869 Ablauf der Referendumsfrist : 30, September 1930,

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Bundesgesetz über

die berufliche Ausbildung, (Vom 26. Juni 1930.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf "Art. 34ter der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 9. November 1928,

beschliesst: Abschnitt I. Geltungsbereich.

Art. 1.

Dieses Gesetz gilt für die Ausbildung zu Berufen des Handwerks, der Industrie, des Verkehrs, des Handels und verwandter Wirtschaftszweige. Durch Verordnung (Art. 55) können nähere Bestimmungen über den Geltungsbereich erlassen werden.

Ergeben sich im Einzelfalle Zweifel über die Unterstellung unter das Gesetz, so entscheidet darüber die zuständige kantonale Behörde (Art. 54, Abs. 2). Die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat nach Art. 22 und folgende des Bundesgesetzes über die eidgenössische Verwaltungs und Disziplinarrechtsp lege *) ist zulässig.

Das Gesetz gilt auch, mit Ausnahme der Vorschriften über die kantonalen Befugnisse, für die dem Bundesgesetz über die Arbeit in den Fabriken unterstellten Betriebe des Bundes und der konzessionierten Transportanstalten. Der Bundesrat ist ermächtigt, weitere Personalkategorien des Bundes und der konzessionierten Transportanstalten dem Gesetze zu unterstellen.

Abschnitt II. Berufslehre.

A. Voraussetzungen des Lehrverhältnisses.

Art. 2.

Als Lehrlinge im Sinne des Gesetzes gelten, unter Vorbehalt der gesetzlichen Vorschriften über das Mindestalter, die aus der Primarschul *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. 44, S. 779.

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pflicht entlassenen Minderjährigen, die in einem öffentlichen oder privaten Betrieb arbeiten, um einen bestimmten, unter das Gesetz fallenden Beruf zu erlernen.

Dauert die Ausbildung -weniger als ein Jahr, BÖ liegt keine Berufslehre im Sinne dieses Gesetzes vor.

Wird ein Lehrling volljährig, so unterliegt das Lehrverhältnis weiterhin den Vorschriften des Gesetzes.

B. Recht zur Ausbildung von Lehrlingen.

Art. 3.

Lehrlinge darf, nur annehmen, wer dafür Gewähr bietet, dass sie ohne gesundheitliche und sittliche Gefährdung in seinem Betriebe faohgemäss ausgebildet werden.

Die zuständige kantonale Behörde (Art. 54, Abs. 2) -verweigert einem Betrieb, der dafür keine Gewähr bietet, vorübergehend oder dauernd das Recht zur Annahme von Lehrlingen, insbesondere wenn der ßetriebsinhaber oder sein mit der Ausbildung beauftragter Vertreter der nötigen Eigenschaften und beruflichen Fähigkeiten ermangelt. Sie kann dem Betrieb auch nachträglich das Recht zur Ausbildung von Lehrlingen entziehen, wenn sich herausstellt, dass die Anforderungen nicht oder nicht mehr erfüllt sind oder wenn der Betriebsinhaber seine gesetzlichen Pflichten schwer verletzt oder wenn sich aus den Prüfungen ergibt, dass die Ausbildung der Lehrlinge im Betrieb ungenügend ist.

Art. 4.

In Berufen, für welche anerkannte Meisterprüfungen oder ähnliche höhere .Fachprüfungen bestehen (Art. 12 bis 49), kann auf Vorschlag der betreffenden Berufsverbände durch Verordnung das Becht zur Annahme von Lehrlingen davon abhängig gemacht werden, dass der Betriebsinhaber oder ein mit der Ausbildung beauftragter Vertreter des Betriebes diese Prüfung bestanden hat. Auf besondere, durch die Art des Lehrbetriebes bedingte Verhältnisse, wio auf Fabrikbetriebe mit technisch geschultem Personal, Lehrwerkstätten, Fachschulen, ist jedoch Bücksicht zu nehmen. Die zuständige kantonale Behörde kann ermächtigt werden, ausnahmsweise die Ausbildung von Lehrlingen auch dann zu gestatten, wenn auf andere Weise Gewähr für eine fachgemässe Ausbildung geboten ist, besondere wenn der Betrieb nur vorübergehend die Voraussetzungen der Verordnung nicht erfüllt.

In der Verordnung sind die nötigen Übergangsbestimmungen vorzusehen.

Art. 5.

Die Zahl der Lehrlinge, die ein Betrieb gleichzeitig ausbilden darf, kann durch Verordnung für bestimmte Berufe beschränkt werden. Mass-

871 gebend soll vor allem die Rücksicht auf sorgfältige Ausbildung der Lehrlinge sein. Die betreffenden Berufsverbände sind vorher anzuhören.

Die zuständige kantonale Behörde kann für einen einzelnen Betrieb eine weitere Beschränkung verfügen, sofern die Einrichtung des betreffenden Betriebes es erfordert. Die Befugnis zu einer solchen Beschränkung steht ihr auch zu, wenn in dem Berufe keine allgemeine Beschränkung gemäss Abs. l erfolgt ist.

C. Entstehung des Lenrverhättnisaes, Art. G.

Das Lehrverhältnis ist durch schriftlichen Vertrag zu regeln, ausser wenn dem Betriobsinhaber die elterliche Gewalt über den Lehrling zusteht.

Art. 7.

