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Bundesblatt

80. Jahrgang.

Bern, den 4. April 1928.

Band L

Erscheint wöchentlich

Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli £ de. m Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Initiativbegehren für die Aufnahme eines Artikels 23bis in die Bundesverfassung betreffend die Getreideversorgung der Schweiz.

(Vom 2. April 1928.)

I. Wortlaut des Volksbegehrens und Vorbemerkungen.

Die Bundesversammlung hat durch Beschluss vom 22. Dezember 1926 dem Bundesrate das "Volksbegehren zur Berichterstattung überwiesen, wonach der folgende Artikel 23bis in die Bundesverfassung aufzunehmen sei: «1. Der Bund trifft Massnahmen zur Sicherstellung der Getreideversorgung des Landes und zur Förderung des inländischen Getreidebaues.

2. Er soll insbesondere: a. selbst Vorräte au Getreide unterhalten oder für solche in anderweitiger Weise Vorsorge treffen; b. den inländischen Getreidebau sowie die Verwertung und Verarbeitung seiner Produkte durch hierzu geeignete Anordnungen und Massregeln erleichtern und fördern, namentlich den Produzenten guten, mahlfähigen Inlandgetreides die Abnahme zu einem Preise sichern, der den Getreidebau im Inlande ermöglicht. Selbstversorger und Gebirgsgegenden sind in angemessener Weise zu berücksichtigen.

8. Die Ausführung vorstehender Grundsätze bleibt der Bundesgesetzgebung überlassen. Dabei darf jedoch ein ausschliessliches Eecht der Einfuhr von Getreide (Monopol), vorbehaltlich einer Zwangslage in Kriegszeiten, weder für den Bund noch für eine private Organisation geschaffen werden. » Das Volksbegehren hat 77.587 Unterschriften auf sich vereinigt, wovon 77,062 als gültig erkannt wurden.

Von den gültigen Unterschriften entfallen auf die einzelnen Kantone: Zürich 18,959 Unterschriften Bern 10,811 » Luzern 1,922 » Uri 318 » Schwyz 1,307 » Bundesblatt. 80. Jahrg. Bd. I.

61

890 Unterwaiden ob dem Wald . .

286 Unterschriften Unterwaiden nid dem Wald. .

145 » Glarus 2,228 » Zug 640 » Freiburg 817 » Solothurn 1,288 » Baselstadt 4,493 » Basellandschaft 2,356 » Schaffhausen 1,304 » Appenzell A.-Eh 2,577 » Appenzell I.-Eh 243 » St. Gallen 10,363 » Graubünden 1,602 » Aargau 5,166 » TLurgau 2,586 » Tessili 3,075 '» Waadt 1,609 » Wallis 270 » Neuenburg 2,295 » Genf 452 » Total 77,062 Unterschriften Zur Würdigung dieses Volksbegehrens ist es notwendig, dass es im Zusammenhange mit den übrigen Bestrebungen für die Lösung der Getreidefrage behandelt wird. Wir möchten zunächst mit einem kurzen Überblick über die Entwicklung der Verhältnisse des schweizerischen Getreidebaues beginnen. Sodann werden wir die Entstehung der verschiedenen vorgeschlagenen Lösungen zur Sicherung der Getreideversorgung darstellen. Dieser Eückblick wird zu einer bessern Beurteilung der Tragweite des Volksbegehrens und zu einer klaren Auffassung über die damit gebotenen Lösungsmöglichkeiten führen.

II. Die Bedeutung des einheimischen Getreidebaues für die Landwirtschaft und für die Getreideversorgung des Landes.

Als wir Ihnen mit Botschaft vom 27. Mai 1924 Bericht und Antrag über die Sicherung der Getreideversorgung des Landes einbrachten, haben wir die Verhältnisse des schweizerischen Getreidebaues und der Getreideversorgung des Landes in ihrer ganzen Entwicklung vor, während und nach dem Weltkrieg ausführlich geschildert, so dass wir einfach auf diese Botschaft verweisen könnten.

Wir halten es aber gleichwohl für angezeigt, auch hier wieder auf die Bedeutung des einheimischen Getreidebaues für die Landwirtschaft und für die Getreideversorgung des Landes hinzuweisen und die Entwicklung kurz vor Augen zu führen, welche die Bestrebungen zur Sicherung der Getreideversorgung: des Landes erfahren haben.

891 Der Getreidebau ist, zusammen mit dem Kartoffelbau, die Hauptkultur des Ackerbaues in der Schweiz. Ein Verschwinden des Getreidebaues zöge die schwersten Folgen nach sich und musste unsern gesamten Ackerbau gefährden.

Das Getreide spielt im Fruchtwechsel eine sehr wichtige Bolle, und sein Anbau hat für die richtige Ausnutzung der Bodenkräfte entscheidende Bedeutung.

Ein starker Getreidebau ist zum Schutze der Landwirtschaft vor den schweren Gefahren einer einseitigen Betriebsrichtung unentbehrlich. Die Gegenden, welche Bodennutzungssysteme anwenden, bei denen viel Getreide gepflanzt wird, sind vor manchen Gefahren bewahrt, denen eine einseitige Graswirtschaft immer ausgesetzt ist.

Der Landwirt, der sich ausschliesslich auf die Viehzucht oder die Milchproduktion festlegt, unterliegt in viel stärkerem Masse den wirtschaftlichen Schwankungen als der Bauer, der seine Tätigkeit auf Ackerbau und Graswirtschaft richtig verteilt. Die in manchen Alpengegenden immer noch vorherrschende Krise hat dies in der letzten Zeit in höchst bedauerlicher Weise erwiesen.

Der Ackerbau hat den weiteren Vorteil, dass er in grosserem Masse Arbeitsgelegenheit schafft und auf die Flächeneinheit nutzbaren Bodens mehr Menschen zu beschäftigen % emiag, als dies bei der Graswirtschaft, der Viehhaltung und Milchwirtschaft der Fall ist. Gerade heute, da der Anteil der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung an der schweizerischen Gesamtbevölkerung unter 80 % gesunken ist, hat die Erhaltung des Ackerbaues eine wesentliche soziale und politische Bedeutung. Ein ausgedehnter Ackerbau ist das sicherste Mittel, um der Abwanderung der landwirtschaftlichen Bevölkerung in die Städte und der Entwurzelung und Proletarisierung des bauerlichen Nachwuchses entgegenzuwirken.

Noch von einem andern Gesichtspunkt aus ist der Ackerbau von Bedeutung. Er versorgt die Märkte unmittelbar mit den zur menschlichen Ernährung geeigneten Nahrungsmitteln der verschiedensten Art (Brotgetreide, Kartoffeln, Gemüse, Buben usw.). Dieser Nahrungszuschuss ist in Zeiten der Not und der Krisis von ganz besonderem Wert. Nichts schützt ein Volk besser vor Hungersnot als die vielseitigen Erzeugnisse des Ackerbaues.

Liegt ein blühender Ackerbau im allgemeinen Interesse der Gesamtbevölkerung, so gibt er im besondern dem Landwirt vermehrte Gelegenheit, seinen
Nahrungsbedarf selbständig zu decken. Das vermindert seine Ausgaben für den Zukauf fremder Erzeugnisse, bedeutet somit eine Verminderung der Geldausgaben und damit eine vermehrte Unabhängigkeit.

Wir haben die Bolle des Getreidebaues hervorgehoben, um seine Bedeutung für unsere Volkswirtschaft darzutun und die zu seiner Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung erforderlichen Opfer zu rechtfertigen. Die richtige Ausnützung des Bodens im Ackerbau stellt an das technische Können des Landwirts grosse Anforderungen. Es wurde daher sehr schwierig sein, den Ackerbau in Zeiten der Not in überstürzter Weise da wieder einzuführen, wo er verschwunden ist. Trotz bestem Willen musste das Ergebnis am Mangel jener wertvollen

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Erfahrung scheitern, welche die Vorbedingung zum Erfolge ist. Ferner würde es auch an Gerätschaften und an der Kenntnis ihrer Handhabung fehlen.

Bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert lieferte die im überwiegenden Teile unseres Landes herrschende Dreifelderwirtschaft unsern Altvordern Brotgetreide und Hafer, ihre beiden wichtigsten Nahrungsmittel, in so ausreichender Menge, dass die Ernährung der Bevölkerung gesichert war.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verlegte sich der Schweizer Bauer mehr und mehr auf den Futterbau und damit auf die Viehhaltung und die Milchwirtschaft. Der Ackerbau wurde zwar auch späterhin in den trockeneren Gebieten des schweizerischen Flachlandes in Ehren gehalten. Die ausländische Konkurrenz des im Verlaufe des 19. Jahrhunderts immer leichter zugänglich werdenden überseeischen Getreides jedoch zwang allmählich unsere Landwirtschaft, sich in erhöhtem Masse dem Futterbau und der Viehhaltung zuzuwenden.

Es hat zwar nie an Stimmen einsichtiger Männer gefehlt, welche auf die grosse Bedeutung des Getreidebaues hinwiesen. Schon im 18. Jahrhundert haben die Regierungen gesucht, den inländischen Getreidebau in Zeiten gedrückter Preise durch Einfuhrverbote zu fördern. Trotz dieser weisen Vorkehren nahm allmählich die Auffassung überhand, der Kampf gegen die ausländische Getreidekonkurrenz sei aussichtslos. Der einheimische Getreidebau wurde von völliger Vernichtung bedroht.

Im Jahre 1914 war der einheimische Getreidebau schon so weit zurückgegangen, dass er nicht einmal mehr einen Achtel unseres Bedarfes an Brotgetreide zu decken vermochte.

Die Botschaft vom 27. Mai 1924 schildert die Untersuchungen und Vorschläge, die unmittelbar vor dem Kriege gemacht wurden, um den einheimischen Getreidebau zu retten und die Getreideversorgung des Landes zu sichern.

Der Weltkrieg rückte dann die Notwendigkeit der Pflege des Getreidebaues für unser Land in das schärfste Licht. Der Bund war genötigt, die Getreideversorgung selbst an die Hand zu nehmen; es blieb nichts anderes übrig als die Errichtung des Getreideeinfuhrmonopols. Die Bauern dehnten freiwillig den Anbau von Getreide auf grössere Flächen aus. Als im Jahre 1917 sich die Zufuhr von ausländischem Getreide immer schwieriger gestaltete, musste die Anbaupflicht für Getreide eingeführt werden. Diese Anbaupflicht führte zu einem Mehranbau
von 31,875 Hektaren Brotgetreide. Die einschneidende Massnahme zwang zahlreiche Landwirte, grosse Betriebsumstellungen vorzunehmen. Der Mangel an Arbeitskräften und Zugtieren während der Mobilisation verschärfte noch die Schwierigkeiten. Zur Erleichterung der Betriebsumstellung führte man die Preissicherungen ein. Nachstehende Zahlen zeigen die Bedeutung der von den einheimischen Getreidebauern an die Getreideverwaltung gelieferten Mengen Brotgetreide: 1917 37,830 Tonnen 1918 91,012 » 1919 58,350 »

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1920 27,829 Tonnen 1921 93,260 » 1922 50,160 » 1923 90,346 » 1924 43,646 » 1925 73,095 » 1926 48,336 » 1927 ca. 54,000 » Neben diesen Ablieferungen sind noch beträchtliche Mengen Inlandgetreide zur Selbstversorgung der Produzenten verwendet worden*).

Die Anbauvermehrung an Getreide und die in den Jahren 1917 bis 1919 damit verbundene Ablieferungspflicht erlaubte der Schweiz, über die schwerste Zeit Ende 1918 und Anfang 1919 hinwegzukommen. Die tägliche Brotration von 225 Gramm auf den Kopf der Bevölkerung konnte allmählich bis auf 300 Gramm erhöht werden, während in der gleichen Zeit andere neutrale Völker in Europa genötigt waren, ihre Ration auf 180 Gramm herabzusetzen.

Was wir in jener Zeit über die 180 Gramm Brot hinaus in unserem Lande verzehren konnten, ist dem von der Bauernsame durchgeführten Mehranbau zu verdanken.

Dabei ist zu erwähnen, dass die Ablieferung des Inlandgetreides während der Jahre 1917 bis 1920 zu Preisen erfolgte, die unter den damaligen Einstandspreisen für Auslandgetreide lagen. Der Schweizer Bauer hat damit viel zur Überwindung der sehr grossen Schwierigkeiten in jener Kriegszeit beigetragen.

Die eidgenössische Getreideverwaltung hat in den Jahren 1917 bis 1920 nachstehende Preise, Frachten und Spesen bis franko Mühlenstation Inbegriffen, bezahlt: Erntejahr

Für 100kg FUr 100 kg Inlandgetreide Auslandgetreide pr Fr

1917 66.50 67.52 1918 66.50 75.69 1919 66.50 73.16 1920 69.50 73.92 In diesen Preisen sind die Kosten für die Abnahme und den Transport des Getreides franko Empfangsstation inbegriffen.

Als der Weltkrieg im Jahre 1918 zu Ende ging, zeigte es sich, dass die getroffenen ausserordentlichen Massnahmen nicht sogleich aufgehoben werden konnten. Die Verhältnisse der Nachkriegszeit waren noch zu schwierig, als dass *) So wurden im Jahre 1926 100,644 Mahlkarten bezogen und 7673 Wagen Inlandgetreide der Ernte 1925 zur Selbstversorgung verwendet. Damit wurde der Brotund Mehrbedarf für mehr als 500,000 Menschen vollständig gedeckt. Aus der durch ungünstige Witterung stark beeinträchtigten Getreideernte des Jahres 1925 wurden für die Selbstversorgung von 98,820 Produzentenfamilien 6323 Wagen Inlandgetreide verwendet, was dem. Jahresbedarf an Brot und Mehl für etwa 425,000 Menschen entspricht.

894 das Getreideeinfuhrmonopol des Bundes ohne weiteres hätte fallen gelassen werden können. Immerhin wurden, sobald es sich rechtfertigen liess, die auf Grund der Vollmachten getroffenen Zwangsmassnahmen, wie der Anbauzwang, die Brotrationierung, das Einfuhrmonopol für Futtergetreide usw., abgebaut. Dagegen hielt man an der Bezahlung des Überpreises für das übernommene Inlandgetreide fest. Ungeachtet dieser vorsorglichen Massnahme ging der Getreidebau wieder zurück. Nach der schweizerischen Anbaustatistik hat sich die Anbaufläche für Brotgetreide von 104,409 Hektaren im Jahre 1919 auf 90,545 Hektaren im Jahre 1926 vermindert.

Der Krieg erteilte für die Getreideversorgung in dieser Beziehung eine deutliche Lehre. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Schweiz, wenn sie die Getreideversorgung des Landes auch nur einigermassen sicherstellen will, den inländischen Getreidebau in wirksamer Weise fördern muss. Nur ganz tatkräftige Massnahmen vermögen den Eückgang hintanzuhalten, der unter dem schweren Druck der ausländischen Konkurrenz sonst unvermeidlich ist. Alle europäischen Staaten, die den Getreidebau erhalten wollen, haben hiefür besondere Massnahmen getroffen. Sie liefern damit den besten Beweis für die Notwendigkeit, unser einheimisches Getreide gegen die vernichtende Konkurrenz der Länder mit günstigeren Produktionsbedingungen zu schützen.

Die Mehrzahl der europäischen Staaten schützt ihren Getreidebau durch eine kräftige Zollschranke.

Die Einfuhrzölle für Brotgetreide in den verschiedenen Ländern betragen :

Land

Weizen

Koggen

Ansatz für 100 kg

Ansatz für 100 kg

vor dem Kriege

heute

vor dem Kriege

heute

Frankreich . . .

Fr. 7.--

Fr.35.-- Schw.Fr.7.--

Fr. 3.--

Fr.15.-- Schw.Fr.3.--

Deutschland. . .

BM.5. 50

EM. 5.-- Schw.Fr.6.25

RM. 5. --

EM. 5. -- Schw.Fr.6.25

Italien

GL. 7. 50

GL. 7. 50 Schw.Fr.7.50

GL. 4. 50

GL. 4. 50 Schw.Fr.4.50

Österreich. . . .

hierzu Umsatzsteuer vom Wert . . .

Kr. 6.20

Kr. 0.25 Schw.Fr.0.27 2% zollfrei

Kr. 5.80

Kr. 0. 25 Schw.Fr.0.27 2% zollfrei

England

zollfrei

zollfrei

Fr. 0.30 Fr.0.60 Schweiz Fr. 0.30 Fr. 0.60 Insbesondere hat Prankreich es sich stets zur Richtlinie gemacht, seinen Bauernstand vor den verderblichen Bückwirkungen einer verfehlten Getreideeinfuhrpolitik zu bewahren. In Deutschland musste man nach dem Tasten der Nachkriegszeit einsehen, dass die Landwirtschaft nur gehalten werden

895 konnte, wenn der Ackerbau ·wirksamen Schutz erhielt. Italien macht heute riesenhafte Anstrengungen, um seinen Weizenanbau zu vermehren. In Österreich leidet dieser Anbau sichtlich unter dem fehlenden Schutz. Die von England gewährte Zollfreiheit für Brotgetreide hat den Ackerbau und den Bauernstand Grossbritanniens zugrunde gerichtet und bringt der Landwirtschaft empfindlichen Schaden. Dafür hat England den Anbau in den Kolonien gefördert und dort mächtige landwirtschaftliche Organisationen geschaffen.

Gegenwärtig deckt der Getreidebau der Schweiz, die Selbstversorgung der Produzenten inbegriffen, mehr als einen Viertel des gesamten Landesbedarfes. Trotz aller Anstrengungen, die wir noch wirksamer zu gestalten trachten, werden wir dennoch für einen wesentlichen Teil unseres Bedarfes vom ausländischen Produzenten abhängig bleiben. Die überaus günstigen Produktionsverhältnisse gewisser Länder lassen schutzzöllnerische Massnahmen gar nicht aufkommen. Um solche wirksam zu gestalten, d. h. um ihnen den nötigen Nachdruck zu verleihen, rnüsste der Schutzzoll der Prämie von Fr. 8 entsprechen, die der Inlandproduktion zurzeit in Eorm des Überpreises ausgerichtet wird. Die Brotverteuerung als unmittelbare Folge dieser Massnahme untersagt uns ein für allemal deren Anwendung. Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass der Schutz des inländischen Getreidebaues mit Rücksicht auf unsere besondern Produktionsverhältnisse in anderer Eichtung gesucht werden muss.

Die Prüfung des schwierigen Problems ergibt, dass einzig der gesicherte Absatz zu lohnendem Preise den Landwirt veranlassen kann, den Getreidebau beizubehalten. In der Kriegs- und auch in der Nachkriegszeit hat der Bund das Brotgetreide dem Produzenten abgenommen, um den Absatz zu sichern.

Die Getreideverwaltung zahlt dem Landwirt einen angemessenen Preis, der heute höher ist als der Marktpreis der Ware.

Der Landwirt legt der Abnahmepflicht die grösste Bedeutung bei, was den Kennern unserer Anbauverhältnisse keineswegs verwunderlich erscheint.

Unsere schweizerische Landwirtschaft ist eine reine Bauernwirtschaft ohne Grossgrundbesitz. Das ist vom sozialen Standpunkt aus sehr erwünscht, stellt einen idealen Zustand in unserer alten Demokratie dar und ist auch vom Standpunkt der Ertragsfähigkeit aus nützlich, weil der damit verbundene Kleinbetrieb die
intensive Bewirtschaftung fördert. Der kleine Grundbesitz hat indessen im Anbau und Absatz von Getreide seine Nachteile. Was an Getreide auf den Markt gelangt, fällt in kleinen Posten und in meist stark wechselnder Qualität an. Dazu tritt der Einfluss der Witterung auf die wechselnde Qualität der Ernten: ein Jahr kann gute, trockene Ware erzeugen, das nächste Jahr dagegen schlechte.

Die Qualität des Inlandgetreides hat gegenüber der Vorkriegszeit bedeutende und durchgreifende Verbesserungen erfahren durch den Anbau von selektionierten Getreidesorten, durch bessere Erntemethoden, sorgfältige Behandlung und Eeinigung. So liefern bei günstigen Witterungsverhältnissen einzelne Gebiete unseres Landes einen Weizen, der dem besten Auslandweizen

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an die Seite gestellt werden kann. Leider verursacht unser stark wechselndes Klima mancherlei Schädigung der Ernten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Müller die Standardware des Weltmarktes der einheimischen Ware vorzieht. Der Absatz der Inlandware ist, wie die Verhältnisse der Vorkriegszeit beweisen, ganz unsicher. Die Pflicht zur preiswürdigen Abnahme des Getreides beseitigen, heisst den Produzenten der schlimmsten Unsicherheit aussetzen, deren Folgen zu tragen er ablehnen wird. Damit droht dem Lande das allmähliche Verschwinden des Getreidebaues und die Gefahr der Eückkehr zu den unerwünschten Verhältnissen der Vorkriegszeit.

Der eigene Anbau von Getreide ist zur Sicherung unserer Brotversorgung notwendig. Er bedeutet insbesondere eine Vorsichtsmassregel gegen eine allfällige neue Krise. Damit der Bauer im wohlverstandenen Interesse des Landes weiterhin Getreide erzeuge, darf man ihm auch eine angemessene Entschädigung nicht vorenthalten. Die Sicherstellung des Absatzes zu lohnendem Preis ist für die Bauernschaft der Angelpunkt des Getreideproblems.

III. Der dauerndeii Lösung entgegen.

Die am 5. Dezember 1926 verworfene Vorlage.

Mit der einfachen Aufhebung des Monopols und der Rückkehr zu den Verhältnissen der Vorkriegszeit wäre der Getreidebau seinem Schicksal überliefert und in die Gefahr des völligen Verschwindens gebracht worden. Das Wohl des Landes erfordert zu seiner Aufrechterhaltung tatkräftige staatliche Unterstützung. Die Getreidefrage wird bis zu ihrer dauernden Lösung bestehen bleiben.

