Bericht über die Schattenwirtschaft # S T #

(Postulat Schmid 83.395 vom 16. März 1983)

vom 9. Juni 1987

l

Einleitung

In der wirtschaftspolitischen Diskussion wird das Thema der sogenannten Schattenwirtschaft seit einigen Jahren zunehmend beachtet. Das Interesse gilt dem Umfang und dem Wachstum der Schattenwirtschaft in ihren,verschiedenen Formen. Gefragt wird nach den Folgen der Schattenwirtschaft für die Volkswirtschaft allgemein und für die Haushalte der öffentlichen Hand und der Sozialversicherungen im besonderen. Man sucht die Ursachen hinter dem vermuteten Wachstum der Schattenwirtschaft und überlegt, ob es neben verschärften Strafbestimmungen noch andere geeignete Mittel zur Eindämmung dieser unerwünschten Erscheinung gibt.

Die Schattenwirtschaft tritt im Ausland unter einer Vielzahl ähnlich lautender Umschreibungen auf. So spricht man in Italien von der «economia sommersa», in England findet sich dieses Phänomen mit «underground, hidden, black» oder «irregulär economy» umschrieben, während Frankreich die Schattenwirtschaft unter den Begriffen der «economie informelle» oder «souterraine» kennt. In all diesen Ländern wird überdies - nach der Häufigkeit zu schliessen, mit der die Begriffe zusammen auftauchen - Schattenwirtschaft oft mit Schwarzarbeit gleichgesetzt. Diese Vielfalt von Begriffen macht deutlich, dass Schattenwirtschaft eine schillernde Erscheinung ist. Eine ausreichend klare Vorstellung darüber, was man unter Schattenwirtschaft zu verstehen hat, ist indes für die Analyse des Problems unabdingbar. Erst eine solche Begriffsbestimmung macht es möglich, verschiedene, an die Öffentlichkeit tretende Probleme dem Fragenkreis um die Schattenwirtschaft zuzuordnen, so dass dann gegebenenfalls in diesem weiteren Rahmen nach geeigneten Lösungsmöglichkeiten gesucht werden kann.

Nun ist die Schattenwirtschaft - wie schon ihr Name besagt - nicht direkt zu beobachten. Das macht sie zum Spielball von Vermutungen. Vieles beruht auf Einzelbeobachtungen, welche zum Teil in unzulässiger Weise für die ganze Wirtschaft verallgemeinert werden. Berichtet wird zum Beispiel im Fall der Steuerhinterziehung lediglich von den Verstössen gegen das Gesetz, nicht aber von den korrekt ausgefüllten Steuererklärungen. Der Stellenwert einer Auseinandersetzung mit der Schattenwirtschaft bleibt aber unklar, solange man über ihre quantitative Bedeutung nur Mutmassungen anstellen kann. Brauchbare Schätzungen helfen jedenfalls der
Versachlichung der Diskussion.

Neben dem Messproblem gibt es im Zusammenhang mit der Schattenwirtschaft auch ein Durchsetzungsproblem. Gewisse Erscheinungen in der Schattenwirt1987-297

50BundesbIatt.139.Jahrgang.Bd.il

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schaft lassen sich nur ungenügend mit allgemein wirkenden Massnahmen, wie etwa dem Erlass besserer Gesetze, bekämpfen. Oft wird man Massnahmen vorsehen müssen, die nur wirken, wenn im Einzelfall der Nachweis einer Betätigung in der Schattenwirtschaft geführt werden kann. Solche Massnahmen sind nicht nur aufwendig, sie gehen auch mit missliebigen Kontrollen einher, deren annehmbarer Umfang der Bekämpfung der Schattenwirtschaft Grenzen setzt.

Mit diesen einleitenden Feststellungen ist der Aufbau dieses Berichtes abgesteckt. Angesichts der unklaren Abgrenzung der Schattenwirtschaft sind im anschliessenden zweiten Abschnitt die Merkmale und Ursachen der Schattenwirtschaft zu beschrieben. Der dritte Abschnitt gilt der Messung der Schattenwirtschaft. Daran schliesst sich im vierten Abschnitt eine Betrachtung über die Folgen der Schattenwirtschaft für die Wirtschaftspolitik an, bevor im fünften Abschnitt ein Überblick über geeignete Massnahmen gegen diese, wie sich zeigen wird, unerwünschte Wirtschaftsform gegeben wird.

Jeder dieser Abschnitte hat dabei seinen Zweck. Im zweiten Abschnitt wird die gelegentlich verwendete weite Umschreibung der Schattenwirtschaft zugunsten einer Trennung in offizielle Wirtschaft, Schattenwirtschaft und Selbstversorgungswirtschaft verworfen. Diese Dreiteilung hat den klaren Vorteil, dass der Begriff der Schattenwirtschaft auf Staats-, wirtschafts- und gesellschaftspolitisch unerwünschte Erscheinungen beschränkt bleibt. Der dritte Abschnitt zeigt anhand der wenigen vorliegenden Studien die vermutete Dynamik der Schattenwirtschaft und benennt insbesondere jene Sektoren, in denen sie heute eine gewisse Bedeutung erlangt haben dürfte. Der vierte Abschnitt geht dann der Frage nach, in welchen Politikbereichen die Existenz einer Schattenwirtschaft wahrscheinlich Ursache von Problernen ist und wo eine ernsthafte Beeinträchtigung des staatlichen Handelns und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenordnung weniger zu erwarten ist. Der fünfte Abschnitt zeigt auf, dass vielleicht der Begriff der Schattenwirtschaft, nicht aber deren einzelne Erscheinungsformen, neu ist. Zwecks Bekämpfung dieser einzelnen Erscheinungen hat der Bund denn auch schon vielfältige Massnahmen ergriffen. Das dabei eingesetzte Instrumentarium beschränkt sich nicht auf Strafen und Kontrollen. Vielmehr
gibt es im Rahmen der allgemeinen Bundespolitik bereits heute vielfache Bestrebungen, die geeignet sind, der Schattenwirtschaft nach Möglichkeit ihre Grundlage zu entziehen.

Eigentlicher Auslöser des Postulates Schmid wie auch der Interpellation Villiger dürften die an der Universität Zürich mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds durchgeführten wissenschaftlichen Arbeiten gewesen sein. Der vorliegende Bericht stützt sich weiter auf Arbeiten Internationaler Organisationen ab und berücksichtigt weitere Quellen. ')

') Erwähnt seien etwa die folgenden Publikationen: Hannelore Weck-Hannemann, Werner W. Pommerehne, Bruno S. Frey: «Die heimliche Wirtschaft - Struktur und Entwicklung der Schattenwirtschaft in der Schweiz», Haupt-Verlag, Bern 1986 Organisation de coopération,et de développement économique (OCDE): L'économie

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2

Merkmale und Ursachen der Schattenwirtschaft

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Abgrenzung der Schattenwirtschaft

Oberbegriff Die Messung der Schattenwirtschaft setzt einen Bezugspunkt voraus. Es muss feststehen, was gewissermassen als Wirtschaft an der «Sonne» anzusehen ist.

Oft trifft man in diesem Zusammenhang auf das Sozialprodukt als Referenzgrösse. Als Schattenwirtschaft werden demgegenüber jene wirtschaftlichen Aktivitäten angesehen, die an und für sich gemäss gängiger Konvention in der Nationalen Buchhaltung erfasst werden sollten, es aber nicht sind.

Diese gebräuchliche Definition der Schattenwirtschaft ist unserer Auffassung nach zu wenig genau gefasst, da sie der begrenzten Aussagekraft der Nationalen Buchhaltung nicht Rechnung trägt. Zwar tritt die Nationale Buchhaltung nicht mit dem Anspruch auf, die gesamten, in einer Volkswirtschaft erbrachten Leistungen zu messen. In weiten Kreisen wird sie aber genau in diesem Sinn, nämlich als Wohlstandsmass, aufgefasst. Es wird nicht beachtet, dass die Nationale Buchhaltung die in einer Volkswirtschaft erbrachten Leistungen nur soweit zu erfassen vermag, als sie direkt oder indirekt mit beobachtbaren Marktvorgängen verbunden sind. Dieser Unterschied zwischen vermeintlichem Messziel und Messinhalt.führt dazu, dass im Fall der gebräuchlichen Definition der Begriff der Schattenwirtschaft unklar bleibt. Stellt man auf das vermeintliche Messziel der Nationalen Buchhaltung ab, gelangt man zu einer weiten Umschreibung der Schattenwirtschaft, in der auch die nicht auf Märkten gehandelten Leistungen der sogenannten Selbstversorgungswirtschaft Eingang finden.

Stellt man auf den heutigen Inhalt der Nationalen Buchhaltung ab, gelangt man zu einer engen Umschreibung der Schattenwirtschaft, die man verkürzt mit «verheimlichte Marktvorgänge» umschreiben könnte.

Diese Ambivalenz des Begriffes der Schattenwirtschaft mag manchmal sogar willkommen sein, kann man sich in der öffentlichen Diskussion doch den Umstand zu Nutze manchen, dass im Fall der weiten Umschreibung der Schattenwirtschaft die gesellschaftliche Wertung anders ausfällt als im Fall der hier vertretenen engen Umschreibung.

Ausgangspunkt für die nachstehenden Überlegungen sind die in einer Volkswirtschaft erstellten Leistungen schlechthin. Dabei wird fürs erste nicht unterschieden, ob sie von den privaten Haushalten im Zusammenhang mit der Verwendung ihres Einkommens oder von den Unternehmen im Rahmen des Produktionsprozesses erbracht werden. Belanglos ist ebenfalls, ob es sich um sozial erwünschte oder unerwünschte, legale oder illegale Aktivitäten handelt. Die

souterraine dans le cadre des comptes nationaux, Paris, 21. Mai 1981, mimeo, diffusion restreinte Wolf Schäfer (Hrsg.): Schattenökonomie - theoretische Grundlagen, wirtschaftspolitische Konsequenzen, Göttingen, 1984 Vito Tanzi: The Underground Economy in thè United States. Annual Estimâtes 1930-1980, IMF-Staff-Papers, Vol. 30, N° 2, June 1983 «Basler Zeitung»: Die verborgene Wirtschaft, Artikelserie 18. Dez. 1984-15. Jan. 1985

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Summe dieser wirtschaftlichen Tätigkeiten wird den Sektoren offizielle Wirtschaft, Schattenwirtschaft und Selbstversorgungswirtschaft zugewiesen (vgl.

Diagramm).

Bevor auf die Segmente im einzelnen eingetreten wird, soll auf drei in diesem Schaubild enthaltene Aussagen;hingewiesen werden: - Die Überschneidungen der einzelnen Segmente bringen zum Ausdruck, dass der Übergang vom einen zum andern Bereich fliessend ist und eine scharfe Abgrenzung nicht besteht; : ' : ;, - Die Pfeile zeigen Verlagerungen zwischen den drei Bereichen an. Mit Bezug auf die Beurteilung der Schattenwirtschaft ist die Tatsache wichtig, dass es sich nicht nur um Auslagerungen in eine Richtung handelt, auch wenn diese Vorstellung angesichts des verbreiteten Eindrucks einer ; wachsenden Schattenwirtschaft vorherrschen mag; : - Eine Auslagerung von Tätigkeiten aus der offiziellen Wirtschaft braucht nicht notwendigerweise mit einem Anwachsen der Schattenwirtschaft einherzugehen. Mindestens so oft kommt es zu Verschiebungen zwischen offizieller Wirtschaft und Selbstversorgungswirtschaft.

Die Abgrenzung der einzelnen Bereiche Das zentrale Instrument zur Umschreibung der offiziellen Wirtschaft ist die Nationale Buchhaltung, in welcher die einzelnen volkswirtschaftlichen Güter- und Einkommensströme zur Darstellung gebracht werden. Die UNO und die OECD haben Grundsätze für die Nationale Buchhaltung erarbeitet, die zum überwiegenden Teil auch in der Schweiz Anwendung finden. Eine zentrale Grosse in der Nationalen Buchhaltung ist das Sozialprodukt. Nach heutiger Definition ist das Sozialprodukt im wesentlichen Ausdruck für die von Unternehmen und öffentlicher Hand während eines Jahres erstellten Güter und erbrachten Dienstleistungen. Da die von den privaten Haushalten erbrachten Leistungen nicht zuverlässig zu messen sind, weil sie zu keinen Marktvorgängen führen und somit keine Marktpreise beobachtet werden können,! sind sie mit wenigen Ausnahmen nicht Bestandteil des Sozialproduktes. So finden beispielsweise die Leistungen der Hausangestellten in Form der bezahlten Löhne, nicht aber die Leistungen der Hausfrauen/-männer Eingang in das Sozialprodukt.

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Die Leistungen der HausfrauenAmänner machen einen grossen Teil des als Selbstversorgungswirtschaft bezeichneten Bereiches der Wirtschaft aus. Ebenfalls zu diesem Bereich gehören Do-it-yourself-Leistungen (exkl. eingekaufte Materialien und Werkzeuge), die Nachbarhilfe, im Milizsystem erbrachte Leistungen in Armee, Vereinen und Behörden. In diesem Bereich sind somit die von Haushalten und Organisationen ohne Erwerbscharakter erbrachten Leistungen zusammengefasst. Über das Ausmass der Selbstversorgungswirtschaft gibt es keine Statistiken. Amerikanischen Schätzungen zufolge dürfte sie in ihrer Bedeutung die Schattenwirtschaft bei weitem übertreffen und mit für die USA angenommenen rund 50-75 Prozent des gemessenen Sozialproduktes einen oft unterschätzten Wirtschaftssektor darstellen. Überträgt man die Ergebnisse einer deutschen Untersuchung auf die Schweiz, kommt man allein für den Bereich des Do-it-yourself auf eine Leistung von rund 75000 Mannjahren. 2 ' Diese Zahl fällt in die gleiche Grössenordnung wie die Schätzungen zur Schwarzarbeit.

Die Schattenwirtschaft schließlich umfasst all jene Tätigkeiten, welche nach geltender Konvention in der Nationalen Buchhaltung erfasst sein sollten, aber sich dort nicht als Leistungen und Einkommen niederschlagen. Zur Schattenwirtschaft zählen deshalb die mit dem Zweck der Einkommenserzielung erbrachten Leistungen, deren Marktwert gegenüber Staat und Gesellschaft verheimlicht wird. Gelegentlich werden zwei Gruppen von Aktivitäten in der Schattenwirtschaft auseinandergehalten, nämlich den Behörden gegenüber nicht deklarierte Einkommen aus Tätigkeiten, die sich insofern ausserhalb der Legalität bewegen, als daran anknüpfende Abgabepflichten oder bei deren Ausführung zu beachtende Vorschriften verletzt werden. In die andere Gruppe fallen jene Tätigkeiten, die an sich illegal sind, wie etwa der Menschenschmuggel, die Drogenproduktion und der Drogenhandel. Anders als im Fall solch kriminellen Verhaltens wird im Fall von Betätigungen, die in die erste Gruppe fallen, deren illegale Natur leider immer wieder herabgespielt. Dass auch sie volkswirtschaftlich und sozial unerwünscht sind, ist jedoch nicht zu bezweifeln. Sie führen dazu, dass Steuern und Abgaben von einem immer kleineren Teil der Bevölkerung erbracht werden müssen, so dass sich die vom Gesetzgeber angestrebte
Verteilung der Steuerlast immer weniger mit der effektiven deckt. Im Fall der Missachtung von Vorschriften kommen immer weniger Personen in den vom Gesetzgeber im Interesse der Allgemeinheit beabsichtigten Schutz.

Abgrenzungsprobleme Wie das Schaubild es zum Ausdruck bringt, handelt es sich bei der offiziellen Wirtschaft, der Schattenwirtschaft und der Selbstversorgungswirtschaft nicht um scharf abgegrenzte Sektoren. Vielmehr dürften im Zeitablauf die unterschiedlichsten Aktivitäten vom einen Sektor in den andern übergehen, so dass sie sich auch nicht unbedingt klar zuordnen lassen. Die nachstehenden Beispiele haben exemplarischen Charakter und dienen dazu, diese Beziehungen zu veranschaulichen.

2

* Kendrick. J. W.: Expanding Imputed Values in thè National Income and Produci Accounts, Review of Income and Wealth, Vol. 25 (1979), S. 349-363 Untersuchung des Institutes für Freizeitwirtschaft in München, zitiert nach Stiftung Warentest, «profi».

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Die Übergangszone zwischen Schattenwirtschaft und offizieller Wirtschaft, entsteht vorab wegen messtechnischen Problemen. Nachdem die Definition der Schattenwirtschaft direkt Bezug auf die heutige Definition des Sozialproduktes nimmt, gäbe es zumindest auf dem Papier keine Abgrenzungsprobleme. Typische Phänomene der Schattenwirtschaft wie die Schwarzarbeit und die Steuerhinterziehung finden aber möglicherweise dennoch Eingang in die Nationale Buchhaltung und sind somit in den offiziellen Sozialproduktstatistiken enthalten. Das Bundesamt für Statistik stützt sich beispielsweise bei der Ermittlung des Volkseinkommens - dem Gegenstück zum Sozialprodukt - bei den Arbeitnehmereinkommen auf die AHV-Lohnstatistik ab, weil diese übers Ganze gesehen die beste verfügbare Quelle für die Arbeitnehmereinkommen ist. Dies hat aber zur Folge, dass in jenen Fällen, in denen Einkommen in der Steuererklärung nicht deklariert, jedoch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an die AHV entrichtet werden, diese Einkommen von der Nationalen Buchhaltung zum Volkseinkommen bzw. Sozialprodukt geschlagen werden. 3> Andere Länder wie die USA nehmen wegen der Schattenwirtschaft in der Nationalen Buchhaltung sogar offen Korrekturen vor, so dass die ausgewiesenen Sozialproduktzahlen auch Teile der Schattenwirtschaft abdecken.

Zwischen. Selbstversorgungswirtschaft und Schattenwirtschaft gibt es ebenfalls ausgeprägte Abgrenzungsprobleme: Wo hört beispielsweise die Nachbarhilfe auf und wo beginnt die Schattenwirtschaft? Beim Automechaniker, der am Sonntag seinem Nachbarn aus der Patsche hilft und aus Gefälligkeit dessen Panne behebt, fällt die Antwort noch leicht. Wie verhält es sich jedoch; wenn derselbe Automechaniker systematisch Servicearbeiten an den Autos von Bekannten durchführt - vielleicht unter Zuhilfenahme von SpezialWerkzeugen seines Arbeitgebers -, und diese Arbeiten zum Teil unentgeltlich, zum Teil gegen indirekte oder direkte Naturalleistungen oder gegen Geld erbringt? Im letztgenannten Fall würde man zugunsten der Schattenwirtschaft entscheiden. Dazwischen aber liegt eine Grauzone, für die es viele weitere Beispiele gibt.

