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Schweizerisches Bundesblatt.

53. Jahrgang. II.

Nr. 15.

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10. April 1901.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Jakob Eichenberger, Fabrikarbeiters, in Niederwil, Kanton Aargau.

(Vom 9. April 1901.)

Tit.

Mit Eingabe vom 1. März 1901 stellt Eichenberger das Gesuch, daß ihm eine Bußrestanz von Fr. 113.95 in Gnaden erlassen werden möchte, welche nach seiner Angabe und einer beigeschlossenen Rechnung der Bezirksgerichtskanzlei Bremgarten aus diversen in den Jahren 1898 und 1899 über ihn verhängten Polizeistrafen noch auf ihm lastet. Aus den Gerichtsakten ergiebt sich, daß von den vier Urteilen, zwei wegen Störung der öffentlichen Ordnung und zwei wegen Fischereivergehen ausgesprochen wurden, und daß Eichenberger die Bußen und Kosten der beiden ersten gänzlich bezahlt hat. Wegen Fischfrevel ist er am 12. November 1898 erstinstanzlich mit Fr. 200 Geldbuße bestraft worden, das Obergericht hat sodann nach erfolgtem Rekurs am 21. Januar 1899 die Buße auf Fr. 140 ermäßigt, und, wie die kantonale Justizdirektion berichtet, ist auf Gesuch Eichenbergers diese Buße von der Petitionskommission des Großen Rates noch weiter auf Fr. 100 reduziert worden. Am 13. Mai 1899 erfolgte eine neue Bestrafung des Petenten wegen verbotenen Bundesblatt. 53. Jahrg. Bd. II.

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886 Fischens durch das Bezirksgericht mit Fr. 60 Buße, welche zweitinstanzlich bestätigt wurde. Nach der Abrechnung der Gerichtskanzlei hat Eichenberget' an die Buße von Fr. 100 den Betrag von Fr. 46." 05 (richtig wohl Fr. 46.30) bezahlt und bleibt mit Inbegriff der zweiten Strale eine noch '/AI tilgende Restanz von Fr. 113.95, resp. Fr. 113.70.

Zur Begründung seines Gesuchea bringt Eichenberger vor, er habe im reuigen Bewußtsein seiner Vergehen sich bemüht, dio Bußenbeträge zu tilgen, sein Verdienst habe aber nicht allseitig ausgereicht, so daß er gezwungen gewesen, die Zahlungen einzustellen und vorerst für seine Familie zu sorgen. Bereits sei infolge fruchtloser Auspfändung die restanzliche Buße in Gefangenschaft umgewandelt, und, wenn die letztere vollzogen werden sollte, so würde ohne Zweifel seine Familie der Hcimatgemeinde zur Last fallen.

In rechtlicher Beziehung fallen diejenigen Strafen, welche dem Potenten wegen Vergehen gegen die öffentliche. Ordnungaufgelegt wurden, für das vorliegende Verfahren überall nicht in Betracht. Was dagegen die Bußen anbetrifft, die ihn wegen verbotenen Fischfanges trafen, so handelte es sich um Übertretung eines Bundespolizeigesetzes und war gemäß Art. 125 des Bundesgesetzes über Organisation der Bundesrechtspflege das Begnadigungsrecht der Bundesversammlung vorbehalten, trotzdem die Beurteilung der Fälle den kantonalen Gerichten zustand. Die Reduktion der am 12. November 1898, resp. 21. Januar 1899 von den aargauischen Gerichten ausgesprochenen Buße von Fr. 140 durch die kantonale Begnadigungsbehörde war daher streng genommen formell ungültig und ohne Einfluß auf den Urteilsspruch.

Immerhin mag es sich rechtfertigen, diese Strafmilderung zu bestätigen in Anbetracht der prekären ökonomischen Lage des Bestraften und weil er damals noch nicht wegen Fischfrevel vorbestraft war. Dagegen liegt keine genügende Veranlassung vor, jene Buße noch weiter zu reduzieren und noch weniger, diejenige vom 18. April 1899 aufzuheben oder zu ermäßigen, weil es sich hier um Rückfall handelt, und zwar um einen solchen, der anfangs Februar 1899, also nur wenige Wochen nach der frühem Bestrafung, erfolgte, was nach Art. 31, Ziffer 2, des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei die Verdoppelung der Buße nach sich ziehen mußte.

Aus diesen Gründen sehen wir uns veranlaßt, bei Ihrer hohen Versammlung zu stellen den

887 A n t r ag :

Es sei das Begnadigungsgesuch des Jakob Eichenberger abzuweisen.

B e r n , den 9. April '1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Jakob Eichenberger, Fabrikarbeiters, in Niederwil, Kanton Aargau. (Vom 9. April 1901.)

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Jahr

1901

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Volume Volume Heft

15

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

10.04.1901

Date Data Seite

885-887

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10 019 581

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