Die endgültige Lösung des verwickelten Problems zu finden und in die richtige Form zu bringen, bildete einen Gegenstand dauernder Sorge der Nachkriegszeit. Das Monopol hatte als eine von der Macht der Verhältnisse auferlegte Kriegseinrichtung unbestreitbare Dienste geleistet. Eine nähere Prüfung der Frage bewog jedoch den Bundesrat, den eidgenössischen Eäten als dauernde Lösung einen Entwurf vorzulegen, in welchem das Monopol ausdrücklich ausgeschlossen war. Die von manchen Kreisen bekundete Abneigung gegen alle staatlichen Monopole war auf diese Entscheidung nicht ohne Einfluss.

Am 27. Mai 1924 unterbreitete der Bundesrat der Bundesversammlung eine ausführliche Botschaft mit folgendem Antrag: «Der Bund trifft Massnahmen für die Sicherstellung der Getreideversorgung des Landes.

Er soll insbesondere: a. selbst Vorräte an Getreide unterhalten oder für solche in anderweitiger Weise Vorsorge treffen; 6. den inländischen Getreidebau sowie die Verwertung und Verarbeitung der Produkte desselben durch hierzu geeignete Anordnungen und Massregeln erleichtern und fördern.

897 Die Ausführung vorstehender Grundsätze bleibt der Gesetzgebung überlassen. Dabei darf jedoch ein ausschliessliches Eecht der Einfuhr von Getreide, vorbehaltlich einer Zwangslage in Kriegszeiten, weder für den Bund noch für eine private Organisation geschaffen werden. Die gegenwärtig bestehenden Torschriften über die ausschliessliche Einfuhr von Getreide durch den Bund treten spätestens ein Jahr nach der Annahme dieses Verfassungsartikels ausser Kraft.» Die eidgenössischen Bäte sind jedoch den Vorschlägen des Bundesrates nicht gefolgt. Die ständerätliche Kommission und nach ihr der Ständerat selbst gaben den bundesrätlichen Vorschlägen eine ganz andere Fassung!

Danach sollten1 drei Artikel in die Verfassung aufgenommen werden, deren erster, Art. 23bis, den Bund für zuständig erklärte, Massnahmen zur Förderung des einheimischen Getreidebaues und zur Sicherstellung der Brotversorgung des Landes zu treffen; der zweite, Ärt.23ter, umschrieb des nähern die Voraussetzungen dieser Versorgung und der dritte endlich, Art. 23^uater, sah vor, dass dem Bunde ausnahmsweise und unter gewissen Bedingungen das Eecht zur ausschliesslichen Einfuhr von Brotgetreide übertragen werden könne.

Die mit der Berichterstattung über das Getreideproblem betraute Kommission des Nationalrates tagte im August 1925 in Kandersteg. Die Frage der Abnahmepflicht des Bundes für das Inlandgetreide stand dabei im Vordergrund der Beratungen. Mit Eecht wurde die Bedeutung dieser Frage hervorgehoben. Indessen waren die Meinungen über diesen Kernpunkt des Problems geteilt. Zudem liess sich nicht voraussehen, ob die Abnahmepflicht des Bundes im Eahmen einer monopolfreien Lösung überhaupt durchfuhrbar sei. Die Erörterungen darüber führten zu keiner endgültigen Klarstellung. Die daherige Unsicherheit wirkte beunruhigend.

Die Vertreter der Landwirtschaft, denen der gesicherte Absatz des Inlandgetreides als das lebenswichtigste Problem erschien, wandten sich entschlossen dem Monopol zu. Der Gang der Verhandlungen hatte sie davon überzeugt, dass die Monopollösung ihren Forderungen am besten entspreche, und als diese Lösung in der endgültigen Abstimmung den verwickelten Vorschlägen, des Ständerates entgegengestellt wurde, trug das Monopol den Sieg davon.

Der Nationalrat stimmte dem Vorschlag seiner Kommission zu, und die Monopollösung fand
auch im Ständerat eine Mehrheit. Der von den eidgenössischen Bäten vorgeschlagene Verfassungsartikel lautete wie folgt: «Der Bund trifft Massnahmen zur Versorgung des Landes mit Brotgetreide und zur Förderung des einheimischen Getreidebaues.

Auf dem Wege der Gesetzgebung kann dem Bunde das ausschliessliche Becht zur Einfuhr von Brotgetreide und von dessen Mahlprodukten unter Beachtung der nachstehenden Grundsätze übertragen werden: a. Die Durchführung wird einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden gemeinnützigen Genossenschaft übertragen, woran sich der Bund und private Wirtschaftsorganisationen beteiligen. Den Kantonen ist der Beitritt freigestellt.

898 b. Die Einkaufspreise für inländisches Brotgetreide sind so zu bemessen, dass der Anbau ermöglicht wird.

c. Die Verkaufspreise sind so niedrig als möglich, jedoch so festzusetzen, dass der Einkaufspreis des ausländischen und inländischen Brotgetreides die Verzinsung des Betriebskapitals und die Kosten gedeckt werden.

Vorbehaltlich der Bildung von Eeserven zum Zwecke des Preisausgleiches soll kein Gewinn erzielt werden. Die Gebirgsgegenden sind durch Massnahmen zu berücksichtigen, die geeignet sind, eine Ausgleichung der Mehlpreise herbeizuführen.

Das Nähere wird durch das Gesetz bestimmt.» Diese Vorlage, die das Monopolsystem zur dauernden Einrichtung machen wollte, begegnete in der Öffentlichkeit lebhaftem Widerspruch. Zahlreiche Gegner des Entwurfs erklärten sich grundsätzlich für eine tatkräftige Unterstützung des einheimischen Getreidebaues, rechtfertigten aber ihre Ablehnung der Vorlage mit einer ebenso grundsätzlichen Feindseligkeit gegen jede Monopolwirtschaft. Aus diesen Kreisen stammt das Volksbegehren, das den Gegenstand unserer Berichterstattung bildet.

Wir entnehmen dem Text der Initiative und den sie begleitenden Erklärungen, dass das Volksbegehren der Monopolgegner nicht gegen den Grundsatz der Unterstützung der Landwirtschaft gerichtet sein soll, sondern einzig gegen die Durchführung dieser Massnahmen auf dem Wege des Monopolsystems.

Am 5. Dezember 1926 wurde die Monopolvorlage mit 372,049 gegen 366,507 Stimmen und mit 14 Standesstimmen gegen 8 verworfen.

IV. Die heutige Lage.

Hat die Verwerfung der Monopolvorlage die Getreidefrage auch nicht gelöst, so haben die Vorbereitungsarbeiten zur Abstimmung vom 5. Dezember 1926 doch zur Klarstellung des Problems wesentlich beigetragen. Die Meinungen wurden offen dargetan und die Gedanken klarer gefasst. Wesentlich war das Ergebnis: die monopolgegnerischen Kreise sind mit aller Entschiedenheit für den Schutz des Getreidebaues als einer nationalen Pflicht eingestanden.

Es handelt sich also heute nicht mehr um die grundsätzliche Frage, ob überhaupt Massnahmen zur Sicherung der Getreideversorgung des Landes getroffen werden sollen oder nicht. Die Haltung der Monopolanhänger und die feierlichen Versprechungen der Monopolgegner lassen glücklicherweise diese Frage als endgültig entschieden betrachten. Der einheimische Getreidebau soll und muss unterstützt und gefördert werden. Meinungsverschiedenheiten bestehen nur noch über den einzuschlagenden Weg.

Zum Gluck darf heute festgestellt werden, dass sich eine Annäherung zwischen den verschiedenen Ansichten vollzieht. Im Gegensatz zu frühern Vorschlägen -- wir denken insbesondere an das von Herrn alt Nationalrat Steiner befürwortete System--hat sich mehr und mehr die Erkenntnis verbreitet, dass eine richtige Förderung des einheimischen Getreidebaues nur erreicht werden

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kann, wenn die Abnahme des Getreides zu angemessenem Preise gewährleistet wird. Auch die Notwendigkeit, dem Produzenten für das von ihm selbst verbrauchte Inlandgetreide die Mahlprämie weiter zu bezahlen, wird heute besser als früher verstanden. Ihrerseits erklärten die Bauernführer, vorbehaltlos jeder Lösung zustimmen zu können, welche die Abnahme des einheimischen Brotgetreides und die Beibehaltung der Mahlprämie sicherstellt.

Die Verständigung zwischen den verschiedenen Strömungen über die Grundlagen ist also zustandegekoimnen. Dagegen bestehen noch tiefe Meinungsverschiedenheiten über die Art der Durchführung.

Leider hat es sich als unmöglich erwiesen, auf Grund der derzeitigen Verfassungsbestimmungen die Abnahmepflicht des Bundes für Inlandgetreide einzuführen. Ebenso ist es zum mindesten zweifelhaft, ob die dauernde Beibehaltung der Mahlprämie im Artikel 2 der Verfassung eine genügende Stütze finde. Wie bereits erwähnt, bilden aber diese zwei Begehren die Brennpunkte in der Lösung der Getreidefrage. Um diesen Einrichtungen dauernden Charakter zu verleihen, ist die Schaffung einer verfassungsmässigen Grundlage unerlässlich.

Wir werden im nachfolgenden Kapitel prüfen, ob der WTortlaut des Volksbegehrens eine ausreichende verfassungsmässige Grundlage zur tatsächlichen Lösung der Getreidefrage bildet.

T. Die Würdigung des Initiativvorschlages.

Der Verfassungartikel, wie er im Volksbegehren vom 16. Oktober 1926 aufgestellt ist, verleiht dem Bund das Kecht, Massnahmen zur Sicherstellung der Getreideversorgung des Landes und zur Förderung des inländischen Getreidebaues zu treffen. Dieses Ziel soll insbesondere durch folgende Massnahmen erreicht werden: a. Der Bund soll selbst Vorräte an Getreide unterhalten oder für solche in anderweitiger Weise Vorsorge treffen.

b. Der Bund soll den inländischen Getreidebau sowie die Verwertung und Verarbeitung seiner Produkte durch geeignete Anordnungen und Massregeln erleichtern und fördern, namentlich aber den Produzenten die Abnahme von gutem, mahlfähigem Inlandgetreide zu einem Preis sichern, der den Getreidebau im Inlande ermöglicht. Selbstversorger und Gebirgsgegenden sind in angemessener Weise zu berücksichtigen.

c. Die Ausführung dieser Grundsätze ist der Bundesgesetzgebung vorbehalten. Es darf jedoch ein ausschliessliches Eecht der Einfuhr von Getreide bzw. ein Getreideeinfuhrmonopol, vorbehaltlich einer Zwangslage in Kriegszeiten, weder für den Bund noch für eine private Organisation geschaffen werden.

Es scheint auf den ersten Blick, dass dieser Wortlaut dem Bunde alle erforderlichen Kompetenzen zur vollständigen Lösung der Getreidefrage ver-

900 leihe. Eine nähere Prüfung ergibt aber, dass dem Text der Initiative verschiedene schwere Mängel anhaften. Er liefert keine genügende Verfassungsgrundlage für ein Gesetz, das die praktische Durchführung zum Schutz des Getreidebaues in ihren Einzelheiten bestimmen soll. Die Mängel sind ungefähr die gleichen wie in unserem Vorschlag vom 27. Mai 1924, den die Initiative übrigens in grossen Zügen wieder aufgenommen hat. Es ist dabei nicht zu vergessen, dass damals der Bundesrat vor der Annahme seines Entwurfs noch verschiedene Projekte in Erwägung gezogen hatte, welche die monopolfreie Lösung in anderer Weise zu erreichen suchten. Der von ihm gewählte Vorschlag sah die Abnahmepflicht des Bundes für Inlandgetreide nicht ausdrücklich vor. Die Präge war darin gar nicht berührt. Wir haben gesehen, dass sie bei den Beratungen der nationalrätlichen Kommission in Kandersteg im Vordergrunde stand.

Die Kommissionsmitglieder, die den Gedanken der Abnahmepflicht grundsätzlich bekämpften, trugen dazu bei, die Mehrheit um das im Vorschlag des Bundesrates ausgeschlossene Monopol zu scharen. Heute, nach langjähriger Prüfung der Getreidefrage, sind wir natürlich besser als früher in der Lage, die praktische Tragweite eines so schwierig zu behandelnden Verfassungsartikels bis in seine Einzelheiten abzuwägen. Erst später hat man einsehen müssen, dass es an Stelle der starr ablehnenden Haltung besser gewesen wäre, den bundesrätlichen Vorschlag durch die Einführung der Abnahmepflicht des Bundes für Inlandgetreide zu angemessenem Preise zu ergänzen.

In dieser Beziehung bringt die Initiative einen wirklichen Fortschritt, indem sie dem Produzenten einen den Anbau lohnenden Absatz seines Getreides ausdrücklich sicherstellt und so einen der schwersten Mängel beseitigt. Indessen bleiben andere Mängel nach drei Bichtungen hin bestehen: 1. Fin-mal bietet die Initiative keine genügende Handhabe, um die zur Sicherung unserer Versorgung notwendigen Massnahmen auf den Privathandel auszudehnen. Es entsteht vor allem die Frage, ob der Verfassungstext die Kontrolle des Getreidehandels und die Aufsicht über die Mühlen zulässt.

Femer wird darin dem Produzenten der Absatz seines Getreides wohl gewährleistet, allein es wird nirgends gesagt, durch welches Mittel dies geschehen soll. Wir nehmen an, die Abnahme soll auf Eechnung des
Bundes erfolgen.

Die Initiative deutet aber nirgends darauf hin, wie die eidgenössische Getreideverwaltung dieses Inlandgetreide weiterverkaufen und auf vwelche Weise die Auswechslung der Lagervorräte vor sich gehen soll.

Man wird ohne Zweifel eine Überlastung der Verfassung mit Einzelheiten, die ins Gesetz gehören, vermeiden müssen. Aber der Verfassungsartikel sollte doch dem Bunde mit klaren Worten die Ermächtigung zur Vornahme der unerlässlichen Durchführungsmassnahmen erteilen, besonders da diese mit einer Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit verbunden sind.

Art. 31 der Verfassung zählt die Vorbehalte in bezug auf die Freiheit des Handels und der Gewerbe einzeln auf. Es scheint fraglich, ob bei einem der-

901 art formulierten Wortlaut die Getreidehändler oder die Müller zur Abnahme des Inlandgetreides angehalten werden können. Der Verfassungsartikel über die Getreidefrage muss über einen so -wichtigen Bestandteil volle Klarheit schaffen.

2. Der Verfassungstext des Volksbegehrens enthält sodann gar keine Bestimmung über die Finanzierung. Allerdings besteht die Möglichkeit der Erhebung eines Zollzuschlages auf dem eingeführten Brotgetreide. Hätten die Verfasser des Volksbegehren« die Anwendung dieser fiskalischen Massnahme im Auge gehabt, so wäre dies ausdrucklich zu erwähnen gewesen. Die in Art. 29 der Verfassung niedergelegten Grundsätze Hessen sich wohl schwerlich zur Begründung einer Zollerhöhung auf Brotgetreide heranziehen. War eine Lösung auf anderem Wege gedacht, so benötigte es eines entsprechenden Hinweises.

3, Schliesslich fehlt im Initiativvorschlag eine Bestimmung zum Schutze der Müllerei. Wie man später sehen wird, ist die Erhaltung des einheimischen Müllereibetriebes für den Bestand des inländischen Getreidebaues und für die Sicherung der Brotversorgung des Landes unentbehrlich. Daher muss auch den Mühlen der nötige Schutz gewährt werden.

Die Mängel des Volksbegehrens sind von so grosser Bedeutung, dass sie den praktischen Wert einer auf dieser Grundlage ausgearbeiteten Lösung stark zu beeinträchtigen drohen.

Tl. Der Gegenentwurf des Bundesrates.

A. Vorarbeiten für eine monopolfreie Lösung.

Nach der Verwerfung des Getreidemonopols in der Abstimmung vom 5. Dezember 1926 galt es, die Arbeiten für eine monopolfreie Lösung der Getreidefrage wieder aufzunehmen. Der Bundesrat entschied, dass in der monopolfreien Lösung die Abnahmepflicht für das Inlandgetreide, die Schutzmassnahmen für die Müllerei, sowie die Zusicherung der Mahlprämie an die einheimischen Produzenten enthalten sein sollen. Die Durchführung dieses Programmes erfordert naturgemäss die praktische Mitwirkung der Müllerei und des Getreidehandels.

In gewissen Kreisen bestanden immer noch Zweifel über die Möglichkeit, die Verpflichtung zur Abnahme des Inlandgetreides in den Eahmen einer monopolfreien Lösung aufzunehmen. Eine unverzügliche Befragung aller Kreise, aus denen der Bund die Mitarbeiter heranzuziehen gedachte, erschien daher angezeigt. Getreidehändler und Müller traten am 10. März 1927 zu einer Konferenz im Bundeshause zusammen. Di'e bei diesem Anlass geführten interessanten Verhandlungen förderten die Schwierigkeiten zutage, die sich der praktischen Durchführung einer monopolfreien Lösung entgegenstellen.

Doch wurden die Hindernisse weder von den Müllern noch von den Getreidehändlern für unüberwindlich gehalten. Die Händler erklärten sich zur Abnahme des Inlandgetreides bereit; die Müller schlugen eine andere Lösung vor. Die Abordnung des Bundesrates bat die anwesenden beiden Gruppen, sich auf ein

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einheitliches Projekt zu verständigen und es so bald wie möglich einzureichen.

Am 80. April 1927 unterbreitete der Verband schweizerischer Müller dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement einen Vorschlag, der auch die Zustimmung der Getreidehändler gefunden hatte.

Um jede wünschenswerte Abklärung zu erzielen, hatte das Volkswirtschaftsdepartement schon im Januar den Verband schweizerischer Müller, den schweizerischen Handels- und Industrieverein, den schweizerischen Gewerbeverband, das Zentralkomitee des schweizerischen Getreidehandels und endlich das Aktionskomitee für eine monopolfreie Lösung eingeladen, ihm für eine monopolfreie Ordnung Vorschläge einzureichen.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement erhielt verschiedene bemerkenswerte Eingaben. Die Eingabe des Verbandes schweizerischer Müller, auf die wir noch zurückkommen werden, erwies sich als besonders geeignet zur Ausgestaltung eines Projektes. Alle diese Eingaben, Vorschläge und Anregungen fordern die Abnahmepflicht für das Inlandgetreide, die Ausrichtung einer Mahlprämie und den Schutz der schweizerischen Müllerei.

Allmählich ist somit die Einigung über die wesentlichen Teile des Problems zustande gekommen. Gestützt auf die eingereichten Vorschläge und Anregungen hat alsdann das Volkswirtschaftsdepartement einen Vorentwurf zu einer monopolfreien Lösung ausgearbeitet und diesen Vorentwurf mit einem Bericht einer ausserparlamentarischen Vorberatungskommission unterbreitet, die hauptsächlich aus Vertretern der verschiedenen beteiligten Wirtschaftsgruppen bestand. Dieses kleine Wirtschaftsparlament tagte in Bern vom 28. bis zum 30. November 1927. Es hatte die Frage zu beantworten, ob die im Vorentwurf des Volkswirtschaftsdepartements niedergelegten Vorschläge geeignet seien, die Lösung des Getreideproblems herbeizuführen. Nach der Beratung übermittelte die genannte Kommission ihre Schlussnahmen dem Bundesrate.

B. Das Ergebnis der Verhandlungen der ausserparlamentarischen Vorberatungskommission.

Die ausserparlamentarische Kommission war eingeladen worden, sich zu den Hauptpunkten des Getreideproblems zu äussern. Wir können das Ergebnis dieser Beratungen, das dem Bundesrat mitgeteilt wurde, kurz wie folgt zusammenfassen : 1. Der Bund errichtet und unterhält Lagervorräte an Getreide. Die Handelsmühlen sind gehalten, ohne
besondere Entschädigung einen Teil der Vorräte bei sich einzulagern und zur Durchführung der nötigen Auswechslung anzukaufen.

2. Der Bund ist zur Abnahme des Inlandgetreides verpflichtet. Er zahlt hierfür Preise, die rund Fr. 8. 50 höher sind als die mittlern Marktpreise für gleichwertiges Auslandgetreide.

3. Die Handelsmühlen sind gehalten, dem Bunde das von ihm erworbene Inlandgetreide im Verhältnis ihres Gesamtumsatzes an Backmehl abzunehmen.

903 Der Bund liefert das Inlandgetreide zu einheitlichem Preise an alle Mühlen.

Um die Handelsmühlen im Landesinnern gegen die Konkurrenz 'der an der Landesgrenze errichteten Mühlen zu schützen, wird er den erstem einen Teil1 der Frachtkosten des ausländischen Getreides von der Landesgrenze bis ins Innere rückvergüten.

4. Wer Inlandgetreide, das er selbst gebaut hat, zur Versorgung seines Haushaltes verwendet, hat Anspruch auf die Mahlprämie von Fr. 5 für 100 kg vermahlenes Getreide. In Gebirgsgegenden kann die Mahlprämie den Betrag bis auf Fr. 8 für 100 kg erreichen.

5. Der Handel mit Brotgetreide wird der Aufsicht unterstellt, um allfällige Missbräuche bei der Ausrichtung der Mahlprämie oder bei der Übernahme von Inlandgetreide zu verhindern.

6. Zum Schutze der einheimischen Müllerei gegen die ausländische Konkurrenz behält sich der Bund die Einfuhr von Backmehl vor. Immerhin wird er dieses Eecht der Einfuhr nur zur Verhinderung von Missbräuchen ausüben.

Damit waren die weitläufigen Befragungen und Begutachtungen beendet.

