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II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1921.)

(Vom 19. November 1921.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über die nachstehenden 31 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen: 51. Rudolf Baumgart, geb. 1902, Käsereiangestellter, Gomerkinden (Bern).

(Fälschung einer Bundesakte und Unterschlagung.)

51. Rudolf B a u m g a r t wurde am 29. Juni 1921 von der Assisenkammer des Kantons Bern in Anwendung von Art. 61 des Bundesstrafrechts und Art. 219, Ziff. l, des bernischen Strafgesetzbuches verurteilt zu 4 Monaten Gefängnis und Fr. 20 Busse.

Baumgart unterschlug am 23. November 1920 einen ihm von einem Bekannten zur Einzahlung an die Post übergebenen Betrag von Fr. 229. 75. Als es dann im Februar 1921, diesen Betrag betreffend, zu Anständen kam, änderte Baumgart einen von der Post in anderer Sache erhaltenen Empfangschein auf die Summe von Fr. 229. 75 ab und händigte ihn in der Folge seinem Bekannten aus.

Für Baumgart wird um bedingten Erlass der Gefängnisstrafe, ·eventuell um Herabsetzung bis zu 60 Tagen ersucht. Der Verfasser des Gesuches bemerkt zunächst, der Gesamtstrafe habe die bundesrechtliche Strafandrohung zugrunde gelegt werden müssen, ·obschon von den beiden Delikten der Art der Vorfälle nach die Unterschlagung das tatsächlich schwerere gewesen sei. Die Bundesaktenfälschung sei hier lediglich das in der Angst erfolgte, äusserst plumpe Manöver zur Verheimlichung der hauptsächlichen Straftat. Das geringfügige Fälschungsdelikt habe jedoch für den Verurteilten die schwere Folge gehabt, dass die Anwendung des bedingten Straferlasses nach bernischem Rechte verunmöglicht Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. V.

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worden sei. Weiterhin nennt das Gesuch eine Reihe Begnadigungsgriinde, die in der Person des Verurteilten selbst liegen sollen : Baumgart befinde sich im ersten Fehler. Er sei noch heute minderjährig. In der Untersuchung habe er unumwunden gestanden. · Der angerichtete Schaden sei ersetzt. Eine milde Behandlung werde auf Baumgart zweifellos einen grösseren erzieherischen Einfluss haben als der Strafvollzug. Sollte der bedingte Erlass der Gefängnisstrafe nicht möglich sein, so dürften die angeführten Gründe doch eine Herabsetzung bis zu 60 Tagen rechtfertigen, damit ßaumgart die Strafe in einem Bezirksgefängnis verbüsseri könne.

Baumgart arbeitete diesen Sommer über als Käserlehrling in Gomerkinden. Wir entnehmen dem über ihn daselbst eingezogenen Polizeibericht :'Seine Aufführung war stets gut. Anfänglich in der Arbeit etwas lässig, hat er sich im Laufe des Sommers in dieser Beziehung ganz gebessert und verrichtet jede Arbeit ohne Widerwillen. Er ist solid. Von seinem Meister wird ihm ein gutes Zeugnis ausgestellt.

Von den bernischen Behörden nehmen Stellung der Polizeiinspektor von Köniz, der das Gesuch bestens empfiehlt, der Regierungsstatthalter I i. V. von Bern, der Herabsetzung der Gefängnisstrafe bis zu 60 Tagen beantragt, der kantonale Polizeidirektor i. V. mit dem Antrag, die Strafe unter Auferlegung einer Bewährungsfrist von fünf Jahren bedingt zu erlassen. Die Polizeidirektion schreibt, es scheine nach den Strafakten weder eine vollständige Begnadigung noch eine Abkürzung der Strafdauer am Platze zu sein.

In der Folge wurde überdies der im Straffall amtlich tätig gewesene bernische Staatsanwalt zum Mitbericht augegangen. Er schreibt: ,,Es ist wohl kaum daran zu zweifeln, dass das Gericht dem Baumgart mit Rücksicht auf sein jugendliches Alter, den- Mangel an Vorstrafen, den unbescholtenen Leumund und die Tatsache der erfolgten Deckung des Schadens den bedingten Straferlass zugebilligt hätte, wenn es rechtlich dazu in der Lage gewesen wäre. Persönlich halte ich dafür, dass die an sich schweren Verfehlungen Baumgarts mehr auf jugendlichem Leichtsinn als auf verbrecherischer Veranlagung beruhen, und dass eine bedingte Begnadigung -- bei Auferlegung einer ausreichend lang bemessenen Bewährungsfrist -- hier von vorteilhafterer Wirkung wäre als die Vollziehung der ausgesprochenen Strafe. Dass ich dem urteilenden Gericht eine erheblich strengere Strafe beantragte,

59 als sie im Urteil festgesetzt wurde, geschah deshalb, weil es mir .

etwas schwer fiel, den Fall als ,,ganz geringfügigen" im Sinne des Art. 61 des Bundesstrafrechts zu betrachten, und in der Annahme, dass es der Begnadigungsinstanz überlassen werden müsse, den besondern Verhältnissen durch eine bedingte Begnadigung Rechnung zu tragen. Gerade im Hinblick auf eine bedingte Begnadigung wäre meines Erachtens die Verhängung einer schärferen Strafe vorzuziehen gewesen."

Auf Grund der Akten und nach 'Würdigung der verschiedenen Stellungnahmen beantragen wir abschljessend, Baumgart die vier Monate Gefängnis bedingt zu erlassen unter Auferlegung einer Probezeit von fünf Jahren und Unterstellung unter Schutzaufsicht. Die bedingte Begnadigung ist vorliegend in Erwägung zu ziehen als Ersatzmassnahme für die fehlende bedingte Verurteilung. Nach den eingezogenen Vernehmlassungen ist kaum zweifelhaft, dass die Strafbehörde von der bedingten Verurteilung Gebrauch gemacht hätte, wenn kantonales Recht zur Anwendung gelangt wäre. Es ist deshalb · gerechtfertigt, im Wege der bedingten Begnadigung ein ähnliches Ergebnis herbeizuführen.

Anderseits bezeichnen die Urteilserwägungen Baumgart zutreffend als gefährdet. Er scheint eine gewisse Neigung zu Veruntreuungen zu besitzen. In derartigen Fällen darf man es auch mit der bedingten Begnadigung nicht leicht nehmen. Es soll dann zugleich nach Möglichkeit vorgesorgt werden, das fernere Verhalten des bedingt Begnadigten überwachen zu können. Wir beantragen deshalb weiterhin Unterstellung unter Schutzaufsicht, die nach Fühlungnahme mit den diesbezüglichen bernischen 'Organen anzuordnen wäre.

A n t r a g : Bedingter Erlass der vier Monate Gefängnis, unter Festsetzung einer Probezeit von 5 Jahren und Unterstellung unter Schutzaufsicht.

52. Julius Arthur Fricker, geb. 1865, Kaufmann, zurzeit in der Strafanstalt Basel.

53. Josef Seiler, geb. 1902, Knecht in Fischbach (Aargau).

(Sprengstoffdelikte.)

Es wurden verurteilt: 52. Julius Arthur F r i c k e r , am 13. November 1918 vom Bundesstrafgericht in Anwendung von Art. l des Sprengstoffge-

60 'setzes vom 12. April 1894 zu 5 Jahren Zuchthaus, abzüglich 174 Tage Untersuchungshaft, und 5 Jahren Einstellung im Aktivbürgerrecht.

Es ist heute das fünfte Mal, dass wir Ihnen über die Angelegenheit Fricker einen Bericht unterbreiten. In der Sommersession 1921 wurde in Zustimmung zu der Begnadigungskommission beschlossen: ,,Vom Bericht des Bundesrates wird Kenntnis genommen und der Bundesrat eingeladen, auf dio nächste Session Antrag zu stellen.a In der Folge- trat die Bundesanwaltschaft neuerdings in Verbindung mit der Direktion der Strafanstalt Basel. Dieser Meinungsaustausch führt uns heute zu der Mitteilung, dass die Angelegenheit wider Erwarten nicht spruchreif ist. Das Benehmen Frickers in der Strafansialt ist sonderbar und unbefriedigend. Der Gefängnisarzt kam zum Schiusa, Fricker sollte zur Beobachtung in eine Irrenanstalt versetzt werden, was dann Ende Oktober von der eidgenössischen Strafvollzugsbehörde angeordnet wurde. Zunächst ist dieses Gutachten abzuwarten, weshalb wir heute lediglich beantragen, vom Stande der Angelegenheit Kenntnis zu nehmen.

53. Josef S e i l e r , verurteilt am 26. Juli 1921 vom Kriminalgericht des Kantons Aargau in Anwendung von Art. l des Sprengstoffgesetzes, Art. l der Spreogstoffverordnung vom 20. Mai 1919 und kantonaler Bestimmungen betreffend böswillige Eigentumsbeschädigung zu einer Zuchthausstrafe von zehn Jahren und einer Woche.

" Seiler hat Sprengstoffe zu verbrecherischen Zwecken gebraucht, indem er am 27. und ebenso am 28. Mai 1921 in Fischbach an einem mit Ziegeln bedeckten Bretterhäuschen Sprengschüsse anbrachte, um derart fremdes Eigentum zu schädigen oder zu zerstören.

Die Angelegenheit wird von der Bundesanwaltschaft im Begnadigungswege anhängig gemacht auf Grund von Art. 172 des Bundesstrafprozesses, wonach der Bundesrat auch von sich aus .auf Begnadigung antragen kann.

Es handelt sich in dieser Angelegenheit darum, gegenüber der hohen gesetzlichen Mmdeststrafe dasjenige Strafmass zu bestimmen, das der Art der in Betracht kommenden strafbaren Handlung entspricht.

Seiler ist ein mittelloser, geistig etwas beschränkter Jugendlicher, der Stratfall selbst objektiv wie subjektiv derart beschaffen, dass seine Behandlung im Begnadigungswege von vornherein

61 gegeben war, da es richtigerweise bei einer Zuchthausstrafe von mindestens 10 Jahren nicht sein Bewenden haben konnte.

Das aargauische Kriminalgericht empfiehlt Seiler in weitestgehendem Masse zur Begnadigung. Die kantonale Staatsanwaltschaft schreibt: ,,Mit Rücksicht auf die Jugend des Beklagten, seine offenkundige geistige Beschränktheit und die Geringfügigkeit des Schadens wäre im vorliegenden Falle, wenn die Handlung nur als böswillige Eigentumsbeschädigung zu qualifizieren gewesen wäre, wohl höchstens eine Gefängnisstrafe von einigen Tagen, wenn nicht bloss eine Geldbusse ausgefällt worden." Werde nun hinzukommend die Verwendung von Sprengstoffen in Betracht gezogen, so scheine es immerhin, dass die zu verbüssende Strafe drei Monate nicht übersteigen sollte.

Wir übernehmen diesen Antrag. Beizufügen ist, dass wir Wert darauf legen, auch leichtere Fälle von Sprengstoffvergehen mit einer gewissen Schärfe behandelt zu wissen. Die Notwendigkeit, einem missbräuchlichen Verwenden von Sprengstoffen unzweideutig entgegenzutreten, liegt bei der offenkundigen Gefährlichkeit derartiger Machenschaften auf der Hand.

A n t r ä g e : Bei Fricker Kenntnisnahme vom Stande der Angelegenheit, bei Seiler Ersetzung der Zuchthausstrafe durch drei Monate Gefängnis.

54. Erwin Schwarz, geb. 1886, Stenograph, Bern, Greyerzstrasse 35.

55. Eduard Fues, geb. 1891, Kaufmann, Bern, Wiesenstrasse 45.

(Militärpflichtersatz.)

Wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden: 54. Erwin S c h w a r z , verurteilt am 27. September 1920 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu l Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 115. 50 für 1918 betreffend.

