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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde des Johannes Kyburz in Obererlinsbach gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 21. August 1902, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 31. März 1903.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t

hat über die Beschwerde des Johannes R y b u r z in Obererlinsbach gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 21. August 1902 betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Unterm 13./16. Oktober 1902 reichte Johannes Kyburz, Pächter in der Gehren zu Obererlinsbach eine Beschwerde gegen den ihm ein Wirtschaftspatent verweigernden Entscheid der Regierung des Kantons Aargau vom 21. August 1902 beim Bundesrate ein, mit dem B egehr en: Der angefochtene Entscheid des aargauischen Regierungsrates sei als verfassungswidrig aufzuheben und der Regierungsrat

492 anzuweisen, dem Rckurrenten die unterm 15. August 1902 nachgesuchte Wirtschaftsbewilligung zu erteilen.

Zur Begründung führte er folgendes aus: Er habe in diesem Jahr in der Gehren ein Gebäude erstellen lassen, um in demselben eine Wirtschaft zu betreiben.

Am 11. Februar 1902, vor Erstellung des Gebäudes, habe er bei der Finanzdirektion des Kantons Aargau um das Wirtschaftspatent nachgesucht, aber den Bescheid erhalten, gemäß Beschluß des Rcgierungsratcs vom 18. April 1898, wonach auf bloüe Planvorlagen oder Baubeschriebe hin Wirtschaftspatente weder erteilt noch zugesichert werden dürften, könne ein Wirtschaftspatentgesuch erst nach Erstellung des Gebäudes behandelt werden.

Er habe sodann vernommen, daß der Kreisinstruktor der V. Division gegen die Bewilligung eines Wirtschaftspatents für das Gebäude des Beschwerdeführers Einspruch erheben werde und deshalb den Regierungsrat ersucht, sich vorläufig über die Stellung auszusprechen, die er einem solchen Einspruch gegenüber einnehmen werde. Mit Protokollauszug vom 7. Mai 1902 habe der Regierungsrat erklärt, daß voraussichtlich das Patent nicht entgegen dem Einspruch erteilt werde; diese Erklärung stelle sich immerhin nicht als Entscheid über ein eigentliches Patentgesuch dar.

Nach Vollendung des Neubaues habe er sodann durch Vermittlung dos Gemeinderates von Obererlinsbach mit Eingabe vom 15. August 1902 das definitive Patentgesuch gestellt, sei aber durch Entscheid des Kegierungsrates vom 21. August 1902 unter Hinweis auf die Erwägungen zum Beschluß vom 7. Mai 1902 abgewiesen worden. Der Entscheid sei ihm am 26. August 1902 eröffnet worden.

In diesem Entscheid liege eine Verletzung der Art. 31 und 4 der Bundes Verfassung.

1. Der Kegierungsrat bemängle in seinem Entscheid weder den Bau selbst noch seine Lage, und der Gemeinderat von Obererlinsbach bescheinige, daß das Gebäude in dieser Hinsicht den gesetzlichen Erfordernissen entspreche, daß eine zweite Wirtschaft in der Gehren in der Nähe des Infanterieschießplatzes nötig sei und auch deshalb, weil Erlinsbach mit "Wirtschaften nicht sehr reichlich bedacht sei, ihre Berechtigung habe.

2. Auch ein in der Person des Bewerbers liegender Abweisungsgrnnd sei vom Regierungsrat nicht angeführt worden.

493 3. Auch sei nicht geltend gemacht worden, daß die polizeiliche Überwachung schwierig wäre.

4. Der einzige Abweisungsgrund liege für den lîegierungsrat in dem Einspruch des Kreisinstruktors. Der Kegierungsrat erkläre die Handhabung der Disziplin, die strenge Ordnung und die Sicherheit auf dem Schießplatz würde durch die neue Wirtschaft berührt, ohne aber anzugeben, inwiefern dies geschehe. Es sei dies eben nicht der Fall.

Abgesehen hiervon sei zu sagen, daß eine kantonale geset/,liehe Bestimmung, durch welche die Patenterteilung wegen des Vorhandenseins militärischer Schießplätze in der Nähe zu errichtender Wirtschaften beschränkt würde, nicht bestehe. Zu erwägen sei auch, daß sich bei Zusammenrechnung der Schießtage im Laufe eines Jahres eine Frequenz des Schießplatzes durch Militär von höchstens 3 Monaten ergebe. Die das ganze Jahr in Betrieb stehende Wirtschaft würde also nicht speziell dem Militär, sondern der ganzen Bevölkerung von Obererlinsbach und namentlich auch den zahlreichen Spaziergängern von Aarau dienen.

