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2626 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Bewilligung eines ausserordentlichen Kredites zur Beschaffung von Kriegsmaterial.

(Vom 4. November 1930.)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

In der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Voranschlag für die Beschaffung des Kriegsmaterials vom 6. Juni 1930 wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, beim Hauptbudget gegebenenfalls weitere Anträge auf die Beschaffung von Kriegsmaterial zu stellen mit Rücksicht darauf, dass die Reservebestände an Kleidern und anderem Material in den letzten Jahren sehr stark zurückgegangen sind, dass die Reserven an andern Orten überhaupt fehlen und dass nicht einmal allerorts das erforderliche Korpsmaterial vorhanden ist.

In den nachfolgenden Darlegungen soll das des nähern erläutert und gleichzeitig die Notwendigkeit begründet werden, einem weitern Schwinden unserer Reserven Halt zu gebieten, sowie gewisse Lücken in der Materialausrüstung unserer Truppen zu ergänzen.

1. Die Erfahrungen der kriegführenden Staaten im Weltkrieg, aber auch unsere eigene Erfahrung während der über vier Jahre andauernden Grenzbesetzung haben in zwingender Weise dio Notwendigkeit einer genügenden materiellen Kriegsvorbereitung dargetan. Die Schweiz war denn auch während dem Aktivdienst von 1914--1918 genötigt, Kriegsmaterial in sehr grossem Umfange zu beschaffen. Der Generalabschluss über die Ausgaben für den Aktivdienst der schweizerischen Armee, der von den «idgenössischen Räten mit Beschluss vom 14. Juni 1923 genehmigt worden ist, weist eine Ausgabensumme für Kriegsmaterial in der Höhe von über 482 Millionen Franken aus. Man wird dabei nicht übersehen dürfen, dass ·diese unter dem Druck der Verhältnisse und der Ungunst der Zeiten durchgeführten Materialanschaffungen teuer zu stehen gekommen sind und nicht selten mangels geeignetem Rohmaterial auch an Qualität zu wünschen

530 übrig gelassen haben. All das zeigt, dass in Friedenszeiten die materielle Ausrüstung der Armee nicht vernachlässigt werden darf, soll nicht die Schlagkraft der Armee leiden.

Über die Anschaffungen, die während des Weltkrieges gemacht worden sind, gibt der Bericht des Generals an die Bundesversammlung eingehend Auskunft auf den Seiten 251 und ff.

Durch die damaligen Anschaffungen sind zum Teil grosse Reserven angelegt worden, insbesondere an Bekleidung. Es geschah das auf Grund der Erfahrung, die gleich zu Beginn der Grenzbesetzung gemacht wurde, dass der Verbrauch an Uniformstücken in lang andauerndem Dienste ausserordentlich gross ist. So war bei Wiederaufnahme der militärischen Tätigkeit unseres Heeres im Jahr 1921 beispielsweise an Waffenröcken ein Vorrat von über 277,000 Stück, an Fusstruppenhosen ein solcher von 563,000 Stück vorhanden. Auch an andern Gegenständen, Reithosen^ Kapüten, Tornistern, Brotsäcken sowie auch an Munition, waren ansehnliche Vorräte da.

Mit Rücksicht auf die Grosse der Reserven und die Tatsache, das» die vorhandenen Kleider-, Ausrüstungs- und Munitionsbestände sich auf unbestimmte Zeit hinaus doch nicht ohne Schaden lagern lassen, war es gegeben, für die Deckung des normalen Friedensbedarfes diese Reserven bis zu einem gewissen Grade in Anspruch zu nehmen. Das bot den weitem, angesichts der finanziellen Lage des Landes sehr erwünschten Vorteil, dass das jährliche Budget erheblich entlastet werden konnte. Immerhin wurde die Herstellung von Uniformen nicht vollständig eingestellt, einerseits um die dabei beteiligten eidgenössischen und kantonalen Organe einigermassen in Übung zu erhalten und um andererseits all die Leute, die an der Uniformschneiderei beteiligt sind, -- es handelt sich vorzugsweise um Heimarbeiter und Heimarbeiterinnen -- nicht vollständig um ihren Verdienst zu bringen. Demzufolge wurde während einer längern Reihe von Jahren je nur 25 °/o der alljährlich für das Rekrutenkontingent notwendigen Uniformen neu beschafft, der Rest aber aus den Reserven gedeckt.

