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Bundesversammlung.

Am 13. Juni 1932 haben die Präsidenten beider Räte von dem am 11, Juni erfolgten Hinscheid des Herrn Ständerats G. Schneider und des Herrn Bundesrichters Dr. K. Brodtbeck Kenntnis gegeben.

Herr Dr. Abt, Präsident des Nationalrates, hat den Verstorbenen folgenden Nachruf gewidmet ; Gustav Schneider tDas grosse Sterben will nicht enden. In der Morgenfrühe des letzten Samstags, den 11. Juni, ist in Liestal Gustav Schneider, der Vertreter des Kantone Baselland im Ständerat, gestorben. Er erreichte ein Alter von 64 Jahren.

Gustav Schneider war am 4. Juni 1868 in Eeigoldswil, als Sohn eines Bandstuhlschreiners, der später eine kleine Eisenwarenhandlung und eine Wirtschaft mit Weinhandel betrieb, geboren worden. Nach dem Besuche der Primär- und Bezirksschule seiner Heimat verbrachte er ein Jahr in einem Knabeninstitut in Neuenstadt zur Erlernung der französischen Sprache.

Um diese Zeit verlor er, im Jahre 1884, seinen Vater.

Nachher trat er ins Realgymnasium Basel ein, das er zu seinem grossen Bedauern im dritten Schuljahr verlassen musste, um seiner Mutter das väterliche Geschäft führen zu helfen, weil dessen Bürde für sie zu schwer geworden war. Pur den jungen Mann bedeutete dieser Austritt den Verzicht auf das erhoffte akademische Studium, der ihm zwar äusserst schwer wurde, aber für sein Pflichtgefühl selbstverständlich war. Einige Jahre später übernahm dann Gustav Schneider das väterliche Geschäft auf eigene Rechnung und baute es unter Einsetzung seiner ganzen Arbeitskraft und Energie zu einem blühenden Unternehmen aus, das weit über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt wurde.

Er stand auf dem Höhepunkt seiner geschäftlichen Erfolge, als, wie er selber schreibt, «im Frühjahr 1920 inmitten der Arbeit eine schwere Herzaffektion seinem Eilen und Streben Halt gebot». Trotz vieler Kuren, besonders auch im Bad Nauheim, blieb sein Körper geschwächt und war eine Wiederherstellung seiner frühern Gesundheit unmöglich, so dass er am 1. Januar 1925 sein in voller Blüte stehendes Geschäft drei bisherigen Angestellten übergab, denen er noch zwei Jahre mit seinen reichen Erfahrungen zur Seite stand, um im Dezember 1926 nach Liestal überzusiedeln und dort im trauten Familienkreise, in dem ihm Liebe und Glück in reichem Masse zuteil wurde, bei reduzierter Tätigkeit die gesundheitlichen Sorgen in ruhiger Ergebenheit
zu ertragen.

Er beschränkte sich von jetzt ab auf seine öffentliche Tätigkeit, besonders auf den Verwaltungsrat der Kantonalbank, dem er seit 1898 angehörte und deren erfolgreicher Präsident er seit 1911 war.

Es ist begreiflich, dass ein so unermüdlicher Schaffer, wie Gustav Schneider, seine Kraft nicht in privater Tätigkeit erschöpfte, sondern sie in reichem Masse und selbstlos der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte. Schon mit 23 Jahren wurde er, im Jahre 1891, in den Verfassungsrat gewählt, der die heute noch geltende Verfassung der Basellandschaft aufstellte. Fünf Jahre später erfolgte seine Wahl zum Mitglied des Landrates, dem er ununterbrochen während 3 Jahrzehnten angehörte und den er in den Jahren 1909/10 und 1918/19 präsidierte. Im Jahre 1914 erfolgte seine Wahl in den Ständerat, dem er bis zu seinem Tode angehörte und in dem er eine hochgeachtete Stellung einnahm.

