14.008 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2013 und Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2013 vom 15. Januar 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Gestützt auf Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen («Aussenwirtschaftsgesetz», SR 946.201) erstatten wir Ihnen Bericht über die Aussenwirtschaftspolitik 2013. Wir beantragen Ihnen, von diesem Bericht samt seinen Beilagen (Ziff. 10.1.1­10.1.3) Kenntnis zu nehmen (Art. 10 Abs. 1 des Aussenwirtschaftsgesetzes).

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Aussenwirtschaftsgesetzes zwei Botschaften mit Entwürfen der Bundesbeschlüsse über die Genehmigung von internationalen Wirtschaftsvereinbarungen. Wir beantragen Ihnen, die folgenden zwei Vereinbarungen zu genehmigen: ­

das Freihandelsabkommen vom 24. Juni 2013 zwischen den EFTA-Staaten und Bosnien und Herzegowina sowie das Landwirtschaftsabkommen vom 24. Juni 2013 zwischen der Schweiz und Bosnien und Herzegowina (Ziff. 10.2.1);

­

das Abkommen vom 23. September 2013 zwischen der Schweiz und Jamaika über den Schutz der geografischen Angaben (Ziff. 10.2.2).

Zudem unterbreiten wir Ihnen den Bericht und den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen im Jahr 2013 (Ziff. 10.3), in Anwendung von Artikel 10 Absatz 4 des Aussenwirtschaftsgesetzes sowie gestützt auf Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986 (SR 632.10), auf Artikel 6a des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1974 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten (SR 632.111.72) und auf Artikel 4 Absatz 2 des Zollpräferenzengesetzes vom 9. Oktober 1981 (SR 632.91). Wir beantragen Ihnen, die zolltarifarischen Massnahmen zu genehmigen.

2013-2539

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Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Januar 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Gesamtübersicht Zielsetzung des Bundesrates für das Jahr 2013 Der Bundesrat hat sich bei seinen Zielen für das Berichtsjahr insbesondere auf eine Stärkung der schweizerischen Wirtschaft durch bestmögliche Rahmenbedingungen und eine anhaltende Wachstumspolitik konzentriert (vgl. Ziele des Bundesrates 2013, Ziel 2). Dazu hat er auf innenpolitischer Ebene namentlich einen Bericht über die Regulierungskosten, eine Botschaft über das Verjährungsrecht sowie eine Botschaft über Sanktionen bei missbräuchlicher oder ungerechtfertigter Kündigung verabschiedet. Zudem hat er die Revision des Landesversorgungsgesetzes in die Vernehmlassung geschickt.

Im Berichtsjahr wurden die auf die Marktöffnung ausgerichteten aussenwirtschaftlichen Aktivitäten weiter vorangetrieben. Die Verhandlungen über ein bilaterales Freihandelsabkommen mit China wurden mit der Unterzeichnung des Abkommens am 6. Juli abgeschlossen. Auch die Verhandlungen der EFTA über die Freihandelsabkommen mit Bosnien und Herzegowina sowie mit Costa Rica und Panama wurden abgeschlossen, und die Abkommen wurden unterzeichnet. Mit Guatemala, Indien, Indonesien, Vietnam und der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan wurden die Verhandlungen weitergeführt. Im Rahmen der WTO fand vom 3. bis 7. Dezember in Bali die neunte Ministerkonferenz statt. Die Verhandlungen über die Handelserleichterung wurden abgeschlossen, und bei Entwicklungsthemen und im Bereich Landwirtschaft wurden Fortschritte erzielt. Mit dem Ziel der Konsolidierung der Beziehungen zur EU und zur Sicherung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs verabschiedete der Bundesrat ein Verhandlungsmandat über die Erneuerung des institutionellen Rahmens Schweiz­EU und nahm exploratorische Gespräche mit der EU auf.

Über diese und weitere für die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik bedeutende Geschäfte gibt der vorliegende Bericht detailliert Auskunft.

Der Bundesrat wird in seinem jährlichen Geschäftsbericht ausführlich über den Stand der Arbeiten in Bezug auf seine Ziele für 2013 berichten. Die vorläufigen Ergebnisse der Aussenwirtschaftspolitik deuten darauf hin, dass die Ziele für das Berichtsjahr erreicht wurden. Dies gilt insbesondere für die Freihandelsabkommen, selbst wenn diese Verhandlungen immer anspruchsvoller werden (vgl. Ziff. 4).

Das wirtschaftliche Umfeld im Berichtsjahr Die globale Konjunktur erholt sich nur zögerlich von den Finanzkrisen der vergangenen Jahre; angesichts zahlreicher Risiken ist die Erholung noch nicht gefestigt.

Im Berichtsjahr stand leichten Besserungstendenzen in vielen Industrieländern eine wirtschaftliche Abkühlung in gewissen Schwellenländern gegenüber.

Die wirtschaftliche Entwicklung in der EU war im Berichtsjahr durch eine fortgesetzte Beruhigung der Staatsschuldenkrise sowie durch Anzeichen einer beginnen-

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den konjunkturellen Erholung geprägt. Während in den Kernländern, namentlich in Deutschland, der Konjunkturmotor bereits wieder Fahrt aufgenommen hat, konnte in den südlichen Ländern immerhin die jahrelange wirtschaftliche Talfahrt gestoppt werden. Allerdings wird die Entwicklung dieser Länder weiterhin durch die forcierte Austeritätspolitik, durch angeschlagene Banken sowie durch die stark gestiegene Arbeitslosigkeit gebremst. Auf Dauer hängt die erfolgreiche Bewältigung der Schuldenkrise von den Reformerfolgen in den einzelnen Ländern (Konsolidierung Staatsfinanzen, Arbeitsmarkt- und sonstige Strukturreformen) sowie auf Ebene der EU ab (Bankenunion). Angesichts hoher Arbeitslosigkeit, sozialer Spannungen und politischer Uneinigkeit besteht bei den Wirtschaftsreformen in den südlichen Ländern eine latente Gefahr für Rückschläge.

