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des

schweizerischen Ministers in Paris an den französischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten. betreffend Aufhebung der Paßvisa.

(Vom 15. Juli 1862.)

Herr Minister l Jn einer Audienz . welche Ew. Exzellenz am 22. April lezthin mir

zu gewähren die Gefälligkeit hatten , hatte ieh die Ehre , Hoehdenselben die Schlussnahme des Bundesrathes vom 16. gl. Mts. zur Kenntniss zu bringen, durch welche für die in der Schweiz reisenden Fremden die Forderung des Vassvisums aufgehoben wird. Jeh bemerkte dabei, dass, ,,nach ..der herrschenden Uebung, zum Eintritte und zur Reise im Jnnern der ,.S.ehweiz der Vorweis einer Reiseschrist in der Regel gar nicht verlangt ,,wird und dazu jedenfalls eine jede von der zuständigen heimath,, lichen Behorde ausgestellte, mit der Gestaltsbesehreibung versehene Ur,,kunde genüge, ohne des Visums eines schweizerischen Agenten im AusAlande zu bedürfen."

Jeh habe bei diesem .Anlasse Ew. Exzellenz mündlich ausemandergesezt, aus welchen Gründen der Bundesrath die Erwartung hege, dass die kaiserliche Regierung nicht anstehen werde, dem Grundsaze der Reziprozität hierin zu folgen und auch ihrerseits die Forderung des Vassvisums für die nach und in Frankreich reisenden Schweizer auszugeben.

Jndem ich Jhnen mit Rote vom 23. April den Beschluß des Bundesrathes mittheilte, berief ich mieh auf die Bemerkungen, welche ich über diesen Gegenstand vorzubringen bereits die Ehre gehabt hatte.

Mit Schreiben vom 1. Mai haben mir Ew. Exzellenz angezeigt, dass Sie sich beeilt hätten, die Sehlussnahme der Bundesregierung zur Kenntniss des Hrn. Ministers des Jnnern zu bringen.

67 Der oben erwähnte Besehluss der Bundesregierung betretend die Aufhebung der Bassvisa ist, seitdem ich die Ehre gehabt, denselben Ew. Exzellenz mitzuteilen, gegenüber den nach der Schweig reisenden Franzosen vollständig zur Ausführung gelangt, während hinwieder die sra..zosischen Agenten von den schweizerischen Reisenden nach wie vor das Visum verlangen und der Schweiz in dieser Hinsicht von Seite Frankreichs noch nicht das Gegenrecht und die. Erleichterung gewährt werden, welche es selbst andern Staaten einräumt.

Unter solchen Umständen machen es mir die von meiner Regierung erhaltenen Jnstruktionen zur Bricht, aus den Gegenstand zuzukommen und Ew. E^ellenz nachstehende Betrachtungen zu unterbreiten: Die französische Regierung hat den Gebranch der Bässe im Verkehr mit England, Belgien un^ Schweden volllommen beseitigt. Sie hat damit gleich verschiedenen andern Staaten anerkannt, dass die fragliche Formalität nicht mehr als eine M a s s r e g e l zur W a h r u n g der o f s e n t lichen S i c h e r h e i t betrachtet wird. denn wäre dem nicht also, so würde sie auf allen Grannen und ohne Rüksicht auf den Heimathstaat der Reisenden aufrecht gehalten werden. Sobald man aber einmal diesen Grundsaz anerkannt hat, so kann aueh die Formalität des Visons der B.isse gegen eine hohere oder geringere Gebühr bloss noch als eine r ei n f i s k a l i s c h e Ma ss r e g e l , eine den Reisenden auserlegte Abgabe betrachtet werden, die nur als Repressalie gegen Staaten , welche ihrerseits durch ähnliehe Formalitäten und Massregeln den Verkehr der fremden Reisenden erschweren, sich rechtsertigen lassen dürste.