Ein weiterer Umstand, der das Budget von Kriegsmaterialbeschaffungeni entlastete, lag in der Gewährung grosser Notstandskredite in den Jahren 1922--1924. Es wurde damals für etwa 2*/a Millionen Franken Material für verschiedene Truppengattungen beschafft, für über 2 Millionen Tornister, für
1,340,000 Fr. Kapüte usw. Grössere Summen wurden auch für Fabrikation von Pulver und Artilleriemunition aufgewendet. Im ganzen standen der Militärverwaltung an Notstandskrediten gegen 30 Millionen Franken zur Verfugung.

Endlich wurden vom Jahr 1924 hinweg auch keine Kredite mehr eingestellt für Beschaffung von Flugzeugen, sondern hierfür, wie aus der Botschaft vom 13. Dezember 1929 betr. Flugzeugvorlage ersichtlich, der Separatkonto ,,Erlös aus altem Kriegsmaterial" in Anspruch genommen.

531 All das erlaubte, das Kriegsmaterialbudget in beschränktem Rahmen zu halten.

Nun sind aber die Reserven auf einen Stand hinuntergesunken, der ihre weitere Inanspruchnahme nicht mehr verantworten lässt. Folgende Tabelle mag das in bezug auf die wichtigsten Bekleidungsstücke illustrieren : Bestand 1921 1930 Waffenröcke . . . . 277,500 93,000 Fusstruppenhosen . . 563,400 212,000 Reithosen 120,500 70,500 Quartiermützen . . . 191,200 77,600 Dabei ist der Effektivbestand der Feldarmee von 1921--1930 nicht nur nicht gesunken, sondern um mehr als 60,000 Mann gestiegen! Das rührt zur Hauptsache daher, dass der Auszug 1921 nur 11, heute aber wieder annähernd 12 Jahrgänge zählt und insbesondere, dass die Landwehrbestände stark zugenommen haben.

Man muss ferner im Auge behalten, dass der Bedarf au Kleidern nur für einen einzigen Rekrutenjahrgang gegenwärtig rund 28,000 Waffenröcke und 46,000 Fusstruppenhosen umfasst. Wenn wir als Reserve entsprechend den Erfahrungen der Kriegsmobilmachung nur" für jeden Mann des Auszuges (ohne Landwehr und Landsturm) einen Waffenroek und 2 Paar Hosen, d. h. eine vollständige Kleiderausrüstung als notwendig erachten, so würde das einen Sollbestand der Reserven ergeben von über 200,000 Waffenröcken und 400,000 Paar Hosen. Ein Vergleich dieser Zahlen mit den heute effektiv vorhandenen Vorräten zeigt deutlich, wia sehr unsere Reserven schon gesunken sind.

Der Vollständigkeit halber sei schliesslich noch die Tatsache erwähnt^ dass die heute in den Reserven liegenden Waffenröcke für die Einkleidung von Rekruten nur noch zu einem kleinen Teil in Frage kommen, weil sie, für ausgewachsene Männer des Auszuges und der Landwehr erstellt,.

den Rekruten viel au gross sind.

Es mag in diesem Zusammenhang von Interesse sein, darauf hinzuweisen, dass im Ausland für jeden Mann eine vollständige neue Kleidergarnitur bereitgehalten wird, die er bei der Kriegsmobilmachung fasst und mit der er ins Feld zieht. Demgegenüber rücken unsere Wehrmänner mit den Kleidern ein, die sich bereits in ihren Händen befanden, d. h. mit Uniformstücken, die sie in ihrer Rekrutenschule und allen ihren Wiederholungskursen bereits getragen haben, die entsprechend abgenutzt und nicht mehr voll widerstandsfähig sind. Auch aus diesem Umstand erhellt deutlich die Notwendigkeit der Erhaltung eines genüglichen Vorrates
an neuen Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenständen.