Schwarz wurde von der Begnadigungsbehörde in der Junisession 1921 entsprechend den Abweisungsanträgen der Polizeidirektion der Stadt Bern, des Regierungsstatthalters des Amtsbezirkes, des zuständigen Kreiskommandanten, der kantonalen

62 Polizeidirektion und des Bundesrates abgewiesen. Wir verweisen diesbezüglich auf Antrag 33 des I. Berichtes vom 10. Mai 1921, Bundesbl. 1921, III, 149.

Heute wird das Gesuch um Wiedererwägung des Abweisungsentscheides gestellt. Von einer schuldhaften Nichtentrichtung der Militärsteuer könne nach wie vor nicht die Rede sein. Dies wird in längerer Darlegung der persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers nachzuweisen versucht. Weiterhin schreibt Schwarz, er sei im Jahre 1911 aus sanitarischen Gründen zu den Ersatzpflichtigen versetzt worden, und zwar unter Umständen, die nach der heutigen bundesrätlichen Praxis zu seiner Befreiung von der Steuerpflicht führen müssten.

Die bernischen Behörden beantragen neuerdings Abweisung.

Dabei erinnert die Polizeidirektion der Stadt Bern zutreffend daran, dass Schwarz sich um das Strafverfahren schlechterdings nicht gekümmert hat. Daran können seine nunmehrigen, übrigens im Begnadigungsverfahren nur ungenügend überprüfbaren Anbringen nicht rütteln. Es war dem Richter zudem b e k a n n t , dass Schwarz mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Die Urteilserwägungen in Verbindung mit dem übrigen Akteninhalt zeigen, warum eine Verurteilung t r o t z d e m erfolgen musste. Die Lässigkeit, das ungebührliche Verhalten -- wie es Schwarz auch mit Bezug auf die Abfassung des ersten Begnadigungsgesuches zur Last fällt -- bleiben bestehen. Früher versprach er monatliche Ratenzahlungen von Fr. 10, ohne diesem Versprechen nachzukommen. In dem Wiedererwägungsgesuch schrieb er, bis Ende August die rückständige Steuer begleichen zu können. Erkundigungen vom 25. Oktober ergaben, dass Schwarz am 24. Oktober zwar die Steuer von 1920 mit Fr. 45 entrichtet hat, dagegen für 1918 noch Fr. 95. 50 schuldet. In dem Wiedererwägungsgesuch suchte Schwarz weiterhin darzutun, die nunmehrige Praxis des Bundesrates betreffend Ersatzbefreiungen sei ihm günstig.

Trotzdem er am 9. September 1921 aufgefordert wurde, bis Ende des Monats ein diesbezügliches Gesuch einzureichen, in der Meinung, es könnte schliesslich mit der Behandlung des Wiedererwägungsgesuches bis nach Erledigung jenes Rekursverfahrens zugewartet werden, sah sich Schwarz zu einer diesbezüglichen Eingabe bis zum 25. Oktober nicht veranlasst. Das Wiedererwägungsgesuch nahm weiterhin Bezug auf Belege, die Schwarz nachträglich
unterbreiten werde. Auch diese sind ausgeblieben.

Unter diesen Umständen sehen wir uns ebensowenig wie die kantonalen Behörden veranlasst, von unserm Abweisungsantrag abzugehen.

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55. Eduard F u e s , verurteilt am 27. Mai 1921 vom Gerichtspräsidenten von Bern zu l Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 37. 50 für 1920 betreffend.

Die Ehefrau ersucht, Fues die Strafe zu erlassen. Sowohl die Steuer für 1920 wie 1921 werde demnächst beglichen. Ihr Mann sei ohne Vorstrafen und werde bestrebt sein, fortan pünktlich zu zahlen.

Nach den Akten hat Fues einen ihm vom Richter gewährten Aufschub von zwei Monaten unbenutzt verstreichen lassen und ist zudem an der Hauptverhandlung ausgeblieben. Das Urteil ist deshalb verständlich.

Anderseits wird von der Polizeidirektion der Stadt Bern, dem Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes und der kantonalen Polizeidirektion der Erlass der Gefängnisstrafe beantragt und dies mit den misslichen Verhältnissen des Gesuchstellers begründet.

Er war längere Zeit ohne Verdienst und ist verschuldet. Die ·rückständige Steuer ist nunmehr bezahlt, über Fues Nachteiliges nicht bekannt.

Da erschwerende Verumständungen, anders als im Falle ·Schwarz, hier fehlen, seheint uns die Gewährung der bedingten Begnadigung zulässig zu sein.

A n t r ä g e : Abweisung bei Schwarz, Erlass der Gefängnisstrafe bei Fues, unter der Bedingung ordnungsgemässer Entrichtung der Militärsteuer bis und mit 1925.

56. Peter Zumwald, geb. 1882, Telephonarbeiter, Freiburg.

(Fischereipolizei.)

56. Peter Z u m w a l d wurde am 2. April 1921 vom Président ·du Tribunal de l'arrondissement de la Sarine in Anwendung der Art. 5 und 31 des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888 verurteilt zu Fr. 100 Busse und sämtlichen Kosten.

Zumwald wurde schuldig befunden, am 23. Februar 1921 ·zwischen 9 und 10 Uhr vormittags zum Fangen von Fischen eine Dynamitpatrone, die dann explodierte, in die Saane geworfen zu haben. Zumwald war damals mit andern Telephonarbeitern unter einem Gruppenchef bei der Brücke von Grandfey mit Leitungsarbeiten beschäftigt.

Der urteilende Richter hielt den Schuldbeweis für erbracht, gestützt auf das Zeugnis des Fischers Auderset. Dieser will bei

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seiner Ankunft am Saaneufer gesehen haben, wie Zumwald etwas in das Wasser warf. Auderset dachte zuerst, es handle sich um.

Steine, jedoch sei es kurz darauf zur Explosion gekommen und habe sich der mehrere Meter hohe Wasserstrahl gebildet. Zumwald sei, als er Auderset zu Gesichte bekommen, mit seinem Begleiter davongelaufen.

Der Verurteilung gegenüber gelangte Zumwald mit einem Revisionsbegehren an das frei burgische Kantonsgericht. Das Rechtsmittel stützte sich auf den Umstand, dass, laut einer schriftlichen Erklärung, Arbeiter der S. B. B. zu derselben Zeit von der Brückevon Grandfey herab zwei grosse Steinplatten in die Saane geworfen hätten. Es sei darob zu einem kräftigen Knall und einem Wasserstrahl gekommen. Von den Arbeitern der S. B. B. wird beigefügt, die Telephonarbeiter hätten sich damals sämtliche auf den Leitungsmasten befunden.

Auf das Revisionsbegehren wurde am 31. Mai deshalb nicht eingetreten, weil nach dem kantonalen Prozess eine Revision in Polizeistrafsachen nicht stattfindet. Der Entscheid entsprach dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Schon damals äusserte sich der Staatsanwalt dahin, Zumwald sei das Opfer eines Irrtums geworden, weshalb ein Begnadigungsgesuch befürwortet werde» könne. Hiervon nahm das Kantonsgericht im Dispositiv ausdrücklich Vormerk.

Für Zumwald wird nunmehr, unter Berufung auf die hiervor kurz zusammengefasste Vorgeschichte, das Gesuch um gänzliche Begnadigung gestellt. Die Verurteilung beruhe auf der Würdigung gegeneinander gerichteter Zeugenaussagen. Man dürfe die Frage aufwerfen, weshalb der Richter nicht auf Grund der Regel in dubio pro reo freigesprochen habe. Die Tatsache des Steinwurfs durch Arbeiter der S. B. B. sei Zumwald am Tageder Hauptverhandlung unbekannt gewesen. Sie sei geeignet, die Schuldlosigkeit Zumwalds zu erbringen und darzutun, dass der Belastungszeuge Auderset, wohl aus Besorgnis, eine Explosion gefährde den eigenen Fischfang, sich geirrt habe. Da es sich um eine zu Unrecht erkannte Verurteilung handle, die auf dem Rechtsmittelwege nicht berichtigt werden könne und die hohe Busse nebst den Kosten einen Arbeiter und Familienvater trèfle, möge man von der Wohltat der Begnadigung Gebrauch machen.

Der Substitut des freiburgischen Staatsanwaltes unterstützt die Eingabe, da es in der Tat den Anschein habe, dass Zumwald das Opfer eines unglücklichen Zusammentreffens von Tatsachen geworden sei. Der erstinstanzliche Richter hinwiederum schreibt.

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er könne zu dem Begnadigungsgesuch keinen günstigen Mitbericht abgeben. Die Erklärung der Arbeiter der S. B. B. enthalte Behauptungen, die er nicht habe nachprüfen können. Er vermöge ihnen nicht völlig zu glauben. So sei die Angabe, die Telephonarbeiter hätten die Leitungsmaste nicht verlassen, im Widerspruch zum Ergebnis der Hauptverhandlung. Gewisse Entlastungszeugen hätten sich damals derart widersprochen, ihre Aussagen seien, dermassen mit Unrichtigkeiten verbunden gewesen, dass die Einleitung eines Strafverfahrens denkbar gewesen wäre.

Das Begnadigungsgesuch veranlasst zunächst zu den Fragen,, ob eine zuverlässige Nachprüfung des Schuldbeweises durch die Begnadigungsbehörde anhand der Akten im vorliegenden Falle stattfinden könne und ob sich der richterliche Schuldspruch als irrtümlich herausstelle.

Diese Nachprüfung des Schuldbeweises wird von vornherein an der Tatsache nicht vorbeigehen können, dass ein auch noch so genaues Aktenstudium die Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung im Falle Zumwald nicht ersetzen kann.

Hinwiederum sind die Zeugenaussagen und die Urteilserwägungeo ausführlich gehalten und vermögen zu zeigen, wie der urteilende Richter zu seinem Entscheide gekommen ist. Er hat die Aussagen des Belastungszeugen Auderset und der Entlastungszeugen gegeneinander abgewogen. Das bestimmt abgegebene Zeugnis Audersets erachtete er als glaubwürdig, währenddem ihm gewisse Aussagen von Entlastungszeugen schlechterdings' als unvereinbar erschienen.

Wir haben bereits erwähnt, in welcher Weise der urteilende Richter heute zu dem Begnadigungsgesuch Stellung nimmt und wie sehr er die Haltung der Entlastungszeugen am Tage der Hauptverhandlung beanstandet. Einzelheiten ergeben die Urteilserwägungen, auch legen wir Wert darauf, noch besonders auf die Aussagen Audersets hinzuweisen. Danach ist das Zustandekommen des verurteilenden Erkenntnisses verständlich, so das» von einem willkürlichen Entscheid oder dergleichen jedenfalls nicht die Rede sein kann. Richtig ist, dass die im Revisionsverfahren und nunmehr im Begnadigungsgesuch geltend gemachte Tätigkeit der Bahnarbeiter, das In-das-Wasser-Werfen zweier Steinplatten, der daherige Knall und Wasserstrahl, im Strafverfahren keiner Seite bekannt war. Sollte dieser Vorgang in der beschriebenen Art stattgefunden haben, so würde die Annahme der Schuldlosigkeit Zumwalds jedoch noch immer notwendigerweise voraussetzen, dass das Zeugnis Audersets objektiv falsch

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sei. Es ist bemerkenswert, dass auch der Verfasser des Gesuches lediglich die Möglichkeit annimmt, dass die Aussage Audersets irrtümlich sei, ohne ihm ein Verschulden oder gar eine wissentlich falsche Zeugenaussage zur Last zu legen.

Abschliessend gelangen wir auf Grund unserer Erörterungen zu folgenden Ergebnissen : die Nachprüfung des Schuldbeweises ist im vorliegenden Falle verhältnismässig gut möglich. Sie führt zum Schluss, dass das Zustandekommen des verurteilenden Erkenntnisses verständlich ist. Der Schuldbeweis stellt sich keineswegs als unzweifelhaft irrtümlich heraus. Der von den Bahnarbeitern geltend gemachte Vorfall kann nur dann dem verurteilten Zumwald zugute gehalten werden, wenn das Zeugnis Audersets als objektiv unrichtig betrachtet wird. Eine sichere Gewähr für die Begründetheit eines derartigen Schlusses fehlt.