Dieser Grenzbereich ist noch unter einem weiteren Gesichtspunkt von1 Interesse: Gelten die typischen Erscheinungsformen der Schattenwirtschaft wie die Schwarzarbeit, die Steuerhinterziehung und alle
kriminellen Aktivitäten klar als unerwünscht, ist auf der andern Seite ebenso unbestritten, dass typische Segmente der Selbstversorgungswirtschaft wie die Nachbarhilfe und die Mitarbeit in Behörden aus gesellschafts- und staatspolitischer Sicht höchst erwünscht sind. Sie sollten vom Staat sicher nicht behindert, sondern eher gefördert werden. Ebenso ist unbestritten, dass der Solidarität, dem Gemeinschaftsgefühl, der Befriedigung über selber erbrachte Leistungen ein hoher Eigenwert zukommt.

Ausserhalb des Arbeitsprozesses erbrachte Leistungen können mit Bezug auf diese nicht pekuniären Werte für den Einzelnen und für die Gemeinschaft mehr hergeben als bezahlte Arbeitsleistungen. Die Bekämpfung der Schattenwirt-

3

> Dies macht deutlich, dass zwischen dem gewählten Begriff der Schattenwirtschaft und dem Begriff der Steuerhinterziehung nur bedingt Deckungsgleichheit besteht.

Analoges gilt bei anderen Erscheinungsformen der Schattenwirtschaft. Wie wir später zeigen werden, berücksichtigen die gängigen Messkonzepte für die Schattenwirtschaft diesen Gesichtspunkt leider nicht.

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schaft stösst deshalb dort an Grenzen, wo erwünschte Aktivitäten in der Selbstversorgungswirtschaft mitbetroffen werden. Im Rahmen eines i Abwägens von Kosten und Nutzen müsste man wahrscheinlich zum Schluss kommen, dass es nicht anginge, zwecks Bekämpfung der Schattenwirtschaft den Verkauf von Baumaterialien in Do-it-yourself-Geschäften zu verbieten.

Für die Beachtung jener Vorgänge, welche sich im Übergang zwischen offizieller Wirtschaft und Selbstversorgungswirtschaft abspielen, spricht die Bedeutung dieser beiden Bereiche und die Gefahr einer Überzeichnung der Schattenwirtschaft. Wie die OECD beispielsweise in einem kürzlich veröffentlichten Bericht zum schweizerischen Arbeitsmarkt festgestellt hat, ist der schweizerische Arbeitsmarkt durch grosse Flexibilität gekennzeichnet. Diese äussert sich weniger in überdurchschnittlichen Lohnbewegungen, welche Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung bringen würden, als vielmehr in mehr oder weniger freiwilligen Rückzügen vom Arbeitsmarkt, die bei verbesserter Beschäftigungslage dann teilweise wieder rückgängig gemacht werden. Liesse man Bewegungen zwischen offizieller und Selbstversorgungswirtschaft ausser acht und würde man diese Verlagerungen einzig als Wechselbeziehung zwischen offizieller Wirtschaft und Schattenwirtschaft sehen, ergäbe sich mit Sicherheit ein falsches Bild.

Mit diesen arbeitsmarktlichèn Aspekten hat die Verlagerung jedoch nicht ihr Bewenden. Es ist davon auszugehen, dass es beim Rückzug von verheirateten Doppelverdienern zur Auslagerung weiterer Tätigkeiten in die Selbstversorgungswirtschaft kommt, indem Leistungen wie Kochen und Reinigung wieder vermehrt im Haushaltbereich erbracht und nicht über den Markt bezogen werden. Analoges dürfte bei einem Wechsel von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitarbeit geschehen. Umgekehrt dürfte der in vielen Ländern (die Schweiz ausgenommen) in den letzten 15 Jahren beobachtete Anstieg der Erwerbsquote der Frauen das Gewicht der offiziellen Wirtschaft zulasten der Selbstversorgungswirtschaft vergrössert haben. Die Kombination «Mikrowellenkochherd und Fertigmenus» ist nur ein Beispiel dafür, wie früher im Haushaltbereich erbrachte Wertschöpfungen nun vom Markt bereitgestellt werden., Zur These von der Nützlichkeit der Schattenwirtschaft Bewusst ist in den vorangegangenen Ausführungen der Bogen weiter
gespannt worden, als es das Thema der Schattenwirtschaft auf den ersten Blick nahelegen würde. Ginge es lediglich darum sozial unerwünschte, dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufende Aktivitäten zu orten, so wäre eine Beschränkung auf die alleinige Beschreibung der Schattenwirtschaft in der hier verwendeten engen Umschreibung angezeigt gewesen. Vorteilhafterweise hätte man dann die Probleme auf der nächst tieferen Ebene - Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Schmuggel usw. - angehen müssen. Wählt man auf der andern Seite als Ausgangspunkt das Sozialprodukt und möchte man wissen, wieweit es ein Indikator für die gesamte wirtschaftliche Aktivität eines Landes ist, so führt die Zweiteilung offizielle Wirtschaft - Schattenwirtschaft angesichts der dann nötigen, überdehnten Begriffsbestimmung zu falschen Vorstellungen. Wie1 gesehen lassen sich Bewegungen auf dem Arbeitsmarkt in der Schweiz nur unzureichend erklären, wenn man ausschliesslich in den Kategorien Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Schattenwirtschaft denkt.

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Der Einbezug der Selbstversorgungswirtschaft als eigenständigem Bereich wirft nun ein etwas anderes Licht auf die immer wieder vorgetragene These, wonach die Schattenwirtschaft ausgleichend für den verkrusteten offiziellen Sektor wirke und der Volkswirtschaft wieder die nötige Flexibilität verleihe. Gerade am Beispiel des Rückzuges vom Arbeitsmarkt in die Selbstversorgungswirtschaft wird deutlich, dass die behaupteten günstigen Wirkungen vor allem vom letztgenannten Sektor ausgehen. Als Feld für eine individuell gestaltete Betätigung, aber auch als Konjunkturpuffer, ist die Selbstversorgungswirtschaft sehr viel bedeutender als die Schattenwirtschaft. Auch übt angesichts der vermuteten Grössenordnungen die Konkurrenz zwischen offizieller Wirtschaft und Selbstversorgungswirtschaft einen weit stärkeren Zwang in Richtung effizienter Leistungserstellung im offiziellen Sektor aus als es die Schattenwirtschaft tun kann.

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Gründe für die Verlagerung von Aktivitäten

Bei der Beurteilung der Schattenwirtschaft aus wirtschaftspolitischer Sicht stehen verständlicherweise ökonomische Überlegungen im Vordergrund. Die Frage lautet, welche Faktoren veranlassen die Menschen, ihre Tätigkeit in einem bestimmten Bereich auszuüben oder in einen andern Bereich zu verlagern? Bis zu einem gewissen Grad wird bei dieser Betrachtungsweise eine Wahlfreiheit der Menschen unterstellt, d. h. es wird angenommen, dass das Anbieten von Arbeit in der offiziellen bzw. Schattenwirtschaft oder das Verbleiben in der Selbstversorgungswirtschaft auf Freiwilligkeit beruht. Im Fall des, rezessionsbedingten Rückzuges vom Arbeitsmarkt zeigen sich selbstverständlich auch die Grenzen dieser Betrachtungsweise. Als analytisches Hilfsmittel ermöglicht diese Hypothese dennoch einige wichtige Einsichten in den Ablauf dieser Prozesse. Gleichzeitig ergeben sich daraus Erkenntnisse für Ansatzpunkte der Wirtschaftspolitik auf diesem Gebiet.

In einem marktwirtschaftlichen System sucht man strukturelle Verschiebungen vorab mit geänderten wirtschaftlichen Anreizen zu erklären. Wie stark die Menschen auf Preisveränderungen reagieren, ist u. a. eine Frage der persönlichen Einstellungen. Je nach Einkommenshöhe, nach persönlichem Geschmack und nach den gesellschaftlichen Umständen verursacht die gleiche Preisveränderung unterschiedliche Mengenreaktionen. Schliesslich ist - wie anhand von Beispielen zu zeigen sein wird - für die Verschiebungen zwischen offizieller Wirtschaft, Schattenwirtschaft und Selbstversorgungswirtschaft der technische Fortschritt nicht unerheblich. Diese drei Faktoren (wirtschaftliche Anreize, persönliche Einstellungen und technischer Fortschritt) werden im folgenden etwas näher betrachtet. Bei diesem Ansatz geht es dabei nicht darum, kurzfristige Reaktionen zu erklären. Das Gewicht liegt vielmehr im Aufzeigen der langfristigen Entwicklungen.

Wirtschaftliche Anreize Die Entwicklung der Preise lässt sich statistisch nur in der offiziellen Wirtschaft verfolgen. In der Schatten- und Selbstversorgungswirtschaft sind Preise zum Teil gar nicht beobachtbar, handelt es sich doch oft nur um implizit unterstellte Preise. Als Beispiel sei die Bewertung der eigenen Arbeit im Haushaltsbereich 1224

genannt. Obwohl nicht beobachtbar, beeinflussen diese impliziten Preise das Verhalten der Aktoren. Auch ohne präzise Angaben über deren Höhe lassen sich Aussagen über die Richtung und in Einzelfällen auch über die Grössenordnung der Kostenvorteile der einzelnen Sektoren machen. Dabei ist es zweckmässig, die möglichen Ursachen von Preisunterschieden in vier Gruppen einzuteilen, nämlich unterschiedliche Lohnkosten, Kostenunterschiede wegen Regulationen, Effizienzunterschiede bei der Leistungserstellung, Risiko von Sanktionen.

Die unterschiedlicheil Lohnkosten dürften im Verhältnis zwischen der offiziellen Wirtschaft und der Schattenwirtschaft am meisten gewichten. Kostenvorteile für die Schattenwirtschaft ergeben sich, wenn für Aktivitäten in diesem Bereich Sozialversicherungsbeiträge nicht geleistet werden müssen und Einkommenssteuern hinterzogen werden können. Wie sehr diese Abgaben ins Gewicht fallen, zeigen die Angaben in der nachstehenden Darstellung. Diese sind einer OECDStudie entnommen und erlauben einen internationalen Vergleich. Angesichts der vielfältigen institutionellen Unterschiede dürfen die ausgewiesenen Werte allerdings nicht auf die Goldwaage gelegt werden. Zudem bedarf die Darstellung noch weiterer Qualifikationen. Einmal ist zu beachten, dass für den Entscheid zwischen einer Betätigung in der offiziellen Wirtschaft und einer Betätigung in der Schattenwirtschaft die marginalen Steuersätze massgebend sind.

Zum zweiten können bei einer Betätigung in der Schattenwirtschaft die indirekten Steuern nur zum Teil umgangen werden. Beispielsweise kann die Warenumsatzsteuer auf den bezogenen Vorleistungen nicht mehr zurückverlangt werden.

Drittens sind in dieser Tabelle die obligatorischen Beiträge an private Pensionskassen nicht enthalten. Immerhin erachten wir den letzten Punkt nicht unbedingt als einen Mangel. Beiträge an die zweite Säule - aber auch an die AHV wirken rentenbildend. Anders als bei den Steuern ist bei den Sozialversicherungen ein kostenloses Trittbrettfahren nur beschränkt möglich. Trotz solcher Vorbehalte erscheint uns aufgrund der Darstellung die Aussage zulässig, wonach im internationalen Vergleich die durch staatliche Abgaben bewirkten Kostenunterschiede zwischen offizieller Wirtschaft und Schattenwirtschaft in der Schweiz unterdurchschnittlich sind. Anderen Studien
4 * lässt sich dagegen entnehmen, dass der Zuwachs der Abgabenbelastung in der Schweiz in den siebziger Jahren mindestens so markant war wie in den anderen Industriestaaten. Von einem tiefen Niveau ausgehend haben sich die von der Abgabenbelastung ausgehenden Anreize für ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft somit in dieser Zeit fühlbar erhöht.

Auch im Verhältnis offizielle Wirtschaft - Selbstversorgungswirtschaft wird durch die staatlichen Abgaben ein Keil zwischen die massgebenden Kosten getrieben. Allerdings ist mit dem Ausweichen in die Selbstversorgung in der Regel keine Hinterziehung von Abgaben verbunden, sehen unsere Steuergesetze doch für die überwiegende Zahl der im Haushaltbereich erbrachten Leistungen die

4

> Vgl. u. a. OECD, Economie Outlook 38, Paris, dèe. 1985, Table R9, p. 180 und Mitteilungsblatt für Koujunkturfragen Nr. 2/86: Fiskalpolitische Impulse und strukturelle Haushaltdefizite, Grafik 2. .

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Hohe und Struktur der Steuern 1982

Darstellung 1

Prozent

Prozent

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des BIP

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40

30

20

10

0 Source-

OECD Ravinu* Statistics.

Steuerfreiheit vor.3) Nun sprechen neben den pekuniären Vorteilen einer verringerten Abgabenpflicht auch viele nicht-pekuniäre Vorteile für eine Betätigung in der Selbstversorgungswirtschaft. Insbesondere die grössere Gestaltungsfreiheit bei diesen, aus eigenem Antrieb gewählten Arbeiten ist hierbei zu nennen.

Umgekehrt fällt es dem einzelnen Haushalt oft schwer, sich die zur Erbringung gewisser Leistungen erforderlichen Kenntnisse und Einrichtungen zu beschaffen. Ob gewisse Leistungen selber erbracht oder über den Markt beschafft werden, ist somit bei weitem nicht nur eine Frage der Höhe staatlicher Abgaben.

Die eben angesprochenen Vorteile der offiziellen Wirtschaft sind gefährdet, wenn diese bei der Erbringung ihrer Leistungen zahlreiche Auflagen berücksichtigen muss, die in der Schattenwirtschaft und auch in der Selbstversorgungswirtschaft nicht durchgesetzt werden können. Solche Kostenunterschiede können von verschiedensten Regulationen herrühren. Zu denken ist etwa an Sicherheitsvorschriften wie Schutzgeräte, Gerüste, Höchstarbeitszeiten und ähnliches mehr. So lange beim Missachten der Vorschriften nichts passiert, empfindet sie derjenige, der sie beachten muss, als Kosten. Erst recht sieht der Verursacher die Beachtung dieser Vorschriften als Kosten an, wenn im Schadensfall Dritte die Schäden decken. Volkswirtschaftlich betrachtet stehen diesen Umtrieben aus der Befolgung von Vorschriften aber Erträge gegenüber, die darin bestehen, dass Schäden verhindert werden. Volkswirtschaftlich gesehen wäre es deshalb ineffizient, auf den Erlass von vernünftigen Regulierungen zu verzichten. Gewisse öffentliche Güter wie beispielsweise die Reinhaltung der Gewässer können nur durch den Erlass staatlicher Regulierungen geschützt werden.

Wichtig ist, dass solche Regulierungen nicht selektiv gegenüber einzelnen Unternehmungen, sondern - wenn angebracht - auch gegenüber den Haushalten durchgesetzt werden.

Effizienzunterschiede bei der Leistungserstellung in den drei .Sektoren einer Volkswirtschaft schlagen sich in den Kosten und damit auch in den Preisen nieder. Weil die einzelnen Einflüsse in unterschiedliche Richtungen zeigen, sind keine allgemeinen Aussagen möglich. Wenn die Leistungserstellüng in der offiziellen Wirtschaft den Einsatz von produktiven, aber auch teuren Maschinen und Werkzeugen erlaubt,
sich die Selbstversorgungs- und Schattenwirtschaft aber mit Behelfslösungen zufrieden geben muss, dürfte die offizielle Wirtschaft über komparative Vorteile verfügen. Auch Aspekte des Know-Hows dürften zugunsten der offiziellen Wirtschaft sprechen. In der Selbstversorgungswirtschaft wird es dagegen weniger Motivationsprobleme geben. Wettbewerbsvorteile der Schattenwirtschaft werden durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Verschleierung von Aktivitäten Kosten verursacht. So ist das Ausfüllen einer Steuererklärung insbesondere dann beschwerlich, wenn es gilt, ein falsches, aber dennoch widerspruchsfreies Bild seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu vermitteln.

Wer - wie es in der Schattenwirtschaft geschieht - Leistungen anbietet, bei denen Vorschriften missachtet und Abgaben dem Staat vorenthalten werden, läuft

5)

Vgl. Peter Agner, Die Besteuerung der Eigenleistungen, Archiv für Schweizerisches Abgaberecht, Bd. 52, S. 27 ff, Bern, 1983/84.

1227

das Risiko, gebüsst oder anderen Sanktionen ausgesetzt zu werden. Nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeitsrechnung und unter Ausklammerung der moralischen Aspekte lässt sich diese Art von Kosten aus der Multiplikation der Höhe der Busse mit der (subjektiven) Wahrscheinlichkeit, dass das Vergehen erkannt wird, berechnen. Die Höhe des Risikos, gebüsst oder anderen Sanktionen ausgesetzt zu werden, ist denn auch eines der häufigsten Instrumente, mit denen der Staat unerwünschte Verlagerungen aus der offiziellen, sich gesetzestreu verhaltenden Wirtschaft bekämpft. Er kann die Kosten entweder durch Anhebung der Strafen oder durch vermehrte Kontrollen erhöhen. Will man zum Beispiel darauf verzichten, für Fälle einfacher Steuerhinterziehung hohe Bussen vorzusehen, so kommt man um eine gewissenhafte Prüfung der eingereichten Steuererklärungen und den Beizug weiterer Unterlagen nicht herum. In dieser Feststellung zeigt sich auch die altbekannte Tatsache, dass Strafen keine Wirkung zeigen, wenn niemand damit rechnen muss, im Fall einer Übertretung von Vorschriften zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Persönliche Einstellungen In welchem Ausmass die Leute auf Preisunterschiede für in den drei Sektoren erhältliche Leistungen reagieren, ist vor allem eine Frage der persönlichen Einstellung. Ökonomisch finden diese Einstellungen ihren Niederschlag in der Preiselastizität. Bei dieser Grosse handelt es sich um eine Masszahl, welche prozentuale Preisveränderungen prozentualen Mengenveränderungen gegenüberstellt. Sie beträgt Null,.wenn auf eine Preisveränderung überhaupt keine Reaktion der Nachfrager zu beobachten ist, und ist gross, wenn die Menschen ihr Arbeitsangebot und ihre Konsumpläne bei kleinen Preisverschiebungen sehr stark anpassen.

Diese Elastizität wird im vorliegenden Fall vor allem durch die Einstellung des Bürgers gegenüber dem Staat bestimmt. Eine solche Einstellung verändert sich im Zeitablauf und ist von Ort zu Ort verschieden. Vielfältig sind die Einflüsse, die auf die Steuermoral und die Gesetzestreue einwirken. Eine vernünftige und als gerecht empfundene Abgabenbelastung ist sicher eine Grundvoraussetzung für eine gute Steuermoral. Daneben spielt auch das Verhalten der Behörden eine Rolle, gilt es doch, wenig sinnvolle Regelungen und als, schikanös empfundene administrative Abläufe zu
vermeiden. Gefordert ist, dass sich die einzelnen Bereiche einer Verwaltung, aber auch die drei staatlichen Ebenen untereinander koordinieren, statt einzeln mit möglicherweise noch widersprüchlichen Forderungen an den Bürger heranzutreten. Die Annahme der Steuerharmonisie- ' rungsinitiative durch das Volk belegt die Bedeutung dieses Anliegens. Beispiele aus der Untersuchung des Vorortes6' über die administrative Belastung der Klein- und Mittelbetriebe stützen diese Überlegungen.

