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Kreissclireitoen des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen über die Anlegung von Wasserrechtsverzeichnissen.

(Vom 17. September 1928.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Das Bundesgesetz vom 22. Dezember 1916 über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (WRG- 1916)*) bestimmt in seinen Artikeln 31 und 75 folgendes : ,,Art. 31. Die Kantone haben über die an den Gewässern bestehenden und für die Nutzbarmachung der Wasserkräfte in Betracht fallenden Rechte und Anlagen ein Verzeichnis zu führen.

Über die Einrichtung und Führung dieses Wasserrechtsverzeichnisses erlässt der Bundesrat die erforderlichen Vorschriften."

,,Art. 75. Innert einer vom Bundesrat festzusetzenden Frist haben die Kantone "die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen und das Wasserrechtsverzeichnis für ihr Gebiet anzulegen.

Sie können es auf dem Verordnungswege tun.

Die schon bestehenden Rechte sind durch ein Aufgebotsverfahren zu ermitteln, mit dem die Wirkung verbunden werden kann, dass nicht angemeldete Rechte untergehen oder als nicht bestehend vermutet werden."

Das Departement des Innern hat Sie seinerzeit durch ein Kreisschreiben vom 1. Oktober 1923 ersucht, uns Ihre Ansicht über die Einrichtung des Wasserrechtsverzeichnisses (W. V.) und insbesondere über die mit Ihrem eigenen Verzeichnis gemachten Erfahrungen mitzuteilen.

Einige Kantone haben bereits einen mehr oder weniger vollständigen Wasserrechtskataster; die meisten aber haben noch keinen. Die Einführung des W. V. oder die Verbesserung des bestehenden wurde aber zum Teil unterlassen in der Erwartung der eidgenössischen Vorschriften.

Nachdem wir nun die Angelegenheit der eidgenössischen Wasserwirtschaftskommission unterbreitet haben, möchten wir Ihnen heute über die Ausführung der Art. 31 und 75 des Bundesgesetzes folgendes mitteilen: *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. 33, S. 189.

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Wie wir bereits in unserer Botschaft vom 19. April 1912 zum WRGausgeführt haben und wie es auch die Bundesversammlung angenommen hat, soll ,,der Wasserrechtskataster eine Übersicht über die bestehenden Wasserrechte gewähren. Die Eintragung hat keinerlei rechtsbegründende Wirkung; die rochtsbegründende Funktion des Katasters würde sich weder mit der Art der Entstehung und des Unterganges, noch mit dem Grundbuche vertragen". Wir halten diese Ansicht, der sich auch die meisten Kantone in ihren Antworten auf das Kreisschreiben sowie die Wasserwirtschaftskommission angeschlossen haben, heute noch für richtig. Einerseits besteht für ein Register mit grundbuchlicher Wirkung kein Bedürfnis, da alle die Wasserrechte, die auf Verleihungen beruhen, keine privaten, im Verkehr stehenden Rechte sind, die der Besitzer rechtsgeschäftlich übertragen könnte ; anderseits, können Wasserrechtsverleihungen auf mehr als 30 Jahre nach ZGB Art. 943 und Art. 56 des SchlT, sowie Art. 59 des WRG 1916 als selbständige und dauernde Rechte ins Grundbuch aufgenommen werden, so dass ein zweites Register mit rechtsbegründender Wirkung nur eine Quelle von Widersprüchen und Umständlichkeiten wäre.

Das W. V. kann und soll also keinerlei r e c h t l i c h e W i r k u n g haben ; es soll die Benutzungsrechte nicht begründen, sondern nur, so wie sie sind, verzeichnen, um ein möglichst übersichtliches Bild des Standes der Ausnutzung unserer Gewässer zu geben.

Der Nutzen einer solchen Übersicht besteht weniger darin, Auskunft zu gewähren über die volkswirtschaftlich wichtigen Daten der schweizerischen Wasserwirtschaft, als über den Stand und die Art der A u s n u t z u n g j edes Gewässers. Es soll einen zuverlässigen Überblick darüber gewähien, wie w e i t und wie die natürliche Triebkraft der Gewässer bereits ausgenutzt wird. Ein solcher Überblick ist von grossem Nutzen, wenn technische oder rechtliche Massnahmen getroffen werden sollen, wie Korrektionen, Ordnung der Benutzung unter den Beteiligten (WRG 1916, Art. 32) und Verleihung neuer Rechte ; oder wenn man sich zu allgemeiner Orientierung, über die noch verfügbaren Wasserkräfte Rechenschaft geben will ; er ist wertvoll auch für die privaten Benutzer, die sich ein Bild von den andern Benutzungsrechteu verschaffen wollen. Das W. V. ist also nicht, wie das Grundbuch, die unentbehrliche
Grundlage des Rechtes am Gewässer oder eine zur Anwendung des WRG 1916 unentbehrliche Einrichtung, aber es ist für eine Behörde, die planmässige Wasserwirtschaft betreiben will, ein kaum zu entbehrendes Hilfsmittel.

