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Schweizerisches Bundesblatt.

X. Jahrgang. I.

Nr. 18.

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.21. April 1858.

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des

schweiz. Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über seine Geschaftsführung im Jahr 1857.

(Fortsezung.)

Gechäftskreis d.es Justiz nnd Polizeidepartements.

^

Jm Laufe des Berichtsjahres hatte sich das Departement mit keinen Geschäften zu besassen, welche sich auf die Ergänzung oder weitere Aussührung der Bundesgefezgebung beziehen, und es kann daher fogleich zur.

Darstellung der Verwaltung in Justiz- und Polizeisachen übergehen.

A. Justiz.

a.

Staatsrechtliche Verhältnisse.

Es ist im Allgemeinen etwas anfallend, daß immer noch viele Beschwerdeu über Rechtsverhältnisse einkommen, welche gänzlich außerhalb der Kompetenz der Bundesbehörden liegen und daher von vorn herein abgewiesen werden müssen, ohne sie auch nux zur Beantwortung an die betreffende kantonale Regierung zu schiken. Solche Beschwerden rühren nicht nur von unkundigen Leuten her, sondern auch von Rechtskundigen, welche auf den ersten Blik die tlnftatthaftigkeit ihres Vorbringens einfeheu sollten. Wir gehen auf solche Fä.i.. hier ni.cht weiter ein, sondern sahren, wie bisanh.n, sort, eine Anzahl Entscheidungen staatsrechtlicher Fragen mitzuthei.en, bei denen die Kompetenz des Bundes entweder unzweifelhaft vorhanden, oder wenigstens einer nähern Prüfung werth war.

1. Bezüglich auf die Bundesverfassung.

Zu Art. 41 (Niederlassung).

D.e Fälle über Verweigerung der Niederlassung oder Entzug derselben (Ausweisung) biete). kein besonderes Jnteresse dar , indem es sich nicht um Aufstellung allgemeiner Grnndsäze, fondern um Würdigung der sakti-

Bundesblatt. Iahrg. X. Bd. I.

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scheu Verhältnisse des einzelnen Falles handelte. Dagegen führen wir einige Beschwerden an, welche mit der Niederlassung im Zusammenhange stehen und theilweise damit begründet wurden, wie z. B. Besteuxung und Entzug von Ausweisfchrifteu.

Herr B., Bürger von Tesfin, niedergelassen im Kanton Graubünden.

beschwerte sich, daß ex nicht nur im leztern Kanton die Steuern bezahlen müsse, sondern auch von seinem Heimathskantone dafür belangt werde.

Das Steuergesez von Graubiinden bestimmt in ^. 3 .

Jedes Vermögen über Fr. 1000, nämlich jedes im Kanton befindliche Grundeigentum, wie alle Kapitalien, Handels.. und Gewerbsfonds und Barschaften , welche Kantons - E i n w o h n e r n gehören , unterliegt der Steuex, ob dasselbe im Kauton oder auswärts liege.

Die tessinifehen Geseze schreiben vor..

Art. 4. Alle im Kanton befindlichen Güter und Kapitalien unterBiegen der Steuer.

^ Art. 9. A l l e T e s s i n e r find der Steuer vom Einkommen unterworfeu, woher dasselbe komme.

So müsse also der Reknrrent sein Einkommen und Vermögen doppelt versteuern , was ein Hinde.rniß der freien Niederlassung bilde , die durch Art. 41 der Bundesverfassung gewährleistet sei.

Die Regierung . von Graubünden erwiderte hierauf, ihx Steuergesez.

unterwerfe den Niedergelassenen keinen andern nnd größ^.n Steuern, und sei daher gerade durch Art. 41 der Bundesverfassung gerechtfertigt.

Die Regierung von Tesfin bemerkte über die Beschwerde Folgendes..

Alle Tessiner seien der Steuex unterworfen vom Einkommen, woher dieses ..omme und von dem im Kanton liegenden Vermögen. Da in Graubünden eine Einkommensteuer nicht bestehe, so reduzire sich also die Beschwerde des Rekurrenten aus eine doppelte ^Besteurung seines Kapitalvermögens.

Das tessinische Gesez müsse auch die auswärtigen Bürger treten, sonst wären die reichsten Familien steuerfrei und die Steuerlast würde größtentheils ans den deinen Grundeigenthümern ruhen. Das Tefsinexgesez be^ kränke die Besteurung der niedergelassenen Schweizer aus das Einkommen und Vermögen, das sie im Kanton Tesfin besizen, und sei daher füx die Niedergelassenen weniger lästig, als das von Graubünden. Der freien Niederlassung in Tessin werde kein Hinderniß in den Weg gelegt, und e^ sei daher die Berufung aus Art. 4l der Bundesverfassung unbegründet.

Es wurde hieraus, iu E r w ä g u n g e daß die
h. Bundesversammlung in Sachen der Kantone St. Gallen und Thurgau am 20. Juni 1854 entschieden hat, der schweiz. Niedexg.^ lasseue könne von seinem Heimathkanton nicht auf dem Wege der ^.utio^ zu Steuern angehalten werden , sonde-n er könne , falls er solche Steuer .bestreite, die Entscheidung der Gerichte des Niederlassungskantous anru^eu,

^

257 beschlossen:

Es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten, fonderu dem Rekurrenteu überlassen, im Sinne der Erwägung zu verfahren.

Herr v. E. , ein Bürger von Bern , beschwerte fich ebenfalls über doppelte Bestenrung. Er besizt ein Haus in Bern und ein Landgut iw Kanton Aargau, welche ex abwechselnd im Winter und Sommer bewohnt.

Nach den Gesezen beider Kantone müssen die Niedergelassenen ihr gesammtes Einkommen versteuern. Durch diese doppelte Versteurung wird nach der

Ansicht des Rekurxenten die Rechtsgleichheit verlezt, uud dasiir wird im

Weitern noch angeführt^ t) Die Steuern seien ein Ae^uivalent für den Rechtsschuz des Staates^ derjenige, welcher diesen Schuz nur für die Hälfte des Jahres genieße, könne daher nicht für die ganze Zeitdauer mit Abgaben belastet werden.

2) Nach der Gleichheit der Schweizer vor dem Gesez gebe es keine Sonderberechtigung und keine Sonderverpslichtungen. Die Steuerlast sei eine öffentliche Last, wie der Militärdienst, und dieser müsse auch nur an einem Orte geleistet werden.

3) Der Schweizerbürger dürfe seine politischen Rechte nur in e i n e m Kantone ausüben ; man könne ihn daher nicht in mehreren Kantonen besteuern.

Nach einer Begründung der Kompetenz de^ Bundes stellte der Rekurrent das Gesuch, daß der Bundesrath entscheide, in weichem Kantone er die Steuern zu bezahlen habe, oder eventuell, daß er einen Gesezesvorschlug über die Steuerpflicht der in mehreren Kantonen domizilirteu Schweizerbürger der h. Bundesversammlung vorlege.

Die Regierung von Aargau erwiderte aus d^e Beschwerde: Das aargauische Gesez finde Anwendung aus alles im Kanton befindliche oder einem Einwohner gehörende Vermögen, und der Rekurrent anerkenne selbst, daß er in.. Danton Aargau domizilirt und somit dessen Gesezen unterworfen sei.

Die Besteuruug im Kanton Bern könne hierauf eben so wenig Einfluß äußern, als ein solcher vom bernischen Fiskus hinsichtlich der aargauischen Bestenrung anerkannt zu werden scheine. Wenn der Rekurrent es vorziehe, in zwei Kantonen seinen Wohnsiz aufzuschlagen und die damit verbundeneu Rechte zu genießen, so habe er auch die Rasten, w.e jeder andere Einwohner, zu tragen.

Die Regierung von Bern berichtete über die Beschwerde im Wesentlichen Folgendes : Das Steuerrecht des Staates kann nicht bloß als ein Aequiv.^ent des Staatsschuzes ausgefaßt werden , und eben so wenig kann es daraus ankommen , ob ein Staatsbürger kürzere oder längere Zeit im Kanton sich aufhalte, sondern es fragt sich bloß, ob er S t a a t s b ü r g e r fei oder nicht^ Zwischen Militär^ und Stenerpflicht besteht ^eine Analogie, denn jene ist größtenteils Sache des Bundes, d^se der K a n t o n e . Beide stehen sich uicht als selbständige Gemeinwesen gegenüber, sondern diese sind

.

258

^

Theile des erstern, und wer an einem Orte den Militärdienst ^eistet, geuügt seiner Pflicht gegen Bund und Kanton. Ganz anders verhält es sich beim Steuerwesen, das ausschließlich kantonale Sache ist. Eben so

wenig hängt die Steuerpflicht mit der Befugniß zusammen , politische Rechte auszuüben; es erscheinen auch beide in der Wirklichkeit häufig abgesondert. Nach den bernischen Gesezen ist der Gemeindseinwohner steuerpfiichtig , und es kommt auf die Dauer der Anwesenheit nichts an. Bei dem Rekurrenten find die Bedingungen der Steuerpslicht vorhanden, und es würde zu seinen Gunsten eine Rechtsungleichheit eingeführt , wenn seinem Gesuche entsprochen würde. Nur durch übereinstimmende kantonale Geseze gebungen oder Konkordate kann seinen Ansichten Rechnung getragen wer.den ; der Bund aber ist nicht kompetent , in die Steuergesezgebung der Kantone einzugreifen, wenn sie mit den Vorschriften des Bundes, wie hier, nicht im Widerspruch stehen.

Diese ^Beschwerde wurde abgewiesen, in

Erwägung:

1) daß die Steuergefezgebungen der Kantone auf der Souveränetät der leztern beruhe und dem Bunde gemäß Art. 3 der Bundesverfassung weder auf dem Wege der Gesezgebung , noch der Jurisdiktion eine Ein..

mischung zusteht, in sofern jene Gesezgebungen nicht mit Bundesvorschristen und Konkordaten im Widerspruche stehen ; 2) daß nun die Berufung auf Art. 4 der Bundesverfassung , betreffend Gleichheit vor dem Geseze, nicht Stich häit, weil von beiden Gesezgebungen Berns und A a r g a u s , als zweier selbstständiger Bundes^.

glieder, jeder für sich betrachtet werden muß, und von diesem Standpunkte aus selbst der Rekurrent nicht behauptet, daß die eine oder andere buu-

deswidrig fei, und weil daher die doppelte Besteurung nicht eine Ungleich^

heit vor dem Geseze (dem bernischen oder ^aargauischen) ist, sondern auf dem Umstande beruht , daß der Rekurrent in beiden Kantonen ein förn^ liches Domizil hat, daher natürlich auch den Gesezen beider Kantone unterworfen ist; 3) daß ferner die Gleichstellung der Besteurung mit der Militärpflicht und deren Ersaz vom Standpunkte des schweizerischen Staatsrechts aus unzulässig ist, weil die leztere zentralisirt und daher einer einheit.^ lichen Gesezgebung unterworfen ist; 4) daß endlich die Steuerpflicht nicht als ein Aequivalent der politi^ schen Rechte aufgefaßt werden kann, da z. B. Frauen, Minderjährige und Bevogtete überhaupt die politischen Rechte nicht ausüben , wol aber ihr Vermögen oder ihren Erwerb zu versteuern haben, und eben so kantonsfremde Einwohner in Gemeindesachen kein Stimmrecht besinn und gleie^ wol an die Gemeindsbedürfnisse beitragen müssen.

Die Regierung von Luzern führte Namens eines ihrer Bürger ^lgende Beschwerde : Ein gewisser .^.., Bürger des Kantons Luzern , wohnte in Pieterlen.

25^) Kantons Bern, bei einem gewissen ^. zur Miethe, und zog später fort r.ach Nods, desselben Kantons. Seine Ausweisschristen wurden ihm troz aller Reklamationen nicht aushingegeben , weil er den Aufenthaltsschein nicht zurükstellen konnte, indem er denselben dem Vermiether G. übergeben hatte, und dieser wegen Forderungen, die er an K. stellt, ihn nicht hexausgibt. Es wurde nun verlangt , daß der Bundesrath die Regierung von Bern einlade, das Regierungsstatthalteramt von Buren, resp. den G., anzuhalten, die fraglichen Schriften herauszugeben. Dieses Begehren wurde auf folgende Gründe gestüzt : 1. Nach Art. 41 der Bundesverfassung könne K. sieh niederlassen, wo er wolle, und sei daher berechtigt gewesen, seinen Wohnsiz zu verlegen ; 2. K. sei ein aufrechtstehender Bürger und müßte daher für allsällige Forderungen an seinem neuen Wohnorte belangt werden ; 3. ein ordentliches Arrestverfahren liege gar nicht vor, indem ein solches ans Werthgegenstände gerichtet, von der Zivilbehörde hätte ausgehen müssen , während G. einen Arrest gar nicht erwirkt habe,

fondern die Schrift willkürlich vorenthalte ;

4.

es handle sich hier um Bestimmungen des öffentlichen Rechts, welche K. nicht zum Gegenstande eines Zivilprozesses machen könne, sondern welche von Amtes wegen zu handhaben seien.

Auf ^diefe Beschwerde erwiderte die Regierung von Bern im Wesentlichen Folgendes : Ad 1. Die freie Niederlassung sei an die Bedingung eines Heimathscheins geknüpft, und wenn K. diese nicht erfüllen könne, so fei nicht die Polizeibehörde schuld, sondern er selbst.

.Ad 2. G. hat den K. weder in. noch außer dem Kanton belangt, und es liegt daher eine Widerhandlnng gegen Art. 50 der Bundesvex.^ fassung nicht vor.

Ad 3. Eben so wenig hat G. einen Arrest erwirkt, der übrigens nicht einmal bundeswidrig wäre, weil der Art. 50 Arreste auf Objekten des Schuldners , die in dem Kanton seines Wohnorts liegen , nicht untersagt.

Ad 4.

Es handelt sich auch i^ sofern um Bestimmungen des öffentlichen Rechts, als die Polizeibehörde den Heimathschein nur gegen Rükgabe^ des Aufenthaltsscheins zu verabfolgen hat, und als Streitfragen zivilrechtlicher Natur vor den Zielrichter gehören. Nach ^. 11 und 74 der bernerischen Verfassung und Art. 53 der Bundesverfassung konnte somit die Administrativbehörde hier nicht eingreifen.

Die Beschwerde wurde abgewiesen , in

Erwägung..

1 . daß vorerst eine administrative Verfügung gegen G. von Pieterleu auf Herausgabe des Aufenthaltsfcheins nicht erlassen werden kann , weil offenbar ein zivilrechtliches Verhältniß (Pfand oder Retentionsreeht) in.

260 ^ Frage liegt, und weil die Anwendung des Art. 50 der Bundesverfassung hier nicht statthaft ist, da, abgesehen von andern Gründen, von keiner Behörde ein Arrest auf jenen Schein gelegt wurde, und G. den K. nicht mit einer Klage oder mit Rechtstrieb verfolgte; 2. daß ebenso eine Verfügung von Bundes wegen geger^ das Statt..

halteramt Büren ans Herausgabe der Ausweisschriften als unzulässig erscheint, weil einerseits dadurch auf indirektem Wege und mi^ Beseitigung

des Richters die ganze Bedeutung des allfälligen Zivilrechts des G. auf..

gehoben würde, und weil es andererseits nicht als eine bundeswidrige Ex^ schwerung des Niederlassungsrechtes zu betrachten ist, roenn ein kantonales Gesez im Jnteresse der administrativen Ordnung die Herausgabe der Answeisschriften an die Bedingungen der Rükerstattung des Aufenthaltsscheins^.

knüpft, vorausgesezt , d^ß es in der Macht des Reklamanten stehe, sich diesen Schein zu verschaffen und somit selbst das Hinderniß zu heben.

Zn .^. 45 der B u n d e s v e r f a s s u n g ( P r e ß f r e i h e i t ) .

Die Drukereibesizer T r a v e r s a undDegiorgi in Lugano beschwerten fich über verschiedene Beschlüsse des Staatsrathes von Tessin , welche den von ihnen als verantwortlichen Herausgeber der ,,Riforma.^ angebotenen .B. E. von Ponte ^resa nicht als solchen anerkennen. Zwar schreibe das tessinische Preßgesez vor, daß der verantwortliche Herausgeber von der Regierung genehmigt werden und daß derselbe ein Aktivbürger des Kantons im Sinne des Art. l 6 der Verfassung ^ein müsse; allein der Bundesrath habe im November 1854 diese Bedingungen als unvereinbar mit der Bundesverfassung erklärt. Jedenfalls sei die ..Forderung der Re^ gierung, daß der Herausgeber ein Vermögen besizen müsse, entsprechend der Verantwortlichkeit, nicht im Art. 14 des tessinifchen Preßgesezes, und widerspreche auch dem^ Art. 1 1 der Staatsverfassung. Das Gesez könne den Mißbrauch der Presse bestrafen, aber nicht diese zum Voraus fesseln.

.^er werde unter anderm Namen eine Kaution verlangt , und diese sei , als Hemmung der Presse, verfassungswidrig, sowol mit Bezug aus die Kantons.., als die Bundesverfassung.

Der Staatsrath von Tesfin erwiderte hierauf : Der Bundesrath habe nur den ^. 2 von Art. 14 des Preßgesezes aufgehoben, den übrigen Theil aber stehen lassen. Dieser bestimme nun , daß der Druk periodischer Blätter so lange untersagt sei , bis die Regierung den ihr vorgestellten Herausgeber genehmigt habe. So lange daher in Tessin ein Preßgesez gestehe, in den verfassungsmäßigen Formen erlassen und vom Bundesrath gebilligt , so könne die Anwendung desselben nicht als unvereinbar mit der Verfassung erklärt werden. Offenbar habe das Gesez nicht eine fiktive und illusorische Bedingung aufstellen wollen, sondern verlange, daß der Herausgeber in Wirklichkeit für alle Rechtsfolgen (responsable per ogni affetta di ragione)
verantwortlich gemacht werden könne , die auf eine be^ deutende Summe ansteigen können. Der B. E. sei nicht genehmigt wor^ den, weil er gar kein Vermögen besize und sich daher aus einem offiziellen Berichte der Munizipalität von Ponte Tresa ergebe, daß er keineswegs.

261 als Aktivbürger Anerkannt werde; jedenfalls .^i ficher, daß ex gar nichts befize, weder in Ponte Txesa, noch anderswo. Für die Petenten sei es .^anz leicht, die Hindernisse zu heben, welche dem Erscheinen der Zeitung entgegenstehen ; fie brauchen nur die bezeichneten Erfordernisse zu erfüllen.

Die Beschwerde wurde abgewiesen , in E r w ä g u n g ^ 1) daß der Bundesrath unterm 17. November 1854 dem tesfinischen Preßgeseze vom 13. Juni 1834 seine Genehmigung ertheilt hat., jedoch mit Ausnahme der Axt. 3, ^. 1 und 4, Art. 14, ^. 2,

und Art. 23 und 31;

2) daß daher die in Frage liegende Bestimmung des Art. 14, welche lautet . ,,Der Druk jeder Zeitung oder sonstigen Zeitschrift , bevor ,, der Regierung ein Herausgeber , der sich für alle daherigen Folgen ,,verantwortlich erklärt, bezeichnet und von ihr angenommen worden, ,,ist bei einer Buße von 10--50 Fr. verboten ^ -- in voller Kraft besteht und somit vom Staatsrathe in Anwendung gebracht werden

darf ; .^) daß allerdings diese Bestimmung und deren Genehmigung durch den Bundesrath nicht den Sinn haben kann , die Regierung zu ermäch-

tigen , willkürlich und bloß in der Absicht , mißbeliebige Blätter zu

verhindern , .die Anerkennung eines Herausgebers zu verweigern, sondern daß für die Anwendung dieser Maßregel hinreichende Gründe ^ vorhanden sein müssen , welche die Tendenz der Beschränkung der Preßfre.heit ausschließen und lediglich auf der Absicht beruhen, die Umgehung des Gesezes durch eine bloß fiktive und wirkungslose Verantwortlichkeit zu verhindern ; 4) daß nun schon das bisherige Verfahren der Regierung , nach welchem jeweiien ohne alle Schwierigkeit die Herausgeber der Blätter sofort anerkannt wurden und die Erklärung der Regierung in jedem gegebenen Falle den obersten Entscheid den Bundesbehörden zu überlassen, die Vermuthung einer der Preßfreiheit feindseligen Tendenz ausschließen .

