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Bericht und Antrag

der ständeräthlichen .kommission in der

Recurssache der Negierung von Luzern in der Preßprozeßangelegenheit des Conrad Kne u buhler in Willisau.

(Vom 18. Januar 1 862.)

Tit. l Der Tatbestand ist in kürze folgender : Jn einem Artikel in Rr. 95, Jahrgang 1859. des von Conrad Kneubühler herausgegebenen Zeitungsblattes ,,der .Volksfreund" ist die Stelle enthalten : "es habe eine Vartei in der Koftenuote zu tasten des Gegners die Ausgabepost aufgeführt: ,,dem Für spreeh gegeben zur Austheilung au die Oberrichter 30l) Fr. und man habe nicht an der Richtigkeit dieser Ausgabe gezweifelt &."

Das Obergericht fand sich veranlagt, von Amies wegen bezüglich dieses Artikels eine Untersuchung einzuleiten , indem dasselbe von der Voraussezung ausgieng, es handle sich hier um das Verbrechen der Bestechung, der Unterschlagung oder, wenn keines dieser beiden Vergehen verübt worden wäre, dann um dasjenige der Verleumdung gegen das Obergericht selbst.

Die Justizkommission wurde .angewiesen, gemäss den §§. 4.) und 50 des Strafrechtsverfahrens einen ausserordentlieheu Verhorrichter mit der Auhebuug und euergischeu Durchführung der Untersuchung zu beauftragen, welcher Weisung sofort Folge gegeben wurde. Die Untersuchung selbst wurde nun in der That mit äußerster Strenge in der Art, wie solches ohuediess nur bei der Verfolgung schwerer Eriminalverbreeheu zu geschehen

pflegt, geführt, zur Hausuntersuchung und Verhaftung des Angeschuldig-

171 ten (Kneubühler) wahrend 11 Tagen geschritten, weil derselbe das Manuskript des ineriminn.ten Artikels nicht vorlegen, beziehungsweise den Verfasser nicht nennen wollte, obwohl er anderseits die Verantwortlichkeit aus seine Verson übernehmen zu wollen erklart hatte.

Jnzwischen kamen die Verwandten des .Angeschuldigten (am 28. Deeember 185.)) mit dem Gesuch bei dem eben versammelten Grossen Rathe des Kantons ein : es möchten 1) Conrad Kneubühler freigelassen, 2) in Sachen ein unbeteiligtes ausserordentliches Obergericht be-

stellt, und 3) die Verfügungen des Obergerichtes und des Verhörrichters be-

züglich des fraglichen Falles ungültig und folgenlos erklart werden.

Der Grosse Rath erledigte dieses Gesuch mittelst Dekret vom 7. März 1860, und zwar im abweisenden Sinne, indem einerseits das Oberge..

...ich t bei Erlass der betretenden Verfügungen innerhalb der Gräuzen seiner Befugnisse gehandelt, un^ anderseits das Begehren um Bestellung eines ausserordentlichen Obergerichts nach den bestehenden Gesezen nicht als gerechtfertiget erscheine, abgesehen davon, dass damals noch uugewiss war, ob das Obergericht in Sachen zu urtheileu in den Fall kommen werde.

Später, nämlich am 27. Deeember 1860, erledigte das Be^irksgerieht Willisau in erster Jnstanz die Vro^essangelegenheit in sollender Weise : Conrad Kneubühler^ wurde - ,,iu Erwäguug, dass der ^lrt. .)5 des Volkssreundes behauptet, die oberste Gerichtsbehörde stehe bei der offene

lichen Meinung im Gerüchte der Bestechlichkeit und dass die ganze Hal-

tung und .Tendenz dahin ^ zielt, diesen behaupteten Glauben als nicht unbegründet erscheinen ^ lassen, und nun diese ^.lusdrucksweise sich zu einer wirklichen Besehimpfung e.ualifi^irt,^ -. der ^mtsehrverlel^ung s.^uldig erklärt und, in Betracht des nicht hinlänglich gerechtfertigten Uutersuehungsverhaftes, ^u einer 14tägigen Gesänguissftrafe verurtheilt, wovon l1 Tage als bereits erstanden in ..^ug zn bringen sind.

Den Kostenpunkt regulirte das Gerieht im Besonder.. dahin, ^ dass der Angeschuldigte die Vornntersuehungskosten im engern ^inne tragen soll, während die Tageskoften wettgesehlageu wurden, und dass ,,iu Betracht der dem Beklagten durch die Hausuntersuchung zugeflossenen Jnkonvenienzen^^ der Staat au denselben eine Entschädigung von 40 ,^r. zu entrichten habe.

