508

#ST#

B

e

r

i ch t

der

ständeräth lichen Kommission , betreffend die Dappenthalfrage.

(Vom 22. Januar 1863.)

Tit.l Der Vertrag, welcher Jhnen zur Ratifikation vorliegt, hat die ein...

stimmige Billigung sämmtlieher Mitglieder der Kommission gesunden. Sie hält denselben in jeder Beziehung für vorteilhaft und derart lantend, dass die Würde der Schweiz vollständig gewahrt erseheint. Vom militarischen Gesichtspunkte ans betrachtet, enthält er keinerlei wirkliche Beeinträehtignng der allgemeinen Landesvertheidigung, wie man sie mehrseitig zu fürchten scheint. Jn der That verbleiben der Schweiz diejenigen Stellungen, welche gegen einen durch den Engpass St. Cergue vordringenden Angriff zu besezen wären , und sie verliert keineswegs den Besiz derselben durch den im ersten Vertragsartikel festgesetzten Austausch einer Streke Landes in der .Ausdehnung von sieben .Quadratkilometer gegen eine

andere , gleich grosse Bodenfläche.

Das Dappenthal bildet eine Art

Dreiek, dessen Basis sich auf die Dole und den Roirn.ont, oder mit an dern Worten aus einen Kamm des Jura stüzt, und dessen gegen Abend gekehrte Spize über die von les Rousses uaeh der lucilie und dem Pays de Cex führende Strasse hinansreieht. Eine waldige Anhohe, genannt Mont des Tulles, tritt in jener Spize hervor. Vor der Erbannng der Festung les Pousses hatte der Mont des Tnffes für die Schweiz einige Wichtigkeit, weil man dort einen Beobachtungsposten ausstellen konnte, um sich von feindlichen Bewegungen unterrichtet zu halten. Gegenwärtig jedoch wäre ein solcher Posten der Gefahr ausgesät, dnreh die Festungsbesazung bei Raeht ansgehoben zu werden. Mau muss demnach ans ihn verzichten, oder doch nur einige Mann dort ausstellen, um eine allsä.lige Gränzverlezung anzuzeigen , denn überall, wo sich ein Feind auf Schweizer-

gebiet zeigt, soll ihn die Kugel des Schüfen empfangen. Diess ist eine

Pflicht, der wir uns nicht entgehen konnen. Daller erscheint die Auhohe des Tnlkes sür die Vertheidigung eher naehtheilig, als forderlich.

Die Verteidigung des Engpasses St. Ceraie ist nur in ihm selbst moglieh, und unter Bennzung aller Vortheile der Anhohen, in deren Besiz man verbleibt, und von denen aus das ganze Thal beherrscht wird.

Uebrigens darf diese Verteidigung einem blossen Detasehement anvertraut werden ; denn die Hauptmacht würde ohne Zweifel irgend eine solche

^

507 Zentralstelle am Fusse des Jnra, hinter der ^ Gebirgskette einnehmen, welche ihr gestattete, sich rasch und aus dem kürzesten Wege überallhin zu begeben, wo ihre Anwesenheit erforderlich wäre. Es kann daher keine Rede sein von strategischen Operationen, von Angrifssbewegungen auf der Basis des Dappenthales. derartige Bewegungen gehen vom Mittelpunkte und nicht von der Gränzlinie aus , wo man nur schwache Abtheilungen oder Beobachtnngsposten aufstellen kann.

So ^ist denn der jenseits der Hauptstrasse liegende Theil des Thales für die Vertheidignng des Engpasses ^t. Cerane, welcher in Wirklichkeit eines der Thore der Schweiz bildet, ohne Bedeutung. Die Massregeln, um den Feind im Engpass aufzuhalten, oder um ^sein Vordringen zu verzogern, bleiben die gleichen, ob nun die Schweig jenen Theil des Thales bestze oder nicht.

Man darf ihn daher füglich abtreten , wofern es unter ehrenhaften Bedingungen geschehen kann, und die Schweiz dabei im Uebrigen ihren

Vortheil findet. Raeh dem Vertrage nun wird der fragliche Theil des

Thales gegen eine gleich grosse Bodenfläche ausgetauscht , und Frankreich verpflichtet sich , auf dem Mont des Tuf.es keine Festung zu errichten, welche Errichtung übrigens für uns eine mehr demüthigende als gefährliche Drohung enthielte.

Dessen ungeachtet übernimmt Frankreich nach unserm Wunsche diese Verpflichtung, zwar allerdings unter der Bedingung, dass wir unsererseits auf dem uns zugesehiedenen Gebiete ebensalls keine Festung erbauen dürfen; allein diese Verpflichtung konnen wir um so mehr ohne Gefährdung eingehen, als wir ohnehin niemals an eine solche Massregel dächten.

Vom politischen Gesichtspunkte aus betrautet, ist der Vertrag sür die Schweiz nicht minder vortheilhast, indem er einem nur zu lange bestandenen Verhältniss ein Ende macht ; von nun an weiss man doch, ob die franzosischen Geseze oder diejenigen des Kantons Waadt in den durch die Strasse getrennten Gebietstheilen zur .Anwendung zu kommen haben.