Es verblieb noch die Stellungnahme des Bundesrates. Am 5. Januar 1928 beschloss er die Ausarbeitung einer monopolfreien Lösung und ihre Vorlage an die Bundesversammlung.

C. Der Entwurf des Bundesrates.

Schon im Januar 1927, d. h. vor der Befragung der Interessenten, hatte der Bundesrat entschieden, dass jede monopolfreie Lösung die nachstehenden vier Grundsätze enthalten soll, die mit Eecht als die Hauptpunkte für die Getreideversorgung des Landes zu betrachten sind: 1. die Errichtung und Haltung von Lagervorräten; 2. die Unterstützung des einheimischen Getreidebaues durch die Übernahme des Inlandgetreides durch den Bund und die Ausrichtung einer Mahlprämie an die Selbstversorger; 3. die Erhaltung des einheimischen Müllereigewerbes; 4. die Verbesserung des Getreidebaues.

Schon in seiner Sitzung vorn 30. Januar 1927 hatte der Bundesrat Gelegenheit, einen Vorentwurf zu beraten, der in den wesentlichen Grundlagen den gestellten Forderungen entsprach. Der Bundesrat suchte sogar nach einer Möglichkeit, die Bestimmungen dieses Vorentwurfes vom Juni 1927 an provisorisch in Kraft zu setzen. Aus den bekannten begreiflichen Gründen musate das unterbleiben.

Dieser erste Entwurf des Bundesrates wich in mehreren Punkten von der durch die ausserparlamentarische Vorberatungskornmission
empfohleneu Lösung ab. Anstatt die Handelsmühlen zur Übernahme des Bundesgetreides zu verpflichten, übertrug der Entwurf diese Pflicht den Getreidehändlern. Für den Bund wie für den Brotverbraucher sind beide Lösungen von gleichem Wert.

904 Die Hauptsache ist, dem einheimischen Getreideproduzenten einen Abnehmer zu verschaffen und dem Bund die Absatzmöglichkeit des von ihm übernommenen Getreides zu sichern. Um den auf den Konsumenten übergewälzten Teil der Kosten zu decken, hat die Yorberatungskommission die Erhebung einer Mehlabgabe angeregt. Zur Erreichung des gleichen Ergebnisses werden voraussichtlich andere, einfachere Mittel genügen. Schliesslich wurde zur Erhaltung des einheimischen Müllereigewerbes gegenüber der ausländischen Konkurrenz vorgeschlagen, das Eecht zur Mehleinfuhr dem Bunde zu übertragen. Ein entsprechender Zollzuschlag hätte aber zweifellos die gleiche Wirkung.

Im übrigen begegnen sich die verschiedenen Vorschläge, die alle den Anforderungen für die Getreideversorgung des Landes entsprechen wollen, immer wieder in manchen Punkten; es bestehen wohl einige Varianten, doch im grossen und ganzen kommen sie auf dasselbe hinaus.

Die Schlussnahmen der ausserparlamentarischen Kommission können der Gestaltung einer monopolfreien Lösung recht wohl als Grundlage dienen. Als gutes Omen sei noch besonders darauf hingewiesen, dass die grosse Mehrheit der Kommissionsmitglieder dem Entwurf zugestimmt haben.

Zu unserer grossen Befriedigung konnten wir unsern Entwurf auf der gleichen Grundlage aufbauen, die von der Kommission gewählt wurde. Immerhin haben wir am Vorentwurf der Kommission verschiedene Abänderungen vorgenommen, die nach unsenn Dafürhalten zur Vereinfachung der eingereichten Vorschläge dienen.

Betrachten wir nun im einzelnen den Vorschlag, den der Bundesrat dem Volksbegehren entgegenstellt.

1. Die Lagervorräte.

Ihre Haltung und Auswechslung.

In der Haltung von Lagervorräten an Getreide verfügt der Bund über langjährige Erfahrungen, die er bei einer monopolfreien Lösung verwerten kann.

Zurzeit werden die Lagervorräte ungefähr zur Hälfte vom Bunde in eigenen Lagerhäusern und Magazinen, zur andern Hälfte in den Handelsmühlen eingelagert. Diese Art der Einlagerung bringt mancherlei Vorteile, die beibehalten werden sollen. Mühleneinlagerung bedeutet Dezentralisation der Vorräte, fühlbare Frachtersparnis, Mindestmass von Manipulationen und endlich Garantie sachgemässer Behandlung. Die neue Ordnung wird die Frage der Haltung von Lagervorräten im wesentlichen auf die gleiche Art regeln wie unter dem heutigen
bewährten System. In dieser Beziehung sind daher keine Schwierigkeiten zu befürchten. Die Handelsmühlen werden zur kostenlosen Lagerung von Bundesgetreide im Verhältnis ihrer gesamten Vermahlung an Getreide verpflichtet, wobei das Verhältnis zu Beginn jedes Jahres auf Grund des vorjährigen Umsatzes festgesetzt wird. Der Übernahmspreis ist vom Bundesrat unter Berücksichtigung der Weltmarktlage zu bestimmen. Die Mühlen sind

905

fur sachgemässe Einlagerung, Besorgung und Beaufsichtigung des ihnen zur Lagerung übergebenen Getreides verantwortlich.

Die Getreide Verwaltung besorgt zurzeit die Auswechslung der in den Mühlen gelagerten Vorräte selbst. In Zukunft ist das den Handelsmühlen zur Lagerung übergebene Getreide von ihnen auf eigene Eechnung und Gefahr unter Aufsicht des Bundes auszuwechseln. Die Befürchtung, dass sich bei der Auswechslung die Qualität des in den Mühlen eingelagerten Getreides verschlechtern werde, trifft nicht zu. Die Müller haben alles Interesse daran, den Ersatz durch vollwertiges Getreide vorzunehmen, da sie selbst es wieder zu vermählen und das Mehl auf dem freien Markte zu verkaufen haben. Eine Verschlechterung des eingelagerten Getreides würde eine entsprechende Verschlechterung des Brotmehles nach sich ziehen. Eine solche Verschlechterung wird von den Bäckereien rasch gespürt, und die Bückwirkung auf die Mühle wurde nicht auf sich warten lassen. Es ist zu beachten, dass für dieses ganze Wirtschaftsgebiet wieder die Gesetze der freien Konkurrenz zur Auswirkung gelangen, unter deren Herrschaft Preishöhe und Qualität ausschlaggebend sind.

Hinsichtlich der Häufigkeit der Auswechslung hat die Erfahrung gezeigt, dass eine zweimalige Auswechslung im Jahr sich dem laufenden Müllereibetrieb gut anpasst. Die Auswechslung des Lagergetreides in den Bundeslagem braucht dagegen voraussichtlich nicht zweimal im Jahr zu erfolgen. Wenn gutes Lagergetreide zur Einlagerung gelangt, so können die Auswechslungsfristen stark verlängert werden. Die Erfahrungen, welche das eidgenössische Militärdepartement vor dem Kriege mit der Auswechslung des Lagergetreides gemacht hat, werden auch inskünftig wegleitend sein.

Seinerzeit wurde %om Bund in den Armeemagazinen und Lagerhäusern russischer Weizen in Säcken gelagert, der sich darin als sehr lagerfähig erwies.

Nach der Lagerbuchhaltung der Armeemagazine wurden einzelne Partien erst nach drei bis vier Jahren abgestossen und durch neue Ware ersetzt. Man konnte damals mit einer zwei- bis dreijährigen Lagerdauer rechnen. Bei Siloeinlagerung (statt Sacklagerung) wäre die durchschnittliche Lagerdauer zweifellos noch grösser gewesen. Der Manitobaweizen besitzt indessen bei weitem nicht die Lagerfähigkeit des vorkriegszeitlichen Eussweizens. Man wird ihn daher bereits im Laufe
des der Ernte folgenden Jahres auswechseln müssen. Der Bund wird die Auswechslung des Lagergetreides jedenfalls auf das Notwendige beschränken, um die hohen Manipulationskosten zu vermeiden und die eigene Einfuhr möglichst niedrig zu halten. Die Getreidereserve muss aus hochwertigem Weizen bestehen, um dadurch den Absatz der Ware bei der periodisch notwendigen Auswechslung zu erleichtern. Auch inskünftig wird der Getreidevorrat aus erstklassigem Weizen von der Provenienz zusammengesetzt sein müssen, welche von den Müllern bevorzugt wird.

Über die Menge des einzulagernden Getreides ist kurz folgendes zu sagen.

Dafür, dass die Frage der Lagerhaltung von Brotgetreide alle Aufmerksamkeit verdient, reden die Verhältnisse vom August 1914 eine deutliche Sprache. Am 1. August 1914 befanden sich in den Lagerhäusern und MagaBundesblatt. 80. Jahrg. Bd. I.

62

906 zinen der Armee 2500 Wagen zu 10 Tonnen. Die Vorräte des Privathandels in den Lagerhäusern betrugen ebenfalls rund 2500 Wagen, so dass sich der Gesamtvorrat in der Schweiz auf 5000 Wagen belief. Für Kechnung von Schweizerfirmen waren am Rhein 2600 Wagenladungen eingelagert, die dann von Deutschland zum Abtransport nach der Schweiz freigegeben wurden mit der Bedingung, dass die schweizerische Eegierung die Ware in Besitz nehme. Es wird gelegentlich darauf hingewiesen, dass zu den obgenannten Vorräten noch mehrere tausend Wagen hinzugerechnet werden müssten, welche in den Mühlen und Bäckereien waren. Dabei wird aber übersehen, dass diese Bestände für die Behörden nicht erfassbar waren, weil sie verschwinden konnten, wenn man sie am nötigsten brauchte. Wenn unser Land n der ersten Zeit des Weltkrieges trotz der äusserst knappen Vorräte ohne grössere Schwierigkeiten durchkam, so ist dies vor allem dem Umstand zuzuschreiben, dass die uns umgebenden Völker in der langen Friedenszeit starke Vorräte aufgestapelt hatten. Es wäre aber kurzsichtig, zu glauben, dass sich in Zukunft die Verhältnisse gleich günstig gestalten wurden.

Die zweite Kriegsperiode bot übrigens sowohl für die Schweiz wie für die kriegführenden Länder der Schwierigkeiten genug. Alle Volker ziehen heute die Nutzanwendung aus der harten Lehre und richten ihr ganzes Streben nach Erhöhung der eigenen Sicherheit. Für unser kleines, vom direkten Verkehr mit den heutigen grossen Getreideländern abgeschnittenes Binnenland ist die Schaffung eines ausreichenden Vorrates an Brotgetreide von entscheidender Bedeutung.

Die Monopolverwaltung verfügte im Laufe der letzten drei Jahre über folgende Lagerbestände in der Schweiz: 1925

Ende » .

i, v » » » » » » »

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

Wagen zu 10 Tonnen 1926 1927

11,910 12,335 13.416 13,592 10,960 8,185 6,290 4,668 4,194 4,850 7,086 9,805

10,181 9,590 8,595 7,006 6,540 7,391 5,927 6,516 7,345 9,056 9,989 11,469

10,398 10,751 10,647 10,004 8.367 7,189 6,932 6,162 5.822 6,892 9.244 11,836

Der Durchschnitt der Sommermonate steht ziemlich weit unter dem Monatsdurchschnitt im Winter. Diese Schwankungen werden jedoch ausgeglichen durch die Inlandernte, die noch nicht abgeliefert ist. Durch die 6 bis 7000 Wagenladungen Inlandgetreide, die den Bundesvorräten hinzuzu-

907 rechnen sind, ist die Landesversorgung im Sommer so gut gesichert wie zu den Zeiten mit den höchsten Lagerbeständen.

Unser durchschnittlicher Lagerbestand betrug in den letzten drei Jahren rnnd 8000 Wagen. Bechnet man dazii noch die Vorrate in den Mühlen und Backereien sowie das bei den Selbstversorgern liegende Getreide, so darf unsere Brotversorgung für etwa drei Monate als gesichert gelten.

Im Jahre 1924 war der Bundesrat der Meinung, es Hesse sich zur Xot die Menge der Bundesreserve auf 5000 Wagen herabsetzen. Xach den gemachten Erfahrungen halten wir es für angezeigt, beim Durchschnitt der letzten drei Jahre, d. h. auf 8000 Wagen, zu verbleiben. Der Bundesrat wird zudem ausdrucklich ermächtigt, diese Zahl zu erhöhen, wenn die wirtschaftliche oder politische Lage entsprechende Maßnahmen erfordert.

Wortlaut des Gegenvorschlages (Punkt 1).

Zur Sicherang der Versorgung des Landes unterhält der Bund genügende Getreidevorräte. Er kann die Müller verpflichten, Getreide zu lagern und die Getreidevorräte zwecks Auswechslung zu übernehmen.

2. Die Förderung des einheimischen Getreidebaues.

Wir haben darauf hingewiesen, v\ie und weshalb der Getreidebau zu einer nationalen Pflicht geworden ist. Der Bund erfüllt heute diese hohe Aufgabe durch eine tatkraftige Unterstützung des Brotgetreideanbaues. Die Getreideverwaltung übernimmt das Inlandgetreide zu einem Preise, der den Anbau fordert. Ferner beziehen die Produzenten seit 1925 für das im eigenen Haushalt verwendete Getreide zu Lasten der Bundeskasse eine Mahlpramie. Die Erfahrung hat erwiesen, dass diese beiden Massnahmen zur Erhaltung des einheimischen Getreidebaues ebenso wirksam wie unentbehrlich geworden sind. Ein Verzicht auf ihre Anwendung mu^ste jede Neuordnung in kurzer Zeit scheitern lassen. Daher suchen wir der Landwirtschaft auch unter dem monopolfreien System alle Vorteile zu erhalten, die sie unter der provisorischen Ordnung geniesst. Die Lage der Bauernschaft wird somit bei der Neuordnung keine Änderung erfahren.

Bei der monopolfreien Losung wird die Einfuhr von Auslandgetreide freigegeben, desgleichen die Einfuhr von Saatgut. Eine gewisse Kontrolle und die Zusammenarbeit der landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbànde mit den Versuchsanstalten werden dafür sorgen, dass minderwertiges Saatgut nicht zur Verwendung kommen kann.

«. Die Mahlpramie f ü r die Selbstversorger.

Der Grundsatz der Ausrichtung einer Mahlpramie soll im Verfassungsartikel festgelegt sein. Der Bund wird auf diese Weise seinem Willen Aus-

908 druck geben, den Getreidebau selbst dort beizubehalten und zu fördern, wo der Bauer nicht imstande ist, für den Markt zu produzieren.

Unter dem Monopolsystem erfolgt die Ausrichtung der Mahlprämie ohne besondere Schwierigkeiten. Das gleiche wird bei der monopolfreien Lösung der Fall sein. Das Gesetz soll die Höhe der Prämie bestimmen, und zwar wenn möglich gleich dem heute ausgerichteten Betrag von Fr. 5 für 100 kg vermahlenes Getreide. In Gebirgsgegend en kann die Prämie auf Fr. 8 erhöht werden.

Man hat darauf hingewiesen, dass bei der freien Einfuhr unter der Herrschaft der monopolfreien Ordnung die Gefahr der Unterschiebung von Auslandgetreide sehr gross werde; einzelne Produzenten würden versuchen, Zuschüsse an Auslandgetreide vermählen zu lassen, um dafür die ausschliesslich für Inlandgetreide bestimmte Prämie zu beziehen. Aber auch unter dem Monopolsystem besteht diese Gefahr, wenn auch in verringertem Masse. In gleicher Weise gibt es bei beiden Systemen importiertes Brotgetreide, das nicht den Weg zur Mühle, sondern zur Futtermittelhandlung geht. So wird die Aufhebung des Einfuhrmonopols die heute bestehende Gefahr der Unterschiebung möglicherweise erhöhen. Indessen kann eine zweckmässig eingerichtete Beaufsichtigung des Getreidehandels und der Verwendung des Auslandgetreides künftig wie bisher Missbrauch verhindern. Unsere Verwaltung verfugt hierin über gewisse Erfahrungen. Der Tabak, vor allem die Rohstoffe für die chemische Industrie, und auch die Produkte, die je nach ihrer Verwendung unterschiedlichen Zollansätzen unterliegen, haben von der Verwaltung eine noch weit schwieriger durchzuführende Kontrolle gefordert als die Beaufsichtigung des Handels und der Vermahlung von Auslandgetreide. Durch die Mitwirkung der Zollorgane kann der Getreideverwaltung die Aufgabe wesentlich erleichtert werden.

' b. Die Übernahme des Inlandgetreides.

Unter der Herrschaft des Monopols erfolgt die Übernahme des gesamten Inlandgetreides durch den Bund. Das bietet dem Produzenten die unbedingte Gewahr für den regelmässigen Absatz seiner ganzen Ernte zu angemessenem Preis. Dieser Zustand wird auch in Zukunft keine Änderung erfahren. Nach wie vor wird die Übernahme des Inlandgetreides zur gegebenen Zeit durch Vermittlung der landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbände erfolgen, die das Getreide auf
Rechnung des Bundes übernehmen. In den Kantonen Tessin und Wallis kann die Abnahme ebenfalls wie bisher unter Mitwirkung und Aufsicht der kantonalen Landwirtschaftsdepartemente vor sich gehen; die Gemeinden behalten ihre Ortsgetreidestelle, die unter der Leitung des Verwalters der landwirtschaftlichen Genossenschaften steht. Die Ortsgetreidestellen werden wie bisher auch den Dienst für die Durchführung der Mahlprämie versehen. Die Genossenschaftsverbände bezeichnen mit Zustimmung der Getreideverwaltung die "Experten, welche das Getreide zu übernehmen und unter Berücksichtigung der Qualität die Übernahmspreise festzusetzen haben.

Selbstverständlich werden die dem Landwirt bisher gewährten Vergünstigungen bei der Getreideablieferung, wie z. B. bei Spätablieferung, beibehalten.

909 Sobald die Produzenten einer Gemeinde zur Ablieferung bereit sind, meldet dies die Ortsgetreidestelle dem Genossenschaftsverband (Zentrale) und die Zentrale der Getreideverwaltung. Letztere setzt unter tunlichster Berücksichtigung der Vorschläge der Ortsgetreidestelle Tag, Stunde und Ort der Abnahme fett. Auch in Zukunft wird das übernommene Getreide sofort bezahlt werden.

Die Genossenschaftsverbände werden dafür von der Getreideverwaltung rechtzeitig die erforderlichen Vorschüsse erhalten.

Das Gesetz bestimmt den Preis für das Inlandgetreide. Er wird je nach der Weltmarktlage schwanken, muss aber durchschnittlich mindestens um Fr. 8.50 für 100 kg höher sein als der Durchschnittspreis für gleichwertiges Auslandgetreide. Doch soll dem Bundesrat das Eecht eingeräumt werden, bei ausserordentlichen Verhältnissen Ankaufspreise festzusetzen, die über der erwähnten Norm liegen. Die Neuordnung gewährleistet dem Landwirt somit die Beibehaltung aller bisherigen Vorteile. Das Ablieferungsverfahren wird bis in alle Einzelheiten in genau gleicher Weise vor sich gehen wie unter dem Monopolsystem.

Dem Produzenten den Absatz seiner Ernte durch die Abnahmeverpflichtung der Getreideverwaltung sicherzustellen, bietet keine Schwierigkeit, ebensowenig die Ausrichtung eines Überpreises zur Förderung des einheimischen Getreidebaues. Die Schwierigkeit besteht darin, der Getreideverwaltung das Mittel an die Hand zu geben, das abgenommene Inlandgetreide wieder abzusetzen. Unter der Herrschaft des Einfuhrmonopols kann die Getreideverwaltung die Müller, die ausländisches Getreide beziehen, auch zum Bezug einer verhältnismässigen Menge Inlandgetreide anhalten. Auf diese Weise vollzieht sich der Absatz der Schweizerware. Unter der Herrschaft der neuen Ordnung ist die Lage jedoch ganz anders. Die schweizerischen Mühlen schaffen ihr Auslandgetreide nicht mehr durch die Vermittlung des Bundes an, sondern beziehen es direkt und auf eigene Rechnung vom Ausland. Die Getreideverwaltung wird somit nicht mehr wie heute den^Absatz von Auslandgetreide auch zum Absatz von Inlandgetreide benützen können. Anderseits ist ein freihändiger Verkauf von Inlandgetreide ausgeschlossen. Die Nachfrage nach Inlandgetreide ist schwankend, und es bestünde für den Bund die Gefahi.

da ss er die Ware nur mit grossem Verlust abstossen könnte.
Es wurde auch erwogen, den Getreidehändlern die Verpflichtung zur Übernahme einer verhältuismässigen Menge Inlandgetreide zu überbinden. Dieses Verfahren besteht zurzeit ia Norwegen und hat sich dort allgemein bewahrt.

Doch die Verpflichtung zur Übernahme einer bestimmten Menge Inlandgetreide hätte die Einfuhr von Auslandgetreide mit einer Bedinguna verknüpft, die von einigen Kreisen als Einfuhrbeschränkung betrachtet wird. Die Schweiz ist dem Genfer Zollabkommen beigetreten, das die Einfuhrbeschr.iiikungen verbietet. Diese Ordnung würde daher weitern Schwierigkeiten rufen.

