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Bericht und Antrag des

Bundesrates an die hohe Bundesversammlung in Sachen des Rekurses der Frau Marie Bovet geb. Brunner, Witwe des verstorbenen Soldaten Louis Auguste Bovet, Füs.-Bat. 20/IV, von Meyriez, Kt. Freiburg, wohnhaft in La Chaux-de-Fonds.

(Vom 27. Mai 18980

Tit.

Im Nachfolgenden beehren wir uns, Ihnen in obiger Angelegenheit Bericht und Antrag zu unterbreiten : B o v e t , Louis Auguste, geb. 1867, Soldat im Füs.-Bat. 20, rückte am 16. März 1897 zum regelmäßigen Wiederholungskurs in Colombier ein. Am 26. März wurde er wegen Schmerzen in den Fersen in den Gemeindespital in Neuenburg evakuiert ; der dortige Spitalarzt konstatierte eine Temperatur von 39°, konnte aber trotz genauer Untersuchung die Ursache dieser Fiebererregung nicht finden und nahm an, daß Übermüdung vorliege. In den nächsten Tagen nahm das Fieber stetig ab, und am 5. April verließ Bovet den Spital anscheinend völlig geheilt. Etwa einen Monat später ließ Bovet einen Arzt in La Chaux-de-Fonds rufen, welcher nach kurzer Behandlung zu der Überzeugung kam, daß Bovet an einer tuberkulösen Meningitis leide, und dem eidgenössischen Oberfeldarzte von dem Falle Mitteilung machte. Die Diagnose des zuerst gerufenen Arztes wurde später von zwei zur Konsultation beigezogenen Kollegen bestätigt, und, wie demnach vorauszusehen war, erlag Bovet am 13. Mai 1897 seinen Leiden. Am 21. Mai 1897 reichte Frau Marie Bovet, die Witwe des Verstorbenen, in ihrem

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und ihrer vier Kinder Namen ein Pensionsgesuch ein, das von Herrn Fürsprech Houriet abgefaßt war und in welchem behauptet wurde, daß Bovet nach seiner Entlassung aus dem Spital nie mehr gesund gewesen und daß seine Meningitis als Folge des Militärdienstes zu betrachten sei. Obgleich dem eidgenössischen Oberfeldarzt dieser Zusammenhang sofort sehr zweifelhaft erschien, stellte ·er dennoch dem Bundesrate den Antrag, einen Pensionsfragebogen ausfüllen zu lassen und schlug später vor, aus K o m m i s e r a t i o n s g r u n d e n und weil möglicherweise der Militärdienst die Gelegenheit zum Ausbruch der Meningitis gegeben habe, der Witwe Bovet eine Aversalentschädigung von Fr. 2000 auszubezahlen. Nachdem die Pensionskommission sich mit diesem Antrage einverstanden erklärt hatte, wurde durch Bundesratsbeschluß vom 9. November 1897 der Witwe Bovet eine Aversalentschädigung in der genannten Höhe zugesprochen. Frau Witwe Bovet fand aber, daß die ihr gebührende Entschädigung mehr als Fr. 2000 betrage, sie unterschrieb ihre Quittung mit einer Reserve und reichte am 18. Januar d. J. durch Herrn Fürsprech Houriet in La Chaux-de-Fonds einen Rekurs an die Bundesversammlung ein, in welchem sie eine jährliche Pension von Fr. 600, umgewandelt in eine Aversalentschädigung von Fr. 10,190 verlangt.

Infolge dieser Rekursschrift, welche keine neuen Thatsachen enthält, wurde die Angelegenheit neuerdings der Revisionskommission zur Vernehmlassung vorgelegt. Sie beschloß einstimmig, an ihrem früheren Antrage festzuhalten, und zwar mit Recht, da die Ansprüche der Rekurrentin in keiner Weise rechtsbeständig sind.

Als der eidgenössische Oberfeldarzt in seiner ersten Antragstellung annahm, daß die zehn Tage Militärdienst, welche Bovet im März 1897 geleistet hat, die Gelegenheitsveranlassung zum Ausbruch einer tuberkulösen Meningitis bei einem vorher schon tuberkulösen Manne ergeben habe, ging er schon an die Grenze der Zugeständnisse, welche zu gunsten der Witwe Bovet gemacht werden können. Denn daß Bovet schon vor dem Militärdienst tuberkulös sein mußte, liegt außer allen Zweifeln; es wird kein Mensch behaupten wollen, daß er seine Tuberkulose in dem zehntägigen Dienst in Colombier geholt habe. Ebensoviel Wahrscheinlichkeit oder noch mehr als die Vermutung, daß die Aussaat der Tuberkelbacillen, welche zur Entwicklung der
Meningitis führte, durch den Militärdienst begünstigt worden sei, hat die Annahme, daß diese Meningitis mit dem Militärdienst überhaupt in k e i n e m Zusammenhang gestanden habe. Eine tuberkulöse Meningitis