Es ist zwar letzten Endes möglich, dass sich Auderset geirrt hat, das Begnadigungsverfahren kann diese Möglichkeit jedoch nicht weiter abklären. Hierzu wäre jedenfalls ein Augenschein über die Örtlichkeit des Vorfalls, die wirkliche Entfernung der Leitungsmaste vom Flussufer, den genauen Standort Audersets zur Zeit der von ihm beobachteten Explosion, kurz ein Vorgehen unumgänglich, wie es wohl anlässlich einer gerichtlichen Beweisaufnahme stattfinden kann, nicht aber bei der Behandlung eines Begnadigungsgesuches. Auderset, der sogar einen Zuruf des Begleiters von Zumwald bekanntgibt, müsste sich nach allem in ungewöhnlicher Weise geirrt haben.

Anderseits spricht für den Gesuchsteller, dass er sich ernstlich bemüht hat, die Durchführung des Revisionsverfahrens zu erlangen. Es kann diesbezüglich auch an die Ordnung des Strafgesetzentwurfes erinnert werden, der im Abschnitt über die Begnadigung in Art. 421 den Kantonen ausdrücklich vorschreibt, für Fälle wie den vorliegenden die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten zu gestatten. Ferner ist die Befürwortung des Gesuches durch die kantonale Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen. Hinzu kommt die Begnadigungspraxis der letzten Jahre, die mehrere, ähnlich geartete Fälle kennt, in denen die Begnadigungskommission Abweisungsanträgen des Bundesrates nicht Folge leistete. Wir denken namentlich an die Begnadigungssachen German Brunner, Karl Friedrich Hauser, Friedrich Gottlieb Keller (zu vergleichen Bundesbl. 1919,
V, 332 und I, 486), deren Begnadigung einem möglicherweise doch nicht gänzlich befriedigenden Strafverfahren die Härte nehmen wollte.

Dieselbe Überlegung mag auch hier Platz greifen. Da es sich aber im Falle Zumwald nicht um eine Freiheitsstrafe handelt

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\ind wir keineswegs der Auffassung sind, dass die Angelegenheit völlig zugunsten des Verurteilten abgeklärt worden wäre, beantragen wir nicht den Erlass, sondern lediglich eine Ermässigung ·der Busse.

A n t r a g : Herabsetzung der Busse von Fr. 100 um die Hälfte.

57. Arnold Annen, geb. 1884.

58. Robert Reichenbach, geb. 1890, beides Landwirte in Lauenen bei Saanen (Bern).

59. Albert Brunner, geb. 1880, Taglöhner, Hemberg (St. Gallen).

(Jagdpolizei.)

Gestützt auf das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904 und zudienende VollziehuDgserlasse sind verurteilt worden: 57. und 58. Arnold A n n e n und Robert R e i c h e n b a c h , verurteilt am 22. Dezember 1919 vom Gerichtspräsidenten von Frutigen in Anwendung der Art. 21, Ziffer 3, lit. 6, 22, 23, Ziffer 2 und 26 des Jagdgesetzes, Annen zu Fr. 300 Busse und 5 Jahren Jagdberechtigungsentzug, Reichenbach zu Fr. 200 Busse und 4 Jahren Jagdberechtigungsentzug. Durch Entscheid der ersten ·Strafkammer des bernischen Obergerichtes vom 10. März 1920 -wurde der Jagdberechtigungsentzug in beiden Fällen auf drei Jahre festgesetzt.

Annen lag am 17. September 1919 im Bannbezirk KanderKien-Suldtal der Gemsjagd ob. Annen erlegte zunächst im Bannbezirk unmittelbar an der Banngrenze eine Gemse, trug sie ins offene Gebiet, betrat den Bannbezirk neuerdings und erlegte eine zweite Gemse, die dann Reichenbach ins offene Gebiet trug.

Reichenbach war offenbar als Treiber tätig, jedenfalls hat er sich aber der Gehilfenschaft bei dem von Annen begangenen Wildfrevel schuldig gemacht.

Die beiden ersuchen um Erlass des bis zum 10. März 1923 dauernden Jagdberechtigungsentzuges nach. Es wird als Missgeschick bezeichnet, dass den beiden Patentjägern eine gejagte Gemse in den Banobezirk entkam und sie dort die Jagd fortsetzten. Die Gesuchsteller seien junge, tätige Leute mit einwandfreiem Leumund. Die Bussen und Kosten seien bezahlt.

Befürwortet werden die Gesuche einzig vom Gemeinderat ·von Lauenen, indessen die bernische Forstdirektion und die Polizei-

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direktion, wie auch die eidgenössische Inspektion für Forstwesen,, Jagd und Fischerei Abweisung beantragen.

Die Abweisung der Gesuchsteller ist unseres Erachlens im.

vorliegenden Falle eine Notwendigkeit. Es handelt sich keineswegs um ein ,, Missgeschick ", sondern um krasses Eindringen in Banngebiet. Es wäre geradezu unverständlich, wenn in einem' derartigen Falle nicht mit aller Strenge vorgegangen würde. Fttr Einzelheiten verweisen wir auf die Mitberichte der Jagdorgane, 59. Albert B r u n n er, verurteilt am 7. Dezember 1918 vom Bezirksamt Obertoggenburg zu Fr. 80 Busse und 3 Jahren Jagdberechtigungsentzug.

Brunner reichte am 10. Oktober ein Gesuch um Erlass des verbleibenden Jagdberechtigungsentzuges ein. Da die Begnadigungsbehörde bereits am 13. Oktober die Gesuche erledigte, konnte die Angelegenheit Brunner für die Oktobersession nicht mehr in Betracht fallen. Da die Jagd im Kanton St. Gallen Ende.

November schliesst, wird das Gesuch zur Zeit der Behandlungdurch die Bundesversammlung gegenstandslos sein. Die spät& Einreichung des Gesuches fällt Brunner selbst zur Last. Die Möglichkeit, den Strafvollzug in dem Sinne zu unterbrechen, dassdem Gesuchsteller die Lösung eines Patentes für die diesjährigeHerbstjagd ermöglicht -worden wäre, schien weder zweckmässig; noch naheliegend.

A n t r ä g e : Abweisung-bei Annen und Reichenbach, Nichteintreten bei Brunner.

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Jakob Werder, geb. 1865, Landwirt, Boniswil (Aargau).

August Herde, geb. 1877, Wirt und Landwirt, Zeihen (Aargau).

Fritz Bärtschi, geb. 1889, Landwirt, Ursenbach (Bern).

Ami Delévaux, geb. 1885, Grenzwachtkorporal, Beurnevésin (Bern).

(Forstpolizei.)

Gestützt auf die Bundesratsbeschlüsse vom 23. Februar 1917 betreffend Überwachung der Holznutzung in den privaten Nichtschutzwaldungen und vom 20. April 1917 betreffend Erhöhung, der Bussen für verbotene Abholzungen in Verbindung mit kantonalen Ausführungserlassen wurden verurteilt: 60. Jakob W e r d e r , verurteilt am 20. Mai 1921 von/Obergericht des Kantons Aargau zu Fr. 352 Busse.

69 Werder hat im Winter 1920/21 in seinem Privatwald auf .Burghalden im Gemeindebann Diirrenäsch ohne Bewilligung einen .Holzschlag ausgeführt.

Während das erstinstanzliche Gericht von einem unberechtigten Schlag von 12 Kubikmetern ausging und einen Bussen·ansatz von Fr. 12 annahm, somit eine Gesamtbusse von Fr. 144 ·erkannte, büsste das kantonale Obergericht Werder für 17,e Kubikmeter unter Festlegung eines Ansatzes von Fr. 20, d. h. mit Fr. 352.

Für Werder wird um Erlass der Busse ersucht und zunächst angebracht, er habe nicht ohne weiteres den Vorschriften zuwidergehandelt, sondern in der Angelegenheit den Kreisförster aufgesucht, jedoch nicht angetroffen. Dass Werder in der Folge den Holzschlag fortgesetzt habe, könne ihm nicht allzusehr angerechnet werden. Er sei von der Annahme ausgegangen, die Schlagbewilligung werde ihm ohne weiteres erteilt. Der Gebüsste sei ein älterer, unbeholfener Mann, dem es zwar an Umgangsformen fehlen möge, der aber in Wirklichkeit eine brave Natur sei. Die Busse drücke ihn schwer, indem er einzig dastehe und nur über bescheidene Mittel verfuge. Anschliessend wird sodann in scharfen Worten die Auffassung vertreten, es hätte beim bezirksgerichtlichen Entscheide sein Bewenden haben sollen. Man sei mit Werder in bemühender Weise umgegangen. In letzterer Beziehung wird namentlich hingewiesen auf einen anderweitigen Strai'fall, der durch Klagerückzug erledigt worden sei, trotzdem ein Kahlschlag ohne Bewilligung stattgefunden habe. Es erscheine als angezeigt, die Rechtsungleichheit im Wege der Begnadigung aufzuheben.

Von den aargauischen Behörden wird zu dem Gesuche wie folgt Stellung genommen : Das Bezirksgericht Kulm überlässt die Würdigung des Begnadigungsgesuches der zuständigen Behörde.

Das Kreisforstamt IV in Aarau betont, Werder sei auf die Folgen seines Verhaltens rechtzeitig aufmerksam gemacht worden. Das Forstpersonal habe er grundlos beleidigt und das erstinstanzliche Gericht über den Umfang des Holzschlages zu täuschen gesucht.

Heute dringe er auf Begnadigung, während er ursprünglich damit .geprahlt habe, er vermöge zu prozedieren. Die aargauische Staatsanwaltschaft stellt fest, dass der Kreisförster auch in dem von dem Gesuchsteller beanstandeten anderweitigen Straffall objektiv vorgegangen sei.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen schreibt, aus den Akten ergebe sich ohne Zweifel, dass Werder wissentlich

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die Vorschriften nicht beachtet habe. Auch spreche die Art seines Verhaltens gegenüber den kantonalen Forstorganen sehr zuungunsten einer Begnadigung. Falls mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Gesuohstellers eine Herabsetzung der Busse erwogen werde, so wäre jedenfalls eine Busse von Fr. 300 zu belassen. Die Erledigung des vom Verfasser des Gesuches herangezogenen anderweitigen Straffalles, so wie dieser heute bekannt sei, könne zwar nicht ganz befriedigen. Dies komme aber Werder gegenüber als Begnadigungsgrund deshalb nicht in Betracht, weil keineswegs zutreffe, dass Werder selbst ausnahmsweise hart verfolgt und bestraft worden sei.

Wir übernehmen diese Stellungnahme und beantragen Abweisung.

61. August H e r d e , verurteilt am 21. April 1921 vom Bezirksgericht Laufenburg zu Fr. 160 Busse.

Laut Urteil hat Herde im Winter 1918/19 in seinem Privatwald ohne Bewilligung einen Holzschlag mit Kahlschlagwirkung im Halte von 16 Kubikmetern ausgeführt.

Herde ersucht um Erlass der Busse. Die Anzeige des Gemeindeförsters sei aus Rache erfolgt, weil, Herde an einer Gemeindeversammlung seine Amtstätigkeit beanstandet habe. Viele ähnliehe Fälle aus der Gegend seien überhaupt nicht zur Anzeige, gekommen. .

Das Bezirksgericht Laufenburg nimmt zu dem Gesuche nicht Stellung, da Herde inzwischen zum Gerichtsersatzmann gewählt, worden sei und das Gericht sich als befangen erklären müsse.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen beantragen wir, die Busse bis zu Fr. 100 zu ermässigen. Es erfolgt dies, um einer Berichtigung mit Bezug auf das Mass des geschlagenen Holzes Rechnung zu tragen und weil es nach den in Betracht kommenden Umständen merkwürdig bleibt, dass die Anzeige erst zehn Monate nach dem Holzschlag erfolgte. Dagegen sollte von einer weitern Begnadigung in Anbetracht der Urteilserwägungen Umgang genommen werden.

62. Fritz B ä r t s c h i , verurteilt am 8. Juni 1920 vom Gerichtspräsidenten von Trachselwald zu zwei Bussen von Fr. 682. 50 und Fr. 30, total Fr. 712. 50.