Gegen dieses Urteil legte .^onr. Kneubühler bei der Obergerichtskanzlei Berufung au eine zweite Jnftanz ein, nnd richtete gleichzeitig (unterm 16. Februar 1861) das Gesuch au deu h. Bundesrath: ,,er mochte die Beurtheilung des Rechtfalles dem Bundesgerichte .zuweisen oder eventuell beschliessen, der Grosse Rath des Kantons Luzern habe in Aachen ein außerordentliches unbetheiligtes ^berg.^richt ^u bestellen.^

BundesbIat^. Jahrg. .^^v. ^d...

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172 Rachdem der Bundesrath von den Gegenbemerkungen des luzernischen .Obergerichts .^enntniss genommen hatte, beschloss derselbe am 12. April

^1861.

Jn E r w ä g u n g : 1) dass auf die Beschwerde, soweit sie das gegen den Rekurreuten in der Untersuchung angewandte Versahren betr.sft, nicht eingetreten werden kann, weil nicht nachgewiesen ist, dass dadurch Bundesvorsehriften oder die Kantonsverfassung verlebt wurde, vielmehr dem Rekurrenten überlassen werden muss, nach Massgabe der Geseze über die Verantwortlichkeit der Behorden zu handeln, falls er behauptet, dass kantonale Geseze übertreten worden seien .

2) Dass, was hingegen die Verweigerung betrifft, dem Rekurrenten ein unbeteiligtes Gericht anzuweisen, die Berufung auf Art. 45 der Bundesverfassung allerdings begründet ist , indem die Beurtheilnng von ^ressvergehen durch betheiligte Gerichte mit dem Wesen der ^resssreiheit nicht vereinbar ist; 3) Dass nun der Rekurrent durch das erstinstanzliche Gericht der Beschimpsung des Obergerichts schuldig erklärt ist, und zugegebener Massen

das Obergericht selbst die Klage erhoben hat .

im Dispositiv:

1) Es sei die Regierung von Ln..ern eingeladen, aus geeignete Weise dem Rekurrenten ein unbeteiligtes zweitinftanzliehes Gericht anzuweisen.

2) Sei dieser Besehluss der Regierung des^ Kantons .Luzern ^u Handeu des dortigen Obergerichts so wie dem Rekurrenten, le^term unter Rücksendung seiner Beilage, mittheilen.

Gegen diesen Entscheid hat nunmehr der Regierungsrath des Kautous Luzern mittelst Memorial vom 28. August 1861 Berusu^.g an die h. Bundesversau^nlung eingelegt. Der Bundesrath seinerseits beschränkte sich darauf, die Rekuxssehrist dem Kneubühler zur Vernehmlasfnng mit.^utheilen, welche unterm 3. Deeember v. J. eingieng, und übermittelte sodann die Akten unterm 9. Deeember v. J. den beiden Ruthen, indem er bemerkte, dass er sich in der Hauptsache lediglich aus die Motive des augesochteneu Entscheides beziehe, mit dem Beifügen, dass er jedenfalls die Ansieht des Hrn. Kneubühler nicht theilen konne, wonach die Regierung von Luzern ^ur Erhebung des Rekurses nicht kompetent wäre.

Was zunächst den so eben erwähnten, immerhin uutergeordneteu Vuukt betrifft, so bedarf dieser formelle Einwand des Reeurrenten (gegen das Grossrathsdekret) wohl kaum einer ernstlichen Widerlegung. Abgesehen von einer konstanten Vrar^is der Bundesversammlung, welche die Kautonsregieruugen zur Gelteudmachuug der uaeh ihrer Ansi^t iu Frage gestellten kantonalen Rechte und Gewalten als die berechtigten Organe auerkeuut, ist durch das bereits erwähnte Grossrathsdekret vom 7. März 1860 zum Ueberfluss die Uebereinftimmuug der obersten Landesbehorde mit dem .^er-

l 73 fahren des Regierungsrathes abgesprochen. Ueberdiess ist die Einladung, auf geeignete Weise dem Rekurrenten ein unbeteiligtes zweitmstanzliches Gericht anzuweisen, an die R e g i e r u n g von .Luzern gerichtet; un.^ wenn diese nun glaubt, der Einladung nicht Folge leisten zu mussen oder, in Einblick aus das mehxerwähnte Grossrathsdekret vom 7. März l 860, nicht Folge leisten zu kennen , so ist es eben die Regierung vou Luzern , welche gegen diese ^uiuuthung den Rekurs au die Bundesversammlung ergreisen mnss.