Vielleicht liesse sich eine Form finden, diesen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen. Der Bundesrat hat aber eine andere Lösung vorgezogen. Nach dem Entwurf ist der Bezug von Auslandgetreide für unsere Handelsmuhlen völlig

910 frei. Damit ist indessen durchaus vereinbar, dass sie weiterhin zur Übernahme des Inlandgetreides verhalten werden, das auf alle Handelsrnühlen verteilt wird. Die Müller sehen diese Notwendigkeit selbst vollkommen ein. Eine Änderung bringt die neue Ordnung lediglich nach der Richtung, dass die Verteilung des Inlandgetreides auf die Handelsmühlen sich in Zukunft statt nach der Menge des vom Monopolamt ihnen zugeteilten Auslandgetreides nach dem Gesamtumsatz der Handelsmühlen au Backmehl zu richten hat. Dies stellt eine einfache und praktische Lösung dar, welche die Handelsmühlen gleichmassig belastet. Das Verteilungsverfahren ist freilich gegenüber dem Vorgehen beim Monopol ein unterschiedliches; es führt aber in der Wirkung genau zum gleichen Ziel. Die bis heute gemachten Erfahrungen mit den Handelsmühlen über die pflichtgemässe Übernahme des Inlandgetreides lassen erwarten, dass das vorgeschlagene Verfahren voll befriedigen wird.

c. V e r b e s s e r u n g d e s

Getreidebaues.

Es ist eine Aufgabe der Sicherung der Getreideversorgung, die Verbesserung der Technik des Getreidebaues durch geeignete Massnahmen zu fördern. Unser Entwurf sieht daher vor. dass der Bund die Bestrebungen zur Verbesserung des Getreidebaues unterstutzt. Zu diesem Zwecke soll er insbesondere die Erzeugung und Beschaffung von hochwertigem Saatgut fördern und die Einführung verbesserter Anbau- und Ernteverfahren durch Beiträge erleichtern.

Wortlaut des Gegenvorschlages (Punkt 2).

Der Bund fördert den Anbau von Brotgetreide im Inland und unterstützt die Selbstversorgung. Er übernimmt gutes, mahlîahiges Inlandgetreide zu einem Preis, der den Getreidebau im Inland ermöglicht. Die Müller können verpflichtet werden, das vom Bund erworbene Inlandgetreide auf Grundlage des Marktpreises zu übernehmen.

3. Die Aufsicht.

Unter der Herrschaft der monopolfreien Lösung wird die Beaufsichtigung des Müllereigewerbes aufrechterhalten und auch der Getreidehandel einer gewissen Kontrolle unterstellt.

a. Die B e a u f s i c h t i g u n g des Mullereigewerbeb.

Die Mühlen stehen zurzeit unter der Aufsicht der Getreideverwaltung. Die Lieferungsbedingungen sind durch ein von jeder Mühle und der Getreideverwaltung gegenseitig unterzeichnetes Pflichtenheft geordnet, das im einzelnen alle Vorschriften für das Verhalten und die Geschäftsführung der Mühlen enthält.

Soweit notwendig, wird in den folgenden Ausführungen darauf Bezug genommen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Beaufsichtigung des Müllereigewerbes allgemein in gleicher Weise vor sich gehen muss, wie dies unter dem

911

Monopolsystem im Pflichtenheft niedergelegt ist. Diese Aufsicht wird bei der monopolfreien Ordnung am besten allfällige Missbräuche verhindern. In einzelnen Punkten kann die Neuordnung voraussichtlich für die Beziehungen der Getreideverwaltung zur Müllerei Erleichterungen bringen. Die Monopol·^ erwaltung begegnet stets Schwierigkeiten, wenn der Weltmarkt sich auf Hausse einstellt. An der Börse, wie ganz allgemein auf sämtlichen Markt en, hat die Auslösung einer Haussebewegung die sofortige Erhöhung der Kauflust zur Folge.

Auch der Getreidehandel untersteht diesem Gesetz. Sobald der Müller und der Bäcker eine Preiserhöhung voraussehen, will sich jeder noch grosse Vorräte an billiger Ware anlegen, um der Verteuerung zu entgehen. Um eine übermässige Anspannung mit nachfolgender Flauheit und ihre Bückwirkung auf den Betrieb zu vermeiden, hat die Monopolverwaltung in diesen Fällen zur Kontingentierung greifen müssen. Eine solche Massnahme wird unter dem Begime der monopolfreien Getreideversorgung nicht mehr nötig sein. Mit dem Einsetzen der freien Handelstätigkeit werden die Käufe in einem Zeitpunkt besorgt, den die Beteiligten für den vorteilhaftesten halten.

Die Mühlen bleiben unter der Aufsicht des Bundes. Ihr Betrieb wird von der Erfüllung bestimmter Pflichten gegen die Getreideverwaltung abhängig gemacht. Macht sich der Inhaber schwerer Pflichtverletzungen schuldig, so kann ihm die Fortführung des Betriebes untersagt werden.

Bauern- und Kundenmühleu. die nicht gewerbsmässig Backmehl verkaufen und ausschliesslich für Produzenten Getreide gegen Mahllohn vermählen, das diese selbst gebaut haben und zur Selbstversorgung verwenden, sind diesen Vorschriften nicht unterstellt. Sie unterstehen aber einer Aufsicht des Bundes.

damit bei der Ausrichtung der Mahlprämie die Unterschiebung von Auslandgetreide verunmöglicht werde.

Die Handelsmühlen haben der Getreideverwaltung wie bisher die erforderliche Auskunft zu erteilen. Sie haben insbesondere über den Eingang und die Verwendung des Getreides sowie über den Ausgang des Backmehls und der andern Mahlerzeugnisse Buch zu führen. Zur Sicherstellung ihrer Verpflichtungen haben die Handelsmühlen eine Kaution zu leisten.

Im ganzen weicht die Organisation und Durchführung der Aufsicht nicht wesentlich vom heutigen Verfahren ab. Sie ist vom Müllereigewerbe,
gleich wie die bi&herige Aufsicht, auch angenommen worden. Auf Grund einer solchen Ordnung wird es möglich sein, Missbräuche zu verhindern.

b. Die B e a u f s i c h t i g u n g des G e t r e i d e h a n d e l s .

Schon heute übt die Getreideverwaltung eine Aufsicht über den Handel mit Futtermitteln aus. Das Einfuhrmonopol umfasst wohl das Brotgetreide, lässt aber dem Futtergetreide die Tür offen. Auch muss Brotgetreide als Körneriutter abgegeben werden. Der schweizerische Produzent hätte nur angeblich zur Viehfütterung bestimmtes Getreide zu kaufen und könnte dann dieses als aus eigenem Anbau stammend unterschieben. Derartige Unterschiebungen

912 setzen die Getreideverwaltung der Gefahr aus, Mahlprämie oder Überpreis an nicht Bezugsberechtigte auszurichten. Die Kontrolltätigkeit der Monopolverwaltung muss noch verschärft werden, weil durch die Ausdehnung der Einfuhrfreiheit auf sämtliche Getreidearten die Unterschiebungsmöglichkeit naturgemäss weiter anwächst. Es muss also ein Mittel gefunden werden, die Unterschiebung von Auslandgetreide an Stelle des Inlandgetreides zu verhindern, und zwar sowohl bei der Ablieferung des Getreides als auch bei der Ausrichtung der Mahlprämie. Dieser Aufgabe ist unsere Verwaltung wohl gewachsen.

Das Inlandgetreide lässt sich von den meisten Auslandgetreidesorten schon nach dem Aussehen unterscheiden. Diese Eigenschaft erleichtert die Nachprüfung. Doch ist dieses verschiedene Aussehen nicht immer charakteristisch genug und bildet kein unbedingt sicheres Erkennungsmittel. Zu der gegenwärtig bestehenden Aufsicht würde noch die Mitwirkung der Zollorgane treten.

Die Zollverwaltung kann das eingeführte Getreide auf seine Verwendung hin gut beaufsichtigen. Sie hat bei der Anwendung der unterschiedlichen Zollansätze schon viel grössere Schwierigkeiten überwunden, als sie die hier notwendige Aufsicht darbietet. Um zu zeigen, welches die Schwierigkeiten sind, die den Zollorganen täglich entgegentreten, verweisen wir nur auf die Tabakzölle. Je nach seiner Verwendung, ob als Pfeifentabak oder zur Zigarettenherstellung, wird der gleiche Tabak mit einem Zoll von Er. 250 bis zu Er. 800 belastet. Viele andere Eohstoffe -- Halbfabrikate der Textilindustrie, Chemikalien, Alkohol -- werden je nach ihrer Verwendung unterschiedlichen Zollsätzen unterworfen, wobei die Kontrolle viel schwieriger ist als beim Getreide.

Dasselbe ist bei der Gerste der Fall, die mit 60 Kappen für 100 kg belastet wird, wenn sie zur Ernährung oder Verfütterung dient, dagegen bei der Verwendung zur Bierbrauerei Fr. 9. 45 zu zahlen hat. Die Zollverwaltung beaufsichtigt zurzeit die Verwendung des eingeführten Tabaks bei über 400 und der eingerührten Gerste bei über 1400 Firmen. Die Alkoholverwaltung kontrolliert ihrerseits die Verwendung des an 785 Fabriken und Drogerien gelieferten Industriesprites. Dabei geht diese Verwendungskontrolle in ganz normaler Weise vor sich. Das hat uns veranlasst. in unserer Botschaft vom 3l. Januar abbin zu erklären,
dass die Bundesverwaltung schon ganz andere Hindernisse erfolgreich überwunden habe als die mit der Durchführung unseres Projektes verbundenen Schwierigkeiten. Die Beaufsichtigung wird genügen, ohne dabei schikanös zu wirken. Den ehrlichen Müller und Getreidehändler wird sie nicht beschweren und nur dem Betrüger Unannehmlichkeiten bringen.

4. Der Schutz des einheimischen Müllereigewerbes.

Die Brotversorgung des Landes ist mit der Förderung des einheimischen Getreidebaues noch nicht gesichert. Brot wird nicht aus Getreide gebacken, sondern aus Mehl. Als notwendiges Glied muss somit noch die Erhaltung einer leistungsfähigen einheimischen Müllerei hinzukommen. Es handelt sich vor

913 allem darum, das schweizerische Mullereigewerbe gegen die erdruckende Konkurrenz des ausländischen Backmehls zu schützen.

Es darf nicht vergessen werden, dass unser Inlandgetreide der ausländischen Ware gelegentlich an Qualität nachsteht. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Industrien und die Bevölkerung im Innern der Schweiz im allgemeinen gewisse Vorteile gemessen, deren die Schweizer in den Grenzgebieten nicht teilhaftig sind. Das lässt die teurere Produktion der schweizerischen Müllerei gegenüber den Auslandmühlen ohne weiteres verständlich erscheinen. Die einheimischen Muhlenbetriebe vermögen nichts gegen diese Konkurrenz, und wenn das Land sie nicht schützt, müssen sie ihr unterliegen.

Es wäre weder billig noch weitsichtig, den Müllern im Interesse des Landes Verpflichtungen aufzuerlegen, um sie dann der erdrückenden ausländischen Konkurrenz auszuliefern. Wurden unsere Mühlen zum Verschwinden gebracht, so wären wir nicht mehr in der Lage, unser Getreide vermählen zu lassen und müssten auf ihre Mitwirkung an der Versorgung verzichten. Durch den Schutz der einheimischen Müllerei soll also nicht eine besondere Bevorzugung der Mühlen geschaffen, sondern ihnen nur ein angemessener Ausgleich für die auferlegten nationalen Pflichten geboten werden. Es handelt sich keineswegs um die Schaffung eines Privilegs, sondern einfach um die Sicherung ihrer Existenz. Der Bestand der Müllerei ist notwendig, weil die Auswechslung der eidgenössischen Getreidevorräte und der einheimische Getreidebau mit dem Schicksal der Mullerei auf das engste verbunden sind.

Die Einfuhr ausländischen Mehles vermindert entsprechend die Einfuhr von Auslandgetreide. Da unsere Inland wäre zur Vermahlung mit Auslandgetreide vermischt wird, könnte eine verringerte Einfuhr von Getreide in Körnerform die Qualität des schweizerischen Backmehles verschlechtern und ausserdem eine Preiserhöhung zur Folge haben.

Die Lage der Auslandmühlen gegenüber dem einheimischen, im Landesinteresse schwer belasteten Müllereigewerbe ist derart, dass -«ir zum Schutze unserer Müllerei nötigenfalls bis zum vollständigen Grenzschluss für ausländisches Backmehl gehen müssen. Die Verhältnisse liegen schon heute unter dem Monopol ganz gleich, indem die Getreideverwaltung von der Mehleinfuhr tatsächlich Umgang nimmt, Ein hoher Einfuhrzoll auf Backmehl bildet unstreitig die naheliegendste Schutzmassnahme. Diesen Weg benutzen auch unsere Nachbarstaaten. Die Mehlzollansätze betragen :

914

Weizenmehl Land

An satz

vor dein Kriege Frankreich Ausbeute 70 % und darüber .

heute

An satz vor dem heute Kriege

Fr.60.-- Schw.Fr.12.-- Fr. 72.-- Fr. 13. 50 Schw.Fr.l4.40 Fr. 80. -- Fr.16.-- Schw. Fr.16. --

Fr. 5.--

Fr. 30. -- Schw. Fr. 6.--

RM. 10. 20

RM. 11.50 Schw.Fr.14.35

RM. 10. 20

RM. 11.50 Schw. Fr.14. 35

Italien .

GL. 12. 30

GL. 11.50 Schw. Fr.ll. 50

GL. 6.50

GL. 6.50 Schw. Fr. 6.50

Österreich. . . .

hierzu Umsatzsteuer vom Wert . . .

Kr. 15. --

Kr. 1.70 Schw. Fr. 1.80 7%

Kr. 15. --

Kr. 1.70 Schw. Fr. 1.80 7%

60--70 % weniger als 60 % .

Deutschland. . .

England Schweiz

Fr.ll.--

Roggenmehl

zollfrei fr. 2.50

zollfrei Fr. 4.50

Fr. 2.50 1

Fr. 4.50

1

Es ist erwiesen, dass ein richtig angesetzter Einfuhrzoll wirksamen Schutz gewährt. Norwegen, dessen Lage viel Ähnlichkeit mit der unsrigen aufweist, hat damit einen vollen Erfolg erzielt. Es ist für uns sicher, dass diese Zollmassnahme auch bei uns erfolgreich wirken müsste. Aus Kreisen der schweizerischen Müllerei wird freilich immer wieder darauf hingewiesen, dass doch Verhältnisse eintreten können, bei denen man mit einem Einfuhrzoll auf Backmehl nicht mehr auszukommen vermag. Diese Kreise würden daher einem Backmehleinfuhrmonopol den Vorzug geben, das tatsächlich einem Verbot der Einfuhr von Backmehl gleichkäme. Die heutige provisorische Ordnung überträgt das Recht zur Einfuhr von Backmehl ausschliesslich der Getreideverwaltung. Doch die nachstehende zollstatistische Zusammenstellung bestätigt, dass die Getreideverwaltung kein Backmehl mehr einführt:

915

Jahr

Position 16 Mehl aus Getreide, Mais, Hülsenfrüchten in Gefässen von mehr als 5 kg Gewicht Menge in q il.

1

1

1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927

.

.

*) . .

.

. .

.

509.644 457.934 439.344 381 .320 211.798 75.269 40.654 67.185 1,044.685 302.400 27.257 7,196 63.003 41.576 11.083 10.827 10.188 3.290

Wert In 1000 Fr.

15,044 13,555 14,054 11,829 6,959 3,549 2,399 4,017 95,679 31,066 2,505 365 2,242 1.508 421 434 379 143

Position

216a

Futtermehl denaturiert Menge in q u.

Wert in 1000 Fr.

472.198 538.578 535.429 579.372 359,873 2,833 1,391 19

9.246 11,045 10,202 11,405 6.668 47 48 1

1,970

96

98,093 273,421 249.039 410.886 582.833 317,609 423,916

2,937 7,674 6,569 10,770 16,177 7,856 11.031

') Im Jahre 1918 lie ferten die U. i3. A. hauptsächlich hlich Mehl.

I)ie in den letzten Jahren eingeführten wenigen Wagen enthielten besondere Mehlsorten zur Herstellung von Biskuits oder diätetischer Nährmittel. Das Monopol hat also die Wirkung einer Einfuhrsperre.

Die Zahlen der Futtermehleinfuhr zeigen, dass seit dem Kriege die Einfuhr mengen in ständigem Wachsen begriffen sind. Sie erreichen oder übersteigen heute sogar die Zahlen der Vorkriegszeit. Die Entwicklung der Futtermehleinfuhr ist ein Fingerzeig dafür, inwiew eit die Einfuhr von Müllereierzeugnissen eine gefährliche Konkurrenzierung unserer einheimischen Müllerei werden kann.

Der Fachmann weiss. dass vom Ausland her Brotmehl und auch andere Mullereierzeugnisse heute zu stark herabgesetzten Preisen angeboten werden. In dieser Erscheinung kommt die Tatsache zur Auswirkung, dass das Ausland grosse Anstrengungen macht, um die Ausfuhr seiner Müllereierzeugnisse zu fördern.

Der Beschluss der ausserparlamentarischen Vorberatungskommission ging dahin, das» die Einfuhr von Backmehl dem Bunde vorbehalten «erden soll.

Dabei bestand die Meinung, dass die Getreideverwaltung erst dann zur Backmehleinfuhr schreiten solle, wenn dies zur Sicherung der Landes ver sorgung nötig

916 sei. Es würde sich also nicht um ein Wirtschaftsmonopol zur Verstaatlichung eines schweizerischen Handelszweiges handeln, sondern nur um die Möglichkeit einer Grenzsperre. Diese Form des Einfuhrverbotes mit streng schutzzöllnerischem Charakter hat mit dem gegenwärtigen Getreidemonopol nichts zu tun.

Dieses überträgt als eigentliches Handelsmonopol dem Staate die ausschliessliche Befugnis zur Einfuhr und zum Handel mit Auslandgetreide und erstreckt sich auf jährliche Transaktionen von über 35,000 Wagen der genannten Ware.

Wir müssen nachdrücklich den tiefen Wesensunterschied hervorheben, der in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Beziehung zwischen dem Einfuhrmonopol für Backmehl und dem derzeitigen Getreidemonopol besteht. Das erstere hat nur die Bedeutung einer Einfuhrbeschränkung.

Da das neue Mehlmonopol der Eegel nach nur zu einem allfälligen Grenzschluss benutzt werden soll, würde sich durch ein viel einfacheres Mittel das gleiche Ziel erreichen lassen, nämlich durch das Verbot oder durch die Beschränkung der Einfuhr. Indessen wären neue Einfuhrverbote mit der von der Eidgenossenschaft gegenwärtig befolgten Zollpolitik nur schwer in Einklang zu bringen. Wir sind beim Abbau der Einfuhrbeschränkungen mit gutem Beispiel vorangegangen. Ihre auch nur ausnahmsweise Wiedereinführung erscheint daher nicht angezeigt.

Unsere Betrachtungen führen zu folgenden Schlüssen: Die Durchführung des nötigen Schutzes unseres einheimischen Müllereigewerbes dürfte am leichtesten durch die Erhebung eines Mehlzolles erfolgen, der hoch genug bemessen wäre, um die ausländische Konkurrenz in weitgehendem Masse auszuschalten. Der Zollzuschlag lässt sich vollkommen durch die Tatsache rechtfertigen, dass unsern Mühlen im Interesse des Landes Lasten aufgebürdet werden, welche die Auslandmühlen nicht zu tragen haben. Die Zollbelastung hätte den grossen Vorteil, die Errichtung eines dauernden Staatsmonopols unnötig zu machen. Obwohl nur von fiskalischer Bedeutung und tatsächlich als Einfuhrverbot wirkend, würde sich dieses Mehlmonopol wohl keiner Beliebtheit erfreuen. Seine Unentbehrlichkeit ist übrigens nicht nachgewiesen.

Wir möchten daher dieser Einfuhrbeschränkung die Belastung in Form eines Zollzuschlages neben der ordentlichen Mehlverzollung vorziehen. Die Höhe des Zollzuschlages würde je nach dem Stande
der Auslandkonkurrenz und den Bedürfnissen des schweizerischen Müllereigewerbes festgesetzt. Die eidgenössische Getreideverwaltung ist immer in der Lage, liber die innem Verhältnisse jede nötige Auskunft zu erteilen. Sie überwacht fortgesetzt die Preisbewegung für Backmehl und Brot und kann daher jederzeit über die Gestehungskosten des Backmehls in der einheimischen Mullerei Bericht erstatten. Dieser auch anderweitig, z. B. in Norwegen, erfolgreich angewendete Zollschutz erscheint so zweckdienlich, dass im neuen Verfassungsartikel die Befugnis zu seiner Durchführung vorgesehen w erden soll. Um aber dem Wunsche der schweizerischen Müllerschaft entgegenzukommen, möchten wir neben diesem Zollschutz als ordentliche Massnahme auch noch das von ihr bevorzugte

917 System der Übertragung des Einfuhrmonopols für ausländisches Backmehl an die Getreideverwaltung darin aufnehmen. Das Gesetz wird in dieser Frage das Nähere bestimmen.

Sollte der Schutz des Müllereigewerbes dennoch zu Missbrauch Anlass geben, so besitzt der Bund immer die Möglichkeit, den Mehlzoll oder die Mehleinfuhr so zu regeln, dass die Interessen des Konsumenten gewahrt bleiben.

5. Die Tragung der Frachten.

Unter der Herrschaft des Monopols besteht für sämtliche Getreidelieferungen des Bundes die Frankolieferung. Sämtliche Mühlen werden auf gleichen FUSS gesetzt. Grundsätzlich könnte die Frankolieferung auch bei der monopolfreien Lösung durchgeführt werden, wenn die von den Mühlen ausgelegten Frachtspesen ab Schweizergrenze rückerstattet würden. Die Frankolieferung hat den Zweck, sämtliche Mühlen ohne Eücksicht auf ihre Entfernung von der Schweizergrenze in bezug auf die Frachtkosten gleichzuhalten. Sie soll zum Ausgleich der verschiedenartigen Arbeitsverhältnisse dienen. Neben den Frachtspesen beeinflussen die örtlichen Betriebsbedingungen, die Arbeitslöhne, Steuern usw. in hohem Masse den Mahllohn. Dieser Einfluss der übrigen Faktoren erfolgt in vielen Fällen auch schon in ausgleichendem Sinne. Es ist hier wiederum darauf hinzuweisen, dass Industrie und Bevölkerung des Landesinnern Torteile allgemeiner Art gemessen, deren die Schweizer an der Grenze nicht in gleichem Masse teilhaftig sind. Eine bestimmte Anpassung der Frachtspesen ist dennoch wünschbar, um die im Landesinnern gelegenen Mühlen gegen die Konkurrenz der Grenzmühlen zu schlitzen. Es fragt sich indessen, ob der erstrebte Zweck nicht auf andere Weise als durch die volle Buckerstattung der Frachtspesen erreicht werden kann.

