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Aus den Verhandlungen der schweiz. Bundesversammlung.

Die gesezgebenden Räthe der sehweiz. Eidgenossenschaft sind am 7. Juli l 862 zur ordentlichen Sommersession in Bern zusammengetreten.

Die beiden Räthe wnrden von den abtretenden Präsidenten durch Ansprachen erofsnet.

Der Präsident des Nationalrathes, Herr E. Narrer, sprach Folgendes .

Meine H e r r e n .

Jndem ich Sie in der Bundesstadt willkommen heisse, glaube ieh eine Vflieht zu erfüllen, wenn ich vor Allem aus des herben Verlustes Bedenke, welchen zunächst der Kanton Hessin und mit ihm das schweizerische Vaterland dnreh den Hinscheid unseres Kollegen, Herrn Oberst Luv i ni, .erlitten hat. Mit ihn.. starb ein hochachtbarer Eidgenosse, der seine warme Anhänglichkeit an unser aller Vaterland zu jeder Zeit werklhätig bewiesen hat.

Seit dem Schlufse der legten Sizung ist die Lage unseres Vaterlandes nach Jnn.m und Anssen eine immer beruhigendere geworden.

Wenn auch im Jnn.r.., namentlich in kanto..a.eu Angelegenheiten hie und da Kämpfe aller Art entstehen , so ist doch k...in Grund vorhanden, sich vor denselben zu fürchten, da durch selbige der freie volksthümliehe Geist nnr gewinnen kann. Liegt doch in diesen Dampfen das befte Mittel sowohl gegen das Erschlaffen aller ......hätigkeit, als gegen die Answüchse derselben.

Das Verh.iltuiss der Schweiz nach Anssen kanu ebenfalls ein Befriedigendes genannt werden. Zwar sind mehrere, nnsere Jnterefsen in hohem Grade berührende fragen noeh immer händig , wie Diejenige der nentralisirten Provinzen Savonens, des Dappenthals n. s. w. ; es sind jedoeh andere nicht unwichtige Fragen ini Vegrifs, ihre Losung zu finden, wie diejenige der Pensionen, der geistlichen Güter des Bisthums Eomo u. s. w., oder haben sie gefunden, wie der uur zu berühmte Vorfall bei Ville-la-Grand, bei welchem man sieh mehr aus den Boden der Grossmuth als aus den Boden des R e c h t s gestellt zu haben seheint, nicht übereinstimmend mit dem Grnndsaz : ,,Dem Grossen geziemt Grossmuth, dem

.Kleinen wird sie leicht als Schwache ausgelegt."

Mit diesen wenigen Worten erkläre ieh die ordentliche Siznng des Jahres l 86... erofsnet.

723 Die Ansprache des Vrä^denten vom Ständerath^ Herrn ..... Herrmann, lautet also : Meine Herren Ständeräthe l Als abtretendem Präsidenten liegt mir ob, die 18. ordentliche Simung des Ständerathes ^. erosfnen. Jndem ich dieser Bflieht nachkomme, heisse ieh vor Allem Sie, meine Herren .Kollegen l zu unserm neuen Tagewerke herzlich willkommen. Jch biete Jhnen diesen freundlichen Willkomm um so lieber und aufrichtiger , da eine Umschau in diesem Saale mich über^engt, dass ich, mit wenigen Ausnahmen , frühere Bekannte, die schon seit Jahren in dieser eidgenossischen ^..tel^ng gemeinsam gewirkt haben, begrüssen kann.

Seit unserer

legten Session mussten , in Folge Ablaufs der Amts-

dauer, ^3 Mitglieder des Ständerathes einer Wiederwahl sich unterziehen.

Von diesen wurden 26 wieder gewählt, bei den übrigen frühern

Mitgliedern , deren Bestätigung uicht erfolgte , lag die Ursache hievon

keineswegs in ihrer Stimmgabe in dieser Behorde, sondern vielmehr in kantonalen Verhältnissen.. und Veränderungen in den Regierungen. Dieser ihrer Wiederwahl darf aber wol die Bedeutung vindizirt werden, dass ihre Wähler mit ihrer Dotation in den verschiedenen wichtigen staatsrechtlichen Fragen, die uns in der Winterung beschäftiget haben, einverstanden sind. Waren damals die Voten der einzelnen Mitglieder auch im entgegengesehen ^inue abgegeben wordeu, und haben sie gleiehwol die Genehmigung der betreffenden Kantone erhalten , so beweist dieses nur, dass ledere selbst - auch beim allseitig redlichsten Willen sür des Vaterlandes Wohl -- in politischen ^rageu auf verschiedenem Slaudpunkte stehen. Ju.^em die vom Voll^e gewählten Grossen Räth.. und in den demokratischen Kantonen das Volk selbst ihre Bestätigung aussprachen, hat das ........ehweizervolk -- die hoehste Autorität in unserm Vaterlande ^- theils

mittelbar , theils unmittelbar der bisherigen .^altung des Ständerathes seine Sanktion ertheilt.