In den USA kam die moderate Konjunkturerholung weiter voran. Überschattet wird das positive Bild allerdings durch den erneuten Budgetstreit zwischen den politischen Parteien. In Japan hat sich die Konjunktur dank der sehr expansiven Geldpolitik und staatlicher Konjunkturprogramme spürbar belebt. Demgegenüber haben verschiedene Schwellenländer, die in den letzten Jahren durch hohe Wachstumsraten massgeblich zur Stützung der Weltkonjunktur beigetragen hatten, merklich an Schwung eingebüsst. Zwar konnte in China der teilweise befürchtete starke Konjunkturabschwung vermieden werden. Dagegen gerieten diverse andere Länder (u.a.

Brasilien und Indien) an den Finanzmärkten vermehrt unter Druck und verzeichneten eine deutliche Wachstumsverlangsamung.

Die Schweizer Wirtschaft behauptete sich im Berichtsjahr, wie bereits in den vorangegangenen Jahren, in schwierigem weltwirtschaftlichem Fahrwasser weiterhin relativ gut. Nachdem die Schweiz im Jahr 2012 ­ im Unterschied zu vielen EULändern ­ von einer Rezession verschont wurde und ein BIP-Wachstum von immerhin 1 Prozent erzielt hatte, erhöhte sich das Wachstum im Berichtsjahr leicht (gemäss aktueller Schätzung auf 1,8 %). Die erfreuliche konjunkturelle Widerstandsfähigkeit ist massgeblich der robusten Binnenwirtschaft zu verdanken, die durch die stetige Zuwanderung und die tiefen Zinsen gestützt wird. Demgegenüber lässt eine durchgreifende Erholung in der Exportindustrie auf sich warten. Immerhin konnte in den letzten Jahren eine
eigentliche Exportkrise verhindert werden, was massgeblich der Euro-Untergrenze der Nationalbank zu verdanken ist, die zur Entschärfung der Währungssituation beiträgt und so die Exportwirtschaft unterstützt.

Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2013 Schwerpunktkapitel (Ziff. 1) Das Schwerpunktkapitel widmet sich der Schweizer Handelsdiplomatie und ihrer Zukunft in einer sich wandelnden Welt. Die Idee einer Handelsdiplomatie, die mit staatlichen Interventionen Unternehmen unterstützt, ist der Schweizer Tradition a priori eher fremd, denn die Verantwortung der Wirtschaftsteilnehmer ist ein wichtiger Grundsatz der schweizerischen Wirtschaftspolitik. Die besonderen Risiken, die mit Auslandaktivitäten verbunden sind, wie die mangelnde Transparenz der Rah-

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menbedingungen auf verschiedenen ausländischen Märkten und die weltweite Zunahme protektionistischer Tendenzen, legen aber ein pragmatisches Vorgehen nahe, das es den privaten Akteuren ermöglicht, sich einer Welt im Wandel anzupassen. Je nach Situation unterstützt der Bund die Schweizer Wirtschaftsteilnehmer bei Schwierigkeiten in anderen Ländern. Das Schwerpunktkapitel beleuchtet zunächst die Schwierigkeiten, mit denen Schweizer Unternehmen im Ausland konfrontiert sein können. Danach werden die Instrumente dargestellt, die der Bund im Rahmen seiner Handelsdiplomatie einsetzt. Der Bundesrat ist überzeugt, dass es sinnvoll ist, im Dienst der Schweizer Wirtschaft eine wirkungsvolle Handelsdiplomatie zu betreiben.

Dies setzt voraus, dass die Handelsdiplomatie über geeignete Instrumente verfügt, die dem internationalen Wettbewerb und den Herausforderungen der Globalisierung angemessen sind. Schliesslich ist davon auszugehen, dass die Schweizer Handelsdiplomatie ihren Mehrwert zunehmend in den Schwellenländern ausserhalb Europas generieren wird. Deshalb müssen die Mittel der Handelsdiplomatie künftig schrittweise neu ausgerichtet werden.

Multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit (Ziff. 2) An der achten WTO-Ministerkonferenz hatten die Minister anerkannt, dass in den Doha-Verhandlungen wesentliche Differenzen verbleiben. Deshalb vereinbarten sie, sich im Hinblick auf die neunte WTO-Ministerkonferenz in Bali auf Themen zu fokussieren, bei welchen Fortschritte realistisch erschienen (Ziff. 2.1). An der Konferenz in Bali vom 3. bis 7. Dezember wurden die Verhandlungen über die Handelserleichterung abgeschlossen sowie bei Entwicklungsthemen und im Landwirtschaftsbereich Fortschritte erzielt. Zudem führte die WTO im Berichtsjahr die periodische Überprüfung der Handelspolitik der Schweiz durch. Die WTOMitglieder hoben hierbei insbesondere die rasche Erholung der Schweizer Wirtschaft nach der Krise sowie die guten Resultate in Bezug auf Beschäftigung und Inflation hervor. Kritisiert wurden in Bezug auf die Landwirtschaft der hohe Grenzschutz, die hohen Subventionen und die zögerlichen Reformen.

