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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend den baulichen Luftschutz (Vom 10. Oktober 1950)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend den baulichen Luftschutz mit folgender Botschaft vorzulegen: I. Einleitung Die gespannte militärpolitische Lage macht es den verantwortlichen Stellen zur Pflicht, neben den militärischen Vorbereitungen auch Vorkehren zum Schutze der Bevölkerung gegen die Polgen von Luftangriffen zu treffen.

Die Erfahrungen des letzten Weltkrieges zeigen, dass man sich vor Luft, angriff en nur dann wirksam schützen kann, wenn genügend Schutzräume vorhanden sind.

Der Schutzraumbau benötigt aber dermassen viele Arbeitskräfte, Material, Transportmittel und vor allem einen erheblichen Zeitaufwand, dass damit nicht noch länger zugewartet werden darf.

: Am idealsten wäre natürlich der Bau volltreffersicherer Schutzräume, wor' unter man solche versteht, welche einem direkten Treffer einer 500-kg-Fliegerbombe widerstehen und gegen Kampfstoffe, Bauch, Staub und gegen die radioaktive Strahlung der Atombombe schützen. Die Erstellung derartiger Bäume in genügender Anzahl käme aber dermassen teuer zu stehen, dass davon abgesehen werden muss.

Aber schon die nahtreffersichern Schutzräume, das sind solche, welche -- Ausnahmefälle vorbehalten -- gegen den Luftdruck und die Splitter einer im Mindestabstand von 15m explodierenden 500-kg-Fliegerbombe gegen die Trümmerlast des einstürzenden Hauses und gegen Kampfstoffe, Bauch und Staub schützen, sind überaus wirksam. Sie schützen sogar gegen die radioaktive Strah-

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hing der Atombombe, wenn sich zwischen Explosionsherd und Schutzraum, d. h.

an der Hausmauer, eine Schutzschicht von etwa 2 m Sand befindet.

Im beigelegten Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend den baulichen Luftschutz ist an die Erstellung nahtreffersicherer Schutzräume gedacht. Am billigsten kommen diese zu stehen, wenn sie, wie das auch vorgesehen ist, gleichzeitig mit Neubauten oder grösseren Umbauten errichtet werden. Auf diese Weise betragen die Mehrkosten nicht mehr als 2 bis 3 % der gesamten Baukosten. Dabei sollen die Bäume in erster Linie ihrem normalen Eriedenszweck dienen, aber so beschaffen sein, dass sie im Kriege zum Schutze der Bevölkerung verwendet werden können.

Der Bau solcher nahtreffersicherer Schutzräume erfolgte im Zusammenhang mit der Förderung der Wohnbautätigkeit erstmals wieder durch Bundesratsbeschluss vom 2. September 1949 über bauliche Luftschutzmassnahmen. Es wurde dort vorgesehen, dass Bundesbeiträge an Bauten in Ortschaften von 1000 und mehr Einwohnern grundsätzlich von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass der Bauherr die erforderlichen baulichen Luftschutzmassnahmen treffe, die darin bestanden, eine Ausbreitung von Bränden zu verhindern und die Kellerräume als Luftschutzräume zu erstellen, wobei deren rasches Verlassen gewährleistet werden musste. Dieser Bundesratsbeschluss war nur kurze Zeit wirksam, da in der Volksabstimmung vom 29. Januar 1950 der Bundesbeschluss betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer und die Abänderung des Bundesbeschlusses über Massnahmen zur Förderung der Wohnbautätigkeit verworfen wurde. Während der Dauer seiner Wirksamkeit konnten immerhin die Grundlagen für Schutzräume gelegt werden, die für ungefähr 25000 Personen Platz bieten. Die meisten wurden inzwischen erstellt.

Es dürften heute in der Schweiz nach neuerer Schätzung insgesamt etwa für 50 000 Personen Schutzräume vorhanden sein. Das ist aber viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass doch die Bevölkerung in den grösseren und mittleren Ortschaften, die, wie die Kriegserfahrungen gezeigt haben, in erster Linie Luftangriffen ausgesetzt sein werden, etwa 3,5 Millionen Personen, also 3/4 unserer Bevölkerung, ausmacht.