Die Militärbehörden können ja allerdings gegen Eingriffe in ihr Territorium oder Störungen der Schießübungen Einspruch erheben, nicht aber gegen die Ausübung von Handel und Gewerbe durch einen Bürger außerhalb des Schießplatzes. Die Anführung des bundesrätlichen Entscheides in Sachen Comolli vom 30. April 1901 sei verfehlt, denn wenn auch zuzugeben sei, daß Wirtschaften in allzu großer Nähe von Kirchen, Schulhäusern, Spitälern, Strafanstalten, direkte Störungen verursachen können, so sei doch nicht einzusehen, wie durch eine Wirtschaft militärische Schießübungen gestört werden können. Ein Befehl des Vorgesetzten könne ja dem Soldaten jederzeit den Besuch der Wirtschaften verbieten, wenn dies im Interesse der Sicherheit und Ordnung auf dem Schießplatz nötig erscheine. Sollte dies nicht genügen, so wäre das ein böses Zeichen für die Disziplin.

In Wirklichkeit handle es sich aber weniger um die Besorgnis der Militärbehörden wegen Disziplin und Sicherheit auf dem Schießplatz, als um die Bevorzugung des andern Wirts in der Gehren, der dort schon eine Wirtschaft habe. Allein nach dem Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz müsse dem Rekurrenten die Errichtung einer Wirtschaft auf dem Schießplatz ebenfalls gestattet werden, wenn dies einem andern erlaubt wurde.

Keine der Voraussetzungen, welche nach Salis, Bundesrecht, Nr. 651, die Patentverweigerung rechtfertigen würde, treffe in

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vorliegendem Fall zu. Im Aargau bestehe kein Gesetz, welches diese Patentverweigerung wegen Mangels des Bedürfnisses als zulässig erscheinen lasse.

n.

In ihrer Rekursbeantwortung führte die Regierung des Kantons Aargau folgendes aus : Wie aus dem Beschluß vorn 7. Mai 1902 hervorgehe, habe sie den Patentbewerber Kyburz hauptsächlich im Hinblick auf die Einsprache des Kreisinstruktors der V. Division abgewiesen, welche Einsprache auch vom Waffenchef der Infanterie unterstützt worden sei. Beide Eingaben liegen samt Situationsplan bei.

Nach ihrer, der Regierung, Ansicht liege in der Voraussicht einer Schädigung des Militärschießplatzes, beziehungsweise der militärischen Ausbildung, bei Gestattung des anbegehrten Wirtschaftsbetriebs Grund genug zur Patentverweigerung.

Kyburz habe mit dem Bau begonnen in der bestimmten Meinung, mau müsse ihm dann das Patent erteilen, trotzdem er voraussehen mußte, daß die Errichtung einer Wirtschaft so nahe beim Schießstand und Wachthaus auf Schwierigkeiten stoßen werde.

Den Einsprachen des Kreisinstruktors und Waffenchefs ist folgendes zu entnehmen : Das Kyburzsche Wirtschaftsprojekt habe für die Instruktion folgende Nachteile : Das Haus liege unmittelbar neben dem linke» Flügel der Schießstellung, 500 m., und unmittelbar an dein nach Erlinsbach führenden Weg, auf dessen anderer Seite, schräg gegenüber, sich ein hölzerner Stall, sowie das Munitions- und Materialmagazin nebst Wachtlokal befinden.

Es liege auf der Hand, daß dadurch dio Wachtmannschaft und die in den Magazinen etc. oft unbewacht sich aufhaltenden Mannschaften leicht in Versuchung geraten würden, die nahe Wirtschaft zu besuchen, oder sich ans derselben Getränke zu tragen zu lassen, wodurch Disziplin, Ordnung und Sicherheit auf dem Schießplatz gefährdet würden. Man könne dies wohl verbieten und Fehlbare strafen, richtiger aber noch sei es, die Versuchung von den Leuten fern zu halten. Dio Gefährdung sei um so schwerwiegender, als es sich um den Dienst auf einem Schießplatz handle, wo besonders auch die Sicherung vor unüber

495 legten Handlungen mit Waffen und Munition in Betracht komme.

Die schon bestehende Wirtschaft sei weniger gefährlich, weil sie etwa 100 m. entfernt liege und daher ohne Erlaubnis der Obern weniger leicht ungesehen zu erreichen sei. Ernstere Klagen über dieselbe seien noch nie eingegangen.

