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Bundesversammlung.

Die eidgenössischen Kammern sind am 3. Dezember 1928, vormittags lO1/^ Uhr, zur ersten Session der 28. Legislaturperiode zusammengetreten.

Im N a t i o n a l r a t eröffnete Herr Dr. Carl E i g e n m a n n , Ton Homburg, in Müllheim (Thurgau), geboren im Jahre 1849, als Alterspräsident die Sitzung mit einer Ansprache. (Wortlaut siehe nachstehend.)

Nach Vereidigung des Rats wurde der bisherige Vizepräsident, Herr Dr. H e i n r i c h Walther, von Sursee und Kriens, in Kriens, zum Präsidenten gewählt.

Am 5. Dezember 1928 wurde Herr Ernest Paul Graber, von La Chaux-de-Fonds und Langenbruck, in Neuenburg, zum Vizepräsid e n t e n gewählt und zu S t i m m e n z ä h l e r n die Herren: Emil Grünenf e l d e r , Lucien M e r c i e r , Paul M o r a r d , John Rochaix, August Schirmer, R u d o l f Streuli, R o b e r t Wirz (die bisherigen") und Ernst Otto Graf (neu).

Im S t ä n d e r a t eröffnete der abtretende Präsident, Herr Dr. Emile Savoy, die Session mit einer Ansprache. Nach Vereidigung der neuen Mitglieder bestellte der Rat sein Bureau wie folgt: P r ä s i d e n t : Herr Dr. Oskar Wettstein, von und in Zürich, bisher Vizepräsident ; V i z e p r ä s i d e n t : Herr A n t o n Messmer, von Thal, in St. Gallen; S t i m m e n z ä h l e r : Herren A n d r e a s Laely und A n t o n i o Riva, die bisherigen.

Ansprache des Herrn Dr. Eigenmann, Alterspräsident im Nationalrate,, bei Eröffnung der Sitzung am 3. Dezember 1928.

Geehrte Herren Nationalräte !

Wiedergewählte und neu in den Rat Eintretende !

Zum zweiten Male habe ich, als ältestes Mitglied Ihrer Behörde, die Ehre, die erste Sitzung einer Legislaturperiode, der 28. nämlich, zu eröffnen. Der Rang als ältestes Mitglied des Rates ist mir seit Beginn der 27. Legislaturperiode geblieben. So sehr ich die Ehre als Alterspräsident zu schätzen weiss und so sehr mich dieselbe freut, so vermag ich dabei ein gewisses Gefühl des Unbehagens nicht zu unterdrücken. Wenn es einmal um die achtziger Jahre herumgeht, so muss man punkto Lebensdauer mit verschiedenen Eventualitäten rechnen.

Meine Herren, die Erneuerungswahlen vom 28. Oktober letzthin haben dem Rate viele neue Mitglieder zugeführt; parteipolitisch wird indessen die Physiognomie desselben nicht wesentlich verändert, und man kann nicht sagen, dass sich die Stärke der Parteien verschoben hätte. Bei den Wahlen

1081 ging es indessen hart auf hart, und kaum je einmal haben die politischen Parteien so alle ihre Truppen mobil gemacht, um ihre Stärke zu behaupten und zu vermehren, wie bei den letzten Wahlen. Ob bei diesem Kampfe die frühere Prophezeiung: der Proporz werde die Wahlsitten verbessern, in Erfüllung gegangen, mögen Sie, meine Herren, entscheiden. Ich persönlich glaube es nicht. Eine Tatsache scheint mir aus den letzten Wahlen hervorzugehen, nämlich ein etwas besseres Zusammenhalten der bürgerlichen Elemente gegenüber früher.

Meine Herren, wenn wir die Entwicklung der Verhältnisse innert der drei letzten Jahre betrachten, so dürfen wir ziemlich ruhig in die Zukunft schauen. Die Nachwehen des fürchterlichen Krieges, die sich auch in unserem Lande recht nachteilig fühlbar machten, sind zum guten Teil verschwunden. Die Tilgung der Mobilisationskosten geht ihrem Ende entgegen, und die finanzielle Lage unseres Landes hat sich gebessert, dank der umsichtigen Bundesverwaltung. Wir sind aus dem Stadium der Defizite heraus. Die Staatsrechnungen beginnen, mit Einnahmeüberschüssen abzuschliessen. Das Budget pro 1929 weist einen mutmasslichen Vorschlag von zwei Millionen auf. Bei Fortdauer dieser Verhältnisse oder noch mehr bei Besserung derselben, dürfte es möglich sein, unsere Staatsschuld allmählich zu tilgen und so den Kredit des Landes zu heben und zu festigen.

