Ad 2. Die 4 erledigten Fälle betrafen: der erste eine Streitsache zwischen Behörden der Kantone Baselstadt und Bern wegen verweigerter Bechtshilfepflicht, im Sinne von Art. 150 OG; der zweite und dritte Streitsachen zwischen den Kantonen Zürich und Tessin über die Abgrenzung der beiderseitigen Steuerhoheiten; .

der vierte eine Streitsache zwischen den Kantonen Zürich und Baselstadt betreffend die Fürsorgepflicht für hilfsbedürftige Ausländer.

Ad 3. Beschwerden von Privaten und Korporationen gegen kantonale Verfügungen und Erlasse. Nach der N a t u r der als verletzt behaupteten verfassungsmässigen Eechte verteilen sich die 555 erledigten Beschwerden wie folgt: a. Verletzung der Bundesverfassung 506 b.

» von Kantonsverfassungen 27 c.

» von Bundesgesetzen oder andern Erlassen des Bundes 17 d.

» von Staatsverträgen und Konkordaten . . 5 555

Ada. Die 506 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g der Bundesverfassung hatten Bezug auf folgende Artikel:

467

Art. 4

(Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, Bechtsverweigemng, Willkür usw.)

» 31/32bis (Handels- und Gewerbefreiheit) » 44/45 (Hecht der freien Niederlassung, Ausstellung von Ausweisschriften) » 46 (Doppelbesteuerung) » 54 (Kecht zur Ehe) » 55 (Pressfreiheit) » 56 (Vereinsfreiheit) » 58 (Verfassungsmässiger Eichter) » 59 (Gerichtsstand) » 61 (Vollziehung rechtskräftiger Zivilurteile) . .

Übergangsbestimmungen : Art. 2 (Derogatorische Kraft des Bundesrechts) . .

» 5 (Freizügigkeit wissenschaftlicher Berufsarten)

262 25 40 146 l 4 l 9 11 l 5 l 506

Ad b. Die 27 Beschwerden wegen Verletzung kantonalen V e r f a s s u n g s r e c h t s bezogen sich in der Hauptsache auf angebliche Missachtung oder unzulässige Beschränkung der Eigentumsgarantie, der persönlichen Freiheit, auf Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung und des Eechts der Gemeinden auf Selbstverwaltung.

Ad c. Von den 17 Beschwerden wegen Verletzung von Bundesgesetzen oder andern Erlassen des Bundes betrafen: das Bundesgesetz über die Heimatlosigkeit vom 3. Dezember 1850 l das Bundesgesetz über die Auslieferung von Verbrechern oder Angeschuldigten (unter Kantonen) vom 24. Juli 1852 2 das Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Privatunternehmungen auf dem Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885 l das Bundesgesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 l das Bundesgesetz über das Zivilgesetzbuch (Namensänderung, Art. 30; Gerichtsstand für die Vaterschaftsklage, Art. 312; Gerichtsstand für Begehren nach Art. 157 und 170; Gerichtsstand für die Ehescheidungsklage, Art. 144) 6das Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916 l das Bundesgesetz über die Stempelabgaben vom 4. Oktober 1917 2 Übertrag 14

468

Übertrag 14 die Verordnung des Bundesrates vom 24. April 1885 über die ^Rückerstattung bezahlten Militärpflichtersatzes in Fällen von Dienstnachholung die bundesrätliche Verordnung vom 17. November 1919 über die Kontrolle der Ausländer

l 2 17

Ad d. Von den 5 Beschwerden wegen Verletzung von Staatsverträgen und K o n k o r d a t e n betrafen: den Niederlassungs- und Konsularvertrag mit Italien vom 22. Juli 1868 l den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich vom 15. Juni 1869 3 das Konkordat vom 23. August 1912 über die Gewährung gegenseitiger Eechtshilfe zur Vollstreckung öffentlich-rechtlicher An«sprüche l

469

Aarsau .

.

Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh.

Baselland . .