Gegen Kyburz habe im Jahr 1899 bald nach Inbetriebsetzung des Schießplatzes bei der aargauischen Militärdirektion Klage geführt werden müssen, weil er von seinem Wohnhaus aus, hinter der Schutzmauer durch, den Zeigern geistige Getränke habe zutragen lassen. Kyburz sei hierauf wegen unbefugten Wirtens gebüßt worden. Es sei zu befürchten, daß er mit einem Wirtschaftspatent ebenfalls Mißbrauch treiben werde. Er habe auch voriges Jahr für seinen Sohn Taglöhne in Anrechnung gebracht für Arbeiten, die jener nie geleistet habe, weshalb ihm gewisse Fuhrleistungen entzogen worden seien. Dies alles zeige, daß Kyburz keine unbedingt Vertrauens würdige Person sei.

Kyburz sei von Neid, Mißgunst und Haß gegen alle erfüllt, welchen der Schießplatz in der Gehren irgend einen Verdienst bringe, besonders auch gegen den Besitzer der schon bestehenden Wirtschaft. Mit der nahen Heranschiebung der projektierten Wirtschaft an den Schießplatz verfolge er wohl sicherlich den Zweck, dem Geschäft des andern Wirtes möglichst Eintrag zu tun. Dieses schlechte nachbarliche Verhältnis erschwere die Lage für die Truppenleitung wesentlich. All dies werde, für den Fall der Patenterteilung an Kyburz, dazu führen, daß die Kompagnien es vermeiden werden, in der Gehren zu biwakieren oder daß sie dies doch fern von den Wirtschaften tun und die Verabfolgung von geistigen Getränken unterlassen werden. Auch könne das Kommando veranlaßt werden, keine Wache mehr auf den Schießplatz zu stellen und dies um so eher, als der Unteroffiziersposten jeweilen nur in den Rekrutenschulen, welche gänzlich in Aarau stattfanden, abgegeben worden sei.

Äußerungen des Kyburz ließen ferner darauf schließen, daß er mit der Errichtung einer Wirtschaft hart an der Grenze des Schießplatzes den Staat veranlassen wolle, den Streifen Landes, auf dem der Neubau stehe, zu erwerben, um die unangenehme Nachbarschaft loszuwerden, wobei Kyburz einen Gewinn zu erzielen hoffe. Kyburz habe auch sein Fatentgesuch zum Teil damit begründet, daß der Pachtzins für den Schießplatz zu hoch
sei. Es sei wohl begreiflich, wenn die Instruktion nicht Hand dazu bieten wolle, daß gewissermaßen die Soldaten dem Pächter als Wirt den Zins aufbringen helfen sollten.

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Der Waffenchef der Infanterie erklärte sich mit diesen Einwendungen einverstanden und führte aus, ein Bedürfnis für die Errichtung einer zweiten Wirtschaft in der Gehren bestehe absolut nicht und die Antezedenzien des Patentbewerbers schienen eine Patent ver Weigerung zu rechtfertigen.

III.

Das schweizerische Militärdepartement, in Sachen zum Mitbericht eingeladen, machte geltend, daß bei der Schießausbildung der Soldaten allerdings darauf ein großes Gewicht gelegt werden müsse, daß die größte Ruhe, Ordnung und Stille auf dem Schießplatz herrsche. Bei den Übungen würden deshalb die Befehle auch nur so laut gegeben, daß der gerade schießende Mann sie noch hören könne. Alles, was den Schüler hindern könnte, seine ganze .Aufmerksamkeit auf die scharfe Erfassung des Ziels und die ruhige Schußabgabe zu konzentrieren, werde ferngehalten.

Der Wirtschaftslärm -- mau denke nur an Zurufe von Gästen, an Verhöhnung schlechter Schützen durch solche, an Johlen, Schreien etc. -- würde es aber, besonders bei der Schießausbildung auf der Distanz 500 Meter, wo die Einzelschießausbildung des Marines zum Abschluß gebracht, wo an seine Troffsicherheit die größten Anforderungen gestellt würden, geradezu verhindern, den Zweck der Übung wirklich zu erreichen. Und diese unvermeidliche Störung würde somit dazu führen, daß die öffentlichen Einrichtungen und Anstalten der Erfüllung ihrer Aufgabe, einen guten Schießunterricht zu ermöglichen, nicht mehr vollauf zu genügen vermöchten.