Nach diesem Zweck ist der Inhalt des W. V. zu umschreiben ; es soll nicht Auskunft geben über alle volkswirtschaftlich bedeutsamen Tatsachen dés Betriebes und des geschäftlichen Unternehmens, noch über die technischen E i n z e l h e i t e n des Werkes; es kann auch nicht ein vollständiges Bild von den am Gewässer bestehenden sehr mannigfaltigen Rechtsverhältnissen geben, wozu ja auch andere als Kraftgewinnungsrechte

527 gehören (z. B. Fischerei- und Bewässerungsrechte). Es muss sich darauf beschränken, durch eine kurze Charakteristik der Werke ein leicht überblickbares Gesamtbild der ausgenützten (ausgebauten} und der noch ausnützbaren (ausbaubaren) Triebkraft jedes Gewässers zu bieten. Es darf sich aber eben deshalb auch nicht auf die Rechtsverhältnisse beschranken ; es muss auch unterrichten über die Benutzung, wie sie sich in den bestehenden Anlagen tatsächlich darstellt.

Als Richtlinien für die Anlage eines W. V. möchten wir folgende Grundsätze aufstellen.

Das W. V. soll grundsatzlich bestehen : I. aus einer S a m m l u n g der A k t e n a l l e r W e r k e , am besten derart, dass die Akten jedes Werkes in einem Heft (oder einer Mappe) vereinigt werden. Diese Aktensammlung bildet die Grundlage des W. V.

Jedes Aktenheft soll enthalten : a. bezüglich der B e n u t z u n g s r e c h t e die Angaben über die Art (Rechtstitel), Dauer, Inhalt und Umfang des Rechtes, insbesondere nach den örtlichen Grenzen der Benutzung, nach der Wassermenge und dem Gefalle, sowie über den Inhaber des Rechts. Alle diese Angaben werden sich meist aus der Verleihungsurkunde ergeben, die natürlich, mitsamt den spätem Änderungen, dem Hefte beizulegen ist. Es wird auch nutzlich sein, auf die Grundbuchblatter der yom Werk benützten Grundstücke zu verweisen ; b. bezüglich der A n l a g e n : die Angaben über Art und Lage der bestehenden Anlagen, über das ausgenützte Brutto- und Nettogefalle, die tatsachlich ausgenützten Wabsermengen, die Nettoleistungen an der Turbinenwelle und die Verwendung der Kraft. Die Angaben können (unter Vorbehalt der Bereinigung) der vom eidgenössischen Amte für Wasserwirtschaft auf den 1. Januar 1928 abgeschlossenen Wasserkraftstatistik entnommen "werden 5 wir empfehlen, dieses Werk zu benützen, da es gerade im Hinblick auf das W. V. durchgeführt .worden ist. Es steht den Kantonen frei, noch weitere Angaben zu verlangen.

Für Gewässerstrecken, wo die Werke dicht beieinander liegen, werden sich genauere Feststellungen als nötig erweisen (z. B. über die gegenseitige Berücksichtigung der Benutzer), denen hier nicht vorgegriffen werden soll. Die kantonale Verwaltung wird es auch nützlich finden, noch andere Angaben aufzunehmen, wie den Wasserzins und die zu seiner Berechnung nötigen Tatsachen; weitere
Konzessionsbedingungen, wie Unterhaltspflicht, Rückkauf und Heimfall, Wassergenossenschaften u. a. m.

Es wird sich empfehlen, die hauptsächlichsten Angaben für jedes Werk auf einem Merkblatt zusammenzustellen. Wenn die technischen Angaben dem jeweiligen Stand der Anlagen entsprechen sollen, müssen sie nachgeführt und dazu periodisch revidiert werden, d. h. es muss an Ort und

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Stelle mit Hilfe der Fixpunkte festgestellt werden, ob die Tatsachen den gegenwärtigen Angaben entsprechen oder ob das Benutzungsrecht überschritten worden ist. Auch das gehört zur ordentlichen Führung des W. V.