Der Geldwert der den Reserven entnommenen Gegenstände der Bekleidung und Ausrüstung belief sich in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt auf nicht weniger als alljährlich rund sechs Millionen Franken,

532 Lässt sich nun eine weitere Inanspruchnahme der Reserven nicht mehr rechtfertigen, so ergibt sich zwangsläufig, dass das Kriegsmaterialbudget um diesen Betrag erhöht werden sollte, -- Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Munition. Der Geldwert der aus den Munitionsbeständen ·entnommenen und durch die jährlichen Beschaffungen nicht gedeckten Munitionsmengen beläuft sich durchschnittlich pro Jahr auf l,« Millionen Franken. Es soll unten gezeigt werden, wie wir vorzugehen gedenken, um ein weiteres Sinken der Munitionsbestände zu verhüten.

Es sei dabei betont, dass mit der erwähnten Erhöhung des Budgets um 6 Millionen eine Äufnung der Reserven noch kaum verbunden wäre.

Sie erlaubte im wesentlichen nur, alljährlich so viel Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände zu beschaffen, als zur Ausrüstung des RekrutenJahrganges notwendig ist. Der Umstand, dass man diese Beschaffungen jahrelang auf 25°/o, für Waffenröcke in den letzten Jahren auf 50°/o reduziert hat, ist es ja gerade, der zu dem gewaltigen Sinken der Reserven .geführt hat. Würde dieses Verfahren fortgesetzt, so würden wir, wie die vorstehenden Zahlen deutlich zeigen, in wenigen Jahren die Reserven vollständig erschöpfen und müssten alsdann notgedrungenerweise die Beschaffungen wieder entsprechend der Stärke eines Rekrutenjahrganges aufnehmen. Wird heute dem Abbau der Reserven nicht Einhalt getan, so musa in wenig Jahren die Erhöhung des Budgets doch eintreten. Wir ·würden aber in jenem Zeitpunkt alsdann über keinerlei Reserven mehr verfügen, d, h. die Armee wäre in materieller Beziehung nicht mehr kriegsbereit. Die für die Kriegsbereitschaft der Armee verantwortlichen Stellen dürfen diesen Zustand nicht eintreten lassen. Die Notwendigkeit, zu handeln, und zwar im gegenwärtigen Moment zu handeln, dürfte damit erwiesen sein.

2. Neben dem Schutze der Reserven vor weiterm Abbau erzeigt sich als unerlässlich, gewisse Lücken im K o r p s m a t e r i a l aufzufüllen. Wir erwähnen in diesem Zusammenhang nur die Beschaffung von Traktoren für unsere Motorartillerie, ohne welche die Batterien im Gelände der ständigen Gefahr, bewegungsunfähig zu werden, ausgesetzt sind, die Beschaffung des technischen Korpsmaterials für mehrere Landwehr-Telegraphen-Kompagnien, das zurzeit vollständig fehlt, und ähnliches mehr.

Endlich erscheint es unerlässlich,
an die Ausrüstung der Armee mit Gasmasken heranzutreten. Das Modell einer G a s m a s k e liegt vor, es ist in zahlreichen Diensten erprobt worden und hat sich bewährt. Dagegen besitzen wir keinerlei Vorräte, die erlauben würden, die Armee damit -auszurüsten. Wir verwerfen den Gaskrieg. Aber auch der schärfste Gegner ·desselben wird zugeben müssen, dass wir unsere Armee nicht der Gefahr Aussetzen dürfen, einem Gasangriff vollständig schutzlos gegenüberzustehen.