Das öffentliche Interesse erheische nun aber ferner, daß jedes Gewerbe, welches -- wenn auch nur indirekt -- zu unüberlegter Handhabung der Walfe Anlaß geben konnte, infolge der Gefährdung von Leben und Gesundheit von Menschen aus der unmittelbaren Nähe des Schießplatzes verbannt werde. Beim Einzelschießen würden im Interesse völliger Ruhe und Stille die nicht gerade mit Schießen beschäftigten Leute in angemessener Entfernung hinter den Ständen aufgestellt, wo sie, da alle Offiziere und die meisten Unteroffiziere vorn auf den Schieß- und in den Scheibenständen nötig seien, nur sehr wenig beschäftigt werden könnten. Da liege es denn nahe, daß sich einzelne von diesen Leuten heimlich in die nahe Wirtschaft schleichen würden oder sich heimlich Getränke ans derselben zutragen ließen. Der Gi'iiuß von Alkoholika aber bringe es bei diesen Leuten dann

497 naturgemäß mit sich, daß sie weniger vorsichtig mit ihrer Waffe umgingen und so Leben und körperliche Integrität ihrer Kameraden etc. in Gefahr brächten. Und wenn auch diese Gefahr in Rekrutenschulen vielleicht weniger groß sei, so müßte mit ihr in Wiederholungskursen doch sehr ernstlich gerechnet werden.

B.

in rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Der Buudesrat ist zur Entscheidung über die rechtzeitigeingelegte, auf eine Verletzung von Art. 31 und 4 der Bundesverfassung sich stützende Beschwerde zuständig.

II.

Die Gesetzgebung des Kantons Aargau gestattet bei der Prüfung von Wirtschaftspatentgesuchen nicht, die Bedürfnisfrage zu stellen. Die kantonale Regierung hat das Vorhandensein der sachlichen Erfordernisse des aargauischen Wirtschaftsgesetzes im vorliegenden Fall nicht bestritten. Sie hat auch hei ihrem Entscheid das Strafenverzeichnis des Beschwerdeführers, worauf sich ·eine ganze Reihe von .Bußenerkenntnissen wegen unbefugten Wirtens findet, nicht in Berücksichtigung gezogen, offenbar davon ·ausgehend, diese Vorstrafen genügten nicht, um dem Beschwerdeführer den zur Erlangung einer Wirtschaftsbewilligung erforderlichen guten Leumund abzusprechen. Der Rekurrent wurde mit seinem Patentgesuch vielmehr einzig aus dem Grund abgewiesen, weil die Regierung als Hüterin des Waffenplatzes es in Wahrunghöherer allgemeiner öffentlicher Interessen, insbesondere der militärischen Interessen des Bundes und der Kantone für geboten erachtete, der Entstehung einer Wirtschaft in allernächster Nähe des Schießplatzes in der Gehren entgegenzutreten. Hierbei konnte sie sich allerdings nicht auf eine Norm der kantonalen Gesetzgebung stützen ; vielmehr trägt das abweisende Erkenntnis den Charakter einer polizeilichen Verfügung gemäß Art. 31, lit. e, ·der Bundesverfassung, für welche eine die Natur des kantonalen Erlasses bestimmende Beschränkung, wie z. B. bei Berücksichtigung des öffentlichen Wohles nach Art. 31, lit. c, der Bundesverfassung, wo ein Akt der Gesetzgebung gefordert wird, nicht besteht. Es läßt sich demnach die einzige im vorliegenden Fall zu prüfende Bundesblatt.

55. Jahrg. Bd. II.

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Frage dahin fassen: ob unter den gegebenen Umständen der Erlaß einer solchen polizeilichen Verfügung gerechtfertigt war oder nicht.

III.

Vorab sei hier daran erinnert, daß derartige Verfügungen schon in einer ganzen Anzahl von Fällen vom Bundesrat geschützt worden sind. Es wurde beispielsweise zu verschiedenen Malen von den Bundesbehörden der Satz aufgestellt, das Prinzip der Handels- und Gewerbefreiheit könne nur mit der Einschränkung anerkannt und angewendet werden, daß die Ausübung der kommerziellen und industriellen Tätigkeit weder im allgemeinen noch im einzelnen die Sicherheit des Lebens oder Eigentums oder die Gesundheit anderer gefährden dürfe (vergleiche Salis, Bundesrecht, II, Nr. 554--558, 560; Bundesbl. 1895, II, 148 S.: 1899, IV, 112 ff.; 1901,11 888 fi.). Auch wurden in Wahrung ìioherer öffentlicher Interessen schon mehrfach polizeiliche Verfügungen geschützt, durch welche die Eröffnung von Wirtschaften in nächster Nähe einer Kirche, eines Spitals, einer Strafanstalt oder einer Schule verweigert wurden (vergleiche Salis a. a. 0. !!> Nr. 651, Ziffer 3). Es kann keinem Zweifel unterstehen, daß zu den auf solche Weise zu wahrenden Interessen unter den im vorliegenden Fall gebenen Umständen auch diejenigen des schweizerischen Wehrwesens zu zählen sind.

