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Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beitragsleistung der Eidgenossenschaft an die Kosten der I. Internationalen Ausstellung für Yòlkskunst 1934 in Bern.

(Vom 6. Juni 1930.)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Indem wir Ihnen den angeschlossenen Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Subventionierung der L Internationalen Ausstellung für Volkskunst, die im Jahre 1934 in Bern stattfinden soll, unterbreiten, lassen wir es uns angelegen sein, Sie im folgenden über Entstehung, Bedeutung und geplante Durchführung des Unternehmens näher zu orientieren.

I. Die Idee der Veranstaltung einer internationalen Volkskunstausstellung ist dem Tätigkeitsfelde des V ö l k e r b u n d e s entsprungen.

Sie stammt in letzter Linie von dem bekannten Pariser Kunsthistoriker F o c i l l o n , Professor an der Sorbonne, der in einem Bericht vom 12. Januar 1926 an die U n t e r k o m m i s s i o n für W i s s e n s c h a f t und K u n s t der Völkerbundskommission für geistige Zusammenarbeit als Erster den Gedanken erwog, ob nicht unter dem Patronat des Völkerbundes ein internationaler Kongress für Volkskunst und in Verbindung damit eine die Arbeiten des Kongresses illustrierende internationale Ausstellung veranstaltet werden könnte. Die Idee fand die lebhafte Zustimmung der Kommissionsmitglieder. Sogleich wurde die Frage ihrer Verwirklichung der Abteilung für künstlerische Beziehungen des Internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit zur Prüfung überwiesen.

Dabei zeigte sich bald, dass der gleichzeitigen Durchführung der beiden Veranstaltungen -- Kongress und Ausstellung -- beträchtliche Schwierigkeiten entgegenstanden. Man entschloss sich daher, vorerst nur den Kongress einzuberufen. Dieser sollte die später durchzuführende Ausstellung wissenschaftlich vorbereiten. Als Kongressort wurden u. a. P r a g und Bern vorgeschlagen. Bern verzichtete zugunsten Prags auf den Kongress, bewarb sich dagegen im Einverständnis mit uns und der Regierung des Bundesblatt. 82. Jahrg. Bd. L 52

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Kantons Bern in zwei durch unsere Vermittlung an die Internationale Kommission für geistige Zusammenarbeit gerichteten Eingaben vom 4. März und 13. Juli 1927 um die A u s s t e l l u n g . Die Ofierte Berns, die Durchführung der Ausstellung zu übernehmen, wurde von der Unterkommission für Wissenschaft und Kunst in ihrer Sitzung vom 19. Juli 1927 warm begrüsst und den obersten Völkerbundsorganen zur Annahme empfohlen.

Im September des gleichen Jahres fassten Völkerbundsrat und Völkerbundsversammlung ihrerseits Resolutionen, in denen sie ihrer Sympathie für die Berner Initiative Ausdruck gaben und die Unterstützung des Unternehmens durch den Völkerbund in Aussicht stellten. Die definitive Bestimmung des Ausstellungsortes aber blieb dem Volkskunstkongress vorbehalten. Dieser trat nach umfangreichen Vorarbeiten am 7. Oktober 1928 in Prag zusammen und dauerte bis zum 13. Oktober. Die Schweiz war daran durch die ihr angehörenden Mitglieder der Internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit sowie durch eine weitere, unter der Führung des Basler Professors Dr. Felix Speiser stehende Dreier-Delegation vertreten, der auch der Berner Stadtpräsident Lindt angehörte; ausserdem hatten sich der schweizerischen Delegation je ein Vertreter der Kantone Bern und Wallis angeschlossen. Im Einverständnis mit uns und der Regierung des Kantons Bern machte Herr Lindt in der Plenarsitzung des Kongresses vom 12. Oktober namens der schweizerischen Delegation die Bewerbung Berns um die Ausstellung neuerdings geltend und ersuchte um deren Annahme. Der Kongress nahm das Angebot einstimmig und mit grossom Beifall an. Damit war der Schweiz und der schweizerischen Bundesstadt in aller Form der ehrenvolle Auftrag übertragen, die Idee einer internationalen Volkskunstausstellung in die "Wirklichkeit umzusetzen.