^) daß überdieß im vorliegenden Falle die Verhältnisse des als Hexansgebex prä.entirten B. E. der Art sind, daß von einer wirklichen, nicht bloß f i k t i v e n Verantwortlichkeit nicht die Rede sein kann; ^) daß somit ein hinreichender Grund sür die Verweigerung der Auerkennung des Herausgebers vorliegt und der Regierung der Voxwurf nicht gemacht werden kann , als ob fie den durch das Gesez ihr überlassenen Spielraum zu mißbräuchlicher Anwendung benuzt habe^ 7) daß auch die gegen die Drukereibefizer verhängte Buße von Fr. 10 gerechtfertigt erscheint, indem die Zeitung herausgegeben wurde.

ehe dem Art. 14 des Preßgesezes ein Genüge geleistet war.

Zu A r t . 48 der B u n d e s v e r f a s s u n g .

Ein gewisser ^. in Ollchre, Kts. Waadt, verlangte .Kassation

262 Deines erst- und zweitinstanzlichen Urtheils der sreiburgifchen Gerichte, weil er nach seiner Behauptung ungünstiger behandelt worden wäre , als ein sreiburgischer Bürger unter gleichen Umständen, und weil somit der Art. 48 der Bundesverfassung verlezt sei. Es erscheint nicht nothwendig , hier iu den Detail der weitläufigen Beschwerde einzugehen , weil di.. ganze Be^veisführung und Schlußfolgerung des Reknrrenten daraus gerichtet war,.

zu zeigen, daß verschiedene Verträge, so wie auch verschiedene freiburgische Geseze auf unrichtige Art seien ausgelegt und angewendet worden, woraus fodann der Rekurrent den Schluß zieht, daß er lediglich wegen seinem Eigenschaft als K a n t o n s f r e m d e r so behandelt worden sei.

Die Beschwerde wurde abgewiesen, iu E r w ä g u n g : 1) daß es sich im vorliegenden Falle um die Auslegung von Verträgen, die zwischen dem Rekurrenien und seinem Gegner abgeschlossen worden find, so wie des freiburgischen Betreibungsgesezes und anderer Gefezesbestimmungen handelt; 2) daß der Rekurrent glaubt, ungünstiger behandelt worden zu sein, als ein freiburgischer Bürger unter gleichen Verhältnissen ; 3) daß selbst, ..wenn man annimmt, die freiburgischen Gerichte hätten die Bedeutung und den Werth der streitigen Verträge unrichtig ge^ würdigt und den Bestimmungen des einschlägigen sreiburgischeu Ziviigesezes eine irrige Anwendung gegeben , hieraus keineswegs folgen würde , daß der Richter die Bestimmungen von Art. 4 und 48 der Bundesverfassung , welche den Grundfaz der Gleichheit aller Bürger christlicher Konfession vor dem Geseze, in der Gesezgebnng sowol als im gerichtlichen Versahren, gewährleisten, ver.ezt habe, da in den Akten nichts zu der Annahme berechtigt, der Rekurrent sei mit seinem Begehren deßhalb abgewiesen worden, weil er dem Kantou Freiburg nicht angehöre, und die Gerichte hätten ein anderes Urtheil ausgefällt, wenn es sich um einen Prozeß zwischen zwei Kantons^

angehörigen gehandelt hätte ;

4)

daß auch keine Verlezung des die persönliche Freiheit gewährleisten.^ den Art. 3 der sreiburgischen Verfassung durch das ausgefällt^ Urtheil stattgefunden hat , wenn auch das Urtheil die von den Par.teien beigebrachten Verträge falsch ausgelegt und die sachbezüglicheu Geseze übel angewendet haben sollte , da der Rekurrent seine Jn.^ teressen vor dem Richter frei verfechten konnte; .5) daß somit für die Bundesbehörde kein Grund vorhanden ist, hier einzuschreiten , indem keine Verlezung der durch die Bundes^ und Kantonsversassung gewährleisteten Bestimmungen zum Nachtheile de^ Beschwerdeführers stattgefunden hat, sondern es sich einfach um die Anwendung von Gefezen, die im Kanton Freiburg in Kraft bestehen^ durch den zuständigen Richter handelt.

26.^ Die Deszendenten des ^. von Bekenried beschwerten sich über ei.^.

Urtheil des Kantonsgerichtes U r i in folgender Erbssache.

Es verstarb eine gewisse J o f e p h a J m h o f von Altdorf und hinterließ.

unter andern Erben die Rekurrenten als Enkel einer vorverstorbenen Schwer ster, die daher mit der Erblasserin im Verhältniß der Pronepoten stunden.

Die Verwaltungsbehörden von Uri weigerten denselben den Zutritt zu.^ Erbschaft , in sofern sie nicht nachweisen , daß Angehörige von Uri ir...

Nidwalden unter^ gleichen Verhältnissen erbberechtigt seien. Die Relurreuten führten hierauf einen Prozeß und wurden in beiden Jnstanzen vou den urnerschen Gerichten mit ihrer Erbsansprache abgewiesen , geftüzt auf das urnersche Erbgefez, welches zwar Pronepoten an die Stelle ihrer verstorbenen Eltern als Erben eintreten läßt, jedoch beifügt, daß Angehörig..

anderer .Kantone oder fremder Staaten dieses Recht nur dann haben, wenn in ihren Ländern im gegebenen Falle Urner in gleicher Weise zur Erbschaft zugelassen werden, widrigenfalls das Gegenrecht gegen fie beob-.

achtet werden soll. Die Rekurrenten wandten sich an den Bundesrath , indem sie ausführten, daß die Anwendung dieses urnerschen Gesezes und^ die Abweisung ihrer Erbschaftsklage mit dem Art. 48 der Bundesvex^ fasfung im Widerspruch stehen.

Ueber diese Beschwerde berichtete die Regierung von Uri im Wesent^

lichen Folgendes :

Das gestellte Begehren sei schon aus dem formellen Grunde nicht zr^ rechtfertigen , weil der .^lrt. 90, Ziffer 2 der Bundesverfassung den Bnndesrath nicht berechtigen könne, kompetente Urtheile kantonaler Gericht^ aufzuheben, fondern nur allfällig die Weisung ^u ertheilen, daß Geseze^ welche mit den Bnndesgrundfäzen im Widerspruch stehen, abgeändert wer-

den. Weiter zu gehen, wäre ein Eingriff in die Unabhängigkeit der

kantonalen Gerichte, welche auch durch die vom Bund genehmigte urnersche Verfassung garantirt fei. Die Befchwerde sei aber auch materiell nicht gerechtfertigt ., denn habe auch der Art. 48 der Bundesverfassung eine ziemlich allgemeine Redaktion, so sei er gleichwol noch nie auf das.

Erbrecht angewendet worden, sondern man habe nur damit beabsichtigt, Willkürlichkeiten und förmlichen Rechtsverweigerungen vorzubeugen , wi^ z. B. der Abweisung kantonsfremder Klägerinnen in Paternitälsklagen.

Einen solchen Vorwurf könne man dem urnerschen Geseze nicht machen , das nur einen Grundsaz der Billigkeit ausstelle gegenüber den Kantonen..

^deren Erbrechte größere Beschränkungen enthalten. Daß die durch Art. 4^ verlangte Rechtsgleichheit nicht eine allgemeine und absolute sei, gehe auch^ daraus hervor, daß in andern .Artikeln der Bundesverfassung die Gleichstellung der Schweizerbürger wieder besonders vorgeschrieben sei. Endlich.

werde auch sogar in einem Bundesgeseze, nämlich in dem über die Auslieferung von Verbrechern , ein Unterschied zwischen Bürgern und Kantonssremden gemacht. Ans diesen Gründen werde die Abweisung der Be^ schwerde verlangt.

.264 Die Beschwerde wurde gutgeheißen und das fragliche Ur.heil aufge^oben ,

in E r w ä g u n g : 1) daß vorerst die Anficht, als ob die Bundesbehörden nicht befugt seien, obergeriehtliche Urtheile eines Kantons, die im Widerspruche mit Bundesvorfchriften erlassen würden, aufzuheben, unvereinbar ist mit einer allseitig eingreifenden und konsequenten Durchführung der

leztern und mit der Erfüllung der Pflichten... welche die Art. 90, Ziffer 2 und Art. 74, Ziffer 8 und 15 den Bundesbehörden auf-

legen , und daß jene Anficht ebenfalls im Widerspruch steht mit einer konstanten Praxis , nach welcher in einer Reihe von Fällen Urtheile oberer und unterer kantonaler .Gerichte von den politischen Behörden des Bundes in Anwendung jener Artikel aufgehoben wurden ; ^2) daß durch ein Eingreifen des Bundes in Fällen der genannten Art die von der Eidgenossenschaft garantirte Verfassung von Uri in keiner Weise verlezt wird , weil dieselbe die Befugnisse des Bundes anerkennt und vorbehält, und weil die Bundesvorschriften, deren An-

wendung zum Theil in den Geschäftskreis der Gerichte fällt, für

die leztern eben so gut eine Rechtsquelle sein müssen, wie die kan-.

tonalen Geseze, und zwar im Falle der Kollision eine derogirende

Rechtsquelle ;

^) daß nun in Bezug auf den vorliegenden Fall das sachbezügliche urnersche Gesez und dessen Anwendung mit dem Art. 48 der Bundesverfassung , welcher die gleiche Behandlung der Schweizerbürger christlicher Konfession in der Gesezgebung und im gerichtlichen Verfahren vorschreibt, im Widerspruch steht; ^) daß kein Grnnd vorhanden ist, d^ese Vorschrift ausnahmsweise nicht auf das Erbrecht anzuwenden, vielmehr der Wortinhalt jenes Ar.tikels allgemein ist und der Zwek desselben dahin geht, die Bürger eines andern Kantons nach dem gleichen kantonalen Geseze und nicht deßhalb anders zu behandeln, weil in ihrem Heimathkanton die Gesezgebung eine abweichende Entscheidung eines Spezialfalles zur

Folge hätte ;

^) daß die Behauptung, nach der Anficht des Rekurreuten werde gerade eine Ungleichheit der Behandlung eingeführt, indem b e i m n ä m l iche n E r b f a l l die Nidwaldner in Uri erben könnten , die Urner aber in Nidwalden ausgeschlossen würden, zwar an sich . und für den gegebenen Fall richtig ist, aber aus einer ganz un-

richtigen Anschauung über den Zwek und die Tragweite des Art. 48

beruht und jedenfalls der Ergänzung bedarf, daß auch der Nid^ waldner in feinem Kanton, kraft dortiger Gesezgebung, in dem beZeichneten Falle nicht erben könnte, und daß der Urner nicht verlangen kann , i.. Nidwalden anders und besser behandelt zu werden , ..ls der dortige Kan.onsbürger ;

.

^

..) daß nämlich die gleiche Behandlung der Schweizerbürgex in Rechtsfachen unmöglich dahin verstanden werden kann , daß das gleiche kantonale Recht nur dann auf fie angewendet werden müsse, wenu ^in ihrem Heimathkanton im gegebenen Spezialfalle das gleiche ma-

terielle Recht (z. B. das Eintrittsrecht bei gewissen Verwandtschafts-

graden) gelte. weil bei einer solchen Auslegung eine gleiche Behandlung wegen der Verschiedenheit der kantonalen Zivilgesezgebun...

g^en, die der Bund nicht aufhob, gar nicht gedenkbax wäre;

7) daß vielmehr die Bestimmung des Art. 48 umgekehrt dahin geht , die Bürger anderer Kantone sollen in Rechtssachen nach dem nämlichen Geseze behandelt werden, wie die eigenen Bürger, gleichviel, ob der betreffende Fall in jenen andern Kantonen nach den dortigen Gesezen so oder anders entschieden werden müßte, eine Bestimmung, welche den Urnerbürgeru in allen andern Kantonen auch zu gut kommt und die ihnen iu vielen Fällen eben so vorteilhaft sein kann, wie sie im vorliegenden Fall der betreffenden nrnerschen Prozeßpartei

zufällig nachtheilig ist ; 8) daß die Vergleichung des Art. 48 mit Art. 29, Litt. d, und Axt.

41, Ziff. 4 auf keine beschränkendere Auslegung des erstern führen kann , weil fich die leztere gerade nur auf zwei spezielle Richtungen bezogen und der konstituirenden Behörde das Bedürfniß einer allgemeinen Bestimmung klar machten , welche dann in Art. 48 ihreu Ausdruk fand ; ..)) daß endlich eben so wenig einzusehen ist, wie der Axt. 55 der Bundesverfassung und seine Ausführung einer andern Auslegung des Art. 48 Raum geben können, indem sie Kompetenzbestimmungen ent...

halten, während der Art. 48 hiezu in gar keiner Beziehung steht, sondern die Kompetenz der handelnden Behörde jeweilen voraussezt.

.Zu A r t . 49 d.^r B u n d e s v e r s a s s u n g . (Vollziehung von Urtheilen.)

Die Regierung von A v p e n z e l l A. Rh. erhob folgende Beschwerde gegen die Regierung von G la r u s.

Ein gewisser A. von Ennenda, der in einem Nachlaß als Schuldner von mehreren 1000 Franken erschien, erhob eine Klage auf Fälschung, indem er zwei Beamte von Appenzell, ^. und ...^t., beschuldigte, Urheber und Begünstiger der Fälschung zu sein. Nach stattgefundener Untersuchung wurde die Klage als unbegründet abgewiesen und A. zu einer Entschädigung von 150 und 100 Fr. an die Beklagten verurtheilt. Es wurde nun behufs Vollziehung dieses Urtheils der A. rechtlich betrieben und eine Schazung auf ih.. herausgenommen, jedoch dann von dessen Vogt und dem Vogt seiner Frau gegen die weitere Vollziehung protestirt, weil nach glarnersehen Gesezen eine Schazung gegen Bevogtete nicht vollzogen werden könne. Eiu Gesuch bei der Regierung von Glarus, dem Urtheil Vollziehung zu verschaffen, blieb ohne Erfolg. Hierüber beschwerlich nun die Regierung ^on Appenzell , indem sie daraus hinwies , daß das fragliche Urtheil von.

266 .einem kompetenten und leztinstanzlichen Gerichte erlassen, mithin rechtskräftig .sei , daß es ferner eine reine Zivilsache beschlage , und daß somit nach ^lrt. 49 der Bundesverfassung das Uxtheil in jedem Kantone vollzoger..

werden müsse.

Die Regierung von Glarus berichtete hierüber: Es lasse zwar da^ fragliche Urtheil einigen Zweifel zu, ob es ein Zivil- oder ein Strafurtheil sei. Allein ganz abgesehen hievon müsse alles darauf abgestellt werden, daß Zivilurtheilen anderer Kantone in gleicher Weise Nachachtung und Voll^ .ziehung verschafft werde. wie rechtskräftigen Zivilurtheilen des eigenen Kantons; ein Mehreres könne nicht verlangt werden, und es sei daher in Be..

zug auf solche Urtheile der Weg einzuschlagen, den die Geseze des Kantons vorschreiben, in welchem die Vollziehung stattfinden soll. Diesen Weg haben nun die appenzellischeu Kläger allerdings eingeschlagen ; allein auch A. und dessen Frau seien nach den Gesezen berechtigt, durch Protestation gegen die Schazung die weitere Vollziehung zn hemmen, und es sei nun die Angelegenheit vor das Vermittleramt und das Gerieht zu bringen, nicht um neuerdings über die Schuld des A. ein Urtheil auszufällen, sondern um über die Statthastigkeit der gegen die Schazung erhobenen Exeeptionen eine Entscheidung zu verlangen, was nach den Gesezen von Glarus Sache der Gerichte sei. Wenn daher die Regierung von Glarus dem Begehren derjenigen von Appenzell nicht entsprochen habe , so fei es nicht wegen Nich.anerkennuug des appenzellischen Urtheils, sondern wegen Inkompetenz geschehen, und eine Beschwerde bei den Bundesbehörden wäre erst dann zu^ Iäßig, weun die Gerichte von Glarus ohne genügenden Rechtsgrund die Vollziehung eines rechtskräftigen Urtheils hemmen würden.

Es wurde nun hierüber , in E r w ä g u n g : 1) daß, wenn die Vollziehuug eines Zivilurtheils in einem andern Kan^ ton Anstand findet, die dabei betheiligten Personen sich zunächst a^ die Behörden zu wenden haben , welchen die Entscheidung über die

Vollziehbarkeit resp. die Rechtskraft des Urtheils zusteht, ehe von

Verlezung des Art. 49 der Bundesverfassung und mithin von Jn^ tervention der Bundesbehörden die Rede sein kann ; .2) daß nun nach dem Berichte der Regierung von Glarus und den.

angeführten Gefezen in diesem Kanton die Gerichte über solche Fragen zu entscheiden haben , wobei jedoch selbstverständlich nicht neuerdings.

über das Materielle des Prozesses, die Existenz der Schuldverpflichtung, sondern nur über die formelle Rechtskraft des Urtheils , dessen Vollziehung der Debitor bestreitet, einzutreten ist, beschlossen: Es sei einstweilen der Beschwerde keine Folge zu geben, fondern die.

betheiligten Kreditoren^.^zuweifen , im Sinne der Erwägung 2 zu ver.^ fahren.

.^

^

267

^. und Mithafte aus dem Kanton Aargau beschwerten sich gegen ^iu Urtheil des Kassationshofes von Waadt wegen Verhinderung der Vollziehung eines Urtheils des Gerichtes von Zofingen in folgender Sache : Die Returrenten, Jnhaber gemeinsamer Liegenschaften mit Frau S.

^in ^verdon. klagten beim Bezirksgerichte Zofingen aus Theilung derselben.

D^iefe leztere wurde erkannt und S. , Namens seiner Ehefrau , zu den .Kosten verurtheilt. Um diese zu erhalten, ließen die Rekurrenten den S., ^Namens feiner Fr.^.u, durch die kompetente Behörde in .^verdon durch AnRegung einer Pfändung (saisie) rechtlich betreiben. S. schlug Recht vor, ^us dem Grunde. daß er persönlich mit seinem Vermögen für die Zahlung ^n Anspruch genommen werde, während seine Frau Schuldnerin sei. da sie .als Erbin ihres Vaters in jenem Prozesse als Partei Theil genommen ^habe. Das Gericht von ^verdon verwarf diefe Einwendung, weil es den .Worten : ,,im Namen feiner Frau^ die Bedeutung gab, ,,als Jnhaber der Rechte seiner Frau... Das Kassationsgericht dagegen fand die Einrede begründet und hemmte die Vollziehung.

Wenn dieses leztere Gericht erklärte, man könne den S. nicht im ^ Namen seiner Frau exe.^uiren, so benahm es jenem Urtheile jede Bedeutung und Rechtskraft, weil die Vollziehung ganz in den gleichen Ausdrüken, wie sie das Urtheil enthielt, ausgeführt wurde, und doch ist es ein rechtskräftiges Urtheil und somit durch Art. 49 der Bundesverfassung garantirt.

Die Entscheidung des Kassationshofes beruht zunächst auf dem Jrrthum, daß der Mann der Mandatar seiner Frau sei , während er vielmehr der Jnhaber ihrer Rechte (droit-avant.) und ^ somit auch ihrer Verbindlichkeiten ist.

Der Jrrthum wurde dadurch größer, daß das Gericht nur waadtländische Geseze anwenden wollte und es nun schwierig wurde, in der waadtländischen Praxis für die Bedeutung des aargauischen Urtheils das Entsprechende zu finden. Das war aber wieder ein Jrrthun^ weil das Urtheil von Zosingen ein d e f i n i t i v e s ist und auf der Anwendung aargauifcher Geseze beruhen muß ; denn es handelte sich um die Aufhehung der Gemein^ schaft hinsichtlich Liegenschaften im Kanton Aargau, und es ist einleuchtend, daß nicht die Geseze aller Kantone. denen die Miteigenthümer angehörten, gleichzeitig zur Anwendung kommen können. Jenes von kompetenter Stelle erlassene rechtskräftige
Urtheil verurtheilt^ nun den S. zur Zahlung , ihm überlassend, auf feine Frau zurük zu greisen. Dieses ift nach waadtländischeu Gesezen leicht zu reguliren, und es ist nicht der erste Ehemann im Kanton Waadt, der für feine Frau eine Schuld bezahlt.

Die irrige Au^legung hingegen , welche der Kassationshof dem Urtheil gibt , nimmt ihm hier die Möglichkeit der Vollziehung und widerspricht somit dem Art. 49 der Bundesverfassung. Das G^sue^ geht auf Aushebung der Entscheidung des Kassationshoses.

. .