Gibt man sich im weitern Rechenschaft darüber, dass unsere Armee aller Voraussicht nach, zum mindesten mit grossen Teilen im Gebirge verwendet werden muss, so drängt sich als unmittelbare Folgerung die

533 Notwendigkeit auf, auch die F e l d a r m e e für die V e r w e n d u n g im G - e b i r g e a u s z u r ü s t e n . Dazu gehört vor allem, dass die Truppen ihren Fuhrwerktrain rasch und zweckmässig in einen Saumtrain umwandeln kann. Das hat das Vorhandensein eines geeigneten B a s t s a t t e l s zur Voraussetzung. Auch hierfür liegt ein in jahrelangen Versuchen erprobtes Modell vor.

Mit diesen beiden Forderungen vertreten wir nichts Neues. Beides ist bereits in der Botschaft zur neuen Truppenordnung vom 18. Dezember 1924 eingehend behandelt, und der Art. 4 jenes Bundesbeschlusses ermächtigt den Bundesrat ausdrücklich, unter Vorbehalt der Kreditbewilligung durch die eidgenössischen Räte, die Gebirgsorganisation der Feldtruppen und die Organisation des Gasschutzes vorzunehmen. Abgesehen von der Ausarbeitung der Modelle und den bereits erwähnten Versuchen konnten mangels Kredit weder Gasmasken noch Bastsättel in irgend erheblichem Umfange beschafft werden. Auch die Beschaffung des Korpsmaterials, das wir oben als notwendig und dringlich bezeichnet haben, beruht lediglich auf dem Bundesbeschluss betreffend die Truppenordnung vom Jahr 1924.

3. Die Botschaft zur Truppenordnung berechnete den Bedarf an Korpsmaterial zur Durchführung der Truppenordnung auf rund 30 Millionen Franken, in der Meinung, dass die daherigen Beschaffungen auf 10 Jahre zu verteilen seien. Für grössere einmalige Anschaffungen waren besondere Kreditvorlagen in Aussicht genommen, so wie sie in der Folge für das leichte Maschinengewehr und die Flugzeuge den Räten sind unterbreitet worden. Die Durchführung dieses Programmes ist verhindert worden durch das Postulat der eidgenössischen Räte, wonach das jährliche Militärbudget 85 Millionen Franken nicht übersteigen dürfe. M i l i t ä r d e p a r t e m e n t u n d B u n d e s r a t h a b e n p f l i c h t g e m ä s s sich b i s a u f s ä u s s e r e t e b e m ü h t , sich an d i e s e n B e s o h l u s s zu h a l t e n . Die Tatsachen aber haben sich als stärker erwiesen. Der Bundesbeschluss über die neue Truppenordnung konnte im Rahmen eines 85 Millionenbudgets nicht durchgeführt werden. Die Steigerung des Unterrichtebudgets infolge der ,,Nachholung des jüngsten Auszugsjahrganges", die ebenfalls durch die neue Truppenordnung bedingt war, die vermehrten Auslagen für das Personal
auf Grund des neuen Beamtenstatuts (sie werden auf mindestens eine Million geschätzt), die stets wachsenden Auslagen für die MilitärVersicherung -- um nur einige der wichtigsten Faktoren zu nennen -- wirkten sich so stark aus, dass daneben in dem 85 Millionenbudget für die zur Durchführung der neuen Truppenordnung notwendigen Materialbeschaffungen nicht mehr genügend Raum vorhanden war. Dies trotzdem, wie oben eingehend dargelegt, an der Beschaffung der Rekrutenausrüstung zu Lasten der Reserven das Mögliche eingespart worden ist. Während das Kriegsmaterialbudget schon im Jahr 1925 13,9 Millionen, im Jahr 1926 15,8 Millionen betrug, musate es für 1927, um die durch das Postulat der Räte gesetzte Grenze nicht zu überschreiten, auf 14,? Millionen, in den Bundesblatt. 82. Jahrg. Bd. II.

