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ständeräthlichen Kommission über die Uebereinkunft zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kaiserreich Brasilien, betreffend das Konsulatswesen.

(Vom 30. Januar 1862.)

Tit..

Mit Botschaft vom 10. Januar l. J. hat der Bundesrath die.

,,Uebereinkunft zwischen de.. schweizerischen Eidgenossenschaft und dem .Kaiserreich Brasilien, betreffend das Kousulatswesens", eingebracht, welche am 26. Jannar 186l in Rio de Janeiro zwischen dem schweizerischen ausserordentliehen Gesandten Herrn Joh. Jakob von Tsehudi und Herrn Joao Lms Vieira Cansancaoo de Sinimbu, Minister und Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten, abgeschlossen worden ist, und es hat der .Nationalrath unterm 27. Januar dieser Uebereinkunst in der Jhnen mitgeteilten Form seine Zustimmung ertheilt.

Wenn Jhre Kommission auch im Falle ist , Jhnen einfach die Bestätigung der Sehlussnahme des Nationalrathes anzuempfehle.. , so sieht sie sich doch im Falle, einige Bemerkungen. ihrem Antrage beizufügen.

Das Recht, das in der Schweiz in Bezng auf Konsulatsverhältnisse bisher gegolten hat, war ein sehr einfaches. Man betrachtete den Konsul einer fremden Macht in der Regel als einen Privatmann , wie jeden andern ; und wenn einem solchen besondere Begünstigungen, wie z. B.

Befreiung von Steuern , eingeräumt wurden , so war das mehr eine Eourtosie des Kantons oder des Ortes , in dem er wohnte , als ein Privilgium, das ihm krast eines Gesezes oder einer von der Eidgenossenfchast anerkannten Uebung zugestanden wurde. Von den Geschäften , die er zu besorgen hatte und vou denen wohl das Wichtigste die Visirung von Vässen und von Fakturen, die mit Waaren in ferne Länder geschickt werden, b.ldete, wurde wohl wenig Notiz genommen.

Die markanteste

482 Neuerung, die iu dieser Hinsicht stattgesunden, war ohne Zweifel die ^Anerkennung des Regimentes , das die kais. brasilianische Regierung unterm 8. November l 851 erlassen hat, und welche durch Schlussnahme .der Bundesversammlung von.. 17. Juli 1852 ausgesprochen worden ist.

dieses Reglement, das nur unter der Zusichernng der Reeiproeität ans .-ie in Brasilien beglaubigten schweizerischen Konsuln Anwendung finden konnte , räumte unter Au.^erm den Konsuln folgende Befugnisse ein .

1. Schisffahrts- und Heirathsvertrage unter den Angehörigen ihrer Nation und andere derartige Ulkten nach den Reglementen ^der Verordnungen ihrer Regierungen abzufassen (Art. 1).

2. Die Autorität eines Richters oder Schiedsrichters in alleu Fällen .auszuüben, welche sich aus die Lohnung au Schisssmaunschasten beziehen, sowie in Eivilstreitigkeiten , welche unter ihren Landsleuteu oder solchen, ^ie zu ihnen gehoren , zwischen den Eapitänen der verschiedenen Schisse ihrer Ration oder in Haudelsangelegeul..eiten ^ zwischen ihren Mitbürgern entstehen , wenn diese nicht vorgehen , sich au die B^horden des Reiches zu wenden, und wenn in solchen Rechtsfragen keine Bewohner des Reiches ^der Angehörige anderer Rationalitäten verwickelt siud (Art. 13).

3. Die Kousnlara^.ten sollten nur bei Vergehen, welche sie a l s ..^ausleute begangen hatten, oder ^ie so bedeutend waren, das,. nach den .Gesezen keine Bürgschaft Angelassen .werden konnte, ohne besondere UntoriRation der kais. Regierung verhastet werden dürsen (Art.

18).

4. Archive, Urknuden uud offizieller Briefwechsel sollten vor DurchBuchungen, so wie vor jeder Art von Untersuchung oder Prüfung durch .^ine Behorde des Reiches gesichert sein (Art. t..)).

u. s. w.

Von solchen Bestimmungen wurde indessen in der S.h.veiz sehon ^deshalb keine Rotiz genommen, weil das bezügliche Reglement niemals .publieirt worden ist und keinerlei Anordnungen getroffen wordeu sind , um demselben vorkommenden Falles Vollz..g ^u versch^assen, und sich übrigens ^auch seit dessen Genehmigung durch die Bundesversammlung niemals irgend eine Gelegenheit geboten hat , ihm iu der Schweiz praktische .^n^veudung ^u geben.