Immerhin darf man in diesem Zusammenhang das in der Schweiz erreichte Wohlstandsniveau nicht ausser acht lassen. Sind die, menschlichen Grundbedürfnisse wie Ernährung und Wohnung einmal befriedigt, gewinnen Kollektivgüter wie etwa eine intakte Umwelt an Bedeutung. Folgerichtig sollte auch die " Schweizerischer Handels- und Iridustrieverein (Vorort): Die Belastung der Klein- und Mittelbetriebe durch staatliche Regelungen, Zürich 1986.

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Bereitschaft wachsen, dem Staat über die Steuern jene Mittel zu : überlassen, die er braucht, um öffentliche Güter bereitzustellen und einen sozialen Ausgleich herbeizuführen. Das höhere Einkommen erleichtert es dem Einzelnen weiter, Auflagen beispielsweise des Ortsbildschutzes zu tragen. Ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft muss bis zu einem gewissen Grad immer auch als Ausdruck einer vergleichsweise starken Betonung des Eigennutzes gesehen werden.

Technischer Fortschritt Während die vorangegangenen Überlegungen vor allem Übergänge zwischen offizieller Wirtschaft und Schattenwirtschaft betrafen, beeinfiusst der technische Fortschritt gleichermassen. wenn nicht stärker, die Verlagerungen zwischen offizieller Wirtschaft und Selbstversorgungswirtschaft. Zwei Beispiele aus der Vergangenheit verdeutlichen dies in ausgezeichneter Weise: Abklärungen über die Marktchancen des Automobils zu Beginn dieses Jahrhunderts sagten diesem nur eine düstere Zukunft voraus. Als Grund wurde damals auf die ungenügende Zahl von ausgebildeten Chauffeuren verwiesen. Dass jedermann 50 Jahre später sein eigenes Auto chauffieren würde, war zu jenem Zeitpunkt noch undenkbar. Mit Bezug auf das Kriterium der Nationalen Buchhaltung ist in der Zwischenzeit nichts anderes passiert, als dass Tätigkeiten, welche damals nach gängiger Konvention in der Nationalen Buchhaltung zu erfassen waren, heute von den Haushalten erbracht werden. Ähnliches gilt für die Verbreitung des Telefons. Auch hier war man pessimistisch. Den limitierenden Etìgpass sah man damals im nicht vorhandenen Personal, das die Telefonzentralen1 hätte bedienen können. Die automatische Selbstwahl, welche diese Tätigkeiten ersetzt hat, war noch eine Utopie. Es ist kaum anzunehmen, dass derartige Vorgänge nicht auch in Zukunft zu beobachten sein werden. Die Mikroelektronik und die Informationstechnologien legen vielmehr nahe, dass dieser Prozess in den nächsten Jahren weitergehen wird (Teletext, Telebanking usw.).7' Dank dem Personalcomputer haben sich die Möglichkeiten, Teleheimarbeit zu verrichten, noch verbessert.

Der Übergang von der Arbeitswelt zur Haushaltproduktion wird damit fliessend mit allen statistischen Erfassungsproblemen.

Neue Produkte, leichter zu verarbeitende Materialien, die Vermietung von Werkzeugen und Geräten an Haushalte und ähnliches mehr
sind alles Dinge, welche die Leistungserstellung im Haushaltsbereich in den letzten 20 Jahren stark erleichtert haben. Das immer breitere Angebot der sogenannten Do-ityourself-Geschäfte sowie das Wachstum dieser Branche in den letzten Jahren ist mit eine Folge des technischen Fortschrittes. Dass diese Branche zum Teil auch als Zulieferindustrie der Schattenwirtschaft dienen mag, ist im Vergleich zum Einfluss auf die Selbstversorgungswirtschaft von untergeordneter Bedeutung.

Zusammengefasst belegen die in diesem Abschnitt gemachten Feststellungen die Bedeutung einer genügend genauen Fassung des Begriffes der Schattenwirtschaft. Erst dies ermöglicht eine Wertung, aber auch eine zweckmässige empiri-

7

> Vgl. hierzu die Arbeiten im Rahmen des ETH-Forschungsprojektes «Manto» : «Chancen und Risiken der Telekommunikation für Verkehr und Siedlung in der Schweiz».

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sehe Schätzung dieser immer stärker beachteten Erscheinung. Dieser Schätzung dient auch die im zweiten Teil dieses Abschnittes vorgenommene Bestimmung der Ursachen für eine Betätigung in den drei unterschiedenen Sektoren.

3

Die geschätzte Grosse der Schattenwirtschaft

Ihrer Natur nach entzieht sich die Schattenwirtschaft der Erfassung durch die offiziellen Statistiken. Um dennoch einen Eindruck von ihrer Grosse zu erhalten, bedarf es folglich spezieller Erhebungsmethoden. Diese lassen sich in drei Kategorien einteilen. Der Umfang der Schattenwirtschaft kann - aufgrund von Befragungen und Einzelbeobachtungen, - aufgrund ihrer Ursachen, - aufgrund ihrer Auswirkungen bestimmt werden. Die Studie von Weck, Frey und Pommerehne, auf die der Postulant ausdrücklich hinweist, verwendet alle diese Methoden. Indem dieses «im Schatten liegende» Objekt aus verschiedenen Richtungen angeleuchtet wird, sollte man in der Tat einen gewissen Eindruck von seinen Konturen erhalten.

Im Mittel tendieren die Ergebnisse aus der genannten Studie8) zu folgenden Werten : In der heimlichen Wirtschaft der Schweiz wird möglicherweise ein statistisch nicht erfasster Beitrag ans Bruttoinlandprodukt erzielt, der 3-6 Prozent des offiziell ausgewiesenen Sozialproduktes ausmacht. Dies entspricht etwa 140000 Mannjahren, wovon etwa 50000 Mannjahre in Vollzeitarbeit und der Rest in Teilzeitarbeit erbracht werden dürften. Das Ausmass -der Schattenwirtschaft ist wahrscheinlich nach Branchen und Berufen, allenfalls auch nach Regionen recht unterschiedlich. Die genannten Werte lassen vermuten, dass die Schweiz international gesehen eine vergleichsweise kleine Schattenwirtschaft aufweist.

i Diesen Werten können keine eigenen Schätzungen gegenübergestellt werden.

Darüber hinaus besteht auch eher ein Interesse, die verschiedenen Ersehet nungsformen der Schattenwirtschaft je für sich zu erfassen. Die Abstimmung der Messmethode auf das Messziel dürfte nämlich im Fall der Schwarzarbeit, der Steuerhinterziehung, der Umgehung des Arbeitsgesetzes, des Drogenhandels usw. einfacher sein als im Fall des bekanntlich etwas schillernden Begriffes der Schattenwirtschaft. Im letztgenannten Fall nimmt man zudem auf Angaben aus der Nationalen Buchhaltung Bezug, welche zumindest bezüglich ihrer absoluten Höhe auch gewissen Unsicherheiten unterliegen.

Im folgenden werden verschiedene Schätzungen aus der genannten Studie kurz dargestellt und, wo nötig, Vorbehalte angebracht.

8

> Vgl. Fussnote 1.

1230

31

Die vermutete Grosse der Schattenwirtschaft insgesamt

Etwelchen Erfolg bei der Erfassung der Schattenwirtschaft versprechen die Methoden der Demoskopie. Allerdings wird man sich in Meinungsumfragen nur zögernd zu einer Tätigkeit in der Schattenwirtschaft bekennen, selbst wenn die Vertraulichkeit der Umfrage zugesichert wird. Mit einer geeigneten Fragestellung kann solcher Zurückhaltung allerdings entgegengewirkt werden. Im Fall der Schweiz fehlen leider demoskopische Umfragen zu diesem Thema weitgehend. Ein Ersatz zu dieser Methode sind Expertenbefragungen. Auf die Ergebnisse einer solchen Umfrage durch Frey. Weck und Pommerehne kommen wir weiter unten zurück.

Leider führt auch eine zweite Methode der direkten Erfassung der Schattenwirtschaft .nicht zum Ziel. Diese Methode beruht auf dem Rückschluss aus den aufgedeckten Fällen an Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Drogenkriminalität usw. auf die Grosse der Schattenwirtschaft. Ein solcher Rückschluss ist nur zulässig, wenn die einzelnen Fälle von Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft im Rahmen der Erhebung einer Zufallsstichprobe aufgedeckt werden. So vorgegangen wird etwa in den USA; im Fall der Schweiz erfolgt die Verfolgung solcher Vergehen aber nur gezielt. Auch dürfte die Kontrollintensität von Branche zu Branche und von Region zu Region erheblichen Unterschieden unterliegen.

Ein Rückschluss aus den aufgedeckten Fällen auf die Verbreitung einzelner Aktivitäten erscheint deshalb nicht zulässig. Zu betrachten bleibt somit die Erfassung der Schattenwirtschaft aufgrund ihrer Ursachen und aufgrund ihrer Auswirkungen. Eine mögliche Auswirkung der Schattenwirtschaft ist, dass ihretwegen die Konsistenz der verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Erhebungen nicht mehr gegeben ist. So können wegen der Schattenwirtschaft die in Haushaltrechnungen erfassten Ausgaben nicht mit den deklarierten Umsatzzahlen der Unternehmen in der entsprechenden Branche übereinstimmen. Solche Ansatzpunkte erweisen sich jedoch als wenig geeignet, dürfen auftretende Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Statistiken angesichts der übrigen Fehlerquellen nur zum Teil als Ausdruck der Schattenwirtschaft angesehen werden.

Bargeldnachfrage und Schattenwirtschaft Grosse Bedeutung hat jener Ansatz gefunden, der die Grosse der Schattenwirtschaft aufgrund ihrer Auswirkungen auf dem Geldmarkt zu bestimmen sucht.

Die Überlegung hinter
dieser Messmethode ist, dass in der Schattenwirtschaft Barzahlung vorherrscht. Ein Anwachsen der Schattenwirtschaft schlägt sich unter sonst gleichen Umständen in einer wachsenden Nachfrage nach Noten und Münzen nieder. Nun wirken im Zeitablauf aber sehr unterschiedliche Faktoren auf die Bargeldnachfrage ein. Entsprechend schwer hält es, aus den Veränderungen der Geldhaltung jene Komponente herauszufiltern, die auf die Zunahme oder Abnahme der Schattenwirtschaft zurückzuführen ist. Der in der genannten Studie gewählte Schätzvorgang ist denn auch hochgradig unsicher. Er trägt beispielsweise dem Aspekt nicht Rechnung, dass Bargeldzahlungen beim Erwerb von Liegenschaften zwar der Steuerhinterziehung dienen, durch solche Vermögenstransaktionen die das eigentliche Messziel darstellende gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung (BIP) aber kaum verfälscht wird. Das'Resultat dieses Ansatzes, nach dem die Schattenwirtschaft seit 1957 von angenommenen null

1231

Prozent bis 1980 auf geschätzte 6,3 Prozent des ausgewiesenen Sozialproduktes angewachsen sei, ist mit entsprechender Zurückhaltung zur Kenntnis zu nehmen. Der wahre Wert kann ohne weiteres um Prozentpunkte vom genannten Schätzwert abweichen; Weiche Modellierung Stark betont wird die Bedeutung der Steuerbelastung, wenn Frey, Weck und Pommerehne versuchen, die Grosse der Schattenwirtschaft aufgrund ihrer Ursachen zu bestimmen. In diesem Zusammenhang bedienen sie sich der Methode der sogenannten «weichen Modellierung». Bei dieser Methode ist es nicht nötig, die Stärke des Zusammenhanges zwischen jeder einzelnen Ursachenvariable und der hier zu bestimmenden Grosse der Schattenwirtschaft numerisch genau zu kennen. Es genügt eine Auflistung möglicher Ursachen, die dann allerdings ihrer vermuteten Bedeutung nach eingereiht werden müssen.

Als Ursachenvariablen werden von Frey, Weck und Pommerehne berücksichtigt: - die Steuer- und Abgabenbelastung, - die Steuermoral, - die Belastung aufgrund staatlicher Vorschriften, - die Erwerbsquote, - die Arbeitszeit, - der Auslastungsgrad der Ausländerkontingente, - der Anteil ausländischer Arbeitnehmer, - die subjektiv erwarteten Kosten einer illegalen Betätigung.

Es fällt auf, dass die in den vergangenen Jahrzehnten eingetretenen Veränderungen in der Konsumstruktur, in der Branchenstruktur und in den technischen Produktionsmöglichkeiten nicht im Sinne von erklärenden Variablen Eingang in die Schätzung finden. Auch fussen die Grossen «Steuermoral» und «subjektiv erwartete Kosten einer illegalen Betätigung» notgedrungen auf einer schwachen statistischen Grundlage und vermögen einen allfälligen Wandel in den persönlichen Einstellungen kaum aufzuzeigen. Die Schätzung fusst also vor allem auf den im zweiten Abschnitt angeführten wirtschaftlichen Anreizen.

In der folgenden Tabelle sind die Messwerte wiedergegeben, die Weck, Frey und Pommerehne in ihre Schätzung eingehen lassen.

Höhere Steuern, mehr staatliche Vorschriften, eine sinkende Erwerbsquote, mehr arbeitsfreie Zeit, ausgeschöpfte Ausländerkontingente, mehr Gastarbeiter sowie die sinkende Steuermoral wirken sich alle in Richtung einer wachsenden Schattenwirtschaft aus. Einzig die steigenden Kosten einer illegalen Betätigung sprechen gegen ein Anwachsen der Schattenwirtschaft. Unterschiede in der Einstufung
dieser Bestimmungsgründe nach ihrem Gewicht vermögen denn auch nur das Profil, nicht aber die grundlegende Tendenz der vermuteten Entwicklung der Schattenwirtschaft zu beeinflussen. Aufgrund dieser Ursachenanalyse bestätigt sich für die Autoren der Trend in Richtung einer zunehmenden Schattenwirtschaft.

Gegen das eben dargestellte Modell, wenn auch nicht unbedingt gegen das Ergebnis, lassen sich Vorbehalte anbringen. Die starke Betonung der marginalen

1232

Bestimmungsgriinde fiir die Grosse und Entwicklung der Schattenwirtschaft

(gemass Frey, Week, Pommerehne, Tabelle S. 37 und Text S. 41 und 43)

Tabelle

UrsachcnVariahlc

Sleucr- und Abgabenbelastung

Sleuermoral

Belaslung durch staatliche Vorschril'len

Hrwerbsquote

Arbeitszcit

Auslu.sUmgsgrad Au.slandcrkontingcntc

Anlcil auslandi.schcr Arbcitnehrncr

subjcktiv'crwartctc Kostcn cincr illcgalen Belaligung

Rcaleinkoimnen 4 '

approximierl durch

geschiitztc 0 marginale Einkommensstcuer

hypothetischer Verlauf", z-Werl«>

Anteil dcr in dcr offcntlichcn Vcrwnllung Bcschaftigtcn

mannlichc Frwcrhstiitigc in % dcr miinnl. Bcvcilkerung zw. I? u. 64

Sid. gem.

B1GA

Anteil dcr uusgcnutzten Jahresaufenthaltsbewilligungen

in °/o der Erwerbstatigen

hypothetischer Verlauf 3) z-Wert «)

B1P real pro Kopf in 1000 Fr.

Richtung des Zusammen+ hangs

_ 5)

+

-

-

+

+

-

-

1960

+ 1,1

5,1 5,4 6,2 7,2 7,6

101,3 100,9 100,5 97,2 93,5

46,2 45,5 44,8 43,7 43,8

16,1 22,5 26,7 25,0 23,4

-1,27 -0,63 0,00 +0,63 + 1,27

10,9 12,7 15,0 15,2 16,8

1965 1970 1975 1980

" ) ) 4 > 5 > 6 ' 2

3

15,4 15,5 18,9 23,3 23,8

0,0 +0,73 -0,37 -1,46

02> 02» 95,8 45,0 92,5

1233

Dieser hypothetische Verlauf wird aus dcr Einslellung zur Idee einer Steueramneslie und aus ausliind. Erfahrungen abgeleitet.

Die 1963 eingefiihrle betriebsweise Plafonierung der Saisonnierstellen wird nicht als bindcnde Rcstriklion angcsehen.

Dieser hypothetische Verlauf wird auf die Zahl der Sleuerkommissare und die Hone der Strafsteuern zuriickgefuhrl. Von Frey, Week, Pommerehne nicht beriicksichtigte Variable, zur Erkliirung vgl. Text.

Da eine sinkende Steuermoral die Schattenwirtschaft anwachsen lasst, ist der Zusammenhang negativ.

Der z-Wert kann herangezogen werden, um trendmassige Entwicklungen zu beschreiben. Er berechncl sich aufgrund der Annahme, dass die im Zeitablauf angefallenen Beobachtungen im Fall ernes fehlenden Trends normalverteilt waren: Entwickelt sich nun der z-Wert vom unteren Wert der normalen Bandbreite (±1,5) zum oberen Wert, sprichl dies fiir einen steigenden Trend. Der z-Wert beschreibt nur die Richtung, nicht das Ausmass eines Trends.

" . .

" .

Steuerbelastung mag gerechtfertigt sein, wenn es um die Einschätzung der Steuerhinterziehung geht. Sie ist es weniger, wenn das Messziel darin besteht, den durch die Schattenwirtschaft bewirkten Fehler in der Schätzung des Bruttoinlandproduktes zu bestimmen. Die BIP-Schätzungen stützen sich, wie oben ausgeführt, kaum auf die deklarierten Einkommen ab. Ähnlich verhält es sich mit der Belastung aufgrund staatlicher Vorschriften. Die Umgehung solcher Vorschriften wird nur in einem Teil der Fälle zur Nichterfassung dieser Tätigkeiten in der Sozialproduktstatistik führen. Auch ist die Vorstellung etwas pauschal, wonach in erster Linie die Quantität und nicht der Inhalt der Gesetze die Schattenwirtschaft beeinflusse. Der sinkende Verlauf von Erwerbsquote und Arbeitszeit begünstigt alle Tätigkeiten, die sich zwischen geschätzter Nachbarhilfe und verpönter Schwarzarbeit einreihen; die begünstigten Tätigkeiten wären denn auch nur zum Teil im BIP zu erfassen. Bei den ausländischen Arbeitnehmern ist zu beachten, dass sich das Freizeitverhalten des Mannes, aber auch der Frau, ändern dürfte, sobald einmal die Familie nachgezogen ist; dies war ab 1975 in wachsendem Umfang der Fall.

Nicht zuletzt ist zu beachten, dass die aufgezeigten wachsenden Anreize für eine Zunahme der Betätigung in der Schattenwirtschaft nicht hinreichend sind.