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Jahren 1928 und 1929 sogar wieder auf 13,« Millionen herabgesetzt werden. Dass dabei die jährliche Rate von 3 Millionen Franken, die zum Ausbau der Truppeuordnung notwendig gewesen wäre, nicht mehr Plate hatte, bedarf einer weitern Begründung nicht. Wir sind darum durch die Beschränkung des Budgets nicht nur dazu gezwungen worden, unsere Reserven bis auf ein kaum mehr zulässiges Maas auszuschöpfen, sondern wir haben auch die in der Truppenordnung gesteckten Ziele nicht erreichen können.

Wie Bundesrat und Militärdepartement es als ihre Pflicht erachtet haben, sich an die Weisung der Räte betreffend Höhe des Militärbudgets zu halten, so halten sie sich heute, wo die Folgen dieser Weisung klar zutage liegen, für verpflichtet, den eidgenössischen Räten vom Stand der Dinge rückhaltlos Kenntnis zu geben und die zur Abhilfe nötigen Massnahmen ihnen vorzuschlagen.

Es sei hier daran erinnert, was der Bundesrat in der Botschaft vom 6. Mai 1924 zur Truppenordnung über die Pflicht unseres Landes, wehrhaft zu bleiben, durck die Feder von Bundesrat Scheurer erklärt hat: ,,Die Wehrlosigkeit eines Landes bildet nicht nur für es selbst, sondern für seine nähere und weitere Umgebung eine stete Gefahr.

Während des Weltkrieges haben die kämpfenden Heere an unserer Grenze Halt gemacht ; Deutschland und Frankreich haben die südlichen Flügel der gewaltigen Westfront an unser Land angelehnt.

Hätten sie das wagen dürfen, wenn sie nur auf unBern guten Willen und nicht auch auf unsere Kraft vertraut hätten, unser Gebiet jedem Zutritt fremder Armeen zu verschliessen ? Nicht die Erklärung unserer Neutralität allein hat unser Land davor bewahrt, zum Kampfplatz fremder Heere zu werden, wir bedurften daneben der Armee, auf die sich unsere Politik stützen konnte. Wir dürfen auch in Zukunft nur dann darauf hoffen, uns von fremden Händeln fernhalten zu können, wenn wir imstande sind, unser Gebiet aus eigener Kraft zu verteidigen.

Deswegen sind wir die Verpflichtung, wehrhaft zu bleiben, auch gerade derjenigen Einrichtung gegenüber eingegangen, die wir als den sichtbarsten Ausdruck des Versöhnungswillens unter den Völkern ansehen und von der wir die sicherste Förderung des Friedensgedankens erhoffen, dem Völkerbund. Sein Rat hat in der Londoner Erklärung vom 13. Februar 1920 unsere immerwährende Neutralität als Bestandteil des
Völkerrechtes anerkannt und uns infolgedessen der Teilnahme an militärischen Unternehmungen des Völkerbundes enthoben. Wir haben uns dagegen bereit erklärt und verpflichtet, unser Gebiet unter allen Umständen aus eigener Kraft zu verteidigen.

Es besteht für uns kein Zweifel, dass wir aus allen den angeführten Gründon gezwungen sind, unsere Wehrfähigkeit auf der Höhe zu erhalten, die den heutigen Anforderungen entspricht."

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4. Angesichts der oben geschilderten Verhältnisse wäre es nahegelegen, das ordentliche Budget um die notwendigen Beträge zu erhöhen.

Wenn der Bundesrat davon Umgang genommen hat, so geschah das deswegen, weil er vor der Erhöhung des Budgets das Ergebnis der Arbeiten der Ersparniskommission abwarten wollte. Er hat sich daher darauf beschränkt, den eidgenössischen Räten ein Militärbudget vorzulegen im Rahmen der Rechnung des Jahres 1929. Nun sind aber auch in diesem Budget die allgemeinen Ausgaben, insbesondere diejenigen für den Unterricht, gegenüber der Rechnung des Jahres 1929 erneut gestiegen.