Meine Herren Ständeräthe l ^ür die bevorstehende ^..izung erwartet ^ie wieder ein reichhaltiges Trattandenverzeichniss. Sind die Gesezesentwürfe, welche Jhnen vorgelegt worden, au^h nicht von sol.her Tragweite, wie jene der legten Zession, so werden dagegen einzelne Antrag.^ der ^..schastsberi.htkommission um ^o mehr Jhre .Aufmerksamkeit fesseln.

Das wichtigste Traktandum bildet aber wol das Ansuchen des Standes ^t. Gallen um eine Bundessubfidie sür die Rheinkorrektion. Dasselbe liegt seit d^m Winter bei dem Rationalrathe, dessen Kommission mittler..

weile eine Besichtigung des ^lussgebiet.^s oorgenomu.e^. und .^ie Vorberathung vollendet hat, so dass Dieser Gegenstand in gegenwärtiger ....^^ung

seine definitive Erledigung finden kann. Mo.^.n die bezüglichen Anträge

des Bundesrathes aus einen Beitrag von ^r. 2,^00,000 , der vollen ....^umme, wie sie der Kautou wünschte, Manchem viellei.^t zn ^veitg^hend

^24 erscheinen, so ist nicht zu vergessen, dass es hier um ein ossentliches Werk ^fich handelt, welches, wie kaum ein anderes, den Art. 2.. der BnndesVerfassung für sich in Anspruch nehmen kann. Richt nur hat der Danton St. Gallen seit Jahren schon unter den fast jährlich sich wiederholenden Überschwemmungen des Rheins schwer gelitten, sondern diese .Kalamität droht immer grosser und verderblicher zu werden. Bei aller Anstrengung der Userbewohner und der Opferwilligst des Gesammtkantons übersteigen aber die für eine wirksame und dauerhafte Abhülfe erforderlichen Sum^ men, die, wenn auch noch so bedeutenden, kantonalen Ressoureen. Daher

ist eine kräftige Unterstüzung des Bundes hier dringend nothig und selbst

bei den anderweitigen grossen, der eidgenossischen Staatskasse bevorstehenden Ausgaben gerechtfertiget. Der Beitrag, den die Bundesversammlung St. Gallen bewilliget, wird sieh würdig denjenigen anreihen, welche seit ^em 2li. Heumonat 1856, als durch die dent Stande Obwalden gewährte hochherzige Unterstützung süx die Brünigstrasse der Art. 2l ^nm .ersten Male seine Anwendung fand, mehreren Kantonen zur Erstellung öffentlicher Werke gewährt wurden. und dort dem neuen Bunde ein Denk..^ mal gestiftet haben, das den Wechsel der Zeit und der Verfassungen überdauert.

Mehrere Jhrer Siznugen werden wieder durch theils bereits im Einladnngszireular verzeichnete, theils seither eingelangte Rekurse in Anspruch genommen werden. Wenn steherlieh bei uns allen die Absicht ferne l.egt, ^en Kantoualregierungen und dem einzelnen Bürger, welche durch Verfügungen ^er Bundeser^ekutive in ihren versassungsgemässen Rechten sieh verlebt glauben, das Rekursrecht irgendwie zu beschränken, so oürste gleichwol bei den von Jahr ^u Jahr sich .wehrenden Besehwerden solcher Art bald die Frage unabweisbar werden, ob es nicht zwekmässiger wäre, inuert den Sehrauken der Bundesverfassung das Recht der Weiterziehung bundesräthlicher Beschlüsse an die Bundesversamm-

lung zu limitiren, dasür aber durch Ausstellung eines ausschliesslich aus

Fachmännern zusammengefegten Kollegiums, das die an den Bundesrath einlangenden Beschwerden vorzuberathen hätte, vermehrte Garantie eines nichtigen Entscheides zu bieten. ^ Behorden von 120 und 44 Mitgliedern, in welchen neben den. Juristen der Militair, neben den. ^inan^mann der Jndnftrielle und grosse ^andwirth si^en , sind bei der Verschiedenheit der Lebensstellung und Kenntnisse der Einzelnen trefflieh geeignet, die allgemeinen Landesaugelegeuheiten zu berathen und durch deren umsichtige Erle^ .digung des Volkes V.^rtranen sieh zu erwerben und zu bewahren . ob sie ^aber, znmal bei der dnr.h nothwendige Absetzen einzelner Mitglieder und der dadurch bedingten wechselnden Mehrheit, auch am besten passen, schwierige, des Bundesstaatsrecht betreffende und dasselbe immer weiter ausbildende Rekurse zn entscheiden, ist eine ^rage, welche der Sprechende nicht bejahen n.o^te. Wird aber auch früher oder später durch die Macht .der Umstände die ^ri.fn..g dieser Frage sich Jhnen aufdrängen, so werden

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Sie dieselbe auf eine Weise erledigen, dass das im ...lrt 74 der Bundesverfassung dem Schweizerbürger gegen Verfügungen der Kantonsregierungen zugesicherte Reknrsreeht in der Wirklichkeit nicht nnr nicht verkümmert, sondern vielmehr erhohte Garantie einer richtigen Würdigung und Losnng erhalten wird.