Der Kongress legte Sinn und Zweck der projektierten Abstellung und die grossen Linien ihrer Organisation fest. Zugleich schuf er in der ,,Internationalen Kommission für Volkskunst" ein ständiges Organ, das die von ihm aufgenommene wissenschaftliche Tätigkeit in engem Arbeitsanschluss an die Völkerbundskommission für geistige Zusammenarbeit fortführen sollte. Dieser Kommission liegt es auch ob, die Durchführung der internationalen Volkskunstausstellung in jeder Beziehung zu unterstützen und zu fördern, Da der Präger
Kongress dem Auestellungsprojekt noch keine festere Gestalt gegeben und grundlegende Punkte unabgeklärt gelassen hatte, handelte es sich für Bern in der Folge vor allem darum, zunächst eine provisorische Organisation zu schaffen mit der Aufgabe, die notwendigen Vorarbeiten wissenschaftlicher und technischer Natur zu erledigen und, gestützt darauf, einen Voranschlag aufzustellen, der eine endgüldige Stellungnahme der Behörden des Bundes, sowie des Kantons und der Stadt Bern in der Frage der Übernahme und der Subventionierung der Ausstellung ermöglichen und dadurch Klarheit in einen Punkt bringen sollte, von dessen Entscheidung die Realisierbarkeit des gesamten Planes von

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vûrneherein abhängt. Eine von Herrn Lindt auf den 19. Januar 1929 nach Bern einberufene erste vorbereitende Konferenz genehmigte den ihr vorgelegten Entwurf eines Organisationsstatuts. Auf Grund dieses Statuts wählte die Versammlung hierauf ein aus den schweizerischen Delegierten am Prager Kongress, Vertretern der eidgenössischen, kantonal- und stadthermachen Behörden sowie schweizerischen Fachleuten zusammengesetztes I n i t i a t i v k o m i t e e von 21 Mitgliedern und einen die laufenden Geschäfte besorgenden G e s c h ä f t s a u s s c h u s s von 8 in Bern wohnenden Mitgliedern des Initiativkomitees. Die Geschäftsleitung nahm unter dem Präsidium des Herrn Lindt ihre Arbeit sogleich auf. In erster Linie war nun eine Präzisierung des Ausstellungsprogramms erforderlich. Da es angezeigt schien, sich nach dieser Richtung mit der vom Prager Kongress eingesetzten, dem Völkerbund nahestehenden Internationalen Kommission für Volkskunst ins Einvernehmen zu setzen, lud die Stadt Bern die Geschäftsleitung sowie Delegierte des Initiativkomitees der Ausstellung einerseits und die Mitglieder des Bureaus der genannten Kommission anderseits auf den 24. und 25. Mai 1929 zu einer Konferenz nach Bern. Stadtpräsident Lindt legte der Versammlung einen von drei Mitgliedern der Geschäfsleitung ausgearbeiteten Programmentwurf vor. Die Diskussion, die auch zu einer Reihe von Vorschlägen der ,, Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde " Stellung bezog, führte zu einer Einigung in allen wesentlichen Punkten, sodaas die Grundlagen der Veranstaltung fürderhin als gesichert gelten konnten. In den sogenannten C o n c l u s i o n s , mit deren Inhalt wir Sie weiter unten bekannt machen werden, wurden die Ergebnisse dieser wichtigen Zusammenkunft niedergelegt. Die Konferenz hatte auch bereits das definitive w i s s e n s c h a f t l i c h e K o m i t e e der Ausstellung gewählt, das sieh aus einem Vertreter des Völkerbundssekretariata und Fachleuten der verschiedenen Staaten zusammensetzt. -- In der Folge schritt die Geschäftsleitung zur Bildung kleiner Kommissionen, denen die Behandlung der verschiedenen im Organisationsstatut vorgesehenen Spezialaufgaben übertragen wurde. Ein Bauausschuss liess generelle Planskizzen anfertigen und berechnete die Baukosten. Es wurden Verhandlungen mit der Berner Burgergemeinde geführt,
die sich bereit erklärte, das ihr gehörende Auestellungsgelände für die Volkskuiistausstellung zu reservieren. -- Ein weiterer Ausschuss bearbeitete die Budgetfrage.