Jn bestinnntexer ^orm tritt nun aber die vorliegende, mehrfach mit .dem Reglemente vom 8. Rovember 1851 übereinstimmende Uebereinkunft hervor, nämlich als ein sormlicher ^taatsvertrag, der wie andere Staats^ertrage als einen Bestandtheil des internationalen Rechtes betrachtet, .publieirt und vorkommeudeu Balles voll^ogeu werden muss. Es lohut sieh daher wohl der Mühe, den Jnhalt desselben genauer ^u betrachten und .die Tragweite, .^ie ihm beizumessen ist, mit eiuigen Worten zu beleuchten.

^ie wichtigsten Bestimmungen dieses Vertrages sind folgende : 1. Die Generalkonsuln, Konsuln, Vi^ekonsulu uud Kanzler siud .^on militäriseheu Ein.^uartiruugen und allen direkten Steuern besreit. Sie

483 geniessen überdiess Bersonalimmunität, ausgeuommen wenn sie verbrecherische Handlungen begehen ; der .^chuldverhaft kann. nur für Schulden, die aus Handelsgeschäften entstehen, gegen sie Anwendung finden (Art. 3).

2. Sie dürfen nicht vor die Gerichte geladen werden , sondern haben nur ^christliche Aufschlüsse zu ertheilen oder können mündlich nur in ihren Wohu.u.gen vernommen werden (Art. 4).

3. Archive und die aus die Konsnlatsgeschäfte bezüglichen Schriften sind unverletzlich. Jm Falle des Ablebens eines Konsularagente.. werden sie unter besonderen Eautelen unter Siegel gelegt (Art. 6).

4. Die Kousularageuteu find berechtiget, auf ihren Kanzleien Erklärnngen oder Urkunden aufzunehmen , welche Kaufleute und Angehörige ihres Volkes daselbst verschreiben wollen, ebenso Testamente und le^t.villige Verfügungen, und alle übrigen Rotariatsakte, selbst Vertreibungen von Apotheken. ^ei Fertigungen auf Grundstücke im Lande ist indessen ein eamteter des Orts beiznziehen (Art. 8).

5. ..^ie können nach vorausgegangener Anzeige an die Ortsbehörde die Hinterlassenschaft eines verstorbenen Angehörigen ihrer Ration unter Siegel legen , ein Jnventar darüber ausnehmen , Verkäufe auordnen , die Erbschaft verwalten und bereinigen, wenn kein Dritter Rechte gelteud zu machen hat. ...^ie sind zur Verwaltung und ..Bereinigung solcher Hinterlassensehaften au.h in dem Falle befugt, wenn die Erben minderjährig

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sind (A.t. ..)).

6.

Der Vertrag wird auf 1l) Jahre abgeschlossen (Art.

11).

Es lässt sich nicht läugnen , dass dieser Vertrag den brasilianischen Konsuln, welche in Zukunft in der ^chwei^ ihr Domieil nehmen, Rechte einräumt, welche sieh ^um Theil nur schwer mit der in der Schweiz bestehenden Gese^gebung in Einklang bringen lassen und bisher keinen.

Konsul und keinem diplomatischen Vertreter einer andern Ration ^ugestanden worden sin.^, und ...s .^axf -uch augeführt werden. dass eine Ver^nlassung , die in der ^ehu...iz domieilirt...n Fremden in solcher Weise unter den besondern Schu^ der Vertreter ihrer Ration ^u stellen , überhanpt nicht vorhanden ist^ indeni der Fremde in der Schweiz, ohne Anwendung solche... Eautelen d^.s vollen Schuhes der für alle Einwohner

gleichmäßig verbindlichen Gese^ des Landes sicher sein kann. Es ist ihr

bisher auch von keiner Rati^u zugemuthet worden, derartige, die Gleichheit vor dem Geseze beeinträchtigende Einrichtungen auf ihrem Gebiete zu treffen, wie es denn überhaupt .oohl je länger je weniger Aufgabe des europäischen Völkerrechtes sein wird , in solcher Weise die Angehörigen der in den verschiedenen europäischen Staaten augesiedelten Staatsangehorigen gegenseitig zu schüfen. Einrichtungen^ die in Ländern angemessen sein mögen, welche ans einer ganz andern Eutwickluugsstuse stehen, als die europäischen Staaten , sollten daher in lettere , in denen sie keinen rechten Sinn haben, nicht libergetragen werden, und es scheint deshalb

