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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Berechnung des Erwerbes oder Reingewinnes für die erste Steuerperiode der neuen ausserordentlichen Kriegs-steuer (Bundesbeschluss vom 28. September 1920).

(Vom 30. Mai 1921.)

Am 28. September 1920 wurde der Bundesbeschluss betreffend die neue ausserordentliche Kriegssteuer in der Schlussabstimmung durch Ihre Eäte angenommen. Nach diesem Bundesbeschluss und nach dem Verfassungsartikel vom 14. Februar 1919 wird die Kriegssteuer in vierjährigen Raten erhoben. Diese Tatsache bedingt, wie wir in der Botschaft vom 2. August 1919 ausgeführt haben, dass der Berechnung des Erwerbes, des Reingewinnes und der Tantiemen in der zweiten und den folgenden Perioden die Ergebnisse der vier Vorjahre zugrunde gelegt werden. Für die erste Periode bestand diese Notwendigkeit nicht.

Der bundesrätliche Entwurf sah vor, dass für die erste Periode .auf die Ergebnisse von zwei Vorjahren abgestellt werde. Er liess sich dabei von der Auffassung leiten, dass von den damals in Frage kommenden vier Vorjahren 1916 bis und mit 1919 drei ausgesprochene Konjunktur jähre waren, deren Ergebnisse bereits durch die Kriegsgewinnsteuer erfasst wurden. Ihre Räte beschlossen, entgegen dem Antrage des Bundesrates, dass auch in der ersten Steuerperiode auf die Ergebnisse der vier Vorjahre abgestellt werden solle. Nachdem das Inkrafttreten des Bundesbeschlusses um ein Jahr verschoben wurde, kamen als Vorjahre in Frage die Jahre 1917 bis und mit 1920.

Inzwischen sind Änderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten, die den Beschluss der Bundesversammlung, wonach die Steuer auch für die erste Periode auf Grund der Ergebnisse der vier Vorjahre berechnet werden soll, für eine Reihe von Steuerpflichtigen als eine Unbilligkeit und eine Härte erscheinen lassen.

Über die Verheerungen, welche die im zweiten Halbjahre 1920 eingetretene und sich beständig noch verschärfende Wirtschaftskrise .schon angerichtet hat und noch weiter anrichtet, brauchen wir keine Worte zu verlieren.

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Am schärfsten von dieser Krise betroffen sind eine Eeihe von Wirtschaftsgruppen, für die 1917 und 1918 Jahre der Hochkonjunktur waren. Werden bei der Festsetzung der Steuer diese Jahremitberücksichtigt, wie es der Bundesbeschluss vom 28. September 1920 verlangt, so ergeben sich Steuerbeträge, die in einem argen Miss Verhältnis zur heutigen Leistungsfähigkeit dieser Gruppen stehen.

Gestützt auf diese Verhältnisse hat der Schweizerische Bauernverband am 26. März 1921 an den Bundesrat das Gesuch gerichtet,, er möchte der Bundesversammlung eine Abänderung des Bundesbeschlusses in dem Sinne vorschlagen, dass der Erwerb statt auf Grund von vier Vorjahren gestützt auf die Ergebnisse des Jahres 1920, eventuell der Jahre 1919 und 1920, berechnet werde. Unterm 5. April 1921 schloss sich der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins diesem Begehren an. Das eidgenössische Finanzdepartement lud verschiedene andere Interessengruppen zur Äusserung ihrer Ansicht ein. Dabei wurde dem Abänderungsbegehren insbesondere von Seiten des Schweizerischen Bundes der Festbesoldeten und der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände, heftige Opposition gemacht.. Von acht kantonalen Kriegssteuerverwaltungen, die in der Sache zur Vernehmlassung eingeladen wurden, sprachen sich sieben ebenfalls gegen eine Änderung aus.