Er war während zwei Amtsperioden Mitglied der Finanzkommission, in der er seine grossen Erfahrungen als führendes Mitglied "des Verwaltungsrates der basellandschaftlichen Kantonalbank bei der Berichterstattung über den Finanzhaushalt und die damit zusammenhängenden Zweige der eidgenössischen Staatsverwaltung gut verwerten konnte. Die Krönung seiner politischen Erfolge bedeutete der im Dezember letzten Jahres erfolgte Vorschlag zum Vizepräsidenten des Ständerates, den er mit B.ücksicht auf seine Gesundheit, trotz der damit auch seinem Kanton zugedachten Ehre, ablehnen musste.

All' seine Ämter und Ehren fielen Gustav Schneider nicht mühelos in den Schoss. Sie waren die Frucht einer reichen und selbstlosen Tätigkeit im Interesse des öffentlichen Wohls. So war er der Initiant und Gründer der Electra Eeigoldswil, die er im Jahre 1909 ins Leben rief und fast 25 Jahre lang erfolgreich leitete. Als Präsident der Electra Beigoldswil und Verwaltungsratsmitglied der Electra Baselland galt seine Sorge hauptsächlich der Brreichimg besserer Arbeitsbedingungen für die grosse Zahl der ihr angeschlossenen Heimarbeiter.

Er war der Hauptinitiant für die Einführung des elektrischen Betriebes in der Seidenbandweberei und erreichte auch 1904 nach zähem Kampfe den Zusammenschluss sämtlicher Posamenter des oberen Baselbietes, Er bekämpfte aber auch aus Überzeugung die Bestrebungen zur Einführung der Selbstfabrikation, die dann den Beteiligten so grosse Enttäuschungen bereitete.

Als die Nachkriegszeit den haltlosen Niedergang der Seidenbandfabrikation brachte und der Begierungsrat im Jahre 1925 eine Expertenkommission zum Studium der Notlage der
Heimindustrie einsetzte, übernahm Ständerat Schneider das Präsidium, und half das bekannte Notstandsprogramm aufstellen, das dann auch zur Durchführung kam.

Schon in den 90er Jahren bemühte sich der Verstorbene seiner von den grossen Verkehrsadern abgelegenen engern Heimat eine Bahnverbindung zu beschaffen und kämpfte für die Wasserfallenbahn, deren Konzession dann die Bundesversammlung zu seinem Leidwesen versagte. Statt der Bahn kam später eine Autobusverbindung Liestal-Beigoldswil zustande, welcher Unternehmung Gustav Schneider manche Jahre als Mitglied des Verwaltungsrates und Präsident diente.

Er schenkte auch, dem Schulwesen grosses Interesse. Aber seine Bemühungen zur Schaffung einer Sekundärschule in Beigoldswil wurden erst nach langen Jahren des Kampfes von Erfolg gekrönt.

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Den Leibesübungen wandte er seine besondere Aufmerksamkeit zu und war selbst ein eifriger Turner, der mit dem Turnverein Eeigoldswil an manchem Turnfest Kränze holte. Nicht umsonst wurde er Ehrenpräsident der Turnveteranen von Baselland und Ehrenmitglied der Turnerschaft Allemannia in Basel.

Als Infanterieoffizier pflegte er eifrig das Schiesswesen und war zwei Jahrzehnte lang Vorstandsmitglied der Kantonalen Schützengesellschaft Baselland. Zum Oberstleutnant befördert, wurde er im Jahre 1914 Kommandant des Korpssammelplatzes Liestal und leitete als solcher die Kriegsmobilmachungen und nahm den ausrückenden Truppen den Treueid fürs Vaterland ab, was ihm zu einem unvergesslichen, grossen Erlebnis wurde.

Auch parteipolitisch hat sich Gustav Schneider als freisinniger Fortschrittsmann intensiv betätigt. Er war lange Zeit der Führer der freisinnigdemokratischen Partei des Kantons Baselland. Er präsidierte auch viele Jahre die freisinnig-demokratische Landtagsfraktion. Unentwegt und mit schliesslichem Erfolge setzte er sich für den Zusammenschluss der ehedem zersplitterten Liberalen seines Heimatkantons ein.

