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Bo t s c h a f t de...

Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft betreffend die Garantie der Staatsverfassung des Kantons Waadt.

(Vom 13. Januar 1862.)

Tit..

Der Staatsrath des Kautons Waadt hat uns mit Sehreiben vom 3. Januar 1862 die neue Verfassung dieses Kantons übermacht, damit dieselbe nach Vorschrift von Art. 6 der Bundesverfassung der eidgenössischen Gewährleistung unterstellt werde.

Diese Verfassung und ein Anhang , enthaltend die nothigen Uebergaugsbestimmungen , sind von einem Verfassungsrathe am 15. November 1861 erlassen und am 15. Dezember gleichen Jahres in den osfentliehen Gemeindeversammlungen auch vom Volke angenommen worden. Rach einem Erlasse des Staatsrathes vom 26. Dezember 1861 hat die in der lezten Sizung des Versassungsrathes vom 23. gleichen Monats erfolgte Erofsnung der Verbalprozesse ergeben , dass die Versassuug nebst den Uebergangsbestimmungen von 20,191 Stimmen aus 26,l 63 Votauten angenommen wurden. Sie wurden daher in Vollziehung gesezt, und zwar unter dem Datum vom 15. Dezember 1861.

Der Bundesrath nimmt keinen Anstand, der hohen Bundesversammlung auch diese neue Verfassung zur Gewährleistung zu empfehlen , mit Rüksieht daraus, dass die im Art. 6 der Buudesversassung gesorderten

Requisite im Allgemeinen vorhanden sind. Er sieht sich jedoch bezüglich

eiuiger Artikel zu Bemerkungen veranlasse

Die erste betrifft Art. 7. "Pressfreiheit".

Dieser Artikel weist

vorerst aus eiu Gesez über den Missbraueh hin , ohne der nach Art. 1 5 der Bundesverfassung erforderlichen Gehnemigung desselben durch den Bundesrath zu gedenken. Sodann wird ausdrüklich bestimmt, dass die ^ Ausübung der Vresssreiheit weder durch Präventivmassregeln , noch dnrch Kautionsverlangen beschränkt werden dürse. Sofern die Verfassung von

183 Waadt hierin die Bundesverfassung in erweiterndem Sinne interpretiren will, so ist gegen diese Bedeutung nichts einzuwenden. ...dagegen ist wol zu bemerken, dass der Bundesrath sich bei Genehmigung des Bressgesezes in die bezeichneten Schranken nicht einzuschliessen braucht, sondern dass ihm die freie Prüfung darüber zustehen muss, ob nicht ^anderweitige Bestimmungen in das Bressgesez aufgenommen worden seien, welche der Bressfreiheir dem Wesen nach gerade so schädlich sein konnten, wie Vräventivmaßregeln und Cautionnement.

Die zweite Bemerkung betrifst Art. 8. ..Vereinsfreiheit^.

Die Verfassung von Waadt hat seltsamerweise bezüglich der Garantie dieses Rechtes eine Fassung gewählt. welche zwar der Bundesverfassung, Art. 46, nicht gerade widerspricht, die aber doch eben so wenig mit ihr in Uebereinstimmung ist. Während die Bundesverfassung sagt. ^rt. ^6. Les citoyens ont le dro.l de former des assortions, pourvu qu'il n'y ait dans le but de ces associations ou d^s les moyens qu'ils emoloieut

r.^ ^.^c.^ ou de d.^^.^^. ^.^. ^.^.^ - ^rükt sich die Waadtländer Verfassung so ans: ^Art. 8. Le droit d'association est Aranti.

^ - Les assemblées dont le but et les moyens ne sont ^...^ c.^..^......^ ^ .^ ^.^.^ ^.^c et ^.^ ^.^..^ ^^.^^s ne peuvent etre ni restreintes ni iuterdnes^. -^ Ol^ne gegenwärtig im Einzelnen nachweisen zu wollen, auf welchen ^unkten Kollisionen zwischen diesen beiden Fassungen moglieh wären, genügt es wol, vor der H.n.^ festzustellen, dass bei jeder derartigen Kollision ^ie Buude^b^.horden jedenfalls nur an den Te.^t ^er Buudesversassung si.h ^u halten hätten.

Eine dritte Bemerkung betrifft die .Artikel ll), ll und 12: ,..^irch-

liche Angelegenheiten^.

...lrt. I^ stellt zunächst den Begriff und die

Rechte der Rationalkirche fest, und sagt dann am ...^chlusse . ,,Die ^lus..

übnng der katholischen Religion ist den Gemeinden .^ehallens, Essens, Bottens ^e. ..e. g.^rantirt, wie sie bis je.^t genbt worden ist^. .^lrt. 11 sagt : .,Die Kosten des Knltns werben nur für die Rationalkirehe und die genannten katholischen Gemeinden von. Staate oder ofseutlichen Kassen getragen^. Endlieh .^rt. 12. ,,Die a n d e r n Religionsbekenntnisse sind frei. Jhre Ausübung muss den allgemeinen Landesgesezen und denjenigen über die äussere Bolidi der Knlte entsprechend sein^. Es sind auch diese Bestimmungen nicht gerade im Widerspruche mit .^lrt. 44 der BundesVerfassung. Jndessen wird immerhin die Bemerkung nicht überflüssig sein, dass .^ie freie Ausübung des Gottesdienstes der katholischen Konfession gem.iss Art. 44 der B^esversass^..g nicht bloss in einzelnen bestimmten .Gemeinden garantirt ist, sondern überhaupt im ganzen Gebiete des Kanto^.s, und .^ass daher die besondere Garantie des ^lrt. 10 der waadtländis.h.^n Verfassung für einzelne Gemeinden nur den Sinn haben kann, dass der ^taat, wie Art. 11 des ^..äl.^rn vorschreibt, dort zugleich auch die kosten dieses ^arantirten Kultus bestreitet. Ebenso ist wohl selbstverständlich, dass .^ie im Art. 12 vorgesehenen Beschränkungen der Frei-

