534 # S T #

9 2 4

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn in Interlaken.

(Vom 16. September 1918.)

Mit Bundesbeschluss vom 19. Juni 1903 (E. A. S. XIX, 110) wurde dem Gemeinderat Interlaken zuhanden der dortigen Einwohnergemeinde, eventuell zuhanden einer zu bildenden Aktiengesellschaft, die Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Strassenbahn erteilt. Der Eonzessionärin wurde seither von uns wiederholt eine Fristverlängerung zur Einreichung der vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen gewährt, letztmals mit Bundesratsbeschluss vom 23. November 1915 (E. A. S.

XXXI, 148). Mittels Eingabe vom 31. Mai 1918 stellt nun der Gemeinderat Interlaken das Gesuch, es möchte die Konzession, die infolge unbenutzten Ablaufes der zur Einreichung der Vorlagen angesetzten Frist erloschen ist, erneuert werden. Dabei beruft sich der Gemeinderat auf die Konzessionsvorlage des Jahres 1903. Da der Regierungsrat des Kantons Bern in seiner Vernehmlassung vom 19. Juli dem Begehren des Konzessionsbewerbers zugestimmt hat, hat unser Eisenbahndepartement den nachstehenden Konzessionsentwurf erstellt, der materiell der Konzession vom 19. Juni 1903 entspricht. Dessen Fassung stimmt mit den von Ihnen erteilten letzten Konzessionen überein. Der Gemeinderat Interlaken hat sich mit dem Entwurf unterm 15. August einverstanden erklärt und von der Kantonsregierung, der der Konzessionsentwurf noch zur Kenntnis gebracht wurde, sind keine Einwendungen erhoben worden. Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf, der uns zu keinen besondern Bemerkungen Anlass gibt, zur Annahme.

Genehmigen Sie auch bei diesem Anlasse die Versicherung: unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 16. September

1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates., Der Bundespräsident: Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

535

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer elektrischen Strassenbahn in Interlaken.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Gemeinderates Interlaken vom 31. Mai 1918; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 16. September 1918, beschliesst: Dem G e m e i n d e r a t I n t e r l a k e n wird zuhanden der dortigen E i n w o h n e r g e m e i n d e , eventuell zuhanden einer zu bildenden Aktiengesellschaft, die Konzession für den Bau und den Betrieb einer elektrischen Strassenbahn in I n t e r l a k e n , nämlich : 1. von Interlaken-Bahnhof bis Interlaken-Ost ; 2. von Interlaken-Bahnhof nach der Wagneren und vom Zentralplatz zum Hotel National, unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 3. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 4. . Falls eine Aktiengesellschaft gegründet wird, so ist der Sitz in Interlaken.

536

Art. 5. Die Mehrheit der Direktion, des Verwaltungsrates und eines allfälligen Ausschusses desselben soll aus Schweizerbürgern, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Das ständige Personal soll aus Schweizerbürgern bestehen.

Art. 6. Binnen 24 Monaten, vom Jntrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen für die Linie Interlaken- Bahnhof--Interlaken-Ost, sowie eventuell die Statuten der Gesellschaft zur Genehmigung einzureichen.

Binnen 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung dieser Linie zu beginnen.

Binnen 12 Monaten, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, istjdie Linie Interlaken-Bahnhof--Interlaken-Ost zu vollenden und dem°Betriebe zu übergeben.

Für die zweite Sektion (Interlaken-Bahnhof--Wagneren und Zentralplatz-Hotel National) wird der Bundesrat die Fristen nach Anhörung der Bahnverwaltung und der Kantonsregierung festsetzen.

Die Nichteinhaltung der Fristen für eine der beiden Sektionen hat nur den Hinfall der Konzession für die betreffende Sektion zur Folge.

Art. 7. Mit der Erstellung der Bahn und der zum Betrieb erforderlichen Einrichtungen darf erst begonnen werden, nachdem der Bundesrat die von der Konzessionärin vorgelegten Entwürfe genehmigt hat. Der Bundesrat ist berechtigt, nachträglich Änderungen der von ihm genehmigten Entwürfe zu verlangen, wenn er es für notwendig erachtet.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter erstellt.