Die Aktensammlung ist systematisch zu ordnen nach Gewässern oder Bezirken oder nach einem andern zweckmässigen Gesichtspunkt; wenn keine besondern Gründe dagegen sprechen, möchten wir die Ordnung nach Gewässern, die sich auch in der Wasserkraftstatistik des eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft bewährt hat, empfehlen.

II. Auf Grund der Aktensammlung ist das K a t a s t e r b u c h (Wasserrechtskataster) anzulegen. Es ist die übersichtliche Zusammenstellung dieser Rechte in summarischer Umschreibung und hat nur die Bedeutung eines übersichtlichen Nachschlagewerkes, das den Gebrauch der Aktensammlung erleichtern und eine rasche Übersicht über das Ganze verschaffen soll.

Man kaan diesem Register zweckmässigerweise die Form eines Buches mit auswechselbaren Blättern oder einer Kartothek geben. Es kann selbst noch ergänzt werden durch Register z. B. der Namen der Werke in alphabetischer Folge, und besonders wird es sich empfehlen, es zu ergänzen durch Flusskarten, in welchen die Werke in mehr oder weniger grossem Massstab und mehr oder weniger ausführlich eingetragen werden; für dicht besetzte Strecken eines Gewässers werden genauere Spezialkarten nützlich sein.

Das W. V. erreicht seinen Zweck nur, wenn es vollständig und zuverlässig ist, d. h., wenn es alle Rechte und Anlagen wiedergibt und sie so wiedergibt, wie sie sind. Was die gegenwärtig bestehenden Anlagen betrifft, so liefert die erwähnte Statistik der Wasserkräfte der Schweiz eine wertvolle Vorarbeit; sie muss vielleicht noch da und dort durch Planaufnahmen, Messungen, Bezeichnungen und Fixpunkte an Ort und Stelle ergänzt werden. Über den Bestand der Benutzungsrechte dagegen, namentlich der älteren, kann nur eine Bereinigung vollständige Sicherheit verschaffen. Der eingangs erwähnte Art. 75 des WRG schreibt nun in der Tat vor, dass die bestehenden Rechte durch ein Aufgebotsverfahren zu ermitteln seien. Diese Bereinigung, wo sie noch nicht durchgeführt worden ist, wäre sehr nützlich 5 wenn sie sich aber auf alle die vielen kleineren und älteren Rechte erstrecken soll, ist es eine schwierige Arbeit, die nur durch geschulte Kräfte
bewältigt werden kann. Wir möchten sie daher nicht in diesem ganzen Umfange vorschreiben, sondern nur für die Anlagen, die an der Welle der Wassermotoren Nettoleistungen von mindestens 100 PS aufweisen. Diese Rechte machen zwar bloss einen Zehntel der Anzahl aller Werke aus, aber sie stellen mehr als 95 °/o der Gesamtleistung aller am I.Januar 1928 bestehenden oder im Bau begriffenen schweizerischen Wasserkraftanlagen dar.

529 Wir ersuchen Sie, vorderhand wenigstens die Rechtsverhältnisse dieser grösseren Anlagen zu bereinigen und das W. V. in diesem Umfange binnen fünf Jahren, d. h. bis Ende 1933, anzulegen. Für die übrigen Werke sollte das W. V. angelegt werden, soweit das vorhandene Material dazu ausreicht.

Im Anschluss an dieses Kreisschreiben wird Ihnen das Departement des Innern Ausführungen über die Einrichtung einiger bereits bestehender kantonaler Wasserreehtsverzeichnisse, sowie Tabellen zukommen lassen, die diesen Verzeichnissen zugrunde gelegt sind. Diese Materialien können als Beispiele für die Führung von Wasserrechtsverzeichnissen dienen, wobei aber unsere in diesem Kreisschreiben niedergelegten Ausführungen mitzuberücksichtigen sind, wo sie durch diese kantonalen Verzeichnisse nicht bereits erfüllt werden.

Das Amt für Wasserwirtschaft ist bereit, Ihren Amtsstellen mit sachkundigem Rate behilflich zu sein.

'S1 Wir benutzen auch diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns dem Machtschutze Gottes zu empfehlen.

B e r n , den 17. September 1928.

Im Kamen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schultkess.

Der Bundeskanzler : Kaeslin.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen über die Anlegung von Wasserrechtsverzeichnissen. (Vom 17. September 1928.)

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