619

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die teilweise Revision des eidgenössischen Alkoholgesetzes.

(Vom 6. Juni 1898.)

Tit.

Im Dezember 1895 stellte der Nationalrat auf Antrag seiner Mitglieder Hochstraßer und Häberlin folgendes Postulat auf: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob nicht das Bundesgesetz über gebrannte Wasser vom 23. Dezember 1886 im Sinne der Reduktion oder gänzlichen Beseitigung der inländischen. Produktion monopolpflichtiger gebrannter Wasser abzuändern sei."

In weiterer Verfolgung der Angelegenheit faßte die Bundesversammlung im März 1897 nachstehenden Beschluß: ,,Der Rat nimmt Akt. von der Erklärung des Bundesrates, wonach derselbe die durch das Postulat Hochstraßer-Häberlin angeregte Frage betreffend die Inlandsproduktion vor Ablauf der Brennerei vertrage einer eingehenden Prüfung unterwerfen und innert nützlicher Frist den Räten Bericht und Antrag unterbreiten werde, ob und in welcher Weise das Alkoholgesetz in dieser Beziehung oder allfällig auch in ändern Punkten (Art. 8) zu revidieren sei.

,,Mit dieser Erklärung wird das Postulat Hochstraßer-Häberlin als erledigt betrachtet.a Die vorliegende Botschaft bezweckt, das mit der gedachten Erklärung abgegebene Versprechen des Bundesrates einzulösen.

Wie schon der Wortlaut des eben angeführten Bundesbeschlusses vom März v. J. erkennen läßt, liegt es nicht in unserer

620

Absicht, eine allgemeine Revision des Alkoholgesetzes in Vorschlag zu bringen. Wohl wären wir, gestützt auf die in einem Jahrzehnt gemachten Erfahrungen, in der Lage, zu beinahe jedem Artikel dieses Gesetzes Anträge auf formelle oder materielle Abänderungen zu stellen. Aber die meisten der dabei in Betracht fallenden Punkte sind unseres Erachtens weder so wichtig, noch so dringlich, daß es sich empfehlen dürfte, ihretwegen die ganze im Jahr 1886 unter großer Mühe zu stände gekommene Gesetzesarbeit schon jetzt in Wiedererwägung zu ziehen. Wir halten im Hinblick auf die durch jedes Gesetz geschaffenen Interessenverhältnisse eine gewisse Stabilität der Gesetzgebung an und für sich als eine so berechtigte Forderung des Staatslebens, daß wir uns nicht entschließen können, den vollen Kampf der widerstreitenden Meinungen neuerdings heraufzubeschwören, welcher in dem unserer Auffassung nach im ganzen glücklichen Kompromiß der Alkoholgesetzgebung von 1886 zum Austrag gebracht worden ist.

In diesem Sinne legen wir das Schwergewicht unserer Betrachtungen auf diejenigen beiden Gesetzesartikel, welche in dem mehr citierten Beschluß der Räte speciell ins Auge gefaßt sind, auf Art. 2 (Inlandsproduktion) und Art. 8 (Kleinhandel). Vom gleichen Standpunkt aus beschränken wir unsere eigentlichen Revisionsanträge auf die Artikel 2 und 14 und lassen es selbst mit Bezug auf diese wenigen Artikel bei denjenigen Abänderungsvorschlägen bewenden, welche uns durch die heutige Lage der Dinge absolut geboten erscheinen. Daneben begnügen wir uns damit, eine Reihe anderer Revisionspunkte namhaft zu machen für den Fall, daß die Bundesversammlung unsere Ansicht nicht teilen, vielmehr in der Revisionsarbeit weiter gehen wollte als wir.

1. Kontingentierung der Inlandsproduktion (Art. 2).

Die gesamte Produktion der Schweiz an Branntwein aus Kartoffeln und Getreide in- und ausländischer Provenienz wurde in unserer Botschaft vom 8. Oktober 1886 für 1885, d. h. für das dem Erlaß des Alkoholgesetzes vorangehende Jahr, auf 65,000 Hektoliter (cirka 56,000 Metercentner) beziffert. Wahrscheinlich hat dieselbe in Wirklichkeit eher noch mehr betragen.

Da der Entwurf eines Steuergesetzes, welchen wir mit dieser Botschaft den eidgenössischen Räten vorlegten, für das inländische Erzeugnis dem ausländischen gegenüber eine erhebliche Begünstigung durch Grenzzölle und Steuerrabatte in Aussicht nahm und 'den

621

Brennern im weitem in der Wahl der Rohstoffe vollständig freie Hand ließ, schätzten wir die bei Annahme unseres Projektes Itünftig zu gewärtigende Inlandsproduktion trotz der vorauszusehenden namhaften Konsumreduktion auf noch immer 55,000 Hektoliter (46,800 Metercentner).

Die nationalrätliche Kommission, welche unsern Entwurf zu prüfen hatte, stellte sich auf einen ändern Boden als der Bundesrat.

An Stelle eines Steuergesetzes schlug sie ein Monopol vor.

Das bezügliche Projekt vom 16. Oktober 1886 ist bekanntlich in den meisten entscheidenden Punkten mit unwesentlichen Änderungen zum Gesetz erhoben worden. Nicht ganz unbedeutend freilich sind die Modifikationen , welche der Gesetzgeber mit Bezug auf die Inlandsproduktion an diesem Kommissionsvorschlag vorgenommen hat.

Im Gegensatz zum bundesrätlichen Entwurf, bei dessen Ökonomie eine Bevorzugung der inländischen Rohstoffe der Natur der Sache nach schwer zur Durchführung zu bringen gewesen wäre, ging die Kommission von der Idee aus, daß die Verarbeitung von Auslandsmaterial, wie sie namentlich in den bestehenden Großbetrieben üblich war, in unsern Verhältnissen nicht begründet sei.

Aus diesem Gedankengang heraus beschränkte sie das Maximum der Jahresproduktion jeder für Rechnung des Bundes arbeitenden Pachtbrennerei auf 500 Hektoliter und schrieb für diese Pachtbetriebe sowohl als für die gleichzeitig in Aussicht genommenen Regiebrennereieu die vorzugsweise Verwendung einheimischer Rohstoffe vor.

Die inländische Produktion sollte wenigstens einen Vierteil des Konsums decken. Letzterer wurde in einem dem Kommissionsprojekt beigegebenen summarischen Budget zu 120,000 Hektolitern, die Inlandsproduktion zu 1/a dieses Quantums, d. h. zu 40,000 Hektolitern (34,000 Metercentnern), angenommen.