Bärtschi schlug in seinem Privatwald im ganzen 68,25 Kubikmeter Holz ohne Berechtigung. Er nahm ferner auf einem Stück von 30 Aaren Ausreutungen vor, ohne die bezügliche Bewilligung; zu haben.

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Bärtschi ersucht um Erlass der Gesamtbusse. Er sei nicht böswillig vorgegangen. Das fragliche Waldstück habe er just zum Zwecke des Kahlschlages erstanden, um sein anstossendes Kulturland ertragsfähiger zu machen. Nach Einreiehung des Gesuches um Schlagbewilligung habe er mit Schlagen begonnen, in der Voraussetzung, dem Gesuche werde, wie früher eingereichten, entsprochen werden. Es sei dann bloss ein Lichtschlag bewilligt worden, worauf er den Holzschlag ohne weiteres eingestellt habe.

Sämtliche Forstbehörden des Kantons Bern, so die kantonale Porstdirektion und weiterhin die Polizeidirektion, beantragen Abweisung. Was die Ausreutung ohne Bewilligung anbelangt, so dürfte sie vom Gesichtspunkte der Begnadigung ohne weiteres ausser Betracht fallen, indem die Ausreutung von der Gesamtbusse nur mit Fr. 30 betroffen wird und Bärtschi entgegen wiederholten Mahnungen handelte. Der Kahlschlag ohne Bewilligung sodann, der zu Fr. 682. 50 Busse Anlass gab, stellt nach den in Betracht kommenden Umständen ohne Zweifel einen Fall bewusster Nichtinnehaltung der Schlagbestimmungen dar. Wir verweisen diesbezüglich insbesondere auf die Darlegung des Schriftenwechsels zwischen dem Kreisforstamt Langenthal und Bärtschi, niedergelegt im Mitbericht des Oberförsters vom 28. Februar 1921.

Die Gesuchsanbringen werden darin mehriach richtiggestellt.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen bezeichnet die Anwendung des Mindestansatzes der gesetzlichen Bussen im vorliegenden Falle als überaus milde Strafart. Von einer Begnadigung sollte deshalb nicht die Rede sein.

Wir übernehmen die Abweisungsanträge.

63. Ami D e l é v a u x , verurteilt am 6. Juli 1921 vom Gerichtspräsidenten von Pruntrut zu Fr. 300 Busse.

Delévaux schlug in seinem Wald zirka 30 Kubikmeter ohne Bewilligung.

Er wendet sich in zwei Eingaben gegen die Verurteilung, die er als ungerecht erachtet, weil ihm die betreffenden Vorschriften unbekannt gewesen seien. Insbesondere habe auch der Bannwart, der im Verlaufe des Holzschlages zugegen gewesen sei, von dem Erfordernis einer Schlagbewilligung nichts verlauten lassen. Eine Busse von Fr. 50 wäre bei den persönlichen Verhältnissen des Gesuchstellers Strafe genug.

Der stellvertretende Regierungsstatthalter von Pruntrut befürwortet die Eingabe. Demgegenüber beantragen Abweisung der Forstmeister des Jura, die kantonale Forstdirektion und die Polizeidirektion.

72 Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei schreibt, es möge glaubwürdig sein, dass der Gesuchsteller die massgebenden Vorschriften nicht gekannt habe. Als Käufer eines Waldes hätte er sich aber erkundigen sollen, namentlich da er den Wald kahlzuschlagen gedachte. Auch das eigentümlich indifferente Verhalten des Bannwartes vermöge Delévaux nicht zu entschuldigen. Eine Herabsetzung der Bussen könne, in .Übereinstimmung mit den bernischen Forstbehörden, der Konsequenzen halber nicht befürwortet werden. Es dürfe nicht die Meinung Platz greifen, das Begnadigungiswesen verschaffe die allgemeine Möglichkeit einer Erweiterung des gesetzlichen Strafrahmens nach unten. Zu begrüssen wäre es allerdings, gerade mit Rücksicht auf solch leichtere Fälle, weon die Gerichte der mit dem weiten Strafrahmen gegebenen ßlöglichkeit, die Strafe der Schwere des Vergehens anzupassen, etwas gerechter würden.

Wir bemerken hierzu, dass diese Anbringen der Forstorgane verständlich sind. Sie entsprechen den Ausführungen der bundesrätlichen Botschaft vom 12. September 1921. betreffend Abänderung der Artikel 30 und 46, Ziffer 7, des Bundesgesetzes vom 11. Oktober 1902 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei. Es handelt sich bei diesen Zuwiderbandlungen um Interessen der schweizerischen Waldwirtschaft, die geschützt werden müssen. Das passive Verhalten des vom Richter abgehörten Bannwartes lässt sodann deutlich erkennen, dass er sich in andern .ähnlichen Fällen auf unzweideutiges Geheiss der beteiligten Waldeigeatümer zurückhielt. Da trotzdem der Fall nach den Akten nicht schwerer Art ist, was auch die Forstorgane anerkennen, möchte die Bundesanwaltschaft dem Abweisungsantrage immerhin beifügen; dass im Anschluss an die Erledigung früherer leichter Fälle eine gewisse Ermässigung der Busse aus Kommiserations.gründen' nicht bedenklich wäre.

A n t r ä g e : Abweisung Werders, Herabsetzung der Busse bis Fr. 100 bei Herde, Abweisung bei Bärtschi und Delévaux.

64. Jules Sloma, geb. 1895, Handlanger.

<65. Franz Dzierzan, geb. 1898, Handlanger, beide in der Strafanstalt St. Antoine, Genf.

(Fälschung von Banknoten.)

Jules S l o m a und Franz D z i e r z a n wurden am 12. Juli 1921 vom Bundesstrafgericht in Anwendung der Art. 66, 68,

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Abs. l, 71 und 74 des Nationalbankgesetzes in Verbindung mit ·den Art. 3, 5, 19 und 20 des Bundesstrafrechts verurteilt je zu -einem Jahr Zuchthaus, unter Anrechnung der Untersuchungshaft, und Landesverweisung auf Lebenszeit.

Am 20. Februar 1920 liess das eidgenössische Finanzdeparteanent, Abteilung Kassen- und Rechnungswesen, nach Massgabe ·der Verordnung betreffend die Kontrollierung der Banknoten vom :25. September 1916 487,110 Noten der Schweizerischen National-bank zu Fr. 100, die wegen Fehldruckes nicht in Verkehr gersetzt und deshalb perforiert wurden, unter Aufsicht eines KontrollSbeamten in der Papierfabrik Deisswil bei Bern einstampfen und vernichten. Am 9., 10. und 11. November 1920 liess das eidgenössische Kassen- und Rechnungswesen in Ausführung der Art. 11 und 13 des Reglements vom 20. Oktober 1920 über die Kontrollierung der Banknoten und in Anwendung der genannten Verordnung in Deisswil, unter Aufsicht von Kontrollbeamten, 4,900,000 wegen Schadhaftigkeit zurückgezogene und perforierte Kriegsnoten zu Fr. 5 der Schweizerischen-Nationalbank vernichten.

Bei der Vernichtung der Hunderternoten entwendete ein Arbeiter ·einige Noten, wovon er eine dem Arbeiter Opilka übergab. Ein ;bei der Vernichtung der Fünfernoten von dem Arbeiter Bledniak ·entwendetes Paket mit zirka 70 Noten übergab Bledniak dem Dzierzan. Der in der Folge mitverurteilte Hofmann, der mit Dzierzan das Zimmer teilte, erklärte, dass man die Noten wieder ·in Verkehr bringen könne, wenn man die Löcher mit Ausschnitten anderer Noten ausfülle. Hofmann flickte einige Noten auf diese Weise und ahmte auf der Note Nr. 022119 die Unterschriften nach. Da sich Hofmann nicht getraute, die Noten in Verkehr zu setzen, nahm Dzierzan die abgeänderten Noten sowie die übrigen von Bledniak überbrachten Noten und legte sie in eine gelbe Enveloppe mit der Aufschrift ,,Justizdirektion des Kantons Bern", von denen er in der Fabrik ein Paket entwendet hatte. Am $. Januar 1921 sandte Dzierzan eine Fünfernote mit den nötigen Instruktionen für die Wiederherstellung an den Angeklagten Sloma in Genf, der sie nach der Wiederherstellung in Verkehr setzen konnte. Dzierzan und Sloma traten hierauf in Verbindung für ·die Beschaffung, Wiederherstellung und das Inverkehrbringen der Noten. Bei einem Besuche in Deisswil übergab Dzierzan dem Sloma das Paket
mit den Fünfernoten sowie zwei Rollen weissen und blauen Papiers, die Opilka in der Fabrik entwendet hatte.

Sloma flickte nun in G-enf die Noten, indem er mit jenem Papier, mit den Teilstücken anderer Noten und auch mit anderem Material die Löcher überklebte, und setzte einige Noten in Verkehr.

Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. V.

6

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Er schrieb weiterhin dem Handlanger Sowka nach Deisswil unr Übersendung von Noten, was Sowka aber nicht ausführen konnte, da er keine Noten besass. Im Februar 1921 siedelte Dzierzan nach Meinier bei Genf über und teilte mit Sloma das Zimmer.

In Anwesenheit des Dzierzan setzte Sloma seine Manipulationen fort. Dzierzan beteiligte sich ebenfalls an der Wiederherstellung der Noten. In Begleitung des Dzierzan begab sich Sloma sodann nach Genf, um die Noten in den Geschäften abzusetzen. Beide?

beteiligten sich am Erlös. Es sind etwa 40 Fünfernoten in Verkehr gesetzt worden. Von Genf aus schrieb Dzierzan im März 1921 an Sowka und ersuchte ihn, von Opilka die Hunderternote zu verlangen. Opilka händigte diese Note aus, und Sowka sandte sie an Dzierzan. Dzierzan gab sie an Sloma, der die Löcher mit dem blauen Papier verklebte und nachher die Note in der Kleiderhandlung Mühlstein in Verkehr setzte, indem er ein Paar Hosen zu Fr. 39 kaufte. Vom herauserhaltenen Gelde gab er Fr. 50 dem Dzierzan.

Sloma und Dzierzan machten sich demnach schuldig der Anfertigung und des Inverkehrbringens falscher Banknoten, begangen im Komplott.

Die Verurteilten, die ihre Freiheitsstrafen in der Strafanstalt St. Antoine in Genf verbüssen, ersuchen mit Eingaben vom 2. November um Erlass der Strafe, soweit sie Ende November noch nicht getilgt sei. Bis zu jenem Zeitpunkt seien zwei Drittel der Strafzeit verbüsst und die Verfehlungen, die sie bereuten, damit zu Genüge gesühnt. Man möge ihnen auch zugute halten, dass niemand zu Schaden gekommen sei.

Demgegenüber beantragen wir, den Begnadigungsgesuchen nicht stattzugeben. Zunächst bemerken wir, dass das Bundesstrafgericht lediglich auf die Mindeststrafe erkannte. Damit hat der Gerichtshof vorhandenen Strafminderungsgründen, wie dem Alter der Verurteilten und dem Fehlen von Vorstrafen, Rechnung getragen. Weiterhin gelangte die Untersuchungshaft gänzlich zum Abzug. Die verbrecherischen Handlungen selbst sind nicht leicht zu nehmen. Die Sicherheit des Banknotenverkehrs war gefährdet.

Im Gegensatz zu den Gesuchsanbringen ist schliesslich zu sagenr dass durch die Verwendung der Noten deren Abnehmer geschädigt wurden. Soweit die Gesuchsteller im Begnadigungswege herbeiführen möchten, was in Art. 36 des Strafgesetzentwurfes hinsichtlich der bedingten Entlassung vorgesehen wird, ist darauf zu verweisen, dass bei Zuchthausstrafen mindestens ein Jahr verbüsst sein müsste. Die bedingte Entlassung wäre demnach vom Stand-

75 punkte des Entwurfes im vorliegenden Falle ohne weiteres ausgeschlossen.