Mit dem Bundesrathe sind wir in der Hauptsache darin einverstanden, daß aus alle Falle das Urtheil, welches man über das angewandt...

Versahren sich ..bilden mag, und welches wohl kaum auf v o l l e Vill^guug lauten dürste, keinen Vestimmung.^r.und zur ^undesinterv.mtion ab^.ben kann, sondern dass der Rekurr.^nt, wenn er sich d^essfalls ^ur Beschwerdeführnng berechtiget glaubt, seine klagen nach Massgabe des k a n t o n a l e n G e s e z e s ü b e r ^ i e V e r a n t w o r t l i c h k e i t ^er V e h o r t e n bei. der zuständigen kantonalen Stelle au^ubriugeu hat.

R..r die Verlegung von k o n s t i t u t i o n e l l e n Rechten kann Gegenstand und Grund der ..^undesintervention sein.

Dass die .^antonsverfassung ini vorliegendem Falle vele^t sei, ist nicht behauptet worden und also auch nicht zu untersuchen. Wohi aber laust die Motivirung in dem bundesräthliehen Entscheid daraus hinaus, die Zweck-

mässigkeit beziehungsweise Vollständigkeit der luzerni sehen Ge^

riehtsversassnng ^u negiren, indem darin keine Bestimmungen sur d^.n Fall einer Vetheilignng des obersten Gerichtshofes im korrekt^ onellen Strasprocesse über dessen außerordentliche Erse^ung enthalten seien. Wir werden auf den ^unkt zurückkommen^. A. n dieser Stelle genngt es, bemerkbar zu machen, dass jedenfalls eine Verfassung, welche solche .^tusnahmsgeriete u ich t kennt, dadurch nicht verlebt werben kann, wenn ini Wege der Gese^gebung o^er Ves.^lussesfassung keine Ausnahmegerichte aufgestellt werden. Dem Rekurrenren stehen diejenigen ..^ehu.^mittel und Gerichtsbehordeu unverkün.mext zu G^.bot, welche ^i.... Iu^.rn^sehe Verfassung und G.^se^gebung ü b e r h a u p t und se dem a u ...... r u E i n w o h n e r in gleicher ^ a g e gewährt. W .re übrigens d^e erwähnte ^ü..ke ^n ^er lu^eruisehen Verfassung ein Mangel solcher .^t und Ralur, dass er die Bundesversammlung zur ^.lbhulfe auffordert, so n^ü^te le^t.res nicht blos..

hinsichtlich der ^ r essvergehen geschehen, sondern ^i.. Gründe, die h^r in Betracht kommen, würden in noch hbherm Masse bei andern Fällen der Jurisdiktion ins Gericht fallen. ^ass nicht a u s n a h m s w e i s e für V r e s s v e r g e h e n jener Uebelstand besteht, beweist vor der Hand, ^ass es sich wenigstens nicht um eine in ihrer Jntention speziell gegen die Bressfreiheit gerichtete Maßregel handelt.

.^iegt nun aber e n.^ ^erl^ung d^r Bundesverfassung vor^ Der h. Vundesrat^ .n.^em er die Frage b^aht, beruft sieh zur ..^ Gründung seiner Ansteht aus den ^xt. 45 ^der Vun.^es^erfassuug : ,,Die

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Bressfreiheit ist gewährleistet. Ueber den Mißbrauch derselben trifft die Kantoualgese^gebung die erforderlichen Bestimmungen, w e l c h e j e d o c h der Genehmigung des Bundesrathes bedürfen.^ Wir geben von vornherein zu, dass durch diesen Artikel nicht blos die sog. V r ä v e u t i v m a s s r e g e l n (die ^ensur u.dgl.) untersagt, oder, mit andern Worten, die Freiheit der Gedanken-Mittheiluug gewährleistet worden, sondern dass nicht miuder jene R e p r e s s i v m a s s r e g e l n als unzulässig erklärt fin^, welche in ihrer Rückwirkung f a k t i s c h das Brinzip der ^resssreih.^it zerstoren, was u. a. bei gewissen Bestimmungen, betreffend die Strafen , den Gerichtsstand und das Versahren der Fall

sein kann. Es ist daher allerdings die Aufgabe des ^Bundesrathes be-

ziehuugsweise der Bundesversammlung , iu jedem Falle sorgfältig und gewissenhast zu untersuchen, ob nicht durch Bestimmungen über ^en Missbrauch der Vress. auck.. der rechtmässig.. Gebrauch, der im ersten Sa^e des Art. 45 garaulirt ist, verhindert oder do.h in erheblichem Grade gefährdet oder ersehwert werde.