Die Bundesversammlung adoptierte im allgemeinen den Standpunkt der Kommission, ließ indessen den Regiebetrieb ganz fallen und erhöhte die jährliche Maximalleistung einer Pachtbrennerei auf 1000 statt der vorgeschlagenen 500 Hektoliter. Auch setzte sie das inländische Gesamtkontingent nach langen Debatten auf annähernd einen Vierteil statt wenigstens einen Vierteil des Bedarfes fest. So entstand Art. 2 des Gesetzes, lautend: ,,Annähernd ein Vierteil des Bedarfes an gebrannten Wassern wird durch Lieferungsverträge beschafft, welche der Bund mit inländischen Produzenten abzuschließen hat.

622 ,,Die Lieferungen werden vom Bundesrate nach Feststellung des Pflichtenheftes in Losen von mindestens 150 und höchstens 1000 Hektolitern absoluten Alkohols für Übernahme ausgeschrieben und auf Grund der für die einzelnen Lose eingelangten Angebote an diejenigen vergeben, welche bei zureichender Garantie die günstigsten Bedingungen stellen.

,,Bei der Vergebung ist das Brennen einheimischer Rohmaterialien und der Brennbetrieb in Form landwirtschaftlicher Genossenschaften vorzugsweise zu berücksichtigen.

,,Keine Brennerei erhält mehr als ein Los zugeschlagen. " In dem bei der Beratung dieser Gesetzesbestimmung vorliegenden Budget war die Inlandsproduktion auf insgesamt 30,000 Hektoliter (25,500 Metercentner) angesetzt.

In Wirklichkeit hat dieselbe, abgesehen von den Übergangsjahren 1887/88 und 1889, bis jetzt betragen: Jahre.

Metercentner.

1890 21,350 1891 19,327 1892 22,773 1893 23,466 1894 19,936 1895 25,825 1896 21,227 1897 25,740 Total 179,644 oder im Jahresdurchschnitt . .

22,455 d. h. 22 °/o des auf diese achtjährige Periode entfallenden Landesverbrauchs an Trinksprit (505,680 Metercentner) und an Denaturierungsware (309,752 Metercentner) von zusammen 815,432 Metercentnern.

Aus den eingangs mitgeteilten Gründen allgemeiner Natur verzichten wir darauf, der Bundesversammlung mit Bezug auf die Organisation des Brennereiwesens, sowie mit Bezug auf die Begünstigung der inländischen Rohstoffe und des Genossenschaftsprinzips irgendwelche Revision des Gesetzes zu proponieren. Ebensowenig können wir uns entschließen, eine Reduktion oder gar eine Aufhebung der inländischen Erzeugung zu befürworten.

Aus den mitgeteilten Ziffern geht zweierlei hervor : 1. daß die Inlandsproduktion durch Einführung des Monopols eine sehr beträchtliche Verminderung (von 56,000 auf rund 22,500 Metercentner) bereits erfahren hat,

623 2. daß die (tatsächliche Durchschnittsproduktion (22,500 Metercentner) bis dahin nicht unbeträchtlich unter dem bei Erlaß des Gesetzes vorausgesehenen Inlandsbetrefniss (25,500 Metercentner) geblieben ist.

Schon diese Verhältnisse sprechen unseres Bedünkens gegen eine weitere Herabsetzung der inländischen Branntweinerzeugung.

Wohl beschlägt die gewaltige Verminderung, welche seit Einführung des Monopols eingetreten ist, den Intentionen des Gesetzgebers entsprechend, in der Hauptsache das Brennen ausländischer Rohstoffe (Mais). Aber auch dieser Eingriff in ein mit vielen Interessen verknüpftes Gewerbe ist noch nicht so verschmerzt, daß es sich politisch empfehlen könnte, den im Jahr 1886 geschlossenen Kompromiß in seinem wichtigsten Punkte aufzuheben ; um so weniger als, wie wir oben gezeigt, die effektive Produktion das bei diesem Kompromiß angenommene Quantum im Durchschnitt mehrerer Jahre noch nicht einmal erreicht hat.

Dazu kommt, daß auch noch gewichtige sachliche Gründe für die Beibehaltung einer vernünftig limitierten Inlandserzeugung anzuführen sind. Wir denken dabei in erster Linie und in für uns ausschlaggebender Weise an die landwirtschaftlichen Interessen, welche mit dem Brennereigewerbe verknüpft sind.

Wir können hier davon Umgang nehmen, den Zusammenhang zwischen Brennerei und Landwirtschaft zu erörtern, da wir die einschlägigen Verhältnisse in mehreren vorausgegangenen Berichten, speciell in dem Geschäftsbericht der Alkoholverwaltung pro 1892 (S. 53 u. ff.), eingehend besprochen haben. Wir halten die damals aus unsern Darlegungen gezogene Schlußfolgerung in vollem Umfange aufrecht, eine Schlußfolgerung, die dahin ging, daß in einzelnen Landesgegenden in guten Erntejahren ein Überschuß an Kartoffeln vorhanden sei, der bis auf weiteres am besten der Brennerei zugeführt werde.

Haben wir danach keinen Anlaß, im allgemeinen Änderungen des jetzigen Zustandes zu befürworten, so erscheint es uns doch angezeigt, in einem speciellen Punkte größere Klarheit zu schaffen und damit zugleich dafür zu sorgen, daß die Inlandsproduktion in Zukunft nicht, entgegen der ursprünglichen Absicht, über ein verständiges Maß hinauswächst.

Der oben angeführte Art. 2 des Gesetzes bestimmt die Inlandslieferung zu annähernd einem Vierteil des Bedarfs an gebrannten Wassern.

624

Bereits im ersten Geschäftsjahr des Monopols wurden Zweifel darüber laut, ob die Gesetzgebung unter dem Ausdruck ,,Bedarf"" bloß den Konsum des zu Trinkzwecken bestimmten Alkohols oder aber auch noch den Absatz des zu gewerblichen und Haushaltungszwecken dienenden denaturierten Sprits habe verstehen wollen.

Angesichts des unzweideutigen Wortlautes der in Frage stehenden Gesetzesvorschrift entschieden wir uns schon damals zu gunsten derjenigen Auffassung, welche unter ,,Bedarf11 den ,,Gesamtbedarf begriff. (Geschäftsbericht der Alkoholverwaltung pro 1887/88, S. 27.)