184 heit anderer Kulte das im Art. 44 der Bundesverfassuug grantirte Brin^ip der freien Ausübung des Gottesdienstes der anerkannten christlichen Konfessionen in seinem Wesen nicht verleben dürfen.

Eine vierte Bemerkuug betrifft . endlich die .^chlussbestimmu..g des Art. 51, lautend. ,,Der Trosse Rath l^.t sich vom Sta^tsrath in seder seiner ordentlichen Sizungen über seine Geschäftsführung in eidgenossisehen fingen Rechenschaft ablegen^. .Diese .Bestimmung steht zwar an sich mit keiner Bestimmung der Buudesversassnug im Widerspruch ; indessen konnten unter Umständen an diese Bestimmung Versuche angeknüpft werden, die Rechte der Bundesbehorden in den. ihnen von der Verfassung angewiesenen Wirknngskreise, oder die Rechte der Kautonsregieruug selbst zu beeinträchtigen oder ^u schmälern. Es mag daher die Bemerkung am Bla^.e sein, dass der Bund die Berechtigung zu jedem diessfälligen Uebergrifse von vornherein ablehnen müsste.

Alle die vorgenannten Bemerkungen sind nicht der Art, dass sie ^u besondern Reservationen in dem zu fassenden ^ewährleistuugsbesehlusse selbst Anlass geben konnten, so dass der Bundesrath Jhnen die unbedingte Gewährleistung nach mitfolgendem Entwurse eines Bundesbeschlußes

empfiehlt.

genehmigen Sie, Herr Bräsident. Herren Rational- und Ständeräthe. bei diesem Anlasse den erneuerten Ausdruk unserer vollkommensten Hochachtung.

Bern, den 13. Januar 1862.

Jm Ramen des schweizerischen Bundesrathes,

Der Bundespräsident: Stampai.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: .^ie^.

1^

^es.^ln^enrn^rf, betreffend die Garantie der ^taatsversassung de.^ Kantons ....^...aadt.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Berichtes und Antrages des Bundesrathes über die Staatsverfassung des Kantons Waadt vom 15. Dezember 1861,

in Berüksiehtiguug .

dass diese Versassung nichts enthalt, was mit der Bundesverfassung

im Widerspruch steht ; dass ferner diese Versassung die Ausübung der politischen Rechte nach republikanischen Formen sichert und im Ganzen oder theilweise revidirt werden kann ;

dass sie endlich von der Mehrheit des waadtländischen Volkes in

gesezlicher Abstimmung angenommen wurde,

b e s eh l i esst : 1. Der Staatsverfassung des Kantons Waadt vom^ 15. Dezember 1861 wird hiermit die bundesaemässe Garantie ertheilt.

2. Dieser Besehluss ist dem Bundesrathe^ ^ur Vollziehung mitzu-

theilen.

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der mit der Prüfung der Verfassungen der Kantone St. fallen und Waadt beauftragten Kommission (Vom 18. Januar 1862.)

Tit..

Mit Botschaft vom l0. und beziehungsweise vom 13. d. M. trägt der Bundesrath daraus an, den neuen Verfassungen der Kantone St. Gallen und Waadt die bundesgemässe Garantie zu ertheileu. Da wir im Wesentliehen sowohl mit diesem Autrage, als mit den zur Erläuterung einzelner Artikel der fraglichen Verfassungen beigesügten Bemerkungen einverstanden sind, so bleibt uns bloss übrig, eiuige wenige Vunkte herauszuheben, die von dem Bundesrathe entweder gar uieht berührt, oder anders als von uns ausgesagt worden sind.

I.

Verfassung des Kantons St. fallen.

Der Bundesrath findet die in Zisser 2 und 3 des Art. 6 ausgespro.l,ene Gewahrleistung der katholischen und der evangelischen Kirche, so wie der sreieu und uneingeschränkten Ausübung des katholischen und evaugelischen Glaubensbekenntnisses und Gottesdienstes enger als die in Art. 44 der Bundesverfassung deu anerkannten christlichen Konfessionen zugesicherte Garantie. Wir theilen zwar diese .Ansteht uieht, glauben aber um so weniger aus die Bedeutung des einer verschiedenen Auslegung fähigen Ausdrukes, ,,die anerkannten christlichen Konfessionen hier eintreten zu sollen, da ja unzweifelhaft , wenn je ein Streit über den Sinn desselben si.h entspinnen sollte, der Entscheid in letzter Jnftanz der Bnndesversammlung

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Botschaft des Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft betreffend die Garantie der Staatsverfassung des Kantons Waadt. (Vom 13. Januar 1862.)

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28.01.1862

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