Persönlich war Gustav Schneider zeitlebens eine einfache, bescheidene Natur, die sich selber treu blieb. Er machte wenig Wesens aus sich selbst, seinen Leistungen und Erfolgen und nahm es dafür um so ernster mit der Erfüllung seiner Pflichten. Jedem von uns, der mit ihm zusammenkam, wird der Blick in seine klugen, ernsten Augen unvergesslich bleiben. Ein Eidgenosse von alter, guter, schlichter Art ist mit ihm von uns gegangen, einer, der sein Vaterland aus glühender Seele hebte und ihm allezeit in treuer Hingebung diente. Man könnte den Charakter und die Wesensart unseres verstorbenen Kollegen nicht besser schildern, als wenn man den Schlusspassus seines Lebenslaufes wiedergibt, den er im Januar dieses Jahres, wohl im Vorgefühl seines nahenden Endes, niederschrieb: «Jeder Mensch hat seine Zeit. Wie die Sonne zu leuchten anfängt, wenn sie am Horizont erscheint, über Tag ihre befruchtenden Strahlen entsendet, uin wieder zu verblassen, sobald sie am Abendhimmel verschwindet, so ist auch unser Leben ein Werden, Blühen und Vergehen. In der Blüte des Daseins wartet uns der grösste, aber auch der schönste Kampf. Ich glaube ihn mit blanken Klingen geführt zu haben, ohne Buh' und ohne Bast, solange es
für mich Tag war. Nun sehe ich die Abenddämmerung herankommen, und bald schon, gar unerwartet, kann die dunkle Nacht hereinbrechen, die die Seele vom Körper löst zur Vereinigung mit den vor mir Heimgegangenen, die gleich mir im Lichte des Lebens wandelten, die gleich mir strebten und litten, kämpften und irrten.» Wir sprechen der Trauerfamilie unser herzliches Beileid aus!

90 Dr. Karl Adolf Brodtbeck t.

In Lausanne ist am Nachmittage des 11. Juni Bundesrichter Dr. Karl Adolf Brodtbeck nach langen, schweren Leiden im Alter von. 66 Jahren gestorben.

Er entstammte, wie der gleichen Tags verblichene Ständerat Schneider, der Basellandschaft und wurde am 10. Oktober 1866 in Liestal geboren; Er durchlief die Primär- und Bezirksschule seines Heimatortes und besuchte dann das Gymnasium in Basel, woselbst er im Jahre 1885 die Maturität machte.

Seither hat er seine Gymnasialstadt Basel als seine geistige Heimat verehrt, weil sie ihm, wie er noch kürzlich schrieb «in wahrhaft humanistischer Vornehmheit eine höhere Bildung ermöglicht hat». Gemäss seiner letztwilligen Verfügung will er auch in Basel begraben sein. Er studierte dann Jurisprudenz in Basel und Berlin und erwarb sich die Mittel dazu durch die Bedaktionsführung der Bauern- und Arbeiterzeitung, Theaterkritiken und Feuilletons.

Seine Studien schloss er in Basel durch das Doktorexamen ab und war nachher Bechtspraktikant bei Dr. Gysin in Liestal, dem spätem Bundesrichter. Dann war er zirka 2 Jahre Vertreter des Staatsanwalts seines Kantons und eröffnete hierauf ein Anwaltsbureau in Liestal. Im Jahre 1899 wurde er Adjunkt des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes in Bern, um dann 1902 in seinen Heimatkanton zurückzukehren, wo er in Liestal und später in Pratteln Wohnsitz nahm und in Basel ein Anwaltsbureau führte. Er nahm hier ungesäumt seine frühere politische Tätigkeit wieder auf und kam bald in den Landrat, wo er einen grossen Einfluss ausübte. Auch im Bankrate der Kantonalbank sass er. Nachdem er von 1919 bis 1924 dem Nationalrate angehört hatte, wählte ihn die vereinigte Bundesversammlung am 12. Juni 1924, also gerade 8 Jahre vor seinem Tode, zum Mitglied des Bundesgerichtes.