Die allgemeinen Reziprozitätsprinzipien und Billigkeitsrüksichten sowohl, als die Jnteressen guter Nachbarschaft maehen es ^um Gebote, dass man den Reisenden eines .Landes, welches allen Fremden ohne Unterschied freien Verkehr auf feinem Gebiete unter Aufhebung der ihn früher erschwerenden Formalitäten und Gebühren gewährt, nicht ferner diese Formalit.it.m und Abgaben ohne entsprechenden Rnzen auserlege.

. .^ehon unterm 24. März 1861 habe ich die Ehre gehabt, ^i.n Ramen des Bundesrathes der französischen Regierung Vorschläge ^u machen, welche die gegenseitige Aufhebung dieser Bassformalitäten be^wekten. Die auf diese Vorschläge unterm 25. April 1861 ersolgte Antwort enthält als Gründe eines ablehnenden
Beseheides Bemerkungen, welchen ich einige Betrachtungen entgegenzustellen habe.

Der Grundgedanke der Antwort vom 25. April ist solgender : Frankreich kann den nach oder in Frankreich reisenden Schweizern die nämlichen Erleichterungen, welche es den Angehörigen anderer Staaten (wie England und seither Belgien und ...Schweden) gewährt, nicht einräumen, weil die Franzosen , wenn man auch von ihnen in der Schweiz weder Bässe noch Bassvisa verlangt, gleichwohl weniger günstig gestellt sind, als die.^ in Frankreich niedergelassenen Schwerer und somit nicht wirkliches Gegen-.

recht gehalten würde.

68 Erlauben Sie mir, Herr Minister, diesen Einwurs und die ihn begleitenden Bemerkungen einer nähern Brüfung zu unterziehen.

Vor Allem mnss ich bemerken, dass die Schweiz in Bezug auf die R e i s e n d e n die nämlichen Erleichterungen, die nämlichen Vortheile bietet, die Frankreich und die übrigen Staaten gewähren. welche auf die Forderung von Bässen oder Vassvisa verzichtet haben. Man hatte bei solchen Entschliessungen vorzugsweise die Absicht, diejenigen, welche reisen, von Formalitaten zu befreien , die in Folge der Vervollkommnung der Verkehrsmittel no.h lästiger als früher geworden sind.

Jn diesem Sinne wurde der Besehlnss des Bundesrathes von andern Staaten beurteilt un... aufgenommen, welche keinen .instand genommen haben, der Schweiz die durch den Vertrag vom 30. Mai 1827 zwischen der Schweiz und Frankreich den Franzosen gesicherten Rechte und Garantien einzuräumen.

Jeh halte es hier sür angemessen, ans Beschwerden zu antworten, welche Ew. E^ellenz in der geschälten Rote vom 25. April 1861 vorbringen.

Es he.sst darin . ,,Der Fremde, der in einem .Danton der Eidgenossenschaft für mehr als einige Wochen seinen Aufenthalt nehmen will. sieht sich einer Reihe von lästigen und beschwerliehen Formalitäten unterworfen, welehe bei der ausschliesslichen Strenge der innern Volizeiverordnungen in einigen Kantonen und der in ihre Handhabung gebrachten Härte einen auffallenden .Abstand zu der Freiheit bilden, deren in Frankreich die Fremden sich erfreuen.^ Brüfen wir den wahren Sachverhalt: Was die s r a u z o s i s c h e n R e i s e n d e n anbelangt, welche nicht beabsiehtigen , für mehr oder .veniger lange Zeit ihren Ausenthalt in der Schweiz zu nehmen, so sind dieselben durch den erwähnten Beschluss jeder lästigen und beschwerliehen Formalit.it enthoben. Man verlangt von ihnen nicht nur kein Visum, sondern sie konnen sogar ohne Vass in der Schweig reisen, und wenn einem franzosischen Reisenden jemals irgend welche besehwerliehe Formalität auferlegt werden sollte, so würden die kantonalen Behorden und nothigensalls die Bundesregierung stch beeilen, in Anwendung der im Beschlusse vom 16. April liegenden Grundsä^e ihn ^u schüfen. Die Franzosen hinwieder, welche sieh naeh der Schweiz begeben, um d a s e l b s t ihre u A u f e n t h a l t z u nehmen, stehen im Genusse der Bestimmungen des zwischen
der ^ehwei^ und Frankreich im Jahr 18.^7 abgesehlossenen Vertrages, und die eidgenossischen wie die kantonalen Behorden würden es als ihre Vflicht betrachten , sie in den dureh erwähnten ..^ertrag ihnen gewährleisteten Rechten durch Einsehreiten zu ihren Gunsten bei der ersten begründeten Beschwerde, die diessfalls einlangen mochte, zu schüfen.