Abgesehen vom Steuerdossier, das für die Schweiz von grosser Bedeutung bleibt, waren die Aktivitäten in der OECD (Ziff. 2.2) von der Eröffnung der Beitrittsverfahren Kolumbiens und Lettlands geprägt. Das Beitrittsverfahren
Russlands wurde weitergeführt. Ferner durchlief die Schweiz im Berichtsjahr die zweijährliche Beurteilung der Wirtschaftspolitik durch die OECD.

Der neue Generalsekretär der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) will den Evaluationsbericht und die Empfehlungen der unabhängigen externen Aufsicht der Vereinten Nationen aufnehmen, um die Führung der UNCTAD zu verbessern (Ziff. 2.3). In diesem Jahr wählte die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (Ziff. 2.4) erstmals einen Vertreter Chinas zum Generaldirektor. Die Schweiz unterstützt die Arbeiten der Organisation im Bereich ressourceneffiziente Produktionsweisen aktiv, um einen Beitrag zu einer dynamischen und zugleich nachhaltigeren und klimafreundlicheren Industrieentwicklung zu leisten.

In Bezug auf die Arbeiten der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO; Ziff. 2.5) trieb die Schweiz die Umsetzung ihrer Strategie voran, welche mit drei Stossrich-

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tungen die Grundlage für ein konkretes, glaubwürdiges und wirksames Engagement in der IAO bilden soll: das Engagement zur Stärkung der IAO, die glaubwürdige Anwendung und Förderung der Standards und Prinzipien der IAO in der Schweiz sowie die Förderung weltweit menschenwürdiger Arbeit. Im Berichtsjahr wurde das IAO-Übereinkommen Nr. 122 über die Beschäftigungspolitik ratifiziert, und im August verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Ratifikation des IAOÜbereinkommens Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte.

Ferner wurde die Schweiz von der russischen G20-Präsidentschaft (Ziff. 2.6) eingeladen, an den Arbeiten des Finanzsegments teilzunehmen. Dank dieser Teilnahme wurde die Schweiz von der G20 als wichtiger Akteur auf internationaler Ebene im Finanzbereich anerkannt. Zudem erhielt die Schweiz die Möglichkeit, sich in den Arbeitsgruppen für Energienachhaltigkeit und Korruptionsbekämpfung einzubringen. Anlässlich dieser Treffen leistete die Schweiz mehrmals und auf allen Stufen einen wichtigen Beitrag.

Europäische Wirtschaftsintegration (Ziff. 3) Die Wirtschaftslage in der EU war im Berichtsjahr geprägt durch eine anhaltende Beruhigung der Staatsschuldenkrise und erste Anzeichen einer beginnenden konjunkturellen Erholung, die sich aber noch bestätigen muss. Die EU bleibt der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Diese Partnerschaft beruht auf zahlreichen bilateralen Abkommen, welche die Schweiz mit der EU bis heute abgeschlossen hat.

Um diesen bilateralen Weg zu sichern und weiterzuentwickeln, sollen die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU konsolidiert und der institutionelle Rahmen im Bereich Marktzugang erneuert werden. Der Bundesrat hat am 18. Dezember ein entsprechendes Verhandlungsmandat verabschiedet.

Freihandelsabkommen mit Staaten ausserhalb der EU und der EFTA (Ziff. 4) In einem globalen Umfeld, in dem eine zunehmende Zahl präferenzieller Handelsabkommen abgeschlossen werden, führte der Bundesrat seine Politik zur Ausdehnung des Schweizer Netzes von Freihandelsabkommen weiter. Damit will er den Schweizer Unternehmen einen Zugang zu den wichtigsten Märkten verschaffen, der mindestens gleichwertig ist wie jener, über den ihre wichtigsten Hauptkonkurrenten verfügen. Im Berichtsjahr wurden Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China sowie im Rahmen der
EFTA mit Bosnien und Herzegowina sowie mit Costa Rica und Panama unterzeichnet. Mit Guatemala, Indien, Indonesien, Vietnam und der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan wurden die Verhandlungen weitergeführt. Bei den Verhandlungen erweisen sich der Interessenausgleich und die Berücksichtigung der globalen Wertschöpfungsketten zunehmend als Herausforderung.

Sektorielle Politiken (Ziff. 5) Die Entwicklungen in den sektoriellen Politiken sind ausschlaggebend für die gesamte schweizerische Aussenwirtschaftspolitik und für alle Wirtschaftsabkommen.

Sie betreffen im Berichtsjahr neben den Verhandlungen über neue Freihandelsabkommen unter anderem folgende Bereiche: das Ratifikationsverfahren des regionalen Übereinkommens über Paneuropa­Mittelmeer-Präferenzursprungsre-

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geln (Ziff. 5.1), die laufende Aktualisierung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen mit der EU (Ziff. 5.2), die Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zur weiteren Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen (Ziff. 5.3) und das neue Transparenzreglement für Investitionsschiedsverfahren der UNO-Kommission für internationales Handelsrecht (Ziff. 5.4).

Der Bundesrat betonte in seinem «Grundlagenbericht Rohstoffe» die volkswirtschaftliche Bedeutung der Rohstoffbranche für die Schweiz und die Verantwortung der Unternehmen im Sozial- und Umweltbereich (Ziff. 5.5.1). Deshalb unterstützt die Schweiz unter anderem die «Extractive Industries Transparency Initiative» (EITI), die «Better Gold Initiative» und das Programm «Sustainable Recycling Industries».

