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der mit der Prüfung der Verfassungen der Kantone St. fallen und Waadt beauftragten Kommission (Vom 18. Januar 1862.)

Tit..

Mit Botschaft vom l0. und beziehungsweise vom 13. d. M. trägt der Bundesrath daraus an, den neuen Verfassungen der Kantone St. Gallen und Waadt die bundesgemässe Garantie zu ertheileu. Da wir im Wesentliehen sowohl mit diesem Autrage, als mit den zur Erläuterung einzelner Artikel der fraglichen Verfassungen beigesügten Bemerkungen einverstanden sind, so bleibt uns bloss übrig, eiuige wenige Vunkte herauszuheben, die von dem Bundesrathe entweder gar uieht berührt, oder anders als von uns ausgesagt worden sind.

I.

Verfassung des Kantons St. fallen.

Der Bundesrath findet die in Zisser 2 und 3 des Art. 6 ausgespro.l,ene Gewahrleistung der katholischen und der evangelischen Kirche, so wie der sreieu und uneingeschränkten Ausübung des katholischen und evaugelischen Glaubensbekenntnisses und Gottesdienstes enger als die in Art. 44 der Bundesverfassung deu anerkannten christlichen Konfessionen zugesicherte Garantie. Wir theilen zwar diese .Ansteht uieht, glauben aber um so weniger aus die Bedeutung des einer verschiedenen Auslegung fähigen Ausdrukes, ,,die anerkannten christlichen Konfessionen hier eintreten zu sollen, da ja unzweifelhaft , wenn je ein Streit über den Sinn desselben si.h entspinnen sollte, der Entscheid in letzter Jnftanz der Bnndesversammlung

^ ^7 zukommen würde, wobei es sich von selbst versteht, dass die Redaktion der St. Gallischen Verfassung der vollsten und sreiesten Handhabung des Art. 44 der ..Bundesverfassung nicht im Mindesten hinderlich sein konnte.

Art. 23 erklärt jeden im Kanton St. Gallen niedergelassenen Schwerer für wehrpflichtig. Diese Vorschrift kann natürlich dem Art. 144 des Bundesgesel^es über die Militärorganisation, nach welchem unter gewissen Voraussetzungen ein Niedergelassener ausnahmsweise ermächtigt werden kann und beziehungsweise soll, in seiner Heimath zu dienen, keinen Eintrag thnn.

Den Ziffern 2 und 3 ^des Art. 2.^ ,,die Verzichtleistung (auf das ,,Kantonsbürgerrecht) kann ausdrücklieh oder stillschweigend geschehen. Sie ^geschieht stillschweigend, wenn der betreffende nach seiner Ausnahme in Deinen andern Staatsverbaud das herwärtige Bürgerrecht wahrend dreissig .,,Jahren nicht mehr erneuert,^ ist nach unserm Dafürhalten die Genehmignng zu versagen, weil sie (wie die Bundesversammlung an. 25. Juli 1850 bei Gelegenheit der Sanktion der ^ersassung des Kautons Uri sich ^mit grosser Bestimmtheit ausgesprochen. hat) mit dem Art. 43 der Bundesverfassung (,,Kein Kanton darf einen Bürger des Bürgerrechtes verlustig erklären^) unvereinbar sind.

Den Art. ..)0 (,, Wahlfähig in die Behorden siud im Allgemeinen

,,alle Bürger, we.che die für die Stim.nfähigkeit geforderten Eigenschaften

..besinn und das fünfundzwanzigste Altersjahr angetreten haben ^) bringen wir in Verbindung mit dem Art. 32 und verstehen daher unt^r den wahlfähig erklärten Bürgern nicht bloss die Kautonsbürger, sondern auch die Schweizer aus andern Kantonen.

..

Dem gemäs. tragen wir darauf an, der ...^taatsverfassuug des Kautons St. Gallen vom 17. Rovember 186l, mit Ausnahme ^er Ziffern .2 und 3 des Art. 2.), oie bundesgemässe Garantie zu ertheileu und den Eingang der von dem Bundesrathe vorgeschlagenen Erwägung folgendermasseu abzuändern : ,,in Erwäguug :

.,dass die Ziffern 2 und 3 des Art. 2.) dieser Versassnng mit dem ,, ersten Sal^e des Art. 43 der Bundesverfassung, nach welchem kein Kan,,ton einen Bürger des Bürgerrechtes verlustig erklären darf, unverein,,bar sind , ,,dass im Uebrigen diese Verfassung nichts enthält, was mit der ^Bundesverfassung im Widerspruehe steht ;

,,d..ss sie serner die Ausübung der politischen Rechte u. s. s.^

H.

^ Tie^erfassung de.^ Kantons ^aadt.

Jndem wir uns den von dem Bundesrathe gemachten Bemerkungen

anschließen, fügen wir noch hinzu, dass das in Art. 24 als Bedingung B u n .

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^ .

^ahrg.

^Iv.

Bd.1.

14

^ des Aktivl^rgerxechtes ausgestellte Erforderuiss eines dreimonatlichen und beziehungsweise eines einjährigen Wohnsitzes im Kanton jeden falls auf die Wahlen der Mitglieder des Nationalrathes und der eidgenossisehen Geschwornen nicht anwendbar ist. Was hingegen die kantonalen Verhältnisse betrat , so finden wir die Bestimmung , dass ein Waadtländer, der im Auslande gelebt hat und in seine Heimath ^urück kehrt , erst nach drei Monaten das Aktivbürgerreeht erlangt, ^war ungewohnt, aber nicht un-

statthaft.

Ein speeieller Artikel über die Mogl.ichkeit und über die Art und Weise der Revision der Verfassung findet sieh zwar in derselben nicht.

Es seheinen uus aber die allgemeinen Bestimmungen in Art. 28 der Litt. c des Art. 6 der Bundesverfassung vollkommen zu entsprechen.

Ju diesem Sinne konnen wir dem Antrage des Bundesrathes, der Verfassung des Kantons Waadt die bnndesgemässe Garantie zu ertheilen, einfach ^.stimmen. Hingegen halten wir es sür passend, den Vorbehalt, welchen der Bundesrath mit Hinsieht aus die Redaktion des, das Vereinsrecht definirenden Art. 8 in feine Botschaft niedergelegt hat, in das Dekret selbst einzurücken. Wir tragen daher daraus an, den Eingang der von dem Bundesrathe entworfenen Motive^ folgendermaßen abzuändern : .,in Berücksichtigung :

,,dass Art. 8 dieser Verfassung nicht anders als im Einklang mit ,,Art. 46 der Bundesverfassung ausgelegt und angewendet werden dars;

,,dass im U.ebrigen diese Verfassung nichts enthält, was mit der

..Bundesverfassung im Widerspruehe steht, ,,dass sie serner die Ausübung u. s. f.^ Genehmigen Sie , Tit. . die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

Bern, den 18. Jeuner 18^2.

Für die Mitglieder der Kommission : I.^. ^uttimanu, Berichterstatter.

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Bericht der mit der Prüfung der Verfassungen der Kantone St. Gallen und Waadt beauftragten Kommission (Vom 18. Januar 1862.)

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1862

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.01.1862

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186-188

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