dieser Uutersuehnug ist jedoch die Kommission aänzli.h enthoben, und zwar ans einem doppelten Grunde. Einmal handelt es si^h hier keineswegs um einen b e s o u d e r n G e r i c h t s s t a n d f ü r ^ r e s s v e r g e h e n , sondern es wird ein .^..heil der a l l g e m e i n e n G e r i c h t s ^ o r g a n i s a t i o n des Kantons Lnzern in ^.rage gefegt, z w a r nicht als s o l c h e r , sondern desshalb, weil seine .Anwendung im g e g e b e n e n ^alle sich nach Erwägung 2 des bundesräthlichen Entscheides mit dem Wesen der Br^ssfreiheit als unvereinbar ergeben hätte. Sodann aber hat jene Vrüsung der luzeruischeu Bressgese^gebung bereits Statt gefunden. ^.urch Beschluss der Bundesversammlung vom 1. ^ebruar 1.^54 war ^er Bundesrath eingeladen worden , die ^ressgese.^e der Kantone zu dnrehsehen und soweit dieselben mit den iu Art. 45 der Bu^sversass.^.g ausgesprochenen Grundsä^en im Widerspruch erfunden würden , aufzuheben^ oder zu modisiziren.

dieser Aufgabe ist der Bundesrath seither in vollem Umfang uaehgekommen , und der Umstand , dass überdiess gegen das luzernis^e Bressgese^ Besehwerde geführt worden war, gab.zn dessen einlässlieher Brüsnug uo.^h besondere Veranlassung.

^ie iu Art. 45 der Bundesverfassung vorbehalten.. Genehmigung ist also bereits ausgesprochen, und schon mit .Rücksicht ans diesen entscheidenden Umstand dürfte es ausserordentlich schwer salleu, aus dem Art. 4.^ der Bundesverfassung die Kompetenz zu weiterer Einmischung in die kantonale Gerichtsverfassung herzuleiteu.

Wir sa^en in die k a u t o n a l e G e r i c h t s v e r f a s s u n g . denn es ist oben nachgewiesen worden , dass nicht etwa die Bressgese^gebung des Kantons Luzern, zum Rachtheil der verfassnugs.uässigen R.^ehle der Bürger gegenüber denjenigen der Behordeu^, die Bestimmung enthält , es soileu Beleidigungen der l.^teru überhaupt oder speziell die Br^ssverg..h^n oou denjenigen Gerichtsstellen beurtheilt werden, gegen welche die Jujurie ge-

^

^

175 richtet war. Sondern, w e n n in der mangelnden Anweisung eines, ..........

man sich ausdrückt , unbeteiligten Gerichtshofes in Fällen der vorliegenden Art (wo in irgend einer Beziehung oder in einen. Stadium des Verfahreus dieselbe Behorde bereits gehandelt hat) ein mit der Bundes- oder Kauto..sversassm.g unvereinbares Gebrechen erblickt werden sollte, so müsste die Berechtigung des Bundes, die Erlassung einer entsprechenden GesetzesBestimmung oder Schlussnahme im einzelnen Falle zu fordern , jedenfalls aus andern Bestimmungen der Bundesverfassung hergeleitet werden konnen und die Massregel selbst, welche zu diesem Ende hin zu ergreisen wäre, müsste einen generellen Charakter haben und wol auch gegen eine Mehrzahl von Kantonen zur Anwendung kommen. Bis wir die Gründe für ein solches Vorgehen des Bnndes gehort haben , sind wir ausser Stand, aus deren Widerlegung einzutreten. Jnzwischen dürfte die Konsequenz des bundesräthlicheu Antrages geeignet sein , das Gesahrvolle desselben für die Kautonalsouveränetät in .^as hellste .^icht zu stellen.

Es ist die Bresssreiheit im ..^rinzip nicht verletzt , wenn sich aus dem Gründe der allgemeinen Gerichtsorgauisation eines Kantons oder wegen b e s o n d e r e r Missgrifse im einzelnen Falle ein Uebelstand ergibt, welcher eben so gut bei jedem andern Vrozessgegeustaude zutreffen konnte.