Eine der ersten Aufgaben des Wehrwesens ist es, die Soldaten zu tüchtigen Schützen heranzubilden. Die Militärbehörden müssen, schon der Kürze der Dienstzeit wegen, ein ganz besonderes Gewicht darauf legen, daß der Unterricht auf den Schießplätzen ein möglichst intensiver und eindringlicher sei. Die zur Wahrung der militärischen Interessen berufenen kantonalen Organe müssen also darauf bedacht sein, von den Schießunterrichtsstätten und ihrer unmittelbaren Umgebung alle Gewerbebetriebe fernzuhalten, welche ihrer Natur nach eine störende Einwirkung auf die Heranbildung der Milizen mit sich bringen.

Denn der Schießunterricht, soll er anders die gewünschten und im Interesse der Allgemeinheit absolut nötigen Ergebnisse zeitigen, verträgt so wenig, wie jeder andere Unterricht, irgend welche Störung, irgend welche Ablenkung des Schülers von seiner Aufgabe. Mit vollem Recht haben im vorliegenden Fall die zur Meinungsäußerung eingeladenen militärischen Behörden diejenigen Unzukömmlichkeiten ganz besonders betont, die aus der Er-

499 Öffnung einer Wirtschaft in unmittelbarer Nähe der Schießstände in der Gehren entstehen würden. Das Verhältnis wäre ein ganz ahnliches, wie es sich bei dem Betrieb einer Wirtschaft in der Umgebung eines Schulhauses ergeben würde. Der mit dem Wirtschaftsbetrieb unvermeidlich verknüpfte Lärm, gehe er nun von der Hantierung des Wirtes und seiner Leute 'oder von den Gästen aus, wäre zweifellos geeignet, die Aufgabe der den Schießunterricht erteilenden Offiziere zu erschweren, die Schießausbildung der Mannschaften zu beeinträchtigen und somit höhere, allgemeine, öffentliche Interessen wesentlich zu gefährden, deren Wahrung der schrankenlosen Durchführung des Prinzips der Handels- und Gewerbefreiheit vorgehen muß.

IV-

Hierzu kommt noch ein weiteres. Es ist klar, daß gerade bei den Übungen auf dem Schießplatz von den Mannschaften ein höheres Maß von Vorsicht in der Handhabung ihrer Waffe gefordert werden muß als gewöhnlich. Denn die geringste Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit hierbei kann die unheilvollsten Folgen für Leben und Gesundheit aller auf dem Schießplatz anwesenden Personen nach sich ziehen. Daß nun der Genuß alkoholischer Getränke nur allzu geeignet ist, solche Unachtsamkeit hervorzurufen, bedarf wohl keiner näheren Erörterung. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Überwachung der momentan nicht mit Schießen beschäftigten Mannschaften infolge der starken Inanspruchnahme der Offiziere und Unteroffiziere auf den Schießund in den Zeigerständen zeitweise nicht genügend sein könne, um zu verhindern, daß bei der großen Nähe der zu errichtenden Wirtschaft am Schießplatz einzelne Leute sich heimlich auf die eine oder andere Weise in unbewachten. Augenblicken Alkoholika verschaffen wurden, nach deren Genuß ihr Verhalten eine gegeringere Gewähr für die Sicherheit ihrer Kameraden bieten würde, ja -eine direkte Gefährdung derselben bedeuten könnte. In gleicher Weise aber wäre eine Gefährdung auch für die Zeiger damit verbunden, daß sich Vorkommnisse wiederholten, wie diejenigen waren, deretwegen der Beschwerdeführer früher schon bestraft worden ist, für die er aber, einmal im Besitz des Patents, nicht mehr bestraft werden und für deren Folgen er in keiner Weise haftbar gemacht werden könnte.

500 V.

Wenn nun auch der letztere Grund für sich allein zur Abweisung des Patentbewerbers Kyburz nicht hinreichend ist, so muß doch gesagt werden, daß er in Verbindung mit den unter III der rechtlichen Erörterungen angeführten Erwägungen die Verweigerung der Wirtschaftsbewilligung durch die Regierung des Kantons Aargau dem Rekurrenten gegenüber als eine wohlberechtigte polizeiliche Verfügung im Sinne des Art. 31, lit. c, der Bundesverfassung erscheinen läßt.

Demgemäß wird erkannt: Die Beschwerde wird als eine unbegründete abgewiesen.

B e r n , den 31. März 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Ringier.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des Johannes Kyburz in Obererlinsbach gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 21. August 1902, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes. (Vom 31. März 1903.)

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01.04.1903

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