Die Beschwerde wurde abgewiesen,

in E r w ä g u n g : 1) daß die^ Vollziehung eines rechtskräftigen Z^lurtheils nach den Ge-^

^

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sezen des Kantons, in welchem fie stattfinden soll, einzuleiten und

durchzuführen ist;

2)

daß nun im vorliegenden Falle durch das Urtheil de.... Bezirksgerichts von Zofingen vom 19. März 1855 nicht der Opponent .^. zux Zahlung der Kosten verurtheilt wurde , sondern seine Frau , als deren gesezlicher Stellvertreter der Ehemann im Urtheil erwähnt ist; 3) daß daher die in jenem Prozeß obsiegende Partei die Exekution gegen das Vermögen der Frau S. hätte richten sollen^ nach den Vorschriften der waadtländifchen Geseze über den Re.^tstxieb gegen eine vexheirathete Frau ; 4) daß mithin eine Berufung auf Art. 49 der Bundesverfassung fich nicht rechtfertigt, weil der Kassationshos von Waadt nicht dem aargauifchen Zivilurtheil die^ Exekution verweigert, sondern dem Exekutionsgesuch der Gläubiger , welches , wenn es gegen Ehemann S.

gerichtet sein soll, mit dem Sinne des aargauischen Urtheils im Widerspruch steht, und wenn es sich auf die Ehefrau beziehen soll, in der Form seines Anbringens den Gesezen von Waadt nicht entspricht.

Zu Ar t. 5 0 d e r B u n d e s v e r f a s f u n g . (Gerichtsstand und Arrest.)

Ein gewisser ^. aus dem Aargau plaeirte seinen Sohn bei ^. im Kanton Waadt, um dort die Uhxenmacherei zu erlernen, unter Vorausbe^ zahlung des halben Lehrgeldes.

Später entstand Streit zwischen den beiden Parteien, und es wurde der junge .S. zurükgerufen. Der Lehrmeister hielt aber seine Effekten zurük, angeblich, weil derselbe insolvent fei.

Dagegen wurde nun Beschwerde erhoben, mit der Behauptung, dieser Beschlag oder diese Retention sei nicht zuläßig , weil der Vater S. , nicht der Sohn, Verpflichtungen eingegangen habe, und die vorenthaltenen Effekten dem leztexn gehören, und weil es dem R. unbenommen bleibe, für allsällige Forderungen den Rekurrenten nach Art. 50 der Bundesverfassung an seinem Wohnorte zu belangen.

Die Regierung von Waadt berichtete hierüber, daß R. die Effekten zurükbehalten habe , weil der j.nnge S. vereist fei, ohne seine Schuld zu bezahlen, und weil es Sache des Rekurrenten sei, allfällige Ansprüche gegen R. vor den waadtländifchen Gerichten geltend zu machen. Von einem Arreste fei gar nie die Rede gewesen, sondern es gestalte sich die Ange^ legenheit als einfache Retention, weiche zu einer gerichtlichen Klage Anlaß geben könne.

Der Rekurs wurde abgewiesen, in E r w ä g u n g : 1) daß der Rekurrent selbst anerkennt, die fraglich^ Effekt seien nicht sein .^igenthum, derselbe daher keinen Grund hat, gege.. ei.^n aus diese E^ekten angeblich gelegten Arrest in s.inem N.^.m^n Beschwerde zu führen^ ^

^

26^

2) daß , wenn aber angenommen wird , der Rekurs sei im Nameu.

seines Sohnes, als Eigentümer jener Effekten, erhoben, der Art. 50^ der Bundesverfassung aus zwei Gründen keine Anwendung findet, und zwar.

a. weil dex Sohn S., also der eigentliche Rekurrent, znx Zeit de^ Retention seiner Effekten sein Domizil im Kanton Waadt hatte, und^ daher nicht von einem Arreste die Rede sein kann, der in einem andern Kantone als an dem seines Wohnortes auf sein Eigenthum gelegt worden wäre., b. weil nach dem Berichte der Regierung von Waadt überhaupt kein Arrest oder Sequester von einer Behörde angeordnet wurde, son^ dern Privatpersonen aus zivilrechtliehen Gründen die fragliche^ Effekten retenirt haben, weßhalb es Sache des Eigentümers ist, auf dem Zivilwege sein Eigenthum da zu reklamiren, wo es liegt.

.^. von Trub, Kts. Bern, beschwerte sich gegen ^. in Vivis und das Friedensrichteramt Murten in folgender Weise : Er sei mit einer Ladung von eirea 30 Zentnern Kastanien von Genf nach Bern gefahren und in Murten sei ihm aus Begehren des F. in Vivi^ diese Ladung wegen einer Schuldsorderung mit Arrest belegt worden. Dieß Verfahren verstoße gegen Art. 50 der Bundesverfassung, weil Rekurrent in Vivis niedergelassen und dort ausrechtstehender Bürger sei. Er könne somit für eine persönliche Forderung, wie die fragliche, nur an seinen^ Wohnorte belangt werden, und ein .Arrest aus Vermögen , das außer diesem

Danton liege, sei nicht zulässig..

Durch Vermittlung der Regierung von Freiburg sandte F. in Vivis eine Antwort ein, im Wesentlichen folgenden Jnhalts : F. besize eine unbestrittene und fällige Schuldfordernng auf G. und er habe daher, da der ledere keine ^abiung leistete, durch die kompetente richterliche Behörde in Vivis, dem Wohnorte des Debitoren, den Rechtstrieb erhoben und, so weit möglich^ durchgeführt. Laut den beigelegten

Rechtstriebsakten habe sich ergeben, daß G. in Vivis nicht das minder Vermögen besize oder dasselbe verborgen habe, auch habe er sich selbst nicht im Kanton besunden. Bei dieser Sachlage kann si.^ G. nicht über vex. sassungswidrigen Arrest und Entzug seines Gerichtsstandes beklagen ; den^ er wurde wirklich bei und durch seinen natürlichen Ritter belangt, allein ohne allen Ersolg, und es mußte daher der Kreditor berechtigt sein , di^ von dem natürlichen Rich^r des G. bewilligte Schnl^ex.ekution überall gel^ tend ...zu machen, wo derselbe Vermögen besizt. Man kann daher nicht von einem Arrest reden, der zum Entzug des Gerichtsstandes bewilligt worden und im Widerspruch wäre mit Art. 50 der Bundesverfassung. E^ muß auch bestritten wenden, daß ex einen festen Wohufiz gehabt und sol^ vent sei, denn ex nannte sich K o m mis in Bern, während er seine Schriften in Vivis deponirt hatte, und daß ex nicht solvent sei, beweist der Er^o^ des Rechtstriebes.

^70 Die Beschwerde wurde abgewiesen, in

Erwägung:

^) daß der Rekurrent sich im vorliegenden Falle auf Art. 50 der Bun^ desverfassung darum nicht berufen kann, weil sein Kreditor F. ihm gemäß diesem Artikel in feinem geglichen Domizil und durch seinen natürlichen Richter belangte, wobei sich herausstellte, daß der Re^ kurrent dort gar kein Vermögen besizt und somit nicht als solvent betrachtet werden kann., ^) daß unter diesen Umständen dem Kreditor nicht verwehrt werden kann, die weitere Exekution seines erhobenen Rechtstriebes da zu verlangen, wo sein Schuldner Vermögen besizt, zumal sich aus den .^kten ergibt, daß die Forderung liquid und unbestritten ist und es fich also nicht darum handeln kann , eine streitige Sache dem na^

türlichen Richter des Schuldners zu entziehen ; .3) daß diese Auffassung im vorliegenden Falle um fo begründeter ist, als nach waadtiändischem Rechte, dem der Schuldner zur Zeit unter^ worfen ist, der Gläubiger ohne dessen freiwillige Zulassung die Er...

öffnung des Konkurses und somit auch die Reklamation anderswo liegender Aktiven zur Masse nicht erhalten kann ; 4^. daß es aber nicht im Zweke des Art. 50 der Bundesverfassung liegt, den Gläubiger in einen rechtlosen Zustand zu versehen, fondern ledig.lich ihn anzuweisen, in persönlichen Forderungssachen den natürlichen Richter des Schuldners nicht zu umgehen.

D.e Geschwister H. von Obwaiden führten folgende Beschwerde gegen ^as Gericht von Nidwalden.

Jm Jahr l 812 verkaufte ein gewisser ^. an die Rechtsvorfahren der ^Rekurrenten das R ü t i g n t in Aipnach, und es wurde aisKanfr^st die Summe von 1691 .^ verschrieben und unter den zur Verzinsung vorgestellten Kapi^ ^alposten ein Betrag von 33 ^ zu Gunsten eines gewissen ^. erwählt, .mit der Bemerkung. daß diese gesa.umte Kapitalpost 5.^8^ betrage, wo^ ^on jedoch der Besizer der .^llp . ^ t ö k e n die Summe von 555 ^ zu ver^ zinsen ha^e. Jn dieser Weife wurde auch der erwähnte Kapitalvorstand von den jeweiligen Befizern des Rütiguts und der Alp Stök bis auf die neueste Zeit gemeinsam verzinset. Erst seit zwei Jahren weigert sich der .Befizer dieser Alp, seinen Antheil ferner zu verzinsen, mit der Behauptung, das ganze Kapital laste auf de... Rü.ignt. Die Returrenten er^ klärten nun ihren gegenwärtigen Kreditoren, den Geschwistern K. in Nidwalden, daß sie bei dieser Sachlage die Berichtigung. des^ Schuldverhält^ Bisses vergangen und da.... Quantitativ des Kausres.es v..n 1691 .^ nicht mehr anerkennen, sondern die Einrede der Kompensation desjenigen BeOrages vorbehalten, der ^ u^ex Kapitalvorstand auf ihr Grn..dstük gewälzt werden wolle. Jn Folge dieser ..Anzeige sezte das Gericht von Nid^ Salden den .Reknrrenten eine peremtorische Fri^, um ihre Ansprache gegen

271 ^ie Geschwister K., als Rechtsnachfolger des Verkäufers des Riitiguts, gel.tend zu macheu, und es wurde, ungeachtet sofortiger Protestation gegen ^die Kompetenz dortigen Gerichtes, ein Tag zur Verhandlung angesezt. Jn Folge der hierüber erhobenen Vorfrage erklärte sich das Gericht von Nid..walden für kompetent. Hiegeg.en beschwerten sich nun die Rekurrenten, ^veil fie gegeu Art. ....0 der Bundesverfassung ihrem natürlichen Richter entzogen werden , während sie gar keine selbständige Forderung geltend .machten, sondern sich einfach vorbehielten, wenn sie für ihre Schuld belangt werden, das Quantitativ derselben zu bestreiten oder allfällige Ge.genforderungen auf dem Wege der Einrede geltend zu machen. Ueberdieß ^aben alle Käufe und Verträge in dieser Angelegenheit in O s w a l d e n stattgefunden. Die Einwendung, daß in Betreff der Entsehädigungsfoxderung ^..nd der Kaufreftauz nicht die gleichen Personen als Kreditor und Debitor ^da stehen, ist nicht stichhaltig, indem die Entschädigungsforderung aus dem ^Wege der Gegenrechnung gegen einen in konnexen Verhältnissen stehenden ^Posten beansprucht wird. Der Gegenpartei bleibt es immerhin unbenommeu , mit andern Personen , die allfällig mit ihnen Antheil an der Kauf^restanz haben , eine Streitgenossenschast gegen die Rekurrenten ^zu bilden.

Gegen diese Beschwerde wurde erwidert: Jn faktischer Hinficht sei nicht konstatirt, daß bei dem Kaufe vom ..Jahr 1812 eine Gült verschwiegen worden sei. Eben sowenig, daß der Besizex der Alp Stök wirklich die Zinspflicht von 554 .^ bestreite, eine Pflicht, die ihm übrigens unzweideutig nachgewiesen werden könne. Ferner sei die Richtigkeit dex^ Kaufrestanz früher nur in sofern bestritten worden, als der Besizer der Alp seine Schulpflicht wirklich läugne, und sollte dieß geschehen sein, so seien die Reknrrenten verpflichtet. ihm gegenüber ihx Recht gerichtlich zu erörtern. Jn rechtlicher Hinsicht roird auf folgende Punkte . hingewiesen :.

1) Die Forderung sei jedenfalls eine persönliche , entstanden aus angeblicher Verschweigung einer Gült, und sie müßte daher gegen die Rechtsnachfolger des Verkäufers an ihrem Wohnort angebracht werden.

2) Es fei unstatthaft auf Zinsansprüche der Gefchwister K. zur Dekung einer angeblichen Forderung Beschlag zu legen und sie dadurch ihrem natürlicheu Richter zu entziehen.

3)
Von einer Gegenreehnung könne nicht die Rede fein , weil die Geschwister K. berechtigt s^ien, die an sie gestellte Forderung als selbstständig zu behandeln, und die betreffenden Kreditoren und Debitoren für Gegenforderungen nicht dieselben seien.

4) Jedenfalls müssen die Rekurrenten zuerst den Besizer der Alp Stök sür seine Zinspflicht belangen, und erst wenn sie abgewiesen würden, hätten sie einen Regreß gegen ihre Verkäufer.

5) Ein f.oruni contracta sei weder in den kantonalen Gesezen, noch iu der Bundesverfassung begründet.

B undesblatt. Jahrg. .... Bd. ....

28

272 . Es wurde der Gerichtsstand von Nidwaldeu als unzuläßig erklärt^ und somit die Befchwerde^gut geheißen, in E r w ä g u n g : 1) daß deu Rekurreuteu zwei Wege offen stehen, um ihre Entschädigung.

wegen angeblicher Verheimlichung eines Kapitalvorstandes und daherige Vergrößerung ihres schuldigen Kaufrestes zu erlangen , nämlich einerseits der Weg einer selbstständigen Klage gegen die Verkäufer der Liegenschaften oder deren Rechtsnachfolger, andererseits^ der Weg der Einrede, falls fie für Verzinsung oder Bezahlung de.^ Kaufrestes belangt werden; 2) daß, wenn die Rekurrenten deu ersten Weg einschlagen würden, fie allerdings gemäß Art. 50 der Bundesverfassung ihre Klage am Wohnorte der Beklagten, mithin in Nidwalden, anbringen müßten ; 3) daß jedoch die Rekurrenten eine solche Klage nicht erheben, vielmehr in den von ihnen erlassenen rechtlichen Anzeigen, betreffend Ordnung

der Angelegenheit, ausdrüklich die Erklärung enthalten ist, daß sie

gegebenen Falls die Größe des schuldigen Kausrestes bestreiten und auf dem Wege der Einrede ihr Recht suchen werden ; 4) daß daher die Rekurrenten ihrem ordentlichen Richter entzogen wüxden, wenn sie, zumal bei der vollständigen Konnexität von Schuld und Gegenschuld, gezwungen würden, beim Gerichtsstand ihrer Kreditoren die Frage entscheiden zu lassen, ob sie denselben die ganze Summe, oder nur einen Theil schulden ; 5) daß die Absicht und die Anzeige, man werde eine Schuldforderung, wenn sie geltend gemacht werde , ganz oder theilweise bestreiten, keineswegs eine Beschlagnahme oder ein Arrest im Sinne des Art. 50 der Bundesverfassung ist ; 6) daß endlich die Behauptung, es seien bei der Anforderung nicht so viele Personen betheiligt, wie bei der Gegenforderung, oder umgekehrt, wol auf den gerichtliehen Entscheid in der Hauptsache, nicht abex . auf die Kompetenzsrage von Einfluß sein kann.

Die Zentralverwaltung der schweizerischen M o b i l i a r v e r s i c h e x u n g s - G e s e l l s c h a f t in Bern rekurrirte in folgender Sache: Jn Folge eines Brandes im Hanfe des Hrn. D. in Murten war

die Verwaltung genöthigt, bei der freiburgischen Regierung eine Anzeige zu erheben und um Ausmittlung der Ursache des Brandes und der Größe des Schadens nachzusuchen. Die Verumständungen waren so , daß auch die Verwaltung der freiburgischen Jmmobiliar-Assekuranz diesem Schritte beitrat. Nach stattgesnndener Untersuchung erkannte die Anklagekammer, daß ein Verbrechen nicht vorliege. Hierauf klagte Hr. D. beim Gerichte des Distriktes Murten gegen deu Präfidenten und Sekretär der rekurrirenden Verwaltung, die die Anzeige unterschrieben hatten, auf Verläumdung, .und als die kompetente ...^erichtostelle von Bern die Zustellung der Zitation

273 an die Beklagten verweigert hatte, wurden die leztern ediktaliter v^or das Gericht Murten vorgeladen. Gegen dieses Verfahren beschwerten sich die Rekurrenten beim Bundesrath, weil sie dadurch ihrem natürlichen Richter entzogen werden. Es handle sich nämlich um persönliche Leistungen, und daher können sie nur in B e r n belangt werden, als dem Size der Verficherungsanstalt und dem Wohnorte der beiden speziell beklagten Personen.

..^uf das Konkordat zwischen Freiburg und Bern vom Jahr 1825 über die

gegenseitige Stellung der Fehlbaren in Polizeifällen könne sich das Gericht

von Murten nicht berufen , weil nach diesem das forum delicti nur bei allgemein als Polizeivergehen anerkannten Fällen eintrete. Dahin gehöre abex der Fall der Jnjurie nicht ,^ da sie nach der bernischen Gesezgebung nur auf Klage des Beleidigten verfolgt werde und diesem eben sowol der Zivil-, als der Polizeiweg offen stehe. Daß die Jnjurienfälle durch das Konkordat nicht betroffen werden, ergebe sich auch daraus, einerseits, daß der angeführte Grnndsaz im bernischen Rechte schon bestanden habe, als das Konkordat geschlossen worden, andererseits, daß im ^. 2 desselben, wo alle Vergehen ausgeführt worden, auf welche das Konkordat Anwendung finden soll, die Jnjurie nicht aufgeführt sei.

Diese Beschwerde wurde Namens des Hrn. D. dahin beantwortet .

Die Rekurrenten haben durch eine falsche und leichtfinnige Anschuldigung einen Angriff aus seine Ehre sich zu schulden kommen lassen, und er sei daher durch die sreiburgischen Gerichte berechtigt, eine Klage gegeu sie zu erheben. Die angerusenen Artikel 50 und 53 der Bundesverfassung beziehen sich auf reine ^i.^ilsragen , während es sich hier um ein Delikt

und eine Strasklage handle. Richtig sei dagegen, daß das fragliche Kou-

kordat aus den von den Rekurrenten angeführten Gründen hier nicht Anwendung finde. Vielmehr werde der gegenwärtige Fall dureh das Bun-

desgesez vom 24. Juli 1852, desseu Art. 2 bestimme, daß Auslieferung stattfinden müsse wegen falscher Verzeignng in Bezug auf die in diesem Artikel aufgeführten Verbrechen , worunter auch die Brandstiftung sei.

Daher m.üßte die Auslieferung stattfinden^ wenn im vorliegenden Falle nach den hiesür vorgeschriebenen Formen prozedirt werden müßte. Dieß sei aber nicht nöthig, weil es sich im Grunde nur um die Fortfezur.g eiuex Klage handle , wofür die Rekurrenten den gleichen freiburgifchen Richter angerufen haben und den sie nun auch gegen sich anerkennen müssen, weil die jezige Klage nach den freiburgischen Gesezen entweder als eonnexe Klage oder auch als Gegenklage vor diesem Richter angebracht werden könne.

Jedenfalls abex beruhe sie aus einem Delikte und unterliege somit dem Gerichtsstand des Vergehens. Den Rekarreuten bleibe es unbenommen, vor diesem Richter die Kompetenzeinreden vorzutragen und im Fall der Abweisung an die Bundesbehörden zu gelangen. Das leztere fei aber zur

Zeit noch nicht gerechtfertigt.

Es wurde die Beschwerde gutgeheißen, und das vom Bezirksgerichte Murten gegen die Rekurrenten erhobene Strafverfahren als unzu.äßig

erklärt,

274 in E r w ä g u n g : 1) daß vorerst die Rekurrenten bei obwaltendem Anstand zwischen den bernifchen und freiburgischen Gerichten über die Kompetenz nicht verhalten werden können , sich bei den leztern zu stellen und über die Kompetenzsrage einen Prozeß zu führen , sondern daß sie vielmehr befugt sind , vorerst die Erledigung des staatsrechtlichen Konfliktes durch die Bundesbehördeu zu verlangen , weil sonst die den Gerichtsstand betreffenden Stellen der Bundesverfassung (Art. 50 und 53) einen wesentlichen Theil ihrer Bedeutung verlören ; 2) daß , wenn die Klage des Herrn D. als Kriminalkiage wegen falscher Anzeige von Brandstiftung aufgefaßt wird, nach dem Bundesgefez vom 24. Juli 1852 (Art.