Dr. Karl Adolf Brodtbeck war ein hochbegabter Kopf, ein scharfsinniger Denker und darum ein feiner Jurist. Kein Wunder daher, dass ihm die juristische Schriftstellerei und das hohe Bicbteramt die angenehmsten Tätigkeitsgebiete waren und er auf ihnen Hervorragendes leistete. Aber nur eine gewaltige Arbeitskraft, die ihn nie müssig sein liess, kann die grosse Menge bedeutender Publikationen erklären, die seiner fruchtbaren und unermüdlichen Feder im Laufe der Jahre entflossen. Zum Eichter hatte er neben der juristischen Geistesschärfe noch andere, menschliche
Eigenschaften, die zum gerechten Siebter gehören, wie das Licht zur Sonne : die im Kampfe gestählte praktische Lebenserfahrung und die Wärme des Gemütes, die ihn vor abstrakten Deduktionen bewahrten und ihm ein viel feineres Unterscheidungsvermögen zwischen Becht und Unrecht vermittelten, als die einseitig formale Auslegung verstaubter und verknöcherter Gesetzesparagraphen. Den wenigsten von uns dürften die Früchte der schriftstellerischen Tätigkeit Dr. Brodt becks bekannt sein, und darum seien sie hier chronologisch aufgeführt: Aus der Maturandenzeit stammt ein Bändchen Gedichte «Unverzagt», das zwei Auflagen erlebte.

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Aus dem Jahre 1889 ein Werk: «Geistesblitze berühmter Männer», Verlag C. G. Naumann in Leipzig.

(Der Sprechende erinnert sich noch gut, wie er sich als Student an diesem Werklein begeisterte und wie er nach seinem Eintritt in den Nationalrat, im Jahre 1919, zu Dr. Brodtbeck ging, um ihn nach dessen Verlag zu fragen.)

1898 erschien im Verlag K. J. Wyss in Bern: «Unser Bundesrecht in Doppelbesteuerungssachen » ; 1907 : Schweizerisches Eechtslexikon 1. Band; 1908 2. Band; 1909 3. Band, im Verlag Orell-Füssli; 1912: Das kantonale Einführungsrecht zum Zivilgesetzbuch, Verlag Orell-Füssli; 1932: Die Trennung Basels im Lichte des Bundesrechtes (1. Teil).

Als zur Veröffentlichung bestimmte Werke liegen im Manuskript vor: ein Kommentar zum ZGB, mit systematischer Darstellung der bundesgerichtlichen Praxis, ausgenommen das Erbrecht; eine Geschichte der basellandschaftlichen Demokratie, in drei Bänden, druckbereit.

Politisch war Dr. Karl Brodtbeck ein rebellischer Geist, dessen Geburtsort nicht umsonst das «rebellische» Liestal war, aus dem ihm immer wieder ein Hauch der revolutionären Ideen der Begenerationsmänner der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts als spätem Epigonen entgegenströmte. So war der politische Kampf sein Lieblingsgebiet, die Kritik seine Schlachtformation und der Spott seine Hauptwaffe. Einem so scharfen Denker wie Dr. Karl Brodtbeck mussten die Schwächen der heutigen Gesellschaftsordnung besonders auffallen und ihn zum Widerspruch reizen. Er war so bei der sozialdemokratischen Partei wohl geborgen, so recht in seinem Element, wenn er auch «lieber mit des Geistes Schwert focht, als in den Niederungen der Tagespolitik sich mit unebenbürtigen Gegnern zu streiten», wie sein Freund, unser Kollege Schneider, in seinem schönen Nekrologe treffend ausführt.

Dabei mag Dr. Karl Brodtbeck für seine Genossen nicht immer ein bequemer Parteimann gewesen sein, denn er war eine starke und eigenwillige Persönlichkeit, die den prächtigen Mut besass, auch die Konsequenzen ihrer besondern Ansichten auf sich zu nehmen.