Baselstadt . .

Bern Freiburg . .

Genf. . . .

Glarus . . " .

Graubünden Luzern Neuenburg . .

Schaffhausen .

Schwyz Solothurn . .

St. Gallen . .

Tessin Thurgau . .

Nidwaiden . .

Obwalden . .

Uri Waadt . . .

Wallis Zug Zürich Eidg. Behörden

.

.

.

.

.

.

.

.

.

. .

. .

.

. .

. .

. .

. .

. .

. .

.

.

.

Total

5 1 1 2 9 1 2

7 1

6 3 1 12 1 9 3 22 3 8 4 15 1 1 11 2 5 4 1

3 7 6 3

3 7 2

3 4 3

2 3 6 1

4 2 3 2

1 2 6 3 19 3 79

Biundesblatt. 73. Jahrg. Bd. I.

1 2 3 1 2 5

62

9 7 2 15 145

Abgewiesen

Ganz oder teilweise gutgeheissen oder anerkannt

Kantone

RUckzug oder 1 gegenstandslos

Nichteintreten

Aus der nachfolgenden Tabelle ist die H e r k u n f t der Beschwerden von Privaten und Korporationen, nach K a n t o n e n geordnet, und die Art i h r e r E r l e d i g u n g ersichtlich: ^. C


22 *a » 3S

15 1

6 2

7 10 21 5 36 2 8 31 12

4 8 12 8 4

8 11 11 12 16 1 7 2 6 11 5 31 269

Î 39 7 2 27 21 58 23 67 5 27 59 35 2 15 40 19 28 27 4 9 16

5 13 3 1 6 12 1 2 4 2 1 2 4 6 2 7

00

24 14 77 3 670

115 36

470

In den 79 Fällen, in denen auf die Beschwerde nicht eingetreten wurde, waren die Gründe des Nichteintretens folgende: Inkompetenz 9 Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde (Mangel eines rekursfähigen kantonalen Erlasses, Möglichkeit eines andern Eechtsmittels) 11 Nichterschöpfung der kantonalen Instanzen 6Nicht- oder ungenügende Substantiierung 10 Verspätung 30 Andere Mängel (Legitimation, Mangel eines rechtlichen Interesses, Beschwerde verfrüht, Verwirkung des Rekursrechtes, abgeurteilte Sache, Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers) 18: 79

Nach der Natur der Streitsache bezogen sich die 145 begründet (oder zum Teil begründet) erklärten Beschwerden auf: Art. 4 der Bundesverfassung (Eechtsverweigerung, Willkür usw.)

. 20 » 31 » » (Handels- und Gewerbefreiheit) 5 » 44/45 » » (Bürgerrecht, Niederlassungsfreiheit) 15 » 46 » » (Doppelbesteuerung) . . . 92 » 58/59 » » (Gerichtsstand, verfassungs" massiger Eichter) . . . 4 » 61 » » (Vollziehung rechtskräftiger Zivilurteile) l Art. 2 der Übergangsbestimmungen (derogatorische Kraft des Bundesrechts gegenüber dem kantonalen Eecht) . . . 2 Verletzung kantonalen Verfassungsrechts ( Gewaltentrennung, Gemeindeautonomie) 4 Verletzung des B G über die Beaufsichtigung von Privatunternehmungen auf dem Gebiete des Versicherungswesens . .

l den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich l 145

Ad 4. Die hier erwähnten 2 Fälle betrafen Anstände zwischen den schweizerischen Bundesbahnen und den Kantonen Baselland und Solothurn, wobei die Frage zu entscheiden war, ob eine von den Bundesbahnen ausgebeutete Schottergrube zu den Grundstücken gehöre, die in notwendiger Beziehung zum Bahnbetrieb stehen und

471

deshalb nach Art. 10 des Rückkaufsgesetzes von jeder Besteuerung durch Kanton und Gemeinden befreit sind. Die Frage wurde bei Beurteilung des ersten Falles bejaht; damit war der zweite Fall präjudiziert, und es bedurfte einer Entscheidung nicht, da die betreffende Kantonsregierung die Besteuerung fallen liess.