W^sern es si.l.. indessen darum handeln sollte , die Stellung der Franzosen in der Schweig und der ..^eheizer in Frankreich ^u regelu und

69 die Bestimmungen des Bertrames über die Riederlassun^verh..^^^ ^ andern , so schiene es mix angemessen , die fragen dieser Art auf den ^eitpuukt zu ...ersparen, wo die beiden Regierungen fich über die Thnnlichkeit verständigt haben werden, die Bestimmungen gedachten Vertrag über gegenseitige Niederlassung einer Revision zu unterwerfen. So lange der Vertrag vom 30. Mai 1827 in Kraft bleiben wird, kann man von der Schweiz nur verlangen, dass sie die darin eingegangenen Verpflichtungen treu erfülle.

Es sei mir gestattet, hier an die den Franzosen durch fraglichen Vertrag zugesicherten Rechte und Garantien zu erinnern.

Art. I. des Vertrages vom 30. Mai 1827 besagt.

,,Die Franzosen werden in jedem Kanton der Eidgenossenschaft in Hinsieht ihrer Berson und ihres Eigenthums auf dem nämlichen Fusse und aus die nämliche Weise behandelt, wie die Angehörigen der andern Kantone behandelt stnd, oder in der Zukunft behandelt werden könnten.

Sie werden daher in die Schweiz gehen, kommen und darin zeitlichen Ausenhalt nehmen können, sobald sie mit regelmäßigen Bässen versehen find und sich den Gesezen und Bolizeiverordnungen unterziehen. Jede Art von Gewerb oder Handel , welch.. den Angehörigen der verschiedenen .Kantone erlaubt ist. wird es aus gleiche Weise den Franzosen sein, und zwar ohne dass man von ihnen eine Geld-, oder andere noch lästigere Bedingung sordern konnte. Wenn sie in denjenigen Kantonen ihren Wohnst nehmen oder sich niederlassen. welche den Angehörigen ihrer Mit-^ stände solches gestatten, so werden sie ebensalls zu keiner andern Bedingung als diese Leztern angehalten werden.^ Man wird kaum in derartigen Fragen ausgedehntere Rechte und Gewährleistungen zu Gunsten eines der vertragsehliessenden Staaten erlangen können, als die Einheimischen besten. Es hiesse Unmögliches von der Bundesregierung sordern, wollte man verlangen, dass die Franzosen in der Sehwei., günstiger behandelt würden , als die Schweizer selbst.

Das hat Frankreich auch anerkannt, indem es den Vertrag von 1827 unterzeichnete. Seit jener Zeit sind die Rechte und Garantien der Franzosen in ^er Schweiz, ungeachtet gewisser, der Kantonalsouveränität vorbehaltener Beschränkungen, in Folge der Bundesverfassung von 1848 ans.gedehnter und weiter geworden, und die daselbst sich niederlassenden Franzosen stehen im Genusse dieses Fortschrittes den Einheimischen gleich.

Diese Gewährleistung ist im Wortlaut des L Vertragsartikels nicht nur

in Beziehung aus die zur Zeit des Abschlusses geltenden Bedingungen, sondern auch für alle Verbesserungen gegeben . die späterhin in den eid^enössischen und kantonalen Einrichtungen Blaz greifen würden. .

