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Bericht der

nationalräthlichen .kommission über den Rekurs der Landschaft Saanen.

(Vom 23 Juli 1862.)

^ Tit..

, kinderlos, ursprünglich heimathberechtigt in Vivis, jetzigem nachmals aber auch in das , Kantons Bern aufgenommen , errichteten gemeinschaftlich am w "Dass sowohl diejenigen Mittel, so das Ueberlebende pon uns Beiden Ehegatten, von sieh selbsten hat und ihme zugeöhren mogen, ,,als auch was es kraft obanzogenen Testaments und darauf erfolgten ,,Eodizills vom zuerst absterbenden Ehegemachel ererben wird, nach ,,Abfterben des letzten Ehegatten von uns Beiden, nach Ausweisung ,,rechtmässiger Schulden, d e n e n A r m e n d e r D e u t s c h e n L a n d ,,schast S a a n e n , für Eigenthumbliehen, zu ewigem .Angedenken, ,,als ein ohnvertreibliehes Hauptgut zufallen sollen, da sonderheitlich ,,es die Meinung hat, dass gleich wie nach Jnhalt obigen unsern ,, Testaments, es sich verstehet, dass sowohl der Martiniberg, als ,,auch Blantiereu zu Gunsten der .Schulen zu allen Zeiten an ihrem ,,Ort ohnverüsseriich stehen und also weder verkaust, versetzt, ver,,tanschet: oder in einichen anderen Weg veränderet, verteilt noch ,,alienirt werden sollen. als solle es auch eine gleiche Beschaffenheit ,,zn Gunsten gedeuter Armen haben , in Ansehen der Bergen oder ,,Weidgängen Des Ouges et Combalets gekannt, so dass solche auch ,,in keinen Weg veralienirt werden sollend ; hiemit die gemelten ,,Armen des letztlebenden Eheg..machels Verlassensehast nach seinem ,,Hinseheid einzig erben sollen."

Zur Erklärung dieser Verordnung, durch welche die beziehungsweise die dortigen Armen , zur Universalerbin der Ehegattin nach deren beidseitigem Absterben eingesetzt wurde, sügen wir bei,

256 dass dieselben Ehegatten vorher den S c h u l e n von ihre eigenthümlichen Berge ..Martini und Blaut.ere^ legirt hatten. dieses Legat beschäftigt uns aber nicht weiter. ^ Eottier , nud die erwähnten le^.ll.gen Verordnungen erhielten am 4. Dezember die Homologation des dortigen Landgerichts. im Mai 1760 folgte ihm die überlebende Wittwe , nachdem sie die in Verbindung mit ihrem Manne errichtete Erbeseinsel.^mg der Landschaft Saanen nochmals

lel^twillig bestätigt hatte.

Ein volles Jahrhundert blieb die Landschaft im ungetrübten Genusse des ererbten Vermogens, welches sie auch streng stiftungsgemäs.. verwaltet und verwendet zu haben scheint.

Jn jüngster ^eit bot der Umtausch eines der ererbten Waldstücke und der Holzschlag in andern Barzellen der ererbten Güter, der sich nach Versicherung der Beschwerdeführerin inner den strengsten Schranken der Forstkultur gehalten haben soll, angeblichen Jntestaterbeu des Beter Eottier den Anlass, wider die .Landschaft Saanen rechtlich aufzutreten; sie habe, wird behauptet, durch testamentswidrige theilweise Veräussernug und durch mißbräuchliche Benu^ung der Erbgüter deren Eigentum verwirkt, und sei so.uit schuldig, dasselbe an die gesetzlichen Erben herauszugeben.

Mau kann sich der Vermutung kanm erwehren , ^ dass der Angriff aus schwachen Füs.en. steht , besonders wenn man weiss , dass nach den.

Tode der Ehegatten ^^ischeu deren ^er.vandt.m und der Landschaft ein Vergleich ^u Staude kam. durch welchen Lettere einige Opser brachte, in ^olge derer die Verwandten allen und sedeu Ansprüchen auf die Erbschaft für alle Zeit entsagten und sogar das fremeste Versügungsrecht der Lands..hast Saanen anerkannten. .^ier beschäftigt uns jedoch die ^.rage de^ materiellen Reehtes ni.ht, für .velehe auch die ..tkten nicht vollständig wären, sondern lediglich ^ie ^rage des G e r i c h t s s t a n d e s .

Die Kläger luden nämlich die beklagte Landschaft vor die waadtländischen Gerichte, den Friedensrichter von Rougemont, beziehungsweise das B.^irksgerieht von ,,Ba^s d^Enhant^ , sie beschränkten ^.. diesem Zwecke ihren Anspruch auf die L i e g e n s c h a f t e n und die im D a n t o n W a a d t g e l e g e n e n L i e g e n s c h a f t e n der Erbschaft Eotiier ^es immeubles noive.^t ..aire retour^ an .^ie natürlichen und wirklich lebenden Erben.