Es ist grundsätzlich denkbar, dass man mit steigendem realem Einkommen (vgl.

letzte Spalte der Tabelle) auf gleiche Anreize weniger stark reagiert (Substitutions- versus Einkommenseffekt). So wird gelegentlich angenommen, dass mit wachsendem Realeinkommen einer gleichen prozentualen Steuerbelastung weniger rasch ausgewichen wird. Insbesondere dürfte mit steigendem Einkommen aber die Lust sinken, nach Feierabend noch zu arbeiten. Wachsende Realeinkommen sprechen unseres Erachtens für einen Rückgang mindestens gewisser Formen der Schattenwirtschaft. Würde man das wachsende Realeinkommen (mit negativem Vorzeichen) in die weiche Modellierung einbeziehen, wäre der Trend in Richtung zunehmender Schattenwirtschaft weit weniger gut gesichert.

Abschliessend verweisen die Autoren noch auf eine von ihnen durchgeführte Studie, in welcher sie einen internationalen Vergleich über die Bedeutung der Schattenwirtschaft vornehmen. Die mittels eines fortgeschrittenen ökonometrischen Ansatzes
gewonnenen Ergebnisse bestätigen im Fall der Schweiz die eingangs genannte Grössenordnung der Schattenwirtschaft. Gleichzeitig wird deutlich, dass in der Schweiz das Problem der Schattenwirtschaft nicht einen gleichen Stellenwert wie in umliegenden Ländern besitzen dürfte.

32

Die vermutete Struktur der Schattenwirtschaft

Je nach wirtschaftlicher Tätigkeit sind die Möglichkeiten unterschiedlich, in die Schatten Wirtschaft - oder auch die Selbstversorgungswirtschaft - auszuweichen: Von Branche zu Branche dürfte das Ausmass der schwarz erbrachten Leistungen denn auch erheblich differieren. Auch regional dürften Unterschiede bestehen. Diese sind nicht nur auf die von Ort zu Ort andere Wirtschaftsstruktur zurückzuführen. Dem Ausmass der gesellschaftlichen Kontrolle dürfte ein ähnlicher Stellenwert zukommen. Neben den vom Staat zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft eingesetzten Mitteln spielen hierbei die gesellschaftliche Tradition und die Enge der Kontakte innerhalb einer Gemeinde eine wesentliche Rolle.

1234

Um einen Eindruck von der Struktur der Schattenwirtschaft zu erhalten, führten Frey, Weck und Pommerehne eine Befragung unter Experten durch. Angeschrieben wurden Vertreter von BFS, BIGA, ESTV, Bundesamt für Ausländerfragen, SUVA, Vorort, Gewerbeverband, Wirtschaftsförderung, Zentralverband, Gewerkschaft Bau und Holz, Handelskammer BRD - Schweiz, Adia Interim.

Die Experten hatten ihre persönlichen Einschätzungen bekanntzugeben.

In der Umfrage wurde zuerst gefragt, in welchen Branchen die Bedeutung der schwarz erbrachten Produktion am grössten sei. Nach dem Urteil der Experten sind solche Aktivitäten in den Bereichen - Hauswirtschaft/Reinigung, - Gastgewerbe, - Baugewerbe, - Reparaturgewerbe und - Landwirtschaft am verbreitetsten. Als mässig hoch wird der Anteil der schwarz erbrachten Produktion in den Bereichen Handel, Bildung/Kultur/Erholung, Textil und Bekleidung, Holz und Möbel sowie Gesundheit und Körperpflege eingestuft. In der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, der Metall- und Maschinenindustrie, der Chemischen Industrie sowie der Energiewirtschaft wird die Bedeutung der heimlichen Wirtschaft nicht so hoch veranschlagt. Verbindet man die Angaben der Experten zum Ausmass der schwarz erbrachten Produktion nach Branchen mit den Anteilen der einzelnen Wirtschaftszweige an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung, erhält man einen Hinweis auf die Grosse der Schattenwirtschaft insgesamt. Der Expertenbefragung zufolge würden in der Schattenwirtschaft Leistungen in der Höhe von rund 3 Prozent des BIP erbracht.

Eine zweite Frage galt den in der Schattenwirtschaft tätigen Arbeitnehmern.

Dabei wurde auch nach dem Anteil der in Vollzeit und der in Teilzeit erbrachten und verheimlichten Arbeitsstunden gefragt. Vollzeit tätige Schwarzarbeiter gibt es danach vor allem im Gastgewerbe und in der Hauswirtschaft. In diesen beiden Branchen, aber auch im Reparaturgewerbe, im Baugewerbe und in der Landwirtschaft, dürfte darüber hinaus noch sehr viel Teilzeitarbeit schwarz geleistet werden. Wenn, wie die Experten vermuten, im Gastgewerbe tatsächlich jede siebente Arbeitsstunde schwarz gearbeitet würde, müsste dies bedenklich stimmen; im Rahmen der Gesamtwirtschaft wäre es nach der gleichen Quelle nur jede fünfundzwanzigste Stunde. Recht interessant ist auch die Liste der Berufe, in welchen Schwarzarbeit
relativ bedeutend sein soll. Von den Experten werden in absteigender Reihenfolge genannt: Raumpfleger, Kellner, Hausangestellte, Maurer, Maler/Gipser, Gärtner, Landwirte, Mechaniker, Coiffeure, Ärzte, Schreiner, Rechtsanwälte, Architekten, Verkäufer, Bäcker, Lehrer, Metzger, Büroangestellte, Zahntechniker, Reisende, Arztgehilfinnen. In dieser Liste kommt zum Ausdruck, dass selbständig Erwerbstätige und in gewerblichen Berufen Tätige von der Art ihrer Arbeit her gute Möglichkeiten haben, schwarz ihren Verdienst zu verbessern.

Während die Aufgliederung der Schwarzarbeit nach Branchen und Berufen plausibel erscheint, dürfte die von Frey, Weck und Pommerehne durchgeführte Schätzung der regionalen Unterschiede in der Verbreitung der Schattenwirtschaft weniger zuverlässig sein. Im folgenden wird deshalb auf diese Schätzun1235

gen nicht eingetreten. Dies heisst aber nicht, dass die Möglichkeit regionaler Unterschiede bestritten wird. Vielmehr ist zu betonen, dass allfällige regionale Differenzen ein erhebliches politisches Problem darstellen würden. In Gefahr steht nicht nur die Steuergerechtigkeit. Verzerrungen der Wettbewerbsverhältnisse oder des Finanzausgleichs wären andere volkswirtschaftlich und finanzwirtschaftlich unerwünschte Auswirkungen regionaler Disparitäten in der Grosse der Schattenwirtschaft. Im Interesse des Föderalismus gilt es deshalb, den Erscheinungen der Schattenwirtschaft landes weit, mit der gleichen Strenge entgegenzutreten.

4

Schattenwirtschaft und Wirtschaftspolitik

Die generelle Frage dieses Abschnittes lautet, inwieweit die Schattenwirtschaft die Wirtschaftspolitik beeinträchtigt und durchkreuzt. Dabei ist von den Zielen des staatlichen Handelns auszugehen.

Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität und Wachstum stehen im Bereich der Wirtschaftspolitik im engeren Sinn (Stabilitätspolitik) als Ziele im Vordergrund.

Zu fragen ist, wieweit die Schattenwirtschaft die Konjunkturbeobachtimg erschwert und die Wirksamkeit der Stabilitätspolitik beeinträchtigt.

; In der Verteilungspolitik bereitet die Umschreibung des Zieles «gerechte Verteilung» Mühe. Was als gerecht anzusehen ist, lässt sich nicht objektiv bestimmen.

Als Minimalpostulat gilt jedoch, dass gleiche Sachverhalte gleich behandelt werden, wobei bereits die Umsetzung dieser Forderung nicht einfach ist. Sie setzt nämlich einen Konsens darüber voraus, wo die Gleichheit aufhört und die Ungleichheit beginnt. Probleme der Schattenwirtschaft sind jedoch immer auch Probleme der Verteilungsgerechtigkeit, so dass die Ausklammerung dieses Ziels trotz der Schwierigkeiten bei seiner präzisen Fassung nicht zu rechtfertigen wäre.

, , Von grosser Bedeutung ist weiter der Zusammenhang zwischen Schattenwirtr schaft und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Weil letztere nicht nur von der Wirtschaftspolitik im engeren Sinn, sondern vom staatlichen Handeln schlechthin abhangen, ergeben sich Anknüpfungspunkte zur übrigen Politik. Zu denken ist an die Umwelt-, Raumordnungs- und Sozialpolitik. Zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - soweit sie vom Staat gestaltet werden zählen aber auch wettbewerbspolitische Vorkehren und andere rechtliche Regelungen.

' 41

Die Bedeutung der Schattenwirtschaft für die Einschätzung der Wirtschaftslage

Aussagen zur gegenwärtigen und künftigen Wirtschaftslage haftet aus verschiedenen Gründen Unsicherheit an. Diese Tatsache ist bei der Beurteilung des Einflusses der Schattenwirtschaft auf die Konjunkturbeobachtung im Auge zu behalten. Es gilt namentlich, die durch die Schattenwirtschaft hervorgerufenen Verzerrungen nicht isoliert an einem Idealzustand zu messen, sondern sie gleichzeitig den anderen möglichen Störfaktoren gegenüberzustellen, mit denen die Wirtschaftspolitik ebenfalls konfrontiert ist.

1236

Zwei der drei stabilitätspolitischen Ziele - Geldwertstabilität und Wachstum misst man nicht in Niveaugrössen, sondern in Wachstumsraten, nämlich in Form der Inflationsrate und der Wachstumsrate des Sozialproduktes. Diese Feststellung ist nicht unwesentlich, weil die Erfassung nur eines Teils der wirt^ schaftlichen Daten im Fall der Analyse von Wachstumsraten hinreichend sein kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die durchschnittliche Teuerung in der offiziellen und in der Schattenwirtschaft gleich gross ist.

Wenn - wie aufgrund der verschiedenen Untersuchungen vermutet wird - die Schattenwirtschaft langfristig an Bedeutung gewonnen hat, konnte dieses Resultat nur zustande kommen, weil die Wachstumsrate der Schattenwirtschaft jene in der offiziellen Wirtschaft überstieg. Der Schätzfehler in den publizierten Wachstumsraten lässt sich rechnerisch bestimmen, wenn Angaben über die Anteile der Schattenwirtschaft in den einzelnen Zeitpunkten vorliegen. Auf der Grundlage der von Frey, Weck und Pommerehne für die Schweiz geschätzten Anteile der Schattenwirtschaft am BIP für die Jahre 1960 und 1978 (1,1% und 4,3 %) kommt man beispielsweise zum Schluss, dass das nach geltender Definition des BIP gemessene Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Aktivität (Bruttoinlandprodukt zuzüglich Schattenwirtschaft) in den letzten 25 Jahren jährlich um weniger als 0,2 Prozent unterschätzt worden ist. Mit anderen Worten hält sich die Verzeichnung des Wirtschaftswachstums in der Schweiz .über die letzten 25 Jahre in Grenzen.

Beim Einfluss der Schattenwirtschaft auf Preisniveau und Teuerung ist von der Annahme auszugehen, dass in der Schattenwirtschaft günstigere Preise vorherrschen. Immerhin ist nicht anzunehmen, dass die Preise in der Schattenwirtschaft um den vollen Betrag der nicht geleisteten Steuern und Sozialversicherungsabgaben geringer sind. Dafür sprechen zwei Gründe. Zum einen verursachen der Aufwand für die Verschleierung dieser Aktivitäten und das Bussenrisiko Kosten. Zum andern werden die Verkäufer kaum den ganzen Gewinn an die Käufer weitergeben. Aus dem Umstand, dass Güter und Dienstleistungen in der Schattenwirtschaft etwas günstiger sind, folgt noch nicht, dass auch die Teuerung - der Vergleich des Konsumentenpreisindex in unterschiedlichen Zeitpunkten - niedriger ausfallen würde. Für dieses Resultat
müssten nämlich die Preise von Leistungen in der Schattenwirtschaft weniger rasch wachsen als jene in der offiziellen Wirtschaft. Solange nicht, wie in der Vergangenheit, neue finanzielle Anreize für ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft geschaffen werden, kann diese aufgrund des Wandels der Einstellungen und der technischen Möglichkeiten auch laufend an preislicher Wettbewerbsfähigkeit einbüssen.

Wie in anderen Bereichen der Schattenwirtschaft fehlen leider wieder die empirischen Beobachtungen, die zur Bestätigung der Vermutung einer in der Vergangenheit tieferen Teuerung nötig wären. Der mögliche Einfluss auf die Teuerungsrate lässt sich deshalb nur anhand hypothetischer Zahlenbeispiele darstellen. So würde bei einem Anteil der Schattenwirtschaft an den Konsumausgaben von 5 Prozent und einer Differenz in den Teuerungsraten zwischen offizieller Wirtschaft und Schattenwirtschaft von 5 Prozentpunkten pro Jahr, also grosszügigen Annahmen, der Fehler in der ausgewiesenen Teuerungsrate nur 0,3 Pn> zentpunkte pro Jahr betragen. Mit Bezug auf wirtschaftspolitische Massnahmen

1237

zur Teuerungsbekämpfung vermag diese potentielle Verzerrung den angezeigten Handlungsbedarf nicht zu verfälschen.

; Wie bei den beiden Grossen Teuerung und reales Wachstum fehlen auch bei der Arbeitslosigkeit konkrete Hinweise, welche es erlaubten, die Unter- bzw.

Überschätzung der effektiven Arbeitslosigkeit in den offiziellen Statistiken näher zu beziffern.

Soweit statistisch gemeldete Arbeitslose gleichzeitig einer Tätigkeit in der Schattenwirtschaft nachgehen und diese den Behörden verheimlichen wird die Arbeitslosigkeit zu hoch ausgewiesen. Bei dieser Argumentation wird implizit ein Arbeitsplatz in der offiziellen Wirtschaft einem solchen in der Schattenwirtschaft gleichgesetzt/Arbeitslos sein heisst dann, keine Beschäftigung irgendwelcher Art zu haben. Diese Auslegung des Begriffes der Arbeitslosigkeit ist nicht unproblematisch: Arbeitsplätze in der Schattenwirtschaft gemessen in der Regel keinen gleichwertigen sozialen Schutz und auch die Verdienstmöglichkeiten dürften sich in Grenzen halten. Dies macht insbesondere die Vollzeitarbeit in der Schattenwirtschaft wenig attraktiv. Arbeitnehmer werden denn auch oftmals nur deshalb in der Schattenwirtschaft tätig sein, weil für sie Arbeitsplätze in der offiziellen Wirtschaft fehlen oder unzugänglich sind.

Ein Merkmal des schweizerischen Arbeitsmarktes ist seine grosse Flexibilität.

Die Veränderung der Arbeitslosenzahlen ist nur in beschränktem Umfang ein Spiegelbild der Beschäftigungsschwankungen. Auch Bewegungen in der Zahl der ausländischen Arbeitskräfte können dieses Phänomen nur zum Teil erklären. Es muss aufgrund der verfügbaren Statistiken angenommen werden, dass lange nicht alle, die aus dem Erwerbsprozess ausscheiden, sich als arbeitslos registrieren lassen. Das bedeutet nun nicht etwa, dass sie in die Schattenwirtschaft abgewandert wären. Wie im zweiten Abschnitt vermerkt, ist beim Rückzug beispielsweise eines mitverdienenden Ehegatten vom offiziellen Arbeitsmarkt eine Verstärkung der Selbstversorgungswirtschaft sehr viel wahrscheinlicher. Diese Bewegungen zwischen Erwerbstätigkeit und Selbstversorgungswirtschaft sind stark konjunkturabhängig. Nach Berechnungen der Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich könnten sich als Folge der Rezession von 1982 rund 100 000 Personen vom offiziellen Arbeitsmarkt zurückgezogen haben.
Die Unsicherheit ist gross, wieweit es sich hierbei um eine freiwillige oder unfreiwillige «Beschäftigungslosigkeit» handelt. Diese Unsicherheit belastet die Einschätzung der Arbeitsmarktlage jedenfalls weit mehr als die Frage nach der Zahl der Arbeitslosen, die möglicherweise einer Schwarzarbeit nachgehen.

Zwischen Wirtschaftsstatistik und Wirtschaftspolitik besteht eine Wechselbeziehung. Die Art der Wirtschaftspolitik, die man betreiben will, bestimmt die Anforderungen an die Wirtschaftsstatistik. Die Möglichkeiten der Wirtschäftsstatistik beeinflussen ihrerseits den Inhalt der Wirtschaftspolitik, die man verfolgen kann. In den letzten Jahren ist international eine Hinwendung zu einer mittelfristig ausgerichteten Wirtschaftspolitik zu beobachten. Die Abkehr von einer ausgeprägten Feinsteuerung hat ihren Grund unter anderem in den Schwierigkeiten, die wirtschaftliche Entwicklung präzis vorauszusagen. Die Schattenwirtschaft trägt dazu insofern bei, als auch sie den Fehler in den statistischen Angaben hinauftreibt. Die vorgelegten hypothetischen Berechnungen zeigen nun aber, dass mit Bezug auf gesamtwirtschaftliche Fragen Diagnosefehler nicht zu

1238

erwarten sind, solange die Wertschöpfung in der Schattenwirtschaft nur wenige Prozente des Sozialproduktes ausmacht.

42

Der Einfluss der Schattenwirtschaft auf die Stabilitätspolitik

Die Stabilitätspolitik hat eine kurz- und eine längerfristige Ausrichtung. In der kurzfristigen Optik geht es um die eigentliche Konjunkturpolitik, wogegen in der langfristigen Betrachtung wachstumspolitische Aspekte im Vordergrund stehen.

Die Konjunkturpolitik bedient sich im wesentlichen zweier Instrumente, nämlich der Finanz- und der Geldpolitik. Der Finanzpolitik stehen grundsätzlich die beiden Möglichkeiten offen, entweder mit Veränderungen in den öffentlichen Ausgaben oder mit Variationen in den Steuersätzen auf Gesamtnachfrage und Beschäftigung Einfluss zu nehmen. Auswirkungen auf die Schattenwirtschaft gehen weniger von der Ausgabenseite, als vielmehr von der staatlichen Einnahmenseite aus.

Steuersenkungen haben immer einen Einkommenseffekt und in der Regel auch einen Preiseffekt. Reduziert die öffentliche Hand die Steuersätze, erhöht sich das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte und Unternehmen. Davon verspricht man sich eine Belebung der Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern. Ein Teil der zusätzlichen Nachfrage wird dabei auf Leistungen der Schattenwirtschaft entfallen und damit die Wirkung der Steuersenkung - gemessen am Einfluss auf das ausgewiesene Sozialprodukt und die offizielle Beschäftigungsstatistik - verringern. Diesem unerwünschten Einkommenseffekt dürfte jedoch eine erwünschte Preiswirkung entgegenstehen. Senkt der Staat beispielsweise die direkten Steuern, gehen die preislichen Vorteile der Schattenwirtschaft tendenziell zurück. Sie verliert an Wettbewerbsfähigkeit und ein Teil der Nachfrage wendet sich wieder der offiziellen Wirtschaft zu.