Meine Herren Kollegen . Bestreben wir uns, alle Verhandlungsgegenstände, welche in der bevorstehenden S^ung unserer Berathung unterstellt werden, mit unwandelbarem Gerechtigkeitssinne, mit reifer Umsicht, mit gründlicher Vrüsu^ der waltenden Verhältnisse und mit stetem Hinblike aus das Wohl des Vaterlandes zu erledigen.

Seit dem Schlufse der legten Session haben sich unsere Begehungen zum Auslande nicht geändert. Die Schweiz erachtet es stets . als eine von der Vflicht, Ehre und Klugheit ihr vorgezeichnete Ausgabe, die Lebensprin^ipien der Republik im Jnnern unentwegt festzuhalten dabei aber ohne ihrer nationalen Selbstständigkeit etwas zu vergeben, mit den sie umschliessenden Staaten loyale Nachbarschaft zu pflegen und in deren .Angelegenheiten sieh nicht einzumischen. Das bisherige Vorgehen des Bundesrathes

bürgt uns dafür, dass derselbe auch künstig diese allein gesunde Bolitik gegenüber dem ^lnslande besolden werde.

Mit dem Wunsche^ dass Gottes Schu^ und Segen stets über unsern Berathuugen und den. theuren Vaterlaude walten mo^e , erkläre ich die ordentliche Siznng des Ständerathes von 1862 sür eroffnet.

Die Büreaur^ der Räthe wurden folgendermassen bestellt: t) im Rationalra..he.

Präsident: Herr Dr. Alsred E s eh e r, von und in Zürich.

Vizepräsident: ,, Dr. J. Heer, von und. in Glarns.

Stimmenzähler: ,, Jnles V hi lippin, von und in Reuenburg.

,, K. G. J. Sailer, von W^l, in St. Gallen.

,, ,,

Simon K a i s e r , von Biberist, in Solothurn.

Karl St.^ger, von und in .^.chw^z.

2) im S t ä n d e r a t h e .

Präsident:

Vizepräsident: Stimmeuzähler :

Herr Wilhelm Vigier, von und in Solothurn.

,, Eduard Häberlin, von Bissegg, in Weinfelden.

,, ,,

J. J. Sutter, von und in Bühler (Appenzelt Ausserrhoden).

Alexandre ^llméras, von und in Gens.

Bu...de.^bI..tt. Jahrg. ^^v. Bd. iI.

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726 .....eugewählte Mitglieder der Räthe sind: im Rationalrathe : Herr Eharles Burnand, Bataillonskommandant, von und in Moudon (Waadt), gewählt im 43. eidg. Wahlkreise am 22. Jnni d. J., in Ersezung des demissionirenden Hrn. J. Deglon.

Herr Earlo B a t t a g l i n e , Grossrath, von Eagiallo, in Lugano (Tessin).

a.

gewählt am 29. Juni abhin im ...0. eidg. Wahlkreise, in Er-

sezung des am 24. Mai l. J. verstorbenen Hrn. G. Luvini..

Berseghini.

b. im Ständerathe : Für Graubünden. Herr Beter Conradin Blanta, Regierungsrath . von und in Ehur.

,, Hereules Oswald, Regiernngsstatthalter, von Jlanz, in Ehur.

,, Tesstn : ,, Antonio B o s s i , Grossrath, von und in Lugano.

,, Ernesto Bruni, Grossrath, von und in Bellinzona.

,, Waadt.

Jules Entel, Staatsrathspräsident, von Vwis,

,, ,, Reuenburg.

,,

in Lausanne.

Jeannot De Sroufaz, Grossrathspräsident, von Tren, in Lausanne.

Ariste Lesquereux, Grossrath, von und in Chaux-de-Fonds.

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Aus den Verhandlungen des schweiz. Bundesrathes.

(Vom 7. Juli 1862.)

Zum Einnehmer der Rebenzollstätte pigino, Kts. Tessin, ist Hr.

Quinto Bossa von Agno, Gränzwächter l.. Klasse, gewählt worden.

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08.07.1862

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