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braucht in der Regel von ihren Anfängen bis zum tödlichen Ausgang drei Wochen. Bovet ist s i e b e n W o c h e n nach seiner Versetzung in den Spital gestorben. Wenn auch zugegeben werden muß, daß tuberkulöse Meningitiden mit langsamerem Verlauf vorkommen, so bilden sie doch seltene Ausnahmen, und wir dürfen mit allem Recht behaupten, daß der Kausalzusammenhang des von Bovet geleisteten Militärdienstes mit seinem Tode ein äußerst loser sei. Man sieht hieraus, mit wie wenig Grund Herr R. Houriet in der Rekursschrift dem Oberfeldarzt vorwirft, sein ,,raisonnement" sei ,,spécieux" gewesen ; um auch der kleinen Möglichkeit, daß der Militärdienst das Ende Bovets beschleunigt haben könnte, Rechnung zu tragen, hat derselbe die für die Interessen der Witwe Bovet günstigste Annahme gemacht.

Der Anwalt der Petentin verkennt nun a,ber die Motive, welche den eidgenössischen Oberfeldarzt zu solchem Vorgehen veranlaßten, gänzlich, denn er macht dessen Zugeständnisse zum Gegenstand der folgenden seltsamen Argumentation: .,,Wenn der Tod Bovets vom Militärdienst herrührt, so hat Frau Bovet Anspruch auf eine ganze Pension und nicht nur auf eine Abfindungssumme ; wenn zwischen dem Tod Bovets und dem Militärdienst kein Zusammenhang existiert, so gestattet das Gesetzt auch die Verabfolgung der Fr. 2000 aus Kommiserationsgründen nicht. Die letzteren sind also nur ein Vorwand, um der Witwe Bovet -weniger zu geben, als ihr von Rechtswegen gebührt."

Was die erste dieser Alternativen anbelangt, 130 ist oben dargethan, daß die Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang zwischen dem Militärdienst und der Meningitis, die Bovet hinraffte, eine sehr geringe ist und zwar so gering, daß r e c h t l i c h e Ansprüche sieb darauf nicht würden gründen lassen.

Und was die andere Frage anbetrifft, ob dem Eundesrat das Recht zustehe, trotz Ablehnung einer prinzipiellen Haftpflicht aus Kommiserationsrücksichten eine Entschädigung zu gewähren, so unterbreiten wir dieselbe getrost den eidgenössischen Räten zur Diskussion, und benützen daneben nur die Gelegenheit, auf die Art und Weise aufmerksam zu machen, in welcher Herr Advokat Houriet die Gewährung einer Entschädigung aus Kommiserationsrücksichten benützt, um aus derselben einen rechtlichen Anspruch herauszukonstruieren. Ein solcher Mißbrauch der wohlwollenden Motive, welche den
Bundesrat gegenüber der Witwe Bovet leiteten, dürfte allerdings geeignet sein, für die Zukunft zur Vorsicht in der Berücksichtigung von Mitleidsregungen zu gunsten eines Petenten zu mahnen.

475im fernem weisen wir darauf hin, daß nach § 99, Ziffer 3, der Instruktion über die sanitarische Beurteilung der Wehrpflichtigen, vom 2. September 1887, ein nach der Entlassung aus dem Dienst erkrankter Soldat nur dann Anspruch auf Entschädigung hat, wenn die Erkrankung spätestens innerhalb der drei ersten Wochen nach dem Dienste erfolgte und d u r c h e i n e n w i s s e n schaftlich gebildeten Arzt konstatiert wurde.

Nun behaupten die Angehörigen Bovets allerdings, daß dieser gleich nach der Entlassung aus dem Spital sich wieder krank gefühlt habe, auf der andern Seite steht aber fest, daß ein Arzt erst von Anfang Mai, also v i e r W o c h e n nach der Entlassung beigezogen wurde. Es ist also klar, daß nach dem Wortlaut der citierten, vom Bundesrat genehmigten Instruktion j e d w e l c h e A n s p r ü c h e der Frau Bovet abgelehnt werden könnten.

Wenn trotzdem der Bundesrat der Implorantin eine Entschädigung als Schmerzensgeld hat zukommen lassen, so hat er damit voll und ganz gethan, was nach Lage der Dinge billigerweise von ihm erwartet werden konnte. Zu weiterem Vorgehen seinerseits liegt keine Veranlassung vor.

Aus dem Vorstehenden geht hervor, daß die Ansprüche der Witwe Bovet an den Bund rechtlich in keiner Weise begründet sind; die moralische Pflicht des Bundes, etwas für sie zu thun,.

stützt sich auf die geringe Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges des von Soldat Bovet im März 1897 geleisteten Militärdienstes mit seinem im Mai 1897 erfolgten Tode, und es erscheint daher die aus Kommiserationsrücksichteu verabfolgte Entschädigung von Fr. 2000 als reichlich hoch genug bemessen.

Gestützt auf diese Grunde beantragen wir Ihnen, den Rekurs der Witwe Bovet in La Chaux-de-Fonds als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 27. Mai 1898.

.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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01.06.1898

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