Steuererhöhungen wirken mit umgekehrtem Vorzeichen. Die höheren Steuersätze sind tendenziell einer Ausweitung der Schattenwirtschaft förderlich. Soweit die durch höhere Steuern geschaffenen Wettbewerbsvorteile der Schattenwirtschaft zu einer wesentlichen Verlagerung von Tätigkeiten in die Schattenwirtschaft führen, kommt es angesichts der hier erzielten Einkommen und hinterzogenen Steuern natürlich auch nicht zum erhofften Entzug von Einkommen und Kaufkraft. Die Existenz einer bedeutenden und in ihrer Ausdehnung elastischen Schattenwirtschaft wirkt sich deshalb dahingehend aus, dass der stabilitätspolitische Einsatz der Finanzpolitik weniger wirksam ist. Angesichts der vermuteten Grössenordnungen wird man im Fall der
Schweiz aber zum Schluss kommen müssen, dass andere Faktoren die Wirksamkeit der Finanzpolitik stärker in Frage stellen.

In der Geldpolitik hat sich die Schweiz bekanntlich seit über zehn Jahren der Geldmengensteuerung verpflichtet. Geld findet sowohl in der offiziellen wie in der Schattenwirtschaft Verwendung. Die Schattenwirtschaft kann die Geldpolitik insofern erschweren, als sie in die Schätzung der Geldnachfrage ein Unsicherheitsmoment hineinträgt und die Abstimmung des Geldangebotes auf die Nachfrage schwieriger gestaltet. Die praktische Bedeutung dieses Problems ist 1239

allerdings beschränkt. Dass an jenen Jahresenden, die gleichzeitig Stichtag für die Vermögenssteuer sind, die Bargeldhaltung deutlich ansteigt, ist voraussehbar. Auch ist bekannt, dass die Geldnachfrage konjunkturellen Schwankungen unterliegt. Insofern findet ein allfälliges zyklisches Muster in der Grosse der Schattenwirtschaft Beachtung bei der Festlegung der Geldpolitik. Angesichts der vielfältigen Bestimmungsfaktoren der Schattenwirtschaft ist weiter davon auszugehen, dass diese sich nicht sprunghaft, aufgrund besonderer Ereignisse, sondern eher längerfristig entwickelt. Ihr Einfluss dürfte sich deshalb am ehesten im Trend der Geldnachfrage niederschlagen. Solchen Veränderungen ist aber bei der empirischen Schätzung der Geldnachfrage vergleichsweise einfach Rechnung zu tragen.

Die Rahmenbedingungen, wie sie unter anderem in der Höhe der Steuersätze und der Dichte der Regulationen zum Ausdruck kommen, sind für das Aüsmass der Schattenwirtschaft mitverantwortlich. Diese Rahmenbedingungen werden auf der andern Seite auch als ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für das Wirtschaftswachstum angesehen. Zwischen der Wachstumspolitik - Stabilitäfspolitik in ihrer mittel- bis langfristigen Ausrichtung - und dem Bemühen, die Schattenwirtschaft möglichst klein zu halten, besteht deshalb Übereinstimmung mit Bezug auf das Ziel, möglichst gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Diese Harmonie zwischen dem Ziel, das Wachstum zu fördern, und dem Ziel, die Schattenwirtschaft klein zu halten, legt als Massnahmen den Abbau von Vorschriften und die Verringerung der Steuerbelastung nahe. Dieser Gedanke ist jedoch weit einfacher zu formulieren als in die Praxis umzusetzen. Auf die dabei zu beachtenden Gesichtspunkte werden wir in den folgenden Abschnitten eingehend eintreten. Die Existenz einer Schattenwirtschaft behindert die Wachstumspolitik also nicht, ihr Anwachsen kann aber die Bedeutung einer Wachstumspolitik im genannten Sinne anheben. Es geht darum, die Verbesserung der Rahmenbedingungen mit den anderen Anliegen staatlichen Handelns in Übereinstimmung zu bringen. Während im Fall der Stabilitätspolitik zusammengefasst kaum Beeinträchtigungen zu gewärtigen sind, bleibt somit offen, ob diese beruhigende Feststellung auch auf andere Politikbereiche zutrifft.

43

Verteilungspolitik und Schattenwirtschaft

Obschon verteiiungspolitische Aspekte sich praktisch in jedem staatlichen Handeln nachweisen lassen und die Verteilungspolitik im politischen Raum somit ein grosses Gewicht hat, bleibt sie dennoch ein schwer fassbares Konzept. Auf der begrifflichen Ebene bestehen in den wenigsten Fällen klare und einheitliche Vorstellungen darüber, was als eine gerechte Verteilung anzusehen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass über die Verteilungssituation nur beschränkte Unterlagen vorliegen, so dass über die Beziehung zwischen Verteilungspolitik und Schattenwirtschaft ein grosses Mass an Unsicherheit verbleibt. Dennoch sind Probleme der Schattenwirtschaft letzten Endes schwergewichtig verteilungspolitische Probleme. Ob ein staatliches Einschreiten gegenüber den verschiedenen Erscheinungsformen der Schattenwirtschaft erwünscht ist oder nicht, hängt wesentlich davon ab, ob die beobachtbaren Entwicklungen die Gerechtigkeitsvorstellüngen verletzen.

1240

Einkommenstransfers und mentorische Güter Die Korrektur gewisser Marktergebnisse steht zuoberst in jeder Begründung verteilungspolitischer Anliegen. Die primär leistungsbezogene Verteilung des marktwirtschaftlichen Produktionsergebnisses soll so korrigiert werden, dass in ihrer Leistungsfähigkeit benachteiligte Bevölkerungsgruppen nicht von der Befriedigung grundlegender Konsumbedürfnisse im weitesten Sinne ausgeschlossen werden. Diesem Anliegen wird auf zwei Arten entsprochen, einerseits durch direkte Einkommenszahlungen an die betreffenden Haushalte, anderseits durch die Bereitstellung von Gütern durch den Staat, die vergünstigt oder sogar gratis abgegeben werden. Dabei muss es sich nicht um öffentliche Güter im Sinne der Volkswirtschaftslehre handeln. Es kann sich auch um sogenannt meritorische Güter handeln, bei welchen ein Markt eigentlich spielen könnte, weil Nichtzahlende vom Konsum ausgeschlossen werden können. Beispiele sind vergünstigte Spitaltarife in der allgemeinen Abteilung, das Schulwesen, gratis oder zu geringen Tarifen zugängliche Kultur- und Freizeiteinrichtungen.

Die Einkommenstransfers und die vom Staat aus sozialen Gründen unter den Selbstkosten abgegebenen Leistungen müssen finanziert werden. Die zu solchen Zwecken erhobenen Steuern begünstigen gegebenenfalls das Anwachsen der Schattenwirtschaft. Zwischen der Sozialpolitik und dem Ziel, die Schattenwirtschaft klein zu halten, besteht somit ein gewisser Konflikt. Aus 4em Umstand, dass gewisse Steuerpflichtige, die von ihnen geforderten Solidaritätsleistungen nicht erbringen wollen und mit einem Ausweichen in die Schattenwirtschaft reagieren, ergeben sich Grenzen für die Sozialpolitik. Nähert sich die Politik diesen Grenzen, kann das Anheben des Kostendeckungsgrades bei vergünstigt abgegebenen Leistungen und die Verstärkung der direkten Transfers eine Lösung sein. Diese Massnahme dürfte auch die volkswirtschaftliche Allokation verbessern. Mit andern Worten kann es für die Politik angezeigt sein, verteilungspolitische Anliegen bei Ausgabenbeschlüssen weniger zu gewichten, wenn die Mitnahmeeffekte bedeutend sind, um so eingesparte Mittel für gezielte Direktzahlungen zu verwenden.

' Öffentliche

Güter und ihre Finanzierung

Etwas anders stellt sich die Lage bei den eigentlichen öffentlichen Gütern dar.

Bei diesen Gütern muss der Marktmechanismus versagen, weil der Nichtzahlende vom Konsum einer Leistung nicht ausgeschlossen werden kann. Können Leistungen unabhängig davon in Anspruch genommen werden, ob man dafür zahlt oder nicht, genügen Aufrufe an die Solidarität in aller Regel nicht, und es gelingt nicht, aus freiwilligen Beiträgen die Kosten der Leistungserstellung zu bestreiten.

Denkbar und beobachtbar sind auf Freiwilligkeit beruhende Lösungen allenfalls noch innerhalb von kleinen Gemeinschaften. Im grösseren Rahmen bleibt bei solchen' Leistungen keine andere Lösung, als dass der Staat die Produktion veranlasst und die Kosten mittels Steuern deckt. Das öffentliche Angebot enthält viele Leistungen, die ihrer Natur nach gratis abgegeben werden müssen. Zu denken ist an die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, an die Landesverteidigung, an die Feuerwehr, an einen gewissen sozialen Ausgleich. Bei der

1241

Ausgestaltung des Einnahmensystems geht es darum, die Kosten dieser Leistungen auf «gerechte», allgemein akzeptierte Weise zu verteilen.

Die Steuerhinterziehung als eine Erscheinungsform der Schattenwirtschaft bewirkt in diesem Zusammenhang zweierlei: - Wirtschaftlich recht gestellte Bevölkerungskreise nehmen Leistungen in Anspruch, ohne dafür zu bezahlen. Für die Kosten müssen die ehrlichen Steuerzahler aufkommen. Diese Feststellung beschreibt einen Zustand im Sinne einer Momentaufnahme.

.

- Abgesehen davon, dass dieser Zustand für sich allein betrachtet bereits unerwünscht ist, kommt als verhängnisvoller Umstand hinzu, dass einem solchen Zustand eine Tendenz zur Instabilität innewohnt. Erhalten die Steuerzahler den Eindruck, mit ihren Abgaben Leistungen für Steuerpflichtige mitzufinanzieren, welche kraft ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit selber dazu in der Lage wären, so sinkt die Steuermoral. Das Vertrauen des Bürgers in den Staat, wonach dieser für eine gerechte Lastenverteilung sorgt, schwindet. Ein weiteres Umsichgreifen der Steuerhinterziehung kann die Folge sein.

Für eine ausreichende Versorgung mit öffentlichen Gütern besorgt zu sein, ist ein wesentliches Ziel staatlichen Handelns. Will er diesem gerecht werden, muss er Steuern eintreiben. Die überwiegende Zahl der Steuerzahler leistet aus Einsicht in diese Zusammenhänge ihren Beitrag. Einzelne Trittbrettfahrer wird es aber immer geben. Da Trittbrettfahren einem Kavalier nicht ansteht,' geht es nicht an, in der Steuerhinterziehung ein Kavaliersdelikt zu sehen.

Wie im Bericht über Massnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung vom 19. Dezember 1983 (BEI 1984 l 121 ff.) festgestellt wurde, lassen sich über den Umfang der effektiven Steuerhinterziehung bestenfalls Mutmassungen an-, stellen. Dennoch darf von der fehlenden Messbarkeit nicht auf die Irrelevanz des Problems geschlossen werden. Gerade die Möglichkeit eines selbstverstärkenden Prozesses lässt die Steuerhinterziehung aus verteilungspolitischer Sicht zu einem zentralen Problem der Schattenwirtschaft werden.

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Der Einfluss der Schattenwirtschaft auf weitere Politikbereiche

Staatliches Handeln geht weit über die Stabilitätspolitik und die Verteilüngspolitik hinaus. Für den wirtschaftlich Tätigen haben die in anderen Politikbereichen gesetzten Rahmenbedingungen dabei oft einen gleichen oder sogar höheren Stellenwert als beispielsweise die fiskalischen Regelungen. Entsprechend gross können die wirtschaftlichen Anreize sein, durch eine Verheimlichung gewisser Tätigkeiten unangenehmen Auflagen zu entgehen. Die Folgen eines solchen Verhaltens sind doppelt: Einmal werden die Anliegen der Allgemeinheit nicht im erwünschten Umfang erreicht, zum zweiten ergibt sich eine Verzerrung der Wettbewerbsverhältnisse.

Beeinträchtigung von rechtlich geschützten Anliegen der Allgemeinheit Es würde zu weit führen, hier auf die einzelnen Sektoralpolitiken einzutreten und zu bestimmen, wieweit die Existenz einer Schattenwirtschaft die Errei1242

chung der staatlichen Ziele beeinträchtigt. In einigen Bereichen ist aber nicht zu verkennen, dass ein entschlossenes Vorgehen gegen die Schattenwirtschaft nötig und gerechtfertigt ist.

Dies trifft etwa mit Bezug auf die Politik der Stabilisierung der Zahl der Ausländer in der Schweiz zu. Das Unterlaufen der fremdenpolizeilichen Regelungen durch die Beschäftigung von nicht gemeldeten ausländischen Arbeitskräften ist eines der zentralen Probleme der Schattenwirtschaft. Da an der gegenwärtigen Fremdarbeiterpolitik, die auf die Stabilisierung der ausländischen Wohnbevölkerung in der Schweiz abzielt, mit ihrer strengen Kontingentierung festgehalten werden soll, ergeben sich nur beschränkt Möglichkeiten, anders als mit Kontrollen und Bussen gegen solche Schwarzarbeit vorzugehen. Angezeigt sind in diesem Zusammenhang aber flankierende Massnahmen, die dem Schwarzarbeiter wenigstens den Sozialschutz erhalten.

Bestimmungen und Vorschriften zum Schutz des Menschen bezwecken, die angesprochenen Bevölkerungskreise vor nachteiligen Auswirkungen zu bewahren, denen sie sich ohne diese Vorschriften als Folge fehlender Voraussicht oder mangelnden Durchsetzungsvermögens nicht entziehen können. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass der wirtschaftlich Stärkere seine Stellung ausnützt. Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft sind nun oftmals dadurch gekennzeichnet, dass Gebote des Arbeits- und Sozialrechtes missachtet und sozial Schwache ihrer Rechte als Arbeitnehmer beraubt werden. Krasse Verhältnisse treten gelegentlich im Fall von ausländischen Arbeitskräften auf, die sich aus Furcht vor einer möglichen Ausweisung nicht zu wehren vermögen. Die Verletzung der sozialen Gerechtigkeitsvorstellungen, die in den angeführten Bestimmungen ihren Ausdruck finden, können die Behörden nicht tatenlos hinnehmen, wollen sie den Erwartungen der Öffentlichkeit entsprechen. Vielmehr muss ihnen durch eine gewerbepolizeiliche Aufsichtstätigkeit entgegengetreten werden, die dazu führt, dass die entsprechenden wirtschaftlichen Aktivitäten wieder in der offiziellen Wirtschaft und unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften ausgeübt werden.

Analog verhält es sich im Bereich der Bestimmungen zum Schutze der Umwelt.

Hier ist es nicht einmal nötig, auf ethische Grundsätze zurückzugreifen, um staatliches Handeln zu begründen. Bereits
rein ökonomische Überlegungen sprechen in zahlreichen Fällen dafür, dass Bestimmungen zum Schutz der Umwelt erlassen und in allen Bereichen mit gleicher Konsequenz durchgesetzt werden. Die hohen Kosten, die der Allgemeinheit beispielsweise bei der Sanierung ungeordneter Deponien erwachsen, belegen dies. Dass auch diese verheimlichten Tätigkeiten zur Schattenwirtschaft zählen, ergibt sich aus dem Umstand, dass die bei einer ungesetzlichen Entsorgung eingesparten Kosten nicht ins ausgewiesene Sozialprodukt eingehen und dieses deshalb verfälschen.

Unter vielen anderen Bestimmungen, die der Durchsetzung von Anliegen der Allgemeinheit dienen, möchten wir nur noch die gesundheitspolizeilichen Regelungen nennen, die beispielsweise im Bereich des Fleischschmuggels gelegentlich eine Rolle spielen. Unterlaufen werden diese Regelungen aber insbesondere im Bereich der Drogen, aus deren Produktion und deren Handel die Beteiligten erhebliche Einkommen erzielen.

1243

Wettbewerbsordnung , i · Soweit es gelingt, in der Schattenwirtschaft jene Vorschriften zu umgehen, mit denen die Anliegen der Allgemeinheit geschützt werden sollen, kommt es auch zu einer Verfälschung der Wettbewerbsverhältnisse: Nicht nur der spezifischen Anliegen wegen, die mit der Rechtsordnung geschützt werden sollen, .sondern auch im Zeichen der Wahrung korrekter Wettbewerbsverhältnisse ist eine Bekämpfung der Schattenwirtschaft deshalb geboten. Es geht darum zu verhindern, dass ein Wettbewerber durch eine unzulässige Verheimlichung von Tätigkeiten preisliche Vorteile erringen kann. Es geht aber auch darum zu bewirken, dass dort, wo ein bestimmtes Ziel zu erreichen ist, die Vorschriften nicht unnötig scharf angesetzt werden müssen, weil nur ein Teil der Normadressaten tatsächlich ins Recht genommen werden kann.

Zu beachten ist, dass die Wettbewerbsordnung durch die Schattenwirtschaft nicht nur tangiert wird, sondern selber Anlass zur Betätigung in der Schattenwirtschaft geben kann. Zu erwähnen sind hier einmal die Regelungen des Patentrechtes, des Urheberrechts und des Markenartikelrechtes. Im Schwarzen gepresste Schallplatten, Raubdrucke und die Fälschung von Markenuhren können ein lukratives Geschäft sein. Neue Technologien tragen dazu bei, dass diese Formen von illegaler und deshalb regelmässig verheimlichter Einkomménserzielung in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen könnten. Anlass zur Schattenwirtschaft geben aber nicht nur solche, auf eine Stärkung des dynamischen Wettbewerbs ausgerichtete Regelungen, sondern insbesondere auch all jene Regelungen, mit welchen der Staat auf eine Beschränkung der Wettbewerbskräfte abzielt. Dazu zählen etwa protektionistische Regelungen, die dem Schmuggler zu seinem Einkommen verhelfen. Aber nicht nur an der Grenze, sondern auch im Inland werden durch wettbewerbsbeschränkende Regelungen Preisgefälle erzeugt, die dazu führen, dass es zu Schwarzmärkten kommt. Solches ist etwa im Bereich der Agrarordnung der Fall. Dort bestehen Anreize, über die zugeteilten Kontingente hinaus noch weitere, ungesetzliche Absatzwege zu erschliessen, um eine überschüssige Produktion abzusetzen.

Sobald solche Praktiken um sich greifen, erreicht eine staatliche Politik ihre Ziele nicht mehr. Entweder bleibt die gewünschte Verhaltensänderung aus, oder sie wird nur gegenüber einzelnen,
gesetzestreuen Marktteilnehmern durchgesetzt, so dass es zu einer Verletzung des Postulates der Rechtsgleichheit kommt.

Diese Feststellung belegt deutlich, wie gefährlich es ist, Verständnis gegenüber Betätigungen in der Schattenwirtschaft zu zeigen.