Nach einer Reihe von Sitzungen der Geschäftsleitung konnte Herr Lindt das Initiativkomitee auf den 31. August 1929 nach Bern einladen, um ihm über die Tätigkeit der Geschäftsleitung Bericht zu erstatten und den p r o v i s o r i s c h e n K o s t e n v o r a n s c h l a g vorzulegen. Nach eingehender Diskussion und Abänderung einiger Punkte genehmigte die Versammlung einstimmig den Budgetentwurf und ermächtigte die Geschäftsleitung, an uns das Gesuch zu richten, wir möchten, gestützt auf die geleisteten Vorarbeiten, bei Ihnen die Zustimmung zur Übernahme der Ausstellung durch die Schweiz und die Bewilligung der der Eidgenossen-

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sohaft gemäss dem Kostenvoranschlag zugedachten finanziellen Leistungen erwirken und zu der Durchführung der Ausstellung durch die Stadt Bern unsere Zustimmung erteilen. Dieses Gesuch ist einige Wochen später bei uns eingegangen. Es ist datiert vom 18. Oktober 1929. Mit der Aufstellung des provisorischen Kosten Voranschlages haben die Vorarbeiten zur Durchführung des Unternehmens ihren vorläufigen Abschluss gefunden.

II. Laut dem durch die internationale vorbereitende Konferenz vom 24./2S. Mai 1929 in Bern aufgestellten Ausstellungsprogramm soll die ,, L Internationale Ausstellung für Volkskunst "· in Bern vom 15. Mai bis 15. O k t o b e r 1934 stattfinden. Gegenstand der Ausstellung wird die Volkskunst sein. Was hierunter genau zu verstehen sei, darüber war man sich lange im unklaren. Der Prager Kongress hatte von einer Definition des Begriffes ,, Volkskunst" abgesehen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass eine zwecktnässige Durchführung der Ausstellung sich nicht auf eine rein gefühlsmassige Erfassung der Sache stützen kann, sondern eines möglichst zuverlässigen Kriteriums bedarf, anhand dessen es möglich sein wird, bei der Bestimmung der Ausstellungsobjekte die nötigen Ausscheidungen vorzunehmen. Man gelangte schliesslich dazu, die Volkskunst zu umschreiben als den Inbegriff all jener Erzeugnisse von ästhetischem Wert, die aus dem Volke hervorgegangen und für das Volk bestimmt sind. Von den beiden Elementen ,,Volk a und ,, Kunst a, aus denen der Begriff ,,Volkskunst ** sich zusammensetzt, kommt jedem seine Bedeutung zu. Volkskunst stellt sich dar als eine Äusserung des Gesamtbewusstseins einer durch Boden, Rasse, Überlieferung und gemeinsame Denkart verbundenen V o l k s g e m e i n s c h a f t , Anderseits aber ist die Volkskunst, wie ihr Name sagt, eben K u n s t ; die Ausstellung will sich auf die ästhetisch bedeutsamen Manifestationen der Volksseele beschränken und sich nicht in den Dienst der Volkskunde im allgemeinen stellen.

Die ergiebigste Quelle der Volkskunst bildet das in der Tradition verwurzelte Handwerk, das bei der Gestaltung seiner Produkte neben der praktischen Zweckbestimmung der Gegenstände die Ausprägung irgendeines Schönheitswertes im Auge hat. Die Volkskunst umfasst aber auch die Volksmusik mit Einschluss des Volksliedes, sowie überhaupt alle Erscheinungen des Volkslebens,
die für das künstlerische Empfinden einer weitern Gemeinschaft charakteristisch sind.