Im Übrigen standen an der 19. Konferenz der Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention die Stärkung des internationalen Klimaregimes bis 2020 und die Eckpunkte für ein umfassendes Klimaabkommen für die Zeit nach 2020 im Zentrum (Ziff. 5.5.2). Weiter wurde ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Wettbewerb mit der EU unterzeichnet (Ziff. 5.6). Infolge des revidierten plurilateralen WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen wurde die Revision der entsprechenden Gesetzgebung auf Stufe Bund und Kantone weitergeführt (Ziff. 5.7). Schliesslich wurde in der Weltorganisation für geistiges Eigentum der Marrakesch-Vertrag für einen erleichterten Zugang zu Werken der Literatur und Kunst für Menschen mit Lesebehinderungen abgeschlossen und auf bilateraler Ebene ein Abkommen zum Schutz geografischer Angaben mit Jamaika unterzeichnet (Ziff. 5.8).

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit (Ziff. 6) Die Schweiz beteiligt sich mit bilateralen Hilfsmassnahmen und Beiträgen an multilaterale Entwicklungsorganisationen an der internationalen wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit. Das Berichtsjahr zeichnete sich durch die beginnende Umsetzung der im Rahmen der Botschaft über die internationale Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz 2013­2016 verabschiedeten Massnahmen aus. Erste Resultate zeigen, dass die strategische Ausrichtung der Botschaft und die finanzielle Grundlage zielführend sind. Der internationale Dialog über die Agenda für eine nachhaltige Entwicklung «post 2015» und die «peer review»
der Schweiz durch den OECD-Entwicklungsausschuss waren weitere wichtige Ereignisse für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit.

Die Zusammenarbeit mit den multilateralen Entwicklungsbanken ist ebenfalls ein wichtiger Grundpfeiler in diesem Tätigkeitsbereich. Im Berichtsjahr fanden Verhandlungen zur Wiederauffüllung der Entwicklungsfonds der Weltbank für die ärmsten Länder und der afrikanischen Entwicklungsbank statt. Der vorliegende Bericht behandelt drei weitere besonders wichtige Themen dieses Jahres, namentlich die integrierte Entwicklung städtischer Infrastrukturen, der systematische Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten und die Stärkung unabhängiger Kontrollbehörden für die öffentlichen Finanzen.

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Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen (Ziff. 7) Die Nachbarländer der Schweiz, welche wichtige Wirtschaftspartner sind, stagnieren wirtschaftlich weiterhin. Vor diesem Hintergrund tragen die weltweit unterhaltenen bilateralen Beziehungen zu einer Verbesserung der Absatzmöglichkeiten der Schweizer Unternehmen bei. Insbesondere eine Vertiefung der Beziehungen zu den arabischen Golfstaaten sowie den Ländern Zentral- und Südostasiens erschliesst neue Geschäftsmöglichkeiten. Schliesslich verfolgt die Schweiz die Freihandelsgespräche zwischen ihren zwei bedeutendsten Handelspartnern, der EU und den USA, aufmerksam.

Exportkontroll- und Embargomassnahmen (Ziff. 8) Im Berichtsjahr verabschiedete die UNO-Generalversammlung den Vertrag über den Waffenhandel, den auch die Schweiz unterzeichnete. Schweiz-intern wurde die Chemikalienkontrollverordnung vollständig revidiert, womit die Umsetzung des Chemiewaffenübereinkommens erleichtert werden soll. Im Rahmen der Vereinbarung von Wassenaar legte die Schweiz im Berichtsjahr einen revidierten Vorschlag für die Kontrollen von Werkzeugmaschinen vor. Bei den Embargomassnahmen wurden die Sanktionen gegenüber Nordkorea verschärft. Die Sanktionsmassnahmen gegenüber dem Iran und Syrien wurden weitergeführt.

Standortförderung (Ziff. 9) Zur gezielten Unterstützung der exportorientierten Schweizer Unternehmen setzten Switzerland Global Enterprise und die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) im Berichtsjahr Massnahmen um, die zur langfristigen Sicherung von Arbeitsplätzen in der Schweiz beitragen sollen. Die Teilrevision des Exportrisikoversicherungsgesetzes soll sicherstellen, dass die SERV die Anstrengungen der Schweizer Exportunternehmen auch in Zukunft gezielt und wirkungsvoll unterstützen kann.

Angesichts des verstärkten weltweiten Wettbewerbs zwischen Unternehmensstandorten bedarf es weiterhin gemeinsamer Promotionsanstrengungen des Bundes und der Kantone. Dabei steht die Positionierung der Schweiz als erstklassiger Standort für innovative und wertschöpfungsintensive Unternehmen im Vordergrund.

Nach mehreren schwierigen Jahren fand der Schweizer Tourismus im Berichtsjahr zum Wachstum zurück.

Ausblick auf das kommende Jahr Vor dem Hintergrund des zögerlichen Aufschwungs der Weltwirtschaft wird der Bundesrat der Aussenwirtschaftspolitik auch 2014 grosse Bedeutung beimessen. Er wird Anstrengungen unternehmen, um den durch Abkommen gesicherten Marktzugang weiter auszubauen, und er wird sich weiterhin für die Bekämpfung protektionistischer Tendenzen und Massnahmen einsetzen. Er wird insbesondere die Verhandlungen über neue Freihandelsabkommen weiterführen.

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2014 ist der Abschluss der Verhandlungen über Freihandelsabkommen der EFTA mit Guatemala, Indien und den Mitgliedern der Zollunion Russland­Belarus­ Kasachstan vorgesehen. Die Verhandlungen der EFTA mit Indonesien und mit Vietnam werden fortgesetzt, jene mit Thailand sollen wieder aufgenommen und jene mit Malaysia eröffnet werden. Überdies führt die EFTA ihre Bemühungen im Hinblick auf eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Algerien fort. Die Kontakte im Hinblick auf exploratorische Gespräche mit den Philippinen und Pakistan werden weitergeführt. Die Arbeiten zur Aktualisierung bestehender Freihandelsabkommen, insbesondere jener mit Chile, Kanada, Mexiko, der Republik Korea, Singapur und der Türkei, werden weitergeführt. Bei den Abkommen zur Förderung und zum gegenseitigen Schutz von Investitionen werden die laufenden Verhandlungen mit Georgien, Indonesien und Russland fortgesetzt. Geplant ist zudem die Aufnahme von Verhandlungen mit Malaysia, mit dem Ziel, das seit 1978 bestehende Abkommen zur Förderung und zum gegenseitigen Schutz von Investitionen zu erneuern.

