584

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den am 31. Oktober 1897 mit Chile abgeschlossenen Handelsvertrag.

(Vom 3. Juni 1898.)

Tit.

Die Vereinbarung von Verträgen mit den südamerikanischen Staaten bildet schon seit langer Zeit den Gegenstand unserer Bemühungen. Die Wünschbarkeit solcher Verträge wurde auch in der Bundesversammlung wiederholt betont. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates schrieb in ihrem Bericht über das Jahr 1894 u. a.: ,,Wir hoffen, der Bundesrat werde alles aufbieten, um die angefangenen Verhandlungen zum Abschluß von Freundschafts-, Handels- und Niederlassungs vertragen mit den sudamerikanischen Staaten, wo so viele unserer Landsleute wohnen, möglichst bald zu einem guten Ziele zu führen. Die Vereinigten Staaten Brasiliens, dieses von der Natur so reich ausgestattete Land, würden unserem Handel und unseren Ausfuhrindustrien ein weites Feld der Thätigkeit bieten.

,,Wir dürfen hoffen, daß solche Freundschafts- und Niederlassungsverträge den zahlreichen, in diesen fernen Ländern niedergelassenen Schweizern die ihnen gebührende Sicherheit für Leben und Eigentum bringen werden, während bis jetzt diese Sicherheit allzu oft durch jähen Regierungswechsel und Volksaufstände gefährdet war."

585 Wir konnten Ihnen in unserm Geschäftsbericht über das Jahr 1896 bereits den Abschluß von Meistbegünstigungskonventionen mit Argentinien (_12. August 1896) und Paraguay (1. September 1896) mitteilen; wir gewärtigen immer noch die Ratifikation dieser Übereinkünfte durch die Parlamente der genannten Länder, um Ihnen dieselben vorzulegen ; bis jetzt hat erst der argentinische Senat die Annahme erklärt.

Heute können wir Ihnen einen Vertrag mit C h i l e unterbreiten, der durch unsern Ministerresidenten in Buenos Ayres, Herrn Emil Rodé, mit dem dortigen chilenischen Gesandten vermittelt und am 31. Oktober 1897 abgeschlossen worden ist. Derselbe ist von beiden chilenischen Kammern schon genehmigt und bedarf also nur noch Ihrer Zustimmung, um in Kraft zu erwachsen.

Der Vertrag ist in kürzester Form abgefaßt.

A r t . l sichert den Angehörigen der beiden Staaten, sowie ihren Erzeugnissen, die gleiche Behandlung und die gleichen Begünstigungen zu, welche die Angehörigen und die Erzeugnisse irgend einer ändern Nation genießen.

In einem Handelsvertrage mit Bolivia vom Jahr 1895 hat Chile den Angehörigen dieses Staates alle Rechte eingeräumt, die die Chilenen selbst oder die Angehörigen der meistbegünstigten Nation genießen, namentlich den Schutz der Person und des Eigentums, das Recht des Erwerbs von Eigentum aller Art, der freien Ausübung von Handel und Industrie, der Errichtung von Konsulaten, die Befreiung von Militärdienst etc.

Art. l unseres Vertrages sichert uns den Mitgenuß dieser Vertragsrechte, wie auch aller Rechte und Begünstigungen, die ändern Staatsangehörigen thatsächlich zugestanden werden.

Art. 2 macht einen Vorbehalt hinsichtlich solcher specieller Begünstigungen, die Chile für Erzeugnisse anderer Staaten des lateinischen Amerika gewährt. Die chilenische Regierung verfolgt nämlich die Idee der Gründung eines sudamerikanischen Zollvereins und hat im Jahre 1895 die alten Verträge gekündet, um für jenen Zweck freie Hand zu haben. Wir konnten den genannten Vorbehalt zu gunsten der Erzeugnisse des lateinischen Amerika unbedenklich zugestehen, weil wir gegenwärtig und voraussichtlich noch lange Zeit keine Artikel nach Chile exportieren, denen von südamerikanischen Erzeugnissen eine nennenswerte Konkurrenz bereitet wird. Auch gilt der Vorbehalt, wie im Art. 2 ausdrücklich gesagt wird, nur so lange, als er auch auf andere Staaten angewendet wird, die nicht zum lateinischen Amerika gehören.