Die weitere Diskussion der Streitfrage führte im Dezember 1890 zur Aufstellung eines Postulates, durch welches der Bundesrat zum speciellen Bericht über das ganze Verhältnis eingeladen wurde. Diesen Bericht erstatteten wir bereits im Geschäftsbericht der Alkoholverwaltung pro 1890 (S. 10 u. ff.). Wir gelangten dabei, der von Anfang an eingenommenen Haltung getreu, zu folgenden Anträgen : ,,a. es sei bei der Berechnung des in Art. 2 des Alkoholgesetzes der inländischen Produktion vorbehaltenen Vierteils des Bedarfs an gebrannten Wassern die Menge sowohl des im Inlande zum Trinkkonsum gelangenden Roh- und Feinspiritus, als des zu technischen und Haushaltungszwecken bestimmten denaturierten Alkohols zur Basis zu nehmen 5 b. es seien bei Feststellung des Abgabepreises des zu technischen und Haushaltungszwecken bestimmten denaturierten Alkohols die Kosten inländischer Ware nur insoweit in Betracht zu ziehen, als es sich um die bei der Rektifikation von einheimischem Rohspiritus resultierenden Abfallprodukte handelt. "· Diese Anträge wurden im Dezember 1893 nach mehrmaliger eingehender Erörterung des pro und contra von der Bundesversammlung unverändert angenommen. Von einer Revision des Gesetzes nahm man aus ähnlichen Gründen, wie denjenigen, die wir im Eingang dieser Botschaft niedergelegt haben, Umgang.

Zu einer ändern Interpretation aber des geltenden Gesetzes konnte man sich den klaren Textesworten gegenüber nicht verstehen.

Die Sache ist damit unseres Erachtens, de lege lata gesprochen, in definitiver und durchaus korrekter Weise erledigt.

Nun haben aber die ^tatsächlichen Verhältnisse inzwischen eine Wendung genommen, welche zu einer Revision drängen, soll nicht die ursprüngliche Meinung des Gesetzgebers in nicht gewollter Weise alteriert werden.

625

Bekanntlich bezahlt die Alkoholverwaltung für den inländischen Sprit einen wesentlich höheren Preis als für den ausländischen.

Dieser Umstand würde bei der in obigem Beschlüsse sub a vorgesehenen Beschaffung von annähernd einem Vierteil der Denaturierungsware aus dem Inlande keine fiskalische Einbuße bedeuten, wenn nicht in litt, b desselben Beschlusses die Anrechnung des höheren Inlandspreises bei Feststellung des Verkaufspreises des denaturierten Alkohols in der Hauptsache ausgeschlossen würde.

So aber bedeutet die Erzeugung jedes Hektoliters an Inlandsware, der aus dem Bedarf an Denaturierungsware abgeleitet wird, für den Fiskus einen nicht unbedeutenden Verlust. Dieser Verlust ist zu ertragen, solange der Bedarf an denaturiertem Sprit ein relativ bescheidener bleibt. Nun hat sich aber der Verbrauch an dieser Sorte monopolisierten Alkohols bei uns in der Schweiz wie in denjenigen Auslandsstaaten, welche, wie wir, den Konsum dieser Ware fiskalisch begünstigen, in den letzten Jahren in gewaltiger, nicht vorausgesehener Weise gesteigert. Diese Steigerung wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur anhalten, sondern ein noch beschleunigteres Tempo annehmen, sobald der denaturierte Sprit, wie es schon jetzt den Anschein hat, für Beleuchtungszwecke in vielen Fällen an Stelle des Petroleums treten wird. Nachstehende Ziffern mögen die bisher bei uns eingetretene Konsumvermehrung illustrieren : Landesverbrauch an Denaturierungsware.

Jahr.

1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897

ISletercentner.

26,729 33,080 35,496 37,021 41,425 44,443 42,630 48,928

Total 309,752 oder im Jahresdurchschnitt . .

38,719 Diese rapide Zunahme des Verbrauchs an denaturiertem Sprit bedingt nach dem Vorausgeschickten eine Beeinträchtigung des Monopolerträgnisses, wie sie in so starkem Maße bei Erlaß des Gesetzes kaum beabsichtigt war, in deren Beseitigung daher eine

626

Verletzung der Pietät für etwas zu Recht Bestehendes nicht erblickt werden kann.

Einer derartigen Einnahmenschmälerung ist nun aber bei im übrigen unveränderter Aufrechterhaltüng der allgemeinen Organisation des Monopols unserer Meinung nach auf zweierlei Weise zu begegnen. Einmal durch eine Gesetzesrevision, nach welcher die Verwaltung ermächtigt würde, den Verkaufspreis des denaturierten Sprits, den für den Inlandssprit zu bringenden Mehropfern entsprechend, zu erhöhen. Wir glauben diesen Modus indessen in konsequenter Weiterführimg der im Geschäftsbericht der Alkoholverwaltung pro 1890 von uns niedergelegten und von der Bundesversammlung drei Jahre später gutgeheißenen Anträge nicht empfehlen zu sollen. Die Absicht des Gesetzgebers ging unverkennbar dahin, den Sprit zu technischen und Haushaltungszwecken möglichst zu verbilligen. Ein Abgehen von diesem Prinzip würde Interessen verletzen, welche bei dem Kompromiß von 1886 ebenfalls im Vordergrund standen und daher einen gleichen Anspruch auf Schonung haben, wie die bei diesem Kompromiß beteiligten agrikolen Bedürfnisse.

Der zweite Weg zur Beseitigung der aus der jetzigen Situation hervorgegangenen und noch zu erwartenden Inkonvenienzen scheint uns wesentlich einwandfreier zu sein. Derselbe würde darin bestehen , unter Beibehaltung der heute geltenden grundsätzlichen Verhältnisse für die Inlandsproduktion ein in einer festen Ziffer oder in einem Prozentsatz des Trinkspritbedarfs ausgedrücktes Maximum aufzustellen. Freilich ist auch bei diesem Procedere eine Rücksichtnahme auf die landwirtschaftlichen Gesichtspunkte und auf die von diesen Gesichtspunkten aus vor einem Jahrzehnt gemachten Versprechungen nur dann vorhanden, wenn das Maximum so hoch bemessen wird, daß die bei Erlaß des Gesetzes der Landwirtschaft gegenüber eingegangenen Verpflichtungen erfüllt bleiben. Diesem Gedanken Rechnung tragend, beantragen wir, den Höchstbotrag der Produktion auf 30,000 Hektoliter (25,500 Motercentner) pro Jahr, d. h. auf dasjenige Quantum zu fixieren, welches bei Erlaß des Gesetzes budgetiert wurde. Da indessen je nach den Ernteverhältnissen im einen Jahre mehr, im ändern weniger produziert wird, so ist es zweckmäßig und notwendig, das Maximum als Durchschnittsnorm anzunehmen. So gelangen wir schließlich zu dem Vorschlage, es sei eine Gesetzesnovelle des
Inhalts zu erlassen, daß die in Art. 2 des Alkoholgesetzes der Inlandsproduktion vorbehaltene Quote des gesamten Landesbedarfs an Sprit und Spiritus im Durchschnitt von je zwei aufeinanderfolgenden Jahren 30,000

627 Hektoliter absoluten Alkohols pro Jahr nicht übersteigen dürfe.

Mit dieser Regelung der Angelegenheit scheinen uns die fiskalischen und die landwirtschaftlichen Interessen in zufriedenstellender Weise gewahrt zu sein ; durch dieselbe wird auch zugleich endgültig entschieden, daß der Inlandsvierteil sowohl vom Trinksprit, als von der Denaturierungsware zu berechnen ist.