Eine solche Möglichkeit besteht darin, dass an Stelle der unter dem Monopol ausgerichteten vollen Bückvergutung eine teilweise Frachtrückerstattung tritt.

Dabei kann der im Landesinnern gelegenen Müllerei ausreichend Bechnung getragen werden. Die teilweise Frachtrückvergütung hat zudem den Vorteil, die Müllerei und den Getreidehandel zur möglichsten Verminderung der Frachtausgaben zu veranlassen. Es darf auch nicht übersehen werden, dass die vollständige staatliche Frankolieferung gelegentlich zu eigentümlichen Erscheinungen fuhrt. Mehl von Getreide, das durch die Getreideverwaltung franko ins Landesinnere
geliefert wurde, gelangte auf Kosten des Mullers wieder in die Grenzzonen zurück. Die Abschaffung der Frankolieferung wird alle Beteiligten dazu fuhren, unnutze Frachtkosten zu vermeiden; eine Beschränkung, die ihren wohltätigen Einfluss auf den Brotpreis hoffentlich nicht verfehlt.

Gegen das System der teilweisen Frachtrückvergütung ist der Vorwurf erhoben worden, dass dafür die Einrichtung eines kostspieligen Beamtenapparates erforderlich sei. Diese Befürchtung ist übertrieben. Auch die Alkoholverwal: tung vergütet für Kartoffelsendungen des Produzenten in die Städte und in die Gebirgsgegenden die Frachtspesen zurück. Die bisherigen Erfahrungen lassen er-

918 warten, dass die nämliche Massnahme beim Getreide ebenso reibungslos durchgeführt werden kann. Die Bundesbahnen wenden das Mittel der Frachtrùckerstattungen in so zahlreichen Fällen an, dass für die Durchführung ein besonderer Dienst geschaffen ist. Die Rückerstattungen aus dem Getreidetransport könnten durch die Vermittlung dieses Dienstes besorgt werden.

Angesichts der ungleichen Stellung, die sich für die einzelnen Mühlen aus der Verschiedenheit der örtlichen Betriebsbedingungen ohnehin ergibt, darf den Unterschieden in der Frachtbelastung nicht allzu grosse Bedeutung beigemessen werden. Die "Lösung des Frachtenproblems wird zudem dadurch erleichtert, dass der für die Getreidetransporte geltende Tarif gestaffelt ist, so dass die kilometrische Fracht mit der Zunahme der Entfernung sinkt.

Die Anwendung dieses Staffeltarifs wird die Vorzugsstellung der Mühlen in der Grenzzone einigermassen wieder wettmachen. Je nach Umständen kann dann der Bund eine teilweise Frachtrückerstattung ab Schweizergrenze hinzutreten lassen.

MUSS nun befürchtet werden, dass die Aufhebung des Monopols im Landesinnern eine Brotverteuerung nach sich ziehen könnte; ist zu erwarten, dass der Schutz des einheimischen Müllereigewerbes Missbräuchen rufen werde?

Zurzeit liefert die Monopolverwaltung das Getreide franko in alle Mühlen.

Die Mühlen im Landesinnern wie auch die an der Grenze zahlen für das Getreide den gleichen Preis. Wir haben oben dargelegt, wie die Anwendung eines Staffeltarifes und, wenn nötig, die Ausrichtung von Frachtbeiträgen unter der monopolfreien Ordnung den nötigen Ausgleich zur erforderlichen Beibehaltung des einheitlichen Preises schaffen werden. Die Neuordnung wird ferner die Beseitigung verschiedener Unzukömmlichkeiten gestatten, die mit der Frankolieferung verbunden sind.

Gegenwärtig richtet der Bund an den Mehltransport in Gebirgsgegenden Frachtbeiträge aus. Diese Massnahme muss beibehalten werden. Die Frachtrückvergütungen zugunsten unserer Bergbevölkerung erfolgen wie bisher durch die Getreideverwaltung. Das Verfahren lässt sich unter der monopolfreien Ordnung so gut durchführen wie heute.

Die ausserparlamentarische Kommission hat grundsätzlich das System der teilweisen Frachtrückerstattung empfohlen, dessen Kosten auf zwei Millionen Franken jährlich geschätzt werden. Der Bundesrat stimmt
dem Grundsatze zu und schlägt einen Verfassungstext vor, der dieser Lösung zur Grundlage dienen kann. Die angegebene Kostensumme ist offenbar zu hoch gegriffen, da die gesamten Transportkosten für Getreide im Landesinnern unter dem bisherigen Tarif jährlich rund sechs Millionen Franken betragen haben.

Wortlaut des Gegenvorschlages (Punkt 3).

Der Bund sorgt unter Wahrung der Interessen der Brot- und Mehlkonsumenten für die Erhaltung des einheimischen Müllereigewerbes. Zu diesem Zwecke kann er Einfuhrzölle auf ausländischem Backmehl erheben und sich das Recht vorbehalten, wenn die Umstände es verlangen, das Backmehl ein-

919 zuführen. Um die Lieïerungskosten zu ermässigen, kann ei den im Innern des Landes gelegenen Mühleu nötigenfalls besondere Erleichterungen gewähren.

Der Bund gewährt Frachtbeiträge für Mehllieferungen in Gebirgsgegenden.

6. Die Finanzierung der Brotversorgung des Landes.

Das Getreideproblem, d. h. das Problem der Brotversorgung des Landes in engster Verbindung mit dem Getreidebau, ist TOU so weittragender politischer und wirtschaftlicher Bedeutung, dass es die Geltung einer nationalen Frage gewonnen hat. Die Haltung eidgenössischer Getreidevorräte ist für unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit unentbehrlich und wird von der Sorge um unsere Landesverteidigung diktiert. Anderseits erweist sich die Beibehaltung und Förderung des einheimischen Getreidebaues als eine Aufgabe von hoher politischer und wirtschaftlicher Bedeutung. 100,000 grosse und kleine Bauernbetriebe sind unmittelbar daran beteiligt.

Ferner ist bekannt, dass in den weiten und fruchtbaren Ebenen der weniger dicht bevölkerten Länder, wo das Getreide im Grossen und mit Hilfe technischer Mittel gebaut wird, deren Anwendung in unsern bescheidenen Betrieben oft nicht möglich ist, die Kosten der Getreideproduktion niedriger sind als hei uns. Um den Anbau von Brotgetreide zu sichern, inüsste daher wohl oder übel ein höherer Brotpreis in Kauf genommen werden, weil das Brot teilweise aus Inlandmehl besteht, oder aber man müsste ein Mittel finden, dem schweizerischen Getreidebauer auf anderm Wege zu dem ihm unentbehrlichen Überpreis xu verhelfen. Das Getreicleproblem ist schon rein technisch sehr schwierig zu lösen. Nun heisst es noch eine Lösung finden, die alle Interessen mit den Bedürfnissen unserer Staatsfinanzen in Einklang bringt.

Unter der Herrschaft des Monopols nimmt der Bund die Ausgabe für die Mahlprämie zu seinen Lasten und unterstützt die Anwendung technisch verbesserter Anbau- und Ernteverfahren. Die jährliche Ausgabe hiefür beträgt etwa 4 Millionen Franken, die schon seit 1925 im ordentlichen Voranschlageingestellt werden. Es wird kaum möglich sein, die Bundeskasse künftig hievon zu entlasten.

Die übrigen durch die Haltung von Lagervorräten und die Unterstützung der Produzenten verursachten Kosten betragen: 1. Lagerungskosten für 80,000 t Getreide Fr. 1,800,000 2. Übernahme des Inlandgetreides: a. Überpreis, 6000 Wagen zu
Fr. 850 » 5,100,000 b. Übernahmskosten, Frachten, Zinsen usw., 6000 Wagen zu Fr. 265 » 1,590,000 3. Frachtbeiträge für Mehl in Gebirgsgegenden » 350,000 4. Frachtbeiträge zugunsten der Mühlen im Landesinnern (Höchstmass) » 1,500.000 5. Verwaltungskosten » 450,000 Zusammen

Fr. 10,790,000

920 Diese Kosten sind reichlich bemessen. Voraussichtlich werden die Gesamtausgaben mit Inbegriff der Mahlprämien kaum 13 Millionen überschreiten. Mit Kücksicht auf unsere Finanzlage und vor allem auf die dringende Notwendigkeit, die Tilgung der Staatsschuld zielbewusst durchzuführen, darf dem Bunde kein neues Opfer zugemutet werden. Die Bundeskasse wird die vier Millionen, die sie seit 1925 übernommen hat, auch weiterhin ausrichten.

Der Eest dagegen muss vom Brotkonsumenten getragen werden, wenn hiefür nicht eine neue Hilfsquelle gefunden wird.

Wir wollen nun die mehrfachen finanziellen Lösungen eine nach der andern prüfen. Vorerst untersuchen wir die verschiedenen Arten der Kostenüberwälzung auf den Konsumenten. Dann möchten wir eine Lösung in Vorschlag bringen, die den grossen Vorzug hat, den Brotkonsumenten von seiner Bürde zu entlasten.

7. Die Deckung der Kosten für die Getreideversorgung des Landes.

Das einfachste und billigste Mittel zur Deckung der Kosten ist unbestreitbar die Erhebung eines Zolles auf dem Auslandgetreide. Frankreich belastet heute den Weizen mit Fr. 35, d. h. Schw. Fr. 7, für 100 kg und den Eoggen mit Fr. 15; der deutsche Zoll beträgt EM. 5.50 (Schw. Fr. 6.25) auf Weizen und BoggenDer Zollansatz in Italien wurde auf 7. 50 Gold-Liren für Weizen und 4. 50 für Eoggen erhöht. Die Schweiz führt jährlich regelmässig 35,000 Wagen Ausland getreide ein. Eine durchschnittliche Belastung von Schw. Fr. 3 für 100 kg würde somit genügen, die von der Getreideverwaltung zur Förderung des Getreidebaues verausgabten 10 Millionen und die Kosten für die Haltung der Lagervorräte zu decken. Selbstverständlich hätte diese Belastung keineswegs schutzzöllnerische Bedeutung. Zu einem wirksamen Schutz des Schweizer Produzenten bedürfte es einer Erhöhung des Zolles auf mindestens Fr. 8, was aber ausgeschlossen ist, da eine beträchtliche Verteuerung des Brotes die Folge wäre. Die Belastung hätte also rein fiskalen Charakter. Aller Voraussicht nach würde die Massnahme auch keine Erhöhung des gegenwärtigen Brotpreises nach sich ziehen. Die für den Schutz des Getreidebaues und die Lagerkosten benötigten 10 Millionen sind heute mindestens teilweise im Verkaufspreis des an die Müller abgegebenen Getreides inbegriffen. Die Gewinne der Monopolverwaltung setzen dabei die auf den Konsumenten überwälzte
Kostensumme entsprechend herab. Die Getreideverwaltung wirtschaftet vorsichtig.

Wie aber eine Gewinnmöglichkeit vorhanden ist, so ist auch die Möglichkeit eines Verlustes nie ausgeschlossen. So darf man wohl sagen, dass die Anbauförderung und die beträchtlichen Kosten der Lagerhaltung grundsätzlich vom Konsumenten getragen werden, solange die Bundeskasse sie nicht bestreitet.

Die öffentliche Meinung der Schweiz hat sich stets gegen jede Zollerhöhung wegen ihrer allfälligen Eückwirkung auf die Lebenshaltung ablehnend verhalten. Zweifellos lässt sich einwenden, es handle sich hier um keine neue Belastung, sondern nur um eine Änderung in der Art der Kostenüberwälzung

921 lauf den Konsumenten. Trotz aller guten Gründe glauben wir jedoch nicht, «lass das Volk dieser Lösung zustimmen werde. Der gegenwärtige Getreidezoll könnte auch ohne Verfassungsrevision eine leichte Erhöhung erfahren, müsste aber den Vorbehalten des Art. 29 der Verfassung entsprechen. Die Zoll.erhöhung auf dem Getreide bildet demnach keine -wesentliche Massnahme .zur Deckung der Kosten.

Ein anderes Mittel zur Lösung des Problems ist der von den Müllern an-.

.'geregte Vorschlag.

Unter der Herrschaft des Monopols werden die erforderlichen 10 Millionen ·oder wenigstens ein Teil davon im Verkaufspreis des an die Mühlen gelieferten Getreides verrechnet. Der Kostenanteil jeder Mühle steht somit im VerJiältnis zur Menge des vermahleneii Brotgetreides. Die Müller verlangen, dass der Mühlenbetrieb unter der Monopolordnuug auch in Zukunft für die Ko·stenverteilung als Grundlage diene.

Der Vorschlag der Müllerschaft auf Einführung einer Mehlabgabe bildet eine höchst sinnreiche Anwendung dieses Grundsatzes. Das bisherige System ißchlägt die Unkosten auf den Verkaufspreis des Getreides. Der Vorschlag -der Müller möchte die Kosten in den Verkaufspreis für Backinehl verlegen.

Bei beiden Systemen bleibt die Kostenverteilung ohne besondere Bückwirkung, -da der in Frage kommende Betrag im Globalpreis der Ware verschwindet. Die Kosten bilden ja nur einen der verschiedenen Teilbeträge des Gestehungspreises.

Der Konsument, der sie indirekt zu zahlen hat, wird in beiden Fällen in genau 'gleichem Masse zur Tragung herangezogen. Es kann ihm also gleichgültig sein, ob die Erhöhung, wie unter dem Monopol, bereits am Getreidepreis oder ·erst nach der Vermahlung am Mehlpreis vorgenommen werde. Der Brotpreis bleibt sich gleich, ob der gleiche Betrag dem Getreidepreis oder dem Mehlpreis zugeschlagen wird. Da beide Systeme den Brotpreis in gleichem Masse -beeinflussen, ist die Wahl ihrer Anwendung für den Brotkonsumenten ohne Belang. Ihn würde einzig eine neue Belastung interessieren.

Sollen die 10 Millionen vom Brotkonsumenten getragen werden, so entspricht das von der Müllerschaft angeregte Verfahren durchaus den Anforderungen einer gerechten Verteilung der Lasten unserer Getreideversorgung.

Sie ist vielleicht nicht ganz leicht durchzuführen, bietet aber technisch keine -unüberwindlichen Schwierigkeiten. Die Abgabe
kann auf Grund des Mehlabsatzes berechnet werden. Die von der Monopolverwaltung schon heute -vorgesehene Betriebs- und Bücherkontrolle bietet zur Festsetzung der fälligen Zahlungen alle nötigen Anhaltspunkte.

Dagegen erscheint diese Lösung vom politischen Gesichtspunkt aus un'·dnrchführbar. In dieser Forni sieht die Kostenverteilung allzu fiskalisch aus «und kann leicht der Kritik rufen. Man wird darin sofort die Einführung einer Art von Mehlsteuer erblicken. Zweifellos liesse sich dieser Vorwurf leicht entkräften, da ja die Mehlabgabe dem Konsumenten keine schwerere Belastung abringt als das gegenwärtige Verfahren. Die Hauptsache dabei ist der zu zahlende Betrag und nicht die Art und Weise der Zahlung. Wird aber diese Erwägung, Bimdesblatt. 80. Jahrg. Bd. I.

63

$22 gegen die sich vernünftigerweise nichts einwenden lässt, dazu ausreichen^ die Abneigung des Volkes gegen jede Fiskalmassnahme zu beseitigen? Bassist die Frage. Im Munde der Gegner einer monopolfreien Lösung -wird dieMehlabgabe eben zur Mehlsteuer. Mit einer so gewichtigen Waffe lässt sich, leicht ein Feldzug organisieren und eine gefährliche Gegnerschaft ins Leben rufen. Sollte die Lösung der Finanzierungsfrage nach dieser. Eichtung hin.

gesucht werden, so möchten wir einem Verfahren den Vorzug geben, das sich der gegenwärtigen Ordnung besser annähert.

Unter der neuen Ordnung liefert die Monopolverwaltung nur noch das Inlandgetreide und die Ware der zur Auswechslung bestimmten Lagervorräte, also jährlich etwa 10,000 Wagen. Es wird infolgedessen nicht leicht sein, die 9 bis 10 Millionen auf eine derart beschränkte Getreidemenge zu verteilen..

Die daraus sieb ergebende Preiserhöhung kann auf etwa Fr. 10 für 100 kg angenommen werden. Der Müller hätte also das grösste Interesse, sich der lästigen Verpflichtung möglichst zu entziehen. Es lässt sich nicht leugnen, dass damit auch die Betrugsgefahr gegenüber dem derzeitigen System wächst.

Um die Gefahr des Missbrauchs einzuschränken, wäre es zweck* massiger, das Inlandgetreide und die zur Auswechslung bestimmten Lagervorräte zum Marktpreis abzusetzen. Die Kosten würden auf die Mühlen im Verhältnis ihrer Mahlausbeute verteilt, müssten aber einen besondern Forderungsposten bilden. Die jeder Mühle zugesandte Faktur würde in zwei Posten getrennt: erstens in den eigentlichen Verkaufspreis für das gelieferte Getreide und zweitens in den Anteil an den Unkesten. In Wirklichkeit ist diese Variante' nichts anderes als die vernunftgemässe Anwendung des heute schon befolgten Verfahrens. Vielleicht würde es weniger schwierig sein, hierfür die Zustimmung" des Volkes zu erhalten als für die Form der Mehlabgabe. Für den Konsumenten« haben beide Erhebungsarten die gleiche Bedeutung und auch die gleiche Tragweite. Für den sein Stimmrecht ausübenden Bürger kann allerdings die Veri schiedenheit der Form von Wichtigkeit sein.

Indessen bedeuten alle diese Vorschläge dochnur eine Kostenüberwälzungund bilden daher eine Belastung des Brotverbrauchs. Auch die sinnreichste Formulierung kann den Charakter einer missliebigen Fiskalmassnahme nicht verbergen.

Die nähere
Prüfung der von den Müllern angeregten Lösung hat uns zur Überzeugung gebracht, dass es sehr schwierig wäre, hiezu die Zustimmung des Volkes zu erhalten. In jeder Form wird diese Lösung auf unabwendbaren Widerstand stossen. Sowohl aus politischen als auch aus andern Gründen ist es besser, darauf zu verzichten.

Die Finanzierung ist einer der heikelsten Bestandteile, der schwierigste Punkt überhaupt des Getreideproblems. Unter der gegenwärtigen Ordnung gehen 4 Millionen Franken zu Lasten des eidgenössischen Voranschlages. Die 10' übrigen Millionen sind auf andere Weise aufzubringen. Heute trägt sie zum grössern Teil der Konsument. Wir haben die verschiedenen Arten der Kostenüberwälzung auf den Konsumenten alle geprüft : Getreidezoll, Erhöhung des Getreidepreises, Mehlabgabe. Alle belasten den Konsumenten aber in gleichem;

923 Masse und werden daher, gleichgültig in welcher Form, sich im Brotpreise auswirken. Die Müller haben ausgerechnet, dass die Kostendeckung durch die Mehlabgabe den Mahllohn um etwa 2% Eappen per kg erhöhen, d. h. das Brot um ebensoviel verteuern würde. Bei der Deckung der Kosten für die Unterstützung des Getreidebaues hat eine Preiserhöhung des von der Getreideverwaltung den Mühlen gelieferten Getreides oder auch ein Zoll auf dem Auslandgetreide die genau gleiche Rückwirkung. Mag die Art der Kostenüberwälzung in der Form mehr oder weniger offen erkennbar sein oder nicht, so läuft sie doch immer auf eine Abgabe hinaus, die den Konsumenten im Verhältnis zu seinem Brotverbrauch trifft, also besonders den kleinen Mann und vor allem die vielköpfige Familie. Diese Yerteilungsart i=;t nicht besonders glücklich zu nennen, weil sie dem Grundsatz der Billigkeit nicht entspricht. Es wird schwierig sein, sie in einer Demokratie, AVO die Entscheidung beim Volke liegt, zur Annahme zu bringen.

Für die wohlhabende Familie bedeutet das Brot freilich nur eine kaum spurbare Ausgabe. Sie ist aber für die Ernährung der wirtschaftlich schwächern Volksteile von wesentlich anderer Bedeutung. Die zum Schutz des einheimischen Getreidebaues erforderlichen beträchtlichen Kosten auf den Verbraucher im Verhältnis zu seinem Brotkonsum abzuwälzen, entspricht nicht einer gerechten Verteilung der Lasten. Dieses Verteilungssystem war während des Krieges und der unmittelbar darauffolgenden Krise durchaus annehmbar. Zu jener Zeit handelte es sich vor allem darum, Brot zu beschaffen, so teuer es auch zu stehen kam. Doch vor seiner dauernden Einführung ist es der Mühe wohl wert, dieses System einer genauen Prüfung zu unterziehen.