Das rührt einmal her von der Erhöhung der Bestände zufolge Nachholung des jüngsten Auszugsjahrganges. Ferner davon, dass die Schulen und Kurse inskünftig die Munition zum vollen Tarifpreis bezahlen sollen; bis jetzt zahlten sie nämlich überall weniger, bei der Artillerie insbesondere nur 70°/o, eine Massnahme, mit der ebenfalls die Innehaltung des 85 Millionenbudgets bezweckt war, die aber, wie weiter oben dargelegt, zu einer steten Senkung der Vorräte an Artilleriemunition geführt hat. Endlich musste bei der Bemessung der Einheitspreise der Verteuerung gewisser Lebensmittel Rechnung getragen werden. Alle diese Paktoren heben die Ausgaben für Rekruten- und Kaderschulen sowie Wiederholungskurse gegenüber der Staatsrechnung 1929 um rund 2,4 Millionen Fr. -- Eine Steigerung erfahren ferner die Personalausgaben, wobei nur die ordentlichen gesetzmässigen Gehaltserhöhungen an die Fr. 400,000 ausmachen. -- Um die nämliche Summe von Fr. 400,000 musste auch der Kredit für die Leistungen der Militärversicherung aus vorübergehendem Nachteil erhöht werden. -- Mit Fr. 120,000 ist veranschlagt die Aufstellung von Röntgenapparaten auf den grössern Waffenplätzen zur genauen Untersuchung der Rekruten bei Diensteintritt mittels Durchleuchtung; eine Neuerung von hohem Wert. -- Fr. 120,000 wird auch die gemäss Art. 34 Militärorganisation im Jahre 1931 durchzuführende Pferdezählung kosten.

Alles in allem steigen die allgemeinen und die Unterrichtsausgaben so, dass im Budget von 89,6 Millionen für Beschaffung von Kriegsmaterial nur noch ein Betrag von 10,a Millionen übrig bleibt. Das in der Junisession von den Räten bewilligte Kriegsmaterialbudget betrug 14,8 Millionen ! Es ist klar, dass der Betrag von 10,a Millionen für
die Erfüllung der oben geschilderten Aufgaben selbstverständlich unmöglich genügen kann und zu einem weitern Raubbau an den Reserven und zum Verzicht auf die Beschaffung des als unbedingt notwendig erkannten Kriegsmaterials zwingen 'würde. Die Lösung in diesem Widerstreit zwischen der Verantwortung für die Kriegsbereitschaft der Armee und der Einhaltung eines Budgets im Umfang der Jahresrechnung 1929 hat der Bundesrat darin gesehen, dass er neben dem Budget den Räten eine besondere Kreditvorlage für Beschafiung von Kriegsmaterial unterbreitet. Er ist sich wohl bewusst, dass er damit einen ausserordentlichen Weg beschreitet, aber er konnte bei seiner Verantwortlichkeit nicht anders handeln,

536 Wir haben oben gesagt, dass der Bundesrat nicht an eine Erhöhung des ordentlichen Budgets über den Betrag der Staatsrechnung 1929 hinaus hat herantreten wollen, bevor nicht das Ergebnis der Arbeiten der Ersparniskommission vorliege. Immerhin haben wir durch das Militärdeparfcement die Ersparniskommission anfragen lassen, ob sie ia der Lage wäre, über die Frage der Kriegsmaterialreserven und des Korpsmaterials sich heute Schon zu äussern. Sie hat folgendes geantwortet: ,,Die Erspärniskommission für die eidgenössische Militärverwaltung anerkennt einmütig, dass die Angaben des Chefs des eidgenössischen Militärdepartements über den Rückgang der Materialreserven und deren heutigen ungenügenden Bestand sich mit ihren eigenen Feststellungen decken. Sie verkennt angesichts dieser Tatsache und unter den heute geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht die Notwendigkeit gewisser ausserordentlicher Materialanschaffungen. Die Kommission hält aber dafür, dass jetzt schon die Fragen, die geeignet sind, eine dauernde Verminderung der Militärausgaben auf Grund organisatorischer Änderungen herbeizuführen, vom Bundesrat geprüft werden sollen."