Die Konferenz von Kantonsdelegierten, welche auf eine im Einverständnis des Bundesrates erlassene Einladung unseres Finanzdepartementes hin am 16./17. Februar dieses Jahres unsere Revisionsvorschläge in Erörterung zog, hat unserer Auffassung grundsätzlich zugestimmt, sich jedoch mit Mehrheit für die Einbeziehung des Inlandssprits bei Berechnung des Verkaufspreises der Denaturierungsware und für eine Reduktion der von uns in Aussicht genommenen Maximalproduktion von 30,000 Hektolitern ausgesprochen.

Nach erneuter Prüfung der Frage haben wir uns entschlossen, entgegen dieser Meinungsäußerung eine Änderung an der bisherigen Normierung der Verkaufspreise für denaturierten Sprit nicht -zu empfehlen und an unserem Antrage auf Bestimmung eines Höchstbetrags von 30,000 Hektolitern festzuhalten. Wir ließen uns dabei im wesentlichen von der Erwägung leiten, daß es den gegebenen Verhältnissen gegenüber nicht billig sei, sich auf den einseitig fiskalischen Standpunkt zu stellen, welcher in der Beschlußnahme der Kantonsdelegierten offenbar zum Ausdruck gelangt ist.

2. Abschaffung des jetzigen Straf minimum s; Yorschriften bezüglich der Gehülfen und Begünstiger (Art. 14).

Das in Art. 14 festgesetzte Straf minimum des fünffachen Betrages der umgangenen Steuern hat sich in manchen Fällen als zu hoch erwiesen. Wir würden eine Verbesserung des jetzigen Zustandes darin erblicken, daß nach Analogie des Zollgesetzcs nur das Maximum der Buße fixiert würde. In Anlehnung an dasselbe Gesetz sollten auch die im Alkoholgesetz bis dahin nicht besonders erwähnten Gehülfen und Begünstiger einer Übertretung mit Strafe bedroht werden.

3. Andere Revisionspunkte.

Wir beabsichtigen nicht, unter diesem Titel alle Änderungen formeller und materieller Art namhaft zu machen, welche wir bei einer Totalrevision des Gesetzes in Vorschlag bringen würden.

628 Wir begnügen uns mit der Aufzählung solcher Postulate, welche, sei es infolge wiederholter Gesuche der Interessenten, sei es aus den Bedürfnissen der Verwaltung heraus, eine gewisse Bedeutung beanspruchen dürfen.

a. Regiebetrieb der Brennerei (Art. 2).

Wir haben bereits angeführt, daß der Entwurf der nationalrätlichen Kommission vorn Oktober 1880 neben dem System der Pachtbrennereien auch den Regiebetrieb der Brennerei vorsah.

Dieser bei Erlaß des Gesetzes fallen gelassene Gedanke ist seither wiederholt in dieser oder jener Form aufgenommen worden.

Wir vermögen die Vorteile, welche die Befürworter des reinen Staatsbetriebs in Aussicht stellen, nicht alle anzuerkennen und erblicken überdies in der Durchführung dieses letztern eine Reihe nicht zu unterschätzender administrativer Schwierigkeiten. Wir könnten daher einer Gesetzesrevision nicht zustimmen, welche den Regiebetrieb obligatorisch erklären wollte, würden aber eventuell keinen Einspruch dagegen erheben, wenn dem Bunde im Sinne des erwähnten Kommissionsprojektes das Recht zur selbstthätigen Ausübung der Brenneroi wollte zuerkannt werden.

Eine dahin zielende Gesetzesbestimmung würde die Vornahme von Versuchen erlauben, welche bei dem heutigen Stand der Gesetzgebung ausgeschlossen sind, zugleich aber der Verwaltung die Befugnis lassen, bei einem ungünstigen Ausfall der Versuche auf das reine Pachtsystem zurückzukommen.

b. Monopolgebühr flir niedriggradige Qualitätsspirituosen ; Steuerbelastung der nicht dem Trinkkonsum dienenden Alkoholartikel, sowie der Brennereirohstoffe etc. (Art; 33.

Die Auflage einer Monopolgebühr von Fr. 80 per Metercentnor, o h n e R ü c k s i c h t auf den A l k o h o l g e h a l t , ist mit Bezug auf niedriggradige Spirituosen etwas hart. Es würde sich deshalb empfehlen, dem Bundesrat bei einer über unsere Anträge hinaus gehenden Revision das Recht einzuräumen, für Branntwein und Liqueur von weniger als 25 Graden eine Ermäßigung der Steuer eintreten zu lassen.

Das Alkoholgesetz enthält keinerlei Vorschriften über die Steuerbelastung derjenigen aus Alkohol hergestellten oder Alkohol enthaltenden ausländischen Produkte, welche, wie Seifen, Parfüme-

629 rien etc., nicht zu Trinkzwecken dienen. Die einschlägigen Verhältnisse wurden bis jetzt durch die Zolltarifgesetzgebung und die Handelsverträge geregelt. Es schiene uns indessen korrekter, bei einer einschlägigen Revision des Alkoholgesetzes die Sache auch durch dieses letztere selbst zu ordnen. Bei diesem Anlasse könnten dann auch Bestimmungen über die bis jetzt ebenfalls durch den Zolltarif und die Handelsverträge festgesetzte fiskalische Behandlung der ausländischen Brennereirohstoffe, der alkoholisierten Weine, des Wermuts, der mit Alkohol zubereiteten Frucht- und Beerensäfte etc. Aufnahme finden.

c. Erhöhung der Verkaufspreise des Monopolsprits und Herabsetzung des Verkaufsminimums (Art. 4).

Von verschiedenen Seiten ist die Anregung gemacht worden, die Verkaufspreise des Monopolsprits successive oder in einem Male zu erhöhen. Gegen diesen Vorschlag haben wir in der Hauptsache den Einwand zu erheben, daß eine Steigerung der bestehenden Preise einer noch stärkern Entwicklung der verfassungsgemäß monopolfrei gelassenen Produktion rufen und damit wahrscheinlich die fiskalischen Interessen, ohne Nutzen für die hygieinischen Ziele der Gesetzgebung, beeinträchtigen würde. Wäre die Monopolsteuer höher, als sie es thatsächlich ist, so würde der Bestand monopolfreier Brennbetriebe eine stete und große Gefahr für den Fiskus bilden. Denn der eidgenössische Gesetzgeber könnte es nach der Verfassung nicht verwehren, wenn ein Landwirt beispielsweise seine ganze eigene Obsterzeugung brannte und sich zur Deckung des Nahrungsbedürfnisses etc. mit ausländischem Obst versorgte.