Die Ausstellungsobjekte sollen in Kategorien eingeteilt werden. Wir geben im folgenden die von den ,,Conclusions"1 in unverbindlicher Weise vorgesehene Klassifikation in ihren Hauptgruppen wieder: I. K u n s t g e w e r b e .

1. Bauten (Wohnhaus usw., äussere und innere Ornamentik); 2. Kunstgegenstände für den G-ebraunh in Haus und Feld (Hausrat, volkstümliches Industriegerät, Jagd- und Fischereigerät, Gebäckj Weihnachts- und St. Nikiausschmuck usw.) ;

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3. Kunstgegenstände für den persönlichen Gebrauch (Trachten, Schmuck, Tätowierungen, Fetische, Amulette, Talismane, Tabakpfeifen, Spazierstöcke, Spielzeug, Volksbücher usw.); 4. Religiöse und soziale Volkskunst (Kultuegegensläude, Prozessionsrequisite, Masken, Aushängeschilder, Sonnenuhren, mit Geburt, Hochzeit und Begräbnis zusammenhängende Gegenstände usw.).

II. M u s i k und V o l k s l i e d .

III. S z e n i s c h e D a r s t e l l u n g e n , U m z ü g e , V o l k s f e s t e , T a n z , S p i e l e usw.

IV. Wissenschaftliche und technische V o r f ü h r u n g e n (mittels Film, Phonograph usw.).

Die endgültige Einteilung der auszustellenden Gegenstände ist Sache des internationalen wissenschaftlichen Ausstellungskomitees.

Nach Besichtigung verschiedener für die Ausstellung in Betracht kommender Plätze haben sich die Teilnehmer an der Konferenz vom 24./2S. Mai 1929 für das im Eigentum der Berner Burgergemeinde stehende Gelände entschieden, auf dem im Jahre 1914 die Schweizerische Landesausstellung gestanden hat. Dabei behielt man freilich die Möglichkeit im Auge, dass der Umfang, den die Ausstellung annehmen kann, unter Umständen ein grösseres Terrain erheischen wird.

Die bauliche Gliederung der Ausstellung ist folgendermassen gedacht : 1. Ein Z e n t r a l b a u mit international-vergleichender Ausstellung.

Bestimmend für die Organisation dieser Abteilung wird das Bestreben sein, einerseits die künstlerische Eigenart der Völker in allen ihren Äusserungen, anderseits aber den gemeinsamen Boden aller Volkskunst zur Darstellung zu bringen.

2. Nationale P a v i l l o n s der ausstellenden Länder. Die äussere Architektur dieser Gebäude soll möglichst einheitlich gehalten und dem Stil des Ganzen angepasst sein. In der Ausgestaltung des Innern der Pavillons behalten die einzelnen Staaten völlig freie Hand.

3. Ein F e s t b a u mit grosser Halle, sowie ein A m p h i t h e a t e r im Freien für die Aufführungen und sonstigen Darbietungen. Der Festbau würde auch kleinere Säle und Zimmer filr Vorträge und Sitzungen enthalten.

4. Die R e s t a u r a t i o n s - und die V e r w a l t u n g s g e b ä u d e .

Die nationalen Pavillons wären von den beteiligten Staaten auf eigene Kosten zu errichten. Die Schweiz hätte dagegen die Errichtung und Kosten aller übrigen Bauten zu übernehmen. Transport-,
Installations- und Versicherungskosten würden zu Lasten der einzelnen Staaten fallen. Sofern die Ausstellung zu der vorgesehenen Zeit soll eröffnet werden können, müssen die Gebäude in Anbetracht der besondern klimatischen Verhältnisse unseres .Landes auf Ende Oktober 1933 fertiggestellt sein.

686 Was den Stoff der Ausstellung im allgemeinen betrifft, so. soll er weder an geographische, noch an zeitliehe Grenzen gebunden werden.