Es kann der kaiserlichen Regierung nieht unbekannt sein, dass naeh den Verfassungsbestimmungen der Eidgenossenschaft es unmöglich wäre, die Kantone in dieser Richtung zu einer g l e i e h m ä s s i g e n Gese^gebun^

70 zu perhalten, wie sie in Frankreich besteht, und dass die Bundesregierung die Souveränität der Kantone achten mnss , in soweit sie nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist, immerhin unter Wahrung der den Ange..

horigen eines auswärtigen Staates durch die völkerrechtlichen Verträge gewährleisteten Rechte.

Die kaiserliche Regierung wird daher auch nicht daraus Anspruch machen, dass die schweizerischen Behorden zu einer Revision der Bundesversassung schreiten und sodann Aenderungen in den Kautonsversassungen rusen sollten, um die von beinahe allen Staaten der Schweiz schon zn..

gestandene Aushebung fiskalischer Formalitäten zu erlangen. Die Schweiz anerkennt sehr gerne, da.^ die sranzosisehe Gesezgebnng über die Riederlassung der Fremden eine der freisinnigsten ist. es wäre aber eine sehr irrige Ansicht über die verschiedenen kantonalen Gesezgebnngen , wollte man annehmen , dass die schweizerischen Geseze und Verordnungen über diesen Gegenstand den daselbst sieh aufhaltenden Franzosen eine nachtheiligere Stellung anweisen, als die in Frankreich niedergelassenen Schweizer inne haben. Die Schweig hat eine un.b.^an^ene Vergleichung der einschlägigen Gesezgebuug beider Länder nicht zu scheuen. Um aber gerecht und der Wahrheit gemäss zu sein, muss eine solche Vergleichung aus die Verhältnisse der Angehörigen der beiden Länder i n i h r e r G e s a m m t -

h e i t sich erstreken. Es muss geprüft werden , ob die Stellung der

in der Schweig si.h aufhaltenden Franzosen wirklich weniger günstig ist, als die der Schwerer in Frankreich, wie die kaiserliehe Regierung anzu..

nehmen scheint. Eine solche Brüsung aber führt zu einer verneinenden Antwort. Da nun das Bassvisum zu einer wesentlich fiskalischen Massregel geworden ist und Frankreich diesen Grundsaz so gnt als die Schweiz durch die Aushebung der Forderung von Bässen sür einen sehr ^rossen ..^heil seiner Granzen anerkannt hat, so wird es sich bei dieser Vergleiehung der beiderseitigen Gesezgebung ganz besonders darum handeln, die Stellung der ^ranzosen in der Schweiz und der Schweizer in Frankreich vom Standpunkte der den einen und den andern auffallenden Steuern zu prüfen.

Betraehteu wir zuerst die Abgaben, denen der Franzose, der sich in der Schweiz niederlässt, unterliegt : Er hat eine Gebühr für seine Riederlasfnngsbewillignng zu bezahlen, welche man ihm nicht verweigern kann, sobald die Vorschriften des Ver-

trages von 1827 erfüllt find. Die Gebühr beträgt sechs Franken sür vier Jahre. Dieser Betrag ist das für eine Riederlassm.gsbewilligung

durch das Bundesgesez vom 10. Dezember 184..) festgestellte Maximum, und die. Kantone , welche seit 1827 hohere Gebühren bezogen , sind in Vollziehung dieser aus die neue Bundesverfassung gegründeten Gesezes^ Bestimmungen angehalten worden, sie auf dieses Maximum von Fr. 1. 50

jährlich zu ermäßigen.

7t Sie konnte ^cht vollständig aufgehoben werden , weil die BundesVerfassung den Kantonen gestattet, eine solche Kanzleigebühr zu begehen.

W a s die S t e l l u n g d e r F r a n z o s e n g e g e n ü b e r d e r .

G e m e i n d e , in der sie niedergelassen find, betrifft, so stehen sie kraft des Vertrages von 1827 wieder unter den nämlichen Gewährleistungen und dem gleichen Schule, welche den Schwei^erbürgern durch den Art. 41 der Bundesverfassung gesichert werden, der den schweizerischen Gemeinden ausdrüklich untersagt, ihnen grossere .Leistungen an Ge.ueindekosten auszu^ erlegen, als den Niedergelassenen des eigenen Kautons.