Artikel 4 des Alkoholgesetzes ist in der Hauptsache aus dem Artikel 10 eines im Jahre 1886 veröffentlichten Monopolgesetzentwurfes unseres Departements des Innern hervorgegangen, unter anderm jedoch mit der Änderung, daß das in diesem Entwurfe auf nur 100 Liter bestimmte Verkaufsminimum der Monopolverwaltung auf 150 Liter erhöht wurde. Die Erhöhung wurde damit begründet, daß das im Sprithandel übliche kleinste Gebinde nicht unter 150 Liter halte.

Seither ist da und dort der Wunsch laut geworden, es möge die Alkohol Verwaltung auch zur Abgabe von weniger als !1/2 Hektolitern verpflichtet werden. Werde diesem Begehren entsprochen, so könne eine große Zahl von Abnehmern, welche heute noch auf den Zwischenhandel angewiesen sei, ihren Bedarf direkt bei der Bundesblatt. 50. Jahrg. Bd. III.

42

630

Verwaltung decken, was nicht nur die Bezugskosten vermindern,, sondern auch hinsichtlich guter Bedienung größere Garantien bieten würde.

Wir würden uns bei einer eventuellen Revision des Artikels 4 nicht gegen ein Zurückkommen auf das Verkaufsrninimum (100 Liter) des Monopolprojekts von 1886 wenden, obsehon' wir uns nicht verhehlen, daß der Übergang von der jetzigen, technisch rationellen Verkaufsgrenze zu einer ändern für Publikum und Verwaltung auch mit Inkonvenienzen verbunden wäre.

d. Steuerrückvergütung fUr kleine Ausfuhren (Art. 5).

Die Bestimmung, wonach für Ausfuhrmengen unter 20 Litern eine Rückvergütung nicht geleistet wird, könnte bei einer allgemeinen Revision um so eher fallen gelassen werden, als sie im Grunde mit dem Wortlaut der Verfassung nicht wohl vereinbar ist.

e. Abgabe von unversteuertem Sprit zu wissenschaftlichen oder pharmaceutischen Zwecken; Errichtung von Kleinverkaufsstellen fUr Brennsprit ; Privatbezlige relativ denaturierten Sprits (Art. 6).

Wiederholt ist die Verwaltung angegangen worden, zu wissenschaftlichen oder pharmaceutischen Zwecken unversteuerten reinen Sprit abzugeben. Alle diese Begehren mußten abgewiesen werden, weil das Gesetz für die Lieferung steuerfreien Sprits ausdrücklich die Denaturierung, d. h. die vorgängige Untauglichmachung zum Trinkgenuß, vorschreibt.

Da diesen Gesuchen indessen sachlich eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen ist und es sich im ganzen nicht um bedeutende Quantitäten, also auch nicht um ein großes Opfer für den Fiskus handelt, so würde sich der Bundesrat nicht widersetzen, wenn ihm durch Revision von Art. 6 die Befugnis verliehen werden wollte, Anforderungen der gedachten Art in Zukunft entsprechen zu können. Es sind zwar im Auslande mit der Abgabe reinen, unversteuerten Sprits nicht durchweg die besten Erfahrungen gemacht worden, ein Umstand, der vermutlich auch die mehrerwähnte Konferenz der Kantonsdelegierten bestimmt hat, in vorwürfiger Frage gegen eine allfällige Gesetzesänderung Stellung zu nehmen. Der Bundesrat glaubt aber, daß es der Verwaltung in unsern Verhältnissen möglich sein würde, einer mißbräuchlichen Verwendung derartigen Sprits vorzubeugen, um so mehr, als in

631 den Strafbestimmungen und in der Möglichkeit des jederzeitigen Entzugs des eingeräumten Privilegs genügend starke Repressivmaßregeln geboten sind. Wir würden daher eventuell einer Gesetzesvorschrift unsere Zustimmung nicht versagen, welche den Bundesrat ermächtigt, in allen denjenigen Fällen, in denen eine den Interessen des Fiskus wie der Konsumenten entsprechende Denaturierung nicht anwendbar ist, zu wissenschaftlichen oder pharmaceutischen Zwecken auch reinen Sprit in ihm gutscheinenden Mengen zu dem nach Art. 6, Alinea l, des geltenden Gesetzes berechneten Selbstkostenpreise abzugeben.

Bei einer Totalrevision wäre auch der Frage näher zu treten, ob nicht amtliche Kleinverkaufsstellen für Brennsprit zu schaffen wären. Doch müßte dieser einschneidenden Neuerung unseres Erachtens zunächst ein ausgedehnteres Studium, sowie ein Einvernehmen mit den Kantonsregierungen vorangehen.

Im weitern erschiene es uns zweckdienlich, bei gleichem Anlasse das zur Zeit nur durch Bundesbeschluß bestimmte Recht der Privatpersonen zum direkten Import relativ denaturierten Sprits gesetzgeberisch zur Regelung zu bringen. Eine definitive Ordnung dieser Frage wäre bei einer weiter ausgreifenden Revisionsarbeit um so mehr angezeigt, als die bereits erwähnte Konferenz der Kantonsdelegierten, sowie mehrerer Mitglieder der eidgenössischen Alkoholkommissionen, entgegen der Auffassung des Bundesrates, einem Zurückkommen auf den in Sachen geltenden Bundesbeschluß im Sinne der vollen Monopolisierung der relativ denaturierten Ware das Wort geredet haben.

f. Kleinhandel (Art. 8).

Art. 8 des Gesetzes lautet: ,,Der Verkauf von gebrannten Wassern aller Art in Quantitäten von mindestens 40 Litern ist ein freies Gewerbe (Großhandel).

Der Handel mit kleinen Quantitäten (Kleinhandel) zerfällt in : 1. den Ausschank zum Genuß an Ort und Stelle; 2. den Kleinverkauf über die Gasse.

Die Bewilligungen zum Ausschank und Kleinverkauf werden von den kantonalen Behörden erteilt und sind an eine der Größe und dem Werte des Umsatzes entsprechende Verkaufssteuer zu knüpfen, welche bis zum Erlaß eines Bundesgesetzes von den Kantonen festgesetzt wird.

632 Brenner jedoch, welche im nämlichen Jahre höchstens 40 Liter nicht bundessteuerpflichtigen Branntwein darstellen, dürfen ihr Erzeugnis in Quantitäten von mindestens 5 Litern frei verkaufen.

Die Gefäße der Schankstellen sind eichpflichtig.1'Diese Vorschriften basieren auf den Artikeln 31 (litt. 6) und 32bi8 der Bundesverfassung.