A n t r a g : Abweisung in beiden Fällen.

66. Ernst Herren, geb. 1885, Maurer, Scheidegg-Wabern (Bern).

67. Oskar Bühler, geb. 1894, Angestellter, Bern.

(Militärpflichtersatz.)

Vom Gerichtspräsidenten IV von Bern wurden am 27. Mai 1921 verurteilt: 66. Ernst H e r r e n zu einem Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 16. 50 für 1920 betreffend.

Herren, der am 20. September die Steuer bezahlt hat, ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Er sei lange arbeitslos gewesen und ohne Vorstrafen.

Der Polizeiinspektor von Köniz, der Regierungsstatthalter von Bern und die kantonale Polizeidirektion befürworten das Gesuch.

Nach den eingeholten Berichten hat sich Herren, .der im Jahre 1920 als Bauhandlanger vom Streik betroffen wurde, als Maurer selbständig gemacht, jedoch bis in den Sommer 1921 nur ungenügende Arbeitsaufträge erhalten. Er musste noch im Juni dieses Jahres von der Spendkasse Köniz unterstützt werden, indem ihm von dem rückständigen Mietzins ein Teilbetrag abgenommen wurde.

Die Akten ergeben, dass Herren vom Richter ein Aufschub von zweieinhalb Monaten zugebilligt wurde, dass er die Zahlung jedoch versäumte und zudem der Hauptverhandlung unentschuldigt fernblieb. Die Verurteilung ist deshalb verständlich.

Immerhin beantragen wir auf Grund der eingeholten Berichte den Erlass der Strafe unter der Bedingung ordnungsgemässer Entrichtung der Militärsteuer bis und mit 1925.

67. Oskar B ü h l e r , verurteilt zu einem Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 81 für 1920 betreffend.

Bühler schreibt, durch die hohen Kosten einer langera Spitalbehandlung in Schulden geraten zu sein. Im Zeitpunkt der Urteilseröffnung sei er im Spital gewesen. Dies erkläre, warum er gegen die Verurteilung nicht appelliert habe. Im weitern verweist Bühler in dem Gesuch vom 25. August auf eine geleistete Teilzahlung iind versichert Begleichung der Schuld bis Ende Oktober.

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Nach den Berichten der bernischen Behörden ist Bühler seinen Zahlungsversprechen nunmehr genau nachgekommen. Die Gesuchsanbringen sollen den Tatsachen entsprechen. Bühler selbst habe bis heute zu keinerlei Klagen veranlasst. Sämtliche Behörden beantragen Begnadigung.

Auch hier scheint uns, ähnlich wie im Falle Herren, die bedingte Begnadigung am Platze zu sein.

A n t r ä g e : In beiden Fällen Erlass der Gefängnisstrafe unter der Bedingung ordnungsgemässer Entrichtung der Militärsteuer bis und mit 1925.

68. Paul Seringer, geb. 1871, Kaufmann, Singen (Baden).

69. Hans Ruppert, geb. 1862, Elektrotechniker, Zürich.

70. Walter Grubenmann, geb. 1900, Händler, Uttwil (Thurgau).

71. Karl Greis, geb. 1873, Eisenbahnschaffner, Konstanz.

72. Albert Wisler, geb. 1887, von Freiburg i. Breisgau, angeblich Architekt, z. Z. ausser Landes.

73. Georg Schaffner, geb. 1871, Händler, Zürich.

74. Karl Kugler, geb. 1878, Wirt, Hegi-Egnach (Thurgau).

(Ausfuhrschmuggel.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss betreö'end Bestrafung der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot vom 30. Juni 1917 oder 12. April 1918 wurden verurteilt: 68. Paul S e r i n g e r , am 16. Dezember 1919 von der eidgenössischen Oberzolldirektion gebüsst mit Fr. 15,000.

Seringer war vom Juni 1918 bis zum März 1919 in einem Schmuggelkomplott namentlich derart tätig, dass er von Singen aus zum Schmuggel von Uhren im Werte von annähernd Fr. 500,000 anstiftete. Die Uhren wurden Seringer teils für eigene Rechnung, teils zuhanden anderweitiger Käufer überbracht.

Wegen einer anderweitigen Vereinbarung aus dem Jahre 1918, die den Schmuggel einer Anzahl in der Folge beschlagnahmter Waren im Werte von etwas über Fr. 5000 betraf, ferner wegen Inempfangnahme von geschmuggeltem Faden im Werte von Fr. 80 wurde Seringer vom Territorialgericht 5 am 17. Dezember 1919 in contumaciam zu Fr. 2000 Busse verurteilt. Überdies wurde eine Kaution von Fr. 10,000, unter Abzug der Geldbusse, als verfallen erklärt, weil Seriuger sich dem Gerichte nicht gestellt hatte.

Für Seringer wird um Erlass der Fr. 15,000 ersucht. Man möge "davon ausgehen, dass or mit dem Verluste der Kaution

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faktisch Fr. 10,000 geleistet habe, und weiterhin seine heutige missliche Lage in Betracht ziehen. Verwandte von Seringer seien geneigt, ihm wieder zurechtzuhelfen, jedoch einzig, wenn er von den Verpflichtungen aus den Strafentscheiden befreit sei. Seringer habe bereits in letzter Zeit aus der Verwandtschaft Unterstützungen bezogen. Werde auf dem Strafvollzuge bestanden, so müsste Umwandlung in Gefängnisstrafe stattfinden, was Seringer erst recht jede Existenzmöglichkeit verhindern würde.

Die Oberzolldirektion, auf deren Mitbericht wir Bezug nehmen, beantragt Herabsetzung der Busse um zwei Drittel, d. h. von Fr. 15,000 bis zu Fr. 5000, da es wohl richtig sei, dass Seringer gegenwärtig vollständig mittellos dastehe. Die Tilgung dieses Betrages wäre durch Gewährung von Ratenzahlungen und allfälligen Stundungen zu erleichtern.

Wir halten dafür, es sei Seringer mit diesem Antrag, den wir übernehmen, sehr entgegengekommen. Von einer gänzlichen Begnadigung kann jedenfalls nicht die Rede sein ; denn die Akten, insbesondere auch die militärgerichtliche Beurteilung, verschaffen von Seringer keinen guten Eindruck. Er wird als Schieber und Schmuggler bezeichnet, der zwar viel verdient, jedoch das in Kriegsgeschäften erlangte Geld in der Folge wieder verloren habe. Immerhin brachte ihn sein Verhalten in dem Strafverfahren um Fr. 10,000, auch dürfte ihm die Entrichtung weiterer Fr, 5000 keineswegs leicht fallen.

69. Hans R u p p e r t , am 17. Mai 1920 von der eidgenössischen Oberzolldirektion gebüsst mit Fr. 2000.

Ruppert war in der Zeit vom Februar bis Oktober 1919 in ein Komplott betreffend Uhrenschmuggel verwickelt.

Er ersucht um ganzen oder doch teilweisen Erlass des Bussenrestes wegen andauernder Verdienstlosigkeit und in Anbetracht eines (offenbar an andern Schmugglern erlittenen) Verlustes von Fr. 16,000, der ihn an den Bettelstab gebracht habe.

Der Mitbericht der Oberzolldirektion ergibt, dass Ruppert mindestens noch Fr. 1540. 55 entrichten müsste. Die Eheleute sind mittellos und leiden unter den wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Es wird, da Ruppert wenigstens teilweise geleistet habe, beantragt, Fr. 1000 zu erlassen.

Wir bemerken hierzu, dass Ruppert zwar aus den Kriegsjahren noch zwei andere Vorstrafen aufweist. Da er aber in misslichen Verhältnissen lebt, die Bezahlung der Busse in der heute geschuldeten Höhe als aussichtslos bezeichnet wird und auch

7B die Verpflichtung ratenweiser Entrichtung von Fr. 540. 55 noch eine schwere Belastung ausmacht, mag die teilweise Begnadigung dem Gesuchsteller gewährt werden.

70. Walter G r u b e n m a n n , verurteilt am 21. Oktober 1921 vom Oborgericht des Kantons Thurgau zu 2 Monaten Gefängnis und Fr. 1500 Busse.

Grubenmann, dessen Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe ia der Sommersession 1921 antragsgemäss abgewiesen wurde (zu vergleichen Antrag 10 des Berichtes vom 1. April 1921, Bbl. 1921, I, 8. 533), ersucht heute um Erlass der Busse. Die zwei Monate Gefängnis habe er vom 4. Juli bis 2. September verbüsst. Die begangenen Fehler bereue er. Man habe ihn, den damals Siebzehnjährigen, verleitet. Durch die dreiwöchige Untersuchungshaft um seine Stelle gekommen, sei er seither ausserstande gewesen, dauernd Arbeit zu erlangen, und auch heute wieder arbeitslos.

Wegen vollständiger Mittellosigkeit könne er Abzahlungen über die geleisteten Fr. 110 hinaus nicht aufbringen'.

Demgegenüber beantragen wir, das Gesuch jedenfalls zurzeit gänzlich abzuweisen. Wir möchten gleichzeitig beifügen, dass es nicht zu einer Umwandlungshaft von nahezu 10 Monaten kommen sollte. Die über Grubenrnann erhaltenen Mitteilungen sind aber geeignet, mit der Oborzolldirektion zu folgern, dass eine vorzeitige Begnadigung auf dea Gesuchsteller ohne bessernden Einfiuss sein wurde. Er wird als arbeitsscheuer Mensch geschildert, dem es gar nicht darum zu tun ist, etwas zu verdienen.

Unter diesen Umständen darf jedenfalls verlangt werden, dass Grubeamann, wie andere unter weit schwierigeren persönlichen Verhältnissen, zunächst seinen guten Willen zeige, wenigstens teilweise die Busse zu entrichten. In seinem ersten Begnadigungsgesuch hat Grubenmann übrigens ausdrücklich geschrieben, filidie Busse wolle er aufkommen.

71. Karl G r e i s , ursprünglich wegen Ausfuhrschmuggels vom Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 18. März 1919 verurteilt zu drei Monaten Gefängnis, Fr. 2000 Busse und drei Jahren Landesverweisung, wurde von derselben Instanz am 1. Februar 1921 auf ein zweites Revisionsbegehren hin von der Anklage freigesprochen.

Das Begnadigungsgesuch ist somit gegenstandslos geworden.

Der ausgestandenen Haft wegen wurde Greis gerichtlich mit Fr. 500 entschädigt, anderseits jedoch abgelehnt, ihm die Kosten aus dem verurteilenden Erkenntnis oder aus dem ersten Revisions-

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«verfahren abzunehmen. Für den Werdegang der Angelegenheit verweisen wir auf die Akten. Nachdem Greis am 17. Oktober 1919 ·ob einem Schmuggelversuch ertappt und arn 10. November 1919 .zur Verbussung der Gefängnisstrafe verhalten wurde, lag für die eidgenössische Strafvollzugsbehörde keine Veranlassung vor, den Strafvollzug aufzuschieben. Die ablehnende Verfügung erging am 1. Dezember 1919, worauf am 2. Dezember bei den kantonalen Strafbehörden das zweite Revisionsgesuch eingereicht wurde. In der Folge war es für die Bundesbehörde gegeben, das Revisionsverfahren seinen Lauf nehmen zu lassen. Im Strafvollzug war fortan in erster Linie zu verfügen vom Gesichtspunkt der Behandlung des Revisionsgesuches, was der Beschluss des thurgauischen Obergerichts vom 27. Januar 1920 auch zum Ausdruck brachte. Damals wurde die Gefängnisstrafe gegen eine Kaution von Fr. 2000 sistiert. Das Begnadigungsgesuch ist nunmehr durch Nichteintreten zu erledigen.

72. Albert W i s l e r , von der Oberzolldirektion am 18. September 1918 mit Fr. 600 und am 26. Mai 1919 mit Fr. 230 .gebüsst.