Der Lehrvertrag soll enthalten: a. Name, Geburtsdatum und Heimatort des Lehrlings, sowie Name, Wohnort, Adresse und Beruf seines gesetzlichen Vertreters; fr. Name, Wohnort und Arbeitsort des Betriebsinhabers; c. Bestimmung des zu erlernenden Berufs; d. Beginn und Dauer der Probe- und Lehrzeit; e. Bestimmung der Arbeitszeit, sofern sie nicht durch eine behördlich genehmigte Arbeitsordnung, z. B. eine Fabrikordnung, geregelt wird, sowie Bestimmungen über Ferien und freie Tage ; /. Festsetzung der gegenseitigen Leistungen, wie Lehrgeld, Unterhalt, Lohn, Lohnrückhalt, Gratifikation, Versicherungsprämien.

Der Lehrvertrag darf keine Bestimmungen enthalten, welche die freie Entschliessung des Lehrlings in bezug auf die Berufstätigkeit nach beendeter Lehrzeit beeinträchtigen.

Der Lehrvertrag ist vom Betriebsinhaber, vom Lehrling und vom Inhaber der elterlichen Gewalt oder vom Vormund des Lehrlings unter Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zu unterzeichnen. Er soll in mindestens drei Exemplaren ausgefertigt werden, wovon je eines den beiden vertragschliessenden Teilen zu überlassen und eines vom Betriebsinhaber der zuständigen kantonalen Behörde innert vierzehn Tagen nach Ablauf der Probezeit einzureichen ist. Die Behörde prüft, ob der Vertrag den gesetzlichen Vorschriften entspricht.

Art. 8.

Ist der Betriebsinhaber zugleich Inhaber der elterlichen Gewalt, so hat er der zuständigen kantonalen Behörde innert sechs Wochen nach Beginn des Lehrverhältnisses davon schriftlich Kenntnis zu geben.

872 Art. 9.

Sind die Voraussetzungen eines Lehrverhältnisses gemäss Art. 2 tatsächlich erfüllt, so befreit die Unterlassung des vorgeschriebenen Vertragsabschlusses oder der vorgeschriebenen Anzeige nicht von den Vorschriften dieses Gesetzes.

D. Pflichten des Lehrlings.

Art. 10.

Der Lehrling hat die Anordnungen des Betriebsinhabers oder des mit der Ausbildung beauftragten Vertreters zu befolgen, die ihm übertragenen Arbeiten mit Fleiss, Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt auszuführen und sich gegenüber den Betriebsangehörigen anständig zu betragen.

Er ist zur Wahrung der Geschäftsgeheimnisse verpflichtet.

Lebt er in der Hausgemeinschaft des Betriebsinhabers, so hat er sieh der Hausordnung zu fügen.

Art. 11.

Der Lehrling hat den beruflichen Unterricht nach Massgabe der darüber bestehenden Vorschriften zu besuchen (Art. 28 ff.), Art. 12.

Gegen Ende der Lehrzeit oder bei erster Gelegenheit nach deren Abschluss bat der Lehrling sich der Lehrabschlussprüfung zu unterziehen (Art. 85 ff.).

Ist er verhindert, so hat er sich innert Jahresfrist nach Wegfall des Hinderungsgrundes zur Prüfung zu melden. Die zuständige kantonale Behörde kann in besonderen Fällen aus Gründen der Billigkeit Ausnahmen gestatten.

E. Pflichten des Betriebsinhabers.

Art. 13.

Der Betriebsinhaber hat dafür zu sorgen, dass der Lehrling in allen unentbehrlichen Arbeiten des Berufs fachgemäss ausgebildet und dass dabei tunlichst in der durch den Zweck der Ausbildung gebotenen Reihenfolge vorgegangen wird. Durch Verordnung können Lehrprogramme aufgestellt werden, von denen nur aus wichtigen Gründen abgewichen werden darf. Die betreffenden Berufsverbände sind einzuladen, Vorschläge zu machen.

Zu andern als beruflichen Arbeiten darf der Lehrling nur verwendet werden, soweit diese mit der Ausübung des Berufs in Zusammenhang stehen und die Erlernung des Berufs darunter nicht Schaden leidet.

Arbeit im Stücklohn ist nur zulässig, soweit sie die Ausbildung nicht beeinträchtigt. Auf Vorschlag der betreffenden Berufsverbände kann sie durch Verordnung für bestimmte Berufe während eines Teils oder der ganzen Lehrzeit vollständig untersagt werden.

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Leitet der Betriebsinhaber die Ausbildung des Lehrlings nicht persönlich, so ist er dafür verantwortlich, dass sein Vertreter die nötigen beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften besitzt und die Ausbildung in der vorgeschriebenen Weise leitet.

Der Lehrling kann bei einem andern Betriebsinhaber nur im Einverständnis mit seinem gesetzlichen Vertreter beschäftigt werden.

Art. 14.

Der Betriebsinhaber hat die Gesundheit des Lehrlings zu schonen, ihn ^or schlechten Einflüssen bei der Arbeit zu bewahren und vor Misshandlungen oder Beleidigungen durch Betriebsangehörige zu schützen. Erkrankt der Lehrling oder erleidet er einen Unfall oder ist er gesundheitlich oder sittlich gefährdet, so ist der Inhaber der elterlichen Gewalt oder der Vormund zu benachrichtigen.

Die Arbeitszeit der Lehrlinge darf nicht länger sein als die der Arbeiter und Angestellten des gleichen Betriebes oder, wenn keine solchen ·beschäftigt werden, nicht länger als es ortsüblich ist. Für den Gottesdienst ist die nötige Zeit frei zu lassen. Die Ferien müssen im Jahr wenigstens ·sechs Arbeitstage umfassen ; für diese Zeit darf kein Lohnabzug gemacht werden.