Die Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde hatte s. Z, empfohlen, die Ausstellung auf Europa zu beschränken, da sonst zu befürchten sei, dass der in Bern verfügbare Raum zur Unterbringung der Ausstellungsgegenstände nicht genüge. Demgegenüber hat die vorbereitende Konferenz vom 24./2S, Mai 1929 aus verschiedenen Gründen beschlossen, es seien grundsätzlich alle Staaten zur Teilnahme an der Ausstellung einzuladen. Das entspricht dem Wesen dieser von der Völkerbundsidee getragenen Veranstaltung, deren Grundgedanke es ist, die Völker der Erde einander näher zu bringen. Eine Einbeziehung der aussereuropäischen Volkskunst in die Ausstellung ist auch deshalb angezeigt, weil die europäischen Kolonialstaaten voraussichtlich Gewicht darauf legen werden, die künstlerischen Erzeugnisse ihrer Kolonien zu zeigen, was die ,,Conclusions11 ihnen ausdrücklich freistellen. Der Ausfall aussereuropäiseher Kunst würde sohliesslich den finanziellen Erfolg der Ausstellung gefährden. Die Kunst der primitiven und Halbkulturvölker ist heute Mode. Ihre Berücksichtigung wird das Interesse des grossen Publikums an der Ausstellung beträchtlich steigern, ohne dem wissenschaftlichen Ernste des Unternehmens abträglich zu sein; jene Kunst besitzt faktisch ihre eigenen Schönheitswerte, und ihre Vergleichung mit der Volkskunst der Kulturvölker wird überaus lehrreich sein. Entsprechendes gilt von der ebenfalls beizuziehenden prähistorischen Kunst, die ja von vorneherein Volkskunst ist.

Der Leitung der Ausstellung wird es obliegen, die Zahl der auszustellenden Objekte im Einverständnis mit den Ausstellern so einzuschränken, dase der verfügbare Raum zur Durchführung der Veranstaltung genügen wird. Übrigens wird die strikte Handhabung des Grundsatzes, dass nwr qualitativ hochstehende Erzeugnisse gezeigt werden sollen, von vorneherein zu einer gewissen Begrenzung des Ausstellungsstoffes führen.

Das sind die Grundzüge des Ausstellungsprojektes, wie sie in den ,,Conclusions" der vorbereitenden Konferenz vom 24./2S. Mai 1929 festgehalten sind. Die Internationale Kommission für Volkskunst, die am 25. Oktober 1929 in Rom zu ihrer ersten Plenarsitzung zusammentrat, hat diesem Programm durch einstimmigen
Beschluss vom 28. Oktober 1929 ihre Genehmigung erteilt.

III. Nach dem vom Initiativkomitee der Ausstellung aufgestellton Kostenvoranschlag sind zur Finanzierung des Unternehmens seitens der interessierten öffentlichen Korporationen Beiträge à fonds perdu von total Fr. 3,000,000 und Beteiligungen am Garantiekapital in der Höhe von insgesamt Fr. 450,000 erforderlich. Während Kanton und Stadt Bern je Fr. 650,000 à fonds perdu leisten und sich mit je Fr. 100,000 am Garantiekapital beteiligen sollen, wird dem Bund eine Beitragsleistung von Fr. 1,650,000 und die Zusicherung einer Garantiesumme von Fr. 250,000