Die Busse von Fr. 600 erging infolge der Verabredung eines Ausfuhrschmuggels mit Bezug auf 32 Velogarniturcn, die Wisler ·zu Schmuggelzwecken in der Wohnung seiner Eltern versteckt hielt. Die Ware sollte in der Folge zugestandenermassen auf Rechnung Wislers von einem Mitbeteiligten -über die Grenze gebracht werden. Infolge der Verhaftung des letzteren blieb jedoch die Angelegenheit in den Anfängen der Ausführung stecken. Die Velogarnituren wurden beschlagnahmt.

Der Busso von Fr. 230 liegt die Lieferung von Saccharin als Schmuggelware zugrunde. In Betracht kommt ein Verkauf von 20 kg zum Gesamtpreis von Fr. 1300.

Der Begnadigungsbehörde ist der Fall Wisler deshalb zu unterbreiten, weil der Vater seiner Verlobten am 20. Juni 1921 zuhanden der Begnadigungskommission beider Räte eine Eingabe ·einreichte, die sich mit den verschiedenen gegenüber Wisler er.gangenen Strafen und Polizeimassnahmen befasst. Der Eingabe wurden beigelegt Abschriften eines Schreibens an den Vorsteher ·des Polizeidepartementes des Kantons Basel-Stadt und eines vom Bruder Wislers unterzeichneten Schreibens an das eidgenössische Zolldepartemont.

Wisler hat die Zollbussen, soweit sie nicht bezahlt waren, im Wege der Umwandlungshaft vom 19. Mai bis 18. September 1921 verbüsst. Die Angelegenheit ist somit von der Begnadi-

80 gungsbehörde durch Nichteintreten zu erledigen. Immerhin veranlassen uns die Eingaben vom 20. Juni 1921 in zwei Richtungen; zu kurzen Bemerkungen: Zunächst halten wir dafür, der vom Vater der Braut Wislersverfassten Eingabe könne nicht die Wirkung eines Begnadigungsgesuches beigelegt werden. Wir haben zwar stets darauf Bedacht genommen, es mit den Anforderungen betreffend die Legitimation, die angegangene Behörde und Art der Antragstellung, kurzum die Formalien eines Begnadigungsgesuches nicht streng zu nehmen.

Dabei darf jedoch bezüglich der Abfassung von Eingaben durchandere Personen als den Verurteilten an Art. 419 des Strafgesetzentwurfes erinnert werden. Zieht man zudem in Betracht, dassWisler, wie seine Schreiben aus der Haft ergeben, keineswegsschreibungewohnt ist, so ist der Antrag zulässig, auf die vorliegende Eingabe bereits mangels Legitimation zur Stellung eine» Begnadigungsgesuches nicht einzutreten.

Den Strafvollzug betreffend liegen vor die Anordnung der Umwandlungshaft durch die Zollverwaltung, die Stellungnahmeder Bundesanwaltschaft, wonach Wisler wenig oder kein Entgegenkommen verdiene, weshalb von einer Haftentlassung abzusehen sei oder diese bestenfalls nach drei Monaten erfolgen solle,, schliesslich die Ablehnung jeder Unterbrechung des Strafvollzuges durch die Polizeiabteilung.

Die Oberzolldirektion beantragte zwar, die Umwandlungshaft, in Anbetracht des geltenden Umrechnungsansatzes zu ermässigen und ihn bereits am 23. Juli 1921 zu entlassen. Dass dem nicht Folge gegeben wurde, liegt an den über Wisler eingegangenen Berichten. Von der Oberzolldirektion wird er, in längerer Darstellung, sehr ungünstig beurteilt. Sein Verhalten in der Strafanstalt war laut Mitteilung der Strafanstaltsleitung schlecht. Hinzu kommen Äusserungen, die zum Schlüsse führen müssen, die Nichtentrichtung der Bussen beruhe auf Böswilligkeit. So wenn Wislerschreibt: ,,Es mag nun gehen, wie es will, die Oberzolldirektion erhält keinen Cent mehr von mir." Für sein anstössiges Benehmen spricht nicht zuletzt die Art des Glossierens einer Zuschrift der Zollverwaltung vom 5. Januar 1921. Wisler wurde weiterhin am 28. April 1919 vom Strafgericht Basel wegen Nichtanmeldens und verbotenen Handels mit Arzneimitteln zu Fr. 800 Busse ·· verurteilt.

Nach all dem handelt es sich um einen lästigen Ausländer,, der wenig wählerisch ist in den Mitteln, sich durchzusetzen. Die Anregung, allfällig zu prüfen, ob Wisler nicht auf Grund vont;

81 Art. 70 der Bundesverfassung vom Bundesrate auszuweisen sei, wird deshalb zu näherer Prüfung vorbehalten. Übrigens ist zurzeit bereits ein kantonales Ausweisungsverfahren anhängig, das deshalb noch unerledigt ist, weil Wisler gegen den Entscheid desRegierungsrates den Rekurs an den Grossen Rat des Kantona Basel-Stadt ergriffen hat. Gegenwärtig befindet sich Wisler ausser Landes. Er war seinerzeit auf verbotene Weise eingereist und wurde aus diesem Grunde nach Verbüssung der Strafen wiederum an die Grenze gestellt.

Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die Angelegenheit nicht einzutreten ist, einmal mangels eines zureichenden Begnadigungsgesuches und weiterhin wegen erfolgten Strafvollzuges.

73. Georg S c h a f f n e r , verurteilt am 15. Oktober 192O vom Obergericht des Kantons Schaffhausen zu vier Wochen Gefängnis und Fr. 15,000 Busse.

Schaffner hat sich laut Urteil als Urheber und Komplottant schuldig gemacht des vollendeten Vergehens in fortgesetzter Tat im Betrage von Fr. 36,042 und des Versuches im Betrage von Fr. 4130. In Betracht kam eine ausgedehnte Schmuggelorganisation, in der Schaffner zur Hauptsache für das Verbringen der Ware über die Grenze sorgte.

Von einem Begnadigungsgesuch erfuhr der Bundesrat erstmals, als die Petitionskommission des Grossen Rates des Kantons Schaffhausen Ende August von einem bei der kantonalen Begnadigungsbehörde anhängigen Gesuch Schaffners berichtete und bekanntgab, die Petitionskommission erachte die kantonale Behörde als unzuständig. Gleichzeitig wurde die Bundesbehördeersucht, sich über die Zuständigkeitsfrage telegraphisch auszusprechen. Als Antwort erfolgte, dass das Begnadigungsrecht einzig der Bundesversammlung zukomme. Am 20. September sodann gelangte die Oberzolldirektion, Schaffner betreffend, an die Polizeiabteilung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes ala Strafvollzugsbehörde. In dem längeren Bericht wurde.darauf hingewiesen, dass der Strafvollzug in dieser Angelegenheit ungebührlich hinausgezogen werde, und ersucht, von Bundes wegen den Vollzug anzuordnen. Dementsprechend verfügte die Polizeiabteilung am 22. September den sofortigen Strafvollzug. Ende September erfolgte beim Bundesrat die Eioreichung eines Begnadigungsgesuches zuhanden der Bundesversammlung und, gesondert hiervon, beim Justiz- und Polizeidepartement ein Strafaufschubsgesuch, um Vernehmlassung angegangen, teilte die Bundesanwaltschaft mit, dass sie Abweisung des Begnadigungsgesuches

«2 ^beantrage. Nach dea besondern Umständen des Falles wurde es der Polizeiabteilung anheimgestellt, es bei dem am 22. September angeordneten Strafvollzug bewenden zu lassen oder aber Schaffner gegenüber zunächst nur zwei Wochen zu vollziehen.

Mit Schreiben vom 6. Oktober und neuerdings vom 26. Oktober -wiederholte die Polizeiabteilung die sofortige Anordnung des Strafvollzuges. Dies zeitigte am 4. November die telephonische Mitteilung der kantonalen Vollzugsbehörde, dass Schaffner nach amtsärztlichem Befund vorläufig nicht strafersfcehungsfähig sei.

Schaffner wird demnach zur Zeit der Behandlung von Begnadigungsgesuchen durch die Bundesversammlung die vier Wochen Gefängnis nicht verbüsst haben, so dass auf das Begnadigungsgesuch einzutreten ist.

Das Gesuch stellt in den Vordergrund, dass die Gerichtsminderheit von einer Gefängnisstrafe habe absehen wollen im Hinblick auf die ungleiche Erledigung von Strafsachen betreffend Ausfuhrschmuggel. Wäre Schaffner administrativ beurteilt worden, so hätte er gleich andern einzig mit einer Busse sühnen müssen.

Unter Hinweis auf die von der Gerichtsminderheit in diesen und in weitern Punkten eingenommene Stellung wird im Begnadigungsgesuch um gänzlichen Erlass oder doch Herabsetzung der Gefängnisstrafe ersucht. Abgesehen von dieser Bezugnahme auf «inen Teil der Urteilserwägungen wird besonders geltend gemacht: Die mitverurteilten, in der Folge dem Strafvollzug entgangenen Ausländer hätten, zu Unrecht die Hauptschuld auf Schaffner abgewälzt, obschon er in Wirklichkeit nur dem unausgesetzten Drängen des Schiebers Ganzi unterlegen sei. Die lange Dauer des Verfahrens, wofür die Angeschuldigten nur teilweise verantwortlich seien, sei für Schaffner eine besonders schwere Last gewesen. Es handle sich bei der Schmuggelware nicht um Lebensrnittel oder sonst für die Versorgung notwendige Waren.

Da Schaffner hier Bezug nimmt auf den geschmuggelten Pfeffer, möchten wir, um diesen Punkt auszuschalten, daran erinnern, dass die Praxis des Bundesgerichts in Kriegswuchersachen Pfeffer immer als unentbehrlichen Bedarfsgegenstand betrachtet hat.

Weiterhin wird von Schaffner der Vorwurf der Gewinnsucht bestritten und schliesslich auf die schwer erschütterte Gesundheit hingewiesen.

Gegenüber diesen Gesuchsanbringen nehmen wir ebenfalls zur Hauptsache Bezug auf die Darlegungen des Obergerichts des Kantons Schaffhausen. Dies soll aber auch da gelten, wo die Urteilserwägungen nicht nur die Milderungsgründe dartun, sondern

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-den Schuldspruch und die mehrheitlich beschlossene Strafausmessung überzeugend begründen. Der Gerichtsminderheit ist zwar einzuräumen, dass die Organisation in der Strafverfolgung von Ausfuhrschmuggelfällen und die Spruchpraxis der verschiedenen Strafbehörden im einzelnen Falle der Frage rufen konnten, wie es mit dem Strafmass und der Strafart zu halten sei, um die notwendige Einheitlichkeit richterlichen Vorgehens zu wahren. Es entspricht dies dem Bedürfnis nach ausgleichender Gerechtigkeit, ·das sich gerade auch im Begnadigungsverfahren in mannigfacher "Weise stets erneut geltend macht, soweit in einem Einzelfall die Begnadigung nicht vornehmlich als Gnade, sondern als Herbeiführung des Richtigen und Gerechten anbegehrt wird. Aber auch wenn wir von diesen Gesichtspunkten an die Verurteilung Schaffners herantreten, so überwiegt der Eindruck, dass die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe notwendig und angemessen war.

Sein Verhalten ist unbestritteaermassen nicht leicht zu nehmen, ·es handelte sich um eine überaus raffinierte Sehmuggelorganisation.

Schaffner war eben doch der eigentliche Anführer, der auch den Hauptgewinn in seine Taschen steckte. Die gerichtliche Feststellung, ,,dass sich die Angeklagten in ihren Einvernahmen in lügenhaften Darstellungen des Tatbestandes förmlich zu überbieten suchten", der nicht wegzuräumende Umstand, dass nicht etwa aus Not, sondern laut Urteil ,,aus gemeinen, gewinnsüchtigen Motiven11 geschmuggelt wurde, kurzum die persönliche Qualifikation des Verurteilten und heutigen Gesuchstellers lassen es zu, von einer Person zu reden, die im Begnadigungswege wenig Interesse zu erwecken vermag. Sollte schliesslich die Behauptungvorhandener Rechtsungleichheit in der Beurteilung von Schmuggelstrafsachen im einzelnen Falle den Erlass einer Freiheitsstrafe ernstlich nahelegen können, so halten wir denn doch mit Nachdruck daran fest, dass sicherlich nicht Schaffner zu denjenigen Verurteilten gehört, denen gegenüber eine besondere Härte zur Anwendung gelangte. Wir teilen deshalb als antragende Behörde zuhanden der Begnadigungsinstanz die Auffassung der Gerichtsmehrheit, wonach es bei der Zubilligung gewisser Strafiriinderungsgründe sein Bewenden haben soll.