Man hat dann und wann versucht, die Wirksamkeit nahtreffersicherer Schutzräume und auch von solchen, die nachträglich in bestehende Bauten eingerichtet
worden sind, zu bestreiten. Es bestehen aber viele Kriegsbeispiele, die den Nutzen dieser Bäume beweisen. So erlitt Stuttgart, eine Stadt von 500 000 Einwohnern, 53 zum Teil sehr schwere Lüftangriffe. 25 000 Tonnen Brand- und Sprengbomben verwandelten einen grossen Teil der Stadt in kurzer Zeit in einen Trümmerhaufen. Sie verfügte aber über zahlreiche Schutzräume, Notausstiege, Fluchtwege und Hausfeuerwehren, und so schwer die Verluste auch waren, so blieben sie doch im Vergleich zu andern Städten klein. Stuttgart hatte 4000 Tote zu beklagen. Dagegen war Pforzheim (80 000 Einwohner) sehr schlecht vorbereitet. Die Schutzräume fehlten, und der Schutz der Bevölkerung wurde nicht organisiert Ein einziger Angriff genügte, um'25 000 Menschen

165 zu töten. Dabei wurden nur 1600 Tonnen Bomben abgeworfen. Auf 100 Tonnen Bomben entfielen in Stuttgart 16 Todesopfer, in Pforzheim 1500. In Karlsruhe, das 190 000 Einwohner zählte und das sich rechtzeitig vorgesehen hatte, waren es auf 100 Tonnen 13 Tote ; in Caen (65 000 Einwohner) in 'der Normandie, wo niemand erwartete, dass die Alliierten eine französische Stadt so massiv bombardieren würden, wo die Bevölkerung sich in Sicherheit wähnte und keine Vorbereitungen zu ihrem, eigenen Schutze getroffen hatte, waren es 400 Tote.

Die Invasionskämpfe der Normandie lehrten aber .noch ein anderes : Kein Mensch kann mit Sicherheit vorausbestimmen, welche Ortschaften besonders gefährdet sind und welche nicht. Niemand weiss zum voraus, welche Dörfer und Städte angegriffen und welche verschont sein werden. So blieb die alte Stadt Bayeux vollkommen unversehrt ; kleine Dörfer aber, wie beispielsweise Aunay-sur-Odon, wurden gänzlich vernichtet.

; ;: Eine Ende Juli 1950 herausgekommene englische Aufklärungsschrift über die Atombombe bestätigt das, was uns bereits aus amerikanischen Berichten bekannt war, dass Schutzräume, wie sie hier vorgesehen sind, grundsätzlich auch gegen die Hitze, Druckwirkung und Radioaktivität der Atombombe schütten, sofern bezüglich der Badioaktivität das Mauerwerk genügend dick oder eine Erddecke von über l m vorhanden sei. Es darf eben nicht vergessen werden, dass die Wirkung der Atombombe, die mit Ausnahme der Hitze und Badioaktivität jener der andern Bomben entspricht, nur grössere Ausdehnung aufweist. ' ' ' · · · · ' II. Der Entwurf eines Bundesbeschlusses Der Entwurf entspricht fast: gänzlich dem Ergebnis der Beratungen der Eidgenössischen ; Luftschutzkommission, welcher auch Vertreter solcher Kreise angehören, die am baulichen Luftschutz besonders interessiert sind.

Der Beschluss sieht im wesentlichen vor, dass in Ortschaften von 1000 und mehr. Einwohnern in allen Neubauten und grössern Umbauten der Kellerräume Schutzräume und Notausstiege, in Eeihenbauten auch Mauerdurchbrüche zu erstellen sind. ; Wenn, man; die Grenze bei Ortschaften von 1000 Einwohnern und mehr zieht, werden von den insgesamt 3105 Gemeinden der Schweiz deren 800 mit einer Einwohnerzahl von ungefähr 3,5 Millionen erfasst, also 3/4 unserer Bevölkerung., Trotzdem wird dadurch erst ein kleiner Teil der
Bevölkerung geschützt, da auf diese Weise jährlich höchstens für etwa 40 000 Personen Schutzräume erstellt werden können, das heisst für 30 000 in Wohnhäusern und für 10000 in Schulhäusern, Spitälern, Verwaltungsbauten usw.