Im Anschluss an die neunte WTO-Ministerkonferenz im Dezember des Berichtsjahres einigten sich die Minister auf ein Arbeitsprogramm zur Festlegung der nächsten Verhandlungsschritte. Dieses wird an der informellen WTO-Ministerkonferenz besprochen, welche Ende Januar 2014 auf Einladung der Schweiz stattfinden wird.

Bei den Aktivitäten der Schweiz in der OECD bleiben die Steuerfragen wichtig. Im Vordergrund steht das Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen. Dieses erstellte am Treffen vom 22. November in Jakarta zum ersten Mal eine umfassende Klassierung der Länder. Die Schweiz ist Mitglied des Forums und nahm am Treffen teil, sie wurde aber als einziges OECD-Land nicht klassiert, da sie die formalen Voraussetzungen dafür noch nicht erfüllt. Allerdings wurde die Schweiz auch nicht erneut isoliert oder öffentlich angeprangert. Zudem wird die Schweiz die Umsetzung des Aktionsplans der OECD gegen die Erosion des Steuersubstrats und gegen die Gewinnverschiebung beschäftigen. Die Internationale Arbeitsorganisation wird sich 2014 weiter mit der Blockade des Normenkontrollsystems auseinandersetzen müssen, denn noch zeichnet sich keine nachhaltige Lösung für die der Blockade zugrunde liegenden Probleme ab.

Auch wenn
die Konjunkturprognosen von einem zunehmenden Wirtschaftswachstum in der EU im Jahr 2014 ausgehen, dürfte insbesondere in den südlichen Mitgliedstaaten die wirtschaftliche Erholung weiterhin durch die finanzpolitische Austeritätspolitik sowie angeschlagene Banken gebremst werden und nur langsam vorankommen. Die Verhandlungen über institutionelle Fragen mit der EU sollen auf der Basis des vom Bundesrat verabschiedeten Verhandlungsmandats im Frühjahr 2014 aufgenommen werden. Dieses stellt die Verhandlungen über die institutionellen Fragen in den Zusammenhang einer mittelfristigen europapolitischen Strategie, die alle offenen Dossiers mit der EU umfasst. Die Europapolitik der Schweiz wird somit 2014 durch die Aufnahme bzw. die Weiterführung oder Prüfung von Verhandlungen in folgenden Bereichen geprägt sein: Marktzugang (Elektrizität, REACH, Landwirtschaft/Gesundheit/Produktesicherheit), Zusammenarbeit (CO2-Emissionshandelssysteme, gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Forschung, Bildung), Finanz- und Steuerangelegenheiten sowie Erweiterungsbeitrag.

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Was die sektoriellen Politiken anbelangt, gestalten sich Marktzugangsverhandlungen im Warenhandelsbereich im Rahmen von Freihandelsabkommen insbesondere mit Entwicklungs- und Schwellenländern zunehmend anspruchsvoller. Diese Länder gewähren nicht immer für sämtliche Schweizer Industrieausfuhren einen vollständigen Zollabbau, und die Aufrechterhaltung des hohen Grenzschutzes der Schweiz im Landwirtschaftsbereich erschwert oft den Interessenausgleich. Die Anwendung von Antidumping-Massnahmen durch wichtige Handelspartner der Schweiz droht zunehmend negative Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen zu haben. Die Aktualisierung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen mit der EU wird 2014 fortgesetzt, damit Schweizer Produkte weiterhin von einem vergleichbaren Zugang zum EU-Markt profitieren wie Konkurrenzprodukte der EU. Durch eine verstärkte Behördenzusammenarbeit in spezifischen Produktsektoren wird der Abbau technischer Handelshemmnisse auch mit weiteren wichtigen internationalen Handelspartnern (insbesondere China) fortgesetzt. Die Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zur weiteren Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen werden weitergeführt. Im Bereich Rohstoffe werden die Arbeiten zur Umsetzung der Empfehlungen des Grundlagenberichts fortgesetzt. Die dafür zuständige interdepartementale Plattform wird den Bundesrat im Frühjahr 2014 über den Stand der Arbeiten informieren. Damit 2015 ein globales Klimaabkommen für die Jahre nach 2020 verabschiedet werden kann, müssen in den nächsten zwei Jahren in den Verhandlungen wesentliche Fortschritte erzielt werden. Im Einklang mit der Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz und angesichts der erfolgreichen Zusammenarbeit mit China im Rahmen des bilateralen Dialogs über geistiges Eigentum ist vorgesehen, mit weiteren wichtigen Wirtschaftspartnern der Schweiz einen solchen institutionalisierten Dialog aufzunehmen.

In der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wird 2014 die Ausarbeitung einer Agenda für die nachhaltige Entwicklung «post 2015» im Vordergrund bleiben.