Ad 5. Die einzige Streitigkeit dieser Art, die zu entscheiden war, ist von der Eegierung des Kantons Luzern anhängig gemacht worden. Diese verlangte, dass die Behörden des Kantons Zug zur Übernahme der Vormundschaft angehalten werden, welche die luzernischen Behörden für das von einer badischen Staatsangehörigen in Luzern ausserehelich geborene Kind angeordnet hatten, weil das letztere inzwischen zur Pflege in eine Gemeinde des Kantons Zug verbracht worden war. Die Klage wurde abgewiesen, da nach den Verumständungen des Falles nicht angenommen werden konnte, dass ein materieller Wohnsitzwechsel des Mündels stattgefunden habe, der allein die Übertragung der Vormundschaft auf die Zuger Behörden gesetzlich zu begründen vermocht hätte.

Ad 6. Von den 8 Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen wurde eine als begründet erklärt, die andern wurden abgewiesen.

Ad 8. A u s l i e f e r u n g e n an das A u s l a n d : In 5 Fällen, in denen gegen die Auslieferung seitens der Verfolgten Einsprache erhoben worden war, hat der Bundesrat die Akten dem Bundesgerichte zum Entscheide vorgelegt. Die Auslieferung wurde nachgesucht : im ersten Falle von Frankreich (wegen Diebstahls, begangen im Militärdienst -- «vol militaire» --). Die Angelegenheit wurde als gegenstandslos abgeschrieben, da der Auszuliefernde sich durch Flucht der Auslieferung entzogen hatte; im zweiten Falle wiederum von Frankreich (wegen Beamtenbestechung). Die Auslieferung wurde bewilligt, unter dem Vorbehalt, dass der Auszuliefernde wegen keines andern Deliktes verurteilt werden dürfe; im dritten Falle von Baden (wegen Betrugs und Urkundenfälschung). Die Auslieferung wurde bewilligt; im vierten Falle von Preussen (wegen vorsätzlicher Abtreibung der Leibesfrucht). Die Auslieferung wurde verweigert, weil das Delikt nach dem Rechte des Zufluchtsortes (St. Gallen) verjährt war; im letzten Falle von Frankreich (wegen Beamtenbestechung, Veruntreuung öffentlicher Gelder, Erpressung und Missbrauch der

472

Amtsgewalt). Die Auslieferung wurde mit Bezug auf die erstem 8 Delikte bewilligt, nicht aber mit Bezug auf das im Auslieferungsvertrag nicht vorgesehene Delikt des Missbrauchs der Amtsgewalt.

Ad 9. Auf ein Wiedererwägungsgesuch wurde wegen Unzulässigkeit nicht eingetreten.

IT. Schuldbetreibung und Konkurs.

ImBerichtsjahr hat das Gesamtgericht der in den letzten 2 Jahren von der Kammer vorbereiteten Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken die Genehmigung erteilt. In Ausführung von Art. 2 dieser Verordnung arbeitete die Kammer eine Anleitung über die bei der Zwangsverwertung von Grundstücken zu errichtenden Aktenstücke aus, wobei ihr von Seiten erfahrener Praktiker wertvolle Unterstützung geleistet wurde. Beide Erlasse wurden auf Anfang 1921 in Kraft gesetzt.

Ferner erliess das Gesamtgericht auf den Antrag der Kammer eine die Verordnung vom 19. Dezember 1910 über die Eintragung der Eigentumsvorbehalte ergänzende und abändernde Verordnung, deren Zweck ist, die Überlastung der Eegister durch gegenstandslos gewordene Einträge zu verhüten.

Die Kammer setzte am 9. Februar eine Instruktion für den Sachwalter im Nachlassverfahren von Eisenbahnen fest.

Kreisschreiben von allgemeiner Bedeutung hingegen erwiesen sich nicht als notwendig.