5

Massnahmen gegen die Schattenwirtschaft

Weiter oben haben wir festgestellt, dass eine gegen die Schattenwirtschaft gerichtete Politik im Abbau von Vorschriften und in der Verringerung der Steuerbelastung bestehen kann, dass ein solcher Leitgedanke jedoch weit einfacher zu formulieren als in die Praxis umzusetzen ist. Dies wird klar, sobald man beachtet, dass die eingeforderten Steuern der Finanzierung der öffentlichen Leistungen dienen. Steuern lassen sich also dann abbauen, wenn man sich einigen kann, für welche Anliegen der Staat weniger ausgeben soll. Nicht zu vergessen 1244

ist dabei, dass an den Staat auch neue Aufgaben herantreten, und die hier benötigten Mittel gegebenenfalls über das hinausgehen, was bei einem gewissen Wirtschaftswachstum auf den einzelnen staatlichen Ebenen mehr an Steuern eingeht. Ähnlich verhält es sich bei den Regulationen, deren Erlass staatliche Subventionen und Lenkungsabgaben ersetzen kann. Auch hier führt der technische, wirtschaftliche und soziale Wandel zu neuen Rechtssetzungsbedürfnissen, denen auch im Interesse eines ausgeglichenen und reibungslosen Wirtschaftswachstums und zeitgemässer Rahmenbedingungen entsprochen werden muss.

Das schwierige Unterfangen zu erkennen, welche Teile der bestehenden Gesetzgebung gleichzeitig als überlebt zu gelten haben und gestrichen werden können, wurde bisher nur gelegentlich mit Erfolg versucht.

Ein gewisses Optimierungspotential ist sicher vorhanden, indem durch einen gezielteren Einsatz der finanziellen Mittel und administrative Vereinfachungen Einsparungen zu erzielen sind. Weiter können Parlament und Behörden durch besser aufeinander abgestimmte Gesetzestexte und durch die Beschränkung auf das Wesentliche der Normenflut in einem gewissen Umfang Einhalt gebieten.

Wie bei jedem Optimierungsproblem gilt aber auch hier, dass die Verbesserungsmöglichkeiten sich mit der Zeit erschöpfen. Niedrigere Steuern und weniger Regulationen setzen dann den Verzicht auf staatliches Handeln voraus. Oft wird man zu diesem Verzicht nicht bereit sein, da andere Anliegen wichtiger sind als die Schaffung von Verhältnissen, die der Schattenwirtschaft ihre Grundlage entziehen. In einem solchen Fall hält es schwer, der Schattenwirtschaft anders als mit Kontrollen und Sanktionen entgegenzutreten.

In den folgenden vier Abschnitten zeigen wir, wie der Staat bereits heute wichtigen Erscheinungsformen der Schattenwirtschaft entgegentritt. Dabei wird der Rahmen bewusst weit gesteckt, damit deutlich wird, dass die Schattenwirtschaft nicht nur ein Thema ist, wenn gegen sie gezielt mit Kontrollen und Sanktionen vorgegangen wird. Vielmehr ist es ein Ziel des Handelns auf Bundesebene, aber auch auf kantonaler und kommunaler Ebene, die Abgabenbelastung tief zu halten und Regulationen zu erlassen, die sinnvoll, nötig, verhältnismässig und rechtsgleich sind. Das Nebeneinander von repressiven Massnahmen und Massnahmen, die darauf
abzielen, der Schattenwirtschaft ihre Grundlage zu entziehen, wird im Abschnitt über die Bekämpfung der Steuerhinterziehung besonders deutlich. Aus dem Abschnitt über die Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit geht dagegen hervor, dass es gelegentlich schwer hält, gewisse Ziele anders als mit Kontingenten zu erreichen. Entsprechend steht hier deren Durchsetzung mit Kontrollen und Strafen im Vordergrund. Es liegt ausserhalb der Möglichkeiten der Schweiz, im Sinne einer Ursachentherapie das zum Rest der Welt bestehende Gefalle bei Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen im gewünschten Sinn abzubauen. Umgekehrt versuchen wir im dritten Abschnitt am Beispiel des Umweltschutzgesetzes zu zeigen, dass es bei der Gesetzgebung möglich ist, Normen zu erlassen, die die Anreize zu einem Ausweichen in die Schattenwirtschaft nicht unbedingt erhöhen. In diesem Abschnitt findet sich auch der Gedanke, dass es dem liberalen Staat besser ansteht, gewisse sozial erwünschte Verhaltensweisen über geeignete wirtschaftliche Anreize oder durch Aufklärung, denn über den Erlass von bindenden Rechtsnormen und deren gewerbepolizeiliche Durchsetzung herbeizuführen. Welche polizeilichen

1245

Massnahmen der Bund an der Grenze zwecks Eindämmung von Erscheinungen der Schattenwirtschaft trifft, beleuchtet der letzte Abschnitt.

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Massnahmen gegen die Steuerhinterziehung

Erstmals berichtete der Bundesrat 1962 über Motive der Steuerhinterziehung und Massnahmen zu ihrer Bekämpfung (Bericht zur Motion Eggenberger; BB1 1962 l 1057). Ein 1981 von der sozialdemokratischen Fraktion eingereichter Vorstoss bot dem Bundesrat Gelegenheit, sich über die jüngere Entwicklung in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu äussern (Bericht vom 19. Dezember 1983; BB1 1984-1 121). Die in den beiden Berichten gemachten Ausführungen behalten weiterhin ihre Geltung. Der Bundesrat erachtet es jedoch als angezeigt, im Zusammenhang mit der Diskussion um die Schattenwirtschaft einige Punkte erneut aufzugreifen.

' Sicher sind die materiellen Vorteile aus der Umgehung einer Abgabenpflicht das hauptsächlichste Motiv für eine Steuerhinterziehung. Diesem egoistischen Tun muss die Gesellschaft durch den Erlass von Strafbestimmungen und durch deren einheitliche und konsequente Durchsetzung entgegentreten. Aus dem Bericht von 1983 geht hervor, dass es weit weniger an gesetzlichen Handhaben fehlt, denn an deren konsequenter Anwendung auf allen staatlichen Ebenen, insbesondere auch im kantonalen Bereich. Wo dem Bund die Oberaufsicht über den Vollzug der Steuergesetze obliegt, wird er sich auch in Zukunft um eine konsequente und einheitliche Praxis bemühen. Insbesondere hält der Bundesrat an seiner in der Botschaft über die Steuerharmonisierung9) vertretenen Auffassung fest, dass das Eidgenössische Finanzdepartement für die Belange der direkten Bundessteuer bei begründetem Verdacht auf schwere Steuerwiderhandlungen 10 ) unabhängig von einem kantonalen Ersuchen den Einsatz der; besonderen Steuerkontrollorgane des Bundes sollte vorsehen können. Der Ständerat (Erstrat) hat diesem Vorschlag des Bundesrates in der Frühjahrssession 1986 im Rahmen der Beratungen über das Gesetz über die direkte Bundessteuer zugestimmt. Unterstützung verdienen weiter die Bemühungen der Finanzdirektorenkonferenz, ein Vorgehen bei der Einnahmenbeschaffung herbeizuführen, bei welchem die Kantone wechselseitig aufeinander Rücksicht nehmen, um nicht durch Steuerabkommen Rechtsungleichheiten hervorzurufen.

Neben egoistischen Motiven können vermeintliches staatliches Unrecht sowie tatsächlich vorhandene Lücken und Härten der Besteuerung der Steuerhinterziehung Vorschub leisten. Diesbezüglich darf der automatische volle Ausgleich
der Folgen der kalten Progression bei den direkten Steuern des Bundes (eingeführt am 1. Januar 1985) und bei einer wachsenden Zahl von Kantonen positiv vermerkt werden. Durch die Verabschiedung der Vorlage über die Steuerharmonisierung (BB1 1983 III 1) könnte in dieser Beziehung ein weiterer Schritt getan 9

> Bundesgesetze über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden sowie über die direkte Bundessteuer; BB1 1983 III l ff., insbesondere 231 ff.

und 376.

lo > Steuerbetrug und andere Steuervergehen sowie fortgesetzte Hinterziehung grosser Steuerbeträge.

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werden. Insbesondere der .mit dem Übergang auf die einjährige Gegenwartsbesteuerung verbundene Wegfall der Zwischenveranlagungen würde die Transparenz der Steuerbemessung ganz erheblich erhöhen. Leider hat sich der Ständerat anlässlich der Beratungen der Vorlage über die Steuerharmonisierung Order Frühjahressession 1986 gegen eine generelle Einführung der einjährigen Gegenwartsbesteuerung ausgesprochen. Anlässlich der Behandlung des Gesetzes über die direkte Bundessteuer entschied sich dagegen die vorberatende Nationalratskommission in erster Lesung zugunsten der einjährigen Gegenwartsbesteuerung, wie sie in der Botschaft des Bundesrates vorgeschlagen wird. Für eine Verabschiedung der Botschaft zur Steuerharmonisierung im Sinne des Bundesrates sprechen weiter die dann möglichen Vereinfachungen bei interkantonalen Steuerausscheidungen. Gesamthaft gesehen würde es weniger oft zu Veranlagungsverfügungen kommen, die den konkreten Verhältnissen nicht gerecht werden (können). Das Interesse an einem transparenten und einfach ,zu handhabenden Steuersystem setzt auch der Zahl der Anliegen Grenzen, die mittels spezieller steuerlicher Anreize gefördert werden sollen.

Steuern sind voraussetzungslos geschuldete Abgaben. Dennoch wird der Bürger seinen Steuerleistungen jene Fälle gegenüberstellen, in welchen ,er in den Genuss staatlicher Leistungen gelangt. Ein vermeintliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erhöht den Steuerwiderstand und begünstigt die Defraudation. Durch eine verstärkte Durchsetzung des Äquivalenzprinzips lässt sich den Bestrebungen der verschiedenen Interessengruppen entgegenwirken, ihre Partikularinteressen aus allgemeinen Bundesmitteln finanzieren zu lassen.

In die gleiche Richtung zielt die Erhebung von Lenkungsabgaben, die auch einer Senkung der allgemeinen Steuerbelastung dienlich gemacht werden können.

Eine weitere Überlegung knüpft bei der Erfahrung an, dass bei den direkten Steuern der Steuerwiderstand erheblich grösser ist als bei den indirekten Steuern. Der Grund hierfür wird im Umstand gesehen, dass der Steuerpflichtige die indirekten Steuern besser überwälzen kann und insoweit nient identisch mit dem Steuerträger ist. Nun besteht aber in der Schweiz bei den Einnahmen der öffentlichen Hand ein ausgeprägtes Übergewicht der direkten gegenüber den indirekten
Steuern. Eine ertragsneutrale Milderung dieses Ungleichgewichtes läge deshalb auch im Interesse einer Begrenzung der Schattenwirtschaft.

Zurückhaltung ist gegenüber jenen Vorschlägen angebracht, welche die marginale Steuer- und Abgabenbelastung hinauftreiben. Die Diskussion um die 10. AHV-Revision ging denn auch bis jetzt von der Vorgabe der Kostenneutralität aus. Wo gewichtige sozialpolitische Anliegen zu verfolgen sind, muss dieser Grundsatz allerdings flexibel gehandhabt werden. So gibt die vom Parlament am 9. Oktober 1986 verabschiedete zweite IV-Revision dem Bundesrat die Kompetenz, die Beiträge an die IV um 2 Lohnpromille heraufzusetzen, wenn dies für den Rechnungsausgleich nötig ist. Erneut stellen wird sich die Frage der Lohnprozente bei der Beratung der Krankenkasseninitiativen.

Die Kontrolle des Verhältnisses zwischen Staatsausgaben, resp.: Steuereinnahmen, und Volkseinkommen ist ein Mittel zur Wahrung eines guten Steuerklimas. Im Rahmen der Finanzplanung spielt die Rücksichtnahme auf die Wachstumsmöglichkeiten der Wirtschaft denn auch eine wesentliche Rolle. Der Bundesrat bemüht sich um eine Stabilisierung des Verhältnisses zwischen Bundes-

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ausgaben und Sozialprodukt, was sich Für die weitere Entwicklung der Abgabenbelastung - soweit sie auf den Bund zurückgeht - günstig auswirkt.

Gerade diese letzten Beispiele zeigen, dass der Steuerhinterziehung nicht nur mit repressiven Mitteln entgegengetreten wird.

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Massnahmen gegen die Schwarzarbeit

Neben der Hinterziehung von Steuern und Abgaben ist die Schwarzarbeit wohl die wichtigste Erscheinungsform der Sehattenwirtschaft. Parlamentarische Vorstösse zu diesem Thema sind denn auch nicht ausgeblieben und haben mit zur Einleitung von Gesetzesrevisionen geführt, auf die weiter unten eingetreten wird.

: , i Einleitend ist kurz darzulegen, mit welchen Gesetzen und Regelungen der Schwarzarbeiter in Konflikt gerät. Die illegale Umgehung von Steuergesetzen und Sozialversicherungsvorschriften steht sicher im Vordergrund, wenn die Schwarzarbeit von Schweizern oder Ausländern mit gültiger Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung verrichtet wird. Gerade bei der Feierabendarbeit wird das Motiv dabei nicht nur in der Verkürzung der Abgabenlast liegen, sondern auch in der Einsparung administrativer Umtriebe (Anmeldung, Abrechnung, Mutationen). Gegenüber dem Staat verheimlicht werden weiter Arbeitsleistungen, die von Personen ohne die nötigen Fähigkeitsausweise oder unter Missachtung von gesetzlichen Schutzvorschriften erbracht werden. Im übrigen dürften zahlreiche Arbeitsleistungen, die mit Verstössen gegen das Arbeitsgesetz und gegen Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts einhergehen, im Verborgenen bleiben. Manche dieser Verstösse - man denke nur an die Verletzung von Ruhezeitvorschriften bei Transportunternehmen - können schwerwiegende Auswirkungen haben. Dennoch gilt die Missbilligung in der Öffentlichkeit weniger diesen Formen der Schwarzarbeit, als vielmehr der Beschäftigung von Ausländern, welche die zur Arbeitsausübung erforderliche fremdenpolizeiliche Bewilligung nicht besitzen. Die Bekämpfung dieser Art von Schwarzarbeit ist mit der Durchsetzung der Ausländergesetzgebung gleichzusetzen.

, Angesichts der schwierigen Arbeitsmarktlage in den umliegenden Ländern und der wirtschaftlichen Not in weiten Teilen der Welt bestehen erhebliche Anreize, auch ohne entsprechende Bewilligung in der Schweiz erwerbstätig zu werden.

Immer wieder nehmen Schwarzarbeiter dabei auch Bedingungen in Kauf, zu denen der schweizerische Arbeitgeber keine einheimischen Arbeitskräfte beschäftigen könnte. Schwarzarbeit ist denn auch in jenen Bereichen besonders stark vertreten, in denen die saisonalen Schwankungen im Arbeitsbedarf gross sind, in denen die Präsenz am Feierabend, ja in der Nacht und am Wochenende nötig ist,
oder in denen i aufgrund der wirtschaftlichen Situation die Dauerhaftigkeit der Beschäftigung ungewiss ist.

Bei solchen unzulässigen Arbeitsverhältnissen stellt sich unter anderem die Frage, ob der Arbeitnehmer, der keinen Arbeitsvertrag abschliessen; dürfte, Lohnansprüche geltend machen kann. Obwohl diese Frage in der Rechtssprechung nicht geklärt ist, weist der soziale Charakter von Artikel 320 Absatz 3 des Obligationenrechtes doch darauf hin, dass auch der illegal Beschäftigte seine 1248

Lohnansprüche durchsetzen kann. Dies ist insofern zu begrüssgn, als der entdeckte Arbeitgeber sich nicht an eingesparten Lohnzahlungen für die erlittene Busse schadlos halten kann.i Auch erwachsen dem entdeckten Schwarzarbeiter aus der gegen ihn verhängten Strafe (eine Gefängnisstrafe ist möglich), den Kosten der Heimschaffung (an die der Arbeitgeber beitragen muss) und der verfügten Einreisesperre (z.B. für zwei Jahre) erhebliche Nachteile. Vor diesem Hintergrund wäre der Verlust des Lohnanspruches oft eine zu harte Sanktion.

Wichtiger als die Frage des Lohnanspruches ist aber, dass der Schwarzarbeiter ausreichenden Sozialschutz geniesst. Dies wird durch verschiedene Bestimmungen im Sozialversicherungsrecht an sich sichergestellt, nur stellt sich in der Schattenwirtschaft das Problem der Durchsetzung natürlich mit besonderer Schärfe.

Dass gegen Arbeitgeber, die keine AHV-, IV-, EO- und FAK-Beiträge für einen ohne Bewilligung beschäftigten Ausländer bezahlen, wegen Verletzung der entsprechenden Spezialgesetze ein Strafverfahren eröffnet und sogar Gefängnisstrafen verhängt werden können, bildet einen möglichen und von einigen Kantonen auch genutzten Ansatzpunkt für die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Ein anderer Ansatzpunkt ergibt sich, wenn der Arbeitgeber den illegal hier anwesenden Arbeitnehmer beherbergt. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtssprechung ist auch hier eine Bestrafung mit bis zu sechs Monaten Gefängnis möglich. Im weiteren bietet dort, wo aufgrund der praktischen Verhältnisse solche Sanktionen überhaupt anzuwenden sind, die in Artikel 55 Absatz l der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer vorgesehene Sanktion der Bewilligungssperre eine wirkungsvolle Massnahme. Der Strafrahmen für die alleinige Beschäftigung eines fremdenpolizeilich nicht zugelassenen Ausländers ist dagegen bisher beschränkt. Es bleibt bei Bussen bis zu 2000 Franken, eine angesichts der möglichen wirtschaftlichen Vorteile zu niedere Strafe. In Erfüllung der Motion Zehnder vom 8. Dezember 1983 haben wir Ihnen deshalb mit Botschaft, vom 17. September 1986 (BB1 1986 III 249) eine Verschärfung der Strafbestimmungen im ANAG beantragt. Neben einer Erhöhung des Bussenrahmens auf 5000 Franken wird vorgesehen, dass neu auch die alleinige Beschäftigung von ausländischen Schwarzarbeitern mit
Gefängnis geahndet werden kann. Als Strafrahmen steht Gefängnis bis zu sechs Monaten für den rückfälligen Arbeitgeber zur Diskussion. Der Ständerat (Erstrat) hat dieser Revision des ANAG kürzlich zugestimmt.

Angemerkt sei, dass bereits die bestehenden Gesetze und Verordnungen es den Kantonen erlauben, schärfer als bisher üblich gegen diese unerwünschte Erscheinung vorzugehen. Leider werden die bestehenden Möglichkeiten unterschiedlich genutzt. Man kann aber nicht einerseits den Bundesrat bestärken, an seiner Politik der Begrenzung der Zahl der Ausländer in der Schweiz festzuhalten, und sich anderseits gegen die in Befolgung dieser Politik festgesetzten Kontingente wenden. Die betroffenen Wirtschaftszweige haben im Wettbewerb um die in der Schweiz legal verfügbaren Arbeitskräfte zu bestehen.

Bei der Klärung der Gründe für die wachsende Zahl von Asylbewerbern hat sich gezeigt, dass es eigentliche Schlepperorganisationen gibt, die Ausländer ohne die erforderlichen Bewilligungen in die Schweiz bringen und ihnen hier zu Arbeit verhelfen. Dabei erfüllen die so in die Schweiz gelangenden Ausländer 5l Bundesblau. 139.Jahrgang. Bd.II

.