Die entsprechenden zwischenstaatlichen Verhandlungen in der UNO sollen im September lanciert werden. Zudem wird im April das erste Ministertreffen der «Global Partnership for Effective Development Cooperation» stattfinden, eine wichtige und
breit abgestützte Dialogplattform zur Stärkung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit. Die Umsetzung der Wiederauffüllung der Entwicklungsfonds der Weltbank und der afrikanischen Entwicklungsbank sowie die Reform der Gouvernanz der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung werden weitere Schwerpunkte des kommenden Jahres bilden. Schliesslich werden 2014 die Resultate der «peer review» der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit durch den Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD veröffentlicht und die Umsetzung der Empfehlungen ausgelöst.

Eine zentrale Priorität der Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz mit der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ist der Abschluss eines umfassenden Freihandelsabkommens zwischen der EFTA und der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan. Mit dem absehbaren Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen der EFTA und dem Golfkooperationsrat dürften sich im kommenden Jahr zudem die Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz mit den arabischen Golfstaaten weiter vertiefen.

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Die Nachfrage nach den Angeboten der Exportförderung und der Exportrisikoversicherung dürfte auch 2014 hoch sein. Dabei ist wichtig, dass den Bedürfnissen der KMU mit gezielten und bedarfsgerechten Massnahmen entsprochen wird, um der schweizerischen Exportindustrie die Teilnahme am internationalen Wettbewerb zu erleichtern. Dies soll beispielsweise durch die geplante Teilrevision des Exportrisikoversicherungsgesetzes, die Stärkung der Auslandpräsenz von Switzerland Global Enterprise und durch die Entwicklung von Dienstleistungen zur besseren Einbindung von KMU in die weltweiten Wertschöpfungsketten erreicht werden. Die Positionierungsstrategie zur Förderung des Wirtschaftsstandorts Schweiz, die zunehmend auf Qualität und Nachhaltigkeit und nicht ausschliesslich auf Quantität ausgerichtet ist, fördert qualitativ hochwertige Unternehmensansiedlungen.

Im Jahr 2014 wird die Schweiz mit dem OECD-Tourismuskomitee einen Workshop durchführen, der Handlungsansätze aufzeigen wird, wie die Abstimmung zwischen der Tourismuspolitik und anderen relevanten Politikbereichen (z. B. Wirtschaftsund Umweltpolitik) optimiert und damit das Wachstumspotenzial des Tourismus besser ausgeschöpft werden kann. Die Resultate des Workshops fliessen in ein OECD-Projekt ein, das die Tourismuspolitiken verschiedener Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Wirkung auf ein langfristiges und nachhaltiges Tourismuswachstum untersucht und entsprechende Empfehlungen darlegt. Zudem wird 2014 der Austausch mit der EU betreffend Tourismuspolitik auf technischer Ebene fortgeführt und es ist vorgesehen, dass die EU-Kommission am Tourismus Forum Schweiz 2014 die Tourismuspolitik der EU vorstellt.

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Inhaltsverzeichnis Gesamtübersicht

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Abkürzungsverzeichnis

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1

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Die Schweizer Handelsdiplomatie und ihre Zukunft in einer sich wandelnden Welt 1.1 Kontext 1.1.1 Die Geschichte der Handelsdiplomatie 1.1.2 Definitionen 1.2 Welche Herausforderungen muss die Handelsdiplomatie meistern?

1.2.1 Nichttarifäre Massnahmen 1.2.2 Missachtung von Urteilen und Schiedssprüchen 1.2.3 Verletzung geistiger Eigentumsrechte 1.2.4 Zollverfahren 1.2.5 Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen 1.2.6 Preispolitik 1.2.7 Schwierigkeiten im Zahlungsverkehr 1.2.8 Verstaatlichungen 1.3 Instrumente der Handelsdiplomatie 1.3.1 Schweizer Aussennetz und bilaterale Interventionen 1.3.2 Bilaterale Handelsdiplomatie 1.3.3 Gemischte Wirtschaftskommissionen und Gemischte Ausschüsse 1.3.4 Handelsdiplomatie im Rahmen multilateraler Foren 1.3.5 Streitschlichtung im Rahmen von Wirtschaftsabkommen 1.3.6 Switzerland Global Enterprise und Swiss Business Hubs 1.3.7 Schweiz Tourismus 1.3.8 Präsenz Schweiz 1.3.9 Netzwerk mit Bildungs-, Forschungs- und Innovationsauftrag 1.3.10 Handelskammern 1.4 Herausforderungen der Zukunft 1.4.1 Was macht die Konkurrenz?

1.4.2 Die Schweizer Handelsdiplomatinnen und Handelsdiplomaten der Zukunft 1.4.3 Neue Wege 1.5 Fazit WTO und weitere multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit 2.1 Welthandelsorganisation (WTO) 2.1.1 Welthandelsorganisation 2.1.2 Neunte WTO-Ministerkonferenz 2.1.3 Überprüfung der Handelspolitiken 2.2 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2.2.1 Öffnungspolitik der OECD

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1202 1203 1203 1204 1208 1209 1209 1209 1210 1210 1211 1211 1211 1212 1212 1214 1214 1215 1216 1216 1217 1218 1219 1220 1220 1220 1222 1223 1225 1226 1226 1226 1226 1228 1229 1229

2.3 2.4 2.5 2.6

3

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5

2.2.2 Die Bedeutung der OECD für die Schweiz Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) Internationale Arbeitsorganisation (IAO) Die Gruppe der 20 (G20) 2.6.1 Die G20 unter russischer Präsidentschaft 2.6.2 Die Bilanz der Teilnahme der Schweiz an G20-Treffen