1 und 2) die freiburgischen Behörden sich vor jedem Einschreiten mit eine.n Auslieferungsgesuch an die Regierung von Bern zu wenden und zu gewärtigen haben, ob dieselbe dem Begehren Folge gebe , oder die Klage im Kanton Bern zur Untersuchung und Beurtheilung einleite , -- ein Versahren,

das bisanhin nichtstattfand;

3)

daß, wenn aber, wie es den Anschein hat, die Klage lediglich aus Schadenerfaz und Satisfaktion wegen angeblicher Verläumdung oder Beschimpfung gerichtet ist, mithin persönliche Leistungen im Zivil^ wege verfolgt , die Beklagten nach Art. 50 der Bundesverfassung an ihrem Wohnorte zu belangen sind, und zwar hier um so mehr, als bei Jnjurien als Ort des Deliktes derjenige .^u betrachten ist, wo die Jnjurie mündlich geäußert oder geschrieben, oder gedrukt wurde , was im vorliegenden Falle am Wohnorte des Beklagten

geschah ; 4)

daß die kantonalen Prozeßgeseze b^i interkantonalen Kompetenzfragen nicht maßgebend sind , wie denn auch das freiburgische Strafrecht im Art. 4 bei Bestimmung der Verbrechen und Vergehen, welche von freiburgischen Gerichten verfolgt werden können, ausdrüklich die staatsrechtlichen Verhältnisse vorbehält.

Herr ^t. in Bern reichte folgende Beschwerde gegen das Friedensrichteramt des zweiten Kreises des Bror^e-Bezirks ein.

Hr. St. besizt in der Gemeinde Morens ein Landgut, wo er ^odex andere Glieder seiner Familie sich vorübergehend aufhalten, während sein eigentliches Domizil früher Neuenburg war, und gegenwärtig Bern ist. Jm Jahr 1856 ließ nun die Gemeinde Morens während^ seiner Abwesenheit von dort für eine Armensteuer der Gemeinde vom Jahr 1855 das Mo..

hiliar pfänden. Jn Folge seiner Protestation fand eine friedensrichterliche Verhandlung über die Kompetenz der freiburgischen Gerichte statt , welche Herr St. bestritt, da sein Domizil in Bern sei. Der Friedensrichter verwarf die Einrede der Jnkompetenz, und da das Streitobjekt in der Hauptsache weniger a.s Fr. 100 beträgt, so hielt Herr St. dieses Urtheil für definitiv. Seine Beschwerde dagegen beruht auf der Behauptung , daß

275 die Steuerfoxderung rein p e r s ö n l i c h e r Natur sei, somit nur an seinem Wohnort geltend gemacht werden könne. Die Gemeinde habe diese Eigenschaft der Forderung selbst dadurch anerkannt , daß sie Mobiliar habe pfänden lassen, während, wenn die Steuer eine d i n g l i c h e Natur hätte, fie als Pfand auf den Liegenschaften, von denken sie erhoben wurde, hätte Rasten müssen. Reknrrent verlangte daher Aufhebung der Pfändung und des friedensrichterlichen Urtheils.

Die Gemeinde Morens ließ dagegen, ohne auf die Sache selbst einzutreten, Folgendes anbringen : Es sei Grundfaz, daß ein Gegenstand erst dann vor die Bundesbehörden gebracht werden könne, wenn der Jnstanzenzug bei den kantonalen Behörden gänzlich durchgemacht sei, was im vorliegenden Falle nicht geschehen sei. Nach dem freiburgifchen Prozeßgeseze können nämlich alle Urtheile über Kompetenzeinreden, welches immer der Betrag des Streitobjekts in der Hauptsache sein möge , vor das Kantonsgexieht gebracht werden, und Herr St. habe diesen Weg nicht eingeschlagen. Wenn er inzwischen die nüzliche Frist dazu versäumt habe, so sei dieses seine Schuld, da man sich nicht mit Unkenntniß des Rechtes entschuldigen könne. Bei dieser Sachlage fei daher eine Beschwerde bei den Bundesbehörden nicht

zuläßig.

Die Beschwerde wurde abgewiesen, in E r w ä g u n g .

1) daß die Gemeinde Morens in ihrer Beantwortung des Rekurses sich ausschließlich ans die f o r m e l le Einrede beschränkt, die Bundesbehöxden können erst dann sich mit der Angelegenheit befassen , wenn der Rekurrent, Herr St., ohne Erfolg den Jnstanzenzug der kantonalen Gerichte durchgesagt habe ; 2) daß aber diese Einrede den Art. .^0, Ziff. 2 der Bundesverfassung in einer Weise beschränkt, die sich durch den Jnhalt desselben nicht rechtfertigt, und daß dieselbe namentlich bei Beschwerden über Verlezung des natürlichen Gerichtsstandes als unstatthaft erscheint, weil der Werth des Art. 50 und 53 der Bundesverfassung großenteils feine Bedeutung verlöre, wenn der Beklagte gezwungen wäre, zuerst in einem andern Kanton, als dem seines Domizils, einen Prozeß über die Kompetenz durch alle Jnstanzen durchzuführen, ehe er die Hülfe ^er Bundesbehörden in Anspruch nehmen dürfte ; 3) daß daher der Bundesrath stets in konstanter Praxis auf Beschwerden, betreffend den Gerichtsstand. eingetreten ist, sobald solche au ihn gerichtet wurden, ohne Rükficht darauf, in welchem Stadium

fich die gerichtliche Betreibung oder der Prozeß befinde ;

4)

daß die Gesezgebung und der Gerichtsstand über Grundeigentum und über die Besteurung desselben unzweifelhaft dem Kanton zusteht, in welchem jenes liegt, und daß fomit, wenn Steuern v^n Grundstüken erhoben und dadurch auch solche Eigentümer betroffen werden,

276 die außer dem Kanton wohnen , jener Gerichtsstand, falls die Steuer bestritten ist , nicht durch Art. 50 der Bundesverfassung aufgehoben wird , indem solchen Steuerforderungen ein rein persönlicher Eharakter im Sinne dieses Artikels nicht beigemessen werden kann.

^. .^. in Ehevroux, Kts. Waadt ,^ beschwert sich, daß auf Be.gehren eines ^. zu .^verdon ihm 200 Säke Korn in Neuenburg mit Arrest belegt worden feien für eine angebliche Forderung von 840 Fr., die er aber bestreite. Der A.rest widerspreche dem Art. 50 der Bundesverfassung, ^weil der Rekurrent nach den beigelegten amtlichen Zeugnissen ein festes Domizil habe und solvent sei. Das Verfahren sei um so ausfallender, als für die Forderung gar kein Beweis existire und keinerlei Sicherheit für den durch den Arrest entstehenden Schaden verlangt und geleistet worden sei, und weil ungeachtet beide Parteien im Kanton Waadt wohnen, der Arrest in Neuenburg verlangt worden sei , bloß um sich der waadtländischen Gefezgebung zu entziehen, die in diesem Falle keinen .Arrest zugelassen hätte.

Die Regierung von Neuenburg berichtete hierüber: die Gesezgebung des Kantons gestatte in solchen Fällen den Arrest, wobei dem Debitor vorbehalten bleibe, mit Rüksicht auf Art. 50 der Bundesverfassung zu reklamiren und sein Domizil und seine Solvenz nachzuweisen, wie der Rekurrent es jezt gethan habe. Der erwähnte Art. 50 seze allerdings einen Grundsaz fest, aber ohne das Verfahren über den Beweis des Wohnoxts und der Zahlungsfähigkeit näher zu bestimmen ; und wenn es , wie hier, genüge, eine einfache Erklärung vorzulegen, daß man im Rufe der Solvenz stehe, so könne in den meisten Fällen der Schuldner sich über den Gläubiger lustig machen. Uebrigens habe der Friedensrichter von Neuenburg den Sequester nur auf Gefahr des Gläubigers bewilligt, und er könne dieß nicht verweigern, wenn er weder den Wohnsiz, noch die Zahlungsfähigkeit des Schuldners kenne; dem leztern stehe ja immer frei, ^ich darüber auszuweisen und Schadenersaz zu verlangen , wenn der Arrest im Widerspruche mit der Bundesverfassung ausgewirkt worden sei.

Die Beschwerde wurde gut geheißen ,

in E r w ä g u n g : 1) daß es sich offenbar um eine persönliche Forderung im Sinne des Art. 50 der Bundesverfassung handle, weil dieselbe die Zahlung einer Summe von 840 Fr. von V. an P. bezwekt ; 2) daß daher kraft dieses Artikels die Forderung beim natürlichen Gerichtsstand des V. angebracht werden muß , sosern nicht bewiesen wird, daß derseibe keinen bekannten festen Wohnsiz habe, oder daß er insolvent sei ; .3) daß der Beweis für diese Thatsachen vom G l ä u b i g e r , der einen Arrest verlangt, zu leisten ist, nicht aber vom Schuldner der Beweis des Gegentheils ;

.^

^

^

4) daß dieser Beweis nicht geleistet wurde, vielmehr aus eiuer söxm.^ lichen Erklärung des S.^ndiks der Gemeinde Ehevroux hexvorgeht..

daß der Bürger V. wirklich in dieser Gemeinde seinen Wohnstz habe, den ex von seiner Geburt an nie verlassen, und daß er im Rufe der Solvenzstehe; 5) daß daher der, auf Begehren des P. auf das dem V. gehörende und in Neuenbuxg befindliche Korn gelegte Sequester den Bestimmungen des Art. 50 der Bundesverfassung widerspricht und somit keine gesez^ liche Kraft erhalten kann.

Ein gewisser ..^. in der Gemeinde Bellach, Kts. Solothurn, beschwerte ^lch über die aargauischen Gerichte in folgender Sache : Er besaß im Bezirke B a d e n , Kts. Aargau, ein Gasthaus, auf welchem er ein Kapital von Fr. 2800 zu verzinsen übernommeu hatte.

Jm Jahre 1855 betrieb ihn dex Kreditor an seinem Wohnort, und das Amtsgericht Solothurn-Leberu hob den Rechtstrieb auf und verwies den .Kreditor zu seiner Rechtsverfolgung an den Richter des Ortes , wo die Liegenschaft lag. Dort wurde nun der Rechtstrieb erhoben , und da die Steigerung ungünstig ausfiel und die Forderung nicht dekte, so wurde der Konkurs vom Bezirksgerichte Baden gegen den Rekurrenten eingeleitet, und diese Verfügung auf erhobene Beschwerde auch vom Obergericht bestätigt.

Der Rekurrent behauptete nun , dieses Verfahren verleze den Art. 50 der Bundesverfassung, weil er nur an seinem Wohnorte, im Kanton Solot^hurn , hätte belangt und zum Konkurse getrieben werden können. Nach ^en aargauischen Gesezen habe zwar der Kreditor die Wahl , die Betreibung gegen die Person des Schuldners oder gegen das Pfand zu richten.

^Der Kreditor habe nun das leztere gethan , und da das Pfand nicht hinreichte, so habe er für den Rest der Forderung nur ihn persönlich au seinem Wohnort belangen können. Der Beschluß des Amtsgerichts Solo^hurn-Lebern habe sich nur auf das Unterpfand und nicht aus die persönliche Forderung bezogen.

Aus den Akten ergab sich ferner, daß das Amtsgericht SolothurnGebern auf das Begehren des Rekurrenten den Kreditoren mit dem Rechtstrieb an die aargauischen Behörden verwies, und daß das aargauische Obergericht eine Beschwerde des Rekurrenten aus dem Grunde verwarf, ..weil der Rechtstrieb in gesezlichex Weise ausgeführt worden sei.

Es wurde daher der Rekurs abgewiesen , in E r w ä g u n g e 1) daß die Berufung auf Axt. 50
der Bundesverfassung nicht statthaft ^ ist , weil derselbe sich lediglich auf rein p e r s ö n l i c h e Forderungen bezieht, während es fich hier um eine rein g r u n d v e r f i c h e x t e handelt ; .^) daß übrigens die Beschwerde schon darum unbegründet ist , weil de.^ Kreditor den Reknrxenten im Kanton Solothurn betreiben wollte^

278 dann aber auf das Begehren des lezteru durch richterlichen Entscheid genöthigt wurde, den Rechtstrieb im Kauton Aargau, wo da^ Unterpfand liegt, anzuheben; ^) daß daher der Rekurrent fich den Folgen zu unterziehen hat , welche das aargauifche Rechtstriebgefez mit stch bringt , und daß aus einem Rekursentfcheid des aargauischen Obergerichts vom 14. Oktober 1856 hervorgeht, es sei das Betreibungsverfahren ein gesezliches gewesen und es habe unter obwaltenden Umständen der Geldstag gegen den.

Rekurrenten erkennt werden dürfen.

2.

B e z ü g l i c h auf die B u n d e s g e s e z e .

Beschwerden über Nichtbeachtung von Bundesgesezeu find im Laufe . des Berichtsjahres uur wenige vorgekommen, und zwar hauptsächlich iiber Verweigerung der Bewilligung^ gemischter Ehen. Jn einem dieser Fälle.

fanden wir uns veranlaßt, die Beschwerde für begründet zu erklären un.^ die betreffende Kantonsregierung einzuladen , die fragliche Ehe zu be-

willigen. Wir führen den Fall nicht speziell ans , weil es steh nicht um

eine grundsäzliche Jnterpretation des Gesezes , sondern uur um Würdigung der faktischen Verhältnisse handelte. Wir macheu hier nux noch aufmex.^ sam , daß weit weniger Beschwerden dieser Art einkamen , als früher.

3.

B e z ü g l i c h auf K a n t o n s v e r f a s f u n g e n .

Ueber eine Beschwerde von siebenzehn luzernischen Großräthen wege^.

Verlezung der Verfassung von Luzern haben wir Jhnen einen besondere einläßlichen Bericht erstattet, auf den wir hier einfach verweisen ^).

.Dagegen berühren wir noch eine Beschwerde des Gemeinderaths vor^ Schw^.z gegen die dortige Regierung, betreffend Verfassungsverlezung.

Jn einer sehr weitläufigen Eingabe vom 28. September d. J. be^ schwerten sich die Rekurrenten , daß die Regierung von Schwvz durch verschiedene Beschlüsse, worin sie die Anlage eines neuen Friedhofs befahl und sodann aus dem Exekutionswege durchsezte, auf verfassungswidrig^ Weise ihre Kompetenz überschritten habe. Von den zahlreichen Beschlüssen^ die einerseits von dem Gemeinderathe uno seineu Kommissionen , andererseits von der Regierung in dieser Sache gefaßt wurden , mag es genügen..

Folgendes hervorzuheben : Nachdem schon zu Anfang des Jahres 184..)

vom Sanitätsrathe und der Regierung die Notwendigkeit der Anlegung eines neuen Friedhofs erkannt und der Gemeinderath die nöthigen Aufträge zu diefem Behuf erhalten hatte, beschloß er am 10. Oktober 1851, der Kirchgemeinde vorzuschlagen, die Wiese des Herrn von Müller al.....

Supplementarfriedhof bei der Kirche bis aus weitere Verfügung beizube...

^) S. Bundesblatt v. J. 1857, Band II^ ^Seite .17.^

27^ halten, worauf die Gemeinde am 19. Oktober beschloß, den alten Friedhof beizubehalten, und ihn aus eine der Begräbnißverordnung entsprechende Weife herzurichten. Nach verschiedenen andern Projekten beschloß die GeFeinde auf deu .......trag des Gemeinderathes unterm 24. April 1853, e.^ sei der Plaz bei der .Kapelle im Jbach als Supplementfriedhof zu be-.

stimmen, worauf Anstalten zur Ausführung dieses Beschlusses getrosse^ wurden. Allein unterm 1l. Juni 1854 beschloß hinwiederum die Gemeinde, von diesem Plaze abzugehen und den sogenannten ,,Bifang^ zum.

Supplementsriedhos zu bestimmen. Da nun wieder ein Jahr lang nichts geschah , erließ die Regierung am 2. August 1855 einen Auftrag zu so-

sortiger Erstellung eines Begräbnißplazes. Nachdem inzwischen die Kirch^

hofkommifsion ihr Augenmerk auf das Grundstük ,,Leiterli^ geworfen, be^ schloß die Gemeinde am 23. Dezember 1855, von dem Plaze Bifang abzugehen, ohne in irgend eine neue Plazbezeichnung einzugehen, worauf der Gemeinderath , unter dem Vorgeben, daß er keine Voltmachten habe^.

neuerdings die Sache liegen ließ. Am 28. August 1856 erklärte die

Regierung, daß sie, nachdem die Gemeinde vom 23. Dezember 1855 keil^ Resultat erzielt habe, auf dem Plaze im Bifang beharre, und nötigenfalls von sich aus die Beerdigungen dort anordnen werde. Unterm 15. Juni 1857 erneuerte die Regierung ihr Begehren, unter Festsezung einer Frist von drei Wochen und unter Androhung der Herstellung des Friedhofs au^ dem Exekutionswege. Die am 12. Juli 1857 versammelte Gemeinde beschloß jedoch, diese Verfügungen nicht anzuerkennen, und beauftragte den.

Gemeinderath^ mit dem Polizeidepartement über einen geeigneten Plaz i^ Unterhandlung zu treten,. worauf dieses Departement, einer Protestation des Gemeinderathes ungeachtet, sofort die Arbeiten im Bifang beginne^.

ließ. Da inzwischen die erwähnte Unterhandlung keinen Erfolg hatte,.

beschloß die Regierung am 30. Juli , es seien die Verfügungen de^.

Polizeidepartements genehmigt, die Arbeiten fortzusezen, die Verhandlungen über Bezeichnung eines Plazes als geschlossen erklart und^jede abweichenden Beschlüsse oder Handlungen als Widersezlichkeit zu betrachten.

Hinwieder beschloß die Gemeinde am 2. August, gegen diese Auffassung sich zu verwahren, an dem Plaze in Jbach festzuhalten, und falls die Regierung auf ihren Beschlüssen beharre, den Gemeinderath zu beauftragen, sich an die Bundesbehörden zu wenden. Als nun in Vollziehung dieses Gemeindsbeschlusses der Gemeinderath sofort die Arbeiten zur Erstellung des Friedhoses im Jbach beginnen ließ, beschloß die Regierung am 6. August, auf den Gemeindsbeschluß nicht einzutreten, sondern die Fortsezuna^.

der Arbeiten zu untersagen , worauf der Gemeinderath erwidern ließ , e^ werde bei den kompetenten Oberbehörden Beschwerde führen und die Arbeiten inzwischen einstellen, in der Erwartung, daß die Regierung in Bezu^.

auf den Bifang das Gleiche thue.

Jn rechtlicher Beziehung berufen stch die Rekurrenten wesentlich au^ folgende Momente .

1. Die Verfassung gar.antirt in ^. 20 deu Gemeinden die Unver^

^

^80

.

^ezlichkeit und freie Verwaltung ihres Vermögens, mithin auch den freien .Erwerb, was mit dem Aufdrängen einer Liegenschaft nicht vereinbar ist.

^ine Beschränkung besteht nach ^. 133 nur darin, daß der Bezirksrath ^bei nachläßigem und verschwenderischem Haushalt einschreiten kann. Dieser Fall tritt aber hier nicht ein , und zwar um so weniger , als der Fried.^ofsplaz, den die Gemeinde wünscht, um Fr. 10,000 wohlfeiler wäre.

2. Nach ^. l 65 der Verfassung hat die Kirchgemeinde die Aufsicht ...uber den Gemeindshaushalt und es steht ihr die Bestimmung des jährWichen Voranschlages zu, womit sich ausgedrungene Verfügungen der Ober..

Behörden ebenfalls nicht vereinigen lassen.

3. Dazu kommen mehrfache, das Recht der Gemeinde bestätigende .Zugeständnisse der Regierung. Jm Jahr 1849 lehnte sie die Jutervention ^b und erklärte die Angelegenheit als Sache der Gemeinde ; später forderte ^ie wiederholt der Gemeinderath zur Bezeichnung und Erstellung eines .Friedhoses auf, und die Gemeinde übte mehrmals dieses Recht aus.

4.

Aus dem Gesagten solgt ferner, daß die Oberbehörden nur be-

.rechtigt find, einen in fanitätspolizeilicher Hinficht ungeeigneten Plaz zu ^verwerfen, nicht aber einen bestimmten Plaz vorzuschreiben, und zwar hier ..Im so weniger, als die Gemeinde einen Plaz bezeichnet hatte, der von ^er Regierung und vom Bischof genehmigt war. .

5. Die Gemeinde konnte ihr verfassungsmäßiges Recht nicht ver. Gieren, und die Regierung konnte ihr in dieser Hinsicht nicht einen Termin .sezen. Wenn dieselbe sich auf ihre Eigenschaft als oberste Vollziehungs.behörde beruft , so ist zu bemerken , daß ein rechtskräftiger Beschluß über den Plaz im Bifang nicht bestund und somit nichts zu vollziehen war.

^..ben so wenig kann sich die Regiernng auf die Aufträge des Kantonsrathes berufen, da der Art. 79 die Regierung nicht zur Vollziehung von PolizeiVerordnungen ermächtigt, auch dürfen die Verordnungen des Kant.vns.athes .uicht der Verfassung widersprechen.