In den markanten Gesichtszügen Dr. Karl Brodtbecks, die durch eine hohe Denkerstirne besonders charakterisiert waren, lag ein tiefer Ernst. Mehr noch, es ging ein doloroser, fast verbissener Zug darüber. Er mochte seinen Ursprung in dem Missbehagen über ein körperliches Gebrechen haben,
das ihn von Jugend auf im Gehen hinderte und welche Benachteiligung er dem Schicksal nie ganz zu vergessen vermochte. Aber unter diesem schmerzlichen Hauche barg der Verstorbene eine ideale, grosszügige Natur, die auch aus einzelnen seiner Bücher uns so sympathisch anspricht. Er konnte sich auch des

92 Lebens freuen und unter den Fröhlichen froh sein. Schon seine witzige Originalität machte ihn zum guten Gesellschafter. So konnte er sich über des Lebens Ungemach hinwegsetzen und grossmütig sich an allem freuen, aber auch vieles ertragen, sonst hätte er es nicht fertiggebracht, die Mussestunden seiner letzten Lebensjahre, die ihm sein Darmkrebsleiden verbitterte, dazu zu benutzen, um seinem Heimatkanton noch das gehaltvolle Werk über die Trennung Basels im Lichte des Bundesrechts zu schenken. Ehre solch' schlichtem Heldentum!

Wir sprechen seiner schwergeprüften Familie unser herzliches Beileid aus.

Herr Dr. Sigrist, Präsident des Ständerates, hat die Verstorbenen mit folgendem Nachruf geehrt: Gustav Schneider f.

Vor wenigen Minuten hat drunten in der Hauptstadt des Kantons Baselland ein Vertreter unseres Eates vor versammelter Trauergemeinde im Namen der Bundesversammlung dem am letzten Samstag dahingeschiedenen lieben Kollegen Gustav Schneider ein Wort der Ehrung und des Abschiedes gewidmet.

Wir schliessen uns bei Eröffnung dieser Sessionswoche dieser Kundgebung des Schmerzes an und möchten es den Angehörigen des Verstorbenen und dem ganzen Volke von Baselland zum Ausdruck bringen, wie sehr wir alle an dem Leide ob dem schweren Verluste, den der Tod dieses vortrefflichen Mannes bedeutet, innigsten Anteil nehmen. Wir Mitglieder des Ständerates empfinden den Gedanken aufs Tiefste, die sympathische Gestalt des Abgeordneten von Baselland nicht mehr auf dem Platze zu sehen, auf dem sie bis vor wenigen Tagen während den Sessionen so wenig gefehlt und den sie so mit Ehren eingenommen hatte.

Der Lebenslauf von Gustav Schneider bietet ein selten ansprechendes Bild geschäftlicher Tüchtigkeit und erfolgreicher Arbeit im Dienste von Land und Volk dar. Geboren im Jahre 1868 in Eeigoldswil, als Sohn eines unternehmungsfreudigen Geschäftsmannes, hätte der talentvolle Knabe einem wissenschaftlichen Berufe sich zuwenden können, wenn nicht der frühe Tod des Vaters ihm eine andere Lebensbahn gewiesen hätte. So musste er mit 19 Jahren das Studium an der Oberrealschule in Basel abbrechen, um als Gehilfe seiner Mutter in die väterlichen Geschäfte einzutreten und mit an der ehrenvollen Erhaltung der Familie und an der Erziehung seiner Jüngern Geschwister zu arbeiten. Dieser Verzicht auf die akademische Laufbahn
war unserem Kollegen nicht leicht gefallen, wie er das in selbstverfassten Lebenserinnerungen zum Ausdruck gebracht hat; es ist doch kennzeichnend für das Pflichtgefühl und die ernste Lebensauffassung Gustav Schneiders, dass bei dieser Entscheidung die kindliche Pietät obsiegte und er mit aller Berufsfreude und Kraft in die kaufmännische Aufgabe sich einarbeitete. Es geschah mit

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solchem Erfolge, dass er bald das Hauptgeschäft der Familie -- den Weinhandel -- selber übernehmen und es zu hoher Blüte bringen konnte. Bis zum Jahre 1925, als mit der Zeit die Beschwerden eines Herzleidens sich stärker bemerkbar machten, führte er diesen kaufmännischen Betrieb im heimatlichen Dorfe Eeigoldswil mit steigendem Gedeihen weiter, um es dann an bisherige Mitarbeiter zu übergeben und sich nach der Hauptstadt zurückzuziehen.

Als tüchtiger und unternehmender Kaufmann wandte Gustav Schneider sehr bald dem Wirtschaftsleben seiner Volksgenossen die besondere Aufmerksamkeit zu. Er nahm sich warmen Herzens der Interessen der Heimarbeiter seines Landes, der Posamenter, an und suchte deren Fortkommen zu fördern.

