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9762 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Graubünden (Vom S.September 1967)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

In der Volksabstimmung vom 9. April 1967 haben die Stimmberechtigten des Kantons Graubünden mit 9512 Ja gegen 4250 Nein einer Änderung von Artikel 18, 20,26 Absatz 2, 31 und 53 Absatz l sowie der Einfügung eines neuen Artikels 50bis der Kantonsverfassung zugestimmt. Mit Schreiben vom 15. Juni 1967 ersucht der Kleine Rat des Kantons Graubünden um Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten : Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 18 Der Grosse Rat wählt frei aus allen stimmberechtigten Kantonseinwohnern das Kantonsgericht, die Steuerrekurskommission, den kantonalen Bankrat, sowie die Erziehungs- und Sanitätskommission und setzt die Geschäftsordnungen dieser Behörden fest.

Art. 20 Der Grosse Rat beurteilt zweitinstanzlich die vom Kleinen Rat entschiedenen Rekurse politischer und administrativer Natur, wenn nicht durch Spezialgesetze der Weiterzug ausgeschlossen ist oder andere Behörden dafür bestimmt sind. (Art. 34.)

Art. 18

... Kantonsgericht, das Verwaltungsgericht, den Bankrat der Bündner Kantonalbank sowie die..

Art. 20 Der Grosse Rat beurteilt als einzige Instanz Rekurse, welche sich auf die Wahl seiner Mitglieder beziehen.

232 Bisheriger Text

Neuer Text

Rekurse, welche sich auf die Wahl von Abgeordneten zum Grossen Rat beziehen, werden von letzterem, als eigene Legitimationssache, allein entschieden.

Durch Gesetz kann ihm die Beurteilung weiterer öffentlichrechtlicher Streitigkeiten übertragen werden.

Art. 26, Abs. 2 Gegen Verfügungen eines Departements ist stets eine Beschwerde an die Gesamtbehörde zulässig.

Art. 26, Abs. 2 Aufgehoben

Art. 31

Art. 31

Der Kleine Rat entscheidet, mit Vorbehalt des Weiterzuges an den Grossen Rat und mit Ausnahme der letzterm allein unterstellten Legitimationsfragen, alle Streitigkeiten politischer und administrativer Natur. (Art.

20.)

Der Kleine Rat entscheidet öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, soweit sie nicht ausdrücklich einer ändern Behörde zugewiesen sind.

neu: 4a. Verwaltungsgericht

Art. SO"'» Das Verwaltungsgericht besteht aus drei ständigen und acht nichtständigen Mitgliedern.

Der Grosse Rat kann die Zahl der Mitglieder erhöhen. Er wählt den Präsidenten und einen oder mehrere Vizepräsidenten sowie die ständigen und nichtständigen Mitglieder für eine vierjährige Amtsdauer.

Das Gesetz bestimmt die Obliegenheiten des Verwaltungsgerichtes.

Art. 53, Abs. l Rechtsanstände zwischen dem Kanton und Privaten oder Korporationen werden auf dem gewöhnlichen Zivilwege ausgetragen.

Art. 53, Abs. l

...ausgetragen, soweit sie das Gesetz nicht dem Verwaltungsgericht zuweist.

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Mit der vorliegenden Verfassungsänderung, die die Grundlage zur Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Graubünden bildet, wird dem Bürger für die Beurteilung seiner Rechte und Ansprüche gegenüber dem Staat eine von dessen Verwaltung unabhängige gerichtliche Behörde zur Verfügung gestellt. Die bisher von verschiedenen Kommissionen und Spezialgerichten auf Teilsektoren ausgeübte unabhängige richterliche Kontrolle der Verwaltungstätigkeit wird zusammengefasst und gleichzeitig auf Gebiete ausgedehnt, auf denen die Rechtsanwendung bis heute nicht oder nur durch die politischen Behörden, den Kleinen und Grossen Rat, überprüft wurde. Die vorgesehene Änderung überwindet somit die bei der Verwaltungsrechtspflege herrschende Zersplitterung und schafft die Voraussetzungen für eine einheitliche Verwaltungsrechtsprechung. Für den Kleinen und den Grossen Rat bedeutet sie eine willkommene Entlastung von dieser Aufgabe.

Nach dem neuen Artikel 18 wird das Verwaltungsgericht vom Grossen Rat bestellt. Nicht mehr erwähnt ist die Steuerrekurskommission, deren Aufgaben an das Verwaltungsgericht übergehen. Lediglich redaktioneller Natur ist die Änderung, dass der Grosse Rat «den Bankrat der Bündner Kantonalbank», statt - wie bisher - «den kantonalen Bankrat» wählt.

Gemäss Artikel 20, Absatz l (neu) entscheidet der Grosse Rat als einzige Instanz über Rekurse betreffend die Wahl seiner Mitglieder. Ausserdem kann ihm nach dem neuen Absatz 2 durch Gesetz die Beurteilung weiterer öffentlichrechtlicher Streitigkeiten übertragen werden. Bisher hatte der Grosse Rat als zweite Instanz alle Rekurse gegen Entscheide des Kleinen Rates politischer und administrativer Natur beurteilt, soweit nicht Spezialgesetze eine abweichende Regelung enthielten.

Artikel 26, Absatz 2 wurde absolet und konnte aufgehoben werden.

Nach dem bisherigen Wortlaut von Artikel 31 entscheidet der Kleine Rat, mit Vorbehalt des Weiterzuges an den Grossen Rat und mit Ausnahme der diesem allein unterstellten Legitimationsfragen, alle Streitigkeiten politischer und administrativer Natur. Neu obliegt ihm nur noch der Entscheid über öffentlichrechtliche Streitigkeiten, die keiner ändern Behörde zugewiesen sind.

Rechtsanstände zwischen dem Kanton und Privaten oder Korporationen werden nur noch soweit auf dem gewöhnlichen Zivilweg ausgetragen, als
sie das Gesetz nicht dem Verwaltungsgericht zuweist (Artikel 53, Absatz 1).

Der neu eingefügte Artikel 50bla handelt von der Organisation des Verwaltungsgerichts, das aus drei ständigen und acht nichtständigen Mitgliedern besteht, wobei die Mitgliederzahl erhöht werden kann. Der Präsident, ein oder mehrere Vizepräsidenten sowie die ständigen und nichtständigen Mitglieder werden vom Grossen Rat für eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt. Die Obliegenheiten des Verwaltungsgerichts bestimmt das Gesetz.

Diese Änderungen der Verfassung des Kantons Graubünden berühren ausschliesslich das kantonale öffentliche Recht und enthalten nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes. Wir beantragen Ihnen deshalb, den

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Änderungen durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfs die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den S.September 1967.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Bonvin Der Bundeskanzler: Ch.Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Graubünden Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

in Anwendung von Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 8. September 1967, in Erwägung, dass diese Verfassungsänderungen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst:

Art.l Den in der Volksabstimmung vom 9. April 1967 angenommenen Änderungen der Artikel 18, 20, 26 Absatz 2, 31 und 53 Absatz l sowie dem neuen Artikel 50ble der Verfassung des Kantons Graubünden wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Graubünden (Vom 8.September 1967)

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Jahr

1967

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

39

Cahier Numero Geschäftsnummer

9762

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.09.1967

Date Data Seite

231-235

Page Pagina Ref. No

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