Gegenüber dem sonst geltenden Grundsatze der Handels- und Gewerbefreiheit behält litt, b von Art. 31 der Verfassung den Verkauf gebrannter Wasser nach Maßgabe von Art. 32bi8 vor.

Art. 32bis aber erteilt dem Bunde die Befugnis, im Wege der Gesetzgebung Vorschriften über den Verkauf gebrannter Wasser jeder Art zu erlassen. Diese Kompetenz hat der Bund durch Erlaß des Alkoholgesetzes und speciell durch den Art. 8 desselben in eben citierter Art und Weise ausgeübt.

Danach wird der Verkauf gebrannter Wasser in Quantitäten von mindestens 40 Litern als ein freies Gewerbe (Großhandel) erklärt, der Handel mit kleineren Quantitäten dagegen (Kleinhandel) an Bewilligungen der kantonalen Behörden geknüpft. In welcher Form die Kantone diese Bewilligungen zu erteilen haben, wird im Gesetze nicht gesagt. Ob sie dies in Form eines Gesetzes oder einer Verordnung oder eines Beschlusses thun sollen, ist daher bei dem Mangel einer bundesrechtlichen Vorschrift nach kantonalem Rechte zu entscheiden. Auch hinsichtlich der Bedingungen, unter welchen die Kleinhandelsbewilligungen zu erteilen sind, bestimmt der angeführte Artikel 8 nur, daß die letzteren an eine der Größe und dem Wert des Umsatzes entsprechende Verkaufssteuer zu binden seien, welche bis zum Erlaß eines Bundesgesetzes über diesen Punkt von den Kantonen festgesetzt wird. Sonst statuiert das Gesetz mit Bezug auf den Kleinhandel bloß noch, daß Brenner, welche im nämlichen Jahr höchstens 40 Liter monopolfreien Branntwein darstellen, ihr Erzeugnis in Mengen von mindestens 5 Litern frei sollen verkaufen dürfen, und daß die Gefäße der Schankstellen eichpflichtig sind. Der Artikel 8 läßt also, vorbehaltlich der Erhebung einer Verkaufssteuer, hinsichtlich der Ordnung des Kleinhandels den Kantonen vollständig freie Hand.

Daneben giebt es allerdings noch eidgenössische Rechtssätze allgemeiner Natur, die auch in diesem Punkte, wie überhaupt in ihrer ganzen Gesetzgebung, von den Kantonen zu respektieren sind : den Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz (Art. 4 der Bundesverfassung) und die Verpflichtung der Kantone, alle Schweizerbürger in der Gesetzgebung den Bürgern des eigenen

633

Kantons gleich zu halten (Art. 60 der Bundesverfassung). Auf die Rechtsstellung, welche ein Kanton vermöge dieser Verfassungssätze den Bürgern anderer Kantone einräumt, können überdies auch die Angehörigen derjenigen auswärtigen Staaten Anspruch erheben, denen die Schweiz durch Staatsvertrag Gleichbehandlung mit den Schweizerbürgern zugesichert hat.

Gegen die Aufstellung und Durchführung der kantonalen Vorschriften betreffend den Kleinverkauf haben sich schon bald nach Erlaß derselben Klagen aus den interessierten Handelskreisen erhoben. Die Prüfung dieser Beschwerden hat aber bis dahin ausnahmslos ergeben, daß die bezüglichen Gesetze und Verordnungen der Kantone kompetent erlassen worden sind und weder mit der Bundesverfassung noch mit dem eidgenössischen Alkoholgesetz in Widerspruch stehen. De lege lata kann daher selbst denjenigen Aussetzungen, welche man als berechtigt anzusehen geneigt wäre, nicht Rechnung getragen werden. Eine Remedur ist nur auf dem Weg der Gesetzesrevision möglich. Wir verweisen in diesem Betracht hinsichtlich aller Details im besondern auf den vom Bundesrat unterm 28. März 1890 genehmigten Bericht des eidgenössischen Departements des Innern, d. d. 17. März gleichen Jahres, und zwar um so mehr, als in diesem Bericht bereits auch eine ganze Reihe von Revisionsvorschlägen kritisch beleuchtet wird.

Die Frage nun, ob eine Änderung der bestehenden Gesetzesvorschriften in der That angezeigt sei und in welcher Richtung dieselbe zu erfolgen habe, bedingt zunächst einige allgemeine Betrachtungen über die thatsächlicheii Verhältnisse und eine Würdigung der gegen das herrschende Recht gemachten Haupteinwände.

Der Kleinhandel mit Spirituosen vollzieht sich im wesentlichen in drei Hauptformen: 1. Der Händler oder dessen Beauftragter sucht ohne vorausgegangene Bestellung mit der Ware den Abnehmer persönlich auf (Hausierhandel).

2. Der Abnehmer oder dessen Beauftragter kommt zum Bezug der Ware persönlich zum Händler oder dessen Vertreter. Dabei wird die Ware entweder am Verkaufsort konsumiert (Wirtshausbetrieb) oder fortgetragen (Verkauf über die Gasse).

3. Der Händler oder dessen Vertreter läßt dem Abnehmer oder dessen Beauftragten die Ware auf Bestellung hin durch einen Warenführer zukommen. Hierbei kann die bestellte Sendung dem Käufer entweder aus seiner Wohnsitzgemeinde oder aus einer

634

ändern Gemeinde seines Wohnsitzkantons oder aus einem ändern Kanton oder endlich aus dem Auslande zugehen.

Hinsichtlich des Hausierens, des Ausschankes im Wirtshaus, dos Verkaufes über die Gasse und des übrigen Kleinhandels innerhalb der Grenzen eines und desselben Kantons sind bei den eidgenössischen Behörden Beschwerden von Belang bis jetzt nicht erhoben worden.

Die beim Bundesrat anhängig gemachten Klagen beschlagen vielmehr im wesentlichen bloß den interkantonalen und den internationalen Verkehr mit gebrannten Wassern.

In Art. 8 des eidgenössischen Alkoholgesetzes wird der Kleinverkauf in Alinea 3 als Kleinverkauf schlechtweg, in Alinea 2 dagegen als Kleinverkauf über die Gasse bezeichnet. Diese letztere Ausdrucksweise hat möglicherweise dazu geführt, daß die Kantone bei Feststellung der Bedingungen, zu denen die Klein verkaufsbewilligungen erteilt werden sollen, vorwiegend an den Lokal-, umsatz innerhalb einer und derselben Gemeinde dachten und den Verkehr zwischen verschiedenen Gemeinden des In- oder Auslandes mehr aus dem Auge verloren. Sei dem, wie wolle, Thatsache ist, wie schon gesagt, daß die bis jetzt eingegangenen Petitionen betreffend die Regelung des Kleinhandels in der Hauptsache bloß auf die internationalen oder interkantonalen Geschäftsbeziehungen Bezug haben.