Wie in frühern Jahren erstattete die Kammer dem eidgenössischen Justizdepartement einige Gutachten, so vor allem über die Frage der Wiedereinführung der Betreibungsstundung, und zwar in negativem Sinne. Femer wurden den kantonalen Aufsichtsbehörden auf deren Anfrage oder im Anschluss an die Jahresberichte, die Inspektionen oder auf sonstige Veranlassung hin Weisungen und Wegleitungen erteilt.

Inspektionen wurden im Berichtsjahr bei 6 Konkursämtern vorgenommen.

Kurz vor Ablauf des Berichtsjahres wurde auf Veranlassung der Kammer von Orell Füssli in Zürich ein Nachtrag zu der im Jahre 1912 erschienenen Sammlung der eidgenössischen Erlasse über Schuldbetreibung und Konkurs herausgegeben, in welchem insbesondere auch die vorerwähnte Anleitung zur Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken Aufnahme fand, die wegen ihres Umfanges, und weil sie wesentlich nur für die Ämter bestimmt und

473

nicht von allgemeiner Bedeutung ist, in der eidgenössischen Gesetzsammlung nicht publiziert wurde. Eine Bundessubvention ermöglicht jedoch den Ämtern die Anschaffung dieses Nachtrages zu besonders billigem Preise.

Veranlasst durch die Kritik der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates an der dem Bundesgericht angegliederten Betreibungsformularverwaltung, setzte sich die Kammer neuerdings mit dem Justizdepartement wegen deren Übernahme durch die allgemeine Bundesverwaltung in Bern in Verbindung. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Die Gesamtzahl der im Berichtsjahre anhängigen Eekurse betrug 226 (d. h. 20 weniger als im Vorjahr) ; davon waren aus dem Vorjahr übernommen 10, im Laufe des Jahres eingegangen 216. Erledigt wurden 208, so dass auf das Jahr 1921 übertragen wurden 18 Fälle.

Von den erledigten Beschwerden betrafen: 17 Anwendung der organisatorischen Bestimmungen des SchKG (Art. 1--87), 3 Arten der Schuldbetreibung, 10 Ort der Betreibung, 1 Betreibungsferien und Eechtsstillstand, 2 Anhebung der Betreibung, 8 Zustellung der Betreibungsurkunden, · 5 Zahlungsbefehl und Eechtsvorschlag, 74 Pfändung, 10 Verwertung von beweglichen Sachen und von Forderungen, 11 Verwertung von Liegenschaften, 4 Verteilung im Pfändungsverfahren, 1 Betreibung auf Pfandverwertung, 8 ordentliche Konkursbetreibung, 2 Feststellung der Konkursmasse, 2 Wirkungen des Konkurses auf das Vermögen des Schuldners, 6 Kollokation der Gläubiger im Konkurse, 6 Verwertung und Verteilung im Konkurse, 18 Arrest, 5 Eetentionsrecht, l Nachlassvertragsverfahren von Eisenbahnen, 9 Gebührentarif, 5 Eevision bzw. Wiedererwägung, 4 Anwendung der Verordnung betr. Schutz der Hotelindustrie, l Bezeichnung von Oberexperten, gemäss der Verordnung über Ergänzung des Schuldbetreibungsgesetzes in bezug auf dea Nachlassvertrag.

208

474

Die Dauer der Erledigung, d. h. vom Eingange der Beschwerden bis zum Spruch, betrug: l bis 3 Tage in 85 Fällen 4 » 6 » ». 30 » 7 » 14 » » 38 » 15 » 21 » » 18 » 22 und mehr » » 37 » Die kürzeste Dauer betrug l Tag; die längste 2 Monate 19 Tage; die Durchschnittsdauer 10 Tage.

Über die Verteilung der Geschäfte nach Kantonen und über das Schicksal der Beschwerden nach Art. 19 SchKG gibt folgende Tabelle Auskunft:

Aargau Appenzell A.-Rh. .