So bemühte er sich seinen Schützlingen vor allem auch die elektrische Kraft nutzbar zu machen und gründete zu diesem Zwecke die Elektra von Eeigoldswil, die er jahrelang auch leitete. Später stellte er sich an die Spitze der kantonalen Organisation für elektrische Kraftgewinnung und Kraftverwertung und hat auch in dieser Stellung seinem werktätigen Volke grosse Dienste geleistet.

In gleicher Weise kamen seine reichen geschäftlichen Erfahrungen dem kantonalen Bankinstitute zugute. 22 Jahre lang gehörte er dem Verwaltungsrate dieses Unternehmeng an und leitete es längere Zeit als Präsident des Verwaltungsrates und später auch als Direktionspräsident.

Mit dem politischen Leben in Gemeinde und Kanton nahm er schon in jungen Jahren Fühlung. Mit 23 Jahren wurde er in den Verfassungsrat von 1891 gewählt und 1896 entsandten ihn seine Mitbürger in den Landrat, In der gesetzgebenden Behörde seines Kantons entfaltete er als Mitglied der freisinnigen Partei sehr bald eine lebhafte Tätigkeit, die ihn mitten in die politischen Kämpfe _des Landes stellte, aber ihm auch Ehrungen und hohe Genugtuung boten. Er wurde Fraktionschef seiner Partei und erwies sich auch ausserhalb des Eates als deren energischer Führer. Zweimal fiel ihm in seiner 30jährigen Laufbahn als Landrat die Ehre zu, das Parlament zu präsidieren.

Viel zur geschäftlichen und amtlichen Entwicklung des heranreifenden Mannes mag auch dessen militärische Schulung beigetragen haben. Gustav Schneider rückte in rascher Folge zum Range eines .Bataillonskommandanten vor und befand sich während der Mobilisationszeit als Oberstlieutenant in
der Stellung eines Platzkommandanten von Liestal.

In unseren Eat trat Herr Schneider im Jahre 1914 ein. Mit gereifter geschäftlicher und parlamentarischer Erfahrung ausgerüstet, wurde er bald ein wertvoller Mitarbeiter vor allem in Wirtschafts- und Finanzfragen. Der Sprechende hatte die Ehre, während mehrerer Jahre neben Kollege Schneider der Finanzkommission Ihres Eates anzugehören. Er hatte so Gelegenheit, die vortrefflichen Kenntnisse des Abgeordneten von Baselland in allen Bankfragen, im Kapital- und Bilanzwesen vor allem, schätzen zu lernen und dabei dessen gewissenhaftes und sicheres Arbeiten auf diesen schwierigen Gebieten bewundern zu können.

Bundesblatt. 81. Jahrg.

Ed. II.

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94 Als Mensch und Kollege besass Gustav Schneider wegen seines bescheidenen Wesens, seiner offenen geraden Art und der Abgeklärtheit der ganzen Persönlichkeit die höchste Achtung und Verehrung von uns allen. Wir werden ihm ein bestes Andenken bewahren!

·-..

Dr. Karl Adolf Brodtbecfc t-

Eine eigenartige Fügung wollte es, dass wenige Stunden nach dem Tode des Standesvertreters von Baselland auch das Mitglied des h. Bundesgerichtos, das dem gleichen Halbkanton angehörte, aus dem Leben abberufen worden ist. Nach schwerer Krankheit und einer scheinbar gut verlaufenen Operation starb letzten Samstag Herr Bundesrichter Dr. Adolf Karl Brodtbeck aus Liestal. Mit Dr. Brodtbeck schied ein hervorragender Jurist und unermüdlicher Geistesarbeiter aus dem Leben. Im Jahre 1866 geboren, schlug Dr. Brodtbeck die akademische Laufbahn ein und studierte auf verschiedenen Universitäten Jurisprudenz.