Der Art. .. des Bundesgesezes vom l2. Dezenter 1849 schreibt im Fernern vor : ,,Jn dieser Summe .sind alle Gebühren enthalten, welche ,,sür die Bewilligung au den Staat, au Be^irksbeamte oder an die Ge.,meinde zu entrichten fiud.^ , ^ Auch hinsichtlich dieser Bestimmung finden sich die Franzosen unter die nämlichen Garantien gestellt, wie die Schweizer selbst.

Freiließ bestehen in verschiedenen Kantonen gesezliehe Bestimmungen, ^ denen zufolge derjenige , der daselbst mehr oder weniger lange Zeit sich aufhalten, aber nicht fomlich niederlassen will, sei er nun Schwerer oder .Ausländer, sich eine .Aufenthaltserlaubnisse verschaffen muss, für welche indessen nur eine unbedeutende Gebühr zu entrichten ist. Jm Kanton Gens z. B., welchen die in der Antwort Ew. E^. vom 25. ^..lpril 186l enthaltenen Bemerkungen hauptsächlich in^s Auge sassten , . beträgt diese

Gebühr sür Verheiratete vierteljährlich 2 Fr. 90 Rp. , für Unverhei-

rathete vierteljährlich Fr. 2. Jn den übrigen Kantonen .ist fie noch massiger, und durchschnittlich geht in allen Kantonen der Eidgenossenschaft der Betrag der^ hiefür bezogenen Gebühren nicht hoher als ^r. 1. 25 Rp.

Sodann ist nicht zu übersehen, dass die .^lufe..thaltserlaubniss ^- die erneuert werden kann - den Fremden gewisse Vortheile gewährt , indem sie anderer Abgaben sie enthebt, welchen derjenige, der seineu Wohufi^ mit einer Riederlassungsbewilligung genommen hat , unterliegt , ob er nun einem auswärtigen Staate oder einem schweizerischen Kantone augehore. Dieser Umstaud macht es erklärlich, warum die Fremdeu. wo es immer angeht, die Ausenthaltserlaubniss der Riederlassungsbewilligung vorziehen. Amt^.

liehe Mittheilungen, die ich mir verschafft habi., weisen uach, dass die in

Gens sich aushaltenden Franzosen insgesammt .Aufenthaltserlaubnisse nehmen, um die daran geknüpften Vortheile zu geniessen. Thatsache ist indessen, dass ein Franzose, der sich mit dem in einem andern als seinem .^eimathkanton n i e d e r g e l a s s e n e n Schwerer auf den gleichen Fuss stellen will, dazu das Recht hat und unter allen Umständen die nämlichen Vortheile geniesst, wie die Schweizer in gleichen Verhältnissen. Diese den Franzosen und Schweizern gewährleistete Rechtsgleichheit, ob sie nun mit einer Aufenthaltserlaubniss ihren Wohnfiz genommen haben oder wirklich niedergelassen seien, sollte genügen, um alle Befürchtungen wegen einer ^u strengen Handhabung der kantonalen Volizeiverordnungeu schwinden

72 ^u lassen. Niemals konnten die Bundesbehorden es dulden , dass die Schweizer, welche i.^ einem andern als ihrem Danton sich aufhalten wollen, .beschwerlichen und den in der Bundesverfassung ihnen gewährleisteten Rechten zuwidergehenden Formalitäten unterworfen würden. Der n.imliche Sehnz ist den Franzofen dnrch die Bestimmungen des Vertrages ge-

.währleistet.

Jn der Schweiz wie in Frankreich gilt als allgemeiner Rechtsgrundfaz, dass der einmal definitiv niedergelassene Fremde in der Regel die nämlichen Lasten zu tragen hat, wie die Einheimischen, mit Ausnahme des Militärdienstes. Die Abgaben in der Schweiz sind jedoch, bei aller Verschiedenheit in den kantonalen Gesezgebungen , ungleich v i e l leichter als die in Frankreich bestehenden, und eben in dies.^n grossen .Unterschied in den zu entrichtenden Steuern liegt zu Gunsten der Fran^osen ein mehr als genügender Ersaz der von mir zur Sprache gebrachten gebühren. Unbestreitbar erhellt hieraus, dass, was die ..u zahlenden Steuern anbelangt, die Stellung des in der S..hweiz wohnenden Fran-

^osen weit günstiger ist als diejenige des Schweizers in Frankreich.