Die Landschaft ...^aanen verweigerte die Annahme der sriedensrichterlichen Ladung; die Sache gelangte an den bernersehen Appellationsund Kassatiou.^hos , welcher unterm 17. August vorigen Jahres die Jutimatiou der Vorladung absehlug, .oeil es sich um ei..e vor den Gerichts^ stand des Wohusil^s des Erblassers gehörende Erbschaftsstreitigkeit und nicht um den Gerichtsstand der gelegenen ...^ache handle.

Die Kläger veranlagten indess die waadtländischen Gerichte, den Eon-.

tumazprozess einzuleiten. die Landschaft ^aaneu beschwerte sieh dagegen

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bei dem hohen Bundesrathe, die Abweisung von Seite des Bundesrathes ^hatte den Retors au die hohe Bundesversammlung zur Folge, das Reknrsmemoriai ist Jhnen, Tit., gedruckt mitgetheilt und^ schließt in erster Linie dal.,in .

^ ^ie mochten , in Abändern^ des bundesräthlichen Entscheides ,,vom 5. Mai 18^.2, das von Seit.^de... Lonis Sonmi, zu Rouge.,mont, Bierre LonisDueraux^, ^u El..evallegres und Mithaste, alsKläger ,,gegen die Landschaft Saanen, als Beklagte^, vor den waadtlän,,^schen ..Gerichtsbehörden eingeleitete Eont^maeial ^ro^essversahre.., ,,als bundeswidrig, kassiren, unter Kostensolge gegen wen Rechtens..^ Es handelt sich mithin um einen Kompeten^konflikt zwischen den Kantonen Bern u u d W a a d t , zwar nicht in dem Sinne, dass die waadtländisehen Gerichte b^.reils eiue geriehtsablehnende Einrede der Landschaft ..^aanen.. abgewiesen hätten, wohl aber. in dem Sinne, dass sie sieh thatsäehli..h die B..s^g^.iss zusehreiben, über die Kompetenzfrage zu urtheilen.

Jhre kommission verkennt nicht, das^ der Fall verschiedene Auffassung znlässt; aber sie ist der einstimmigen Ansicht, dass überwiegende Gründe für den b e r n ^ . r s . h . e n Gerichtsstand sprechen; sie hält daher grunds.^lich

den Rekurs für begründet, und sie gibt sich die Ehre , ihre ansteht mit

^r durch die Unistände gebotenen .^ürze Auseinanderzulegen. dieselbe mag .^s auch entschuldigen, wenn der Berichterstatter die abweichende Ansieht des l.,. Bundesrathes mehr mittelbar, durch Ausstellung der gegenheiligen Anschauung, als durch unmittelbare .^r^tik zu widerlegen sueht.

Vorab wird es sich fragen . Welches ist die .^atnr ..es erhobenen Rechtsanspruches^ Wir halten nun dafür, es handle sieh um eine E r b scha f t s l . la g e ^ denn es soll ans dem Testamente ..^er Ehegat.en Eottier hergeleitet werden, ^ass die Landschaft Saanen wegen Missbrauches nicht berechtiget sei , die Verlassensehaftsmasse länger eigenthümlieh zu besinn, sondern schuldig, dieselbe an d^e Verwandten der T.^statoreu herauszugeben.

Die unmittelbare rechtliche Jntenti.^n der Klage ist also nicht die Vindikation dieser oder jener liegenden oder fahrenden speziellen ^ache, sondern die Reseission ^^..s Testanientes in Folge missbrauehlicher Handtungen des bisherigen anerkannten Erben und Eigentümers.

Dieses Rechtsverhältnis wird dadurch innerlich nicht geändert, dass die Kläger gleichsam in fraudeni le.^is die Erbschaft a^seinanderreisseu und sich berechnend nur auf die im W a a d t l a n d g e l e g e n e n Jmm o b i l i e r werfen. denn diese bilden nur einen Theil der streitigen Verlassensehaft, und es handelt sieh zunächst nicht um die einzelnen reales Bestandtheile der Erbsehast , sondern um die Verlassensehast als idealen Ganzes, also um ei..eErbsehaftstlage ; und es entsteht nun die weitere Frage: Welche Vorsehristen enthalten die ..^ro^essgese^gebuuge.. der beiden Kantone über .^en Gerichtsstand solcher .^la^en .. Was B e r n anbelangt, so stellt es nun unbedingt fur Erbschaftsstreitigkeiten den Gerichtsstand ans, wo

258 der Erblasser den Wohnsitz gehabt hat, also im Fragesalle S a a n e n , wo auch das Testament gerichtlich in Kraft gesetzt worden ist. Der Kanton W a a d t statuât grundsätzlich den gleichen Gerichtsstand, lasst uns aber im Zweifel, ob dieser Gerichtsstand in einem Falle, wie der vorliegende noch fortbestehe, indem er dem Richter des Ortes, wo die Verlassensehast erofsnet worden, unterstellt: ^.les demandes rel^.v.^ ^. l'e^cut.on des dispositions à cause de mort. jusqn^n jugement d.^nitik. ^ Angenommen, wenn auch ohne Ueber..eug..ng, dass wirklich zwischen den beiden Gesetzgebungen eine .Antinomie bestünde und dass keine überwiegenden Gründe vorwalteten, der Eigentümlichkeit des bernerschen Rechtes den Vorzug zu geben, so hält Jhre Kommission dasür, dass auch noch aus einem andern Gesichtspunkte dem bernerschen Gerichtsstande, nämlich a l s dem des W o h n s i t z e s der . . B e k l a g t e n , der Vorrang gebühre.