Mit der Oberzolldirektion macheu wir schliesslich geltend -- ·und dies berührt die vorhandenen Anordnungen im Strafvollzug
-- dass der Fall Schaffner die Zoll- und Gerichtsbehörden über Gebühr beschäftigt hat und sich seine endliche Erledigung geradezu aufdrängte. Dementsprechend beantragen wir heute, das Begnadigungsgesuch abzuweisen. Diesen Antrag halten wir aufrecht auch für den Fall, dass der Verurteilte mit Rücksicht auf

84 seinen Gesundheitszustand weiterhin straferstehungsunfähig bleibem sollte. In Vorschlag kommt somit die gleiche Erledigung, wie-sie im Antrage 75 hiernach näher erörtert wird.

74. Karl K u g l e r , verurteilt am 21. Oktober 1920 vom> Obergericht des Kantons Thurgau zu zweieinhalb Monaten Gefängnis, unter Abzug von 14 Tagen Untersuchungshaft, und Fr. 200O Busse.

Ein von Kugler eingereichtes Begnadigungsgesuch hat die Bundesversammlung in der Sommersession 1921 antragsgemäss abgewiesen (zu vergleichen Antrag 8 des Berichtes vom 1. April 1921, Bundesbl. I, 533). Der Verurteilte, dem wiederholt Strafaufschub erteilt worden war, verbüsst nunmehr die am i. November angetretene Gefängnisstrafe. Ein Ende Oktober von Frau Kugler ohne Wissen des Ehemannes beim Bundespräsidenten eingereichtesWiedererwägungsgesuch gab Anlass, das Polizeidepartement desKantons Thurgau, Kugler betreffend, um einen Bericht anzugehen;, und insbesondere Kugler vom Amtsarzt untersuchen zu lassen..

Nach der am 9. November eingelangten Antwort und dem beigelegten ärztlichen Gutachten steht fest, dass Kugler durchausstraferstehungsfähig ist. Das Polizeidepartement des Kantons Thurgau beantragt deshalb Abweisung des Wiedererwägungsgesuches. Wir übernehmen diesen Antrag. Der Umstand, dass Kugler selbst sich mit dem Vollzug der Strafe abgefunden hat und dem ohne seift Wissen verfassten Wiedererwägungsgesuch auch heute nicht beitritt, vermag die Begründetheit unserer Stellungnahme deutlich darzutun.

A n t r ä g e : Bei Seringer Herabsetzung der Busse von/ Fr. 15,000 bis zu Fr. 5000, bei Ruppert von Fr. 2000 bis zu Fr. 1000, bei Grubenmann Abweisung zurzeit, bei Greis und Wisler Nichteintreten, bei Schaffner und Kugler Abweisung.

75. Hermann Weiss-Kalchschmid, geb. 1847, gewesener Bankier,, Basel.

(Verbotene Einfuhr von Silbergeld.)

75. Hermann W e i s s - K a l c h s c h m i d und dessen Ehefrau wurden am 4. April 1921 vom Appellationsgericht des Kantons.

Basel-Stadt schuldig erklärt der wiederholten Begünstigung verbotener Münzeinfuhr. Weiss wurde in Anwendung der Art. l, 3, 4 des Bundesratsbeschlusses vom 4. Oktober 1920 und Art. 23, 24 des Bundesstrafrechts verurteilt zu drei Wochen Gefängnis und

85 Fr. 5000 Busse. Die beim Bundesgericht eingereichte Kassations«beschwerde wurde am 27. September 1921 abgewiesen.

Das Bankhaus Weiss hat laut Urteilserwägungen in der .Zeit nach Inkrafttreten des Bundesratsbeschlusses vom 4. Oktober mindestens Fr. 900,000 in silbernen Fünffrankenstücken von «Schmugglern eingewechselt. Nachdem das Geschäft verkauft worden war, verkehrten die Schmuggler in der Privatwohnung -der Eheleute. Eine der Schmugglerinnen war Thérèse Lang.Meyer, deren Begnadigungsgesuch mit Rücksicht auf die lange 'Dauer der Umwandlungshaft in der Herbstsession 1921 teilweise ;gutgeheissen wurde (zu vergleichen Antrag 3 des Berichtes vom -30. September, Bundesblatt 1921, IV, 400). Wenn auch die Haupttätigkeit der Ehefrau zur Last fällt, steht fest, dass der 'heutige Gesuchsteller an den Begünstigungshandlungen ebenfalls ·wesentlich beteiligt war.

Nachdem für die Eheleute Weiss bei den Bundesbehörden ^zunächst ein Strafaufschubsgesuch eingereicht worden war, das -dann an die Basler Behörde weitergeleitet wurde, ersuchte Hermann Weiss, ihm die 3 Wochen Gefängnis zu erlassen. Die Verhandlungen vor erster und oberer Instanz seien unter dem fälschlichen Verdachte vor sich gegangen, die im Verlaufe des Prozesses verschwundenen Akten seien von ihm absichtlich unterdrückt worden. Das erkläre die hohe, die Anträge des Staats.·anwaltes übersteigende Strafe. Wegen jener Anschuldigung, also in ·unmittelbarem Zusammenhang mit dem Silberschmuggelfall, habe ·er zwei Wochen in Untersuchungshaft verbracht, ohne dass ihm in der Folge die geringste Schuld hätte nachgewiesen werden können, weshalb es dann zu einem Freispruch gekommen sei.

Weiterhin verweist der Gesuchsteller darauf, dass er am 1. September 1847 geboren sei, somit über 74 Jahre zähle. Er sei ohne Vorstrafe, gut beleumdet, zudem gesundheitlich stark hergenommen. Aus all diesen Gründen möge man ihm die Gefängnisstrafe ganz oder doch teilweise erlassen. Insbesondere sei daran zu erinnern, dass im Kanton Basel-Stadt Gefängnisstrafen bis zu 14 Tagen im Untersuchungsgefängnis (Lohnhof) verbüsst ·werden könnten.

Zu der Angelegenheit nehmen Stellung das Polizeidepartemeut ·des Kantons Basel-Stadt und die kantonale Staatsanwaltschaft.

Die erstere Behörde stellt fest, dass der Fall Weiss zu den krassesten Fällen von Silberschmuggel gehöre, die sich in Basel «ereignet hätten. Insbesondere wird aber geltend gemacht, der Einwaud, nicht straferstehungsfähig zu sein, gehöre nicht vor die

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Begnadigungsinstanz, sondern vor don Gerichtsarzt und die Strai-vollzugsbehörde. Es wird Abweisung des Gesuches beantragt.

Ebenso stellt einen Abweisungsantrag der I. Staatsanwalt~ Die dem Gesuchsteller auferlegte Strafe sei die durchaus gerechteSühne für die begangenen Vergehen. Unbedingt unrichtig sei dieBehauptung, Weiss erfreue sich hier eines guten Leumundes. Die Tatsache sodann, dass er bereits 74 Jahre alt sei, habe keine Bedeutung. Sofern ihn der Gerichtsarzt als haftfähig bezeichne, könne die Strafe vollstreckt werden, andernfalls müsse eben vom Vollzuge Umgang genommen werden. Übrigens habe die, bereitsvom Gesuchsteller erwähnte, Untersuchungshaft von zwei Wochen diesem gesundheitliche Nachteile nicht verursacht.

Wir haben uns anlässlich der Behandlung des Wiedererwägungsgesuches Beck, das in der Sommersession 1921 antragsgemäss erledigt wurde, eingehend über die Art und Weise ausgesprochen, in der im Begnadigungsverfahren zu geltend gemachter Krankheit Stellung zu nehmen ist. Wir verweisen diesbezüglich, auf unsere damaligen Ausführungen (zu vergleichen Antrag 63 desii. Berichtes vom 13. Mai 1921, Bbl. 1921, III, 169). Danach ergibt sich, dass die eidgenössische Begnadigungspraxis das von den Basler Behörden angerufene Verfahren ebenfalls kennt, indem?

mehrfach Gesuchsteller abgewiesen und die Berücksichtigung behaupteter Krankheit den Strafvollzugsbehörden überlassen wurde..

Wir haben zwar gleichzeitig ausdrücklich betont und halten daran, fest, dass sich die Begnadigungsbehörde die Möglichkeit anderen Vorgehens wahren müsse. Im Falle Weiss beantragen wir jedoch, unbedenklich, die Erledigung des Falles dem Strafvollzug anheimzustellen. Es ergibt sich unseres Erachtens, dass anderweitigeKommiserationsgründe keineswegs vorhanden sind, und es drängt sich die Ansicht geradezu auf, Weiss habe, wenn irgendwie angängig, die drei Wochen Gefängnis zu verbüssen. Sie bedeuten in der Tat nichts anderes als seine wohlangebrachte Bestrafung..

A n t r a g : Abweisung.

76. Oswald Rödder, geb. 1876, Kutscher, Bingeu bei Sigmaringen: (Hohenzollern).

(Waffeneinfuhrverbot.)

76. Oswald R ö d d e r wurde am 10. Mai 1921 vom Bezirksgericht Baden in Anwendung des Bundesratsbeschlusses betreffend das Verbot der Einfuhr von Kriegsgerät vom 26. November

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1918/14. September 1920 verurteilt zu Fr. 10 Busse, Konfiskation einer Mauserpistole mit Munition und Fr. 14 Kosten und Gebühr.

Rödder, der im Herbst 1920 in die Schweiz einreiste, wurde in der Folge an seinem Aufenthaltsort eine Mauserpistole mit 7 Patronen abgenommen, die er in seinem Koffer aufbewahrt hatte.

In dem Gesuch um Erlass von Busse und Kosten verweist Rödder auf den Umstand, dass ihn die Verurteilung bei den Valutaverhältnissen ungebührlich hart beeinträchtige. Man möge es deshalb bei der Konfiskation von Waffe und Munition bewenden lassen und berücksichtigen, dass er arbeitslos, kränklich und verheiratet sei und für drei Kinder sorgen müsse. Das Waffeneinfuhrverbot habe er nicht gekannt und irgendeine böse Absicht nicht verfolgt.

In Zustimmung zu dem Mitbericht des urteilenden Gerichtes beantragen wir, die Geldbusse zu erlassen, da es sich in der Tat um einen geringfügigen Fall handelt und Rödder schon durch die Konfiskation der Waffe eine erhebliche Einbusse erlitten hat.

Die Schilderung seiner misslichen Verhältnisse berührt uns weniger, denn es steht ihr entgegen, dass Rödder bei seinem Aufenthalt im Kanton Aargau in Begleitung einer Geliebten betroffen wurde.

A n t r a g : Erlass der Busse von Fr. 10.

77. Société du Moulin agricole d'Ogens (Waadt).

78. Jules Hegelbach, Bäcker, Moudon (Waadt).

(Vorschriften über die Brotversorgung.)

Von der eidgenössischen Kommission für wirtschaftliche Straffälle wurden, gestützt auf die einschlägigen Bestimmungen betreffend Brotversorgung, verurteilt: 77. Die Société du Moulin agricole d 1 0 g e n s am 14. Oktober 1920 zu Fr. 9000 Busse.

Von der Genossenschaft wurden in den Jahren der Kriegswirtschaft beträchtliche Mengen Mehl kartenfrei und zu Preisen, abgegeben, die das Ernährungsamt als wucherisch bezeichnet. Es handelt sich um eine ganze Reihe schwerer Verfehlungen, die einen unerlaubten Gewinn von mindestens Fr. 7600 zeitigten. Esist für die systematische Missachtung der in Betracht kommenden Vorschriften durch die Genossenschaft bezeichnend, dass zur Verschleierung der Tatsachen ein doppeltes Verkaufsbuch geführt.

wurde.