^

Die Regierung hat überdieß den Ablauf des dreiwöchentlichen Termins

.^icht abgewartet, da ihr Beschluß der Gemeinde am 12. Juli mitgetheilt ^wurde, während die Exekution schon am 13. Juli begann, auch gieng die Frist nicht dahin, daß ..die Gemeinde innerhalb derselben einen Friedhof .zu erstellen habe, sondern es wurde verlangt, daß diese Erstellung auf dem ^Plaze Bifang stattfinden müsse.

Die Rekurrenten erachten schließlich , sie seien nicht schuldig , ihre Beschwerde zuerst an den Kantonsrath zu bringen, weil in solchen Fällen

^in gesezlicher Jnstanzenzug nicht bestehe, und der Art. 74, Ziff. 7 und

^...rt. 90, .Ziff. 2 der Bundesverfassung die Kompetenz der Bundesbehörden begründe.

Die Regierung von Schw.^z berichtete über diese Beschwerde im WeEtlichen Folgendes :

.^

281 Ju faktischer Beziehung wird vorerst ergänzend beigefügt, daß der

.Gegenstand schon im Jahr 1818 angeregt wurde, dann aber liegen blieb, bis im Jahr 1849 der Uebelstaud einen hohen Grad erreicht hatte. Nuu wurde zwar nicht die ausschließliche Kompetenz der Gemeinde, wol aber die Jnitiative derselben anerkannt, worauf sodann die Gemeinde, statt dem unabweisbaren Bedürfnisse uud den erhaltenen Aufträgen zu folgen, im.

Oktober 1851, also wieder zwei Jahre später, beschloß, in eine Dislokation des Friedhofes nicht einzutreten. Jn Folge erneuerter Aufträge des Kantonsrathes und der Regierung entschloß sich endlich die Gemeinde, einen Schritt zu thun und auszumitteln, wie dem Bedürfnisse abzuhelfen sei, verwarf jedoch. unbegreiflicher Weise im September 1852 das Anerbieten einer Privatgesellschaft, ihr einen 36,000 Fuß haltenden, kirchlich und polizeilich genehmigten Plaz im Bifang zu überlassen. Jm April 1853 bezeichnete dann die Gemeinde einen Plaz im Jbach, den die Regierung allerdings genehmigte, jedoch weniger aus Uebexzeugung, als um die Sache zu Ende zu bringen, und unter der bestimmten Bedingung, daß der Friedhof

bis Ende April 1854 gänzlich vollendet werde. Lezteres geschah aber keines-

wegs, fondern es fand nur ein unbedeutender Anfang der Arbeiten statt. Jn-

zwischen nahm in der Gemeinde die Einsicht über die Unzwekmäßigkeit dieses

Plazes immer mehr die Oberhand, und es wurde dann am 11. Juni 1854 mit großer Mehrheit beschlossen, den Friedhof im Bifäng anzulegen. Die.

Regierung hatte keinen Grund, sich diesem zwekmäßigen Beschlösse zu widersezen, sondern erließ vielmehr am 2. August und 9. Oktober 1855 Mahnungen, als mit der Ausführung noch immer gezögert. wurde. Am 23. Dezember 1855 beliebte es der Kirchhofkommission, den Plaz im M e t t e r l i in Vorschlag zu bringen, worauf die Gemeinde beschloß, in eine Abänderung des Beschlusses vom 11. Juni 1854 einzutreten, ohne jedoch irgend einen andern Plaz zu bezeichnen. Da nun aber das neu vorge..

schlagene Grundstük nicht Leiterli heißt, sondern einen Theil des Bifang bildet, und ein wirklich neuer Vorschlag gar nicht gemacht wurde, so folgt daraus, daß dieser Beschluß ohne alle rechtliche Bedeutung war und iu

Wirklichkeit der Standpunkt vom 11. Juni 1854 nicht verändert wurde.

Wäre dieß aber auch der Fall, so ist zu bemerken, daß die Regierung am 2.^28. August 1856 dem Gemeindexath erklärte, fie ^beharre ^auf dem .angenommenen Bisangplaz und werde die Beerdigungen dort anordnen, sobald die Ausfüllung der auf dem alteu Kirchhof noch vorhandenen Pläze ...s nöthig mache. Gegen diesen bindenden Beschluß erfolgte weder eine Vorstellung, noch irgend ein Rekurs an eine Oberbehörde. Endlieh. im Juni 1857 trat die Notwendigkeit ein, neue Begräbnisstätten zu benuzen,

und die Regierung sezte, in Bestätigung ihres Beschlusses vom 2.,^28. August

1856, dem Gemeinderathe eine Frist von drei Wachen fest, unter Andro^hung der Exekution. Da hierauf der Gemeinderath die Frage noch schwe.bend erklärte und die Gemeinde erst auf den 19. Juli versammeln wollte, Beschloß die Regierung, den Friedhof sofort durch das Polizeidepartement ^m Bifang .herstellen zu lassen. Hierauf erklärte sich die Gemeinde an^

282 12. Jnli neuerdings dagegen und beschloß Unterhandlungen mit dem Po^ lizeidepaxtement. Diese fanden am 16. Juli statt, ohne daß irgend ei.^ anderer Plaz in Vorschlag gebracht wurde, weßhalb das Departement den.

Abgeordneten anzeigte, daß spätestens in 14 Tagen (und nicht ,,so bald^

.wie die Rekurrenteu sagen) die Regierung sich besammeln werde und daß^ sie bis dahin bestimmte Vorschläge einreichen können. Da auch in diesem

Frist nichts geschah, bestätigte die Regierung ihre Beschlüsse vom 2.,^28..

August 1856 und 4. Juli 1857 und erklärte die Verhandlungen als ge.^ schloffen, nach neunjähriger Nachsicht und Geduld.

Uebex die rechtlichen Momente wird im Wesentlichen Folgendes hex^ vorgehoben: 1. Die Kompetenz der Regierung beruht auf der Verfassung, auf der Todten - und Begräbnißordnung und aus speziellen Beschlüssen de^ .Kantonsrathes. Nach ^. 67 der Verfassung erläßt der Kantonsrath Polizeioerordnungen, welche die Gemeinderäthe nach ^. 169 e. zu befolgen haben. Die erwähnte Verordnung vom 22. September 1849 berechtigt die Regierung , in Bezug auf Begräbnißstätten das Geeignete zu verfügen und verpflichtet sie durch ^. 15 im Allgemeinen zur Vollziehung der Verordnung, wie auch ^. 73 der Verfassung die Regierung als oberste Vollziehungsbehörde erklärt. Dazu kommen nun noch besondere Beschlüsse des Kantonsrathes vom 22. Juni 1852, 18. November 1852 und 25. Juli 1856, wodurch die Regierung dringend aufgefordert wurde, die Frage nach der Begräbnißordnung zü erledigen. Wenn die Rekurrenten, untex Berufung auf ^. 79 der Verfassung, glauben, die Regierung sei nicht zur Vollziehung berechtigt, so muß man fragen, wer anders denn PolizeiverOrdnungen zu vollziehen habe, als die durch .^. .'3 aufgestellte Vollziehungsbehörde.

2. Unter Berufung auf eine Erklärung der Regierung vom Jahx 1849 und auf ^. 20 der Verfassung behaupten die Rekurrenten, es stehe der Gemeinde das Recht der Auswahl und Bezeichnung eines Friedhosplazes

zu. Die Regierung erklärte jedoch im Jahr 1849 ausdrüklich, es sei

dieses z u n ä c h s t Sache der Gemeinde, und sie werde bei ernsten und bedeutenden Schwierigkeiten nicht unterlassen, einzuschreiten. Was den .^. 2(^ der Verfassung betrifft, so^ handelt es sich hier nicht um Verrnögensverwaltnng im Sinne derselben, sondern um Vollziehung des Gesezes gegen eine renitente Gemeinde, eine Vollziehung, die daher eben so statthast ist, als wenn eine Gemeinde sich weigern würde, eine gesezlich geforderte Schule herzustellen. Uebrigens hat die Regierung keinen Plaz eigenmächtig bezeichnet, sondern denjenigen angenommen, welchen die Gemeinde am 11. Juni.

1854 selbst bezeichnet hatte. Auch hat die Gemeinde da.^ Recht zu späterer Einsprache verwirkt, indem fie den Friedhof bei Jbach nicht ausführer..

ließ, gegen den Beschluß der Regierung vom 2.,^28. August 1856 an keinem obere Behörde rekurrirte und die vom Polizeidepartewent angesezte drei.wöchentliche Frist vom 12. Juni 1857, so wie auch die zweiwöchentlich^

283 .Frist vom 16. Juli unbenuzt verstreichen ließ. Ueber die stillschweigende Annahme des Beschlusses vom 2.^28. August 1856 sagt die Rekursschrift .nichts. Dagegen behauptet sie , die Regierung sei zu den spätern Termi.nirungen nicht befugt gewesen, und habe sich auch selbst nicht an die Ter^ ^nine gehalten. Allein die Terminirung folgt schon aus der Kompetenz zur Vollziehung, und der Gerneinderath hätte die Gemeinde viel früher als am

12. Juli besammeln können. Jm Uebrigen stüzt sich die Vollziehung schon

^..uf den Beschluß vom 2.^28. August 1856, welcher durch denjenigen vom

4. Juli l. J. nur bestätigt wurde.

3. Die Entscheidung der Regierung rechtfertigt fich aber auch in materieller Beziehung und im Jnteresse der Gemeinde vollständig ; denn es ^rgab fich, daß der Friedhof im Bisang, statt Fr. 10,000, oder wie früher gar gesagt wurde, Fr. 40,000-50,000 mehr zu kosten, als derjenige im Jbach auf höchstens Fr. 1700 höher zu stehen kommt, während ^r fast drei Mal größer ist, und es wurde der Plaz im Bifang auch von der Kirchenoberbehörde als der weitaus geeignetere erklärt ; ja es erklärt sogar die Rekursschrift selbst auf Seite 63, daß sich bei näherem Untersuch ^egen die Geeignetheit des Bifang wenig einwenden lasse.

4. Gleichwol muß die Regierung auf dem formellen Standpunkt festhalten und feiner prinzipiellen Bedeutung wegen wahren, daß die Rekurrenten fich zuerst an den Kantonsrath, als oberste Landesbehörde, hätten wenden sollen, ehe sie an die Bundesbehörden gelangten.

Hierauf gestüzt wird um Abweisung des Rekurses und um befördere liche Entscheidung nachgesucht, indem der neue Friedhof vollendet und kirchlich eingeweiht sei und die Beerdigungen auf demselben nächstens beginnen sollen.

Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen, in E r w ä g u n g : 1) daß bei solchen Gegenständen der innern Verwaltung eines Kantons, wobei nicht eine Bundesvorschrift, sondern die Verfassungsmäßigkeit einer Verfügung oder Verordnung k a n t o n a l e r Behörden in Frage liegt, Beschwerden zuerst vor die oberste Kantonsbehörde gebracht werden müssen, wie der Bundesrath dieses den Rekurrenten bereits in der Entscheidung vom 23. September abhin erklärt hat ; 2) daß übrigens die Beschwerde auch in materieller Beziehung keinerlei

rechtlichen Anhaltspunkt darbietet, wenn man berükstchtigt , daß die

Regierung kraft ihrer verfassungsmäßigen Stellung als oberste Vollziehungsbehörde, nach Maßgabe der einschlägigen Polizeiverordnung und in Fo.ge dreimaliger Aufforderung der obersten Landesbehörde, nicht nur unzweifelhaft kompetent und berechtiget, fondern auch verpflichtet war, auf dem Exekutionswege der neunjährigen Verschlepp pung dieser Angelegenheit ein Ende zu machen ;

284 3)

daß von einer Verlezung der Paragraphen der Verfassung, betrefsend die Freiheit der Gemeindeverwaltung, keine Rede fein kann, wenn eine Regierung genöthigt ist, mehrjähriger Renitenz einer Gemeinde entgegen zu treten und eine durch die Geseze geforderte,.

öffentliche Anstalt im Wege der Vollziehung herzustellen ; 4)

daß hiebei die Regierung der Gemeinde die volle Jnitiative überlassen hat, und erst im Jahre 1856, nach zahlreichen Beschlüssen der Gemeinde, des Gemeinderaths und der Friedhoskon.misfion, auf dem offenbar geeignetesten Plaze bestund, welchen die Gemeinde selbst bezeichnet hatte, nachdem ein anderes Projekt innerhalb der anberaumten Frist unausgeführt^gebliebeu war;

.5) daß unter diesen Umständen das Recht zur Ansezung von Friste^ sich selbst verstund, übrigens aber alles, was über Nichteinhaltung.

derselben bemerkt wurde, unerheblich ist, weil die Hauptfrage über die Bezeichnung des Plazes schon beinahe ein Jahr vorher durch definitiven Beschluß der Regierung, gegen den keinerlei Rechtsmittel ergriffen wurden, entschieden war und jene Fristen sich nur auf die Ausführung beziehen konnten.

4.

B e z ü g l i c h auf K o n k o r d a t e .

Herr A. aus dem Kanton Thurgau erhob folgende Beschwerde:.

Vor seiner Verheirathung habe er mit seiner Braut, unter Mitwirkung.

ihres Vormundes und ihrer Verwandten in Basel , einen Ehevertrag abgeschlossen, wodurch unter Anderm bestimmt wurde, daß drei Viertheile ihre.^ Vermögens der ehelichen Gütergemeinschaft entzogen werden und unter de^ Verwaltung eines Kurators in Basel bleiben sollen. Einige Jahre nach der Heirath haben die Ehegatten beschlossen, diesen Vertrag aufzuheben, und zu diesem Behuf sei die erforderliche Zustimmung und Vollmacht von Seite.

der Frau ertheilt und nach thurgauischen Gesezen diejenige der kompetenten.

Waisenbehörden eingeholt worden. Hierauf gestüzt haben die Ehelente A. in Basel die Herausgabe des Vermögens der Frau reklamirt , seieu aber von den Gerichten erster und zweiter Jnstanz abgewiesen worden, vorzüglich ans dem Grunde, weil der Ehevertrag nach den Gesezen des Ortes seiner Erfüllung (Basel) beurtheilt werden müße und nach diesem ein ursprünglich gültiger Ehevertrag während der Dauer der Ehe nicht verändert werden dürfe. Jn seiner Beschwerde an den Bnudesrath machte nun der Relurrent folgende Gründe geltend : Jener Verzicht ans Miteigentum und Verwaltung des Vermögens seiner Frau sei in Folge damaliger Verhältnisse und keineswegs aus der Absicht entstanden, sich für alle Zeiten der Gesezgebung von Basel zu un-.

terziehen. Durch die Geburt vou Kindern fei auch der wesentlichste Zwek jener Vertrag.^bestimmung dahin gefallen. Rekurrent sei Bürger von Thur^ gau und habe^ me in Basel gewohnt, auch seine Frau und Kinder feien

28.^ somit Thurgauex, und es könne somit nur das thurgau.sche Recht für ihre.

Familienverhältnisse maßgebend sein. Nach diesem Rechte aber sei eir^ solcher Ehevertrag nicht unabänderlich, sondern wenn es sich um Aushebung oder Beschränkung der Rechte der Ehefrau handle , so könne ein solcher Vertrag mit Zustimmung der Frau und der Waifenbehörden geändert werden, was im vorliegenden Fall in vollständig gültiger Weise geschehen sei.

Für das Begehren des Relurrenten sprechen aber besonders noch die Kon^ kordate vom 15. Juli 1822 und v.^.m 7. Juni 1810. Nach dem erster^ unterliegen Eheverkommnisse den Gesezen des Heimathortes des Ehemanns,.

und Basel habe damals die Erklärung abgegeben, sür testamentliche Versügungen und Eheverträge müssen die Geseze^ und das Forum des Wohnorts unbedingt behauptet werden. Damit stehe nun das Urtheil des Zi-.

vilgexichts Basel durchaus im Widerspruch, welches den Saz ausstelle, daß.

der Vertrag nach dem Rechte des Erfüllungsortes Basel zu beurtheileu sei. Das Konkordat vom Jahr 1810, dem beide Kantone beigetreten seien, unterstüze die Ansicht des Rekurrenten ebenfalls, indem auf den zwar unwahrscheinlichen , aber in diesem Konkordat vorausgefezten Falle eines Konkurses seine Kreditorschaft in Folge der nun eingetretenen unbedingten.

Gütergemeinschaft zwischen den Ehegatten berechtigt wäre, ans das in Bafel.

liegende Vermögen zu greifen und, im Falle Widerspruchs, von den Bundesbehörden geschüzt werden müßte.

Die Regierung von Basel-Stadt stellt in ihrem Berichte Vorzügliche auf die Thatsache ab , daß der Rekurrent den dortigen Gerichtsstand an-^ erkannt habe und sich daher dem in Rechtskraft erwachsenen Urtheile unterziehen müsse. Uebrigens wird noch bemerkt , daß nach den baselscher^ Gesezen, die bei Abschluß des Ehevertrags maßgebend gewesen, solche Verträge, in so weit sie auf die Güterverhältnisse der Ehegatten einwirken^.

während der Dauer der Ehe ganz unabänderlich sind.

Die Beschwerde wurde abgewiesen, inErwägung: 1)

daß vorerst über die Kompetenz liegenden Streit zu entscheiden , abgesehen von andern Gründen, anerkannt haben ; 2) daß daher den Bnndesbehörden

der Gerichte von Bafel, den vor.....

kein Zweifel obwalten kann , da,.

beide Parteien diesen Gerichtsstand keine Befugniß zusteht , über die

Richtigkeit des rechtskräftigen Urtheils einzutreten, es wäre denn,

daß Bundesvorschriften, Konkordate oder Kantonsversassungen verlezt.^ worden wären ; ^) daß nun aber lezteres nicht ver Fall ist, auch der Rekurrent fi..^.

lediglich auf das Votum von Basel-Stadt bei dem Konkordat vom

15. Juli 1822 (11,. 36) und auf das Konkordat vom 7. Juni.

1810 (l, 285) in dem Sinne beruft, daß die Gerichte von Basels St^dt verpflichtet gewesen wären, die thurgauisch^ Gefezgebung an^ .^uwe^deu ,

^

^86

4) daß jedoch diese Schlußfolgerung nicht begründet ist, a. weil jenes Votum von Basel-Stadt schon in formeller Hinficht ni^cht die Bedeutung eines .Bundesgesezes oder Konkordates haben kann und überdieß^ keineswegs daraus hervorgeht , daß dieser h. Stand, falls ein Ehevertrag in Basel, als damaligem Wohnfiz eines der Kontrahenten, geschlossen wurde, sich habe verpachten wollen , die Gefezgebung und den Gerichtsstand jedes künftigen Domizils der Kontrahenten anzuerkennen ; . ^. weil das Konkordat vom 7. Juni 18.0 einen ganz andern Gegenstand, den Gerichtsstand in ^ Konkursen , behandelt und weil, wenn dieser Fall einträte, das Konkordat gerade gegen den Rekurxenten spricht, indem dannznmal die Konkursmasse den Gerichts^ stand von Basel über die Frage der Herausgabe des Vermögens anerkennen müßte.

b.

..^.litmiri.ung ^ur .^uude^r.echt.^e.^e.

Unter diesem Titel wurde vorzüglich eine Uebersicht derjenigen RechtsGeschäfte gegeben , welche der Generalanwalt für die Bundesverwaltung besorgt hatte, und es wurde jeweilen der spezielle Bericht dieses Beamten beigelegt. Bekanntlich wurde nach der vom legten Generalanwalt verlangten und ihm ertheilten Entlassung diese .^lmtssteile einstweilen nicht wieder be-

sezt, weil der wesentlichste Theil ihrer Geschäfte , nämlich die Bereinigung

des Heimathlofenwefens, sich der Erledigung nähert^, uud weil man annahm, .daß die Rechtsgeschäfte dieses Beamten theils durch das Justizdepartemeut, theils durch besondere , für einzelne Fä.le zu bestellende Rechtsanwälte besorgt werden können. Man wird nun di^ Frage auswerfen, ob die Suspen^on dieser . Stelle sich durch die Erfahrung gerechtfertigt habe, oder . ob auf deren Wiederbeseznng Bedacht zu nehmen sei. Es dürfte noch nicht an ^ex Zeit sein. diefe Frage definitiv zu beantworten ; doch läßt sich sagen, ^..aß die Erfahrungen, welche bis jezt gemacht wurden, eher geeignet find, die Aufhebung der Stelle zu begründen. Sie ist nämlich durch die Ge^seze vorzüglich für die Bundesstrafrechtsfälle vorgefeheu. Nun kommen aber .gleicherweise sehr selten Fälle vor^ welche nach dem Geseze in die ansschließliehe Kompetenz der Bundesasfisen gehören , und im lezten Jahre fand eine Einberufung derselben nicht statt. Weniger wichtige Uebertretungen des Bundesstrafrechtes kann der Bundesrath bekanntlich an die kantonalen Gerichte überweifen, und es geschieht dieses in der Regel.

