247

# S T #

5554

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über die Getreideversorgung des Landes (Vom 21. Oktober 1950)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen mit nachfolgender Botschaft den Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend die Abänderung des Getreidegesetzes vom 7. Juli 1932 zu unterbreiten.

l Nationalrat und Ständerat haben in der Septeinbersession 1950 ein Postulat über die Ausrichtung von Zuschlägen zur Mahlprämie in Gebirgsgegenden angenommen, das von ihren zur Prüfung des Beschlussentwurfes betreffend die Abnahmepreise für das Inlandgetreide der Ernte 1950 bestimmten Kommissionen eingebracht worden war. Das Postulat hat folgenden Wortlaut: Der Bundesrat wird eingeladen, die weitere Ausrichtung des bisherigen Mahlprämien-Zuschlages für Produzenten aus Gebirgsgegenden bis zur erfolgten Revision des Getreidegesetzes rTM prüfen und der Bundesversammlung Bericht und Antrag zu stellen.

II

Gemäss Artikel 9 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1932 über die Getreideversorgung des Landes (Getreidegesetz) hat der im Inlande niedergelassene Produzent, der im eigenen Haushalte oder landwirtschaftlichen Betriebe selbstgebauten mahlfähigen Weizen, Eoggen, Dinkel, Einkorn, Emmer oder Mischel aus diesen Getreidearten sowie Mais und in Gebirgsgegenden Gerste verwendet.

Anspruch auf eine Mahlprämie. Sie betragt Fr. 7.50 für je 100 kg vermahlenes Getreide.

Für Gebirgsgegenden kann die Mahlprämie bis auf Fr. 14.--^ für 100 kg Getreide erhöht werden. Als Gebirgsgegenden gelten in der Eegel die mehr als 800 Meter ü. M. gelegenen Gebiete.

248

Der Höchstbetrag von Fr. 14.-- darf nur in den mehr als 1100 Meter ü. M. gelegenen Gebieten bezahlt werden.

Von der Möglichkeit, innerhalb dieses Eahmens die Mahlprämie für Gebirgsgegenden zu erhöhen, hat der Bundesrat in Artikel 23 der Vollziehungsverordnung vom 4. Juli 1933 zum Getreidegesetz Gebrauch gemacht, indem er dort folgende Prämienansätze festlegte: je 100 kg

für Wohnsitz bis zu » » von » » » » » » » » über

800 m ü. M 801- 900 m ü. M 901-1000 m ü. M 1001-1100 m u. M 1100 m ü. M..

-.

Fr. 7.50 » 8.50 » 10.-- » 12.-- » 14.--

Im gleichen Artikel wird die Getreideverwaltung ermächtigt, innerhalb des gesetzlichen Rahmens höhere Zuschläge zu bewilligen, sofern dies durch besondere Produktionsschwierigkeiten gerechtfertigt ist. Im Benehmen mit der Abteilung für Landwirtschaft sowohl als mit den kantonalen Eegierungen hat die Getreideverwaltung für eine grössere Zahl von Gemeinden, Weilern und Einzelhöfen, welche unter 800 m liegen, die Ausnahmebestimmung zur Anwendung gebracht. Es haben sich daraus keine Schwierigkeiten ergeben.

Diese in der ordentlichen Getreidegesetzgebung vorgesehene Eegelung musste während des letzten Krieges ergänzt werden. Die vom Bundesrat auf den 1. September 1943 verfügte Brotpreisverbilligung hatte auf die Selbstversorgung mit Brotgetreide insofern ungunstige Rückwirkungen, als der ohnehin vorhandene Anreiz, das vom Bund verbilligte Brot zuzukaufen und dafür die Selbstversorgung mit Brotgetreide aufzugeben, vergrössert wurde.

Diese Gefahr bestand in ganz besonderem Masse für die Selbstversorgung in Gebirgsgegenden. Aus bäuerlichen Kreisen wurde deshalb der Vorschlag gemacht, den für den Konsumenten eingetretenen Brotpreisabschlag durch eine Mahlprämienerhöhung beim Selbstversorger auszugleichen, ein Vorschlag, gegen den sich aber in dieser allgemeinen Form Bedenken grundsätzlicher und auch finanzpolitischer Natur ergaben. Immerhin beschloss der Bundesrat am 20. September 1943, einen etwelchen Ausgleich durch einen bescheidenen «BrotpreisVerbilligungszuschlag» zur Mahlprämie wenigstens in Berglagen vorzunehmen.

Dieser Zuschlag betrug 2 Franken je Zentner mahlprämienberechtigtes, nachweisbar zur Selbstversorgung mit Brot im eigenen Haushalt des Produzenten verwendetes Getreide und wurde den Berechtigten bei der Auszahlung der Mahlprämie ausgerichtet. Er erschien in der Rechnung der Eidgenössischen Getreideverwaltung im Durchschnitt mit jährlich ungefähr 350 000 Franken.