Jch will mich enthalten, die ganze Reihe der direkten und indirekten Abgaben der Steuergesezgebung Frankreichs hier aufführen.

Jch Beschränke mich darauf . der Abgaben , die in Frankreich unter den .Ramen der Thüren^ und Fenstersteuern, der Batentabgaben mit festem .und verhält.ussmässigem l^ebührenbetrag bestehen. und der daran sich knü.^senden anderweitigen Lasten zu erwähnen, welche an u.rd f ü r sich ^allein und abgesehen von noch verschiedenen andern Auslagen weit be.trächtlieher sind, als die den Franzosen bei gleichen Verhältnissen in der Schweiz auserlegten Steuern, und welche ver.noge ihrer Ratnr eben die ^Mehrzahl der in Frankreich sich niederlassenden Schweizer treffen, weil sie .die erste Bedingung für die Ausübung eines Gewerbes sind.

Es würde ^. weit führen, wollte ich hier die Steuergesetzgebungen ^er verschiedenen Kantone, in so n..eit sie auf .^ie fremden sich begehen, .der Steu..rgesezgebung Frankreichs in ihren Einzelnheiten gegenüber stellen. Die Bemerkung mag genügen, dass na.h dem Urtheil sehr kom.petenter ^christsteller , welche die Vergleichung der Statistik Frankreichs .mit derjenigen der übrigen Staaten Europas zum Gegenstande spezieller Studien gemacht l.^aben, die direkten und indirekten Steuern in Frankreich Diejenigen der Sehweiz um das Fünsfa.he übersteigen, und ..^as Ergebniss Dieser Vergleichung findet sich . durch schweizerische Fachmänner bestätigt, .welche sich den nämlichen Untersuchungen ge.vidmet haben.

Der in Frankreich si.l. niederlassende Schweizer kann sich über diese tasten nicht beschweren, weil sie die Einheimischen so gut treffen wie die Ausländer. Dem gleichen Grundsaze zufolge darf auch der Franzose, der sich in der Schweig niederlässt, sich nicht beschweren, wenn er nach einem andern Abgabenshsteme sich in gleicher Weise wie der Schwerer selbst, freilich in weit geringerm Masse als in seinem Heimathlande, besteuert

^ieht.

73 Weit entfernt, die Ausrechthaltung der gedachten fiskalisehen Massre.^el gegenüber der Schweiz zu rechtfertigen. gibt also diefe ^...ergleichun^ der Gesezgebung beider Länder einen neuen Grund zur Aufhebung derselben an die Hand. .

^ .

Jeh brauche, Herr Minister,^ Jhr Augenmerk kaum auf die noch^ bei weitem stärker als im Stenerwesen zu Tage tretenden Uebelstände zu lenken, welche, wie die Verzierungen, die Zeitverluste. die unvermeidliche Folge dieser Bassformalitäten find. Eben so ..venig kann Jhnen entgehen, welche missliche Wirkung auf die ...^emüther der schweizerischen Bevolker.m^ der gegenwärtige Stand der Dinge hervorbringen muss, wenn sie sieht, dass ungea.htet aller Betrachtungen , die für eine Aufhebung dieser For- ^ malitaten sprechen , die sranzosischen Agenten immer noch die Schweizer, welche die franzosis^e Grande überschreiten, besteuern, während die Franzosen frei und ohne irgend welche Erschwerungen auf dem Gebiete der Eidgenossenschaft herumreisen. Diese Wirkung ist um so mehr zu bedauern, als sie nicht nur an den Gränzen, sondern vermoge der so manigfachen Beziehungen zwischen den beiden Ländern in der ganzen Schweiz täglich neue ..Nahrung findet.