Die allseitige Prüfung der Angelegenheit führte den Bundesrat zur Überzeugung, dass einerseits die Begehren der Landwirtschaft und besonders der Industrie und des Handels vollauf begründet sind und dass ihnen entsprochen werden sollte, dass aber anderseits eine allgemeine Verkürzung der Berechnungsperiode von vier auf zwei Jahre eine erhebliche Benachteiligung der Festbesoldeten und anderer unselbständig Erwerbender bedeuten würde. Angesichts, dieser Situation drängte sich eine Lösung auf, die wohl den berechtigten Forderungen der Landwirtschaft und der Industrie entgegenkommt, die aber für andere Erwerbsgruppen keine Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Eechtszustande bedeutet. DieseLösung geht dahin, dass zwei Berechnungsperioden vorgesehen werden: diejenige der Art. 60, 64, 70 und 72 des Bundesbeseblussesvom 28. September 1920, die die vier letzten dem Beginn der Steuerpfücht vorangehenden Jahre umfasst, und eine durch einen neuen Bundesbeschluss aufzustellende kürzere Periode,
die die zwei letzten dem Beginne der Steuerpflicht vorangehenden Jahre umschliesst..

In jedem Steuerfall ist diejenige Berechnungsperiode anzuwenden, die für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Diese Lösung ist in Art. l des beiliegenden Entwurfes enthalten. Dabei ist zu bemerken, dass.

eine Herabsetzung der Berecbnungsperiode auf ein Jahr, wie sie-

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verlangt wurde, nicht angängig erscheint. Die Berechnungsperiode ist entscheidend für die Steuerleistung von vier Jahren. Würde dabei lediglich auf die Ergebnisse eines Jahres abgestellt, so wäre dem Zufall ein zu grosser Einfluss eingeräumt. Dies in erhöhtem Masse, wenn es sich um ein Jahr handelt, wie 1920, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes keineswegs normale waren.

Das Veranlagungsverfahren für die Kriegssteuer ist gegenwärtig im Gange; es ist in den Kantonen verschieden weit vorgeschritten. Die Art. 2 und 3 des Bundesbeschlusses bezwecken, die Abänderung des Steuerrechtes den verschiedenen Stadien des Veranlagungsverfahrens anzupassen. Im Zeitpunkte, in dem dieser Bundesbeschluss in Kraft treten wird, werden die Steuerpflichtigen in einer Anzahl von Kantonen ihre Steuererklärungen noch nicht abgegeben haben. In diesen Fällen erscheint es zwecklos, vom Steuerpflichtigen unter allen Umständen in der Steuererklärung Angaben für alle vier Vorjahre zu verlangen. Wo er findet, dass Art. l dieses Beschlusses auf ihn zutrifft, braucht er nur die Angaben für die beiden letzten Jahre vor Beginn der Steuerpflicht zu machen.

Dies hat zur Folge, dass er später nicht aus irgendeiner Veranlassung Besteuerung auf Grund von vier Jahren verlangen kann, für die er keine Steuererklärung abgab und für die daher die formellen Voraussetzungen der Besteuerung fehlen.

Hat der Steuerpflichtige die Angaben für alle vier Vorjahre gemacht, so hat die Einschätzungsbehörde von sich aus diejenige der beiden Berechnungsperioden zu wählen, die für den Steuerpflichtigen günstiger ist. In der Mitteilung der Einschätzung ist ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welche der beiden möglichen Berechnungsperioden in seinem Steuerfalle abgestellt wurde. Findet er, dass die andere Periode für ihn günstiger ist, so kann er in der Einsprache deren Anwendung verlangen. Stellt er ein bezügliches Begehren, so bleibt er dabei behaftet ; stellt er keines, so gilt für ihn die der Einschätzung zugrunde gelegte Periode endgültig.

Ist der Steuerpflichtige vor Inkrafttreten dieses Beschlusses bereits eingeschätzt worden, so kann es bis zum 1. Oktober 1921 Eevision der Einschätzung und Anwendung des Art. l des beigelegten Bundesbeschlusses verlangen. Es kommen hier nur einzelne wenige Steuerfälle in Frage, denen aber trotzdem die durch
den vorliegenden Bundesbeschluss eingeführten Erleichterungen nicht vorenthalten werden sollen.