Lebt der Lehrling in der Hausgemeinschaft des Betriebsinhabers, so hat dieser die sittliche Entwicklung des Lehrlings zu überwachen, für .gesunde und angemessene Unterkunft und Nahrung zu sorgen und ihm den Unterhalt mit Inbegriff der Pflege und ärztlichen Behandlung für die Dauer von vierzehn Tagen zu gewähren, wenn er infolge von Krankheit oder Unfall ohne eigenes Verschulden nicht arbeiten kann.

Art. 15.

Der Betriebsinhaber hat den Lehrling zum Besuch des beruflichen Unterrichts anzuhalten und ihm dafür die nötige Zeit ohne Lohnabzug freizugeben.

Er hat den Lehrling zu den gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen zu melden, ihm dafür die nötige Zeit freizugeben und, soweit es tunlich ist, Material, Werkzeug und Arbeitsraum für die Herstellung einer Prüfungsarbeit gegen Vergütung der Selbstkosten des Materials zur Verfügung zu stellen.

Art. 16.

Ergibt sich aus der Prüfung, dass die Ausbildung in der Lehre ungenügend ·war, so ist der Betriebsinhaber schadenersatzpflichtig, sofern er nicht dartut, dass ihn kein Verschulden trifft.

Der Kanton kann die Prüfungskommission oder die Aufsichtsbehörde ermächtigen, über die Höhe des Schadenersatzes einen Vergleichsvorschlag zu machen.

Die Pflicht zum Schadenersatz entfallt auch dann nicht, wenn der Lehrling keine Nachlehre macht.

Bundesblatt. 82. Jahrg. Bd. I.

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F. Aufsicht über das Lehiverhältnis.

Art. 17.

Die zuständige kantonale Behörde hat sich in angemessener Weise durch Experten an Ort und Stelle zu vergewissern, ob die Ausbildung fachgemäss und verständnisvoll an die Hand genommen wird, der Lehrling die nötige Eignung besitzt und der erreichte Erfolg den Erwartungen entspricht. Wenn durch das Ergebnis der Lehrabschlussprüfungen bereits Gewähr für richtige Ausbildung der Lehrlinge in dem Betriebe geboten ist, wird die zuständige Behörde davon absehen. Auf die Wahrung der Geschäftsgeheimnisse ist unbedingt Rücksicht zu nehmen.

An Stelle der Besichtigungen geraass Abs. l können die Kantone Zwischenprüfungen veranstalten. Auf Vorschlag eines Berufsverbandes kann diesem vom Bundesrat die Veranstaltung von Zwischenprüfungen für die Lehrlinge des betreffenden Berufes übertragen werden. Wenn für Berufe keine solchen eidgenössischen Zwischenprüfungen bestehen, so kann der Kanton ebenfalls einem Berufsverband die Veranstaltung von Zwischenprüfungen übertragen.

Sowohl die Besichtigungen ala die Zwischenprüfungen sollen wenn möglich vor Ablauf der halben Lehrzeit, jedoch in der Regel frühestens ein halbes Jahr nach Beginn der Lehre stattfinden.

Art. 18.

Die zuständige kantonale Behörde sorgt auch für die nötige Aufsicht in gesundheitlicher und sittlicher Beziehung und stellt fest, ob den Vorschriften des Art. 14 nachgelebt wird.

G. Dauer und Auflösung des Lehrverhältnisses.

Art. 19.

Über die Lehrzeit können durch Verordnung allgemeine Bestimmungen aufgestellt werden. Die betreffenden Berufsverbände sind vorher anzuhören.

Die zuständige kantonale Behörde ist befugt, mit Rücksicht auf dio Besonderheit des Lehrbetriebes oder die Vorkenntnisse des Lehrlings in einzelnen Fällen Ausnahmen zu gewähren.

Art. 20.

Die ersten vier Wochen der Lehrzeit sind Probezeit in dem Sinne, dass es bis zum Ablauf dieser Zeit jedem Teil freisteht, das Lehrverhälthis unter Einhaltung einer mindestens dreitägigen Kündigungsfrist aufzulösen.

Die Probezeit kann vertraglich nicht auf mehr als zwei Monate erhöht werden.

875 Im Einverständnis mit der zuständigen kantonalen Behörde kann die Probezeit ausnahmsweise vor ihrem Ablauf verlängert werden. Doch darf die gesamte Probezeit in keinem Fall sechs Monate übersteigen.

Art. 21.

Das Lehrverhältnis kann aus wichtigen Gründen vom Betriebsinhaber oder vom Lehrling mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder von der zuständigen kantonalen Behörde sofort oder innert einer Frist von vier "Wochen durch schriftliche Erklärung aufgelöst werden. Der Kanton kann einen vorgängigen amtlichen Sühneversuch vorschreiben.

Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor : a. für den Betriebsinhaber: wenn der Lehrling körperlicher oder geistiger Anlagen, die zur Ausübung des Berufes unentbehrlich sind, ermangelt, oder wenn er die gesetzlichen oder durch den Vertrag übernommenen Pflichten schwer verletzt ; b. für den Lehrling und seinen gesetzlichen Vertreter: wenn keine Gewähr für fachgemässe und verständnisvolle Ausbildung des Lehrlings besteht, wenn der Betriebsinhaber die gesetzlichen oder durch den Vertrag übernommenen Pflichten schwer verletzt oder wenn eine Voraussetzung gegeben ist, nach der ihm das Eecht, Lehrlinge anzunehmen, entzogen werden könnte, wenn der Betrieb infolge Konkurses oder bevorstehender Auflösung des Geschäfts oder aus andern Gründen nicht in der Lage ist, die Ausbildung zu Ende zu führen, oder wenn die Ausbildung für längere Zeit unterbrochen werden muss oder nur unter wesentlich veränderten Verhältnissen fortgesetzt werden kann; c. für die zuständige Behörde: wenn durch einen der unter lit. a oderbc genannten Umstände der Erfolg der Lehre in Frage gestellt wird.

H. Anzeigepflicht für Änderungen und Auflösung.

Art. 22.

Wesentliche Änderungen und die Auflösung des Lehrverhältnisses sind innert vierzehn Tagen der zuständigen kantonalen Behörde anzuzeigen, ausser wenn sie sich aus dem Lehrvertrag ergeben oder durch die Behörde veranlagst sind.

J. Ergänzende Bestimmungen.

Art. 23.

Soweit dieses Gesetz nichts anderes vorschreibt, sind die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts und die Bestimmungen über den Lehrvertrag anwendbar.

876 E. Lehrwerkstätten und Fachschulen.

Art, 24.

Auf die BeruMehre in Lehrwerkstätten und Fachschulen sind die Bestimmungen der Art. 2 bis 28 sinngemäsa anwendbar.

Als Lehrwerkstätten können auch Einrichtungen zur beruflichen Ausbildung von geistig oder körperlich Gebrechlichen gelten.

Durch Verordnung können besondere Vorschriften über die gewerbsmässig betriebenen Fachschulen aufgestellt werden. Den Kantonen und den betreffenden Berufsverbänden ist vorher Gelegenheit zur Meinungsäusserung zu geben.

Albschnitt III. Anlernung eines Berufs.

Art. 25.

Wer in einem unter Art. l fallenden Beruf mindestens doppelt so lange angelernt worden ist, als die vorgeschriebene oder übliche Lehrzeit beträgt, und den beruflichen Unterricht besucht hat oder auf andere Weise den Erwerb der nötigen Berufskenntnisse glaubhaft macht, ist wie die Lehrlinge zur Lehrabschlussprüfung zuzulassen, wenn die Umstände es rechtfertigen.

In Betracht kommen insbesondere tüchtige Arbeiter, die nicht in der Lage waren, während ihrer Minderjährigkeit in eine Lehre zu treten.

Abschnitt IV. Yorlehrkurse.

Art. 26.

Zur Einführung in einzelne Berufe oder Berufsgruppen können Vorlehrkurse veranstaltet werden. Sie sind unter sachkundige Leitung zu stellen.

Auf Vorschlag der betreffenden Berufsverbände kann der Besuch von Vorlehrkursen für Lehrlinge dieser Berufe oder auch für andere darin beschäftigte Minderjährige durch Verordnung obligatorisch erklärt werden. Auf abgelegene Gebiete ist dabei besondere Eücksicht zu nehmen durch Erleichterungen, wie Ersatz der Reise- und Unterhaltskosten, Veranstaltung von Wanderkursen, oder durch Erlass des Kursbesuches.

Art. 27.

Der Vorlehrkurs ist für Lehrlinge in der Eegel als Teil der Lehrzeit anzurechnen.

Bestehen sie den Vorlehrkurs vor Antritt der Lehre im Betrieb, so gelten der Kurs und die ersten vier Wochen nach Beendigung als Probezeit. Eine Erhöhung dieser Probezeit gemäss Art. 20, Abs. 2 und 8, ist dagegen nur insoweit zulässig, als die dort vorgesehenen Höchstgrenzen unter Einschluss des Vorlehrkurses nicht überschritten werden.

877 Abschnitt V. Beruflicher Unterricht.

A. Obligatorium.

Art. 28.

Die Lehrlinge sind verpflichtet, den beruflichen Unterricht nach Massgabe des für ihren Beruf geltenden Lehrplans regelmässig zu besuchen.

Die jährliche Stundenzahl für den Unterricht in den obligatorischen Fächern eines Berufs kann durch Verordnung einheitlich bestimmt werden. Die betreffenden Berufsverbände sind vorher anzuhören.

Auf Vorsehlag der betreffenden Berufsverbände können durch Verordnung an Stelle der Berufsschule besondere Fachkurse obligatorisch erklärt ·werden.

Art. 29.

Vom Unterricht wird durch die zuständige kantonale Behörde befreit: a. wer eine gleichwertige oder höhere Schule besucht; b. wer sich darüber ausweist, dass or bereits eine gleichwertige oder höhere Fachbildung besitzt; c. wer so weit vom Ort des Unterrichts entfernt ist, dass ihm der Besuch nicht zugemutet werden kann, es sei denn, dass entsprechende Massnahmen zur Erleichterung des Unterrichtsbesuchs getroffen sind; d. wer infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen dem Unterricht nicht folgen kann.

B. Organisation des Unterrichts.

Art. 80.

Die Organisation des beruflichen Unterrichts im Eahmen dieses Gesetzes ist Sache der Kantone. Vorbehalten bleibt die Organisation interkantonaler Fachkurse gemäss Art. 28, Abs. 8.

Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass den Lehrlingen der Betriebe, die auf ihrem Gebiete liegen, durch Einrichtung von Berufsschulen und Fachkursen oder durch Erleichterung des Besuchs auswärtiger Schulen und Kurse Gelegenheit zum obligatorischen Unterricht geboten wird, es sei denn, dass diese bereits durch Schulen und Kurse der Berufsverbände geschaffen ist. Wenn der Kanton wegen der geringen Zahl der Lehrlinge oder grosser Entfernungen seine Aufgabe nicht ohne unverhältnismässige Kosten zu erfüllen vermöchte, so kann er davon Umgang nehmen.

Die Klassen sind, soweit möglich, nach Berufsgruppen zu bilden. Für gemeinsame Fächer können die Schüler zusammengefasst werden.

Art. 81.

Zum Unterricht muss, ausser den in Art. 28 genannten Lehrlingen, auch zugelassen werden, wer in einem unter Art. 1 fallenden Beruf mindestens ein Jahr lang angelernt worden ist (Art. 25).

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Art. 82.

Der Unterricht ist durch sachkundige Lehrkräfte zu erteilen.

Durch Verordnung können besondere Vorschriften über die Anforderungen an die Lehrkräfte erlassen werden. Die Kantone und die betreffenden Berufsverbände sind vorher anzuhören.

C. Lehr- und Stundenpläne.

Art. 88.

Die Lehrpläne sind den einzelnen Berufen anzupassen.

Sie bedürfen der Genehmigung der zuständigen kantonalen Behörde. Die Lehrpläne für Berufsschulen und Fachkurse schweizerischer Verbände oder für andere interkantonale Schulen und Kurse bedürfen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 84.

Der obligatorische Unterricht darf in der Eegel nicht auf die Z; nach zwanzig Uhr und nicht auf Sonn- und Feiertage verlegt werden. Für Abendkurse nach zwanzig Uhr bedarf es der Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde. Diese Bewilligung soll nur aus zwingenden Gründen erteilt werden.

Bei Festsetzung des Stundenplanes ist auf die Bedürfnisse der Betriebe nach Möglichkeit Bucksicht zu nehmen.

Abschnitt VI. Lehrabschlussprüfung.

A. Veranstaltung.

Art. 85.

Die Veranstaltung der Lehrabschlussprüfungen ist Sache der Kantone, unter Vorbehalt nachfolgender Bestimmungen.

Art. 86.

Auf Vorschlag eines Berufsverbandes kann diesem vom Bundesrat die Veranstaltung der Lehrabschlussprüfungen für die Angehörigen des betreffenden Berufs ganz oder teüweise übertragen werden. Die Kantone sind vorgängig anzuhören.

Der Berufsverb&nd hat darüber ein Eeglement aufzustellen und dieses dem Bundesrat zur Genehmigung zu unterbreiten.

Der Bundesrat und die zuständige Behörde des Kantons, auf dessen Gebiet die Prüfung durchgeführt wird, können sich in der Prüfungskommission vertreten lassen, Wenn für Berufe keine eidgenössischen Verbandsprüfungen gemäee diesem Artikel bestehen, so kann der Kanton die Prüfungen ebenfalls einem Berufsverband übertragen.

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Art. 37.

Die Prüfungen einer Lehrwerkstätte oder Fachschule können auf Vorschlag der zuständigen Behörde des Kantons, auf dessen Gebiet sie sich befinden, vom Bundesrat als gleichwertig bezeichnet werden. Die betreffenden Berufsverfoände sind vorher anzuhören.

B. Zulassung zu den Prüfungen.

Art. 38.

Zur Lehrabschlussprüfung sind ausser den Lehrlingen auch Angelernte im Sinne des Art. 25 zuzulassen, Massgebend für die Zulassung ist der Arbeitsort oder, mangels eines solchen, der Wohnort.

Für die Prüfungen werden keine Gebühren erhoben. Für persönliche Auslagen hat dagegen der Prüfling aufzukommen, sofern der Kanton nicht eine Entschädigung vorsieht.

C. Anforderungen.

Art. 39.

Durch die Lehrabschlussprüfung soll festgestellt werden, ob der Prüfling die zur Ausübung seines Berufs nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt.

Über die Mindestanforderungen für die einzelnen Berufe können durch "Verordnung einheitliche Vorschriften aufgestellt werden. Die betreffenden Berufsverbände sind einzuladen, Vorschläge zu machen. Den Kantonen ist Gelegenheit zur Meinungsäusserung über die Vorschlage zu geben.

D. Fähigkeitszeugnis.

Art. 40.

Wer die Lehrabschlussprüfung mit Erfolg bestanden hat, erhält ein Fähigkeitszeugnis. Es wird von der zuständigen kantonalen Behörde ausgestellt. Hat der Prüfling die Lehrzeit noch nicht beendigt, so wird ihm das Fähigkeitszeugnis erst nach deren Abschluss ausgehändigt.

Die Ausstattung der Fähigkeitszeugnisse wird durch Verordnung bestimmt.

Wer die Prüfung nicht mit Erfolg bestanden hat, kann von der Prüfungskommission ein Zeugnis über seine Leistungen in den einzelnen Prüf ungs* fächern verlangen. Frühestens nach Ablauf eines halben Jahres ist er nochmals zur Prüfung zuzulassen.

Die zuständige kantonale Behörde kann in Fällen des Art. 12, Abs. 2, ausnahmsweise solchen Personen ohne Prüfung ein Fähigkeitszeugnis ausstellen, die wenigstens während zwei Dritteln der Lehrzeit tatsächlich ala Lehrling tätig gewesen sind, sich über ihre Fähigkeiten ausgewiesen haben und ohne ihr Verschulden an der Prüfung nicht haben teilnehmen können.