Mit diesen wollen wir uns daher auch hier einzig beschäftigen.

Was den interkantonalen Verkehr angeht, so hat eine Reihe von Kantonen durch Abschluß eines Konkordats die von den Spirituosenhändlern hervorgehobenen Unzukömmlichkeiten des gesetzlichen Status teilweise zu beseitigen versucht. Es scheint aber, daß die dadurch herbeigeführten Erleichterungen die interessierten Kreise nur unvollständig befriedigen.

Wir halten es, besonders im Hinblick auf die einläßlichen Erörterungen des oben citierten Berichtes unseres Departements des Innern vom 17. März 1890, nicht für geboten, an dieser Stelle die mannigfachen Vorschläge auf weitergehende Berücksichtigung der wegen des interkantonalen Handels gegen das Gesetz erhobenen Beschwerden einzeln zu diskutieren.

Wir glauben, uns mit dem Hinweis begnügen zu dürfen, daß eine mehrmalige sorgfältige Sichtung der verschiedenen Abänderungsprojekte als verhältnismäßig einfachstes und zugleich wirksamstes Abhülfsmittel in den Vordergrund gestellt hat: die Herabsetzung der Grenze zwischen Großhandel und Kleinhandel von den jetzigen 40 Litern auf ein namhaft kleineres Maß.

635 Über diese Proposition speciell hat sich nun aber der Bundesrat nicht nur in dem mehrfach erwähnten Bericht vom März 1890, sondern auch im Geschäftsbericht der Alkoholverwaltung pro 1893 (S. 44 u. ff.) bereits vernehmen lassen, und zwar im letztern Falle anläßlich einer von 113 Firmen unterstützten Petition des Verbandes ·der schweizerischen Liqueur- und Spirituosenhändler an die Bundesversammlung.

Der Bundesrat konnte sich damals nicht entschließen, den Petenten auch nur durch einen Antrag auf Herabsetzung der Grenze zwischen Groß- und Kleinhandel entgegenzukommen.

Die Gründe, welche uns bei dieser ablehnenden Haltung leiteten, bestanden im wesentlichen darin, daß jede Änderung des bestehenden Systems nicht nur eine Modifikation des eidgenössischen Alkoholgesetzes, sondern auch eine Revision der darauf basierten kantonalen Erlasse bedingen, zudem die jetzigen Standeseinnahmen an Kleinverkaufspatenttaxen schmälern und das Aufgeben eines Teils der ethischen Ziele bedeuten würde, welche mit der Verfassungsrevision von 1885 und der Bundesgesetzgebung von 1886 verfolgt wurden.

Die Bundesversammlung hat dieser Auffassung im Dezember 1894 ausdrücklich beigepflichtet.

Trotzdem würden wir uns heute an und für sich dazu verstehen können, den bei diesen frühern Gelegenheiten eingenommenen Standpunkt zu verlassen. Wir können uns der Einsicht nicht länger verschließen, daß den immer wiederkehrenden Klagen der interessierten Geschäftsleute ein berechtigter Kern innewohnt. Auch sind wir zu der Überzeugung gelangt, daß die dermalen bestehende Patentierung und Besteuerung der Verkäufe unter 40 Litern einen fühlbaren Einfluß auf die Einschränkung des Branntweinkonsums thatsächlich nicht ausübt, die Änderung des geltenden Systems daher eine faktische Verschlechterung der Zustände in hygieinischer Beziehung schwerlich herbeiführen könnte.

Wenn wir nichtsdestoweniger auch jetzt wieder von Anträgen auf eine Revision von Art. 8 im Sinne der Herabsetzung der Großhandelsgrenze absehen, so bestimmt uns dabei in entscheidender Weise der Umstand, daß die im April 1897 und Februar 1898 in Bern versammelte Konferenz von Vertretern der in der Angelegenheit speciell interessierten Kantonsbehörden mit überwiegendem Mehr sich gegen eine Änderung der bestehenden Vorschriften ausgesprochen hat.

636

Da die Bundesversammlung indessen gerade in diesem Punkte wohl am ehesten zu einer ändern Ansicht gelangen kann, halten wir es für zweckmäßig, an dieser Stelle immerhin diejenige Redaktion von Art. 8 einzuschalten, welche uns bei einer Revision geeignet schiene, an Stelle der geltenden Bestimmungen zu treten. Dieser unser Eventuellvorsehlag würde lauten : ,,Der Handel mit gebrannten Wassern aller^Art zerfällt in : 1. den Großhandel; 2. den Kleinhandel.

Der Großhandel wird als freies Gewerbe erklärt. Derselbe umfaßt allen in Lieferungen von je mindestens 20 Litern derselben Sorte sich vollziehenden Verkehr in gebrannten Wassern.

Der Kleinhandel begreift in sich : a. den Ausschank zum Genuß an Ort und Stelle; b. allen ändern Handelsverkehr in Quantitäten von weniger als je 20 Litern.

Landwirte jedoch, welche im nämlichen Jahre aus nicht bundessteuerpflichtigen Eigengewächsen höchstens 40 Liter Branntwein darstellen, dürfen ihr Erzeugnis in Mengen von mindestens 5 Litern frei verkaufen.

Die weitern Begriffsbestimmungen des Kleinhandels werden von den kantonalen Behörden festgesetzt, welche auch über alle daherigen Bewilligungen bestimmen. Die letztern sind an eine der Größe und dem Wert des Umsatzes entsprechende, den Erhebungskantonen verbleibende Verkaufssteuer zu knüpfen.

Vorbehalten bleiben die in Art. 7 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886 betreffend gebrannte Wasser vorgesehenen Verkaufsverbote.a In diesem Eventualantrag ist die Eichpflicht für die Schankgefäße fallen gelassen worden, weil dieselbe bis jetzt praktisch nicht zu einer regelrechten Durchführung hat gebracht werden können.

Was den internationalen Verkehr betrifft, so beschweren sich die schweizerischen Händler namentlich darüber, daß die ausländischen Firmen für ihre Detailsendungen nach der Schweiz von den kantonalen Kleinhandelsvorschriften nicht oder nur unvollkommen betroffen werden.

Es ist zuzugeben, daß thatsächlich Sendungen unter 40 Litern aus dem Ausland ohne Bezahlung kantonaler Verkaufssteuern an schweizerische Abnehmer gelangen, und daß dieser ungleichen Behandlung in- und ausländischer Interessenten seitens der Kan-

637

tone schwer zu begegnen sein wird. Dagegen darf anderseits auch betont werden, daß diese Detailimporte, nach allem was wir darüber wissen, im ganzen nicht von sehr großer Bedeutung sind, und daß auf allen eingeführten Spirituosen,- gleichgültig ob dieselben in Mengen von über oder von unter 40 Litern über die Grenze kommen, höhere Monopolgebühren lasten, als auf den im Inland erzeugten.