Nach Abschluss der wissenschaftlichen Studien liess er sich 1891 in Liestal als Anwalt nieder, trat aber im Jahre 1899 als Adjunkt für Gesetzgebung und Rechtspflege in den Bundesdienst über. Die ruhige Bureauarbeit, so anregend sie für einen jungen Juristen sein mochte, befriedigte ihn aber auf die Dauer* nicht. Er wandte sich neuerdings in seinem Heimatkanton und in Baselstadt der Anwaltspraxis zu, die mit ihrem täglich sich erneuernden Kampfe um das Hecht seinem etwas leidenschaftlichen, auch den Meinungsstreit nicht scheuenden Temperament, besser entsprechen mochte.

Bei seiner Veranlagung konnte es nicht ausbleiben, dass er bald seine grosse Arbeitskraft auch dem politischen Leben zur Verfügung stellte. Als Mitglied der sozialdemokratischen Partei zog er in das kantonale Parlament von Liestal ein und gelangte dort vermöge seiner Bildung und geistigen Begsainkeit rasch zu grossem Einflüsse. Neben unserem verstorbenen Kollegen Schneider wirkte auch Dr. Brodtbeck einige Jahre als Mitglied des Verwaltungsrates der Kantonalbank von Baselland. Im Jahre 1919 entsandten ihn seine Parteigenossen von Baselland in den Nationalrat. Auf eidgenössischem Boden fesselten ihn in erster Linie Rechtsfragen. So war er Mitglied der Strafrechtskommission und nahm in dieser Stellung lebhaften Anteil an der Ausgestaltung des künftigen schweizerischen Strafrechtes.

Im Juli 1924 erfolgte seine Wahl in das Bundesgericht, dem er bis zu seinem Tode als Mitglied der zweiten Zivilkammer angehörte. Seinem neuen Arbeitsgebiete widmete er sich mit voller Hingabe und Einsetzung der ganzen Kraft. Seinen Eeferaten wird nachgerühmt, dass sie sich immer auf sorgfältiges Aktenstudium und gründliche Beherrschung der Eechtsmaterie stützten,
Bei aller Bemühung zur Objektivität blieb Dr. Brodtbeck aber auch in Lausanne der leidenschaftliche Kämpe, der seine Ansichten mit hartnäckigem Eifer vortragen konnte und gelegentlich auch von eigentlicher Heftigkeit

95 des Auftretens nicht frei war. Alles Ausdruck einer ehrlichen starken Überzeugung!

Schon in Jüngern Jahren legte Dr. Brodtbeck Neigung zu wissenschaftlicher Betätigung an den Tag. Diese Seite seiner Veranlagung mag ihn einst in erster Linie an die Eechtsabteilung des eidgenössischen Justizdepartementes hingezogen haben. Sie hat in spätem Jahren die Eechtswissenschaft mit wertvollen Publikationen bereichert. So gab er das dreibändige schweizerische Eechtslexikon heraus, das insbesondere dem Praktiker trefflich zustatten kam. Nach 1912 erschien seine damals recht nützliche Bearbeitung des kantonalen Einführungsrechtes zum Zivilgesetzbuch.

So hat Bundesrichter Brodtbeck in vielseitiger Art seine bedeutenden Geisteskräfte vorzüglich ausgenützt und in seinen Stellungen als Anwalt, Justizbeamter, Parlamentarier und Mitglied unseres höchsten Gerichtshofes dem Lande grosse Dienste geleistet. Tbm bleibt ein ehrenvolles Andenken gesichert!

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 17. Juni 1932.)

Seine Durchlaucht Prinz Amoradat Kridakara hat am 10. Juni 1932 dem ßundesrate sein Beglaubigungsschreiben als ausserordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister des Königreiches von Siam bei der schweizerischen Eidgenossenschaft überreicht.

Dem Kanton Graubünden wird an die zu Fr. 120,000 veranschlagten Kosten der Sicherung der Rutschung bei Prada, auf Gebiet der Gemeinden Saas und Küblis, 45 %, im Maximum Fr. 54,000, bewilligt.

Dem Gesuche des Herrn Zollkreisdirektors Ernest Jayet, in Lausanne, um Entlassung von seiner Stelle auf 30. September 1932 wird unter Verdankung der geleisteten Dienste entsprochen.

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22.06.1932

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