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Vorbehalten bleibt in allen Fällen der Anspruch des Lehrlings auf eia Zeugnis des Betriebsinhabers gemäss Art. 842 des Obligationenrechts,

Art. 41.

Das Fähigkeitszeugnis berechtigt seinen Inhaber, sich als gelernten Berufsangehörigen, z. B. als gelernten Schreiner, gelernte Schneiderin, zu bezeichnen.

Wer sich die Bezeichnung anmasst, ohne im Besitz des Fähigkeitszeugnisses zu sein, ist strafbar und haftet für allfällig daraus erwachsenden Schaden nach den Grundsätzen des Obhgationenrechts.

Der Bundesrat kann einen ausländischen Fähigkeitsaus-weis dem Fähigkeitszeugnis im Sinne dieses Gesetzes gleichstellen.

Abschnitt TU. Höhere Fachprüf angen.

A. Veranstaltung.

Art. 42.

Die Berufsverbände können unter den nachstehenden Bedingungen gesetzlich anerkannte Meisterprüfungen oder andere höhere Fachprüfungen veranstalten.

Durch die Prüfungen soll festgestellt werden, ob der Bewerber diezur selbständigen Ausübung seines Berufes notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt.

Art. 48.

Ein Berufsverband, der die Prüfungen für seinen Beruf veranstalten will,, hat darüber ein Beglement aufzustellen, das der Genehmigung des Bundesrates bedarf.

Den andern Berufsangehörigen wird vorgängig der Genehmigung Gelegenheit geboten, dazu Stellung zu nehmen. Die Voraussetzungen der Genehmigung werden durch Verordnung geregelt.

Die Bestimmungen dieses Artikels gelten auch für Änderungen de» Eeglements. Ein Vorschlag zur Aufhebung des Eeglements kann auch von Berufsangehörigen gemacht werden, die dem betreffenden Berufsverbande nicht angehören.

Art. 44.

Auf Vorschlag eines Berufsverbandes kann der Bundesrat eine Lehrwerkstätte oder Fachschule nach den gleichen Grundsätzen zur Veranstaltung höherer Fachprüfungen ermächtigen.

881 B. Zulassung za den Prüfungen.

Art. 45.

Zu den Prüfungen ist jeder Schweizerbürger zuzulassen, der in vollen' Ehren und Bechten steht, das Fähigkeitszeugnis oder einen als gleichwertig bezeichneten Fähigkeitsausweis besitzt (Art. 40 und 41) und seit dem Abschluss der Lehrzeit mindestens drei Jahre im Beruf tätig gewesen ist.

Ausländer sind den Schweizerbürgern gleichzustellen, es sei denn, dass diese in dem betreffenden Staat keinen entsprechenden Rechtsschutz gemessen.

Nähere Bestimmungen können durch Verordnung erlassen werden.

Wo die Art der Prüfung dies rechtfertigt, können abweichende Zulassungsbedingungen im Beglement vorgesehen werden.

C. Anforderungen und Prüfungskommission.

Art. 46.

Das Beglement soll die nötigen Bestimmungen über die Anforderungen der Prüfung und die Zusammensetzung der Prüfungskommission enthalten.

Vom Bundesrat werden zu den Prüfungen Experten abgeordnet, die in der Begel aus den Kreisen des betreffenden Berufs oder der Fachwissenschaft ernannt werden.

D. Diplom.

Art. 47.

Wer die Prüfung mit Erfolg bestanden hat, erhält ein Diplom. Es wird vom Präsidenten der Prüfungskommission und dem eidgenössischen Experten unterzeichnet. Dieser hat darüber zu wachen, dass dem Bewerber das Diplom weder zu Unrecht verliehen, noch verweigert wird.

Die Ausstattung der Diplome wird durch Verordnung bestimmt.

Wer die Prüfung nicht mit Erfolg bestanden hat, ist frühestens nach Ablauf eines Jahres nochmals zur Prüfung zuzulassen.

Über Beschwerden entscheidet endgültig der Bundesrat oder eine von ihm hierfür bezeichnete Amtsstelle.

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Art. 48.

Auf Vorschlag des Berufsverbandes kann bestimmt werden, dass der Inhaber des Diploms zur Führung eines Titels berechtigt ist. Der Titel ist im Beglement (Art. 43) zu nennen. Als Titel kann insbesondere der Zusatz «diplomiert» zur Berufsbezeichnung, z. B, diplomierter Buchhalter, diplomierter Installateur, oder der Meistertitel in Verbindung mit der Berufsbezeichnung, z. B. Schreinermeister, Schneidermeister, vorgesehen werden.

«82 Zur Führung des Titels ist nur der Inhaber des Diploms berechtigt.

Wer sich ihn anmasst, ohne im Besitz des Diploms zu sein, ist strafbar und haftet für allfällig daraus erwachsenden Schaden nach den Grundsätzen des Obligationenrechts.

Zulässig bleibt die Führung von Titeln innerhalb eines Betriebes nach Anordnung der Betriebsleitung.

Ein ausländischer Fähigkeitsausweis kann vom Bundesrat dem Diplom gleichgestellt werden.

Art. 49.

Die Namen der Diplominhaber werden veröffentlicht und nach Berufen geordnet in ein Eegister eingetragen, das jedermann zur Einsicht offen steht.

Über die Eegisterführung sind durch Verordnung die nötigen Bestimmungen aufzustellen.