Eichtigerweise sollte daher das Obligatorium auch auf ^bestehende Bauten ausgedehnt werden, denn es muss davor gewarnt werden, zu glauben, dass sich die Verstärkung der Kellerdecken und das Herrichten des Gas- und Splitterschutzes sowie der Notausstiege und Mauerdurchbrüche im letzten Augenblick, selbst wenn es vorbereitet worden ist, bewerkstelligen lasse. Dies alles erfordert Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. III.

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sehr viel Zeit. Die meisten der angehörten Kantone und viele Organisationen haben aber Bedenken geäussert, schon heute den Einbau in bereits bestehende Häuser als obligatorisch zu erklären. Aus diesem Grunde unterlässt der Bundesrat einen solchen Vorschlag, indem er hofft, dass vom freiwilligen Einbau, der in gleicher Höhe subventioniert wird wie der obligatorische Schutzraumbau, weitgehend Gebrauch gemacht wird. Er empfiehlt dies aber nachdrücklich, ist doch der Luftschutz in erster Linie Selbstschutz. Sollte aber der freiwillige Einbau den Erwartungen nicht entsprechen oder sollte sich die politische Lage nicht bald zum Bessern wenden, dann wird der Bundesrat darauf zurückkommen müssen.

Zu den Schutzräumen sind ferner Notausstiege und Mauerdurchbrüche zu erstellen, um bei Bränden ein rechtzeitiges Verlassen des gefährdeten Gebietes zu ermöglichen.

Wir möchten einzelne Artikel des Bundesbeschlusses wie folgt erläutern: Ingress: Der Bundesbeschluss kann sich wie jener vom 18. März 1937 betreffend Förderung baulicher Massnahmen im passiven Luftschutz und, wie es sich aus einem kürzlich beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingeholten Gutachten ergibt, auf Artikel 85, Ziffern 6 und 7, der Bundesverfassung stützen.

Art. l und 2: Durch die Luftangriffe des letzten Weltkrieges wurden nicht nur grössere Städte teilweise zerstört, sondern auch viele kleinere Dörfer gänzlich vernichtet. Daraus müsste man eigentlich den Schluss ziehen, dass das Obligatorium des Schutzraumbaues alle Ortschaften umfassen sollte. Wir haben uns auf jene von 1000 und mehr Einwohnern beschränkt, lassen aber die Möglichkeit offen, dass der Bundesrat nach Anhören der Kantone auch kleinere Ortschaften dem Obligatorium unterstellen kann. .Umgekehrt kann es sich rechtfertigen, gegebenenfalls eine Ortschaft von 1000 und mehr Einwohnern, wenn es sich z. B. um eine sehr ausgedehnte und" offene Siedlung handelt, aus dem Obligatorium zu entlassen.

Art. 3: Obschon der Luftschutz in erster Linie Selbstschutz ist, dürfte es im Interesse seiner Förderung liegen, wenn der Bund einen Beitrag leistet, der mit 10 % der bisherigen Höhe entspricht. Ferner wird von Kanton und Gemeinde verlangt, dass sie zusammen mindestens den doppelten Betrag (20 %) ausrichten gegenüber einem einfachen (10 %) von früher. Es wird dabei der Erwartung
Ausdruck gegeben, dass die Ausrichtung eines Beitrages seitens der öffentlichen Hand von 30 anstatt 20 % den freiwilligen Schutzraumbau besser fördern wird, als das bis jetzt der Fall war. Auf die Frage der Höhe der Beitragsleistung wird in Abschnitt IV noch näher einzutreten sein.