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die Voraussetzungen zur Asylgewährung nur selten. Es ist angezeigt, dem Wirken dieser Schlepperorganisationen durch die beantragte und vom Ständerat gutgeheissene besondere Strafbestimmung im AN AG entgegenzutreten. Mit Botschaft vom 27. November 1985 (BB1 1985 III 556) haben wir Ihnen im übrigen beantragt, im Arbeitsvermittlungsgesetz einen ähnlich gelagerten Straftatbestand einzuführen. Danach sollen Arbeitsvermittler oder Verleiher, die Ausländer entgegen den ausländerrechtlichen Vorschriften vermitteln oder als Arbeitnehmer anstellen, mit Bussen bis zu 100 000 Franken bestraft werden können.

Der Nationalrat (Erstfat) hat dieser Bestimmung kürzlich zugestimmt.

Neben einer Verschärfung der Bussenordnung kommt als Massnahme gegen die Schwarzarbeit auch eine verstärkte Kontrolltätigkeit in Frage. Der Vorteil solcher Schritte würde darin bestehen, dass in- und ausländische Schwarzarbeiter und deren Arbeitgeber in gleicher Weise erfasst würden. Durch eine vermehrte Kontrolle liesse sich eine verbesserte Befolgung aller im Arbeitsrecht enthaltenen und von der SUVA erlassenen Vorschriften erwirken.: Als Ausführungsorgane stehen neben den Beauftragten der SUVA die eidgenössischen und kantonalen Arbeitsinspektorate zur Verfügung. Mit Bezug auf die eidgenössischen Arbeitsinspektorate ist allerdings festzuhalten, dass ihr Personalbestand gering ist, so dass sie vor allem dort tätig sind, wo Probleme des Arbeitnehmerschutzes offen zu Tage treten. Weiter haben sie in wichtigen Bereichen nur beschränkte Kompetenzen. So müssen etwa durch das Gastgewerbe, die Bauwirtschaft und die Spitäler für Arbeitszeitregelungen, die von der Norm abweichen, keine offiziellen Bewilligungen eingeholt werden. Für die Durchsetzung der Bestimmungen, die beispielsweise im Arbeitsgesetz, aber auch in allgemein verbindlich erklärten Gesamtafbeitsverträgen enthalten sind, haben deshalb insbesondere die Sozialpartner selbst zu sorgen. Gerade im hier zur Diskussion stehenden Arbeitsschutzrecht ist dabei zu beachten, dass die gewandelten technischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse immer wieder nach einer Überprüfung der oft schon vor längerer Zeit erlassenen Vorschriften rufen. Im Rahmen solcher Überprüfungen wird zu klären sein, wieweit bestehende Regelungen ihren Zweck noch erfüllen und wieweit es im Zeichen einer
gezielten Deregulation möglich ist, anerkannte Zielsetzungen mit weniger bindenden Auflagen zu erreichen. Gewisse Formen der Schwarzarbeit mit ihren immer wieder unerwünschten Nebenerscheinungen Hessen sich so zurückdrängen.

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Bestimmungen zum Schutze des Menschen und der Umwelt im Spannungsfeld zwischen offizieller Wirtschaft und Schattenwirtschaft

Im Kapitel 4 sind die Konsequenzen der Schattenwirtschaft für die Wirtschaftspolitik untersucht worden. In 'diesem Zusammenhang ist unter anderem auch festgestellt worden, dass die Rahmenbedingungen, wie sie etwa in der Dichte und Qualität der Regulationen zum Ausdruck kommen, für das Ausmass der Schattenwirtschaft mitverantwortlich sind. Die massgebende Überlegung ist dabei, dass die Befolgung von Vorschriften direkt Kosten verursacht oder die Anreize lahmt, im Rahmen der offiziellen Wirtschaft neue technische und wirtschaftliche Möglichkeiten auszunützen.

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Als Beispiel können die im vorangegangenen Abschnitt angesprochenen Arbeitsschutzvorschriften herangezogen werden. Ein generelles Verbot der Nachtarbeit würde die Einführung moderner, aber auch besonders kapitalintensiver Produktionsverfahren behindern. Entsprechende Wirkungen sind bei den gegenwärtig in der Schweiz bestehenden Regelungen nicht offen zu Tage getreten.

Dass angesichts der internationalen Konkurrenz der Druck gross ist, dieses in der Schweiz nur für Frauen im industriellen Sektor geltende Verbot zu lockern, überrascht aber nicht. Soll an ihm festgehalten werden, weil man-beispielsweise glaubt, nur so könnten sich wirtschaftlich Schwächere dem Druck entziehen, während der Nacht zu arbeiten, wird es - unter anderem der finanziellen Anreize wegen - auch weiterhin gelegentlich zu einem Ausweichen in die Schattenwirtschaft kommen.

Andere Beispiele lassen sich dem Sozialversicherungsrecht entnehmen. Hier bestehen heute erhebliche Anreize, ein Arbeitsverhältnis, dessen Fortführung unsicher ist, mindestens am Anfang den Behörden zu verheimlichen. Bei der Konkretisierung und Weiterentwicklung der Sozialversicherungsgesetzgebung, insbesondere des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge, wird man bedacht sein müssen, den Arbeitgebern keine .unnötigen administrativen;Umtriebe und keine Solidaritätsleistungen abzuverlangen, die einzelne Arbeitnehmer besonders betreffen. Das aus Regulationen erwachsende Preisgefälle ist, wie im zweiten Abschnitt ausgeführt, zusammen mit den persönlichen Einstellungen und den technischen Möglichkeiten der wesentlichste Bestimmungsfaktor der Schattenwirtschaft.

Im folgenden soll am Beispiel des Umweltschutzgesetzes gezeigt werden, dass Regulationen nicht a priori die Schattenwirtschaft fördern, sondern sich je nach Ausgestaltung auch neutral oder unter Umständen sogar dämpfend auf die weitere Entwicklung auswirken.

Mit dem Umweltschutzgesetz und seinen neuen Verordnungen 11 ' hat die Regelungsdichte im Umweltbereich zweifellos zugenommen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass es sich bei der Umwelt um ein von allen geteiltes, dem Einzelnen nur schwer zurechenbares Gut handelt. Wie jedes Gut, bei dem sich die Kosten der individuellen Nutzung ohne grosse Schwierigkeiten auf die Allgemeinheit abwälzen lassen, würde die Umwelt ohne Vorschriften übernutzt
bzw. nicht genügend geschützt. Die Zunahme der Umweltbelastung, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu beobachten war, belegt die Notwendigkeit der Vorschriften mit aller Deutlichkeit. Ihnen kommt auch in ökonomischen Grossen ausgedrückt eine zentrale Bedeutung zu, da dank geeigneter Regulationen Schäden an der Natur, Schädigungen der menschlichen Gesundheit und Materialschäden in Milliardenhöhe vermieden werden können.

n)

Das Bundesgesetz über den Umweltschutz trat am I.Januar 1985, in Kraft. Es ergänzte die bereits bestehenden Bundesgesetze wie das Gewässerschutzgesetz, das Fischereigesetz und das Natur- und Heimatschutzgesetz. Von den dazugehörigen Verordnungen sind fünf (die Luftreinhalteverordnung, die Stoffverordnung, die Lärmschutzverordnung und die Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen) bereits in Kraft. Weitere Verordnungen (u.a. die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Störfallverordnung) werden folgen.

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Was die Qualität der Gesetzgebung anbelangt, sind im Umweltschutzgesetz verschiedene Vorschriften enthalten, die sich tendenziell dämpfend auf die weitere Entwicklung der Schattenwirtschaft auswirken oder deren Ausdehnung zumindest nicht weiter fördern. Als Stichworte nennen wir das Verursacherprinzip und die Selbstverantwortung, möchten aber auch den Gedanken der wirtschaftlichen Anreize in die Diskussion einbringen.

Das Verursacherprinzip ist einer der wichtigsten Grundsätze des Umweltschutzgesetzes (Art. 2 USG). Gemäss diesem Prinzip hat der Verursacher die Kosten der Massnahmen zur Verhinderung oder Begrenzung von Umweltbelastungen sowie zur Behebung von Umweltschäden selbst zu tragen, und nicht die Allgemeinheit oder der Staat. Der Vemrsacher erhält damit einen Anreiz, umweltbelastendes Verhalten zu unterlassen. Dies verringert den dem Staat erwachsenden umweltpolitischen Handlungsbedarf.

Eine derartige Regelung wird allgemein als gerecht empfunden. Sie trägt mit Bestimmtheit zu einer als vernünftig empfundenen Abgabenbelastung bei, müssen doch weniger allgemeine Bundesmittel zu umweltpolitischen Zwecken eingesetzt werden. Die Beachtung des Verursacherprinzips wirkt somit in Richtung einer Dämpfung der allgemeinen Steuerbelastung. Wird die Verteilung der wirtschaftlichen Belastung aufgrund der Vorschriften von der grossen Mehrheit der Bevölkerung als gerecht empfunden und lässt sich die Bestimmung rechtsgleich durchsetzen, wird sie sich auch hinsichtlich der Einstellung des Bürgers zum Staat positiv auswirken und den Einzelnen hemmen, in die Schattenwirtschaft auszuweichen. Dem Verursacherprinzip und insbesondere seiner konsequenten Durchsetzung wird auch in Zukunft besondere Beachtung zu schenken sein.

In unserem Gesellschaftssystem kommt der Selbstverantwortung ein hoher Stellenwert zu. Der demokratische Staat setzt mündige Bürger voraus, die bereit und in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. Trotz der zahlreichen Regulationen lässt das Umweltschutzgesetz der Selbstverantwortung viel Raum. So spielt die Selbstkontrolle im Bereich der umweltgefährdenden Stoffe eine wichtige Rolle (Art. 26 USG). Mit der Förderung der Selbstverantwortung kann der Zunahme der Regelungsdichte entgegengewirkt werden, was sich dämpfend auf das weitere Anwachsen der Schattenwirtschaft auswirkt. Selbstkontrolle
setzt allerdings voraus, dass das einzelne Unternehmen und der einzelne Haushalt in der Lage sind, die Umweltfolgen ihres Verhaltens zu erfassen und geeignete korrektive Massnahmen zu entwickeln. Die Informations-, Beratungs- und Ausbildungstätigkeit der Umweltbehörden ist hier angesprochen. Bedeutend ist aber auch, dass jeder die Selbstkontrolle gleich gewissenhaft vornimmt, die Kosten geeigneter Vorkehren nicht scheut und insbesondere ein wettbewerbsverzerrendes Trittbrettfahren unterlässt. Ansonsten wird der Ruf nach vom Staat erlassenen, bindenden Vorschriften nicht unterbleiben.

Wirtschaftliche Anreize sind aus ökonomischer Sicht starren polizeirechtlichen Vorschriften vorzuziehen. Mit Abgaben könnte beispielsweise die Steuerungsfunktion des Marktes ausgenützt und könnten die Umweltziele mit geringeren volkswirtschaftlichen Kosten erreicht werden. Solche Abgaben könnten sich grundsätzlich dämpfend auf die weitere Entwicklung der Schattenwirtschaft auswirken. Dies wäre dann der Fall, wenn sie schwer zu umgehen sind und ihr Ertrag der Senkung der allgemeinen Steuerbelastung dienlich gemacht würde.

1252

In das Umweltschutzgesetz sind seinerzeit weder Abgaben noch andere wirtschaftliche Anreizsysteme aufgenommen worden. Mit ein Grund war dabei, dass entsprechende Vorschläge keine Unterstützung in der Wirtschaft fanden.

Bei verschiedenen Gelegenheiten hat der Bundesrat aber die Absicht bekundet, die potentiellen Vorzüge von Abgaben zu nutzen und konkrete Einsatzvorschläge zu einem späteren Zeitpunkt zur Diskussion zu stellen. Die entsprechenden Arbeiten sind im Gange. Dabei erscheint uns wichtig, dass solche Abgaben nicht einfach Steuern gleichzusetzen sind. Anders als diese voraussetzungslos geschuldeten Abgaben zeichnen sich die hier diskutierten Massnahmen dadurch aus, dass ein knappes, aber bisher gratis (oder zu günstig) abgegebenes Gut einen positiven Preis erhalten soll.

Das Beispiel des Umweltschutzgesetzes zeigt, dass Regulationen nicht a priori die Schattenwirtschaft fördern, sondern sich je nach Ausgestaltung auch neutral oder unter Umständen sogar dämpfend auf die weitere Entwicklung auswirken.

Bei den zukünftigen Gesetzgebungsarbeiten in allen Bereichen der Bundespolitik wird es darum gehen, diese Gesichtspunkte vermehrt zu beachten.

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Bekämpfung gewisser strafrechtlich geahndeter Aktivitäten

Eine besondere Erscheinungsform der Schattenwirtschaft sind, gewisse strafrechtlich geahndete Aktivitäten. Hier sind nicht die Hinterziehung von Steuern oder die Übertretung gewerbepolizeilicher Vorschriften gemeint, sondern wirtschaftliche Betätigungen, die bereits ihrer Natur nach und nicht erst durch die dabei erfolgende Missachtung gesetzlicher Regelungen auf eine starke gesellschaftliche Missbilligung stossen und illegal sind. Dabei fällt nicht jedes Vergehen in den Bereich der Schattenwirtschaft. Sehr oft wird bei kriminellen Handlungen nicht Einkommen erzielt, sondern Einkommen und Vermögen unrechtmassig umverteilt. Dies ist etwa bei Diebstahl oder Erpressung der Fall. In den Bereich der Schattenwirtschaft fallen nur illegale Aktivitäten mit Wertschöpfungscharakter. Zu nennen sind unter anderem das Einkommen des gewerbsmässigen Schmugglers, des Drogenproduzenten und des Drogenhändlers. Im folgenden konzentrieren wir uns denn auch auf die Massnahmen, die gegen Schmuggel und Drogenhandel gerichtet sind.

Alle Waren, die bei der Ein- und Ausfuhr handelsstatistisch nicht erfasst werden, fallen unter den verwaltungsinternen Begriff des «unkontrollierten Warenverkehrs». Die eidgenössische Oberzolldirektion führt seit 1966 Erhebungen über den unkontrollierten Warenverkehr durch, so betreffend den Schmuggel von Waren, den Schmuggel von Betäubungsmitteln und die Hinterziehung der Warenumsatzsteuer bei der Einfuhr. Bei der Ausfuhr wird der Tabakschmuggel, der Uhrenschmuggel und der übrige Schmuggel erfasst, nicht erfasst wird dagegen der Transitschmuggel. Die Angaben beruhen auf Schätzungen eines Arbeitsausschusses und werden jährlich zuhanden der Kommission für Konjunkturfragen nachgeführt. Sie werden in die Zahlungsbilanz der Schweiz jeweils unter den Positionen bei lit. A, Ziff. 1.3 und 2.3 (Warenverkehr; übrige Warenexporte bzw. -importe), aufgenommen. Die Schätzungen erfolgen unter Berücksichtigung der den Zollbehörden, insbesondere den Zolluntersuchungsdiensten, zugehenden Informationen über Schmuggeltendenzen und grössere Schmuggel52 Bundesblatt. 139.Jahrgang. Bd. II

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fälle. Ansprüche an Methodik oder Wissenschaftlichkeit dürfen an diese Schätzungen nicht gestellt werden. Wie alle Dunkelzifferberechnungen bleiben sie letztlich spekulativ.

; ; Für den Bereich des illegalen Drogenhandels gehen die Schätzungen von der wahrscheinlich optimistischen Annahme aus, dass ungefähr 10 Prozent aller Betäubungsmittel durch Zoll und Polizei aus dem Verkehr gezogen werden.,12' Unter dieser Voraussetzung müsste für das Jahr 1985 der illegale Handelsumsatz von Betäubungsmitteln auf rund 500 Millionen Franken beziffert werden! Auch auf dem Gebiet der Verstösse gegen Zollvorschriften (Schmuggel) hat sich die Lage keineswegs entspannt. Zwar kann das Ausmass der jährlichen Fiskalausfälle zufolge Defraudation nicht zuverlässig geschätzt werden, doch darf dies nicht dazu verleiten, ihre Existenz zu ignorieren. Wegen der hohen Preisdifferenzen und strengen veterinärpolizeilichen Vorschriften ist beispielsweise der Anreiz für den Einfuhrschmuggel von Fleisch nach wie vor gross. Auch die hohe fiskalische Belastung der Spirituosen führt zu einer regen Schmuggeltätigkeit. Wir nehmen an, dass der «übrige Einfuhrschmuggel» 1985 auf rund 60 Millionen Franken Handelsumsatz geschätzt werden kann. Die Widerhandlungen gegen den WUST-Beschluss rühren unter anderem daher, dass die Schweiz ein wichtiger Platz für den Handel und die Lagerung von Wertsachen wie Gold, Bijouterie, Kunstwerken und dergleichen ist. Hier wird der unkontrollierte Handelsumsatz 1985 auf rund 60 Millionen Franken geschätzt. Der Ausfuhrschmuggel hat in den letzten Jahren eher abgenommen und dürfte 1985 auf knapp 50 Millionen Franken Handelsumsatz (unkontrollierte Warenausfuhr) zu beziffern sein.

Bei all diesen Angaben ist zu beachten, dass es sich um Umsatzzahlen und nicht um Einkommenszahlen handelt. Weiter fällt der handelsstatistisch nicht erfasste Warenverkehr, der im Rahmen der Toleranzen oder ohne den Zweck der Einkommenserzielung stattfindet, nicht unter den hier verwendeten Begriff der Schattenwirtschaft. Die angeführten, wenig gesicherten Zahlen machen aber deutlich, dass im Bereich des Schmuggels und insbesondere des Drogenhandels erhebliche Einkommen erzielt werden. Entsprechende Bedeutung kommt der Unterdrückung solcher Betätigungen zu.

i Die Probleme, die sich dabei an der Grenze stellen, sind vielfältiger
Art. An den zahlreichen ordentlichen Grenzübergängen sind einer Verstärkung der Kontrolltätigkeit im Interesse des Verkehrsflusses Grenzen gesetzt. Zudem ist offen, ob im Rahmen der normalen Grenzkontrolle neben den von privaten Haushalten begangenen Übertretungen der Zollvorschriften auch die grossen, gelegentlich sogar bandenmässig durchgeführten Fälle aufgedeckt werden können. Im internationalen Warenhandel werden heute zahlreiche und oftmals komplizierte Dokumente verwendet. Mit solchen Papieren durchgeführte Vergehen lassen sich oft erst später im Rahmen der Revisionstätigkeit der Zollbehörden feststellen.

Der Nachweis einer Schmuggeltätigkeit ist heute ungleich schwerer als früher zu führen und kann sich nicht mehr auf den Blick in den Kofferraum oder in 12

> Wir verweisen dazu auf die Abschnitte 6 (Drogenszene) und 9 (Statistik) des Berichtes der Koordinations- und Informationsstelle für Drogenfragen, Bundesamt für Gesundheitswesen, vom; Oktober 1985.

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l. · .

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den Rucksack des Schmugglers beschränken. In besonderem Mass trifft dies auf den Drogenschmuggel zu. Soweit nicht die Sucht der Konsumenten oder die wirtschaftliche Bedrängnis der Bevölkerung in gewissen Teilen der Welt ausgenützt werden, gelangen oftmals aufwendige Schmuggelverfahren zur Anwendung, die entsprechend schwer zu entdecken sind.