4^4 auch die Anerkennung der Reeiproeität, die zur Bedingung der Einführung solcher Einrichtungen gemacht wird, jedenfalls nicht durch die Ratur der Sache gerechtfertigt ^u sein. Das Begehren einer absoluten Reeiproeität ist im gegebenen Falle vielleicht noch um so weniger gerechtfertigt , als das Kaiserreich Brasilien , indem es unsern Konsuln eine Stellung gibt, die ihnen den wirksamen Schu^ unserer Landsleute sichert , sieh selbst damit wieder die grosste Wohlthat erweist, da es sich nur aus diesem Wege die Einwanderung von Europäern, resp. von Schweizern sichern kann , die eine so wichtige und so unbestrittene Bedingung der eigenen Wohlfahrt des überseeischen Kaiserreiches ist.

Wenn wir nun auch der Meinung sind, dass die Regierung von Brasilien im Grunde nur dem eigenen Lande eine Wohlthat erweist, indem es der dort angesessenen schweizerischen Bevölkerung den kräftigen und umfassenden Schu^ von schweizerischen Konsularagenten sichert, und wenn wir ohne Unbescheidenheit gestehen dürfen , dass für Brasilien kein Bedürsniss vorhanden ist, zum Schule seiner Angehörigen in der Schweiz die Herstellung einer Konsularordn.^ng, wie die vorliegende, zu verlangen, so wollen wir indessen aus solchen Betrachtungen nicht etwa den Schluss ziehen, es sei der Uebereinknuft unsere Zustimmung zu versagen. Jndem wir vielmehr die Geuehmiguug der Uebereinl.unft empsehlen , gehen wir von folgenden Betrachtungen aus.

l. Die Vollziehung dieses Konsnlarvertrages in der Schweig wird praktisch ohne grosse Bedeutung sein, weil es sich kaum denken lasst, dass brasilianische Angehörige in irgend einer erheblichen Anzahl je ihren Aufenthalt in derselben nehmen , und dass demnach alle Bestimmungen des Vertrages , welche die Rechte dieser lederen beschlagen , nur selten zur Anwendung kommen werden. Der Eiufluss brasilianischer Konsuln aus schweizerische Angehörige dagegen kann sich , n.ue aueh in der bundesräthliehen Botschast angedeutet ist, durch Besorderuug des Auswanderung^ weseus indirekte geltend machen, indessen nur vorteilhaft sein, wenn der betreffende Konsul selbst ein gewissenhafter Mann ist.

Jmmerhin findet seine Thätigkeit durch die in Brasilien beglaubigten schweizerischen Konsuln wieder eine Kontrole, und es bleibt der Bundesbehorde jederzeit unbenommen, einem brasilianischen Konsul das Er^uatur ^u eut^ieheu , wenn er irgend seine Stellung überschreiten sollte. Dass in diesen. Vertrage eiu sur die

Schweiz nugünstiges Brä^edens, mit Rncksicht etwa ans ähnliche Rechte,

welche auch von andern Staaten in Anspruch genommen werden konnten, begründet liege, ist nicht zu befürchten. Denn einmal wird dieser Vertrag nur im Hinblick aus die gan^ besondern Verhältnisse , unter denen er entstanden ist, angenommen und dürste eiu ähnlicher Vertrag höchstens mit andern überseeischen Rationen , die sich in ähnlichen Verhältnissen, wie Brasilien befinden , und in denen sich eine so zahlreiche ^der d.^s besondern ^ehu^es so bedürftige schweizerische Bevölkerung augesiedelt hätte , abgeschlossen werden. Andern Theils wird der Schweig wohl kanm vou

4^5 einem europäischen Staate die Zumuthung , einen ähnlichen Vertrag e.ngehen, gemacht werden. Da aber das Bedürfniss hiesür nicht vorhanden ist und wohl auch keiner derselben so wenig als die Schweig selbst geneigt sein konnte, Konsularagenten einer andern europäischen Ration mit so ausgedehnten Besugnissen anzunehmen, als in der vorliegenden Eonpention stipulirt werden.