Bei allen diesen Fällen kann nun v^n eigentlicher Bundesrechtspfl.ege nicht mehr .gesprochen werden, sondern di^ Jurisdiktion wird an die Kantone delegirt.

Hier bringt es nun die Notwendigkeit einer genauen Kenntniß der kauZonalen Geseze, die Verschiedenheit der Sprachen, oft auch die große Eutfernung mit sich , daß ..s ..^n f^ zwekmäßig ist , wenn nöthig, einen An^valt aus dem betreffenden Kanton zu bestellen, zumal einem hier domi-

287 flirten Generalanwalt die Reisefpesen und andere Auslagen natürlich ver^..ütet werden müssen. Das oben Gesagte findet auch Anwendung bei deu fiskalischen Vergehen, Uebertretungen des Zollgefezes und des Post- und ^ulverregals , und endlich bei gemeinen Verbrechen und Vergehen, welche .^egen den Bund verübt werden, und wobei dieser nur in der Stellung einer

.geschädigten Zivilpartei aufzutreten hat. Es bleibt somit dem Justiz-

departement nux die Begutachtung einzelner streitiger Fälle und der Art ihrer Behandlung , was seinen übrigen Geschäften keinen erheblichen ..^in- ^ ^trag thnt. Nur hiemit hatte fich daher das Departement auch im lezten Jahre zu befassen ; die dießfälligen Geschäfte bieten aber nicht hinreichendes Interesse dar, um hier speziell berührt zu werden. Es versteht fich somit ^..on selbst, daß das Departement von nun an die fiskalischen oder strafrechtlichen Fälle, die in den verschiedenen Verwaltungen vorkommen, nicht ^uehr in seinen Jahresbericht aufnehmen kann , weil fie ihm in der Regel ^icht mehr bekannt werden, während sie früher in der unter ihm stehenden Stelle des Generalanwalts ihren Zentralifationspunkt fanden, und es muß daher den Verwaltungen der betreffenden Departement überlassen bleiben, .^n dieser Richtung das Erforderliche in ihre Jahresberichte aufzunehmen.

Was die Kosten der Bundesrechtspflege betrifft, so hat das DeparZement ausgelegt für das Bundesgericht Fr. 12,146. 53, sür anderweitige Justizkosten Fr. 760. 23, und dagegen an Gerichts- und Kanzleigebühreu eingenommen Fr. 488l , also ungefähr 40 .^ der Kosten des Bundes-

gerichts.

l.l^ Polizei.

.... Fluchtlinie und andere fremde.

Wie .m Jahr 1856, ist auch im Laufe des Berichtsjahres in Bezug auf das Flüchtlingswesen nichts Erhebliches vorgefallen, außer daß gegeu Ende des Jahres^ von Frankreich Beschwerden über die Anwesenheit vieler,

namentlich italienischer Flüchtlinge in Gens und angebliche politische Um-

triebe derselben geltend gemacht wurden. Allein die Untersuchung darüber und die von uns getroffenen Maßnahmen gehen größtentheils ins künftige Jahr hinüber, und können daher nicht Gegenstand diefes Berichtes bilden.

Eine früher gemachte Anzeige über aufrührerische Schriften, die vom Kanton Neuenburg aus nach Frankreich eingebracht werden sollen, entbehrte so sehr jedes genaueren Anhaltpunktes, daß deren Richtigkeit keineswegs konstatirt werden konnte, vielmehr eine ziemliche Wahrscheinlichkeit sich ergab, daß solche Schriften von Personen ausgiengen, die in Frankreich selbst sich aufhielten. Eine erhebliche Veränderung ^n der Zahl der Flüchtlinge hat unsers Wissens nicht stattgefunden. So viel bekannt ist, haben 18 die Schweiz. verlassen , und einer wurde wegen Kolportirens aufrührerischer Schriften ausgewiesen.

Dagegen ist uns ^on einer Vermehrung zur Zeit nichts bekannt, es wäre denn, daß eine solche sich bei der in Genf noch obwaltenden Untersuchung steh herausstellen würde.

Bundesblatt. Iahrg. ....... Bd. I.

29

.288 Die Erfahrung zeigt, daß in einzelnen Kantonen fremde Deserteure entweder noch seit früherer Zeit vorhanden find, oder Neue Aufnahme fiu^ den. Es ist dieses sehr beklageuswerth , weil diese Leute nach längerer Zeit häufig in den Fall kommen, ihr Heimathxecht zu verlieren, und auf diese Weise ein neues Geschlecht von Heimathlofen entstehen wird. Wir haben daher nicht ermangelt, bei jedem gegebenen Anlaß darauf zu driugeu.

daß diese Leute entfernt werden, um so mehr, als gewiß nicht dieselbe..

moralischen Motive, die bei den politischen Flüchtlingen obwalten, bei den.

Deserteurs sieh geltend machen lassen. Wix haben daher nicht ermangelt.

die verschiedenen Amnestiedekrete, welche im Laufe des Jahres zu Gunsten politischer Flüchtlinge und Deserteurs iu mehreren Ländern erlassen wuxden, den Kantonen mitzutheiten und daraus zu dringen, daß die betreffenden Personen veranlaßt wexden, in. Benuzung der Amnestie das Land z^ verlassen. Es scheint dieses jedoch nur in wenigen Fällen geschehen zu fein.

Die Kosten dex Polizei betrugen in diesem Jahre Fx. 1698. 70.

Einiges Interesse mag in polizeilicher Hinficht noch eine Statistik dex Auslieferung von Verbrechern daxbieten, indem sich zeigt, wo diese Leute.

obwol sie gewöhnlich entweder gar keine odex ganz ungenügende Ausweisschxisten besizen , vorzugsweise Aufenthalt finden. Wir legen hierüber folgende Tabelle vor .

Berweiae..

^...^

Requirirende Oefierreich .

Frankreich .

Sardinien .

Bauern . .

^ .

.

Staaten : . . .

. . .

. . .

. . .

29 12 8 2 2 Parma . . . . .

1 Freibuxg . . . . .

1 2 2 2 .Graubünden . . . .

1 Appenzell . . . . .

1 1 ^Neuenburg . . . .

64 Requirirte Staaten: Oesterreich . . . .

1 Frankreich . . . .

4 Sardinien . . . .

3 Uebertrag :^ 8 Rußland

.

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10 5 3 2 2 ^...^

Genf

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Tesfin

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Rükkehr.

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2 .

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1 .

1

289 Uebertrag .

Hessen-Homburg . . .

Schweiz. Eidgenossenschaft

Schwyz . . .

St. Gallen . .

Graubünden

. .

Tessin

.

.

.

.

^

.

.

.

Waadt .

Neuenburg Genf

.

.

.

.

.

.

8 1 14 1 .

2 1 2 20 1 1 13 56

1 3

1 11 1

5 1

1

2 1

1 5

7

1 3

...

23

11

1

8 1 10 28

2

2. W e r b u n g .

Die Ueberwachung und Verfolgung der Werbungen hat uns vielfach beschäftigt, und wir finden uns veranlaßt, in einigen Beziehungen näher darauf einzugehen.

Jn den Kantonen haben folgende Untersuchungen und Beurtheilu.^geu stattgesunden : Zahl der beteiligten Jndividuen.

Beurteilungen.

Freisprechungen. ^^

Zürich . . . . .

l7

1

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Bern

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1

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Schw.^

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Freiburg

. . . .

Basel-Stadt . . .

St. Gallen . . . . . ^ Aargau . . . . .

Genf

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1

4 9 5

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1

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2

-

36

5

1

Von den in diesen llrtheilen erwähnten Personen waren 29 beschuldigt für Neapel, 3 für Rom und 8 für Holland angeworben zu haben.

Als die französische und englische Werbtrommel verstummt war, wurden diejenigen von Neapel und Rom durch eine ne...^ holländische begleitet.

Außer einem Hauptdepot für Neapel in K o n s t a n z und verschiedenen Unterstationen längs dem^Rheine, wurde im Frühling 1857 in L ö r r a c h ein holländisches Werbdepot errichtet, das sich Anmeldungsbüreau nannte, und dessen Hauptagenten eine Menge Unteragenten in der Schweiz bestellten , um Lente zum Dienste zu verboten und sie dem Werbdepot zuzuführen.

Wir haben sofort durch mehrere Kreisschreiben die Kantonsregierungen und die Polizeibehörden von näheren Angaben in Kenntniß gesezt und sie ein-

290 geladen, dem Bundesgeseze über Werbungen eine geflossene Vollziehung zu verschaffen. Wir haben fernex durch das Konsulat in Amsterdam bei der k. niederländischen Regierung Vorstellungen erheben lassen , und im Laufe des Sommers auch mit der gxoßh. badischen Gesandtschaft wiederholte und einläßliche Korrespondenz in dem Sinne gepflogen ,^ daß die dortige Regierung aus sreundnachbarlichen Rüksichten nicht länger eine Jnstitution dulden möchte, die für Baden selbst verboten und somit nur gegen die

Schweiz gerichtet sein könne. Unsere dießfälligen Bemühungen find aber

bishex ohne Erfolg geblieben. Was nun die Wirkungen dieser Werbanstalten im ^Jnnern der Schweiz betrifft, so ist es notorisch, daß außer den Rekruten , die fortwährend nach Neapel abgehen , mehrere Hunderte nach Holland und von da nach Ostindien transportât wurden. Es ist daraus ersichtlich, wie schwer es ist, troz angestrengter Bemühungen bei deu Kantonalbehö^den, und was wir anerkennend hervorheben, troz der sorgsamen Thätigkeit der Polizeibehörden der nachfliegenden Gränzkantone Basel-Stadt und Aaxgau, dem Bundesgefez eine durchgreifende Vollziehung zu verschaffen. Desto eher sehen wir uns veranlaßt, die Hinderuisse speziell hervorzuheben, welche in einzelnen Kantonen dieser Vollziehung entgegengeht werden.

Jm September wurde ein gewisser Müller, Einwohner von Bern, der früher schon im Rufe stand , für englischen odex französischen Dienst geworben zu haben, in Basel verhaftet und nach Bern gebracht, weil ex einen Transport v^n 6 Rekruten von Bern nach Bafel geführt und dort paaxweife nach dem Werbbüreau in Lörrach instradirt hatte. Wir überwiesen den ganz eklatanten Fall an die bernischen Behörden zur gexichtliehen Behandlung ; ... allein die Anklagekammer fchlug die Untersuchung nieder. Aus den dießfälligen Akten ergibt sich Folgendes : Der Angeschuldigte gestand vollständig ein, daß er die fraglichen Personen uach Basel geführt und die fämmtlichen Transportkosten aus der Eisenbahn für sie bezahlt, so wie auch für ihren Unterhalt gesorgt habe, was übrigens auch durch drei Zeugen bestätigt wurde. Die andern drei Rekruten waren uämlich schon über die Gränze und konnten somit nicht einvernommen werden. Zwei der Zeugen erklärten überdieß , Müller habe sie zum Dienstnehmen eingeladen, dex Eine mit dem Beifügen, er hai..e die Sache besonders schön und vorteilhaft ausgemalt. Ein Zeuge deponirte serner..

Müller sei in Bern als Werber für Holland bekannt (was in der ......hat hier notorisch ist), und ein Anderer erklärte, Müller habe ihm versprochen, da er keine ^Answeiss.^.iften besessen , ihm einen schweizerischen Heimathschein zu verschaffen (der Zeuge ist ein Deutscher). Bei einer Hausuntersuchung wurde dagegen nichts aufgefunden, und Müller läugnete lediglich, daß ex die Leute angeworben habe.

Dieß ist die Aktenlage. De..: Bezirksprokurator von Bern fand die Schuld für hinreichend ermittelt,
sofern man wenigstens im Einklang mit der. frühern bernischen Gesezgebung gegen die Werbung ohne Patent und für nichtkapitulirte Dienste unter Anwerben für fremden Kriegsdienst nicht

29l uux das Vexloken und Ueberreden, sondern auch das von einem fremdem Staate direkt oder indirekt autorisirte Annehmen von bindenden Versprechen des Eintritts verstehe ; wollte man einen solchen Begriff der Werbung nicht zugeben, so müßte man es konsequent für erlaubt ansehen, förmliche Wexb^bureaux auf bernischem Gebiet zu errichten, sofern dieselben fich aus An^.ahme und Beförderung der freiwillig fich Anmeldenden beschränken würden.

Aus diesen Gründen konnte der Bezirksprokurator dem Beschluß des Uuterfuchungsrichters (Aufhebuug der Klage) nicht beistimmen. Eine entgegengesezte Anficht entwikelte aber der bernifche Generalanwalt im Wesentlichen aus folgenden Gründen :^ 1 . Das neuere Bundesgesez derogire den fxühern , den gleichen Gegenstand betreffenden Kantona.gesezen.

2. Die frühere bernische Gesezgebung sei auf ganz andere Verhältnisse, nämlich auf ^die mit mehreren Staaten geschlossenen Militärkapitulationen berechnet gewesen und gestatte somit keine analoge Anwendung, weil damals ganz andere Grundsäze auf kapitulirte und nichtkapitulirte Dienste mußten angewendet werden, während jezt kein Unterschied mehr gemacht werde, und somit die ratio 1egis wegfalle.

3. Jn mehreren, durch die sogenannten Werbumtriebe hervorgerufenen Erlassen habe die Regierung von Bern sich deutlich dahin ausgesprochen, daß nur das Anwerben und Anloken, nicht aber das freiwillige Eintreten in fremde Kriegsdienste verboten sei. Es frage sich somit nur, was unter Anwerben und .Anloken zu verstehen fei. Anwerben konne man nur das Andingen von Mannschaft zum fremden Militärdienst mittelst Ausbezahlung des Handgeldes nennen. So lange diese Bezahlung nicht stattgefunden, könne von Anwerben nicht gesprochen werden. Diese Annahme der Mannfchaft und Bezahlung des Handgeldes finde nun aber außerhalb der Schweiz statt, und somit werde auf hierfeitigem Gebiete kein Mann angeworben. Jm vorliegenden Falle sei als erwiesen zu betrachten, daß keines der fraglichen Jndividuen auf schweizerischem Gebiete Handgeld erhalten habe. Gesezt daher auch, Müller habe denselben zur Ausführung ihres Entschlusses, holländische Dienste zu nehmen, Vorschub geleistet, z. B. durch Bestreitung der Reisekosten, so fei er deßhalb noch kein Werber, so lange nicht hergestellt fei, daß er mit dem Werbdepot zu Lörrach in Verbindung stehe und als dessen
Agent gehandelt habe. Hiesür liegen aber keine genügenden Thatsachen vor, zumal auch die HausDurchsuchung^ gar kein Resultat geliefert habe. Die Bestreitung der Reisekosten für die fraglichen R e k r u t e n ^ A s p i r a n t e n , wenn sie ohne Auftrag des Werbdepots geschah, fei aber keine verbotene Handlung, vielmehr wäre es als Widerspruch zu betrachten, wenn man einerseits den freien Eintritt in fremde Dienste gestatte, andererseits aber diejenigen bestrase, welche ohne Anlokung dazu behülflich seien und einem Armen zu diesem Behuf etwa eine Reisesteuer geben. Die Untersuchung könnte daher mit ^Aussicht auf Erfolg nur dann fortgesezt werden, wenn man sie aus

292 das Werbdepot in Lörrael^ ausdehnen würde. Ein derartiger Antrag aber.

würde in Folge früher gemachter Erfahrungen verworsen werden.

Aus diesen Gründen beantragte der Generalanwalt, es fei die wegen Anklage auf verbotene Werbung eingeleitete Untersuchung , in Ermanglung gerügender belastender Thatsachen, ohne Entschädigung aufzuheben; was denn auch von der Anklagekammer beschlossen. wurde.

Diese Auffassungsweise können wir unmöglich mit Stillschweigen über.gehen, sondern müssen uns einige Betrachtungen darüber erlauben, zumal es Jedermann einleuchten muß., daß mit derselben eine Vollziehung des .Bundesgesezes übex die Werbungen ganz unvereinbar ist und daß, wie i..ex Bezirksprokurator von Bern richtig bemerkt, öffentliche Büreaux zum Zweke der fremden Werbung ganz ungestraft errichtet werden dürften, wenn sie nur die Vorficht gebrauchten, die auch in Lörrach üblich ist, statt Werbbüreaux sich Anmeldungsbüreaux zu nennen, und ihre Thätigkeit, wenigstens ostensibel, daraus zu beschränken, Dienstbegehren anzunehmen und die Leute mit Rath und Geld zu uuterstüzen oder selbst aufs Werbdepot abzuführen. Durch diese Anschauungsweise erklärt sich auch vollständig, warum, unfers Wissens, im Kanton B e r n seit Erlaß des Bundesgesezes noch Niemand wegen Werbung, resp. Beihülfe dazu, bestraft wurde, ungeachtet dieser Kanton die größte absolute Bevölkerung hat, und in der leztern bekanntlich weit mehr Disposition für fremden Kriegsdienst vorhanden ist, als in allen den Kantonen, welche die größte Zahl von Strasurtheilen über Werbversuche aufzuweisen haben.

Nach der Auffassung der erwähnten bernischen Justizbehörden, nämlich Untersuchungsrichter , Generalanwalt und Anklagekammer , s.ndet in der Schweiz oder im Kanton Bern keine Werbung statt. Aufsallenderweise behauptet auch die Großherzgl. Badische Regierung , es finden e.uf dortigem Gebiete keine Werbungen statt , sondern man nehme dort nur zur weitern Beförderung diejenigen Jndividuen auf , welche in der Schweiz angeworben werden oder von dort herkommend , sich zum Diensteintritt melden. Wären diese beiden Anschauungen richtig, so würde daraus folgen, daß eigentlich gar keine Werbungen stattfinden ; denn es wird wol Niemanden einfallen wollen , zu behaupten , daß die wirkliche Anwerbung erst in Holland oder Neapel geschehe und daß die Leute dorthin reisen, in der Ungewißheit, ob sie angenommen werden oder nicht. Hieraus geht also wol hervor , daß man sich weder hüben noch drüben aus dem richtigen

Wege befindet. Die richtige Sachlage ist vielmehr solgende : Es findet

in beiden Ländern, in der Schweiz und Baden , (so wie auch noch anderswo) zum Zweke der Werbung ein gemeinschaftliches Zusammenwirken Vieler Personen statt, und es ist eine ziemlich untergeordnete oder vielmehr nach unserm Geseze ganz müßige Frage , wo das Delikt der Werbung vollendet , wo nämlich nach der bernifchen Auffassung, deren theoretische Richtigkeit vorausgesezt, das Handgeld ausbezahlt werde. Denn unser ^......trafgesez (Art. 65) macht iu Bezug auf die Strafbarst keinen Unter-

Schied zwischen dem Anwerben in der Schweiz und der Thätigkeit der An-

293 Bestellten von Werbbüreaux , welche außerhalb der Schweiz errichtet werdeu, um das Verbot der Werbung auf fchweiz. Gebiete zu umgehen.

Um die Absicht des Gesezgebers zu erkennen, genügt es., einen Blik aus die Art und Weise zu werfen, wie sich die Mitwirkung zur Werbung in der Schweiz gestaltete, seit der Aufhebung der Kapitulationen und den ersten Werbverboten. Die Werbdepots, welche behufs defiuitiven Abschlusses von DienstVerträgen durch Anstellung von Offizieren, Aerzten, Komptabeln, OberAgenten u. s, w. organisirt sind, mußten natürlich über die Schweizergränze hinaus verlegt wexden ; aber ihre Wirksamkeit beschränkt fich keineswegs auf thr Domizil, sondern fie greift nach allen Seiten hin, durch besondere Organe in die Schweiz hinein. Uebexall befinden sich Unteragenten, deren Aufgabe es ist, so weit es im Stillen geschehen kann, Dienstlustige auf^ufnchen und zu ermuntern und jedenfalls unter dex Hand bekannt zu .machen, daß Anmeldung und ^Weiterbeförderung bei ihnen stattfinde. Jhre Aufgabe ist es serner, die Anmeldungen anzunehmen und die Dienstsachen.^ den auf.s Depot zu bringen, was gewöhnlich so geschieht, daß fie entweder eine ganze Truppe, die sie allmälig gesammelt haben, selbst nach Lörxach ^der Konstanz führen und alle Kosten der Reise und des Unterhalts für fie bestreiten, oder daß sie Einzelnen gewisse Etappen bestimmen und ihnen Adreßkarten mitgeben, mittelst denen sie in den ihnen bezeichneten GastDäusern kostenfreie Beherberguug finden. Man sieht hieraus , daß diese Agenten, welche die Volksstimme mit ganz richtigem Takt auch jezt noch W e r b e r nennt, die gleichen Funktionen ausüben und die gleiche Rolle spielen, wie die ehemaligen Werber zur Zeit der Kapitulationen, nur mit ^em Unterschied, daß sie keine rothen Röke tragen und daß sie weniger Zudringlich auftreten dürfen, sondern das Anloken und Verleiten sorgfältiger behandeln müssen ; denn auch die ehemaligen Werber konnten keine definitiven Werbverträge absehließen. So war die Sachlage schon zur .Zeit der Erlassung des Bundesgesezes, und es ist daher einleuchtend, daß diese Art der Thätigkeit der neuen Werbagenten durch den zweiten Saz des Art. 65 mit Strafe bedroht ist; denn der Gesezgeber wußte gar wol, daß definitive Dieustverträge in der Schweiz schwerlich mehr abgeschlossen werden können. .^o wird e.uch di^ Sache sast in der ganzen Schweiz aufgefaßt. Zahlreiche polizeiliche und gerichtliche Untersuchungen bestätigen

die Richtigkeit dieser Auffassung der Verhältnisse und zahlreiche Urtheile,

^on dieser Anschauung ausgehend, verurteilten die Werbagenteu für ganz die nämliche Wirksamkeit, welche die bernische Justiz als erlaubt erklärt.