Durch die Bestimmungen der Art. 2 und 3 wird erreicht, dass in allen drei denkbaren Fällen -- wo die Steuererklärung noch nicht abgegeben ist, wo sie abgegeben ist, wobei aber noch keine Ein-

256 Schätzung stattgefunden bat und wo die Einschätzung bereits vorgenommen wurde -- dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gewährt bleibt, selbst diejenige Berechnungsperiode zu wählen, die für ihn die vorteilhaftere ist und wo die Steuerbehörde die andere Periode wählte, deren Abänderung zu verlangen. Dieses Wahlrecht muss aber im letztern Falle spätestens im Einspracheverfahren seinen Abschluss finden. Eine solche Eegelung war dadurch geboten, dass der vorgeschlagene Bundesbeschluss das Veranlagungsverfahren in den einzelnen Kantonen in verschieden weit fortgeschrittenen Stadien antrifft. Sie soll verhindern, dass irgendein Steuerpflichtiger infolge dieser Tatsache der Erleichterungen dieses Bundesbeschlusses nicht teilhaftig werden könnte.

Mit Bücksicht darauf, dass das Veranlagungsverfahren, wie ·wiederholt erwähnt, bereits im Gange ist, fällt es uns nicht leicht.

Ihnen eine Änderung der Grundlagen der Steuerberechnung vorzuschlagen. Sie wird nicht ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden können und wird eine gewisse Unsicherheit bei den Steuerpflichtigen und den Einschätzungsbehörden zur Folge haben. Die Gründe, ·die für ein Entgegenkommen sprechen, sind aber solcher Natur, dass diese Schwierigkeiten und Nachteile in den Hintergrund treten müssen.

Wir erlauben uns beizufügen, dass dieser Bundesbeschluss seinen Zweck nur erreicht, wenn er in der Junisession der eidgenössischen Bäte verabschiedet werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, so käme er für die rechtzeitige Durchführung des Veranlagungsverfahrens zu spät; der Bundesrat müsste in diesem Falle seinen Antrag zurückziehen und die Steuerbehörden darauf hinweisen, dass in Fällen, in denen die geltenden Bestimmungen zu Härten führen, von der Erleichterungsmöglichkeit des Art. 117 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1920 Gebrauch gemacht werden soll.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss zur Annahme empfehlen, benützen wir auch diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 30. Mai 1921.

Namens des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

257 ((Entwurf.)

ßundesbeschluss betreffend

die Berechnung des Erwerbes oder Reingewinnes für die erste Steuerperiode der neuen ausserordentlichen Kriegssteuer (Bundesbeschluss vom 28. September 1920).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 30. Mai 1921, beschliesst : Art. 1. Die Kriegssteuer wird auf Grund des durchschnittlichen Ergebnisses der Jahre 1919 und 1920 berechnet, sofern dieser Durchschnitt niedriger ist als derjenige der vierjährigen Berechnungsperiode (Art. 60, 64, 70 und 72 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1920).

Art. 2. Der Steuerpflichtige, der in seiner Steuererklärung nur die Ergebnisse der beiden letzten Jahre angibt, entscheidet sich ·dadurch endgültig für die Anwendung der zweijährigen Periode. In diesem Falle ist die Steuer auf Grund der Ergebnisse der beiden letzten Jahre zu berechnen.

Art. 3. Die Einschätzungsbehörden teilen den Steuerpflichtigen, welche in der Steuererklärung die Angaben für vier Jahre gemacht haben, mit, auf Grund welcher Periode sie eingeschätzt wurden.

Erhebt der Steuerpflichtige Einsprache, so hat er sich darin endgültig für eine der beiden in Art. l vorgesehenen Perioden zu entscheiden.

Art. 4. Dieser Bundesbeschluss tritt mit Bückwirkung auf 1. Januar 1921 in Kraft. In Steuerfällen, in denen die Einschätzung vor seinem Erlass stattfand, kann der Steuerpflichtige vor dem 1. Oktober 1921 bei der Einschätzungsbehörde Revision der vorgenommenen Einschätzung unter Berücksichtigung obiger Bestimmungen verlangen.

Art. 5. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses Beauftragt.

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Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. III.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Berechnung des Erwerbes oder Reingewinnes für die erste Steuerperiode der neuen ausserordentlichen Kriegssteuer (Bundesbeschluss vom 28. September 1920). (Vom 30. Mai 1921.)

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