Abschnitt VIII. Bundesbeiträge.

Art. 60.

Der Bund fördert die berufliche Ausbildung durch Beiträge : a. an den Betrieb öffentlicher und gemeinnütziger Bildungsanstalten und an Kurse, die der Ausbildung in den unter das Gesetz fallenden Berufen dienen, einschliesslich der Vorlehr- und Umlehrkurse, sowie der Meisterkurse und der andern höhern Fachkurse; fc, an die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften für diese Bildungsanstalten und Kurse sowie an die Instruktionskurse für Prüfungsexperten; c. an die vorschriftsgemäss durchgeführten Prüfungen; d. in besondern Fällen auch an andere Massnahmen, die der beruflichen Ausbildung dienen, wie Eeise- und IJnterhaltsentschädigungen für Teilnehmer an Fachkursen, die eine den Teilnehmern sonst unzugängliche Ausbildung ermöglichen, Stipendien für Schweizer Lehrlinge in Berufen mit Nachwuchsmangel und für Teilnehmer an Umlehrkursen, Herausgabe von Fachzeitschriften durch Berufsverbände; e. an Neu- und Erweiterungsbauten, die ausschliesslich der beruflichen Ausbildung dienen ; /, au Einrichtungen der Berufsberatung.

Art. 51.

Die Höhe der Beiträge wird durch den Bundesrat bestimmt. Er ist dabei an folgende Höchstgrenzen gebunden: a. die Beiträge an Bildungsanstalten und Kurse nach Art. 50, lit. o, dürfen die Hälfte der Ausgaben für Besoldungen und allgemeine Lehr-

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mittel nicht übersteigen, wobei die Kurse für Berufe mit Nachvmchsmangel besonders zu berücksichtigen sind; b. an die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften sowie an die Instruktionskurse für Prüfungsexperten können Beiträge in der Höhe der gesaraten Ausgaben, die nicht durch anderweitige Zuwendungen gedeckt sind, ausgerichtet werden; c. die Beiträge an die Prüfungen können sich bis auf die Hälfte der Ausgaben für ihre Durchführung belaufen; d. die Beiträge an Eeise- und Unterhaltsentsehädigungen, sowie an Stipendien für Lehrlinge dürfen einen Drittel dieser Zuwendungen nicht übersteigen; an Fachzeitschriften können Beiträge geleistet werden bis zur Hälfte der Ausgaben, die nicht durch anderweitige Beiträge gedeckt sind, an andere Massnahmen bis auf einen Drittel der Ausgaben ; 6. die Beiträge an Bauten gemäss Art. 50, lit. e, dürfen im Einzelfalle einen Fünftel der Bausumme und den Betrag von 200,000 Fr, nicht übersteigen; f. die Beiträge an Einrichtungen der Berufsberatung können sich bis auf einen Drittel der Ausgaben belaufen, die nicht durch Gebühren oder anderweitige Betriebseinnahmen gedeckt sind.

Art. 52.

Die Bedingungen der Beitragsleistungen werden durch Verordnung geregelt.

Massgebend soll der Grundsatz sein, dass der Bund mit diesen Beiträgen ausschliesslich die fachliche Ausbildung durch sachkundige Lehrkräfte fördert. Allgemeine Fächer können berücksichtigt werden, wenn sie für die fachliche Ausbildung der betreffenden Berufsgruppe von wesentlicher Bedeutung sind.

An Bildungsanstalten und Kurse im Sinne des Art. 50, lit. a, sollen Beiträge nur unter der Bedingung ausgerichtet werden, dass Schüler aus andern Gemeinden oder andern Kantonen gegen angemessene Entschädigung unter den gleichen Voraussetzungen wie die Ortsangehörigen aufgenommen werden.

Wenn kein Bedürfnis nach einer Bildungsanstalt im Sinne des Art. 50, lit. a und e, besteht, so ist ein Bundesbeitrag nicht zu gewähren.

Dem Bundesrat steht die Oberaufsicht über die vom Bund unterstützten Einrichtungen zu.

Art. 58.

Dor Bund gewährt nach den Grundsätzen der Art. 51 und 52 auch Beiträge zur Förderung der hauswirtschaftlichen Ausbildung.

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Abschnitt IX. Tollzug.

Art. 54.

Der Vollzug im Bahmen der Bundesvorschriften ist Sache der Kantone.

Sie erlassen die Ausführungsvorschriften und bezeichnen die zuständigen Behörden. Als zuständige kantonale Behörde können Lehrlingskommissionen und ähnliche Kommissionen bezeichnet werden, die ausser beruflich tätigen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Eegel auch Vertreter dea beruflichen Unterrichts und der Berufsberatung umfassen sollen.

Der Entscheid der zuständigen kantonalen Behörde ist endgültig. Vorbehalten bleibt Art. l, Abs. 2.

Art. S5.

Die Oberaufsicht über den Vollzug liegt dem Bundesrate ob. Er erlässt, wo dies nötig ist, einheitliche Vollzugsvorschriften sowie die im Gesetz vorgesehenen Verordnungen.

Er kann Experten beiziehen und einzelne seiner Befugnisse Amtsstellen oder besonders gebildeten Kommissionen übertragen, die in der Begel ausser beruflich tätigen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch Vertreter der Berufsberatung und des beruflichen Unterrichts umfassen sollen.

Art. 56.

Bei wichtigen Massnahmen sollen die betreffenden Berufsverbände vorgängig angehört werden.