Die Brotversorgung des Landes sicherzustellen, ist eine nationale Notwendigkeit. Ebenso muss der Getreidebau tatkräftig geschützt und dem Produzenten ein angemessener Absatz gesichert werden. Dank der von der schweizerischen Bauernschaft gemachten Anstrengung können unsere Bedürfnisse an Getreide zu mindestens einem Viertel als gedeckt gelten. Die Unterstützungspolitik ist in zielbewusster Weise weiter zu verfolgen, damit sich dieses Verhältnis noch günstiger gestalte. Trotzdem bleiben wir selbstverständlich immer noch stark abhängig vom Ausland, wo wir noch heute über 2 /s unseres Brotverbrauches holen
müssen. Ist es aber billig, dass die jährlich zur Förderung des Getreidebaues nötigen 9 bis 10 Millionen Franken ausschliesslich dem Konsumenten auferlegt werden ? MUSS nicht der Arbeiter in den Städten und in den Gebirgsgegenden das Gewicht dieser Last allzusehr zu spüren bekommen? Die Gerechtigkeit verlangt, dass die staatlichen Abgaben auf die Steuerpflichtigen im Verhältnis zu ihrer Steuerkraft verteilt werden. Die allgemeine Steuerauflage entspricht der Gerechtigkeit nur, wenn sie so gestuft ist, dass jeder nach seinem Vermögen belastet wird. Es hält daher schwer, die Abwälzung der 10 Millionen in vollem Umfange auf den Brotkonsumenten im Verhältnis zu seinem Verbrauch als eine gerechte Lastenverteilung zu betrachten. Weshalb sollen dem Brotkonsumenten allein die Kosten für die Förderung des einheimischen Getreidebaues auferlegt werden ? Es muss ein Mittel gefunden werden, diese 10 Millionen auf

924 andere Art von den an der Verbrauchssteuer Beteiligten zu erheben. Die ausschliessliche Belastung des dem Müller oder Bäcker gelieferten Getreides oder Backmehls mit diesem hohen Betrag würde einer Belastung des jährlichen Getreideverbrauches (40,000 Wagen) mit Fr. 2 für 100 kg entsprechen. Um diese Belastung des Brotgetreides mit den 10 Millionen zu vermeiden, wäre es sicher richtiger, sie auf die Gesamtmenge der unsere Zollgrenzen überschreitenden Waren zu verteilen. Der Gesamtwarenverkehr über unsere Grenze erreicht j ährlich im Durchschnitt 120 Millionen Zentner. Um 10 Millionen zu erzielen, müsste das ausländische Brotgetreide mit Fr. 3 für 100 kg oder Fr. 300 für den Wagen belastet werden, während bei der Verteilung dieses Betrages auf die 120 Millionen Doppelzentner Waren 8 Bappen für den Zentner oder im Durchschnitt Fr. 8 für den Wagen genügen würden. Damit hätte nicht mehr der Brotkonsument allein die 10 Millionen zu tragen, sondern alle am Warenverkehr über die Grenze Beteiligten würden ihm helfend zur Seite stehsn.

Wie alle übrigen Staaten erhebt auch die Schweiz auf sämtlichen die Zollgrenzen überschreitenden Waren ausser den Zöllen noch eine statistische Zuschlagsgebühr. Andere Staaten erheben gleichzeitig mehrere solcher Zuschlagsgebühren (Kontroll-,Stempel-,Erlaubnis-,'statistischeGebühren). Die statistische Gebühr allein beträgt in Frankreich 0,90 franz. Franken und in Italien 0,30 Lire.

In der Schweiz wird diese Kontrollgebühr mit dem Namen «Statistische Gebühr» bezeichnet und ist einheitlich auf 2 Eappen für 100 kg, d. h. auf 20 Sappen die Tonne oder auf Fr. 2 für den Wagen zu 10 Tonnen festgesetzt.

Würde diese Gebühr von 2 auf 10 Eappen erhöht, so bliebe sie immer noch 50 % unter der Taxe, die Frankreich als statistische Gebühr erhebt. Wie erwähnt, bezieht Frankreich neben dieser auch noch andere Gebühren, die unserm schweizerischen Tarif unbekannt sind. Die Erhöhung unserer statistischen Gebühr im angegebenen Bahmen soll nun der Bundeskasse den Einnahmenzuschuss bringen, der ihr die Tragung der Kosten für die Getreideversorgung und die Anbauförderung ermöglicht. Es handelt sich dabei nicht um die Schaffung einer neuen Steuer, sondern nur um die Abänderung einer schon bestehenden Gebühr. Ebensowenig bedeutet die Ergänzung eine neue Fiskallast. Die 10 Millionen belasten
mindestens zu einem guten Teil bereits den Brotkonsumenten. Es liegt also nur eine andere Verteilung einer schon bestehenden Belastung vor.

In Zukunft werden alle für den Verbrauch, für Handel und Industrie und für die Ausfuhr bestimmten Waren eine etwas erhöhte statistische Gebühr zu zahlen haben. Die daraus für die Bundeskasse sich ergebende Mehreinnahmo verteilt sich auf die ganze gewaltige Warenmenge, die jährlich unsere Zollgrenzen überschreitet, also auf eine Menge, deren Gesamtgewicht 120,000,000 Meterzentner erreicht und deren Wert Fr. 5,500,000,000 übersteigt. Die erhöhte statistische Gebühr beträgt im Durchschnitt etwa Fr. l für 1000 kg und weniger als zwei Promille des Wertes. Die Erfahrung lässt die Annahme zu, dass ein Teil der statistischen Gebühr vom ausländischen Verkäufer getragen wird.

Der Best fällt auf den einheimischen Importeur und kommt zwischen Gross-

925 handel, Migras- und Detailhandel zur Verteilung. Rohstoffe von geringem Marktwert und in ganzen Wagenladungen werden nach verbilligtem Tarif behandelt. Ein Gesetzesentwurf und die dazugehörige Botschaft sollen die Art der Erhebung der statistischen Gebuhr, die in Art. 14 des Bundesgesetzes betreffend den schweizerischen Zolltarif von 1902 \ orgesehen ist, näher umschreiben und begründen.

Die von den Mullern vorgeschlagene Lösung stellt keine gerechte Kostenverteilung dar. Sie berührt den Wohlhabenden wenig, trifft aber um so schwerer die vielköpfige Familie in bescheidenen Verhältnissen. Die von uns vorgeschlagene Losung bringt in dieser Hinsicht eine Entlastung. So bescheiden sie auch sein mag, käme sie doch in einem gunstigen Augenblick, da im Jahre 1927 nach den Angaben der Statistik die Geburtenzahl in der Schweiz ihren tiefsten Stand seit 60 Jahren erreicht hat, während die Zahl der geschlossenen Ehen so ziemlich auf den Höchststand gelangt ist.

Diese Lösung ist fiskalisch richtiger und in sozialer Hinsicht gerechter als die ausschliessliche Belastung des Brotkonsumenten. Sie bedeutet eine Erleichterung vor allem für die vielköpfigen Familien. Nach den amtlichen statistischen Angaben betragen die Ausgaben für Brot in einer vierköpfigen Familie des Mittelstandes 13 Prozent der gesamten Haushaltungsausgaben. Das Verhältnis ist indessen veränderlich. Die Ausgabe sinkt bis auf 5 Prozent in den wohlhabenden Kreisen, steigt dagegen bei den zahlreichen Familien mit bescheidenem Einkommen bis auf 20 Prozent.

Es erscheint überflüssig, auf den grossen in der Einfachheit beruhenden Vorteil dieser Fi-kalmassnahme noch besonders hinzuweisen. Der Bezug der Gebuhr erfordert gar keine Personalvermehrung, kann also kostenlos erfolgen.

Im Vergleich zur Erhebung einer Abgabe auf Backmehl, wie sie die ausserparlanientarische Kommission vorschlug, wobei die Verteilung zwischen den 300 schweizerischen Mühlen auf Grund ihrer Mahlausbeute vorgenommen werden muss, springt die Einfachheit des angeregten Verfahrens ohne weiteres in die Augen. Das soll gewiss nicht heissen, dass die Erhebung einer Mehlabgabe oder die Verteilung der Kosten auf die Mühlen (und spätere Überwälzung auf den Konsumenten) etwa nicht möglich sei. Nur sind diese Massnahmen ziemlich verwickelt und mit allerhand Unannehmlichkeiten verbunden.
Die Lösung auf fiskalischem Wege vereinfacht das Getreideproblem in hohem Masse und wird die Beziehungen der Getreideverwaltung zu den Mühlen wesentlich erleichtern. Die Pflichten der Mühlen werden dadurch auf die Übernahme des Inlandgetreides zum Marktpreis und auf die Lagerhaltung eines Teils der Getreidevorräte und deren spätere Übernahme zum Zwecke der Auswechslung beschränkt.

Eine andere Erwägung ist ferner der Beachtung wert. Es lasst sich voraussehen, dass der Landwirt seinen Getreidebau dank der Sicherstellung, die durch die Verfassungsrevision dauernden Charakter erhalt, immer weiter ausdehnt. Infolgedessen werden die Ausrichtung der Mahlprämie und die Zahlung des Überpreises für das abgelieferte Inlandgetreide vermehrte Ausgaben

926 erfordern. Die Entwicklung des Getreidebaues, deren tatkräftige Förderung wir uns zum Ziel gesetzt haben, wird einer stets wachsenden Erhöhung der Beiträge an den Produzenten rufen. Das hätte aber auch eine gleichlaufende Erhöhung der Mehlabgabe Kur Folge. Es wäre unklug, zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten einen Gegensatz zu schaffen und den Bauer, dessen Interesse in der Ausdehnung des Getreidebaues liegt, auszuspielen gegen den Konsumenten, der das billigere, mit ausländischem Getreide hergestellte Brot vorziehen würde. Die von uns vorgeschlagene Lösung bringt diesen schlimmen Interessengegensatz zwischen einzelnen Volksgruppen z am Verschwinden und bewirkt eher ihre Annäherung.

Über die Abänderung des Art. 14 des Bundesgesetzes vom 10. Oktober 1902 werden wir den eidgenössischen Räten einen Bevisionsentwurf mit einer Botschaft gleichzeitig mit dem Entwurfe des Verfassungsartikels betreffend die Getreidefrage zukommen lassen. Selbstverständlich wird der abgeänderte Art. 14 des Gesetzes vom 10. Oktober 1902 erst mit dem Inkrafttreten der monopolfreien Ordnung zur Anwendung kommen.

Wortlaut des Gegenvorschlages (Kostendeckung).

Eine Erhöhung der statistischen Gebühr im Warenverkehr mit dem Auslande soll dazu beitragen, die ans der Getreideversorgung des Landes erwachsenden Ausgaben zu decken.

0. Vergleich zwischen dem Monopolsystem und der monopolfreien Lösung.

Es ist in einigen Kreisen gegenüber der monopolfreien Ordnung der Getreideversorgung die Befürchtung laut geworden, dass die Durchführung ernsthafte Schwierigkeiten biete. Sie sei viel verwickelter als das Monopolsystem, wird gesagt. Eine vergleichende Zusammenstellung beider Systeme in ihren Hauptpunkten kann in dieser Hinsicht aufklärend wirken und wird zeigen, dass die ausgesprochenen Befürchtungen mindestens stark übertrieben sind.

l. Das Inlandgetreide.

Die technische Hauptschwierigkeit in der Ordnung der Getreidefrage liegt beim Inlandgetreide. Für das Inlandgetreide aber und alles, was damit zusammenhängt (Getreideablieferung, Getreideabnahme, Mahlprämie, Anbauförderung), bleibt nach unserem Entwurf die bisherige Ordnung bestehen.

Die gesamte Ernte an Inlandgetreide wird, wie bisher, vom Bund zu. einem Preise übernommen, der auf den Anbau fördernd wirkt. Sie wird, ebenso wie die auszuwechselnden Lagervorräte des Bundes, den Handelsmühlen nach Massgabe ihres Gesamtumsatzes an Backmehl zugeteilt und zum Marktpreis abgegeben. Wir verweisen hierfür auf die ausführlichen Darstellungen auf Seite 908/910.

927

2. Das Auslandgetreide.

Zurzeit wird das Auslandgetreide vom Staat eingekauft. Die GetreideVerwaltung sorgt für die Einfuhr und die Verteilung an die Handelsmühlen.

Die neue Ordnung sieht die Freigabe der Getreideeinfuhr unter Vorbehalt »der notwendigen Aufsicht vor.

( Über das heutige Verfahren der Monopolverwaltung beim Einkauf des Getreides sei zur Abklärung der Lage eine Bemerkung angebracht. Die eidgenössische Getreideverwaltimg kauft das Auslandgetreide in den Produktionsländern nicht direkt ein. Sie bedient sich hierzu des Getreidehandels, und zwar beschafft sie die Ware fast immer durch die Vermittlung von Agenten Tind Vertretern. Diese Vermittlerrolle liegt in den Händen schweizerischer Firmen, die sich mit dem Getreidehandel befassen oder die das Getreidegeschäft kommissions- oder agenturweise besorgen. Von den zirka 40 Getreidehandels'firmen, mit denen die Monopolanstalt in geschäftlicher Verbindung steht, machen mit ziemlicher Eegelmissigkeit nur etwa 20 Firmen Abschlüsse, unter denen sich nur eine einzige Schweizerfirma befindet. Mit wenigen Ausnahmen haben die ausländischen Getreidehandelsfirmen, soweit sie nicht eigene Filialen in der Schweiz besitzen, einen Vertreter akkreditiert. Die Getreidehandelsiirmen, mit denen die Monopolverwaltung im Verkehr steht, haben in den Jahren 1925--1927 folgende Mengen geliefert: Wagen à 10 Tonnen

1. Firmen in den überseeischen Exportländern, die in der Schweiz eigene Niederlassungen besitzen '2. Firmen in den überseeischen Exportländern, die in der Schweiz durch Agenten vertreten sind '·3. Englische Getreidefirmen, die in der Schweiz durch Agenten vertreten sind 4. Kontinentale Getreidefirmen: a. die in der Schweiz durch Agenten vertreten i sind b. die direkt mit der Getreideverwaltung verkehren 5. Schweizerische Getreidefirmen

1925

1926

1927

12,821

18,121

16,487

5,308

7,246

7,669

4,649

6,747

7,732

6.442

4,258

5.182

493 4,659

631 1,429

1,852 2,808

34,372

38,432

41,730

Getreidehandelsfirmen und Getreideagenten sind heute in der Schweiz "weniger zahlreich als vor dem Kriege. Der Anteil der ausländischen Handelsrfirmen an der Vermittlung des von der Schweiz benotigten Brotgetreides da.gegen hat zugenommen. Diese Erscheinung offenbart keine begrussenswerte Entwicklung, und die Getreideverwaltung ist bemuht, sie zu verhindern. Sie ·verkehrt demnach nicht direkt mit den ausländischen Lieferfirmen. Wenn sie

928 es nicht tut, so bewegen sie dazu vor allem Bücksichten auf die Schweizerbürger,.

die sich bisher in diesem Geschäftszweig betätigt haben. Ihre Ausschaltung alsVertreter oder Agenten müsste sie brotlos machen. Es ist indessen klar, dassdieser Zustand nicht von Dauer sein kann.Die Entwicklung müsste bei endgültigerr Einrichtung des Monopols über die noch selbständigen Existenzen hinwegschreiten. Diese Wendung wäre sehr unerwünscht. An die Stelle unserer schweizerischen Handelshäuser die Tätigkeit ausländischer Grossfirmen treten zu lassen, kann nur durch die alleräusserste Notwendigkeit gerechtfertigt werden..

Unter ausserordentlichen Verhältnissen hat das Monopol als Vermittler zwischen den zumeist landfremden Grosshandelsfirmen und den einheimischen Mühlen, gedient, weil es dem Privathandel unmöglich war, Getreide einzuführen. Heute* sind die Umstände, die jene Vermittlung notwendig machten, zum Glück verschwunden. Der Privathandel ist wiederum in der Lage, das Land direkt mit Getreide zu versorgen. Die Zähigkeit, womit sich einzelne Firmen über dia ganze Zeit gehalten haben, Jässt erwarten, dass sie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen werden, sobald das Monopol gefallen ist.

Unter der monopolfreien Ordnung sind die einheimischen Mühlen weiterhin zur Übernahme des Inlandgetreides verpflichtet. Statt sich aber dasAuslandgetreide von der Monopolverwaltung zuteilen zu lassen, kann es der Müller inskünftig von dem ihm passenden Getreidehändler und in einem ihm zusagenden Zeitpunkt kaufen.

3. Die Beaufsichtigung.

Wie das Monopolsystem, so erfordert auch die monopolfreie Ordnung ein©' genügende Aufsicht zur Verhinderung von Missbräuchen bei der Ausrichtung der Mahlprämie. Wie bisher werden auch in Zukunft die Mühlen der Beauf^ sichtigung zu unterstellen sein.

Das Kontrollverfahren für die Einlagerung von Getreide in den Mühlen stützt sich zurzeit auf eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Getreideverwaltung und den Mühlenbesitzern. Die Getreideverwaltung behält sich, darin die Kontrolle der Lagerräume und Lagerbücher vor; die Führung einesLagerbuches ist obligatorisch. Die Getreideverwaltung hat jederzeit das Eecht, Fabrikations- und Buchkontrollen durchzuführen. Die Kontrolle über die Ver- ·· Wendung der eingelagerten Getreidesorten stützt sich in der Hauptsache auf den Inhalt der Bezugs-
und Lieferscheine. Die gegenwärtig durchgeführteBeaufsichtigung wird auch unter der monopolfreien Ordnung genügen. Di^ Mahlkontrolle bleibt dabei die Hauptsache. Die heute erfolgreich vorgenommenen Kontrollmassnahmen lassen unter der monopolfreien Ordnung die genaue Grundlage zur Ausrichtung der Mahlprämie ermitteln. Sie gewährleisten fernereine gerechte Verteilung des Inlandgetreides und der Kosten, die das Getreideamt vorschiesst.

Die Rückkehr zur freien Einfuhr wird neben der Beaufsichtigung dea Müllereigewerbes auch eine Aufsicht des Getreidehandels erfordern. Di& Getreideverwaltung wird dafür ihre bisher bewährte Methode und gleichzeitig

929' ihre wertvollen Erfahrungen verwenden können. Sie braucht ihre Tätigkeit nur auf die Importeure zu erstrecken, um jeden Missbrauch zu verunmöglichen.

Im weitern sind die Zollorgane in der Lage, bei der Beaufsichtigung der Einfuhr wesentlich mitzuwirken. Eine solche Beaufsichtigung in verschiedenen^ Gebieten unseres Handelsverkehrs findet schon jetzt statt, und die Beteiligten haben sich dem bezüglichen Verfahren angepasst. "Wir haben darüber anderorts berichtet. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass die Eingangszollämter sämtliche Eingänge an Brotgetreide im Auftrag der Getreideverwaltung kontrollieren können, ohne dass es deswegen nötig ist, das Zollpersonal um eine einzige Arbeitskraft zu vermehren.

Um bei der Ausrichtung der Mahlprämie jeden Missbrauch auszuschließen und für die gerechte Zuteilung des Inlandgetreides die notige Grundlage za schaffen, haben die Müller weiterhin über die Verwendung des bezogenen Brotgetreides Buch zu fuhren und über denUrsprung der verschiedenen Getreidesorten Auskunft zu geben. Die Verwaltung ist ermächtigt zur Vornahme periodischer Nachprüfungen. Unter der monopolfreien Ordnung wird somit die Beaufsichtigung nicht schwieriger und auch nicht beschwerlicher sein als bisher.

Die staatliche Verwaltung löst heute in verschiedenen Zweigen, insbesondere im Gebrauch unterschiedlicher Zollansätze, wesentlich schwierigere Aufgaben im Kontrollwesen, als sie die Beaufsichtigung des Getreidehandels mit sich bringt. Um die richtige Zollbelastung des ßohtabaks zu kontrollieren, müssen die Eingänge bis in die Fabriken hinein beaufsichtigt werden. Die Fabrikanten hatten zuerst eine sehr lebhafte Abneigung gegen diese Kontiollmassnahmen gezeigt. Mehrere Jahre Praxis haben die Beteiligten davon überzeugt, dass die Aufsicht wirksam ist, ohne Verdriesslichkeiten zu verursachen.

Beschwerden kommen äusserst selten vor. Sämtliche Fabrikanten haben sich damit gut abgefunden.

Für das Getreide sind die Koutrollmassnahmen viel einfacher als beim Tabak. Sie können ohne Schwierigkeiten vorgenommen werden. Man darf also erwarten, dass die zur richtigen Durchführung einer monopolfreien Lösung erforderliche Aufsicht ihr Ziel erreichen werde, ohne lästig zu fallen.

4. Die Kosten.

Auch mit Rücksicht auf die Kosten ist die monopolfreie Lösung für den Konsumenten nicht ungünstiger als
das Monopol. Beide Ordnungen bieten die gleichen Vorteile zugunsten des einheimischen Getreidebaues (Überpreis und Mahlprämie). Die Kosten für Haltung und Auswechslung der Lagervorrate sind ebenfalls bei beiden Systemen die gleichen. Die Frachten werden zurzeit von der Monopolverwaltung vorgeschossen. In Zukunft bezahlt sie der Getreidehändler unter Anrechnung von Frachtrückerstattungen an die Mulileii im Landesinnern. Der Privathandel wird sie auf Rechnung der Kundschaft übernehmen, während sie unter dem Monopol im Preis des an die Mühlen gelieferten Getreides verrechnet worden sind. Für den Konsumenten sind beide Systeme gleich, da die Rückwirkung auf den Brotpreis genau dieselbe bleibt.

930 Die staatliche Hilfe .zur Förderung der Anbautechnik bleibt unverändert bestehen. Endlich wird bei beiden Systemen die gleiche Summe als Frachtbeitrag an die Mehltransporte in Gebirgsgegenden ausgeworfen. Gleich sind ferner die Kosten für die Haltung und Auswechslung der Lagervorräte. Nach den Berechnungen der Monopolverwaltung lassen sich bei der monopolfreien Ordnung voraussichtlich durch Personalverminderungen die Verwalfcungskosten verringern.