Der erwähnte Zuschlag zur Mahlprämie wurde bisher regelmässig durch den Bundesrat, gleichzeitig mit der Festsetzung der Übernahmepreise für das Inlandgetreide, gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten beschlossen.

Diese Rechtsgrundlage fällt aber heute, nachdem sie auch für die Festsetzung

249

der Übernahmepreise nicht mehr in Frage kommt, dahin, und es gilt, wie für die Bestimmung der Preise, auch in bezug auf die Höhe der Mahlprämie wieder die im Bundesgesetz vom 7. Juli 1932 über die Getreideversorgung des Landes vorgesehene Eegelung. Das hat zur Folge, dass in der Septembersession der eidgenössischen Eäte wohl ein Zuschlag zu den Übernahmepreisen beschlossen werden konnte, für welche die Bundesversammlung an keine Grenze gebunden ist. Anders liegen die Verhältnisse bei der Mahlprämie. Diese ist in Artikel 9 des Getreidegesetzes, wie weiter oben erwähnt, zahlenmassig festgelegt. Die Möglichkeit, sie für Gebirgsgegenden bis auf Fr. 14 für je 100 kg vermahlenes Getreide zu erhöhen, hat der Bundesrat, wie ebenfalls ausgeführt wurde, bereits ausgeschöpft. Auch die Bestimmung von Artikel 28, Absatz 2, derVollziehungsverordnung znru Getreidegesetz führt nicht zum gewünschten Ziele, indem dort die Getreideverwaltung lediglich ermächtigt wird, innerhalb des gesetzlichen Eahmens höhere als die vom Bundesrat festgesetzten Gebirgszuschläge zu bewilligen, sofern dies durch besondere Produktionsschwierigkeiten gerechtfertigt ist. Zu einer allgemeinen Erhöhung der Mahlprämie für sämtliche Produzenten aus Gebirgsgegenden, wie sie unter dem Vollmachtenregime möglich war, fehlt ihr dagegen die Kompetenz.

III Die in Abschnitt II hievor geschilderten Verhältnisse haben zur Folge, dass der in Gebirgsgegenden nun seit sieben Jahren ausgerichtete Zuschlag zur Mahlprämie vom Versorgungsjahr 1950/51 hinweg, das heisst für das seit dem 1. Juli 1950 für die Selbstversorgung verwendete Getreide nicht mehr ausgerichtet werden kann, sofern nicht die dazu erforderliche rechtliche Grundlage geschaffen wird.

Aus den vorstehenden Darlegungen geht indessen hervor, dass die Senkung der Mahlprämie für Gebirgsgegenden um Fr. 2 für je 100 kg vermahlenes Getreide in keiner Weise beabsichtigt war, sondern ausschliesslich eine Folge der Abkehr von der vollmachtenrechtlichen Eegelung und der Eückkehr zur ordentlichen Getreidegesetzgebung ist. Diese formelle Lücke muss wieder geschlossen werden.

Heute mehr denn je gilt es, besonders auch in Höhenlagen, dem Bückgang des Getreidebaues entgegenzuwirken. Über dessen Umfang in den Gebirgsgegenden geben die nachstehenden Zahlen Aufschluss.

T-, .

Jirnte

Anzahl Mahlkarten

Menge q

Zuschlag zur Mahlprämie (Fr. 2-- je q)

1943 1944

49794 50515

182979 180644

365958 361288

1945. . . . : . .

1946

63337 53618

179941 174416

359882 348832

1947

39417

164442

328884

1948

31191

154 402

308 803

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. III.

18

250 Leider fehlen die Zahlen für die Ernte 1949, da diese Mahlkarten noch nicht im Besitze der Getreideverwaltung sind. Bei der Beurteilung der vorstehenden Ziffern darf nicht übersehen werden, dass sich darin die klimatischen Verhältnisse der verschiedenen Erntejahre widerspiegeln. So fällt die verhältnismässig geringe Anzahl Mahlkarten im Jahre 1944 verglichen mit 1945 auf. Wir hatten bekanntlich ini Jahre 1944 ab Ende August eine lang andauernde Schlechtwetterperiode, welche sich auf den Ernteertrag in den Höhenlagen nachteilig auswirkte. 1945 zeichnete sich dagegen durch einen langen, schönen Herbst aus. Abgesehen von diesen wetterbedingten Schwankungen zeigen die Zahlen eindeutig, dass der Getreidebau in den Nachkriegsjahren stark zurückgegangen ist. Besonders augenfällig geht dies aus den Mengen des zur Selbstversorgung verwendeten Getreides hervor; sie haben seit dem Jahre 1943 ständig abgenommen. Die grösste Verminderung zeigen die Jahre 1947 und 1948.