In einem Vorentwurf war die Bundesleistung abhängig gemacht worden von jener des Kantons und der Gemeinde. Diese Lösung entsprach aber nicht der Eechtsgleichheit, denn dort, wo von Kanton oder Gemeinde kein Beitrag geleistet worden wäre, hätte der Hauseigentümer alle Kosten übernehmen müssen.

167 Eine 20 %ige Beitragsleistung seitens des Bundes für Massnahmen des Kantons oder der Gemeinde für ihr Personal oder für die Allgemeinheit war auch nach bisherigem Recht möglich.

Art. 4 und 5 ordnen die Beitragsleistung an den freiwilligen Schutzraumbau, an die Fluchtwege (worunter man im Gegensatz zu den Notausstiegen solche versteht, die durch mehrere Häuser oder unterirdisch auf freie Plätze führen) und an die Löschwasserversorgung.

Art. 6: Dieser Artikel gibt dem Hauseigentümer die Sicherheit dafür, dass die Forderungen für den Schutzraumbau in gewissen Grenzen bleiben.

Art. 7: Dass der Bund an den Unterhalt der Schutzräume keine Beiträge leistet, dürfte richtig sein, stehen diese doch nicht im Eigentum des Bundes.

Es kann dagegen nicht seine Sache sein, dies auch den Kantonen und Gemeinden vorzuschreiben. Diese sollen hierin frei sein.

. Eine Ausnahme wird bei den bereits bestehenden Schutzräumen der Luftschutzorganisationen gemacht, d. h. bei den Alarmzentralen, Bereitschaftsräumen, Kommandoposten und Sanitätshilfsstellen, weil der Bund am Unterhalt dieser Bäume ein besonderes Interesse hat und bisher an die entsprechenden Kosten einen Beitrag von 50 % leistete.

Art. 8 sieht vor, dass zur Durchführung der baulichen Luftschutzmassnahmen der Bund das Enteignungsrecht gestützt auf das Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung selbst ausüben oder es an die Kantone oder Gemeinden übertragen könne.

Diese Vorschrift ist notwendig, weil der Bundesratsbeschluss vom 17. November 1939, in der Fassung vom 11. Juli 1941, betreffend vermehrte Förderung baulicher Massnahmen für den Luftschutz (ein Vollmachtenbeschluss), der unter anderem auch die Enteignung regelte, nicht mehr :in Kraft ist. Das Enteignungsgesetz bestimmt in seinem Artikel 3, dass die 'Übertragung des Enteignungsrechtes an Dritte nur ; auf Grund eines Bundesbeschlusses oder Bundesgesetzes zulässig sei.

Art. 9 bestimmt, dass die vorgeschriebenen Massnamnen, wenn sie der Pflichtige nicht durchführt, auf dessen Kosten vom Kanton anzuordnen seien.

Es ist dies das erforderliche Korrelat dazu, dass Schutzräume,. Notausstiege und auch ; Mauerdurchbrüche dringend erstellt werden müssen. Diese Kompetenz der Kantone ist weit wichtiger als die in Artikel 11, vorgesehene Möglichkeit, Säumige bestrafen zu können.

Art. W: Wir möchten
lediglich darauf hinweisen, dass die Bekurskommission der eidgenössischen Militärverwaltung schon heute zur Beurteilung von Streitigkeiten aus dem Luftschutzrecht zuständig ist (vgl. Art. 166 des Beschlusses der Bundesversammlung vom 30. März 1949 über die Verwaltung der schweizerischen Armee; AS 1949, 1093).

168 III. Finanzielle Auswirkungen Die Berechnung, dass jährlich für 30 000 Personen Schutzräume in Wohnhäusern erstellt werden können, beruht auf der Annahme, dass in den nächsten Jahren jährlich 10 000 Wohnungen neu gebaut werden. Die Kosten pro Person für diese Luftschutzmassnahmen dürften ungefähr 200 Franken betragen, so dass mit einem Aufwand von rund 6 Millionen jährlich zu rechnen ist. Dazu kämen die Kosten der Luftschutzmassnahmen für die 10 000 Personen in Schulhäusern, Spitälern, Verwaltungsbauten usw., die auf rund 3 Millionen jährlich geschätzt werden müssen (ungefähr Fr. 300 pro Person). Der Gesamtaufwand würde also 9 Millionen und der Bundesanteil somit l,2 Million betragen (10% von 6 Millionen und 20% von 3 Millionen).