2. Für die Schweizer, die in Brasilien angesiedelt sind oder sich noch dahin begeben werden. ist dagegen dieser Vertrag eine wahre Wohlthat. Darüber sprechen sich die aus Rio de Janeiro und Bernambueo eingegangenen Petitionen dort wohnender Schweizer, so wie mehrere mit den brasilianischen Verhaltnissen sehr genau vertraute, in ihr ..Vaterland Zurückgekehrte Landsleute auf das unzweideutigste aus. Und zwar wird diese Uebereinl.u..ft nicht bloss den in den grossern Städten angewedelten .Kausl.euten , sondern auch den zahlreichen im Jnnern zerstreuten schweizerischeu Kolonisten, deren Schicksale so viel Aufsehen erregt und zunächst die Mission des Hrn. von Tschudi nach Brasilien veranlagt hat, zu Statten kommen. Besonders siu... es die Art. 8 und 9 des Vertrages , von denen man sich, wenn die Eidgenofse..schast anders so glücklieh ist, die Konsulate ..uch mit tüchtigen Versonen zu bestellen, die besten Wirkungen verspricht.

Die Möglichkeit, vor einem Landsmanne Contraete aller Art abzuschließen und die dadurch gebotene ..Sicherheit, nicht untergeordneten Beamteten des Landes, die weder mit der Sprache noch den Rechtsanschauungen und Sitten ^er Schwerer bekannt sind, und die oft verdientermaßen nicht den besten Ruf als Beamtete geniessen, preis gegeben zu sein, wird namentlich den Kolonisten, und die Befugnisse der Konsuln, die Erbschaften zu li.^uidiren und für die Minderjährigen zu sorgen, allen dortigen schweizerischen Einwohnern, resp. noch den in der Schweiz befindlichen Erben, zu Statten kommen.

Beiläufig mag noch erinnert werden, dass ^e. Majestät der Kaiser ^on Brasilien seinerseits dem Vertrage die Ratifikation bereits ertheilt hat, da in Brasilien an der von der Schweiz erfolgenden Ratifikation nicht gezweifelt wurde, i^.dem man den sur lettere offen behaltenen Termin ohne irgend eine Meldung von Seite der Eidgenossenschaft verstreichen liess.

Jn Be^ug auf den Sthl und die Ausdrnksweise des Vertrages wäre, wie auch
von ^er natioualräthlicheu Kommission bemerkt worden ist, mehrfach a^ssere Präzision , jedenfalls eine korrektere Uebersel^ung ins ^ranzosische und sorgfältiger... Abschrist des französischen Testes wüusehbar ^ gewesen. Beizufügen bleibt, das. die deutsche Ileberse^uug einer geuauen Revision bedarf. ^ie ist im Ganzen genomn.en höchst unbeholfen, und mehrere wichtige Stelleu sind sehr ungeschickt überseht oder geradezu uuverftändlich, ^. B. in Art. 3 sind die Worte. ^.Les Consul etc. jo^rout ^n o.^l^ de l'immunité pe.^ouuehe, ^ l'exception des k.^us cl actes criminels^ so überseht :

486 ,,Die Generalkonsuln ..e. erfreuen steh ferner der Bersoualimmunitat, ausgenommen im Falle verbrecherischer Thatsachen und Handlungen^, ^ und in Art. 8: ..ou tons autres actes not^r.és, ^.lors meme q.^e les dits ...cte..

^u^ent pour ob^et de coulera. bvpotbeque. ^ ,,oder alle übrigen Rotariatsfertigungen, selbst wenn sie grundpfändliche Uebertragungen ^um ..^egenstande hatten.^ n. s. w.

Wir konnen diesen Berieht nicht schliessen, ohne in das Lob einzustimmen, das mehrfach über die Thätigkeit unsers außerordentlichen Gesandten in Brasilien gespendet worden ist. Es erstreckte steh dieselbe zu..

nächst ^us den genaueu Untersuch der Verhältnisse, in denen sieh gegenwärtig die schweizerischen Kolonisten befinden und auf Anordnungen, die im Lande selbst zur Verbesserung der Lage Einzelner unter ihnen ge.^ trossen werden konnten. ^.ln diese Wirksamkeit schloss sieh sodann die Regozirung der vorliegenden Uebereinkunft. die, wie bemerkt, von den Schweizern in Brasilien als eine grosse Erruugenschaft begrüsst worden ist.

Wir beglückwünschen daher sowohl den Bundesrath für die glückliche Wahl, die er in der Berson des Herrn von ...^schndi getroffen, als diesen le^tern für die bedeutenden Resultate , die er erzielt hat.

Bern, den 30. Januar 1862.

^.ie Mitglieder der Kommission : Ae.^li, Berichterstatter.

^tahelin.

.^.nml.ert.

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Bericht der ständeräthlichen Kommission über die Uebereinkunft zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kaiserreich Brasilien, betreffend das Konsulatswesen. (Vom 30. Januar 1862.)

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28.03.1862

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