Verbrechen und Vergehen , welche mittelst der fresse verübt werden, sollen unter das gemeine Recht gestellt sein , dagegen konnen sie keineswegs einen privilegirten Gerichtsstand u. dgl. beanspruchen.

Gleiel.wol mag es zur weitereu Ausklärung der ^ache nicht ganz ausser Weges sein , die Voraussetzung , als ob die mehrerwahnten Beftimmungen des luzernisehen ^rozessgesetzes wenn nicht überhaupt, doch im vorliegenden ^alle eine wesentliche Beeinträchtigung der Vresssreiheit bedingen würden, aus das gebührende Mass ^urückzusühren, .^bwol wir nicht zugeben konnten , dass desshalb der Band berechtiget wäre , in den Gang eines sehwebenden Brousses einzugreisen. ^u diesem Behuf ist es nothwendig , auf das Vrozessualische der .^ache und auf jene Bestimmungen selbst einen Ruckblick zu werfen. Der Regiernugsrath des Kautous ^uzern äussert sich hierüber folgendermasseu : .,Eine Vorschrift, geu.äss welcher . ein Gericht iu corpore perhorr^seirt werden konnte, besteht allerdings nicht, vielmehr hat sich eine gegentheilige Brar^is geltend gemacht. Ju der Be-

riod.. von 18l4^1^31, von 1^31-184., so wie von 1841-^ 1848 ist gar nicht selten der Fall vorgekommen, dass das oberste Gerieht (Appella-

tionsgericht) gegen solches gerichtete Ver^.nglimpsunge.. beurteilte und bestrafte. Etwas Analoges hat die Bestimmung des ^. 3^ de.^ Eivilrechtsverfahrens, wonach Verletzungen der einer gerichtliehen Behorde schuldigen Achtung in deu Vorträgeu oder durch achtungswidrige Handlungen . sofort von Seite der betheiligten Beborde selbst mit einer Busse bis a...f 10 Tage G^äugniss bestrast werden tonnen...... Dagegen ist das Recht der Reeusation im Juteresse eines Beklagten so .^iel als möglich ausgedehnt. Rach ^. 135 des .^..xasrechtsversahreus ist der Beklagte berech^

176 tiget,^bei ^er Beurtheilung durch das Obergericht 4 Richte.., ohne einen ^ru..d dafür angeben zu müssen , auszustellen . die sodann durch Suppleante.. erseht werben müfs.n..^ Wir fügen bei, dem Beklagten steht überdiess frei, gegen einzelne Richter die gediehen Anssteltnngsgründe geltend ^u machen und dass nicht ermittelt ist, ob und wiefern ...as Obergericht einem diessfälligen begründeten .^.gehren nicht würde Rechnung getragen haben.

Wir lassen die Richtigkeit der obenangeführteu Argumentation dahin gestellt, ja wir wollen geradewegs zugeben, dass von dem Standpunkt einer freien Kritik aus die Anweisung eines unbetheiligten Gerichtes für ^älle der vorliegenden Art als erwünscht erseheint. Allein e^ ist denn ^ doch der Uebelstand wesentlich gemildert dadurch , dass dem Beklagten ein weilgehendes Reeusationsrecht erofsnet ist und die übrigbleibenden MitGlieder in ihrer ^timmgebung durch die beigezogenen ^uppleanten eontrollirt sind. Auch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Anklageführung selber, betreffend die Frage der Schuld und das Strasmass, in dritte Hand (in diejenige des ...^taatsauwaltes) gelegt ist , dass , ehe die Sache an die zweite Jnstanz gelangen kann, ein v o l l i g u n b e t h e i -

l..gtes Gerieht u r t h e i l t, und dass im vorliegenden Falle es nicht

der Staat und vollends^ nicht das .^bergerieht ist, welches, um eine AbÄnderung des Urtheils zum Rachtheil des Angeklagten herbeizuführen, die ..Berufung angemeldet hat. ^as Urtheil des Bezirksgerichts Willisau vom 27. Deeember 18^0 ist überdiess ^ nicht so beschaffen, dass man sagen konnte, der Beklagte habe nicht einen vollig unbefangenen Richter gesnuden. Einerseits ist derselbe, wie diess nicht anders sein konnte, der Besehunpsnng schuldig erklärt und in eine der Schwere der Beschuldigung entsprechende Strafe (von 11 Tagen Gefängniss) verfällt, anderseits ist aber auch die ungerechtfertigte Haft in Abzug gebracht und demselben für die ,,Jnkonvenien^ der Hausdurchsuchung eine Entschädigung von 40 ^r.

zugesprochen worden. Es ist seine (des Angeklagten) ^ache, ob er lieber diesem Urtheile sich unterziehen oder, im Vertrauen aus ^as gute Recht, die Appellation au die ^weite Jnstanz ergreifen wolle, sowie sich diese uach der Verfassung und Gesel^gebung seines Landes eben eompo^iren lässt.