Bon diesem Standpunkt ausgehend , fügen wir noch einige Bemerkungen uber den erwähnten Spezialfall bei. Wir wollen vorerst nicht darüber rechten , was zum Thatbestand des vollendeten Vergehens der Werbung gehöre, ob die Bezahlung des Handgeldes erforderlich sei oder nicht, da .wir bereits auf die Unerheblichkeit dieser Frage nach unferer Gesezgebung aufmerkfam machten. Wir. können ferner zugeben, daß es weder passend, .noch nothwendig sei, eine .Auslegung der frühern kantonale.. Gesezgebungeu .^u Hülfe zu nehmen, indem das Bundesgesez jede Mitwirkung zur An..^

294 werbung in fremden Kriegsdienst ohne Unterschied untersagt. Nicht ein^ verstanden können wir aber mit den zwei Säzen sein, daß in dem Ver.^

^ .halten des Angeschuldigten keine Anlokung oder Mitwirkung zux Dienst-

.nahme liege, und daß namentlich kein Beweis über dessen Verbindung mit dem Werbdepot in Lörrach vorliege, ja nicht einmal so viel Beweis , um.

aus eine Anklage erkennen zu können. Davon abgesehen, daß z w e i Zeugen depöniren, es habe eine wirkliche Einladung und Aufmunterung zum Dienstnehmenstattgefunden, ist wol eine solche auch darin zu finden , daß der Angeschuldigte die vorhandenen Schwierigkeiten beseitigte und ihnen vex^ sprach , sie kostenfrei in das eirea 20 Stunden entfernte Wexbbüreau zu.^ begleiten. Diese leztere Thatsache scheint uns denn auch ganz entscheid dend als Beweismittel, daß der Angeschuldigte nur als Angestelltex des.

erwähnten Bureau gehandelt haben konnte, zumal derselbe iu seinem Verhör erklärte, ,,er habe am solgenden^ag von Basel aus z.^ H a u p t m a n n R o t h g e h e n w o l l e n , ' ^ o n d e m e x auch d i e A u s l a g e n für die Re ise die se r B ux scheu z urük zu e r h a l t e n h o f f t e ^ .

d i e s e r Roth sei im W e r b b ü r e a u Lörrach angestellt... Wenn..

der Generalanwalt von Bern bemerkt, es müsse doch gewiß erlaubt sein,.

einem armen Teufel (dieß ist sein Ansdruk) , der außer Landes Dienst nehmen wolle, eine Reiseunterstüzung zu geben, so sind wir weit entfernt,.

dieß zu bestreiten, müssen aber finden, es liege gar nicht dieser Fall vor,.

wenn ein Mann, der notorisch als Werber bekannt ist, den die Zeugen auch offenbar als solchen darstellen, der, unsexs Wissens, nicht in öko^ uomischen Umständen lebt, um dergleichen Ausgaben machen zu können, wenn ein solcher für sechs Jndividuen die Transportkosten nach Basel pe.^ Eisenbahn und den Unterhalt bezahlt, und überdieß seine Zeit und seine Geschäfte preis gibt und sie selbst nach Basel sührt, und dort sie anweist, sorgfältig und paarweise, damit es ja der Polizei nieht auffalle, die Straße nach Lörrach einzuschlagen. Es wird wol Niemand im Ernst behaupten wollen, das alles geschehe aus Barmherzigkeit oder zum Vergnügen, son-.

dern diese Thatsachen begründen wol die vollendete Ueberzeugung , daß de^ Augeschuldigte hiefür angestellt und bezahlt ist. Hier noch zu fragen, von.

w e m dieß geschehen , heißt wol die juristischen Serupel sehr weit treiben, und wir können nur beifügen, daß in einer Menge von Urtheilen diesem nämlichen Thatsaehen, wenn sie auch nur in geringerem Maße vorhanden waren,
als voller Beweis dafür galten, daß ein solcher .Transport.führ ex ein Werbangestellter sei. ^Wenn aber, troz allem diesem, de^ betreffenden bernischen Justizbeamten noch irgend ein Zweifel übrig blieb, betreffend die Eigenschaft des Angeschuldigten als Werbangestellten, so wäre es unsers Erachtens vor der Hand gar nicht nöthig gewesen, die Untersuchung auf die Wexbanstalt in Lörrach auszudehnen, sondern es hätte ein näher liegendes und einfaches Mittel gegeben , das diesen Zweifel sehx wahrscheinlich gehoben hätte, und es ist gerade die Unterlassung dieses.

Mittels ein sehr charakteristisches Merkmal der fraglichen Untersuchung.

Die Thatsache des Transportes und der Bezahlung aller Kosten ist uämli^

29.^ offenbar so bedeutend, daß Jedermann vermuthen wird, der Untersuchung^ richter werde dieselbe vor allem dem Angeschuldigten vorgehalten un.^ einläßlich gefragt haben, wie er bei seinen Verhältnissen darauf gekommen^ sei, Zeit und Kosten in dem angegebenen Maße für ihm ganz unbekannte Leute zu verwenden.

Von allem diesem findet man aber in der l.lntexsuchung keine Spur, und keine der erwähnten Behörden fand sich, wie es scheint, veranlaßt, die Akten in dieser wichtigen Hinsicht vervollständige^ zu lassen.

Das Gesagte mag genügen, zumal es sich nicht darum handeln kann, in eine neue Beurtheilung dieses Spezialfalles einzutreten, sondern, um auf die allgemeine Auffassung dieses Rechtsverhältnisses von Seite der bernischer^ Strafjustiz hinzuweifen, mit der nach unserer Anficht, welche die Erfahrung bestätigte, eine Repression des Werbuufugs im Kanton Bern absolut unvereinbar ist.

^ Wir kommen auf einen andern Fall zu sprechen, der sich im Kantor Genf zutrug.

Es wurden im September in Bafel mit zwei Franzosen, die in Genf von einem S tu k i von Wimmis (Bern) für den holländischen Dienst angeworben worden waren, Verhöre aufgenommen und dieselben mit dem Auf-

trag gerichtlicher Einleitung nach Genf gesandt. Die Untersuchung stellt..

heraus, daß dieser Stuki und ein gewisser Marquer.... sich mit der Werbung befassen. Beide wurden vor die Juch gestellt und freigesprochen. J...

eine Kritik über die Gründe dieser Freisprechung können wir schon darum nicht eintreten, weil bekanntlich die Gefchwornen ihr Schuldig oder Nicht^ schuldig nicht notiviren müssen. Statt aller Kritik beschränken wir un.^ darauf, die Ergebnisse der Untersuchung, wie sie uns in den Akten vorliegen, mitzutheilen. Es scheint indessen der Grund der Freisprechung darin bestanden zu haben, daß die Werbungen nicht auf .dem Gebiete vo.^ Genf erfolgt seien, sondern in Savoven. Judeß gerade über diesen Punkt liefern die Akten, wie uns scheint, den vollständigen Gegenbeweis. Stuki,.

theils in Genf, theils in Evian stch aufhaltend, läugnet zwar die Thatfache der Werbung, gestand aber, mehrere Jndividuen, die sich bei ihm für sxemden Militärdienst gemeldet hatten, an Marquer.) gewiesen zu haben,.

der in Genf wohnt und den er als Werber (Recruteur) kannte. Der leztere erklärte umgekehrt, daß er mehrere Jndividuen, die sich an ih^ zum Zweke der Anwerbung gewendet hatten, an Stuki gewiesen habe, dei^ im Gasthaus ,,zur Rose^ in Eaux-Vives (bei Genf) wohne und den e.^ als Werber kenne, da er für diesen Handel einen Vertrag mit ihm geschloffen habe (a.^ant passé avec lui une convention pour ce tra^c^. J..^ einem spätern Verhör fügte Marquer^ bei , Stuti habe ihm schon vor vie.^ Monaten ersucht, ihm Leute, welche Dienst nehmen wollen, nach Evian z^ schiken und ihm 15 Fr. für den Mann versprochen. Das habe er aeeeptirt und wirklich etwa 20 Mann eingeladen (engagé), zu diesem Zwek nach.

Evian zu gehen, wo Stuki sie anwarb. Seit etwa drei Wochen habe Stuki ein Zimmer in ^aux-Vives gemiethet, und dorthin habe er ihm die Leut^.

296 schiken müssen, auch h^abe ihm Stuki eine Abschrift der Bedingungen für den ostindisch-holländischeu Dienst übergeben, und somit habe nicht ex .(Marquer.^) angeworben, sondern die Leute nur dem Stuki, sei es nach ^vian oder nach Eaux^Vives zugebracht. Ueber diese Depositionen Mar^uex^s einvexuommen, erkläxte Stuki fie für wahr, nur habe Marquer^ auf seinen Sold von 15 Fr. sür den Mann noch den Schifflohn bis Evian bezahlen müssen. Zudem bestätigte er, er habe nur etwa 15 Jn^ividuen, theils in Evian, theils in Eaux^Vives augeworben und sür jedes 45 Fr. erhalten , dabei aber im Falle der Reform die Kosten der Hinund Rükxeise bestreiten müssen. Ein Zeuge deponirt : Stuki habe ihn für ^.en holländischen Dienst angeworben und im Gasthause ,,zur Rose.. in Eaux^Vives den Vertrag mit ihm unterzeichnet. Der dortige Gastwirth .erklärte, ex habe den Stuki nicht länger in seinem Hause behalten wollen, um dasselbe nicht als ein Werbbüxeau betrauten zu lassen. Wir könnten ^och eine Reihe von Zeugenaussagen anführen , glauben aber das Erwähnte enthalte den vollen Beweis auf genferschem Gebiete stattgehabter ^Werbungen.

Aus denselben Akten geht ferner der Umstand hervor, daß zur Er^eichterung dex Werbung in Genf ein förmlicher Handel mit Legitima^ionsschriften stattfindet. Stuki deponirte, alle Jndividuen, die er nach ^örrach gefchikt, seien mit regelmäßigen Papiereri in dem Sinne versehen .gewesen , daß fie von der kompetenten Behörde wirklich aufgestellt waren^ ^ber für andere Personen, als die gegenwärtigen Jnhaber; Marquer^ habe ^s übernommen, diese Papiere zu verschaffen. Der leztere anerkannte, daß Stuki ihm zu diesem Behuf Geld gegeben und daß er genfersche Legitimationsschriften gekauft habe. Er bezeichnete unter anderm die Namen der Einwohner, von denen er fie gekauft. Wie es scheint, hat das Gericht auch von diesen Thatsachen gar keine Notiz genommen. Da .^ sich iu dieser Beziehung um ein gemeines Vergehen handelt^ das nicht Gegenstand ^er Bnndesgeseze ist, so haben wir ^hieraus nicht näher einzutreten. ^...ch können wir nicht umhin , aufmerksam zu machen , daß dieser Handel mit Schriften fast überall ein Nebengeschäft der Werbagenten zu bilden schein^ und daß früher oder später eine neue Quelle dex Heimatlosigkeit darauf entstehen wird, indem die Fremden, die unter dem Namen v.^.n Schweizer^ ^n
fremde Kriegsdienste getreten sind, einst in die Schweiz zurükgefchoben werden, während sie, sei es durch lange Abwesenheit, oder durch d^ Th^t- .

^sache des fremden Kriegsdienstes ihr früheres Hei.nathrecht verloren haben^ So stellt sich auch, von dieser Seite betrachtet, das Werbgeschäft .^ ..i..^ O.uelle von Jmmoralität und von großem Nachtheil für den Bund und sü^ ^ie Kantone dar.

Wir glaubten verpflichtet zu fein, diese Erscheinungen zu Jhrer Kenntniß zu bringen, weil wir mit der Ueberwachung der ^Handhabung .^er Bundesgeseze betraut sind, und es entsteht nun die Frage, ^b und in Welcher Weife diesen Uebel ständen entgegen zu treten sei. E.^ .uuß u..^ ^ich offenbar al.^ ein Uebelstand betrachtet werden, wenn das gleiche Gesez

297 .in einem ansehnlichen Theile der Schweiz ganz ander..., als im übrigen Theil und zwar so ausgelegt und angewendet wird, daß der Zwek des Gesezgebers nicht nur . nicht erreicht, sondern geradezu vereitelt wird.

Auch brauchen wir wol nicht näher auszuführen, wie demoralifirend es auf die Bevölkerung eines Kantons wirken muß, weun Jedermann fieht, daß ein Gesez nur auf dem Papier steht , und daß an eine ernstliche Befolgung desselben gar nicht gedacht zu werden braucht. Es scheint uns , daß sich zwei Mittel der Abhülfe denken lassen. Das eine besteht darin, die^ Werbungsfälle der kantonalen Jurisdiktion zu . entziehen und sie den Bundesassisen zu überweisen , wozu der Bundesrath nach Art. 74 des

Bundesstrafgesezes kompetent ist. Allein dieses Mittel gleichmäßig in der

ganzen Schweiz anzuwenden, würde sich schon deßwegen nicht rechtfertigen, ^..eil in vielen Kantonen das Gesez auf angemessene und wirksame Weise ....ollzogen wird, und weil das häufige Vorkommen derartiger Strassälle außerordentliche Kosten und Weitläufigkeiten zur Folge hätte. Dieses Mittel aber nur iu einzelnen Kantonen anzuwenden, kann ebenfalls nicht als passend erscheinen, weil der Zwek schwerlich erreicht würde, indem .man zur Verfolgung solcher Vergehen nicht nur der Gerichte, sondern

vorzüglich auch der Polizeibehörden bedarf, deren Bereitwilligkeit durch

ausnahmsweise Maßregeln gegen ihren Kanton wol schwerlich erhöht würde, ganz abgesehen von dem Uebelstande, Vergehen der Art, die gewöhnlich .rnr mit kürzerer Arreststrase und Buße belegt werden, an die Bundesassisen zu überweisen.

Ein zweites Mittel kann darin gefunden werden, daß die h. BundesVersammlung entweder einen .Zusazartikel zu Art. 65 des Strafgesezes beschließt, oder aber eine authentische Erläuterung dieses Artikels erläßt, welche jeden Zweifel über den streitigen Sinn desselben beseitigen würde.

Wir würden dem leztern Mittel den Vorzug geben und wollen demnach gewärtigen, ob die h. Bundesversammlung, in Würdigung der vorgeBrachten Sachlage, sich veranlaßt sehe, in diesem Sinne eine Schluß.^ahme zu fassen.

^. ^einrathlase.

a.

V a g a n t e n.

..

Die Gesammtzahl der Untersuchungen, welche mit Neujahr 1856 von dem damals abgetretenen Herrn Generalanwalt an den mit der Fortsezung ^.er Bereinigung des Heimathlosenwesens beauftragten Beamten übergeben worden, betrug . . . . . . . . . . . . . . 234 größere und kleinere Faszikel. -- Jm Jahr 1857 sind . .

8 neue Untersuchungen eingegangen.

Gesammtzahl der Untersuchungen zu Ende 1857 : 242 Jn dem lezten Jahresberichte konnte die Summe aller Personen noch .nicht genau angegeben werden, weil der Bestand einiger Familien erst zu

298 ermitteln war.

haben ergeben, kommen wurde, 838 Personen

16

4

Die im Laufe des Berichtsjahres geführten Untersuchungen daß die Gesammtzahl nicht, wie damals ungefähr ange836, sondern ^ beträgt. Die neu eingegangenen 8 Untexsuchungen betreffen

,,

,,^ sind in alten, noch pendenten Fällen im Laufe des Berichts-.

jahres geboren. Also beträgt die Summe aller Personen

^.58 Hievon find durch Entscheide des Bundesrathes eingeteilt 430 Personen.

11

283

./ find gestorben.

..

sind als Pseudoheimathlose entlarvt und in ihre inländische oder ausländische Heimath abgeschoben .

worden. .

724 Personen betreffend, ist somit die Untersuchung erledigt, 134 Personen bleiben zu Ende 1857 in Untersuchung, wozu noch eine Familie von 8 Personen kommt, in Betreff welcher die Untersuchung wieder aufge.^ genommen werden mußte.

142 Personen stehen somit noch im Ganzen in Untersuchung, welche sich auf 46 Faszikel vertheilen.

Die Vexgleichung mit dem lezten Geschäftsbericht zeigt, daß eine Untersuchung weniger, aber 15 Personen mehr zu behandeln bleiben.

Zu Ende 1856 waren nämlich noch 47 Untersuchungen pendent. Jm Jahr 1857 kommen acht neue und eine alte (neu aufgenommene) hinzu.

Von diesen 56 Untersuchungen waren 39 mit 118 Personen in Behandlung und sind mehr oder weniger der definitiven Erledigung nahe gebracht worden. Da aber aus dem Jahr 1856 keine vollständigen Untersuchungen übrig. geblieben sind, sondern erst durchgeführt werden mußten, so konnten bloß zehn mit 15 Personen vollständig erledigt werden, wovon 7 Personen definitiv eingeteilt und 8 Personen als Pseudoheimathlose entlarvt^ worden sino.

Es ist zu bemerken, daß von den erledigten Fällen einige je nur eine Person betreffen, aber eben so viel oder mehr Mühe und Zeitversäumniß verursachten, als gxoße Familien. Daneben haben die im vorjährigen Geschäftsberichte erwähnten zehn Fälle (betreffend 95 Personen), welche theils wegen noch nicht erfolgter Erklärung der belasteten Kantone, theils weil sie vor Bundesgericht schwebten, noch nicht definitiv erledigt waren, aber dennoch nicht mehr unter den in Untersuchung schwebenden Fällen figurirten, in verschiedenen Richtungen noch viel Arbeit verursacht.

Dem Justiz- und Polizeidepartement sind, neben mehreren anderweitigen Berichten, dreizehn Anträge, theilweife von großem Umfange, eingereicht .worden, wovon fünf die definitive Eintheilung von 7 Personen betreffen^

299
Die laut dem lezten Geschäftsberichte noch pendent gewesene diplo.matische Korrespondenz in zwei Fällen, betreffend 14 Personen, ist im ^aufe des Berichtsjahres abweisend erledigt worden.

Die Korrespondenz mit untergeordneten auswärtigen Behörden ward ^urch den Untersuchungsbeamten direkt besorgt. Auf diesem Wege ist, nach vorheriger Untersuchung, die auswärtige Angehörigkeit von fünf Vaganten, ^ie sich beharrlich als heimathlos ausgaben, ermittelt und zur Anerkennung gebracht worden, worauf die Abfchiebung von vier derselben in ihre Heimath erfolgte, während der fünfte noch mehrere Jahre im Zuchthause zu Bern zu verbleiben hat.

Drei andere Personen sind als Bürger in der Schweiz ermittelt worden.

Mit Erledigung der oben erwähnten drei Fälle, worüber diplomatische Korrespondenz waltet, und eines vierten Falles, betreffend einen Vaganten, welcher in das Jahr l 858 hinüber verhaftet blieb (zur Zeit der Abfassung dieses Berichtes aber nach fünfmonatlicher Untersuchung als Badenfer entlarvt und anerkannt ist), sind alle Fälle erledigt, in welchen die Ermitt-.

lung einer Heimath, sei es im Jn- oder Auslande, noch gehofft werden könnte. Vorbehaltlich neuer Fälle kann daher die Klasse der Pfeudoheimathlosen nahezu als erledigt angesehen werden; denn wenn auch in allen drei Fällen eine abweisende Antwort erfolgen sollte, so sind die Untersuchungen in demjenigen Stadium, welches die sofortige Bearbeitung der

Anträge über definitive Einbürgerung möglich macht.