Der inländische Spirituosenhändler, welcher seinen Sprit bei der Alkoholverwaltung bezieht, entrichtet durch Bezahlung des nach Art. 4 des Gesetzes bestimmten Monopolpreises eine von einem Jahr zum ändern etwas wechselnde Monopolgebühr von cirka 80 bis 85 Franken per Hektoliter absoluten Alkohols.

Die in Fässern aus dem Ausland kommenden BranntweinEinfuhren von Privatpersonen dürften einen mittlern Alkoholgehalt von rund 60 Graden und eine Tara von cirka 15 °/o, d. h. per Hektoliter ein Nettogewicht von nicht ganz 90 und ein Bruttogewicht von rund 100 Kilo aufweisen. Die auf diesen 100 Kilo nach Art. 3 des Gesetzes · erhobene Monopolgebühr von Fr. 80 repräsentiert also per Hektoliter absoluten Alkohols eine Steuer von ungefähr Fr. 135, woraus hervorgeht, daß der Ausländer etwa Fr. 50 per Hektoliter mehr bezahlt als der Inländer. Wir finden darin eine genügende Kompensation für die bei dem erstem zum Teil nicht bezogenen Kleinhandelsgebühren, würden aber, falls, die Bundesversammlung anderer Ansicht wäre, einem Antrag nicht entgegentreten, welcher dahin ginge, die Detailsendungen aus dem.Auslande (z. B. alle Einfuhren von unter 100 Kilo Bruttogewicht) mit einer etwas höhern Monopolgebühr als der jetzigen von Fr. 80 zu belegen. Einem derartigen Antrage wäre durch eine Novelle zu Art. 3 des Gesetzes leicht Rechnung zu tragen. Wir könnten einer solchen Gesetzesergänzung indessen immerhin nur für den Fall zustimmen, daß eine Herabsetzung der jetzigen Großhandelsgrenze nicht belieben sollte.

g. Organisation der Alkoholverwaltung (Art. 10).

In weiterer Ausführung dieses Artikels wäre die Organisation der Alkoholverwaltung gesetzlich festzustellen. Wir halten es indessen für richtiger, diesen Punkt erst nach Erledigung der Revision des eigentlichen Alkoholgesetzes durch eine Specialvorlage zum Austrag zu bringen.

638

h. Verwaltung des Alkoholzehntels (Art. 13).

Nach der jetzigen Fassung des Art. 13 läßt sich nicht ohne eine -gewisse Berechtigung der Standpunkt vertreten, daß der Bundesrat nicht befugt sei, der Bundesversammlung über die Verwendung des Alkoholzehntels in den einzelnen Kantonen Anträge zu unterbreiten, ·daß die Aufgabe der Bundesregierung vielmehr nur in der Sammlung der kantonalen Berichte und in der Weiterleitung derselben an die Bundesversammlung bestehe.

Wir halten nun aber eine derartige rein passive Stellung der Bundesexekutive der Wichtigkeit der Sache gegenüber nicht für angezeigt, würden es daher im Fall einer allgemeinen Revision sehr willkommen heißen, wenn die Kompetenzen des Bundesrates in dem Sinne eine angemessene Erweiterung erführen, daß derselbe ausdrücklich das Recht erhielte, zu den Berichten der Kantone alle diejenigen Anträge an die Bundesversammlung zu stellen, welche er im Interesse der verfassungsmäßigen Verwendung des Alkoholzehntels für notwendig erachtet.

i. Ausbau der Strafbestimmungen (Art. 14).

Eine Lücke der bestehenden Vorschriften besteht insofern, als ein Sicherheitsverhaft von im Inland nicht domizilierten Übertretern nicht expressis verbis vorgesehen ist. Auch schiene es uns bei einer Gesamtrevision geboten, der Verwaltung das Recht zur Konfiskation gesetzwidrig beschaffter Ware zuzugestehen. Dabei könnte ferner das Begnadigungsrecht bestimmter geordnet und im einzelnen auf eine bessere Redaktion einiger Gesetzesstellen Bedacht genommen werden.

k. Verleideranteile der Beamten (Art. 16).

Es erscheint uns zweckmäßig, bei einer allgemeinen Gesetzesrevision nicht nur die besondern Ansprüche der Zollbeamten auf den Verleideranteil, sondern auch diejenigen der Beamten der Alkoholverwaltung zu regeln. Als wegleitend dabei würden wir das bereits auf dem Verordnungsweg eingeführte Verfahren betrachten , demzufolge der auf einen Monopolbeamten entfallende Verleideranteil einem Fonds einverleibt wird, aus welchem den bei der Verfolgung von Übertretungen durch Eifer- und Pflichttreue sich auszeichnenden Beamten alljährlich Belohnungen angewiesen werden können.

639 I. Prozessvorschriften flìr die gerichtliche Verfolgung von Übertretungen (Art. 17).

Hier wäre des inzwischen erlassenen Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege zu gedenken und für Hebung einiger Zweifel über das Verfahren zur Einreichung der Klagen, über die geltenden Kassationsgründe etc. Sorge zu tragen.

In Zusammenfassung des Gesagten stellen wir don Antrag: 1. die Bundesversammlung wolle von einer allgemeinen Revision des Alkoholgesetzes dermalen noch Umgang nehmen; 2. die Bundesversammlung möge der beifolgenden Novelle /,u den Art. 2 und 14 des Gesetzes ihre Ratifikation erteilen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 6. Juni 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

640

(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

die teilweise Revision des Bundesgesetzes vont 23. Dezember 1886 betreffend gebrannte Wasser.

Die Bundesversammlung der schweizeris-chen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 6. Juni 1898,.

beschließt: Art. 1. Der in Art. 2 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886 betreffend gebrannte Wasser der inländischen Produktion vorbehaltene Teil des gesamten Landesbedarfs an Sprit und Spiritus soll 30,000 Hektoliter absoluten Alkohols pro Jahr nicht übersteigen. Diese Menge kann in einem gegebenen Jahre auf Rechnung des nächstfolgenden um höchstens 25 °/o überschritten werden.

Art. 2. Die in Art. 14 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886 betreffend gebrannte Wasser vorgesehenen Bußenminima kommen in Wegfall.

Gehülfen und Begünstiger unterliegen ebenfalls den Strafbestimmungen des Gesetzes.

641 Art. 3. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die teilweise Revision des eidgenössischen Alkoholgesetzes. (Vom 6. Juni 1898.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1898

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

25

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.06.1898

Date Data Seite

619-641

Page Pagina Ref. No

10 018 352

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.