Mit grosser Befriedigung habe ich gelefen, was Ew. Exzellenz am Sehlusse der vorläufigen Antwort am 25. April 1861 über die gegenseitigen Vortheile sagen , welche die ..Aushebung der Vasssormalitäten sür beide Länder haben würde. Es heisst daselbst : ,,Die zahlreichen und häusigen Beziehungen, welche zwischen Frank,,reich und der Schweiz bestehen, müssen es ohne Zweisel wünsehenswerth ,,machen , dass die Angehörigen der beiden Staaten glei.hmässig in den ,,Ge..nss gleichartiger Vortheile gelangen, und die Regierung des Kaisers ,,würde ihrerseits si.h glü^eh fchäzen, auf die Bürger der Schweiz die ,,Verkehrserl...ichteru..gen auszudehnen, welche sie in lezter Zeit den Eng^ ,,ländern Angestanden hat, uud welche aus die Handelsbeziehungen nur ^fordernd einwirken konnen.^ Die Bundesregierung ist innigst überzeugt von dieser Wahrheit, deren Verwirklichung auch ihr leb^aster Wunsch ist.

Wollen Sie, Herr Minister,. mich entschuldigen , wenn ich , um die in Jl^.rem Schreiben vom 25. ^lpril 186l erhobenen Beschwerden zu beantworten, mich genoi.higt sehe, die Betrachtungen, die ich Jhrer Würdi..

gung zu unterbreiten hatte, in so
umfangreicher Weise auszuführen.

Es schien mir unerlässlich , die Grundlagen der eidgenossischen und kantonalen G..sezgebungen über eine Frage darzulegen , deren Losung das schweizerische Volk nicht minder als meine Regierung eine hohe Bedeutung beimisst. .

Der Bundesrath wollte nicht dem Beispiele anderer Staaten folgen, welche bei ^lush^bung der sragliehen Formalitäten doch gegenüber Frankreieh glaubten ...aran sesthalten ^u sollen, für so lange, als dasselbe seiner-

74 .

seits fie ausrecht halten würde. Er hat vorgezogen , die Jnitiative ohne Rükhalt zu ergreifen, indem er eben so ^ut für die Franzosen als für die Angehorigen der übrigen Staaten dieselbe aufhob, in der wohl begründeten Erwägung , dass die Regierung des Kaisers das andern Landern bereis gewährte Gegenrecht der Schweiz nicht verweigern werde.

Er gibt sich um so zuversichtlicher dieser Erwartung hin, als andere Staaten, deren Ang^horige sür die Niederlassung in der Schweiz nicht die gleichen Garantien wie d.e Franzosen geniessen , und darunter auch diejenigen , welche in Sa.chen der Niederlassung von Ausländern eine der sranzosischen entsprechende Gesetzgebung besten, so England, Jtalien und Belgien , nicht gezaudert haben , der schweizerischen Eidgenossenschaft das in Rede stehende Gegenrecht einzuräumen.

Jch wage daher zu hoffen , dass eine neue Brüf^.ng der Frage und der hievor ausgeführten Betrachtungen zu einer, den sreundnachbarlichen Beziehungen und dem zwischen zwei Ländern mit so viele.. gemeinsamen Jnteresfen wünschenswerten guten Einverständnisse entsprechenden Lösung sühren werde.

Jndem ich Sie, Herr Minister, bitte, die Betrachtungen, welche ich im Ramen des Bundesrathes im Vorstehenden entwikelt habe, der Regierung des Kaisers vorzulegen und Jhren hohe.. Einfluss zu Gunsten einer Lösung im angegebenen Sinne geltend zu ma.hen, habe ich die Ehre, Ew. Er^ellen^ die Versicherungen meiner vollkommensten Hochachtung zu erneuern.

Baris, den 15. Juli 1862.

Der Minister der fchweiz. Eidgenossenschaft: ^ern.

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Note des schweizerischen Ministers in Paris an den französischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten betreffend Aufhebung der Paßvisa. (Vom 15. Juli 1862.)

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