Die Kosten sind also unter beiden Ordnungen ungefähr die gleichen.

Nur die Rückwirkung auf den Konsumenten ist dabei nicht ganz die gleiche.

Unter Abzug eines allfälligen Gewinnes werden zurzeit die Kosten des Überpreises für das Inlandgetreide, die Ausgaben für die Haltung und Auswechslung der Lagervorräte sowie die Verwaltungskosten in den Preis des ·an die Mühlen gelieferten Getreides eingerechnet. Durch den Müller und den Bäcker werden diese Ausgaben auf den Brotkonsumenten überwälzt. Die daraus sich ergebende Belastung darf auf etwa 2,5 Eappen für das kg Brot bemessen werden. Nach der vom Bundesrat vorgeschlagenen Ordnung wird der Konsument von allen diesen Kosten befreit, und diese werden gedeckt durch den 1 Gebührenbezug. Diese wesentliche Entlastung wird eine Herabsetzung des .Brotpreises herbeiführen.

5. Gegenüberstellung der Ordnung der Getreideversorgung unter dem Regime des Monopoles und bei monopolfreier Lösung.

Monopol.

1. Inlandgetreide.

a. Übernahme durch den Bund (Getreideverwaltung) ; &. Zuteilung an die Mühlen durch die staatliche Getreideverwaltung.

Monopolfreie

Lösung.

2. F ö r d e r u n g des Inlandgetreidebaues.

a. Bezahlung eines vom Bundesrat festgesetzten Mehrpreises durch den Bund; b. Staatliche Förderung der Technik des Getreidebaues.

1. Inlandgetreide.

a. Übernahme durch den Bund (Getreideverwaltung) ; 6. Zuteilung an die Mühlen durch die staatliche Getreideverwaltung2. F ö r d e r u n g des Inlandgetreidebaues.

a. Bezahlung eines vom Bundesrat festgesetzten Mehrpreises durch den Bur.d; i. Staatliche Förderung der Technik des Getreidebaues.

"3. Mahlprämie.

a. Bezahlung der Mahlprämie durch die Getreideverwaltung; b. Berücksichtigung der Gebirgsgegenden.

3. Mahlprämie.

a. Bezahlung der Mahlprämie durch die Getreideverwaltung; b. Berücksichtigung der GebirgSr gegenden.

931 Monopol.

4. G e t r e i d e v o r r ä t e .

a. Haltung durch den Bund; b. Lagerung in öffentlichen Lagerhäusern und in den Mühlen.

-5. G e t r e i d e e i n f u h r .

a. Brotgetreide allein durch den Bund:

6. Kleie und Futtermehl durch Private mit Bewilligung.

6. B r o t m e h l e i n f u h r .

Allein durch den Bund.

7. Schutz der Mullerei.

Mehleinfuhrmonopol.

8. Kontrolle.

Durch die Organe der staatlichen Getreideverwaltung.

9. Frachten.

a. Frankolieferung unter Einrechnung der Kosten in den Getreidepreis; b. Frachtbeiträge für Mehllieferungen in die Gebirgsgegenden.

10. K o s t e n d e c k u n g .

Mit Ausnahme von 4 Millionen, die vorn Bunde bezahlt werden, gehen samtliche Kosten für die Sicherstellung der Brotversorgung und Anbauforderungunter Abzug eines allfalligen Gewinns zu Lasten des Brotkonsumenten.

Monopolfreie

Lösung.

4. G e t r e i d e v o r r a t e .

a. Haltung durch den Bund; b. Lagerung in öffentlichen Lagerhäusern und in den Mühlen.

5. G e t r e i d e e i n f u h r .

a. Brotgetreide: 1. durch Private mit Verpflichtung der Mühlen zur Abnahme von Inlandgetreide und Lagergetreide, 2. durch den Bund (zur Lagerung); b. Kleie und Futtermehl durch Private.

6. Brotmehleinfuhr.

Zollzuschlag auf auslandisches Mehl. Wenn nötig Einfuhr durch den Bund.

7. Schutz der Mullerei.

Zollschutz oder Mehleinfuhrinonopol.

8. Kontrolle.

Durch die Organe der staatlichen Getreideverwaltung und der Zollverwaltung.

9. F r a c h t e n .

a. Frachtbeiträge für Iniportgetreide zur Ausgleichung der höhern Frachten, für die im Landesinnern gelegeneMüllerei ; b. Frachtbeiträge für Mehllieferungen in die Gebirgsgegenden.

10. K o s t e n d e c k u n g .

Insgesamt gedeckt durch Staatseinnahmen.

932

VII. Die Vorteile der monopolfreien Lösung.

Der Bundesrat braucht heute nicht mehr zu prüfen, welchem der beiden Versorgungssysteme der Vorzug zu geben ist. Das Volk hat sich gegen das.

Monopol ausgesprochen,und die Begierung ist daher verpflichtet, eine monopolfreie Lösung vorzulegen. Es fällt dem Bundesrat um so leichter, sich dem Volksentscheide zu fügen, als er, um die endgültige Verstaatlichung des Getreidehandels zu verhüten, schon im Jahre 1924 eine Lösung vorgesehlagen hatte, die das Monopol ausdrücklich ausschloss. Die Kommission des Nationalrates wollte diesem Vorschlage nicht zustimmen und zog ihm das Monopolsystem vor. Der Bundesrat schloss sich dieser Lösung an. Daraus darf nicht gefolgert werden, dass er nun die wirtschaftlichen Probleme nur auf dem Wege der Schaffung von Staatsmonopolen zu lösen suche. Seine Hauptsorge war und ist in dieser Frage, die Getreideversorgung des Landes und die Anbauförderung in möglichst praktischer und wirksamer Weise sicherzustellen.

Dabei sind ihm die Unzukömmlichkeiten und Gefahren wohlbekannt, die der Einmischung des Staates in die normalerweise der privaten Tätigkeit vorbehaltenen wirtschaftlichen Aufgaben anhaften.

Es kann nicht davon die Eede sein, in dieser kurzen, eine Sonderfrage behandelnden Botschaft nähere Betrachtungen über das so weitläufige und heikle Problem des Etatismus anzustellen. Wir müssen uns mit einigen allgemeinen Bemerkungen begnügen. Da der Etatismus eher eine Richtung als eine Lehre ist, wäre es sehr schwierig, ihn in Kürze zu umschreiben. Es genügt, daran zu erinnern, dass die Eegierung die Aufgabe hat, die Einheit und Eintracht in der Gesellschaft zu wahren. Ihre die sozialen Kräfte ausgleichende und zusammenfassende Eolle ist äusserst schwierig und ganz besonders aufreibend geworden. Man muss sich deshalb auch davor hüten, die Ausübung der politischen Macht dadurch zu erschweren, dass der Eegierung ohne Not wirtschaftliche Aufgaben aufgebürdet werden, die in einer zweckmässigen Gesellschaftsordnung der privaten Tätigkeit zu überlassen sind.

Der Hang unserer Demokratie, die Verantwortung für die Eückschläge und Erfolge des Wirtschaftslebens der Eegierung zuzuschieben, ist gefährlich. Er ist geeignet, zum Schaden der Begierungsgeschäfte Verwirrung zu stiften. Man sollte daher grundsätzlich zu vermeiden suchen, die
Handelsund Industrietätigkeit zugunsten des Staates zu monopolisieren. Notwendigkeiten höherer Ordnung erheischen von dieser allgemeinen Eegel verschiedene Ausnahmen. So können gewisse Tätigkeiten, die ausgesprochen öffentlichen Charakter haben, nicht ohne Schaden für die Allgemeinheit der Privatwirtschaft überlassen werden. Die Münzprägung, die Ausgabe von Banknoten und gewisse Transportunternehmen werden vom Staate geordnet und verwartet. Zum Schutze der Gesundheit des Volkes erscheint da und dort amtliche Einmischung unentbehrlich. Wir denken vor allem an die dem Handel mit Alkohol auferlegten Beschränkungen. Auch wird dem Staate das Eecht nicht aberkannt, zur Finanzierung seiner ureigensten Aufgaben die erforderlichen Einnahmen auf

933 -dem Wege des Fiskalmonopols zu beschaffen. Auf diesem Gebiete ist indessen ·erfahrungsgernäss die grösste Behutsamkeit am Platze. Des Arguments der Notwendigkeit darf man sich nur mit Vorsicht bedienen. Im Jahre 1917 gaben die vom Bundesrate mit dem Studium der Tabakfrage betrauten Sachverständigen folgender Meinung Ausdruck: «Aus den dargelegten Angaben und Aufstellungen geht hervor, dass W ir dem Tabak einen Ertrag von wenigstens 20 Millionen Franken abverlangen müssen. Nur die Monopolform vermag uns diesen Ertrag zu sichern. Weder eine Steuer im eigentlichen Sinn noch die Tabakeingangszölle noch ein auf den Einkauf der Eohstoffe beschränktes Teilmonopol können uns eine Summe von über 10 Millionen zur Stelle schaffen oder, wenn sie es könnten, so wäre es unter der Bedingung einer alle billigen und verständigen Grenzen übersteigenden Belastung des Verbrauchers.» Im Jahre 1920 liess der Bundesrat die von den Sachverständigen vorgesehene Lösung endgültig fallen und wandte sich entschlossen dem viel einfacheren Mittel der Zollbelastung zu. Dieses Verfahren erwies sich als wirksam, da der Beinertrag des Tabakzolls im Jahre 1927 den Betrag von 21 Millionen Franken überschritt : dabei genügte es, vier neue Beamte anzustellen und die vorhandenen Dienstzweige der Zollverwaltung zur Mitwirkung heranzuziehen. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass seit der Zeit, wo der Tabakzoll dem Fiskus 4 Millionen Franken eintrug, die Tabakdetailpreise nicht gestiegen sind.

Die Not außerordentlicher Zeiten gebietet, dass von der nach wie vor hochzuhaltenden Regel weitere, vorübergehende Ausnahmen gemacht werden.

Es ist aber lebhaft zu wünschen, dass alle Fesseln, die der freien Wirtschaft unter ausserordentliehen Umständen auferlegt werden müssen, in dem Masse beseitigt werden, wie die Verhältnisse ein normales Gepräge annehmen.

Schon sind dem Staat als Arbeitgeber Tausende von Beamten und Angestellten unterstellt, die das Heer der Lohnempfänger verstärken. Nur 20 vom Hundert der Einwohner sind in der Schweiz wirtschaftlich unabhängig: 80 vom Hundert sind Beamte. Angestellte und Arbeiter. Vermeiden wir es ·daher ängstlich, dieses bereits vorhandene zahlenmässige Missverhältnis noch ungünstiger zu gestalten. Die gegenwärtige Getreideordnung schafft eia Abhäigigkeitsverhältnis zwischen den als Vermittler
arbeitenden Getreidehändlern und der Monopolverwaltung einerseits, zwischen den Müllern, deren Gewinn von der Getreidestelle festgesetzt wird, und der Staatsverwaltung anderseits, wodurch die Masse der Festbesoldeten noch um die Gruppe der als Vermittler Arbeitenden vermehrt wird.

Eine Regierung, die auf jede unmittelbare Einmischung in die Wirtschaft verzichtet, vergròssert den Erfolg der amtlichen Massnahmen, womit dem Wirtschaftsleben im sozialen und wirtschaftlichen Interesse des Landes die Richtung gewiesen werden soll.

Neben diesen politischen Gründen gibt es solche wirtschaftlicher Art, die den Staat bestimmen sollten, seine unmittelbare Tätigkeit auf das Mindest-

«34 mass einzuschränken. Im letzten Kriege haben die von den Umständen aufgezwungenen Einmischungen, die amtliche Reglementierung, in die man sich fügen musste, und die damit verbundene Aufhebung des freien Wettbewerbes unser Wirtschaftsleben beeinträchtigt. Diese Verordnungen wurden aufs sorgfältigste vorbereitet und die Anwendung Sachverständigen anvertraut, deren Können und Hingebung alles Lob verdienen. Trotz dieses Höchstmasses an Vorsicht durften die Kaufleute grössern Gewinn aus der staatlichen Dazwischenkunft gezogen haben als die Verbraucher.

Starre Verordnungen tragen fast immer zur Verteuerung bei, weil dadurch Gross- und Kleinhändler in den Genuas einer hohen und unveränderlichen Verschleissspanne kommen und in Sicherheit gewiegt werden. Gewiss vermögen treffliche Organisation der Verwaltung und grosse Geschicklichkeit ihrer Leitung diese Wirkung zu mildern, doch wird es ihnen nie gelingen, die' üblen Folgen einer verminderten Schaffens- und Unternehmungslust vollständig zu vermeiden.

Wir schliessen diese allgemeinen Betrachtungen, indem wir noch die Bückwirkung des Getreidemonopols auf die Banktätigkeit würdigen. Der Handel umfasst die Gesamtheit der Kaufs-, Verkaufs-, Leih- und sonstigen Geschäfte eines Landes. Sobald einer dieser Handelszweige verstaatlicht wird, werden dadurch, vermöge ihrer gegenseitigen Verknüpfung, auch alle andern in Mitleidenschaft gezogen. Vor dem Kriege waren die aus dem Getreidehandel hervorgegangenen Dokumentartratten und Wechsel Gegenstand zahlreicher Geschäfte. Der durch den Importeur oder Müller in Verkehr gesetzte Getreidewechsel stellte den vollkommenen Typus eines kurzfristigen Handelswechsels dar. Die Nationalbank betrachtete ihn mit Recht als vortrefflichen Bestandteil der Notendeckung. Der Gesamtbetrag der damals ausgestellten und diskontierten Getreidewechsel wurde auf etwa 1/4 Milliarde Franken im Jahï geschätzt. Die Ausschaltung dieser sehr beachtenswerten Kreditgeschäfte und das Verschwinden der am Diskontomarkt und ganz besonders bei der Nationalbank sehr geschätzten Getreidewechsel wird bedauert.

Der Brotpreis.

Die monopolfreie Lösung bedeutet die Wiederkehr des freien Wettbewerbes unter Getreidehändlern und unter Müllern. Die Grosshändler werden wieder wie früher ihre Gewinne weniger im Verkauf zu hohen Preisen als in günstigen Einkäufen
suchen müssen. Die Konkurrenz wird sie zwingen, die Lieferungs-, Ablade- und Umladekosten auf das Mindestmass zu ermässigen. Für den privaten Getreidehandel ist es wichtig, aus den tiefsten Frachten Nutzen zu ziehen.

Der Getreidehandel ist bekannt durch die Grosse und Schärfe der Konkurrenz.

Die Gewinnspanne im freien Handel ist daher aufs äusserste verringert. Die Erfahrung zeigt, wie schwierig es ist, im Getreidehandel erfolgreich zu sein.

Grosse Gewandtheit und Findigkeit allein sind imstande, den bedeutenden Risiken des Faches die Stime zu bieten. Alle Gelegenheiten müssen ausge<-

935

späht, alle Bewegungen des Marktes genau verfolgt werden. Die Leute vom Fach versichern, dass der Einkauf ganz besonders heikel sei. Es scheint, da «s der Grosseinkauf nicht immer der billigste ist. Da der schweizerische Verbrauch kaum 2 % der Weltproduktion betragt, so bleiben unsere Xachfrageverhàltnisse ohne Einfluss auf den Weltmarktpreis. Zudem wird das Getreide an der Boi&e gehandelt, und für die borsenmässigen Bezüge gilt der Kurs, gleichgültig.

wie gross die Mengen sind. So bleiben denn auch die grossen Kaule der Monopolverwaltung ohne Wirkung auf die ausländischen Preise. Grosse Ankaufe unmittelbar beim Produzenten in ein und derselben Gegend befestigen dagegen oft die Preise. Die Kunst, günstig einzukaufen, besteht nach der Meinung der Praktiker häufig darin, dem Markte nur verhältnismäßig kleine Mengen zu entnehmen und zu versuchen, aus den billigen Frachtsätzen für zusätzliche Ladungen Nutzen zu ziehen. Der private Handel, der alle Schwankungen und Bedingungen des Marktes genau beobachtet, ist eher in der Lage, sich zu den gunstigsten Bedingungen einzudecken. Es ist unter diesen Umstanden schwer, den stets wachsamen und fortwährend unternehmungslustigen Privathandel mit Erfolg durch das unvermeidlich etwas starre Staatsmonopol zu ersetzen.

Wir halten ausserdem dafür, dass der freie Handel auch dem Verbraucher jederzeit und viel sicherer die billigsten Preise und günstigsten Bedingungen verbürge; denn der schweizerische Handel muss sich unter dem Drucke der Konkurrenz tagtäglich der Weltmarktlage anpassen, wogegen die Monopolverwaltung immer geneigt sein wird, ihren Verkaufspreisen die Bedingungen zugrunde zu legen, unter denen sie zuvor ihre Käufe besorgte und ihre Vorräte anlegte.

Die Geschäftshäuser mit grossen Warenbeständen müssen sich nach den Bedingungen des Weltmarktes und nach den Preisschwankungen richten. Der Privathandel kann sich für Verluste, denen selbst der tüchtigste Kaufmann ausgesetzt ist, nicht am Verbraucher erholen. Als Vermittler für Bechnung der Monopolverwaltung zu arbeiten, ist zweifellos viel sicherer und bequemer, für den Konsumenten aber wahrscheinlich weniger vorteilhaft.

Steht aber nicht zu befurchten, dass ein Privatmonopol unter der Herrschaft der neuen Ordnung an die Stelle des frühern Staatsmonopols trete und zum Nutzen einiger weniger das Spiel
der freien Kräfte ausschalte? So verständlich diese Befürchtung ist, so erscheint sie allen unbegründet, welche die Verhältnisse im Getreidehandel und in der Mullerei kennen. Die Bildung eines Getreidetrustes wurde bei uns auf ernsthafte Schwierigkeiten stossen.

und gelange es dennoch, so rnusste der Trust rasch unter der Konkurrenz der auslandischen Handelshäuser zusammenbrechen, die stets bereit sind, auf unserm Markte zu erscheinen, sobald ein Gewinn winkt. Einem auslandischen Trust gegenüber wäre anderseits das schweizerische Staatsmonopol ebenso machtlos als der freie Handel oder ein privater Trust. Die Gefahr eines Zusammenschlusses der schweizerischen Importeure ist daher gering. So schrieb der Landwirtschaftslehrer Dr. Wirz in seiner bekannten Abhandlung über die

'936 Getreideproduktion und Brotversorgung der Schweiz, «dass die schweizerischen Getreidehandelsfirmen weit davon entfernt waren, durch das Mittel der Bingbildung sich zu verständigen, um ihren Abnehmern die Preise zu diktieren. Sie hätten so etwas schon gar nicht tun können, ohne riskieren zu müssen, da^.s fremde Firmen ihnen die Geschäfte vorweggenommen hätten».

Der freie Handel wird auch einen gunstigen Einfluss auf die Entwicklung des Mehlpreises ausüben. Unter der Herrschaft des Monopols trachtete der Müller vor allem danach, eine hohe Entschädigung für die Vermahlung zu erhalten.

Künftig wird sich der Müller bei dem ihm passenden Händler eindecken; der Erfolg seiner Geschäftstätigkeit wird von seinen kaufmännischen Fähigkeiten und seinem Fleiss abhängen und nicht wie heute von seiner Geschicklichkeit, von der Getreideverwaltung einen möglichst hohen Mahllohn zu erhalten. Die freie Konkurrenz wird den Verantwortlichkeitssinn der Müller und aller andern in der Brotversorgung Tätigen schärfen.

Unter^der Herrschaft des Monopols wird der Mahllohn mit jeder Verändejung der Verkaufspreise der Getreideverwaltung neu festgesetzt. Die neuen Preise werden so bemessen, dass dem Müller ein steter Mahllohn bleibt, der je nach der Einrichtung der Mühle nur zwischen Fr. 5 und Fr. 5. 50 schwankt.

Die Müllerschaft beschwert sich heute, dass der Mahllohn ungenügend sei und sie demzufolge zu schlechten Geschäften verurteilt sei. Einzelne halten einen Mahllohn von Fr. 6 gegenwärtig für unerlässlich. Wie gross er vor dem Kriege war, ist heute sehr schwer festzustellen. Er war von Mühle zu Mühle verschieden giws. Nach eingezogenen Erkundigungen rechnete der Müller mit einem durchschnittlichen Mahllohn von Fr. 3 bis Fr. 3. 50. Der heute von der MonopolA erwaltung bezahlte Mahllohn stellt daher für die gut organisierten und geleiteten Mühlen eine reichliche und leicht verdiente Entschädigung dar.

Es ist auch nicht zu befürchten, dass die freie Konkurrenz der Müller durch die Schaffung eines Trustes auf Kosten der Verbraucher behindert werde. In unserer Mullerei liegen 'die Verhältnisse sowohl in kaufmännischer als auch technischer Hinsicht so, dass die Erfolgsaussichten für einen Trust ganz gering -i'jcl. Ausser auf die Schwierigkeit, in einem Wirtschaftszweige einen Trust zu bilden, wo die Verhältnisse so
verschiedenartig sind, ist auf die Tatsache hinzuv.-eisen. dass die organisierten Konsumenten in der Schweiz eigene grosse Mühlen besitzen, die einen bedeutenden Teil des schweizerischen Mehlbedarfes decken.

Wie die Konsumvereinsbewegung überhaupt, so verfolgen auch diese Mühlen nicht vorwiegend den Zweck, grosse Gewinne zu erzielen, sondern hauptsächlich die Preise zu ermässigen. Um dieses Ziel zu erreichen, begnügen sie sich damit, die Selbstkosten herauszuschlagen. Die Kückkehr zur freien Konkurrenz wird die Müller zwingen, nach und nach ihre Unkosten zu vermindern, überlebte Verfahren aufzugeben und die neueste Technik anzuwenden. Unter der Herrschaft der freien Konkurrenz werden Mahllohn und Spesen nach und nach den uniformen Charakter verlieren, den sie unter den gleichmacherischen Neigungen des Monopolbetriebes angenommen haben. Es steht daher zu hoffen, dass die Btckkehr zur vollen Freiheit auf den Mahllohn zurückwirke.