Trotzdem wird der Grundsatz eines weisen und sparsamen Staatshaushaltes auch für die nächste Periode zur Geltung kommen müssen. Es sind ja noch viele Aufgaben zu lösen, die grosse finanzielle Opfer erfordern. So ist die Revision des Alkoholgesetzes, welche für das grosse Versicherungswerk die Mittel liefern soll, nicht gesichert. Auch wird die Durchführung des Tuberkulosengesetzes grosse finanzielle Mittel fordern, vielleicht grössere, als man angenommen hat. Es werden neue Begehren kommen. Bundeshilfe und Bundesunterstützung haben in neuerer Zeit einen epidemischen Charakter angenommen. Die Zuflucht zur Selbsthilfe scheint mehr und mehr zu erlahmen. Bei Prüfung solcher Begehren muss offenbar mit Vorsicht und Sorgfalt vorgegangen werden, wenn die Begehrlichkeit nicht ins Uferlose betrieben werden soll. Gewiss darf und soll der Bund seine Hilfe nicht versagen, da wo sie durch die wirkliche Not gefordert wird, aber Geld auszugeben, wo ein sichtlicher
Erfolg nicht zum vorneherein xu erwarten ist, hat keinen Sinn.

Wenn ich soeben von einem sparsamen Bundashaushalt gesprochen habe, so gestatten Sie mir, Herren Nationalräte, bei dieser Gelegenheit auch ein Wort über das Verhalten des Parlaments bzw. über den Parlamentsbetrieb in dieser Beziehung. Meines Erachtens kann dem Rate diesbezüglich nicht die erste Note erteilt werden. Im Volke draussen und auch in der Presse werden die langen Sessionen des Rates und die breiten Diskussionen in demselben oft und viel kritisiert und sicher nicht ganz mit Unrecht. Während früher Motionen, Interpellationen und Postulate zur Seltenheit gehörten, werden sie heute zum täglichen Ereignis und

1082 beanspruchen zu ihrer Begründung recht viel kostbare Zeit. Mit einer einfachen, persönlichen Anfrage beim zuständigen Departementschef könnte öfter der Zweck ebensogut oder noch besser erreicht werden. Freilich ergäbe sich so weniger Stoff für die Presse und auch die Motionäre und Interpellanten würden nicht in der Zeitung genannt. Die gehaltlosen Reden zum Fenster hinaus, wie sie namentlich vor den Wahlen üblich sind, würden vermindert. Auch bei den Kommissionen und Kommissionsreisen könnte Zeit- und Geldersparung stattfinden. Die Auslagen für den Parlamentsbetrieb betragen so um siebenmalhunderttausend Franken herum. Die Kritik über den Parlamentsbetrieb ist nicht neu, aber sie hat bis jetzt wenig gefruchtet, und wahrscheinlich hat auch meine Kritik kein besseres Los. Im weitern haben die langen Ratssessionen den Nachteil, dass sie manchem Bürger, der geschäftlich engagiert ist, den Eintritt ins Parlament verunmöglichen. Die Herren Sekretäre und auch die Fixbesoldeten sind in dieser Beziehung besser dran.

Meine Herren ! Das finanzielle Wohl eines Landes ist eine Notwendigkeit, und es zu pflegen und zu heben ist eine der wichtigen Staatspflichten. Zur Erreichung dieses Zieles muss aber auch die Erziehung desStaatsbürgers entsprechend eingestellt werden und müssen demselben die Tugenden der Einfachheit und Sparsamkeit möglichst beigebracht werden.

Der Hang zu Vergnügen und Lustbarkeit muss eingedämmt werden. Es.

kann nicht bestritten werden, dass in dieser Beziehung zu wenig geschieht und dass wir uns nicht ganz auf dem richtigen Wege befinden. Diesen Verhältnissen sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zum wahren Glück in der Familie und im Staate gehört vor allem der Friede und einträchtige Zusammenarbeit. Wo diese Faktoren zusammentreffen, ist gewohnlich auch die Grundlage für einen gewissen Wohlstand gegeben.

Meine Herren ! Dem Frieden und der Eintracht möchte ich bei heutiger Gelegenheit das Wort reden. Speziell dem Frieden und der Zusammenarbeit im Parlament. Bei Beobachtung dieser Faktoren wird auch die kommende Legislaturperiode dem Land und Volk zum Segen gereichen.

Dass das der Fall sei, ist mein innigster Wunsch, Gott gebe es, dass er erfüllt werde !

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 10. Dezember 1928.)

Die tschechoslowakische Gesandtschaft teilt den Rücktritt des HerrnRico Escher, Honorarkonsul der Tschechoslowakei in Zürich, mit. Mit der vorübergehenden Leitung des Konsulates ist Herr Konsul Ottokar Tichy betraut worden.

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