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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung,

68. Jahrgang.

Bern, den 5. April 1916.

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Band II.

Bundesratsbeschluss betreffend

die Beschwerde der Emmenthalbahngesellschaft in Burgdorf wegen Verweigerung der Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch.

(Vom 21. März 1916.)

Der schweizerische

Bundesrat

hat über die Beschwerde der Emmenthalbahngesellschaft in Burgdorf wegen Verweigerung der Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartementes, folgenden Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 28. Oktober 1915 schlössen die Emmenthalbahngesellachaft und die Schwellenpflichtigen Grundbesitzer des sogenannten Farbschachens in der Gemeinde Lützelflüh folgende Übereinkunft ab : ,,1. Die Schwellenpflichtigen Grundbesitzer des sogenannten Farbschachens anerkennen, dass ihnen die Emmenschwellepflicht auch für denjenigen Teil des Farbschachens obliegt, der durch Kaufvertrag vom 18. Oktober / 4. November 1879 (LützelflühGrundbuch Nr. 30, Fol. 551 if.) der Emmenthalbahngesellschaft verkauft worden ist. Sie verpflichten sich, diese Emmenschwellepflicht an Stelle der Emmenthalbahngesellschaft zu erfüllen, so Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. II.

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dass also das geraäss jenem Kaufvertrag abgetretene Land frei von jeder bezüglichen Last ist.

2. Die Schwellenpflichtigen Grundbesitzer des sogenannten Farbschachens erklären sich damit einverstanden, dass ihre sub Ziffer l erwähnte Pflicht im Wortlaut ,,Sohwellepflicht"1 im Grundbuch als Dienstbarkeit eingetragen wird.a Am 4. November 1915 reichte die Emnienthalbahngesellschaft diese Übereinkunft beim Grundbuchamt Trachselwald zum /wecke der Eintragung der Dienstbarkeiten im Grundbuch ein. Der Grundbuchverwalter verweigerte jedoch mit Verfügung vom 12. November 1915 die grundbuchliche Behandlung dieser Übereinkunft, da die regierungsrätliche Genehmigung, die nach den Vorschriften des bernischen Wasserbaupolizeigesetzes zur Gültigkeit derartiger Schwellepflicht-Übertragungen erforderlich sei, fehle.

Gegen diese Verfügung des Grundbuchamtes Trachselwald führte die Emmenthalbahngesellschaft beim Regierungsrate des Kantons Bern Beschwerde, wurde aber mit Entscheid vom 14. Januar 1916 abgewiesen. Die bernische Aufsichtsbehörde über die Grundbuchführung stützt ihren Entscheid im wesentlichen darauf, dass die Übernahme der an und für sich der Emmonthalbahngesellschaft obliegenden Schwellepflicht durch die schwellepflichtigen Grundeigentümer des Farbschachens den einzigen und ausschliesslichen rechtlichen Inhalt der Übereinkunft vom 28. Oktober bilde. Nach Art. 730 ZGB. könnten jedoch nur solche Abreden Gegenstand einer Dienstbarkeit sein, die den Eigentümer des belasteten Grundstücks verpflichten, entweder bestimmte Einwirkungen auf seinem Grundstück zugunsten des Berechtigten zu dulden, oder Handlungen auf dem belasteten Grundstück, die ihm nach der Rechtsordnung erlaubt wären, zum Vorteil des Berechtigten nicht auszuüben. Unzulässig dagegen sei die Errichtung einer Dienstbarkeit mit Bezug auf Verpflichtungen des Eigentümers eines Grundstücks zur Vornahme von Handlungen, sofern wenigstens diese Verpflichtung Hauptinhalt dieser Vereinbarung bilde und nicht etwa nur nebensächlich mit einer Grunddienstbarkeit verbunden sei (Art. 730, Abs. 2 ZGB.)- Die Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch mit dem ausschliesslichen Inhalt der Übernahme der Schwellepflicht durch andere Grundeigentümer sei daher ausgeschlossen. Ob die Eintragung einer Grundlast möglich sei, b'rauche nicht näher untersucht zu werden,
da schon die formellen Voraussetzungen (entsprechende Anmeldung und Angabe eines Gesamtwertes der Leistungen) nicht erfüllt seien. Schliesslioh empfiehlt der Regierungsrat des

187 Kantons Bern der Beschwerdeführerin eine indirekte Sicherung ihrer Rechte gegenüber den Grundeigentümern des Farbschachens in der Weise, dass die Nichterfüllung der Übernommenen Schwellepflicht unter Konventionalstrafe gestellt und diese wiederum durch eine Grundpfandvergchreibung gesichert werde.

n.

Mit Eingabe vom 7. Februar 1916 beschwert sich die Emmenthalbahngesellschaft über den Entacheid des bernischen Regierungsrates, vom 14. Januar 1916, beim Bundesrat und verlangt Aufhebung dieses Entscheides.

Die Beschwerdeführerin betont vor allem das grosse Interesse, das sie an der Eintragung der Schwellepflicht-Übernahme im Grundbuch und der damit erzielten dinglichen Belastung dor schwellepflichtigen Grundstücke habe. In rechtlicher Beziehung macht die Beschwerdeführerin geltend, dass zwar der Wortlaut des Art, 730 ZGB. die Eintragung einer Dienstbarkeit für die getroffene Übereinkunft auszuschliessen scheine, dass aber im Interesse der praktischen Bedürfnisse eine weite Auslegung dieser Geeetzesvorschrift geboten sei. Unter diesen Umständen dürfte die von den Grundeigentümern des Farbschachens übernommene Schwellepflicht füglich als Grunddienstbarkeit aufgefasst werden.

Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt in seiner Vernehmlassung vom 16. Februar 1916 Abweisung der Beschwerde, unter Verweisung auf die im angefochtenen Entscheid enthaltene Begründung.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Bei der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde kann sich die eidgenössische Aufsichtsbehörde über die Grundbuchftihrung auf die Prüfung der Eintragungsfähigkeit der Sehwellepflicht als Dienstbarkeit im Grundbuch beschränken. Auf die Frage, oh .die nach kantonalem Recht erforderliche Genehmigung des bernischen Regierungsrates zur Übertragung der Schwellepflicht vorhanden ist oder nicht, braucht nicht eingetreten zu werden.

Die kantonale Aufsichtsbehörde hat nun in zutreffender Weise festgestellt, dass sich die Grundeigentümer des Farbsohachens durch die Übereinkunft vom 28. Oktober 1915 weder zur Duldung von Eingriffen in ihr Eigentumsrecht durch 'die Emmenthalbahngesellschaft noch zum Verzicht auf''"die Ausübung

188 ihres Eigenturasrechtes nach bestimmten Richtungen zugunsten der Emmenthalbahngesellschaft verpflichtet haben. Vielmehr besteht die rechtliche Wirkung der genannten Obereinkunft aussehliesslich darin, dass die Grundeigentümer im Farbschachen für sich und ihre Rechtsnachfolger die Erfüllung der Emmenschwellepflicht an Stelle der Emmenthalbahngesellschaft übernommen, d. h. die Vornahme bestimmter, zeitlich wiederkehrender Leistungen im Interesse der Emmenthalbahngesellschaft versprochen haben. Nach der unzweideutigen Vorschrift des Art. 730, Abs. 2 ZGB. kann jedoch ,,die Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen mit einer Grunddienstbarkeit nur nebensächlich verbunden sein", unter keinen Umständen aber den einzigen Inhalt einer Dienstbarkeit bilden. Die Übertragung der Emmenschwellepflicht kann deshalb nicht als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden.

Die Beschwerde muss demnach auch von der eidgenössischen Aufsichtsbehörde als unbegündet abgewiesen werden.

II.

Was sodann die weitere Frage anbelangt, ob die Übertragung der Schwellepflicht auf die Grundeigentümer des Farbschachens nicht auf andere Weise mit den in Betracht fallenden Grundstücken verbunden und die Pflicht zu deren Erfüllung in diesem Sinne verdinglicht werden könne, ist anzuerkennen, dass, entsprechend den Ausführungen der kantonalen Aufsichtsbehörde, durch Verabredung einer Konventionalstrafe und Sicherung dieser Forderung durch eine Grundpfandverschreibung am schwellepflichtigen Grundstück geholfen werden kann, Nach Ansicht des Bundesrates steht aber im vorliegenden Falle auch der Errichtung von Grundlasten im Sinne von Art. 782, Abs. l oder Abs. 2 ZGB., vom Standpunkt des Bundesrechtes nichts im Wege. Die Übernahme der Sehwellepflicht durch einzelne Grundeigentümer, unter Befreiung ander Grundeigentümer, stellt -- sofern nach kantonalem Recht eine derartige Abwälzung der öffentlich-rechtlichen Schwellepflicht überhaupt zulässig ist -- zweifellos eine Leistung dar. die mit der wirtschaftlichen Natur des belasteten oder des berechtigten Grundstückes im Zusammenhang steht und somit Gegenstand einer Grundlast sein kann (ZGB. Art. 782, Abs. 3).

Sofern die Beschwerdeführerin statt der Eintragung einer Dienstbarkeit die Errichtung einer Grundlast beim Grundbucharat anmeldet und die besonderen Voraussetzungen (Angabe des

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Gesamtwertes oder des Wertes einer durchschnittlichen Jahresleistung) erfüllt, dürfte dieser Anmeldung nach Bundesrecht ohne weiteres Folge zu geben sein. Dabei stellt sich die Eintragung einer Grundlast als ebenso einfache und praktische Lösung dar, wie die von der Beschwerdeführerin verlangte Eintragung einer Dienstbarkeit.

Gemäss den vorstehenden Ausführungen wird e r kannt: Die Beschwerde wird abgewiesen.

B e r n , den 21. März 1916.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Decoppet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 24. März 1916.)

Der Bundesrat hat, nach vorausgegangener dreimaliger Verwarnung, im Sinne seines Beschlusses vom 30. September 1914, das Erscheinen des Blattes ,,Courrier de Vevey et de la Tour de Peilz, da sich dasselbe wiederholter schwerer Ausschreitungen schuldig gemacht hat, durch welche die guten Beziehungen der Schweiz zu andern Mächten gefährdet werden und die mit der neutralen Stellung unseres Landes nicht vereinbar sind, auf die Dauer von zwei Monaten verboten.

(Vom 28. März 1916.)

Auf den Antrag des Politischen Departements wird die Aufhebung des schweizerischen Konsulates in Ancona beschlossen.

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Bundesratsbeschluss betreffend die Beschwerde der Emmenthalbahngesellschaft in Burgdorf wegen Verweigerung der Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch. (Vom 21. März 1916.)

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1916

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05.04.1916

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