Europäische Wirtschaftsintegration EU 3.1 Wirtschaftliche Herausforderungen in der EU und deren Auswirkungen auf die Schweiz 3.2 Ausbau der bilateralen Beziehungen 3.2.1 Verhandlungen für ein institutionelles Abkommen 3.2.2 Mittelfristige Strategie des Bundesrates 3.3 Bestehende Wirtschaftsbeziehungen 3.4 Steuerfragen Schweiz­EU 3.5 Erweiterungsbeitrag Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ausserhalb der EU und der EFTA 4.1 Weiter zunehmende weltweite Tendenz zum Abschluss präferenzieller Handelsabkommen 4.2 Aktivitäten der Schweiz 4.2.1 Laufende und abgeschlossene Verhandlungen 4.2.2 Explorationen 4.2.3 Weiterentwicklung bestehender Freihandelsabkommen 4.3 Herausforderungen für die Schweizer Freihandelspolitik Sektorielle Politiken 5.1 Warenverkehr Industrie/Landwirtschaft 5.1.1 Entwicklung des Aussenhandels 5.1.2 Freihandelsabkommen und Ursprungsregeln 5.1.3 Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte 5.2 Technische Handelshemmnisse 5.2.1 Abbau von technischen Handelshemmnissen zwischen der EU und der Schweiz 5.2.2 Normung 5.2.3 Agrarexporte und Inspektionen 5.2.4 Regelungen zu technischen Handelshemmnissen in FHA 5.3 Dienstleistungen 5.4 Investitionen und multinationale Unternehmen 5.4.1 Investitionen 5.4.2 Korruptionsbekämpfung 5.4.3 OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen

1230 1231 1232 1233 1235 1235 1236 1237 1237 1238 1238 1239 1240 1242 1243 1244 1245 1246 1247 1248 1248 1249 1251 1251 1251 1252 1253 1254 1255 1256 1256 1257 1257 1258 1259 1260 1260

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Rohstoffe, Energie und Klima 5.5.1 Rohstoffe 5.5.2 Energie- und Klimapolitik Wettbewerbsrecht Öffentliches Beschaffungswesen Schutz des geistigen Eigentums 5.8.1 Schutz des geistigen Eigentums in internationalen Organisationen 5.8.2 Schutz des geistigen Eigentums auf bilateraler Ebene

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Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 6.1 Impulse für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit 6.1.1 Agenda für eine nachhaltige Entwicklung nach 2015 6.1.2 Peer Review der Schweiz durch den OECDEntwicklungsausschuss 6.1.3 Umsetzung und Rechenschaftsablegung der in der Botschaft enthaltenen Massnahmen 6.2 Die Zusammenarbeit der Schweiz mit den multilateralen Entwicklungsbanken 6.2.1 Weltbankgruppe 6.2.2 Regionale Entwicklungsbanken 6.3 Stadtentwicklung: Herausforderung und Chance 6.3.1 Urbanisierung im Fokus der Entwicklungszusammenarbeit 6.3.2 Beitrag der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz 6.4 Integration in nachhaltige Wertschöpfungsketten 6.4.1 Herausforderungen und Chancen für Entwicklungsländer 6.4.2 Schweizer Unterstützung der Sustainable Trade Initiative IDH 6.5 Stärkung der staatlichen Finanzkontrollbehörden 6.5.1 Relevanz der staatlichen Finanzkontrolle in der Entwicklungszusammenarbeit 6.5.2 Schweizer Ansatz für die Stärkung der staatlichen Finanzkontrollbehörde

1269 1270 1270

5.5

5.6 5.7 5.8

6

7

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen 7.1 Erschliessung neuer Märkte in Europa/Zentralasien: Russland und die GUS-Staaten 7.2 Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft: Herausforderung für die Schweiz 7.3 Entwicklung der Handelsstrukturen im asiatisch-pazifischen Raum 7.4 Die arabische Golfregion: Bestandsaufnahme und Perspektiven eines strategisch wichtigen Partners der Schweizer Wirtschaft 7.5 Wichtigste Wirtschaftsmissionen und weitere bilaterale Arbeitstreffen

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1267 1268

1270 1271 1272 1272 1273 1273 1273 1274 1275 1275 1276 1276 1276 1277 1278 1279 1280 1282 1284 1286

8

9

Exportkontroll- und Embargomassnahmen 8.1 Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen sowie von konventionellen Waffen 8.1.1 Internationale und nationale Entwicklungen 8.1.2 Eckdaten zu Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes 8.2 Embargomassnahmen 8.2.1 Embargomassnahmen der UNO und der wichtigsten Handelspartner 8.2.2 Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

1287

Standortförderung 9.1 Exportförderung und Exportrisikoversicherung 9.1.1 Exportförderung 9.1.2 Schweizerische Exportrisikoversicherung 9.1.3 Internationale Entwicklungen 9.2 Standortpromotion 9.3 Tourismus 9.3.1 Zusammenarbeit mit der EU 9.3.2 Beitritt der Schweiz zum Erweiterten Teilabkommen über die Kulturwege des Europarats 9.3.3 Ausweitung der Schweizer Kampagne gegen Kindersextourismus auf Europa

1292 1292 1292 1293 1294 1295 1296 1297

10 Beilagen 10.1 Beilagen 10.1.1­10.1.3 10.1.1 Finanzielles Engagement der Schweiz 2013 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken 10.1.2 Bewilligungen für Versandkontrollen im Auftrag ausländischer Staaten 10.1.3 Eckdaten zu Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes 10.2 Beilagen 10.2.1­10.2.2 10.2.1 Botschaft zur Genehmigung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Bosnien und Herzegowina sowie des Landwirtschaftsabkommens zwischen der Schweiz und Bosnien und Herzegowina Bundesbeschluss über die Genehmigung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Bosnien und Herzegowina sowie des Landwirtschaftsabkommens zwischen der Schweiz und Bosnien und Herzegowina (Entwurf) Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Bosnien und Herzegowina