Die Erspärniskommission hat im fernem, ähnlich wie sie das im Laufe des Sommers schon bezüglich der Militärversicherung getan hat, einen Zwischenbericht eingereicht über ihre Beobachtungen betreffend Ausrüstung der Armee und die Beschaffung von Kriegsmaterial. Sie führt darin aus, dass einzelne ihrer Beobachtungen zu Bemerkungen und zu Vorschlägen führen werden; sie könne aber schon heute erklären, dass in der Beschaffung und im Unterhalt der Ausrüstung, bei Beibehaltung der bisherigen Truppenordnung, ins Gewicht fallende Einsparungen nicht möglich seien. Die in der Mobiljsationszeit geschaffenen Materialreserven seien in bedenklicher Weise zurückgegangen, das Korpsmaterial gemäss Truppenordnung 1924 habe nicht geschaffen werden können und der Gasschutz sei über rudimentäre Anfänge nicht hinausgekommen, Der Moment werde kommen, und zwar sehr rasch, wo ein Teil der Rekruten überhaupt nicht mehr mit neuer Ausrüstung werde versehen werden können, was schon mit Rücksicht auf die psychologische Einwirkung undenkbar sei. -- Sie wiederholt schliesslich, dass sie nach ihren bisherigen Beobachtungen nicht glaube, Einsparungen in Vorschlag bringen zu können, welche auch nur annähernd
das enorme Manko auszugleichen vermöchten. Sie hält, wenn das Parlament ein höheres Budget als das gegenwärtige für nicht1 tragbar erkläre, solche Einsparungen nur für möglich auf Grund einer tiefgreifenden Reorganisation der Armee, und sie regt an, es sei an die Prüfung dieser Frage ohne Verzug heranzutreten und ohne ihren endgültigen Bericht abzuwarten. -- Der Bundesrat wird nicht verfehlen, sofort die Prüfung der von der Ersparniskoramission gemachten Anregung aufzunehmen. Für den Augenblick glaubt er feststellen zu dürfen, dass seine

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Auffassung über die Notwendigkeit von Materialanschaffungen durch die Mitteilungen der Ersparniskommission bestätigt wird.

5. Was nun die Höhe dieses Spezialkredite anlangt, so beantragt Ihnen der Bundesrat, ihn auf 16 Millionen Fr, festzusetzen, in der Meinung, dass er auf die Jahre 1931 und 1932 verteilt werden soll, und zwar 9 Millionen für das Jahr 1931, 7 Millionen für das Jahr 1932.

Im Jahre 1931 sollen beschafft werden :

I. Rekruten-Ausrüstungen.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

28,400 46,700 22,200 20,000 40,000 5,000

Waffenröcke zu Fr. 72. -- Paar Fusstruppenhose zu Fr. 38. -- . . .

Kapute zu Fr. 67. -- Brotsäcke für Unberittene zu Fr. 13. -- . .

Aluminium-Kochgeschirre zu Fr. 5. 3 0 . . .

Tornister 98 zu Fr. 76. -- Total für Rekrutenausrüstungen

Fr.

,, ,, ,, ,, ,, Fr.

2,044,800 1,774,600 1,487,400 260,000 212,000 380,000 6,158,800

Die Beschaffungen ad l, 2 und 3 entsprechen einem Rekrutenjahrgang Positionen 4 und 5 gehen etwas darüber hinaus, weil hier nicht einmal der für die Ausrüstung der Rekruten vorgeschriebene Vorrat an neuem Material komplett vorhanden ist und zur Äufnung einer sehr bescheidenen Reserve. -- Aus gleichen Gründen soll auch die Beschaffung von 5000 Tornistern des Models 98 zu den im Kriegsmaterialbudget im Juni bereits bewilligten 14,800 Stück hinzu erfolgen.