Die Kosten für den Schutzraumbau in Ortschaften, die dein Obligatorium nicht unterstehen oder die den Schutzraumbau in bestehenden Häusern betreffen, lassen sich nicht berechnen und auch nicht schätzen. Sie werden von Kanton zu Kanton verschieden sein, wahrscheinlich aber bedeutend weniger ausmachen als für. das. Obligatorium.

IV. Die Stellungnahme der kantonalen Regierungen

Der Entwurf wurde noch den Kegierungen der Kantone zur Stellungnahme unterbreitet.

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Keine einzige hat die Notwendigkeit der Ergreifung baulicher Massnahmen zum Schutze der Zivilbevölkerung bestritten; sie waren sich auch einig, dass ohne Obligatorium das gesteckte Ziel nicht erreicht werden könne.

Die meisten vertraten dagegen die Auffassung, dass der Bund für Massnahmen, die vom Kanton oder der Gemeinde für ihr Personal oder für die Allgemeinheit getroffen werden, wie bisher einen erhöhten Beitrag ausrichten sollte, nämlich 20-25 %. Diesem Begehren wurde Eechnung getragen und in Artikel 3 für diese Bauten die im Entwurf ursprünglich vorgesehenen 10 % auf 20 % erhöht. Es rechtfertigt sich das schon deshalb, weil solche für die Öffentlichkeit vorgesehenen Schutzräume bedeutend grösser und auch kostspieliger sind, besonders wenn volltreffersichere Bäume erstellt, würden.

Ferner beantragten fast alle Kantone eine Erhöhung des Bundesbeitrages für private Schutzräume, Notausstiege und Mauerdurchbrüche von 10 auf 15 %, wobei Kanton und Gemeinde zusammen den gleichen Beitrag, d. h. ebenfalls 15%, leisten sollten. Sie begründeten dieses Begehren mit dem Hinweis darauf, dass die bisherige Lastenverteilung auch so war und dass der Luftschutz zur Landesverteidigung gehöre.

Aus folgenden Gründen möchte der Bundesrat von einer Beitragsleistung von 10 % nicht abweichen : Es ist richtig, dass während einiger Jahre der Bund an bauliche Luftschutzmassnahmen einen 15 %igen Beitrag leistete, nämlich während der Geltungsdauer des inzwischen aufgehobenen Vollmachtenbeschlusses vom 17. November 1939 betreffend vermehrte Förderung baulicher Massnahmen für den

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Luftschutz. Heute gilt aber noch der Bundesbeschluss vom 18. März 1937 betreffend Förderung baulicher Massnahmen im passiven Luftschutz auf freiwilliger Basis, der 10 % vorsieht und der durch diesen Beschluss ersetzt werden soll. · . " · . ' · : · · ; · · ' Fraglich ist vor allem, ob der bauliche Luftschutz wirklich zur Landesverteidigung gezählt werden kann. Baulicher Luftschutz ist in erster Linie Selbst-' schütz. Er ist vergleichbar mit den feuerpolizeilichen Vorschriften, nach welchen beispielsweise 'Brandmauern und anderes mehr verlangt wird. Baulicher Luftschutz ist eine. Angelegenheit der Gebäude-, der Hausverteidigung und dient dem Schütze der Hausbewohner. Freilich können Nachlässigkeiten auf diesem Gebiete unangenehme Bückwirkungen auf die Landesverteidigung haben, das finden wir aber auch auf andern Sektoren, beispielweise auf jenem der Vorratshaltung.