Auch die sogenannte «grüne Grenze» behält ihre Bedeutung für Schmuggel und Drogenhandel. Im Interesse des persönlichen Schutzes des Grenzwachtpersonals wird dessen Bestand gegenwärtig erhöht. Eine gewisse Verbesserung der Grenzkontrolle ist damit aber sicher verbunden. Dies wird sich insbesondere günstig auf die Bekämpfung von Schlepperorganisationen auswirken, die Schwarzarbeiter über die Grenze bringen.

Während eine Liberalisierung des Konsums harter Drogen ausser Betracht fällt und auch die Stabilisierungspolitik gegenüber den Ausländern fortgeführt werden soll, Hesse sich im Bereich des einfachen Schmuggels über den Erlass anderer Regelungen die Schattenwirtschaft grundsätzlich eindämmen. Dieser Schmuggel lebt vom Preisgefälle zwischen Inland und Ausland. Eine Angleichung der fiskalischen Belastungen von Tabak, Alkoholika, Treibstoffen, aber auch eine Liberalisierung des grenzüberschreitenden Agrarhandels, würden sich unter dem alleinigen Aspekt der Schattenwirtschaft beurteilt günstig auswirken.

In diesem Sinn vermag die Integrationspolitik einen Beitrag zur Bekämpfung mindestens dieser Form der Schattenwirtschaft zu leisten. Nicht unerwähnt bleiben soll schliesslich, dass die Befreiung des physischen Goldhandels von der WUST dem entsprechenden Schmuggel Einhalt gebietet.

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Zusammenfassende Feststellungen

Die Schattenwirtschaft wird heute als ein wirtschaftspolitisches Problem angesehen. Dabei wird zu wenig beachtet, dass es Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Schmuggel usw. schon immer gegeben hat, wenn vielleicht auch in geringerem Umfang. Auch hat der Staat seit jeher Massnahmen zur Eindämmung dieser unerwünschten Erscheinungen getroffen. Die Einführung des Oberbegriffs «Schattenwirtschaft», um all diese unerwünschten Erscheinungen zusammenzufassen, rechtfertigt sich nur im Rahmen einer Gegenüberstellung, welche nicht nur die offizielle Wirtschaft, sondern insbesondere auch die Selbstversorgungswirtschaft mit einschliesst.

Eine solche Gegenüberstellung zeigt, dass die wechselseitigen Verlagerungen zwischen offizieller Wirtschaft und Selbstversorgungswirtschaft mindestens so bedeutend sind wie zwischen offizieller Wirtschaft und Schattenwirtschaft, wobei für Verlagerungen in diese beiden Sektoren oft dieselben Ursachen massgebend sind. Entscheidend sind dafür bei weitem nicht nur die Steuern und Sozialabgaben. Anderen Kostenfaktoren, den technischen und organisatorischen Möglichkeiten, insbesondere aber auch den persönlichen Einstellungen kommt ein gleiches Gewicht zu.

Der Einbezug der Selbstversorgungswirtschaft drängt sich auf, weil sonst das Bild über die gesamtwirtschaftliche Leistungserstellung unvollständig bleibt, und weil die Gefahr besteht, dass man wirtschaftliche Vorgänge, wie etwa jene 1255

auf dem Arbeitsmarkt, falsch interpretiert. Zudem erweist es sich, dass nicht die Schattenwirtschaft, sondern die Selbstversorgungswirtschaft jenes Gegenstück zum offiziellen Sektor ist, das dort vermisste Entfaltungsmöglichkeiten eröffnet und dort festgestellte Verkrustungen überwinden hilft.

Die Beurteilung der Schattenwirtschaft kann nur negativ ausfallen. Zwar beeinträchtigt deren Existenz die Einschätzung der allgemeinen Wirtschaftslage nur marginal. Schwerwiegend ist aber, dass die Schattenwirtschaft teilweise die Erreichung der Ziele des staatlichen Handelns erschwert. Beeinträchtigt wird die Verteilungspolitik, soweit Steuern und Sozialversicherungsabgaben nicht geleistet werden. Eine Quantifizierung ist hier allerdings schwer möglich. Die Existenz einer Schattenwirtschaft läuft auch auf eine Störung unserer Wettbewerbsordnung hinaus. Weiter können einzelne Sektoralpolitiken beeinträchtigt werden. Zu denken ist insbesondere an die Arbeitsmarktpolitik, stellt doch neben der Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben die Schwarzarbeit das wichtigste Problem im Bereich der Schattenwirtschaft dar.

Wie schwerwiegend die denkbaren Störungen des staatlichen Handelns sind, hängt natürlich entscheidend von der Grosse ab, welche die Schattenwirtschaft heute in der Schweiz erreicht. Leider steht man bei der Messung der Schattenwirtschaft immer noch am Anfang. Dies liegt nicht nur in der Tatsache begründet, dass sich per defmitionem die Schattenwirtschaft der direkten statistischen Erfassung entzieht. Ein Grund ist auch, dass man sich mehr Gedanken über das Messziel machen müsste. Immerhin sprechen die wenigen Ergebnisse dafür, dass sich die Grosse der Schattenwirtschaft in der Schweiz immer noch in relativ engen Grenzen hält.

Diese Einschätzung bestärkt den Bundesrat in seiner Auffassung, dass die gegenwärtige Situation keine besonderen Massnahmen verlangt. Ein breites Instrumentarium steht grundsätzlich zur Verfügung. Zu erinnern ist hieran die Tätigkeit der Steuerbehörden und der Arbeitsinspektorate. Allerdings wird das bestehende Instrumentarium noch nicht überall mit der gleichen Konsequenz genutzt. Auf Bundesebene ist an neuen oder geplanten Massnahmen an die in der Botschaft des Bundesrates zur Steuerharmonisierung vorgeschlagene Erweiterung der Möglichkeiten der besonderen
Steuerkontrollorgane zu erinnern, sowie an die Revision des Arbeitsvermittlungsgesetzes und an die Neuordnung der Strafbestimmungen im ANAG. Zudem wird die Verstärkung der Grenzüberwachung die Bekämpfung von Schlepperorganisationen, aber auch von Schmuggel und Drogenhandel wirkungsvoller machen. Zu betonen ist, dass im Interesse der Rechtsgleichheit, der Wettbewerbsordnung und des Finanzausgleichs die kantonalen Stellen den Erscheinungen der Schattenwirtschaft überall mit der gleichen Strenge entgegentreten sollten.

Handlungsmöglichkeiten bieten sich auch im Rahmen der Gesetzgebung. Hier geht es nicht unbedingt darum, Sanktionen zu erhöhen und neue Kontrollen vorzusehen. Wir haben an verschiedenen Stellen aufgezeigt, wie durch entsprechend gestaltete Regelungen erreicht werden kann, dass keine neuen Anreize für ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft entstehen. Erinnern möchten wir nur an die Verbesserung der Steuerordnung durch das Steuerharmonisierungsgesetz, an den vollständigen Ausgleich der kalten Progression auf Bundesebene und an die Bemühungen, bei den Sozialversicherungen die eingeforderten

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Lohnprozente tief zu halten. Weiter zu erwähnen sind die Bemühungen um eine sparsame Haushaltführung und um eine noch effizientere Verwaltung, deren Personalbestand zumindest auf Bundesebene seit zahlreichen Jahren streng begrenzt ist. Mit Bezug auf die Regulationen gilt es. noch vermehrt Anstrengungen im Interesse einer übersichtlichen und einfach zu handhabenden Gesetzgebung zu machen. Allerdings zeigt sich auch immer wieder, so etwa am Beispiel der Gastarbeiterregelung, dass gewisse Ziele nur über Sanktionen und Kontrollen durchgesetzt werden können. Im Spannungsfeld zwischen den unerwünschten Erscheinungen der Schattenwirtschaft, einer verstärkten staatlichen Kontrolltätigkeit und einem Verzicht auf staatliches Handeln wird man den Ausgleich immer wieder neu finden müssen.

9. Juni 1987

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Aubert Der Bundeskanzler: Buser

2000

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Natipnalrat

Anhang

Schriftliche Beantwortung

83.395 Postulat SCHMID vom 16. März 1983 Schattenwirtschaft Der Bundesrat wird eingeladen, der Bundesversammlung einen Bericht vorzulegen, welcher sich über die geschätzte Grosse, die Arten, die Probleme und die Beurteilung der sogenannten Schattenwirtschaft ausspricht. Der Bericht ist im Bundesblatt zu veröffentlichen.

Begründung

Schattenwirtschaft ist derjenige Teil der Wirtschaft, der durch die offiziellen Statistiken nicht erfasst wird. In Anlehnung an Prof. Bruno S. Frey (Wie gross ist die Schattenwirtschaft? in: Wirtschaft und Recht, Jg. 33, Heft 3/4, S. 143) sind zu unterscheiden: a. das legale Ausweichen aus der «offiziellen», statistisch erfassten wirtschaftlichen Tätigkeit; b. an sich legale Aktivitäten, für die jedoch die Steuer hinterzogen wird; c. illegale Tätigkeiten, die deshalb auch nicht steuerlich deklariert werden.

Aufgrund vorliegender Schätzungen ist anzunehmen, dass die Schattenwirtschaft heute nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in den Industrieländern quantitativ bedeutend ist. Eine genauere Kenntnis der Schattenwirtschaft für die Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik ist vor allem deshalb unerlässlich, weil nur auf diesem Wege die wirkliche Jahresleistung der Volkswirtschaft, das wirkliche Sozialprodukt, die wirkliche Arbeitslosigkeit und die wirkliche Steuerbelastung erfasst werden kann.

Erklärung des Bundesrates

Der Bundesrat ist bereit, das Postulat entgegenzunehmen.

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Nationalrat 86.409

Schriftliche Beantwortung

Interpellation Villiger vom 20. März 1986 Schattenwirtschaft

Eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds schätzt den Anteil der sogenannten Schattenwirtschaft in der Schweiz auf 3 bis 6 Prozent des Sozialprodukts. Das ist im internationalen Vergleich relativ bescheiden. Anderseits ist seit den 60er Jahren ein ständiges Wachstum festzustellen. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass die Schattenwirtschaft auch bei uns zum ernsthaften Problem werden könnte.

Ich bitte den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Hält der Bundesrat das Ausmass und Wachstum der Schattenwirtschaft in ihren verschiedenen Formen für besorgniserregend?

2. Welches sind die Folgen der Schattenwirtschaft für die Volkswirtschaft als ganzes?

' 3. Wie gross schätzt er den durch die Schattenwirtschaft verursachten Ausfall an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen?

4. Hält er verschärfte Strafbestimmungen für ein geeignetes Mittel zur Eindämmung der Schattenwirtschaft?

5. Wo sieht er die Ursachen des Wachstums der Schattenwirtschaft?

6. Sieht er gangbare Möglichkeiten für eine eigentliche Ursachentherapie?

Mitunterzeichner: Aliesch, Allenspach, Ammann-Bern, Aregger, Basler, Bonny, Bremi, Cincera, Eggenberg-Thun, Fischer-Hägglingen, Fischer-Sursee, Flubacher, Frei-Romanshorn, Früh, Giger, Hess, Hunziker, Künzi, Loretan, Lüchinger, Mühlemann, Nef, Pfund, Reich, Röthlin, Schärli, Schule, Schwarz, Spalti, Spörry, Stappung, Tschupper, Wanner, Weber-Schwyz, Zehnder, Zwingli

Begründung

1. Definition der Schattenwirtschaft Seit einigen Jahren beschäftigen sich die Ökonomen vermehrt mit dem Phänomen der sogenannten Schattenwirtschaft. Unter Schattenwirtschaft versteht man nicht nur die klassische Schwarzarbeit, sondern ganz allgemein die Produktion von an sich legalen Sachgütern und Dienstleistungen, welche die daran Beteiligten vor den Behörden zu verbergen suchen, um Steuerzahlungen und Sozialabgaben zu vermeiden oder um staatlichen Regelungen zu entgehen. Weiter fällt darunter die Produktion von illegalen Gütern und Dienstleistungen. Volkswirtschaftlich von Interesse sind wohl vornehmlich die erlaubten Tätigkeiten, bei denen Abgaben bewusst hinterzogen und staatliche Regulierungen bewusst missachtet werden. Sicherlich dürfen Tätigkeiten wie Hausfrauenarbeit, spontane Nachbarschaftshilfe, Do-it-yourself-Aktivitäten usw. aus den Betrachtungen 1259

ausgeschlossen werden, obwohl sie bisweilen ebenfalls zur Schattenwirtschaft gerechnet werden. Eine vom Schweizerischen Nationalfonds finanziell unterstützte Studie (Weck-Hannemann, Pommerehne, Frey: Die heimliche Wirtschaft) untersucht die Schattenwirtschaft in der Schweiz. Sie kommt zum Schluss, dass Schwarzarbeit praktisch in allen Berufs- und Bevölkerungsgruppen vorkomme und dass entgegen der landläufigen Meinung etwa zwei Drittel der illegalen Erwerbstätigkeit durch Schweizer verrichtet werde. Eine Beschränkung der Betrachtungen lediglich auf den Bereich der ausländischen Schwarzarbeiter würde demnach dem Problem nicht gerecht.

2. Das Ausmass der Schwarzarbeit Es liegt auf der Hand, dass das Ausmass der Schattenwirtschaft lediglich grob geschätzt werden kann. Für das Jahr 1978 wurden für verschiedene Länder folgende Zahlen geschätzt (Anteil Schattenwirtschaft in Prozent des Bruttoinlandproduktes): Schweden 13%, Dänemark 12%, Belgien 11,5%, Italien 10%, Schweiz 4,5%, Japan 3,9%. Auffällig ist, dass in allen Ländern ein ausgesprochenes Wachstum festzustellen ist. Während der Anteil in der Schweiz zu Beginn der sechziger Jahre noch bei l % gelegen zu haben scheint, wird er in der erwähnten Studie für die Gegenwart auf 3%-6% geschätzt. Weiter wird vermutet, in der Schweiz seien gegen 140000 Schwarzarbeiter tätig. Der Anteil der Schattenwirtschaft in der Schweiz scheint im Vergleich zum Ausland noch verhältnismässig bescheiden. Sein Wachstum gibt indessen doch Grund zu einer gewissen Besorgnis.

3. Die ökonomischen Auswirkungen der Schattenwirtschaft Die Ökonomen beurteilen nicht alle Auswirkungen der Schattenwirtschaft negativ. So wird etwa festgestellt, die Schattenwirtschaft wirke als Konjunkturpuffer.

Sie sei eine Art Flexibilitätsreserve und bilde sozusagen ein Gegengewicht zu den Starrheitstendenzen des offiziellen Sektors. Es herrsche ein ausgesprochener Leistungswille, und durch das Entstehen neuer Arbeitsplätze bleibe die echte Arbeitslosigkeit unter dem statistisch ausgewiesenen Ausmass. Auf der andern Seite scheinen aber doch die negativen Auswirkungen zu überwiegen.

So beschreiben etwa die offiziellen Statistiken den echten Zustand der Volkswirtschaft nicht und geben damit falsche Signale für die Wirtschaftspolitik.

Dem Staat werden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in
erheblichem Ausmass vorenthalten. Diese vorenthaltenen Abgaben müssen wiederum dem offiziellen Sektor aufgebürdet werden, was dessen Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt. Zudem entstehen Wettbewerbsverfälschungen, indem illegal Tätige gegenüber den legal Tätigen mit günstigeren Kosten arbeiten können. Weiter geniessen die meisten in der Schattenwirtschaft Tätigen keinerlei Sozialschutz.

Diese negativen Auswirkungen können von beachtlichem Ausmass sein. So wurde beispielsweise geschätzt, in den USA könnten die Steuern um 20%-30% gesenkt werden, wenn die Schattenwirtschaft eingedämmt würde.

4. Die Ursachen der Schattenwirtschaft Alle Autoren sind sich in der Beurteilung der Ursachen der Schattenwirtschaft weitgehend einig. So werden etwa folgende Gründe angeführt:

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a. wenn der Steuer- und Abgabendruck ein gewisses Mass übersteigt, steigt die Neigung der Beschäftigten, diesem Druck auszuweichen; b. die zunehmende Belastung durch staatliche Vorschriften führt ebenfalls dazu, dass nach Wegen gesucht wird, diese Belastung zu umgehen; c. die rückläufige Erwerbsquote und die anhaltende Verkürzung der Wochenarbeitszeit vergrössern den Anreiz zur Einkommensverbesserung ausserhalb der fiskalischen Zugriffsmöglichkeiten des Staates; d. in vielen Ländern wird eine Verringerung der Akzeptanz von Rechtsnormen festgestellt (Schwarzarbeit als Kavaliersdelikt).

Etwas verallgemeinernd könnte man sagen, dass mit steigender Staatsquote fast zwangsläufig auch die Neigung zur Schattenwirtschaft ansteigt. Da in dieser Hinsicht die Schweiz besse'r als viele andere Länder dasteht, hat sich die Schattenwirtschaft weniger als anderswo entwickelt. Es ist aber nicht zu verkennen, dass der Trend auch bei uns in die falsche Richtung läuft.

5. Was kann zur Begrenzung der Schattenwirtschaft vorgekehrt werden?

Meist versucht man, der Schattenwirtschaft mit vermehrten Kontrollen und schärferen Strafen Herr zu werden. Es ist indessen zweifelhaft, ob das Problem damit zu lösen ist. Ausländische Erfahrungen zeigen, dass lediglich Symptomtherapie zu wenig effizient ist. Es ist deshalb vor allem den Ursachen der Schattenwirtschaft Bedeutung beizumessen.

Obwohl das Problem der Schattenwirtschaft in der Schweiz noch kein gravierendes Ausmass angenommen hat, muss deren weitere Entwicklung sorgsam verfolgt werden. Da es sich auch bei uns um eine «Wachstumsbranche» handelt, ist nicht auszuschliessen, dass sie auch bei uns eines Tages ein besorgniserregendes Ausmass annimmt. Es scheint deshalb wichtig, wenn sich die verantwortlichen Stellen schon jetzt mit dieser Problematik befassen.

Antwort des Bundesrates

1983 hat Herr Nationalrat Schmid mittels eines Postulates (83.395) den Bundesrat eingeladen, in einem Bericht zum Problem der Schattenwirtschaft Stellung zu nehmen. Dieser Bericht wird gegenwärtig verwaltungsintern vorbereitet. Die Veröffentlichung der vom Interpellanten genannten Studie des Schweizerischen Nationalfonds hat die dazu nötigen Voraussetzungen geschaffen. Der Bundesrat wird im Rahmen des Berichtes zum Postulat Schmid auf die, vom Interpellanten aufgeworfenen Fragen noch im laufenden Jahr antworten.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht über die Schattenwirtschaft (Postulat Schmid 83.395 vom 16. März 1983) vom 9.

Juni 1987

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Bundesblatt

Dans

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In

Foglio federale

Jahr

1987

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2

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29

Cahier Numero Geschäftsnummer

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28.07.1987

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