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la dem für die Genossenschaft eingereichten Gesuch um angemessene Herabsetzung der Busse werden die Verfehlungen nicht bestritten. Diese -- so wird gesagt -- ,,führen sich in der Hauptsache darauf zurück, dass ein Geschäftsführer der Société du Moulin- agricole d'Ogens ohne Wissen und Willen der grossen Mehrzahl der Gesellschafter sich über die gesetzlichen Bestimmungen hinwegsetzte und nach eigenem Gutdünken wirtschaftete, wie es leider nach der Auffassung gewisser Kreise, namentlich in der französischen Schweiz, während der Kriegsjahre geradezu zum Sport wurde, den eidgenössischen Vorschriften auf dem Gebiete der Rationierung und der Höchstpreise Widerstand entgegenzusetzen oder diese wenigstens nicht innezuhalten14. Die Genossenschaft sei ein Opfer dieser Auffassung geworden. Der Zweck der Abschreckung, der in der Höhe der Busse zum Ausdruck komme, falle nunmehr ausser Betracht. Die Herabsetzung deiBusse rechtfertige sich zudem um so eher, als tatsächlich das ganze Unternehmen, an dem bei 150 Personen beteiligt seien, -durch die Eintreibung der Busse schwer geschädigt und dem Ruin entgegengeführt werde. Eine Teilzahlung von Fr. 1500 sei bereits geleistet worden.

Nach Überprüfung der Akten muss in den Vordergrund gestellt werden, dass laut Mitteilung der Abteilung für Monopolwaren der vorliegende Straffall einer der schwersten, wenn nicht ·geradezu der schwerste aus dem Gebiete der Brotversorgung ist.

Für Einzelheiten verweisen wir auf den längern Mitbericht des Ernährungsamtes. Die Reihe der Verurteilungen, die zunächst gegenüber dem Obermüller ausgesprochen wurden, eine Bestrafung der Genossenschaft vom 4. Oktober 1919 mit Fr. 400, der un-erlaubte Gewinn von jedenfalls Fr. 7600 veranlassen uns, im .Zusammenhang mit den übrigen Verumständungen des Straffalles, wie der geheimen Buchung, dem vom Ernährungsamt gestellten Abweisungsantrag zuzustimmen.

78. Jules H e g e l b a c h , verurteilt am 16. April 1921 zu Fr. 2000 Busse.

Aus dem Bericht des Ernährungsamtes ergibt sich, dass die Busse am 25. Oktober 1921 vollständig bezahlt wurde.

Wir beantragen deshalb Nichteintreten. Wäre auf die Angelegenheit einzutreten gewesen, so hätten wir aus den vom Ernährungsamt geltend gemachten Gesichtspunkten Abweisung be.antragt.

A n t r ä g e : A b Weisung der Société du Moulin agricole d'Ogens, .Nichteintreten bei Hegelbach.

&9 79. Karl Pfau, ehemals Inhaber eines Kraftfuttergeschäfts, Basel.

(Handel mit Futtermischungen.)

79. Karl P f a u wurde am 12. März 1921 von der eidgenössischen Kommission für wirtschaftliche Straffälle in Anwendung der Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 7. Januar 1918 betreffend Überwachung der Herstellung und des Vertriebes von Düngemitteln, Futtermitteln und andern Hilfsstoffen der Landwirtschaft und deren Nebengewerbe verurteilt zu Fr. 500 Busse.

Pfau hat im Jahre 1920 ansehnliche Mengen Futtermischungen hergestellt und in den Handel gebracht, ohne im Besitze der vorgeschriebenen Bewilligung zu sein.

Seine Ehefrau ersucht nunmehr um Erlass der noch nicht bezahlten Fr. 400. Sie nimmt namentlich Bezug auf die Folgen der amtlichen Schliessung des' Geschäftes, auf die längere Abwesenheit des Mannes wegen Rekrutenschule und Wiederholungskurses, um darzutun, dass die Eheleute um ihre Ersparnisse gekommen seien und einem schweren Winter entgegengehen.

Laut Bericht des Polizeidepartements Basel arbeitete Pfau im August als Taglöhner.

Mit dem eidgenössischen Ernährungsamt beantragen wir angesichts der anscheinend bedrängten Familienlage, die Fr. 400 zu erlassen. Für Einzelheiten nehmen wir zudem Bezug auf die ausführliche Vernehmlassung der Zentralverwaltung der schweizerischen landwirtschaftlichen Versuchs- und Untersuchungsanstalten.

A n t r a g : Erlass der Fr. 400.

80. Louis Rais, Brennmaterialienhändler, Lausanne.

(Vorschriften betreffend Brennmaterial.)

80. Louis R a i s wurde am 16. April 1921 von der eidgenössischen Kommission für wirtschaftliche Straffälle, gestützt auf die Art. 3 und 16 der Verfügung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 29. März 1919 betreffend den Verkehr mit Brennmaterial und die Art. l und 5 der Departementsverfügung vom 27. Mai 1919 betreffend Höchstpreise für den Verkauf von Kohle, zu Fr. 1000 Busse verurteilt.

Die Société Charbonnière Rais, die 150 Tonnen englischen Kohlenstaubs erstanden hatte, verkaufte hievon am 2. November Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. V.

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90 1920 129,800 kg zum Preise von Fr. 150 per Tonne. Rais machte sich damit zweier Übertretungen schuldig. Einmal verkaufte er den Kohlenstaub, ohne zum Kohlenhandel ermächtigt zu sein, und zudem überschritt er den damaligen Höchstpreis um Fr. 25 per Tonne. Da die Firma ihrerseits bereits Fr. 144 bezahlt hatte, betrug der Gewinn per Tonne allerdings nur Fr. 6.

In dem für Rais eingereichten Begnadigungsgesuch um Erlass oder doch Herabsetzung der Busse wird darzutun versucht,, der Entscheid der Strafkommission stelle bei Berücksichtigung des gesamten Tatbestandes entschieden eine Härte dar. Namentlich wird gesagt, Rais habe die Ware ausschliesslich zur Abgabe an eine Brikettfabrik erworben, die sie ihm zu Briketts verarbeiten sollte. Es sei Ware ausser Kontingent gewesen, auch sei der Vermittler des Ankaufes keineswegs bestraft worden. Das Geschäft habe niemanden geschädigt, die Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis kaum die Spesen gedeckt. Der Gesuchsteller habe anderweitige Anstände mit Bezug auf Notverordnungen nicht gehabt, die Firma geniesse einen guten Ruf, heute seien die Vorschriften aufgehoben, anderseits eine Busse von Fr. 1000bei dem gegenwärtigen schlechten Geschäftsgang eine starke Belastung.

Das Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements stellt fest, dass die Gesuchsanbringen gegenüber den im Strafverfahren erfolgten Eingaben keine neuen Tatsachen enthalten. Rais habe die zur Zeit der Widerhandlungen geltenden Vorschriften offensichtlich verletzt. Trotzdem dürfe es sich vielleicht mit Rücksicht auf die verhältnismässige Geringfügigkeit der Übertretung empfehlen, die Busse um die Hälfte zu ermässigen.

Mildernd wirke auch der Umstand, dass die verletzten Bestimmungen seither aufgehoben und nennenswerte andere Interessen nicht geschädigt worden seien.

Die Bundesanwaltschaft bemerkt hierzu, dass es zwar grundsätzlich zulässig sei, mit Bezug auf Urteilsfolgen im Begnadigungswege veränderten Verhältnissen Rechnung zu tragen. In welchem Umfang dies erfolgen solle, sei Ermessenssache und ergebe sich von Fall zu Fall. Der Verfasser des vorliegenden Gesuches könne ernstlich nicht geltend machen, dass Rais zu Unrecht verurteilt worden sei. Es brauche deshalb lediglich überprüft zu werden, ob die Strafausmessung und namentlich der heutige Vollzug der Strafe eine
besondere Härte darstelle und ob es aus Kommiserationsgründen naheliege, von dem Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen. Diesbezüglich wird nun zunächst daran er-

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innert, dass die in Betracht kommenden Vorschriften schon aufgehoben waren, als am 15. Februar 1921 die Angelegenheit der Strafkommission mit einem Strafantrag auf Fr. 1500 unterbreitet wurde. Der Entscheid der Strafkommission lautend auf Fr. 1000 erging am 16. April, die Einreichung des Gesuches erfolgte etwa vier Monate später. Die Gesuchsan bringen sodann enthalten, wie bereits erwähnt, keine aeuen Tatsachen. Es wird lediglich in allgemeiner Weise Bezug genommen auf den schlechten Geschäftsgang.

Werden diese Verhältnisse verglichen mit den Anträgen, die der Begnadigungsbehörde in anderen Fällen betreffend Übertretung von Noterlassen unterbreitet wurden, wie in Fällen von Ausfuhrschmuggel, Zuwiderhandlung gegen die Brotversorgung, die Mahlvorschriften und dergleichen mehr, so muss gesagt werden, dass Kais die Entrichtung der Fr. 1000 zugemutet werden darf. Es handelt sich um zwei Übertretungen, zudem war die Ware, die bedeutend über den Höchstpreis gehandelt wurde, noch minderwertig. In einem Schreiben der Schweizerischen Kohlengenossenschaft werden der Verkauf des minderwertigen Materials an Rais und die Höchstpreisiiberschreitungen sogar als Schiebergeschäfte hingestellt.

A n t r a g : Abweisung.

81. Fritz Fuchs, geb. 1880, Agent, Bern.

(Vorschriften betreffend Käserationierung.)

81. Fritz F u c h s wurde am 9. Dezember 1919 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern, gestützt auf die einschlägigen Erlasse betreffend den Verkauf von Käse und die Käsekarte, verurteilt zu Fr. 2000 Busse.

Fuchs betrieb zur Zeit der Rationierungsvorschriften den Schleichhandel mit Käse in grösserm Umfang.

Im September 1920 wurde für Fuchs um teil weisen Erlass der Busse ersucht und dies namentlich mit der bedrängten Lage der Familie begründet. Damals wurde gesagt, Fuchs könnte unter Umständen die Hälfte der Busse aufbringen. Am 10. Juni 1921 sodann versprach Fuchs persönlich eine Anzahlung von Fr. 500.

In Wirklichkeit wird heute noch die ganze Busse geschuldet.

Über den Gesuchsteller liegen mehrere meist wenig günstige Berichte und dementsprechend Abweisungsanträge vor. Weiterhin

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befindet sich in den Akten ein Gutachten der Direktion Burghölzli. Von der Bundesanwaltschaft wurde ferner Einsicht genommen in die kantonalen Begnadigungsakten, die die Abweisung eines Gesuches um Erlass einer Korrektionshausstrafe von sechs Monaten wegen Betruges und Pfändungsbetruges betreffen.

Wir beantragen heute, das Gesuch zurzeit abzuweisen. In Zustimmung zu den Gesuchsanbringen ist zwar einzuräumen, dass jedenfalls von einer Umwandlung der Busse in ein Jahr Gefängnis abzusehen sein wird. Anderseits geht es nicht an, Fuchs entgegenzukommen, bevor er nach Möglichkeit bezahlt oder sich über sein Zahlungsunvertnögen gehörig ausgewiesen hat. Der zwischen der Bundesanwaltschaft und der kantonalen Vollzugsbehörde ergangene Meinungsaustausch führte zum Ergebnis, eine Begnadigung könnte zurzeit mitverursachen, dass Fuchs weiterhin von der Aufnahme einer ernsthaften Tätigkeit absieht und, statt sich aufzuraffen, in seiner beschaulichen und sorglosen Lebensart verharrt. Damit wäre weder ihm noch auch seinen Angehörigen geholfen.

A n t r a g : Abweisung zurzeit.

Genehmigen Sie die Versicherung Hochachtung.

unserer vollkommenen

B e r n , den 19. November 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1921.) (Vom 19. November 1921.)

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1921

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47

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1482

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23.11.1921

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