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zugemutet. Auf diese Beträge lautet auch das von der Geschäftsleitung namens des Initiativkomitees an une gerichtete Subventionsgesuch vom 18. Oktober 1929. Diese Forderungen an die Eidgenossenschaft erschienen uns anfänglich etwas hoch, da der Bund an Unternehmungen von konkurrierendem lokalem und Landesinteresse -- und um eine solche handelt es sich hier -- der Regel nach nicht mehr als die Hälfte des gesamten notwendigen Subventionsbetrages, d. h. höchstens so viel wie alle andern Subvenienten zusammen, zuwendet. Am 16. Januar dieses Jahres fand dann zur nähern Abklärung der mit der Finanzierung der Volkskunstausstellung zusammenhängenden Fragen, auf Einladung des Departements des Innern, in Bern eine konferenzielle Besprechung zwischen Vertretern der vier interessierten eidgenössischen Departemente, d. h. des Politischen Departements, des Volkswirtschaftsdepartements, des Finanzdepartements und des Departements des Innern, einerseits, sowie Vertretern des Kantons und der Stadt Bern anderseits statt. Im Laufe dieser und späterer Verhandlungen überzeugten wir uns davon, dass, wenn das Unternehmen überhaupt zustande kommen soll, die Bewilligung des ganzen von der Eidgenossenschaft anbegehrten Subventionsbetrages unerlässlich ist. Zieht man die grosse Bedeutung in Betracht, die der geplanten internationalen Volkskunstausstellung für die Schweiz zweifellos zukommt, so dürfte sich eine Durchbrechung jener Norm der Subventionierung, wie sie z. B. schon bei der Landesausstellung von 1914 Platz gegriffen hat, wohl auch in diesem Falle rechtfertigen.

IV, Es handelt sich bei dem projektierten Unternehmen um die erste grössere i n t e r n a t i o n a l e Ausstellung, mit deren Veranstaltung die Schweiz betraut wird. W i r t s c h a f t l i c h sind an ihrem Zustandekommen am unmittelbarsten allerdings Stadt und Kanton Bern interessiert. Aber es wäre verfehlt, zu glauben, dass nicht auch die Schweiz als Ganzes aus der Veranstaltung erheblichen materiellen Vorteil ziehen wird. Der gesteigerte Fremdenverkehr, dem die Ausstellung zweifelsohne rufen wird, wird unsern Transportanstalten, unserer Hôtellerie, der gesamten Fremdenindustrie unseres Landes in spürbarer Weise zustatten kommen. Eine internationale Ausstellung bildet für unser Land die denkbar beste P r o p a g a n d a . Damit hängt zugleich das
mittelbare Interesse von Industrie und Gewerbe im allgemeinen an der Ausstellung zusammen. Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, dass die ausländischen Staaten im grossen und ganzen noch ungenügende Kenntnis von der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes haben. Die zu erwartenden Besucher werden sehen, was unser Land an Fabriken und Gewerben aufzuweisen hat, und sich in der Folge ganz anders einstellen.

Noch grösser als die ökonomische ist die i d e e l l e Bedeutung der Ausstellung für die Schweiz. Schon der Umstand, dass die schweizerische Bundesstadt zürn Sitz der Ausstellung erkoren wurde, schliesst für unser

688 Land eine nicht geringe Ehrung in eich. W i e s e n s c h a f t und K u n s t sodann werden uns für die Vollführung des groseen Werkes dauernd zu Dank verpflichtet sein. Da jedes Land darauf bedacht sein wird, die besten Erzeugnisse seiner Volkskunst vorzuweisen, wird die Ausstellung den Gelehrten ein unvergleichliches Anschauungsmaterial, den Künstlern und Kunsthandwerkern eine Überfülle von Anregungen in ästhetischer sowohl wie in rein technischer Hinsicht bieten. Sie wird endlich dazu beitragen, Mittel und Wege zu finden, wie die noch lebensfähigen Zweige der heute mit fortschreitender Zivilisation leider mehr und mehr einem verhängnisvollen Auflösungsprozess anheimfallenden Volkskunst am Leben erhalten und die schwach gewordenen zu neuem Leben erweckt werden können. Die Interessen von Kunst und Wissenschaft darf ein Staat, der den Ehrgeiz hat, Kulturstaat zu sein, den materiellen Werten nicht nachsetzen.

Der letzte und höchste Sinn des geplanten Werkes aber liegt in dem Gedanken, die Kunst als Vermittlerin der Völker aufzurufen. Sie, die Quelle der edelsten und uneigennützigsten Freude, soll den Völkern den Weg weisen, auf dem sie sich finden, kennen, achten und lieben lernen. Es ist die hohe Idee des V ö l k e r fr i e d e n s , die Grundidee des Völkerbundes, die als Stern über dieser Veranstaltung steht. Schon um dieses Zieles allein willen ist das Unternehmen der Opfer würdig, die es vom Gemeinwesen verlangt.