Die Entwicklung, wie sie aus der vorstehenden Zusammenstellung hervorgeht, mahnt zum Aufsehen. Die Ursache dieses Eückganges der in den Gebirgsgegenden zur Selbstversorgung verwendeten Getreidemengen liegt doch offenbar darin, dass viele Produzenten die Verwendung von Getreide im eigenen Haushalte nicht mehr als lohnend erachten, trotzdem ihnen in den Jahren 1943 bis 1949 ein besonderer Mahlprämienzuschlag von Fr. 2 je 100 kg vermahlenen Getreides ausgerichtet wurde. Es kann somit als sicher angenommen werden, dass die rückläufige Bewegung sich verstärken würde, wenn dieser Zuschlag in Wegfall käme. Es muss auch berücksichtigt werden, dass die Produktionskosten in den Berggebieten merklich höher liegen als im Flachland. Geringern und weniger sichern Erträgen stehen dort ein höherer Saatgutbedarf und ein bedeutend grösserer Arbeitsaufwand gegenüber, da infolge ungünstiger Bodengestaltung wenig maschinelle Arbeit verrichtet werden kann und der Weg vom Feld zum Hof oft weit und beschwerlich ist. Zudem verursachte der nach Kriegsbeginn verfügte Mehranbau vor allem in Gebirgsgegenden, wo vielfach bis dahin kein Getreidebau getrieben worden war, zusätzliche Ausgaben für Geräte und Lagerräume. Gerade wegen dieser erhöhten Produktionskosten hat die Bundesversammlung in ihrer diesjährigen Septembersession zu den normalen Abnahmepreisen, die der Bund
für das ihm abgelieferte Inlandgetreide bezahlt, für Getreide aus Gebirgsgegenden je nach Höhenlage des Wohnsitzes des Produzenten Zuschläge von Fr. 2 beziehungsweise von Fr. 3 je 100 kg bewilligt. Die gleichen Argumente, mit welchen diese Zuschläge begründet wurden, gelten auch für die Höhe der Mahlprämie in Gebirgsgegenden.

Nebenbei sei noch darauf hingewiesen, dass der Bundesrat gestützt auf die Bestimmungen von Artikel 24 des Getreidegesetzes zur Förderung des Getreidebaues in Gebirgsgegenden alljährlich im Durchschnitt etwa Fr. 30 000 für Beiträge an die Erstellung von Mühlen oder an die Verbesserung von Mahleinrichtungen bewilligt, welche den Anforderungen der Zeit nicht mehr genügen. Diese Beiträge wären schlecht angewendet, wenn man nicht auf der andern Seite dafür sorgen wollte, dass die mit Hilfe des Bundes errichteten

251 oder verbesserten Gebirgsmühlen wirklich ihren Zweck erfüllen und der Volkswirtschaft erhalten werden können. Dies ist aber nur möglich, wenn sie genügend Selbstversorgergetreide zur Verarbeitung erhalten.

IV

Formell ist die Weiterführung des bisherigen Zustandes dadurch zu erreichen, dass der in Artikel 9, Absatz 2 und 3, des Getreidegesetzes vom 7. Juli 1932 vorgesehene Höchstbetrag der Mahlprämie von Fr. 14 auf Fr. 16 hinaufgesetzt wird, und zwar rückwirkend auf den 1. Juli 1950, damit die bisherige, den Getreidebau und die Selbstversorgung in den Gebirgsgegenden fördernde Massnahme ohne unterbrach fortgeführt werden kann. Gestützt auf diese Bestimmungen wurde der Bundesrat die in Artikel 23, Absatz 1.

der VollziehungsVerordnung vom 4. Juli 1933 zum Getreidegesetz für Gebirgsgegenden aufgestellten Mahlprämienansätze um Fr. 2 je 100 kg erhöhen.

Gestützt auf unsere vorstehenden Ausführungen empfehlen wir Ihnen den beiliegenden Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über die Getreideversorgung des Landes zur Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 21. Oktober 1950.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, i

Der

Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

252 (Entwurf)

Bundesgesetz betreffend

die Abänderung des Bundesgesetzes über die Gelreideversorgung des Landes

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 21. Oktober 1950, beschliesst: Art. l Artikel 9, Absätze 2 und 3, des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1982*) über die Getreideversorgung des Landes (Getreidegesetz) werden aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt: Art. 9, Abs. 2. Für Gebirgsgegenden kann die Mahlprämie bis auf sechzehn Franken für hundert Kilogramm Getreide erhöht werden. Als Gebirgsgegenden gelten in der Eegel die mehr als achthundert Meter über Meer gelegenen Gebiete.

Abs. 3. Der Höchstbetrag von sechzehn Franken darf nur in den mehr als elfhundert Meter über Meer gelegenen Gebieten bezahlt werden.

Art. 2 Dieses Gesetz tritt rückwirkend auf den 1. Juli 1950 in Kraft.

*) AS 49. 439.

9334

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über die Getreideversorgung des Landes (Vom 21. Oktober 1950)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1950

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

43

Cahier Numero Geschäftsnummer

5554

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.10.1950

Date Data Seite

247-252

Page Pagina Ref. No

10 037 210

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.