586

Art. 3 läßt die Dauer des Vertrages unbestimmt und stipuliert eine zwölfmonatliche Kündungsfrist.

Die chilenischen Z ö l l e werden durch den Vertrag für keinen unserer Exportartikel gebunden oder ermäßigt. Chile hat bis jetzt nie Tarifverträge abgeschlossen, und es wäre aussichtslos gewesen, irgend eine Tarifforderung zu stellen, abgesehen davon, daß wir kaum in der Lage gewesen wären, Chile eine Gegenkonzession zu machen. Es werden größtenteils sehr hohe Finanzzölle erhoben, für die wichtigeren schweizerischen Artikel z. ß. folgende : Schuhwaren, Käse, Konserven 60 °/o, Stickereien, Seidenwaren, Wirkwaren, Musikdosen, Chokolade 35 °/o, Taschenuhren, Strohgeflechte 15%, Bijouterien. Seidenbeuteltuch, Schuhelastiques 5%. Zollfrei sind u. a. Maschinen, wissenschaftliche Instrumente, Webgarn aus Baumwolle, Leinen und Wolle.

Die Größe unseres Handelsverkehrs mit Chile kennen wir nicht genau. In unserer Warenstatistik sind Chile und Peru zusammengefaßt. Abgesehen davon, erfolgt ein großer Teil unseres Handels mit Chile, wie mit ändern überseeischen Ländern, auf indirektem Wege und wird daher auf andere Rechnung gesetzt.

Für Chile und Peru zusammen giebt unsere Warenstatistik folgende Summen an : Gesamtausfuhr nach Gesamteinfuhr aus Chile und Peru.

1893

. . . Fr. 2,028,155

Fr. 365,967

1894

. . . ,, 1,408,903

,, 454,871

1895 1896

. . . ,, 2,928,004 . . . ,, 2,335,053

,, 384,789 ,, 475,769

Hauptartikel der schweizerischen Ausfuhr nach Chile und Peru : Ausfuhr 1896.

Baumwollgewebe Fr. 105,764 Stickereien ,, 560,067 Seidenstoffe ,,255,133 Seidenbänder ,, 110,344 Elastische Gewebe ,, 89,880 Strohhüte und -tressen . . . . ,, 67,592 Schuhwaren ,, 313,113 Maschinen ,, 75,575 Taschenuhren , ,, 262,557 Bijouterie . -.

,, 90,400 Glaswaren ,, 31,015

587 Ausfuhr 1896.

Bilder Käse .'

Kondensierte Milch Kindermehl Spirituosen

Fr. 31,537 ,, 43,639 ,, 82,817 ,, 15,376 ,, 21,390

Hauptartikel der Einfuhr aus Chile und Peru: Einfuhr 1896.

Salpeter Guano Honig Rohe Edelmetalle Kupfer Kaffee

Fr.

,, ,, ,, ,, ,,

285,538 42,980 66,980 20,905 7,168 18,480

Eine Änderung unseres Verkehrs mit Chile wird der vorliegende Vertrag nicht bewirken. Seine Bedeutung besteht hauptsächlich darin, daß er uns die Behandlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation, die sich beide Staaten bis jetzt thatsächlich und stillschweigend gewährten, in rechtsverbindlicher Form .garantiert. Der Vertrag sichert uns also namentlich vor Überraschungen, wie sie durch zollpolitische Ereignisse eintreten können.

Er verleiht einerseits unserem Handel eine Sicherheit, der er bisher entbehrte, wie er anderseits ganz besonders auch für die Sicherheit der Person und des Eigentums unserer Landsleute in Chile mehr Gewähr bietet als der bisherige, völlig vertragslose Zustand.

Wir empfehlen Ihnen hiermit den Vertrag zur Genehmigung.

B e r n , den 3. Juni 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Euffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den am 31. Oktober 1897 mit Chile abgeschlossenen Handelsvertrag. (Vom 3. Juni 1898.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1898

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

25

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.06.1898

Date Data Seite

584-587

Page Pagina Ref. No

10 018 348

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.