' Die bisherige Eegelung sah vor, dass Kanton und Gemeinde einen gleich grossen Beitrag zu leisten hätten wie der Bund (Art. 4, Abs. l :BB vom 18. März 1937). Diese Verteilung der Subventionsleistungen zwischen Bund und Kantonen im Verhältnis 1:1 entspricht jedoch heute nicht mehr einem allgemein gültigen Grundsatz. Inzwischen ist vielmehr derjenige der doppelt so hohen Leistung von Kanton und eventuell Gemeinde gegenüber dem Bund in den Vordergrund getreten. Wir verweisen dazu im besonderen auf den Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1947 betreffend Massnahmen zur Förderung der Wohnbautätigkeit (Art. 5), der die Bundeshilfe von einer mindestens doppelt so hohen Leistung des Kantons abhängig machte. Die Subventionierung des Wohnungsbaues durch die öffentliche Hand sah in der durch den genannten Bundesbeschluss abgelösten Verfügung Nr. 3 : des Eidgenössischen Militärdepartementes vom 5. Oktober 1945 noch eine Lastenverteilung im Verhältnis von 1:1 vor (Art. 7). In der Botschaft des Bundesrates vom 29. April 1947 (BB1 1947, II, 14 ff.) ist dann dargelegt, worden; dass die Finanzlage des Bundes eine Herabsetzung des Ansatzes notwendig mache, und die eidgenössischen Eäte haben mit ihrem Beschluss vom 8. Oktober. 1947 dieser Neuerung in der Verteilung der Beiträge der öffentlichen Hand zugestimmt.

Die Anwendung des Grundsatzes, wonach der Bund an den Leistungen der öffentlichen Hand inskünftig nur noch mit einem Drittel beteiligt sein soll, hat
ihre Ursache in der schwierigen Finanzlage der Eidgenossenschaft. Seit dem Beginn der letzten Aktivdienstzeit hat sich bekanntlich die Vermögenslage des Bundes gewaltig verschlechtert, ist doch der Schuldenüberschuss von 1,5 auf 8 Milliarden Franken gestiegen. Demgegenüber verbesserte sich die Finanzlage der Kantone im gleichen Zeitraum, indem deren Schuldenüberschuss um über 100 Millionen Franken zurückging und Ende 1948 rund 245 Millionen Franken betrug. Aus diesen wenigen Zahlen ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass. sich der Bund auch bei der Ansetzung seiner Beiträge grösster Zurückhaltung befleissigen muss, dies besonders im Zeitpunkt ausserordentlicher finanzieller Anspannung zugunsten der Verstärkung der materiellen Kriegsbereitschaft.

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Die Hausbewohner haben der Natur der Sache nach das grösste Interesse, vor Luftangriffen, für die der Staat ja nicht verantwortlich ist, geschützt zu sein.- Es erscheint daher auch gerechtfertigt, dass Eigentümer und Mieter zusammen den grösseren Teil der Mehrkosten, die sich aus der Durchführung baulicher Luftschutzmassnahmen ergeben, übernehmen. Das nächstgrösste Interesse haben zweifellos Gemeinde und Kanton.

Gestützt .auf diese Darlegungen beantragen wir Ihnen die Annahme des Entwurfes zu einem Bundesbeschluss betreffend den baulichen Luftschutz.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 10. Oktober 1950.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

17.1 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

den baulichen Luftschutz

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 6 und 7, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 10. Oktober 1950, beschliesst:

Art. l In Ortschaften von 1000 und mehr Einwohnern sind in der Eegel in allen Neubauten und grösseren Umbauten der Kellerräume Schutzräume und Notausstiege, in Reihenbauten auch Mauerdurchbrüche, zu erstellen.

2 Der Bundesrat kann in besonderen Fällen, auf Antrag der Kantone, Ausnahmen gestatten.

Art. 2 Der Bundesrat kann nach Anhören der Kantone oder auf deren Antrag auch Ortschaften, die weniger als 1000 Einwohner zählen,; oder besonders gefährdete Objekte dem Obligatorium unterstellen.

· ,. . .

1

Art. 3 Der Bund leistet an die durch den Bau der Schutzräume, Notausstiege und : Mauer dur chbrüche entstandenen Mehrkosten einen Beitrag von 10%; Kanton und Gemeinde haben zusammen mindestens den doppelten Beitrag (20 %) auszurichten.