.^anu man unter solchen ^ Umständen von Justizverweigerung und dadurch bewirkter Beeinträchtigung der Bressfreiheit reden ^ ^ie Bejahung dieser ^rage wäre gleichbedeutend mit der Erklärung, dass für die Benrtheilung von Vressvergehen mindestens 2 (man konnte ebensowohl sagen .^ Jnstanden erforderlich seien. Mit gleichem Rechte konnte eine dritte Ansicht behaupten, dass unigekehrt die Vressfreiheit uur in dem Jnstitute des Gesehworneugeriehtes ihre wahre Garantie finde.

Wäre es uaeh unserer Ansicht überhaupt konstitutionell ^ulässig, aus dem Gesichtspunkte der kantonalen ^.riehtsorganisatiou oder des in einem Spezialfalle beobachteten Verfahrens zu Gunsten der B^esssreiheit von Bundeswegen zu intervenireu , so würde die .kommission jedenfalls an dem

.

177 l e t z t e r e n in weit höherem Masse Anstoss finden. ^ie Hausdurchsuchung und Verhütung wegen eines einfachen Bressvergehens (ohne dass damit eine Aufreizung gegen die bestehende Ordnung u. dgl. konkurrirt) waren Massregeln , welche , wenn .^eren Wiederholung in der Regel und nach geglichen Vorschriften zu befürchten ware , die freie Meinungsaussernng einzuschüchtern geeignet sind.

Jndem der Buudesrath in der Erwägung t) erklart, es könne auf die Beschwerde, soweit sie das gegen den Reknrreuten augewandte Verfahren betrifft , nicht eingetreten werden , hat derselbe in der That den in den nachfolgenden Motiven eingenommen nen Standpunkt zum Voraus ^reis gegeben, oder vielmehr die Unhaltbarkeit desselben an den Tag gelegt. ^ie Bundesversammlung darf eben nicht an die Beurteilung der kantonalen Gerichtsorganisation oder der Ausübung ihrer Jurisdiktion im einzelnen Falle jenen Massstab der Kritik anlegen, welchen die aussehende und gesetzgebende Gewalt des betreffenden .Kantons unter Umstanden in Anwendung zu bringen befugt ist.

....^e Kommission ^) (Blumer, Häberlin und Rüttimann) stellt daher den Antrag ^, es sei der Reeurs des Regierungsrathes von Luzern d. d.

28. August 18^.1 begründet zn erkaren und demnach der Beschluss des

Bundesrathes vom 21. April 1861 aufgehoben.

Wollen Sie, Tit., die Unvollkommenst der Berichterstattung durch

die Kür^e der dem Referenten zugemessenen Zeit entschuldigen Versicherung der vollkommenen Hochachtung genehmigen. .

und die

Bern, den 18. Jannex 1862.

^er Berichterstatter.

.^. ..^ Berlin.

^) .^r. .^rachebond war ablesend und .^r. ^alonr hat sieh dle definitive Stimm^ gebung vorbehalten.

^) A n ^ r a g ^ ^lde Beilage.

178

^tr^ der

ständeräthlichen kommission in der Rekur^beschwerde der Regierung von Lu^rn, betreffend ^reßsreiheit.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsieht einer Rekursbeschwerde des Regierungsrathes des h. Standes Luzern d. d. 28. August 1861 gegen den Beschluß des

Bundesrathes vom 12. April 1861, betreffend Rechtsverweigerung in

Sachen des Eonrad Kneubühler von Willisau, der Antwortschrist des leztern vom 3. Dezember 1861 und der weiteren sachbezüglichen Akten.

in Erwägung: dass weder eine ..^erle^uug von Bnndesvorsehriften noch der Kantonsverfassung von Luzeru vorliegt,

beschliesst: 1. Der Besehluss des Bundesrathes vom 12. April 1861 ist ausgehoben.

2. Mittheilung au den h. Bundesrath für ^ieh und zu Handen der Parteien.

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Bericht und Antrag der ständeräthlichen Kommission in der Rekurssache der Regierung von Luzern in der Preßprozeßangelegenheit des Conrad Kneubühler in Willisau. (Vom 18.

Januar 1 862.)

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28.01.1862

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