Appenzell I.-Rh. .

Baselland . . .

Baselstadt . . .

Bern Freiburg . . .

Genf Glarus Graubiinden Luzern . . '. .

Neuenburg . . .

Nidwaiden . . .

Obwalden . . .

Schaffhausen .

Schwyz . . .

Solothurn . .

S t . Gallen . . .

Tessin Thurgau . . .

Uri Waadt Wallis Zug Zürich

?,

.

.

.

Begründet erklärt

Kantone

RUckzug oder Gegenstandslosigkeit 1

Nichteintreten

475

1

11

.

--

9l

1 1

.

.

.

.

2 5 2 18 2 1 4

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1 4

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Total

2

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8 3 11 . 1 10 4 -- 20 1 1 4

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16

4 15 26 6 56 2 4 6 4

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2 2 10 1

1 2 1 5 13 .-- 1

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20 109

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18

226

Die Gründe, aus denen die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer in 36 Fällen auf die Beschwerde nicht eintrat, waren: in 13 Fällen Inkompetenz der Oberaufsichtsbehörde, in 7 Fällen Ver-

476

spätung der Beschwerde, in 8 Fällen direkte Einreichung der Beschwerde beim Bundesgericht und in 8 Fällen Formmängel.

Gesuche um provisorische Verfügungen wurden gestellt _22 davon bewilligt abgewiesen

7 4 -- 11

wegen sofortiger Erledigung der Sache keine Verfügung erlassen

11 = 22

Auf dem Zirkulationswege wurden 198 Urteile gefälltfvon diesen waren 63 Präsidialanträge, in welcher Zahl 86 Nichteintretensentscheide inbegriffen sind.

Auf dem Korrespondenzwege erledigte Geschäfte: (Vorjahr)

Präsidium Kammer Kanzlei

12 45 69 Total JL26

18 20 28 '

_66

Das Protokoll der Betreibungskammer über die Administrativgeschäfte verzeichnet 68 Nummern.

Ferner waren im Berichtsjahr 4 Zwangsliquidationsbegehren, 8 Gesuche um Einleitung des Nachlassverfahrens und 6 Gesuche um Einberufung der Gläubigerversaminlung nach der GGV hängig> und zwar: Zwangsliquidationsbegehren gegen die 1. Solothurn-Münster-Bahn, 2. Elektrische Bahn Martigny-Orsières, 3. Montreux-Oberland-Bahn.

4. Die Bahn Nyon-Crassier reichte selbst ihre Insolvenzerklärung; ein.

Davon sind Nr. l, 2 und 8 als durch Eückzug des Begehrens, erledigt abgeschrieben worden. Das Verfahren der Nyon-CrassierBahn ist noch pendent.

Gesuche um Abschluss eines Nachlassvertrages gingen ein seitens der 1. Gornergratbahn-Gesellschaft, · 2. Appenzellerbahn-Gesellschaf t, 8. Engelberg- Gerschnialpbahn- Gesellschaf t.

.

Alle 3 Verfahren sind noch pendent.

477

Gesuche um E i n b e r u f u n g der G l ä u b i g e r v e r s a m m l u n g nach der GGV wurden eingereicht von der 1. Schweizerischen Südostbahn, 2. Montreux-Glion-Bahn (2 Gesuche), 3. Interlaken-Harder-Bahn, 4. Montreux-Oberland-Bahn.

Den Gesuchen der Schweizerischen Südostbahn und der Montreux-Glion-Bahn wurde entsprochen, und die Beschlüsse der Gläubigerversammlung der Schweizerischen Südostbahn konnten im Laufe des Berichtsjahres durch die II. Zivilabteilung bestätigt werden.