937 Auch die Verhältnisse in der Bäckerei werden durch die vermehrte freie Konkurrenz eine günstige Entwicklung für den Brotkonsumenten erfahren.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei der monopolfreien Getreideversorgung das ausländische Getreide durch Spezialisten gekauft wird, und zwar auf ihre Gefahr und nicht in Kommission. Die staatliche Frankolieferung an die Müller, die den Monopolbetrieb so schwer belastet, wird grundsätzlich ersetzt durch den Transport auf Kosten des Empfängers ; dieser wird sich infolgedessen anstrengen, die Spesen zu vermindern. Der Muller, der heute hauptsächlich vom Bestreben geleitet ist, von der Monopolverwaltung einen hohen Mahllohn zu erhalten, wird sein Getreide nach freier "Wahl beim billigst ' liefernden Händler kaufen. Sein Geschäftserfolg hängt dann nicht mehr allein von der ihm durch die Verwaltung zugesprochenen Getreidemenge und bewilligten Gewinnspanne ab, sondern auch von seinen kaufmännischen Fähigkeiten und seinem Fleiss. Die Eückkehr zur Handelsfreiheit wird die Arbeitsmethoden und Handelsgebräuche ändern. Die Aufhebung des Monopols durfte eine neue Lage schaffen, die einem Preisfall förderlich ist.

Das Brot ist heute in der Schweiz verhältnismässig teurer als in den Nachbarländern. Ohne verkennen zu wollen, dass daran auch viele Faktoren schuld sind, die mit dem Monopol nichts zu tun haben, wie bedeutende Transportkosten, hohe Arbeitslöhne, weitgehende Ansprüche der Konsumenten, Verzinsung der in der Müllerei und Bäckerei angelegten Kapitalien, so darf doch nicht unberücksichtigt bleiben, dass in allen Ländern, wo das Brot billiger ist, Getreidehandel und Müllerei sich voller Freiheit erfreuen.

Sind Getreidehandel und Mullerei wieder frei und der Konkurrenz unterworfen, so wird dadurch einer Brotpreisermässigung der Weg geebnet. Vergessen wir nicht, dass die Entlastung des Konsumenten von der Verpflichtung, die Kosten der Anbauförderung und der Lagerhaltung zu tragen, das in jedem bescheidenen Haushalt so wichtige Nahrungsmittel erheblich verbilligen dürfte.

VIII. Die Getreideversorgnng in Norwegen.

Die Getreidefrage hat in den letzten Jahren die Behörden und das Volk Norwegens stark beschäftigt. Die Ähnlichkeit in den Anbauverhältnissen der Schweiz und Norwegens ist gross. Die norwegische Landwirtschaft setzt sich aus kleinen Bauernbetrieben zusammen. Was sie an Getreide erzeugt, reicht hin, um das Land für vier Monate zu versorgen. Das Verhältnis ist etwas günstiger als bei uns, wo der inländische Getreidebau den Landesbedarf für etwa drei Monate deckt. Obgleich die Norweger mehr Roggen und wir mehr Weizen anbauen und die Mühlen bei uns zahlreicher sind, hat sich das Getreideproblem in Norwegen doch unter ähnlichen Bedingungen gestellt. Es ist denn auch lehrreich, sich über die in Norwegen ergriffenen Massnahmen und deren Ergebnisse zu erkundigen.

Bis zum Jahre 1914 scheinen sich die Behörden mit der Getreidefrage nicht befasst zu haben. Norwegen erzeugte in den Jahren 1910 bis 1920 jährlich Bundes blatt. 80. Jahrg. Bd. L 64

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durchschnittlich 14,000 Wagen Brotgetreide, wovon 9700 Wagen Gerste, während der Landesbedarf etwa 60,000 Wagen beträgt. Wie die Schweiz, so ist also auch Norwegen in der Getreideversorgung stark vom Auslande abhängig. Gleich nach Kriegsausbruch erwies sich denn auch die Brotversorgung als schwierig.

Schon im Jahre 1914 führte man das Getreidemonopol als vorübergehende Massiiahme ein. Das Getreidemonopol wurde in Norwegen ähnlich wie in der Schweiz organisiert. Die Einfuhr von Brotgetreide und Mehl war der Monopolverwaltung vorbehalten, die auch das vom Produzenten angebotene Inlandgetreide, freilich nur zum Weltmarktpreise, aufkaufte und dieses zusammen mit dem Auslandgetreide an die Mühlen abgab. Bis zum Jahre 1927 waren die Selbstversorger nicht begünstigt. Die Mahlprämie wurde erst später eingeführt. Dieses als vorübergehend gedachte Getreidemonopol blieb bis zum 30. Juni 1927 in Kraft.

Mit der Beendigung des Krieges setzte eine Bewegung für die Aufhebung des Monopols und seine Ersetzung durch eine monopolfreie Lösung ein. Die Bauern forderten die Einführung eines Überpreises für das zum Verkauf angebotene Getreide und einer Mahlprämie für Selbstversorger.

Am 25. Juni 1926 entschied sich das Storthing für ein monopolfreies System, das dem Staate die Verpflichtung auferlegte, das einheimische Brotgetreide (Eoggen, Weizen, Gerste) zu einem für 100 kg um 4 Kronen überhöhten Marktpreise zu übernehmen. Für Brotgetreide, das der norwegische Bauer zur Selbstversorgung baut, wird eine Mahlprämie von ebenfalls 4 Kronen für 100 kg Brotgetreide ausgerichtet. In der Auszahlung der Mahlprämie hat sich Norwegen unsere Erfahrungen zunutze gezogen. Die Zahl der Mahlkarten ist indessen merklich grösser als bei uns. Da Norwegen nicht, wie glücklicherweise die Schweiz, über starke landwirtschaftliche Genossenschaften verfügt, müssen die Gemeindebehörden den Verkehr zwischen der Zentralverwaltung und den Landwirten besorgen.

Die Einfuhr von Brotgetreide ist grundsätzlich frei, aber für den Importeur an die Verpflichtung geknüpft, eine gewisse Menge einheimischen Getreides zu beziehen, die in einem bestimmten Verhältnis zu dem von ihm eingeführten Getreide steht. Auf diese Weise stosst das Getreideamt das übernommene Inlandgetreide ab. Das einheimische Müllereigewerbe wird vor der ausländischen Konkurrenz
geschützt. Der Staat erhebt zu diesem Zweck einen Zoll von Kr. 5. 70 für 100 kg Weizenmehl. Diese Abgabe reichte hin, um die ausländische Mehleinfuhr stark einzuschränken. Die Erfahrung beweist die Wirksamkeit dieses Schutzes. Die norwegischen Mühlen sind übrigens gut eingerichtet und durchaus imstande, den ganzen Landesbedarf an Mehl zu decken. Um die im Landesinnern gelegenen Mühlen vor der Konkurrenz der Mühlen an der Küste zu schützen, zahlt der Staat Beiträge an die Prachtkosten des Mehles.

Die Mahlprämie, der Überpreis für das abgelieferte inländische Getreide und die Kosten des Mehltransportes werden durch einen Einfuhrzoll auf

939 ausländischem Mehl und Brotgetreide gedeckt. Der Zoll ist nach der Qualität und dem Werte des Getreides abgestuft. So sind für Weizen Kr. 3. 30 zu bezahlen, für Hafer dagegen Kr. 1. 80 und Weizenmehl Kr. 5. 70 für 100 kg.

Auf allen Getreidearten, auch auf Eoggen und Gerste, wird ausserdem ein Zollzuschlag von Kr. 1.10 für 100 kg erhoben, um daraus besonders die Kosten der Frachtrückvergütungen auf den Mehltransporten zu decken. Das Gesetz siebt noch Lagerhaltung durch den Staat vor und gestattet, die Müller zu verpflichten, einen Teil der Landesreserve bei sich einzulagern.

Das Monopol wurde am 1. Juli 1927 aufgehoben. Seither ist die monopolfreie Versorgung in Kraft. Nach unsero Erkundigungen an Ort und Stelle hat sie sich gut bewährt. Der Verkehr mit den Getreideimporteuren, der anfänglich noch einige Schwierigkeiten bot, wickelt sich heute reibungslos ab.

Von Bedeutung ist die Tatsache, dass der Brotpreis nach den Angaben der norwegischen Getreideverwaltung seit der Einführung der monopolfreien Lösung gesunken ist, trotzdem die gesamten Verwaltungs- und B^itragskosteu auf dem Wege über die Getreidezölle vom Brotkonsumenten getragen werden und diese Last seit Einführung der Mahlprämie im Jahre 1927 um 4 Millionen Kronen grösser geworden ist. Eine der wichtigsten Zeitungen Norwegens, Aftenposten, behauptete am 28. Februar dieses Jahres, dass die Aufhebung des Monopols das Brot trotz der festen Marktlage verbilligt und dadurch dem Lande eine Ersparnis von 18 Millionen Kronen eingetragen habe.

Die Überleitung des Monopols in das monopolfreie System vollzog sich ohne jede Schwierigkeit und erforderte nicht einmal Übergangsmassnahmen.

Die Vorräte der Monopolvervraltung konnten rasch an die Mühlen abgestossen werden.

Die Erfahrungen zeigen, dass das Monopol für Norwegen in dei; Kriegszeit notwendig war, dass es aber heute, wo die Handelsverhältnisse wieder normal geworden sind, entbehrlich geworden ist. Da es sich um ein Land handelt, wo die Versorgungsverhältnisse und die Bedürfnisse des inländischen Anbaues ähnlich sind wie bei uns, so lässt sich der Schluss ziehen, dass eine monopolfreie Lösung nach dem Muster Norwegens auch für die Schweiz vorteilhaft wäre.

Allerdings bedient sich das norwegische System einer Massnahme, die in der Schweiz kaum anwendbar wäre. Wir meinen die den Importeuren
auferlegte Verpflichtung, inländisches Getreide im Verhältnis zum ausländischen zu übernehmen. Je nach ihrer Anwendung könnte diese Bedingung einer Einfuhrbeschränkung gleichkommen. Nun ist aber die Schweiz an die Handelsverträge und die Genfer Konvention über die Vereinfachung der Zollformalitäten gebunden und darf keine Einfuhrbeschränkungen erlassen.

Wir schlagen daher vor, die Verpflichtung zum Ankauf des inländischen Getreides nicht den Getreidehändlern, sondern den Müllern aufzuerlegen. Die jeder Mühle zugeteilte Menge wird an der Mahlausbeute bemessen. Dieses" von den schweizerischen Müllern gebilligte Verfahren ist dem norwegischen vorzuziehen und dürfte ebenso gute Erfolge zeitigen. Die norwegische Müllerei

940 wird durch einen Einfuhrzoll auf dem ausländischen Mehl geschützt. Ein solcher Schutz dürfte auch bei uns genügen, das Müllereigewerbe vor der ausländischen Konkurrenz zu sichern. Dennoch ist vorgesehen, dass der Bund sich im Bedürfnisfall das alleinige Bechi vorbehalten kann, ausländisches Mehl zu importieren.

In manchen Kreisen befurchtet man bei uns nicht ohne Grund, dass die Freiheit, Getreide einzuführen, das Getreideamt der Unterschiebung aussetzt. In Norwegen wird eine Mahlprämie ausgerichtet und ein Überpreis für alles der Getreideverwaltung abgelieferte Getreide bezahlt. Dieses System wollen wir auch in der Schweiz einführen. Die Gefahr der Unterschiebung ist also in Norwegen ebenso wie bei uns vorhanden.

Wir haben es für zweckmässig gefunden, einen schweizerischen Inspektor nach Norwegen zu schicken, um an Ort und Stelle die Organisation und die Betriebsweise der dortigen Aufsicht zu untersuchen. Die unmittelbar von der Verwaltung erhaltenen Auskünfte haben uns davon überzeugt, dass es der norwegischen Begierung gelungen ist, die Unterschiebungen zu verhindern. Die Gefahr dürfte in der Schweiz grosser sein, weil wir mehr Weizen und weniger Boggen erzeugen. Und doch besitzt Norwegen nicht die prächtigen und stark ausgebauten landwirtschaftlichen Genossenschaften, die bei uns in der Schweiz die verständigen und regsamen Mitarbeiter der Getreideverwaltung in allen ihren Verrichtungen sind. Die Getreideverwaltung wird in Norwegen von der Zollverwaltung tatkräftig und umsichtig unterstützt. Die schweizerischen Zollämter sind zweifellos in der Lage, dieselben Dienste zu leisten. Unsere Zollverwaltung steht ganz auf der Höhe ihrer Aufgabe und ist durchaus in der Lage, mit Erfolg die heikelsten Aufgaben zu bewältigen. Auf diesem Gebiete werden wir so gut wie Norwegen der Schwierigkeiten Herr werden.

IX. Schlussbetrachtung.

Wie wir festgestellt haben, liefert die Initiative nicht die erforderliche verfassungsinassige Grundlage für die vollständige Verwirklichung der monopolfreien Lösung. In mehrfacher Hinsicht enthält sie grosse Lücken. Der Vorschlag des Bundesrates hat keinen andern Zweck, als diese Lücken auszufüllen, indem er den eidgenössischen Behörden die nötigen Befugnisse erteilt, um die Brotversorgung des Landes zu ordnen sowie den inländischen Anbau durch die Garantie lohnender Abnahme und die Mahlprämie wirksam zu schirmen.

Die Vorlage des Bundesrates ordnet alle wesentlichen Punkte. Sie umschreibt klar und deutlich die Pflichten und Bechte und sieht die zur Durchführung einer monopolfreien Getreideversorgung erforderlichen Befugnisse vor, wie namentlich : a. Verpflichtung der Müller, einen Teil der Bundesvorräte zu lagern; 6. Verpflichtung des Bundes, das inländische Getreide zu übernehmen und eine Mahlprämie auszurichten; c. Verpflichtung der Müller, das inländische und das Austausch-Getreide zu erwerben;

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d. Pestsetzung eines Schutzzolles auf dem ausländischen Mehl und, soweit nötig, Schaffung eines Mehlimportmonopols zugunsten des Bundes; e. Gewährung eines Bundesbeitrages an die Kosten des Mehltransportes in die Gebirgsgegenden und unter Umständen eines Beitrages an die Kosten des Getreidetransportes von der Grenze bis ins Landesinnere.

Die Botschaft setzt auch auseinander, wie der Bundesrat das Finanzproblem unter Entlastung des Konsumenten und ohne Belastung des Voranschlages zu lösen gedenkt.

Der Vorschlag des Bundesrates bezweckt, das Programm der Initiative zu verwirklichen. Es handelt sich also nicht um einen Gegenvorschlag, dessen Grundsätze denjenigen der Initiative widersprechen würden. Die gegenwärtige Getreideordnung dürfte sich anderseits ohne Mühe in die Lösung des Bundesrates überführen lassen. Diese ist geeignet, den inländischen Anbau wirksam zu schützen, das Erreichte zu sichern und gleichzeitig dem Lande und den Verbrauchern die Vorzüge des freien Handels zu verschaffen. Die vorgeschlagene Lösung versucht, versöhnlich zu sein; sie will Freunde und Gegner des Monopols zusammenfuhren. Es ist sehr zu wünschen, dass sie die Zustimmung aller der verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Gruppen erhalte. Wir hoffen, dass sie den Meinungsverschiedenheiten ein Ende setze. Haben nicht alle Mitbürger dasselbe Interesse am Gedeihen der Gesamtheit, an der öffentlichen Eintracht und am wirtschaftlichen Frieden? Wer von der Erhöhung der statistischen Gebühr betroffen wird, darf nicht übersehen, dass alle unsere Nachbarstaaten viel höhere Zölle und Nebengebühren erheben, wozu erst noch die drückende Umsatzsteuer tritt Der schweizerische Industrielle und Kaufmann wird einsehen, dass dem Landwirt ein deutliches Zeichen des Wohlwollens und der Anteilnahme gegeben werden muss. Anderseits ist es am Platze, den Brotkonsumenten zu entlasten, damit der bescheidene Haushalt und die grosse Familie eine spürbare Erleichterung erfahren. Der Vorschlag des Bundesrates ist der Ausdruck des wirtschaftlichen und sozialen Gemeinsinns. Eine nochmalige Ablehnung wie am 5. Dezember 1926 würde eine ganz besonders schwierige Sachlage schaffen. An die Möglichkeit einer erneuten Verlängerung des Monopols darf nicht gedacht werden. Sie würde der Verfassung und dem Volksentscheide deutlich widersprechen. Anderseits
würde die blosse Aufhebung des Monopols den Landesinteressen grossen Schaden zufügen. Die gegenwärtige Ordnung darf nur verschwinden, um einem neuen verfassungsmässigen Systeme Platz zu machen. Zweifellos wäre es genau genommen möglich, gewisse Teile des Problems durch eine zielbewusste Eevision der Zölle auf dem Getreide und dem ausländischen Mehl und besonders durch die Einführung von unterschiedlichen Zöllen zu lösen. Aber eine gründliche Untersuchung der Frage hat uns zur Überzeugung geführt, dass einzig die vom Bundesrat vorgeschlagene Teilrevision der Verfassung einer allseitig befriedigenden Brotversorgung die feste Grundlage verleihen kann.

942 Sehen wir uns die verschiedenen Seiten des grossen Getreideproblems genau an, so kommen wir zum Schlüsse, dass der Vorschlag der Initiative betreffend Aufnahme in die Bundesverfassung eines Art. 28bis über die Getreideversorgung des Landes zu verwerfen ist. Wir empfehlen Ihnen statt dessen, dem Gegenvorschlage des Bundesrates zuzustimmen.

Wir beehren uns daher, Ihnen zu beantragen, nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zu genehmigen.

Bern, den 2. April 1928.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schulthess.

Der Vizekanzler: Leimgruber.

'SéS (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

das Initiativbegehren um Aufnahme eines Art. 23bis in die Bundesverfassung (Getreideversorgung der Schweiz).

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t .

nachdem sie vom Initiativbegehren um Aufnahme eines Art. 23bls in die Bundesverfassung (Getreideversorgung der Schweiz) und vom Bericht des Bundesrates vom 2. April 1928 Kenntnis genommen hat, gestützt auf Art. 121 ff. der Bundesverfassung und Art. 8ff. des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Bevision der Bundesverfassung, b eschliesst: Art. 1.

Es werden der Abstimmung des Volkes und der Stande unterbreitet: 1. Der Verfassungsrevisionsentwurf der Initianten, der wie folgt lautet: «In die Bundesverfassung ist folgender Artikel 28bis aufzunehmen:

Art. 23bls.

Der Bund trifft M assnahmen zur Sicherstellung der Getreideversorgung des Landes und zur Förderung des inländischen Getreidebaues.

Er soll insbesondere a. selbst Vorräte an Getreide unterhalten oder für solche in anderweitiger Weise Vorsorge treffen; b. den inländischen Getreidebau sowie die Verwertung und Verarbeitung seiner Produkte durch hierzu geeignete Anordnungen und Massregeln erleichtern und fördern, namentlich den Produzenten guten, mahlfâhigen Inlandgetreides die Abnahme zu einem Preise sichern, der den Getreidebau im Inlande ermöglicht. Selbstversorger und Gebirgsgegenden sind in angemessener Weise zu berücksichtigen.

Die Ausführung vorstehender Grundsätze bleibt der Bundesgesetzgebung überlassen. Dabei darf jedoch ein ausschliessliches Eecht der Einfuhr von Getreide (Monopol), vorbehaltlich einer Zwangslage in Kriegszeiten, weder für den Bund noch für eine private Organisation geschaffen werden.»

944 2. Der Gegenentwurf der Bundesversammlung, der folgende Fassung hat : «In die Bundesverfassung ist folgender Art. 23bis aufzunehmen: Art. 28bis.

Zur Sicherung der Versorgung des Landes unterhält der Bund genügende Getreidevorräte. Er kann die Müller verpflichten, Getreide zu lagern und die Getreidevorräte zwecks Auswechslung zu übernehmen.

Der Bund fördert den Anbau von Brotgetreide im Inland und unterstützt die Selbstversorgung. Er übernimmt gutes, mahlfähiges Inlandgetreide zu einem Preis, der den Getreidebau im Inland ermöglicht. Die Müller können verpflichtet werden, das vom Bund erworbene Inlandgetreide auf Grundlage des Marktpreises zu übernehmen.

Der Bund sorgt unter Wahrung der Interessen der Brot- und Mehlkonsumenten für die Erhaltung des einheimischen Müllereigewerbesi Zu diesem Zwecke kann er Einfuhrzölle auf ausländischem Backmehl erheben und sich das Becht vorbehalten, wenn die Umstände es verlangen, das Backmehl einzuführen. Um die Lieferungskosten zu ermässigen, kann er den im Innern des Landes gelegenen Mühlen nötigenfalls besondere Erleichterungen gewähren.

Der Bund gewährt Frachtbeiträge für Mehllieferungen in Gebirgsgegenden.

Eine Erhöhung der statistischen Gebühr im Warenverkehr mit dem Auslande soll dazu beitragen, die aus der Getreideversorgung des Landes erwachsenden Ausgaben zu decken.» Art. 2.

Es wird Volk und Ständen beantragt, den Eevisionsentwurf der Initianten (Art.l, Ziff. 1) zu verwerfen, dagegen den Gegenentwurf der Bundesversammlung (Art. l, Ziff. 2) anzunehmen.

Art. 3.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

->H3S--

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Initiativbegehren für die Aufnahme eines Artikels 23bis in die Bundesverfassung betreffend die Getreideversorgung der Schweiz. (Vom 2. April 1928.)

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