In bezug auf die Benützung der öffentlichen Strassen für die Anlage und den Betrieb der Bahn gelten die Vorschriften des zwischen dem Regierungsrat des Kantons Bern und dem Gemeinderat von Interlaken unterm 25. Januar/7. Mai 1902 -vereinbarten Pflichtenheftes, soweit diese Vorschriften nicht mit der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung im Widerspruch stehen.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlicher Bedeutung, die durch die Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen usw. sind Eigentum des Kantons Bern und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, denen die Beaufsichtigung des Bahnbaues und des Bahnbetriebes obliegt, ist zu

537

jeder Zeit freier Zutritt zu allen Teilen der Bahn zu gewähren, sowie das zur Vornahme der Untersuchungen nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Bahn, die in der Ausübung ihres Dienstes zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen die nicht von der Konzessionärin selbst eingeschritten wird, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden. Das gleiche gilt gegenüber Mitgliedern der Verwaltung, denen vorübergehend oder dauernd Dienstverrichtungen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind.

Art. 12. Die Konzessionärin übernimmt nur die Beförderung von Personen und Handgepäck.

Art. 13. Die Konzessionärin kann den Betrieb auf die Zeit vom 1. Mai bis 15. Oktober beschränken. Der Bundesrat ist jedoch berechtigt, im Falle des Bedürfnisses eine Ausdehnung der Betriebszeit zu verlangen.

Art. 14.

Es wird nur eine Wagenklasse geführt.

Art. 15. Der Fahrpreis soll den Betrag von 15 Rappen für den Kilometer einfacher Fahrt nicht überschreiten.

Kinder bis zum vollendeten vierten Lebensjahre, für die kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, sind frei zu befördern.

Für die Beförderung von Kindern von mehr als vier Jahren kann der volle Fahrpreis erhoben werden.

Die Konzessionärin ist verpflichtet, Abonnemente zu ermässigtem Preise abzugeben.

Den Reisenden ist gestattet, leicht tragbare Gegenstände als Handgepäck mitzunehmen. Werden dafür Steh- oder Sitzplätze in Anspruch genommen, so darf die entsprechende Personentaxe erhoben werden.

Art. 16. Die Fahrpreise sind herabzusetzen, wenn der Jahresgewinn in sechs aufeinanderfolgenden Jahren im Durchschnitt und für jedes einzelne der drei letzten Jahre 6 °/o des Aktienkapitals übersteigt, sofern nicht die Konzessionärin den Bedürfnissen der Bevölkerung durch Gewährung anderer Preiserleichterungen oder durch Einführung von Verkehrsverbesserungen genügend Rechnung trägt. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Konzessionärin nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

538 Wenn der Jahresgewinn während drei aufeinanderfolgender Jahre 2 °/o des Aktienkapitals nicht erreicht, erlangt die Konzessionärin ein Anrecht auf angemessene Erhöhung der in Art. 15 vorgesehenen Höchsttaxe. Über das Mass der Erhöhung entscheidet die Bundesversammlung.

Art. 17. Die Konzessionärin ist verpflichtet: a. Für Äufnung eines Reservefonds, dessen Mittel zur Bestreitung ausserordentlicher Ausgaben infolge von Naturereignissen, Unfällen und Krisen, sowie zur Deckung allfälliger Fehlbeträge dienen sollen, zu sorgen, durch jährliche Rücklage von mindestens 5 °/o des Jahresgewinnes, bis 10 %.

des Aktienkapitals erreicht sind; 6. für das Personal eine Krankenkasse einzurichten oder es bei einer Krankenkasse zu versichern ; c. für das Personal eine Dienstalterskasse oder Pensionskassfr zu gründen, wenn der Jahresgewinn in drei aufeinanderfolgenden Jahren 4 °/o des Aktienpapitals übersteigt ; d. die Reisenden bei einer Anstalt oder einem Eisenbahnverband gegen diejenigen Unfälle zu versichern, für die sie gemäss den geltenden gesetzlichen Bestimmungen haftpflichtig ist.

Art. 18. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Bern gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Konzessionärin drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Driltmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten..

Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung des Erneuerungsfonds dazu nicht ausreichen, so ist ein Verhältnismassiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

539

e. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1955 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft angekündigt wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1955 und 1. Januar 1970 erfolgt, den 22V2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1970 und dem Ablauf derv Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; --unter Abzug des Erneuerungsfonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller ändern etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

a. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder dem Erneuerungsfonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufs im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 19. Hat der Kanton Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 18 vorgesehen ist, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der Konzessionärin zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 20. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieses Beschlusses, der am 15. Oktober 1918 in Kraft tritt, beauftragt.

j--&>-<

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn in Interlaken. (Vom 16. September 1918.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1918

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

38

Cahier Numero Geschäftsnummer

924

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.09.1918

Date Data Seite

534-539

Page Pagina Ref. No

10 026 859

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.