Dieser Gerichtsstand ist durch Art. 50 der Bundesverfassung für die interkantonalen Verhältnisse als R e g e l ausgestellt und immer in einem sehr weiten Sinne in Anwendung gebracht worden. Art. 50 spricht allerdings nur von ,,personliehen Ansprüchen^ ; allein das Gegentheil wird nicht schon dadurch begründet, dass die Schule eine Klage als eine d i n g li che bezeichnet. Rach unserer, wohl durch die Brar^is bestätigten Ausfassnng, ist, im Gegensatze zum koruni domicilii. das korum der gelegenen Sache, r.^ sn...... nur da kompetent, wo das Grundeigentum oder andere dingliche Rechte an Liegenschasten, wie G^nn.^dienstbarkeiten, Hypotheken

u. s. w. streitig sind. Wir haben sehon gezeigt, dass im Fragefalle die

Klage nur m i t t e l b a r aus Liegeusehasten gerichtet ist. dass sie nicht aus einem absoluten, gegen j e d e n d r i t t e n wirkenden Rechtsgrnnde beruht, sondern gegentheils auf dem hochst persönlichen , vertragsähnlichen Fundamente ; dass sich der gegenwärtige Eigenthümer durch Missbrauch, also durch Delikt oder q.^.si delic.. unwürdig gemacht habe , serner Eigenthümer zu bleiben und daher sein g e g e n w ä r t i g u n s t r e i t i g e s und a n e r k a n n t e s E i g e n th u m den Klägern abzutreten habe..

Die Kommission gibt aus den entwickelten Gründen dem Gerichtsstande des Ortes. welcher der Wohnsitz der Erblasser war, in welchem das Testament gerichtlich in Krast gesetzt worden, welcher endlich der Wohnsitz der Beklagten ist - und alle diese Gerichtsstände fallen im Kanton Bern, in Saanen zusammen -- entschieden den Vorzug vor einem forum rei sit.^

und findet daher grundsätzlich den Rekurs gerechtfertigt.

So viel ist freilieh klar, dass die Bundesversammlung ihren Entscheid nieht, wie verlangt wird ,,unter Kostenfolge aussprechen kann, indem sie dadurch in das Gebiet des ^Richters hinül.ersehreiten .vürde , statt eiusach Grundsätze des Bundesrechtes auszusprechen. Daher der

A n t r a g: Es sei der Rekurs begründet und daher das von Lonis Soumi v. Rougemont und Mithaste, Klägern, gegen die Landschaft Saanen, als

259 Beklagte, eingeleitete Rechtsversahren als wirkungslos und die vom bernerschen Appellations - und Kassationshose verfügte Verweigerung der

Ladung an die Beklagte als gerechtfertigt erklärt.

Die Rekursbeschwerde enthält aus den Fall , dass ihr in der Haupt..

sache nicht entsprochen würde, den eventuellen Sehluss : .,Sie mochten mindestens dafür sorgen, dass der beklagten .Land.,fchaft Saanen Gelegenheit gegeben werde, vor dem waadtländischen ,,Gerichtsstande ihre Rechte zu verteidigen, sei es, indem Sie das ,, bisherige Brozessversahren ausheben und die Gegenpartei anweisen, ,,den Brozess von Reuem zu beginnen, oder durch irgend eine andere .Zweckentsprechende Verfügung.^ Der hohe Bundesrath sagt in seinem Berichte pom 16. dieses Monats: es seheine ihm kein Grund vorhanden,^ aus dieses zweite Rechtsbegehren einzutreten.^) Es ist der Kommission zwar nicht ganz klar, in welchem Sinne sieh der Bundesrath so aussprieht ; ob er das Gesuch für materiell unbegründet hält, oder die sreie Verteidigung der Landschaft Saanen ohnehin als gesichert betrachtet. Sei dem aber, wie da wolle, so hat die Kommission in der Hauptfrage eine Stelluug eingenommen, die ihr für einmal kaum rathen kann, in das Eventualgesnch einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 23. Juli 1862.

Samens der Kommission , ^ Der Berichterstatter : Bal.^er.

...) Siehe Seile .^8 hle.^or.

.^) Die Commission bestand au^ den ^.erren .

W. B a l d l n g e r , in Baden (Aargau^.

^h. C a m p a r l o , in .^enf.

^. L. S u l z b e r g er, in ^rauenfeld.

L. W u l l l e r e i , in ^relburg.

.^. B i s c h e r , in Luzern.

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Bericht der nationalräthlichen Kommission über den Rekurs der Landschaft Saanen. (Vom 23. Juli 1862.)

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13.09.1862

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