Die ausserordentliche Bedeutung der vorgesehenen internationalen Volkskunstausstellung wird von den Kreisen, die sich mit dem Projekte bisher aus irgendeinem Grunde zu befassen hatten, durchwegs rückhaltlos anerkannt. Unter der in der schweizerischen Industrie in den letzten Jahren eingetretenen Ausstellungsmüdigkeit wird das Unternehmen natürlich nicht zu leiden haben. -- Im Ausland herrscht geradezu Enthusiasmus für die Ausstellung. In verschiedenen Staaten haben sich bereits n a t i o n a l e V o l k s k u n s t k o m m i s s i o n e n gebildet, und zahlreiche Mitglieder der internationalen Volkskunstkommission stellen die Beteiligung ihrer Staaten an der Ausstellung in Aussicht. Es kann mit Sicherheit auf eine starke Beteiligung gezählt werden. Im Laufe dieses Jahres wird in Antwerpen die II. Tagung der Internationalen Volkskunstkommission stattfinden, die wiederum, ähnlich
wie der Prager Kongress, als wissenschaftliche Vorbereitung der Berner Ausstellung gedacht ist. Das definitive Organisationskomitee der Ausstellung wird die nötigen Schritte unternehmen, um für die ausstellenden Staaten möglichst günstige Transportund Versicherungsbedingungen zu erwirken.

Was den Besuch der Veranstaltung betrifft, so wird die Ausstellung ihre Anziehungskraft nicht nur auf Fachleute und Gebildete, sondern darüber hinaus auf die weitesten Kreise des Volkes ausüben. Das Volk liebt seine Kunst. Überdies wird die Ausstellung vielerlei gediegene Attraktionen bieten. Die vom definitiven Orgariisationskomitee zugunsten

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der AusstelluDgsbesucher bei den Transportanstalten anzustrebenden Fahrpreisermässigungen werden zur Erzielung einer möglichst hohen Besucherzahl das ihrige beitragen.

V. Angesichts dieser Lage der Dinge beantragen wir Ihnen, nicht nur dem Grundsatze nach der Übernahme der Ausstellung durch die Schweiz zuzustimmen, sondern dem Unternehmen zugleich den von ihm benötigten Beitrag à fonds perdu von Fr. 1,650,000 sowie einen Beitrag von Fr, 250,000 an das Garantiekapital zu bewilligen. Der Beschluss ist an die Bedingung geknüpft, dass Stadt und Kanton Bern, bei denen entsprechende Gesuche gegenwärtig ebenfalls anhängig sind, ihrerseits die vollen ihnen zugemuteten Beiträge bewilligen werden. Ferner soll dia Beitragsleistung des Bundes an das Unternehmen in der Meinung erfolgen, dass, wenn dieses mit einem Aktivsaldo, nach Rückzahlung des Garantiekapitals, abschliessen sollte, daraus auch der Beitrag des Bundes à fonds perdu im Verhältnis zu dessen Beteiligung am Subventionskapital à fonds perdu zurückzuvergüten wäre, falls es dagegen mit einem das Garantiekapital übersteigenden Defizit abschliesst, der Bund sich am Defizit auch nur im Verhältnis zu der von ihm übernommenen Quote am Subventionskapital à fonds perdu beteiligen müsste. Es entspricht diese Regelung einem von der weiter oben erwähnten Konferenz vom 16. Januar dieses Jahres zwischen Vertretern des Bundes sowie des Kantons und der Stadt Bern gefassten Beschluss, Hervorzuheben ist noch, dass das von der Geschäftsleitung der Ausstellung an uns gerichtete Subventionsgesuch sich auf die Zahlen eines rein p r o v i s o r i s c h e n Kostenvoranschlages stützt. Die Aufstellung des endgültigen Budgets wird erst möglich sein, wenn einmal die Zahl der an der Ausstellung teilnehmenden Staaten feststehen und die definitive Organisation der Ausstellung geschaffen sein wird. Dies hat aber gerade zur Voraussetzung, dass Sie durch Ihren Beschluss erst die Realisierbarkeit des Unternehmens sichern. Denn solange noch Ungewissheit darüber besteht, ob das Projekt sich überhaupt wird verwirklichen lassen, können die ausländischen Staaten nicht zur Teilnahme eingeladen werden und hat es auch keinen Sinn, zur definitiven Organisation der Ausstellung zu schreiten. Die Annahmen des provisorischen Voranschlages sind nun zwar so, dass dessen spätere Überschreitung
kaum zu befürchten ist. Wie aber auch das endgültige Budget ausfallen sollte : auf die Höhe der vom Bund einmal bewilligten Subvention bleibt es auf alle Fälle ohne Einfluss.