Die Gläubigerversammlung der Montreux-Glion-Bahn kam nicht zustande, da die gesetzlich verlangte Mehrheit der zustimmenden Gläubiger nicht vorhanden war. Ein neues Begehren ist Ende des Jahres eingereicht worden und ist noch pendent. Das von der Interlaken-Harder-Bahn gestellte Gesuch musste abgelehnt und die Gesellschaft auf den Weg des Nachlassverfahrens verwiesen werden. Die Erledigung des ebenfalls erst Ende des Jahres eingereichten Gesuches der Montreux-Oberland-Bahn fällt in das Jahr 1921. Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung der Sonnenbergbahn, welches Verfahren 1919 eröffnet wurde, wurden im Berichtsjahre genehmigt.

Y. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

In einem gemäss Art. 286 des Militärverwaltungsreglementes durch eine Schätzungskommission zu erledigenden Anstände zwischen dem schweizerischen Militärdepartement und verschiedenen Grundeigentümern, deren Besitz bei Erstellung der von der Armee erbauten Scheltenpasstrasse in Anspruch genommen worden war, hatte das Bundesgericht, auf Ansuchen des schweizerischen Militärdepartements, den Präsidenten dieser Schätzungskommission zu bezeichnen.

Im fernem ist vom Präsidenten des Bundesgerichts, auf Ansuchen beider Parteien, in 2 Fällen der Obmann eines zu bildenden Schiedsgerichts, in einem Falle ein Einzelschiedsrichter ernannt worden.

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Dauer der Geschäfte

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Natur der Streitsachen

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I. Zivilsachen: 1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse . . .

2. Berufungen . . . .

3. Zivilrechtl. Beschwerden 4. Andere Zivilsachen. .

5. Expropriationen . . .

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Jahre Monate Tage

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Tage

82 639 40 12 94

2 70 15 4 4

4 365 22 6 4

-- 195 3 2 11

7 9 -- -- 62

15 -- -- -- 6

4 -- -- -- 7

4 l -- -- 3

-- -- l 3 4

20 -- 21 23 15

14 2 l l 10

-- 18 14 16 13

23 26 19 14 9

68

9

23

25

11

--

--

--

10

5

3

17

52

577

145

257

132

39

4

--

l

6

--

2

22

41

IV. Beschwerden betr. Schuldbekreibwngs- und Konkurswesen

208

190

18

--

--

--

--

--

2

19

--

10

16

Total

1670

439

699

368

128

25

11

II. Strafsaclien III. Staatsrechtliche keiten

Streitig-

478

C

· s ® « - -- x - S - e e e p t i

Nach den N a t i o n a l s p r a c h e n vorteilen sich die e r l e d i g t e n Geschäfte wie folgt: Deutsche Schweiz

I. Zivilsachen: 1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse . . .

2 . Berufungen . . . .

3. Zi vilrechtl. Beschwerden 4. Andere Zivilsachen . .

5. Expropriationen . . .

26 453 32 10 62

= = = = =

81 % 71% 80% 83% 66%

Französische Schweiz

Italienische Schweiz

Total

32 = 100% 639 = 100 %

= 16% = 26% = 17% == 17% = 27%

1 = 3% 21 = 3% 1=3%

56 -- 83%

7 -- 10%

5 = 7%

68 -- 100%

III. Staatsrechtliche Streitigkeiten

366 = 63%

137 = 24%

74 = 13 %

577 = 100%

IV. Beschwerden betr. Schuldbetreibungs- u. Konkurswesen

118 =-57%

61 = 29%

29 = 14 %

208 = 100 %

Total

1123 = 68%

409 = 24%

11. Strafsachen

5 165 7 2 25

7 =

138 =

7%

8%

40 =.100%

12 = 100% 94 = 100 %

1670 =.100% 479

480

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Lausanne, den 26. Februar 1921.

Im Namen des schweizer. Bundesgerichts,.

Der Präsident:

Ostertag.

Der

Gerichtsschreiber: Nicola.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1920. (Vom 26. Februar 1921.)

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Bundesblatt

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Jahr

1921

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

13

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

30.03.1921

Date Data Seite

453-480

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10 027 882

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