Der ganze diesseitige Tl..eil ist entschieden schweizerisch und den eidgenos-

stschen, so wie ...en waadtländisehen Gesezen unterworfen. KeinZweisel, keine Ungewissheit, sei es eine wirkliche oder nur fingirte, konnen auf Seite derjenigen Einwohner obwalten , welche steh gern den ihnen lästig dünkenden Verpflichtungen entziehen. Ferner verlezt der Vertrag Niemanden in seinem ^aterlandsgefühl, indem er den Bewohnern des ^getauschten Theiles freistellt, sich inner Jahressrist sür schweizerisch zu erkläreu, um künstig unter den schweizerischen Gesezen zu leben, soweit unsere Mitbürger diess im Zustande können. Sie haben die Wahl, Schweizer zu bleiben oder Franzosen zu werden, gleichwie die Bewohner des von Frankreich abgetretenen Gebietstheiles in der nämlichen Frist sich als Franzosen erklären konnen. Diese Befugniss, seine Nationalität beizubehalten, ist, wie billig, eine gegenseitige. Solcherweise schont der Vertrag ein ehrenhaftes Gefühl, und wir dürfen wohl dieser unfern Angehörigen gewahrten Berechtigung einigen Werth beilegen.

508 Endlieh spricht noch folgende Erwägung für die Annahme des Vertrages. Die Strasse, welche durch das Dappenthal führt und dasselbe auf eine Länge von 6 Kilometer durchschneidet, bildet bei bisheriger Saehlage eine beständige Veranlassung zur Verlegung unserer Neutralität, da sie die einzige serbare Verbindung ^wischen zwei wichtigen franzosischen Gebietsstreken , les l^ons.^ und ^v... de G.^.. ist. Sie ist für uns gleichsam ein schlechter Blizableiter, der den Bliz herbeizieht, ohne vor ii.m zu schüfen. Durch die Abtretung dieser Strasse, die übrigens von Frankreich, durch fran^osisehe Wegmacher, unterhalten wird, beugen wir dieser beständigen Gefahr, sowie Ereignissen vor, welche in einen. leicht denkbaren Falle die ern festen Folgen für uns nach sich ziehen konnten.

Ungeachtet aller dieser bezeichneten günstigen Verumständungen hat Jhre Kommission indessen dem Vertrag vom 8. Dezember 18^2 nur mit

Rüksieht daraus ihre Billigung ertheilt, dass sie in demselben im Grnnde lediglieh eine G r ä n z b e r i e h t i g u n g erbliken konnte, und dass seine Grundlagen nur im Einverständniss mit den Behorben des beteiligten Kantons ausgestellt wurden. Jn jedem andern Falle, znmal wenn es sich um ein...

wirkliehe Gebietsabtretung handelte, würde die Kommission dieselbe , als der Bundesverfassung entgegen, welche im Art. 5 die Unverlezlichkeit des

Gebietes der Kantone gewährleistet, missbilligt haben. Hauptsächlich also,

weil es sich in Wirklichkeit nur um eine G r ä n ^ b e r i e h t i g u n g durch Austausch einer Streke Landes gegen eine andere andrängende handelt, und weil dieser Austausch nur einen einzelnen Kanton angeht, der hiezn durch Schlussnahme seines Grossen Rathes die Zustimmung gegeben hat, ist Jhre Kommission für den ihr vorgelegten Vertrag. Ohne diese beiden Umstände, dass es sich nur um eine Grä n z b e r i c h t i g u n g durch gegenseitige Abtretungen und zudem nur um eine solche aus dem Gebiete eine^ einzigen Kantons handelt, n.ürde sie den Vertrag ooa der ^.and weisen.

Die Kommission hätte ge.vünscht, die Unterschrist eines Mitgliedes des Staatsrathes des als nahe betheiligte Vartei erseheinenden Kantons Waadt neben denjenigen der Vertreter der beiden vertragseh Messenden Staaten zu sehen ; denn solche Verträge sollten nicht anders als mit Einwilliguug und Ermächtigung des betretenden souveränen .Staates abge-

sehlossen und endgültig festgestellt werden. Wenigstens wäre diess die Art,

wie man in der Eidgenossensehast versahren sollte.

Wie dem nun aber auch sei, so schlägt Jhnen die Kommission ans den oben dargelegten Gründen^ die Annahme der nationalräthlichen Beschlnsssassung über Ratifikation des am 8. Dezember 1862 zwischen dem Bundespräsidenten und dem sranzosischen Gesandten abgeschlossenen Vertrages vor.

B e r n , den 2.... Januar 1863.

D^r Berichterstatter

der Kommission:

General ^. ^. ^ufonr.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der ständeräthlichen Kommission , betreffend die Dappenthalfrage. (Vom 22.

Januar 1863.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1863

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

12

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.03.1863

Date Data Seite

506-508

Page Pagina Ref. No

10 004 010

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.