Wir ersuchen Sie daher, den angeschlossenen Beschlussentwurf genehmigen zu wollen.

Anschliessend erlauben wir uns, darauf hinzuweisen, dass die Schweiz sich gegenüber den internationalen Instanzen durch all die vorangegangenen Verhandlungen moralisch bereits weitgehend zur Durchführung des Unternehmens verpflichtet hat und dass eine prinzipielle Änderung

690 ihres Standpunktes in Völkerbundskreisen, wie auch im Ausland, jetzt kaum mehr verstanden würde. Das Prestige unseres Landes steht hier in Frage. Anderseits ruft die Angelegenheit nun d r i n g e n d Ihrer Beschlussfassung. Die Zeit bis zum 15. Mai 1934 ist für eine gewissenhafte Vorbereitung dieser Ausstellung knapp. Die im letzten Herbst in Rom versammelte Internationale Volkskunstkommission hat nachdrücklich den Wunsch geäussert, die Schweiz möchte die Übernahme der Ausstellung so bald als möglich endgültig beschliessen, damit auch die ausländischen Initiantcn bei ihren Regierungen nunmehr das Erforderliche vorkehren können. Eine beschleunigte Vorbereitung der Volkskunstausstellung ist noch aus einem andern Grunde geboten : Zu Beginn dieses Jahres wurde nämlich bekannt, dass Z ü r i c h für das Jahr 1933 oder 1934 seinerseits eine L a n d e s a u s s t e l l u n g in Aussicht nehme. Nach längern Unterhandlungen mit den Behörden des Bundes sowie des Kantons und der Stadt Bern hat das Komitee der Zürcher Ausstellung sich dann bereit erklärt, die Landesausstellung, anstatt zu der ursprünglich vorgesehenen Zeit, im Jahre 1936 abzuhalten, s o f e r n keine nachträgliche Verschiebung der Internationalen Volkskunstausstellung auf das Jahr 1935 oder 1936 erfolgen würde.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 6. Juni 1930.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Musy.

Der Bundeskanzler : Haeslin.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Beitragsleistung der Eidgenossenschaft an die Kosten der I. Internationalen Volkskunstausstellung 1934 in Bern.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 6, Juni 1930, beschliesst:

Art. 1.

Der Bund bewilligt der I. Internationalen Ausstellung für Volkskunst 1934 in Bern, im Sinne der Ausführungen in Ziffer V der die Vorlage begleitenden Botschaft, eine Subvention à fonds perdu von Fr. 1,650,000 und beteiligt sich ferner mit Fr. 250,000 am Garantiekapital für diese Ausstellung. Die beiden Beträge von zusammen Fr. 1,900,000 sind je zur Hälfte in die Voranschläge der Eidgenossenschaft für 1932 und 1933 einzustellen.

Art. 2.

Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beitragsleistung der Eidgenossenschaft an die Kosten der I. Internationalen Ausstellung für Volkskunst 1934 in Bern. (Vom 6. Juni 1930.)

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