Die oben erwähnten fünf Anträge über Zutheilung von sieben Heimathlosen find vom Bundesrathe zu Beschlüssen erhoben worden. Drei dieser Beschlüsse, betreffend 3 Personen, wurden von den belasteten Kantonen nicht anerkannt und find daher durch Expedition der Klagen bei dem Bundesgeriehte anhängig gemacht worden. Ein Entscheid, betreffend zwei Personen , wurde von dem belasteten Kanton anerkannt und bezüglich eines andern, betreffend 2 Personen, wurde die Frist zur Erklärung auf Gesuch des belasteten Kantons fuspendirt, bis nach Abuxtheilung eines bei dem Bundesgerichte präjudiziellen Falles.

Die Erscheinung, daß im lezten Jahre gewöhnlich in kurzer Zeit nach Erlaß des Bundesrathsbeschlusses eine Erklärung des betreffenden Kantons erhältlich war, ist dem Umstand^ zuzuschreiben, daß nun durch Ermächtigung des Bundesbeschlusses vom 29. Heumonat 1857 eine Frist angesezt werden kann, innerhalb welcher eine Erklärung über Anerkennung oder Nichtanerkennung eines Zutheilungsbefchlusses erfolgen soll, ansonsten der-.

selbe in Rechtskraft erwächst.

300 Laut dem Geschäftsberichte für 1856 waren folgende Zutheilnngsbeschlüsse des Bundesrathes noch nicht zur definitiven Erledigung gelangt : 1) Zwei Beschlüsse aus dem Jahre 1855, betreffend 8 Personen. Gegen einen derselben ist nun im Laufe des Berichtsjahres Protestation erfolgt und die Klage an das Bundesgericht expedirt worden. Der.

andere Fall, sür welchen der erstere als präjudiziell betrachtet wird, ist auf Ansuchen de^ belasteten Kantons sufpendirt worden.

2)

Fünf Beschlüsse aus dem Jahr 1856, betreffend 72 Personen. Von diesen sind im Laufe des Berichtsjahres drei Entscheide, betreffend 53 Personen von den belasteten Kantonen anerkannt, zwei dagegen, betreffend 19 Personen, sind bestritten und durch die Expedition der Klagen bei dem Bundesgerichte anhängig gemacht worden.

Mit Ausnahme der zwei sufpendirten Fälle sind somit zu Ende des Berichtsjahres keine Zutheilungsbeschlüsse pendent geblieben, über welche nicht von dem belasteten Kantone eine bestimmte Erklärung über deren Anerkennung oder Nichtanerkennung erfolgt wäre.

Vor Bundesgericht waren zu Ende 1856 drei Prozesse pendent über Einbürgerung von 15 Personen. Jm Laufe des Berichtsjahres sind drei neue Klagen au das Bundesgericht expedirt worden, betreffend 24 Personen. Es waren also sechs Prozesse, betreffend 39 Personen bei dem Bundesgerichte pendent.

Hievon find die drei Prozesse aus dem Jahr 1856 durch Uxtheile erledigt worden , und es blieben drei Prozesse , betreffend 24 Personen, pendent.

Zu den Gerichtsverhandlungen in den vom Bnndes^erichte abgeurtheilteu drei Prozessen ist der Unterfuchungsbeamte mit der Wahrung der Jnteressen der Klagpartei beauftragt worden. ^ Jn einem Falle ist der Zutheilungsbeschluß des Bundesrathes bestätigt , in den zwei andern Fällen sind dessen Beschlüsse abgeändert worden.

Von 1851 bis Ende 1857 hat der Bundesrath 76 ZutheilungsBeschlüsse über 4^4 Personen gefaßt, wovon sieben ganz und vier theilweise, betreffend 34 Personen, wieder aufgehoben wurden, da leztere in Folge diplomatischer Korrespondenz nachträglich von auswärtigen Staaten als deren Angehörige anerkannt worden sind.

Von den übrigen 69 Beschlüssen, betreffend die definitiv eingeteilt gebliebenen 430 Personen, sind 24 Beschlüsse, betreffend 151 Personen, von den belasteten Kantonen vox

.Bnndesgericht gezogen worden. Bis Ende 1857 wurden 21 Fälle über

127 Personen gerichtlich abgeurtheilt , so daß, wie oben ^erwähnt, noch drei über 24 Personen pendent bleiben. Von den 2l abgeurteilten Fällen find 1 1 , betreffend 80 Personen , übereinstimmend mit den bundesräthlicheu Entscheiden, 10 Fälle dagegen, betreffend 47 Personen , mehr oder weniger abweichend abgeurtheilt worden.

30^ Ein bundesgerichtliches Urtheil, das zwar keine Heimathrechtsfrag.^ betrifft, aber aus .iner solchen hervorgegangen und von prinzipiellem.

Jntereffe ist, mag hier noch besonders erwähnt werden.

Die heimathlose Familie K ä p p e l i . ^ L i s f e r t erhielt am 15^ September 1852 vom Bundesrathe, in Anwendung von Art. 8 des Bundesgesezes über die Heimatlosigkeit , einen provisorischen Duldnngsschein aus den Kanton Basel^Landschaft.

Durch Entscheid des Bundesrathes vom 25. Juli 1855 ist dann K a p p e li dem Kantou.

Aargau und die ... i s s e r t mit 7 Kindexn dem Kanton zur Luzern^ Einbürgerung und zugleich zur fernern Duldung bis zur definitiven Exledigung zugetheilt worden.

Dieser Entscheid ist durch Zustimmung der belasteten Kantone in Rechtskrast erwachsen. Nun stellte Basel^ Landschaft au Luzern eine Forderung von 1413 Fr. 87 Rp. für Verpflegung der Liffert und ihrer Kinder, vom 15. September 1852 an bis Februar 1856. Luzern anerkannte die Unterstüzungspflicht bloß seit dem Bundesrathsbeschlusse vom

25. Juli 1855. Das Bundesgerieht hat die Mehrforderung mit Urtheil vom 5. Dezember 1857 zwei Erwägungen..

abgewiesen, im Wesentlichen gestüzt auf folgende

..Daß die Worte ,,ohne Präjudiz.' in Art. 8 des allegirten Gesezes, wie aus dem erläuternden Berichte des Bundesrathes vom 30. September 1850 (Bundesblatt Jahrgang 1l. Band 111. Seite 132) klar hervorgeht, nur die Bedeutung haben , daß die provisorische Duldung der Hauptfrage der Einbürgerung nicht vorgreifen solle, dagegen die Bestimmung, daß der Bundesrath bei seinen provisorischen Maßnahmen an die Beobachtung der Vorschriften der Artikel 11, 12 und 13 des Bundesgesezes vom 3.

Dezember 1850 gebunden sei, insbesondere beweist, daß dem duldungspslichtigen Kanton auch die Lasten der Duldung auferlegt werden wollten,.

da die Aufsteilung besonderer Normen für die Duldnngspflichtigkeit überflüssig und bedeutungslos gewesen wäre , sofern immerhin der einbürgerungsPflichtige Kanton auch die Kosten der provisorischen Duldung zu übernehmen.

gehalten sein sollte.^ ,,Daß auch die Praxis der vorstehenden Auffassung des Gesezes ent^ spricht, da der Bundesrath , wie gerade im vorliegenden Falle, hinsichtlich.

der provisorischen Duldung die mit den Ergebnissen der Untersuchung im Einklang stehenden Veränderungen. sofort anzuordnen pflegt, während ex beim Bestand einer Entfchädigungspflicht die zuerst getroffene provisorische Maßnahme bis zur definitiven Erledigung des Rechtsstreits^ einfach fortdauern lassen könnte, und da auch die Fälle, in welchen Kantone über die Kosten der provisorischen Duldung Rechnnng führten und andere damit zu belasten versuchten, in die Klasse dex Ausnahmen gehören.^ Was die Frage betrifft. ob die seit Erlaß des Bundesgesezes iibex die Heimatlosigkeit durch anerkannte bundesräthliche Entscheide oder durch bundesgerichtliche Urtheile definitiv bestimmten Kantonen zur Einbürgerung zugefallenen Heimathlosen von denselben auch wirklich eingebürgert worden

302 ^eien, wie dieß Art. 14 des erwähnten Gesezes innerhalb eines Jahres vorschreibt, so kann lediglich auf die im lezten Geschäftsberichte überreden einzelnen Kanton gegebenen Nachweise ^Bezug genommen werden.

Jm Laufe des Berichtsjahres sind keine bezüglichen Berichte eingegangen. Es sind in der Regel die nämlichen Kantone auch hierin im Rükstande, welche .mit der Einbürgerung der ihn^n längst angehörigen anerkannten Geduldeten, ^andsaßen .... noch im Rükstande find.

Die Verzeichnisse der durch Entscheide des Bundesrathes oder BundesBerichtes eingeteilten (oder auch gestorbenen) Personen, so wie dasjenige .über die Pfeudoheimathlosen, welche in ihre wieder ermittelte Heimath abgeschoben worden, find uachgesührt.

Da fie nur bis Ende 1854 gedrukt und den Kantonalpolizeibehörden zugestellt find , so dürfte , in Betracht ih.^es vielfach bewährten Nuzens , auf die Fortsezung des Drukes zu ge^ignetem Zeitpunkte Bedacht genommen werden. Jndeß wäre zu wünschen, daß die bereits gedrnkten Verzeichnisse noch mehr möchten benuzt werden.

Es wurden nämlich im Laufe des Berichtsjahre^ mehrere Personen wieder eingebracht, deren Heimath schon früher ermittelt worden ist und welche sämmtlich , obgleich sie wieder falsche Namen angenommen , mit Hülfe des Verzeichnisses der Vaganten und der lithographischen Bilder leicht hätten entlarvt werden können. Theils aus diesem Grunde und theils, weil jene Personen dem Untersuchungsbeamten aus ..er srühern Untersuchung persönlich bekannt waren , ist zwar in keinem Falle eine neue Untersuchung .nöthig geworden; allein es hätten die Transporte und dadurch entstandene Mehrkosten gleichwohl erspart werden können.

Jn einigen Fällen ward ^der Untersuchungsbeamte von KantonspolizeiBehörden über neu aufgegriffene Vaganten , die sich als heimathlos ausgaben , um Aufschlüsse , auch wol um Anhandnahme der Untersuchung angegangen.

Jn erstexer Richtung ^ wurde immer bereitwillig entsprochen, .und mitunter ward wiederholte nnd weitläufige Korrespondenz nöthig. Da in dem hierseitigen weitläufigen Aktenmaterial über viele Personen Aufschlüsse zu finden sind , die früher nie selbst in Untersuchung kamen, so können oft wesentliche Mittheilungen zur Aufklärung der Ver^ältnisse neu auftauchender Vaganten ertheilt werden. Bezüglich der Anhandnahme der Untersuchung dagegen wurde nach
Möglichkeit an dem Beschlusse der Bundesverfammlung vom 23. Juli 1855 und dem zur Vollziehung desselben erlassenen Kreisschreiben des Bundesrathes vom 4. Januar 1856 festgehalten, wonach die Untersuchungen uber neu austauchende Vaganten zunähst von den Kantonspolizeibehörden zu führen sind und nux ^ann von den eidg. Behörden übernommen und weiter geführt werden, wenn die kantonale Voruntersuchung wirkliche Heimathlosigkeit wahrscheinlich gemacht hat, welche Voruntersuchung aber zuvor an das eidg. Justiz.und Polizeidepartement zur Prüfung und Anhandnahme einzuschiken ist.

Obgleich immer ein besseres Mittel gegen Vagantität und Heimath.lostgkeit wird aufgefunden werden können, als die sofortige Untersuchung

303 ^nd totale Aufhellung jedes einzelneu ueueu Falles, so herrscht doch (wol ^er oft großen Kosten wegen) bei deu Kautonspolizeibehördeu Abneigung, .die nöthigen Untersuchungen durchzuführen.

Jn einem Falle erklärte das Betreffende Polizeidepartement offen , daß, wenn die Bundesbehöxde sich mit ^er Untersuchung nicht befassen wolle, ihm kein anderes Mittel übrig bleibe, als den Jnhaftirten ,,nach alter Mode über die Gränze zu jagen. ^ Jn rudern Fallen wurden die Vaganten ohne weitere Untersuchungshandlung, .als etwa eine summarische Einvernahme und ohne eine Vorprüfung des Verhältnisses zu ermöglichen, sofort nach Bern eingeliefert.

Da dann ^ach langen und theilweise schwierigen Verhandlungen die Heimath solcher Vagabunden doch entdekt wurde, so entstand die Frage, ob die Verhaftskosten, welche der bernischeu Polizei bezahlt werden müssen, vom Bunde zu tragen seien , oder von dem Heimathkantone reklamirt werden sollen.

Der Ständerath hat diese Frage in lezterm Sinne entschieden. Er fand nämlich, die Bundesbehöxde habe nur die Untersuchungen über die Heimathlosen .eu führen und der Kredit sei auch nur für diese UnterBuchungen bestimmt , während hinwiedex keine Pflicht bestehe , für die Kau^tone Polizei zu machen; es erscheine somit billig, daß ihr mindestens die haaren Auslagen .bezahlt werden, zumal da diese in der Regel durch mangelhafte Aufsicht über die habituellen Vagabunden und durch Mangel ^.n Energie in der durch Art. 18 des Heimathlosengesezes befohleneu Re.pression veranlaßt werden ...e. Der Bundesrath hat daher am 4. Novem^er 1857 beschlossen .

,,Die Untersuchungskosten für nicht heimathlose Vaganten seien von.

....den betreffenden Heimathkantoneu zu reklamiren.^ D^ie Gesammtkosten für ^das Heimathlosenwesen im Laufe des Jahres

^857 betragen Fr. 3921. 69.

b.

T o l e x i r t e , Landsaßen u. s. w.

Die Einbürgerung der Tolerixten , Landsaßen .e. , welche durch ^.Art. 17 des Bundesgesezes den Kantonen zur Pflicht gemacht ist, geht in den noch rükständigen Kantonen nur langsam vorwärts. Der Stand dieser Verhältnisse ist so ziemlich der gleiche geblieben , wie er im lezten Jahres-

Berichte (Bundeshlatt von 1857. I0 S. 247 bis 262) einläßlich besprochen

^wurde, worauf verwiesen werden muß.

Die Bundesversammlung hat in Folge jenes Berichtes mit Beschluß ^om 29. Juli 1857 dem Bundesrathe den Auftrag ertheilt, darauf zu ^ringen, daß auch diejenigen Kantone das Gefez vom 3. Ehristmouat 1850, betreffend die Heimatlosigkeit in allen Theilen vollziehen, welche bisher Dasselbe nur t h e i l w e i s e oder g a r nicht vollzogen haben.

Diesem Auftrage zu Folge sind die betreffenden zwölf Kantone aber...nals in speziellen, jeweilen den besondern Verhältnissen entsprechenden Schreiben eindringlich gemahnt worden ., allein die Mehrzahl jener Kan.

.

.

.

.

.

.

.

.

n d e .

^ b l a ^ .

.^al.rg.

.

^ .

Bd.

I.

3 ()

304

^

tone hat im Lause des Berichtsjahres nicht mehr geantwortet^ sondern es .find allein von den Regierungen der Kautone Uri und N e u e n b u x g be-

zügliche Berichte eingegangen.

Was den Bericht von Neuenburg betrifft, so stellt fich dieser auf einen Standpunkt, den auch schon andere rückständige Kantone einzunehmen versuchten und dex, wie fich aus einem erst im Jahre 1858 eingegangenen und deßhalb hier nicht mehr zu besprechenden Berichtender Regierung von

Solothurn fich ergibt, allmälig mehr Boden gewinnt. Es ist dieß die

Anficht , daß dem Bundesgeseze über die Heimathlosigkeit ein Genüge ge..

schehen sei , wenn die anerkannten Geduldeten und Eingeteilten diejenigen materiellen und politischen Voxtheile erhalten, die ihnen das erwähnte Gesez im Minimum zufichext, und es bedürfe in diesem Falle der Einbiirgerung nicht mehr. Der Bundesrath hat jedoch schon wiederholt, wo

fich Anlaß bot, diese irrige Ansicht bekämpft, indem das Gesez in ver-

schiedeneu Bestimmungen die förmliche Einbürgerung ausdrüklich fordert und auch darüber keinen Zweifel läßt, wo eine Ausnahme statthast ist.

Aber diese Ausnahmen können nicht weiter ausgedehnt werden, und nament-

lich ist vor dem Geseze nicht zuläßig, daß die Geduldeten und Eingetheilten bloß den Bürgern etwas näher gerükt werden.

Laut dem erwähuten Berichte der Regierung von Neuenburg vom 3l. Oktober 1857^ genießen die dortigen Heimathlofen schon seit der Verfassung von 1848 das neuenburgische Kantonsbürgerrecht und alle bürgerlichen und politischen Rechte gleich den andern Bürgern, ohne Ansnahme, noch Unterscheidung. Dagegen sind fie noch keinen Gemeinden zugetheilt und also auch nicht eingebürgert. Der Staat gelte als ihre Ge-

meinde und ex gewähre ihnen die allfällig nöthige Unterstüzung. Die

Regierung glaubt dahex, der Zwek und die Forderungen des Bundesgesezes seien im Kanton Neuenburg bereits vollständig erfüllt.

Der Bundesrath hat jedoch am 4. November 1857 sich veranlaßt gesehen, diese Ansicht zu berichtigen, daraus hinweisend, daß Art. 4 dex Bundesverfassung als allgemeinsten, alle Verhältnisse beherrschenden Grundfaz aufgestellt habe: ,,Alle Schweizer sind vor dem Geseze gleich,^ daß

das Bundesgesez über die Heimathlosigkeit es auch als eine Betätigung dieses Prinzipes betrachte, wenn es vorschreibe, daß alle Personen^ die blosse Kantonsbürgerrecht haben, auch ein Gemeinde- oder Ortsbürgerrecht erhalten sollen, eine Vorschrift, welche ausdrüklich in den Artikeln 3, 4 und 17 jenes Gesezes enthalten sei und nicht umgangen werden könne, ^e.

Die Regierung von Uri meldete unterm 2. November 1857, daß fie in nächster Zukunft im Falle sein werde, dem bereits mitgeteilten

Einbürgerungsdekret vom 30. Juni 1856 ein zweites, alle dortigen Heimathlosen umfassendes Einbürgerungsdekret nachfolgen zu lassen, sobald einzelne noch pendente Fälle näher ausgemittelt und erledigt sein werden.

305 Aus den übrigen noch rückständigen Kantonen hat nichts verlautet, w a n n und w i e sie den Forderungen des Bundesgesezes und den Mahnungen der Bundesbehörden zu genügen gedenken. Einzig von Bern ist aus der P r e s s e bekannt, daß der Entwurf zu einem Geseze über Einbürgerung der Landsaßen und Heimathlosen von dex Regierung voxbexathen ist und dem Großen Rathe zur Behandlung vorliegt, der es jedoch auf das Jahr 1858 verschoben hat.

(Formung folgt.)

#ST#

Summarische uebersicht der

Ein-, A u s - und Durchfuhr in der Schweiz im Monat März 1857 und im Monat März 1858.

E i n s n h r.

.

.

^ a r .

.

.

.

.

.

8 .

^ .

Die Gesammteinfuhx dieser Monate betrug .

1857. 15,439} wovon l Schmalvieh 1858. }e Vieh, wovon{Schalvieh Grossvieh .

Mühlsteine, Akexgeräthe, Oekonomiefuhrwerke und Gefährte .

.

.

. Werth:

Stüke.

8,216.

7,223.

Fr.

105,945.

..^ ^ 8 .

Stüke.

8,118 5,743 Fr.

93,158

1857. 23,868} Zugthierlasten, wovon die haupt-

1858. 24,593}

sächlichsten sind:

Zngthierlasten.

7,929.

3,024.

1,740.

Brenn-, Bau- und gemeines Nuzholz Koke, Tors, Braunkohle, Steinkohlen Kalk und Gyps, gebrannt und gemahlen 1858. 49 8 , 5 0 11 Z e n t n e r verschiedener Waaren, 1858. 475,706} wovon .

Amlung

.

.

.

.

.

Apothekerwaaxen .

.

.

.

Baumwolle, rohe .

Baumwollengarn und Zwirn aller Art Baumwollenwaaxen aller Axt Bettfedern .

.

.

.

.

Branntwein und Weingeist in Fässern .Butter und genießbares Schweineschmalz

.

.

.

Zentner.

2,671.

5,347.

28,205.

297.

4,962.

612.

9,765.

2,270.

5,487 5,246 2,025

Zentner.

2,806 4,710 11,615 518 4,682 430 8,510 2,012

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Bericht des schweiz. Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1857. (Fortsezung.)

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Bundesblatt

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In

Foglio federale

Jahr

1858

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

18

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.04.1858

Date Data Seite

255-305

Page Pagina Ref. No

10 002 459

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