Als Berufsverbände im Sinne dieses Gesetzes gelten sowohl die beteiligten Arbeitnehmer- als die beteiligten Arbeitgeberorganisationen.

Wo durch Berufsordnungen gemeinsamer Organisationen oder durch besondere Vereinbarungen zwischen den beiden Organisationen Bestimmungen über die berufliche Ausbildung aufgestellt worden sind, sollen diese für die im Gesetz vorgesehenen Verordnungen in erster Linie massgebend sein.

Wo getrennte Organisationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen, ist das im Gesetz vorgesehene Vorschlagsrecht grundsätzlich nicht an die Zustimmung beider gebunden. Doch soll vor Erlass einer Verordnung allen beteiligten Organisationen Gelegenheit zur Meinungsäusserung geboten werden.

Wo kein Berufsverband besteht, hat der einzelne Berufsangehörige das Vorschlagsrecht.

Die Voraussetzungen des Vorschlagerechte und das Verfahren für Gutheissung der Vorschläge werden durch Verordnung bestimmt.

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Abschnitt X. Strafbestimmungen.

Art. 57.

Mit Busse von fünf bis zu fünfhundert Franken wird bestraft: a. der Betriebsinhaber, der unberechtigterweise Lehrlinge in seinem Betrieb ausbildet oder ausbilden lässt (Art. 3 bis 5), oder über das Lehrverhältnie keinen vorschriftsgemassen Vertrag einreicht, oder die vorgeschriebene Anzeige nicht erstattet (Art. 6 bis 9 und 22); b. der Lehrling, der vom obligatorischen Unterricht trotz Verwarnung durch die Schulbehörde oder den Kursleiter unentschuldigt wegbleibt oder den Unterricht wiederholt vorsätzlich stört oder ohne genügende Entschuldigung von den Prüfungen wegbleibt (Art, 11 und 12); c. der Betriebsinhaber, der seinen gesetzlichen Pflichten nicht nachkommt oder dem Lehrling zum Besuch des obligatorischen Unterrichts und der Prüfungen nicht die nötige Zeit freigibt (Art. 13 bis 15); d. wer sich als gelernten Berufsarbeiter ausgibt, ohne im Besitz des Fähigkeitszeugnisses zu sein (Art. 41) ; e. wer sich als diplomierten Meister ausgibt, ohne im Besitz des Meisterdiploms zu sein, oder eine andere gesetzlich geschützte Bezeichnung sich rechtswidrig anmasst (Art. 48).

Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu hundert Franken.

In leichten Fällen kann an Stelle der Busse ein Verweis ausgesprochen werden.

Vorbehalten bleiben die Disziplinarbefugnisse der Schulbehördeu und Prüfungskommissionen.

Art. 58.

Die Übertretungen verjähren in einem Jahre. Liegt jedoch eine strafbare Handlung vor, für die nach kantonalem Strafrecht eine längere Verjährungsfrist besteht, so gilt diese auch für die Übertretungen dieses Gesetzes.

Die Strafen verjähren in fünf Jahren nach der Urteilsfällung.

Art. 59.

Im übrigen sind die allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechts anwendbar.

Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone ; ihnen fallen die Bussen zu,

Abschnitt XI. Übergangs- und Schlnssbestimmungen.

Art. 60.

Der Bundesrat setzt den Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes fest.

886 Art. 61.

Nicht anwendbar sind: a. Art. 41, Abs. 2, auf Personen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Lehrlingsprüfung nach den bisherigen Vorschriften abgelegt oder seit drei Jahren den Beruf ausgeübt haben; b. Art. 48, Abs. 2, auf Personen, die vor Einführung einer Fachprüfung gemäss Art, 42 und folgende den Beruf selbständig ausgeübt haben.

Ausserdem kann der Bundesrat in der Übergangszeit für besondere Verhältnisse Ausnahmen gewähren, das Inkrafttreten bestimmter Vorschriften auf einen spätem Zeitpunkt verlegen und einzelne der ihm zustehenden Befugnisse den Kantonen übertragen.

Art. 62.

Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes oder seiner entsprechenden Bestimmungen sind aufgehoben: Art. 77 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914 betreffend die Arbeit in den Fabriken 1) die Bundesbeschlüsse vom 27. Juni 1884 betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung 2), vom 15. April 1891betreffendd Förderung der kommerziellen Bildung8) und vom 20. Dezember 1895 betreffend die hauswirtschaftliche und berufliche Bildung de» weiblichenGeschlechts 4),, sowie die kantonalen Vorschriften auf den Gebieten, die durch dieses Gesetz geregelt sind.

Die eidgenössischen und kantonalen Arbeiterschutzvorschriften bleiben vorbehalten.

Also beschlossen vom Nationalrat, B e r n , den 25. Juni 1930.

Der Präsident: E.-Paul Graber.

Der Protokollführer: G. BoTet.

Also beschlossen vom Ständerat, B e r n , deu 26. Juni 1930.

Der Präsident: Messmer.

Der Protokollführer: Kaeslin.

!)

Gesetzsammlung, Bd. 30, S. 535.

2

) Gesetzsammlung, Bd. 7, S. 613.

) Gesetzsammlung, Bd. 12, S. 348.

*) Gesetzsammlung, Bd. 15, S. 448.

3

88 T

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 26. Juni 1930.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Bundeskanzler: Kaeslin.

Datum der Veröffentlichung : 2. Juli 1930.

Ablauf der Referendumsfrist : 30. September 1930.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz über die berufliche Ausbildung. (Vom 26. Juni 1930.)

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