2 Werden diese Massnahmen vom Kanton oder von der Gemeinde für ihr Personal oder für die Allgemeinheit getroffen, so beträgt der Bundesbeitrag 1

20%.

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Art. 4 Die gleichen Beiträge sind auch dann zu leisten, wenn die Schutzräume, Notausstiege und Mauerdurchbrüche in bereits bestehenden Häusern errichtet werden oder in Ortschaften, die dem Obligatorium nicht unterstehen.

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Art. 5 1

Der Bund leistet an den Bau von Fluchtwegen und an die Sicherstellung der vom Hydrantennetz unabhängigen Löschwasserversorgung gleichfalls einen Beitrag von 10 %; Kanton und Gemeinde haben zusammen mindestens den doppelten Beitrag (20%) auszurichten/ 2 Der Bundesbeitrag beträgt 20 %, sofern diese Massnahmen vom Kanton oder von der Gemeinde getroffen werden.

Art. 6 1

Der Bundesrat bestimmt die Mindestanforderungen, denen die in Artikel 3, 4 und 5 genannten Massnahmen entsprechen müssen.

2 Diese Anforderungen dürfen bei Schutzräumen, Notausstiegen und Mauerdurchbrüchen keine höheren Mehrkosten als 3 % der gesamten- Baukosten bei Einfamilienhäusern und 2 % bei allen übrigen Bauten verursachen.

i

Art. 7 Die Eigentümer neuer und schon bestehender Luftschutzanlagen sind verpflichtet, diese zu unterhalten und so zu verwenden, dass sie jederzeit dem ursprünglichen Zwecke dienstbar gemacht werden können. Über Ausnahmen entscheidet der Bundesrat nach Anhören der Kantone.

2 Der Bund leistet keinen Beitrag an die Unterhaltskosten. Die besondere Eegelung für die Schutzräume der Luftschutzorganisationen bleibt vorbehalten.

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Art. 8 Zur Durchführung der baulichen Luftschutzmassnahmen kann der Bund das Enteignungsrecht nach dem Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung ausüben oder dieses Becht an die Kantone oder die Gemeinden übertragen.

Art. 9 Wenn der Pflichtige die vorgeschriebenen Massnahmen nicht durchführt, sind sie auf dessen Kosten vom Kanton anzuordnen.

Art. 10 Über Ansprüche vermögensrechtlicher Natur des Bundes oder gegen den Bund, die sich auf diesen Bundesbeschluss oder auf Vollzugserlasse des Bundesrates stützen, entscheidet die Abteilung für Luftschutz unter Vorbehalt der Weiterziehung an die Bekurskommission der eidgenössischen Militärverwaltung, welche ohne Eücksicht auf den Streitwert endgültig entscheidet.

173 Art. 11 1

Wer gegen diesen Bundesbeschluss oder die gestützt darauf erlassenen Ausführungsbestimmungen und Einzelverfügungen verstösst, wird mit Haft oder Busse bestraft.

2 Die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen liegt den Kanto; : nen ob.

, · ··· Art. 12 ' Die Durchführung dieses Bundesbeschlusses ist Sache der Kantone. Sie bezeichnen die zuständigen Behörden und ordnen das Verfahren.

Art. 13 Der Bundesrat übt die Oberaufsicht aus und erlässt die notwendigen Ausführungsbestimmungen. Er kann seine Befugnisse dem Eidgenössischen Militärdepartement oder der Abteilung für Luftschutz übertragen.

Art, 14 Mit dem Inkrafttreten dieses Beschlusses wird der Bundesbeschluss vom 18. März 1937 betreffend die Förderung baulicher Massnahmen im passiven Luftschutz *) aufgehoben.

.

, Art. 15 Der, Bundesrat wird beauftragt, diesen Beschluss gemäss den Bestim. mungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmungen über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse bekanntzumachen.

2 Er bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.

1

*) AS 53, 168.

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