II. Korpsmaterial.

1. Schanzwerkzeug für die leichten Maschinengewehrgruppen und die Radfahrer-Kompagnie Fr.

2. Ersatz für ausgebrauchtes Kanonen-Material . . . .

3. Ausbüchsen von 7 cm Feldkanonen Rohren . . . ,, 4. 10 Traktoren für Motorartillerie ,, 5. Gasmasken, 4340 Stück für die Festungsartillerie . . ,, 6. Technisches Korpsmaterial für Landwehr-Telegraphen Kompagnien: 1.Hälfte ,, 7. Sechs Schul- und Trainingsflugzeuge ,, 8. Umänderung von Schulflugzeugen für Fallschirmverwendung ,, 9. 36 Gebirgs-Sanitätsfourgons ,, 10. Ausrüstung von Sanitatskisten ,,

89,222 300,000 90,000 400,000 289,700 104,160 450,000 100,000 98,800 7,300

Total Korpsmaterial Fr. 1,929,182 Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die Akten zum Kriegsmaterialbudget verwiesen.

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III. Gasschutz und Gebirgsausrostung.

1. 1600 Hilfsbast-Sättel zu Fr. 360 Fr.

2, 7000 Gasmasken einschliesslich Zubehör . Fr. 400,000 abzüglich ,, 100,000 die bereite im ordentlichen Kriegsmaterialbudget enthalten sind , fl Total Gasschutz und Gebirgsausrüstung Fr.

Zusammenstellung: Rekrutenausrüstung Korpsmaterial Gasschutz und Gebirgsausrüstung

576,000

300,000 876,000

Fr. 6,158,800 ^ 1,929,182 876,000 n Total

Fr. 8,963,982

Die Anschaffungen im Jahre 1932, für die wir um Bewilligung eines Kredites von Fr. 7,000,000 schon heute ersuchen, werden sich im wesentlichen auf die nämlichen Dinge erstrecken, insbesondere auf Rekrutenausrüstung. Es ist aber nötig, dass das Militärdepartement schon jetzt weiss, ob es mit diesem Kredit rechnen darf, damit es sich für alle seine weitern Arbeiten danach einrichten kann.

Die Vergebung der oben aufgeführten Anschaffungen wird für Industrie und Gewerbe eine in der gegenwärtigen Krisenzeit hochwillkommene Arbeitsgelegenheit mit sich bringen. Insbesondere sei hervorgehoben, dass neben der Textilindustrie namentlich auch vielen Handwerkern und Heimarbeitern Arbeit in erheblichem Masse wird zugewiesen werden können.

Was nun schliesslich die Beschaffung der Mittel anlangt, so kann damit gerechnet werden, dass die Staatsrechnung 1930 mit einem Überschuss abschliessen wird, der gestattet, einen erheblichen Teil des ausserordentlichen Kredites von 16 Millionen Franken zu decken. Der verbleihende Rest wäre längstens in den zwei folgenden Jahren zu tilgen.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen empfehlen wir Ihnen nachstehenden Bundesbeschluss zur Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 4. November 1930.

Im Namen des Schweiz. Buudesrates, Der Bundespräsident: Musy.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

539 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Bewilligung eines ausserordentlichen Kredites zur Beschaffung von Kriegsmaterial.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsichtnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 4. No vember 1930, beschliesst:

Art. 1.

Es wird dem Bundesrat ein ausserordentlicher Kredit von Fr. 16,000,000 bewilligt zur Beschaffung von : Gegenständen der Bekleidung und Ausrüstung der Rekruten, Korpsmaterial zur Durchführung der Truppenordnung vom 18. Dezember 1924, Gasmasken und Hilfebastsätteln.

Art. 2, Der Gesamtkredit von Fr. 16,000,000 ist durch die Verwaltungs-rechnungen des Jahres 1930 und der folgenden Jahre, Abschnitt ,,Verzinsung und Tilgung", längstens aber in drei Jahren zu tilgen, Art. 3.

Dieser Beschluss tritt, weil nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Art. 4.

Der Bundesrat wird mit dessen Vollzug beauftragt.

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