1288 1288 1289 1289 1289 1291

1298 1298 1300 1300 1301 1303 1305 1307

1309

1341 1343

1199

Landwirtschaftsabkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Bosnien und Herzegowina 10.2.2 Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Jamaika über den Schutz der geografischen Angaben Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Jamaika über den Schutz der geografischen Angaben (Entwurf) Abkommen zwischen dem Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Regierung Jamaikas über die gegenseitige Anerkennung und den Schutz geografischer Angaben 10.3 Beilage 10.3 Bericht über die zolltarifarischen Massnahmen im Jahr 2013 Bundesbeschluss über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Entwurf)

1200

1371 1439 1451

1453 1471 1473 1481

Abkürzungsverzeichnis EFTA

European Free Trade Association Europäische Freihandelsassoziation

FHA

Freihandelsabkommen

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung

UNO WBF

United Nations Organization Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WTO

World Trade Organization Welthandelsorganisation

1201

Bericht 1

Die Schweizer Handelsdiplomatie und ihre Zukunft in einer sich wandelnden Welt Die Schweizer Wirtschaft hängt in hohem Masse vom Aussenhandel ab: Fast jeder zweite Franken wird im Ausland verdient. Zudem liegen die Löhne in der Exportindustrie über dem Landesdurchschnitt, sodass dieser Wirtschaftssektor erheblich zum allgemeinen Wohlstand beiträgt. Da der Exportsektor der Konkurrenz auf dem Weltmarkt direkt ausgesetzt ist, fungiert er als wichtiger Innovationsmotor unseres Landes und sorgt dafür, dass die Schweiz in diesem Bereich eine internationale Führungsposition einnimmt. Dies erklärt, weshalb der Bundesrat der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik eine sehr grosse Bedeutung beimisst.

Die Schweizer Handelsdiplomatie ist ein Tätigkeitsfeld des Bundes, das den Wirtschaftsinteressen des Landes dient. Sie wird als Gesamtheit der zwischenstaatlichen Aktivitäten definiert, welche den Interessen eines Teilnehmers beziehungsweise Sektors der Schweizer Wirtschaft dient. Sie ist Teil der weiter gefassten Wirtschaftsdiplomatie, die ihrerseits ein Instrument der Aussenwirtschaftspolitik ist, welche weitere Tätigkeitsfelder einschliesst, wie das Aushandeln von Handelsabkommen, die Abgabe von Stellungnahmen in multilateralen Wirtschaftsforen sowie die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit.

Die Idee einer durch staatliche Interventionen im Wirtschaftssektor gekennzeichneten Handelsdiplomatie ist der Schweizer Tradition a priori eher fremd, denn die Verantwortung der Wirtschaftsteilnehmer ist ein wichtiger Grundsatz der schweizerischen Wirtschaftspolitik. Die besonderen Risiken, welche mit Auslandaktivitäten verbunden sind, wie die mangelnde Transparenz der Rahmenbedingungen auf verschiedenen ausländischen Märkten und die weltweite Zunahme protektionistischer Tendenzen, zwingen die Schweiz aber zu einem pragmatischen Vorgehen, welches es den staatlichen und privaten Akteuren erlaubt, sich einer Welt im Wandel anzupassen. Je nach Situation unterstützt der Bund die Schweizer Wirtschaftsteilnehmer bei Schwierigkeiten in anderen Ländern. Das Schwerpunktkapitel beleuchtet zunächst die Schwierigkeiten, mit denen Schweizer Unternehmen im Ausland konfrontiert sein können. Danach werden die Instrumente dargestellt, welche der Bund im Rahmen seiner Handelsdiplomatie einsetzt. Der Bundesrat ist davon überzeugt,
dass es sinnvoll ist, im Dienst der Schweizer Wirtschaft eine wirkungsvolle Handelsdiplomatie zu betreiben. Dies setzt voraus, dass die Handelsdiplomatie über geeignete Instrumente verfügt, die dem internationalen Wettbewerb und den Herausforderungen der Globalisierung angemessen sind. Schliesslich ist davon auszugehen, dass die Schweizer Handelsdiplomatie ihren Mehrwert künftig zunehmend in den Schwellenländern ausserhalb Europas generieren wird. Deshalb müssen die Mittel der Handelsdiplomatie künftig schrittweise neu zugewiesen werden.

1202

1.1

Kontext

In einer sich schnell wandelnden Welt, in der einige unserer Partnerländer wegen der Wirtschaftskrise einen protektionistischen Kurs eingeschlagen haben, muss der Bundesrat seine Handelsdiplomatie überdenken und Prioritäten für sein künftiges Handeln festlegen. Das vorliegende Schwerpunktkapitel widmet sich diesem Thema.

Mit diesem Kapitel beantwortet der Bundesrat indirekt das Postulat SchneiderSchneiter vom 17. April 2013 (13.3325 «Zukunft der Commercial Diplomacys»).

1.1.1

Die Geschichte der Handelsdiplomatie

Nach dem Ende des Kalten Krieges war die westliche Welt durch die Freihandelsphilosophie sowie einen Liberalismus geprägt, welche beschränkte staatliche Eingriffe in die Wirtschaft implizieren. Als Instrumente zur Öffnung der Märkte in der Nachkriegszeit dienten die Bretton-Woods-Institutionen, das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen vom 30. Oktober 19471 (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) und regionale Wirtschaftsabkommen. Diese auf die schrittweise Liberalisierung des internationalen Handels ausgerichtete, institutionelle Architektur hat zusammen mit entscheidenden technologischen Fortschritten und dem Ende des Ost-West-Konflikts zur raschen Globalisierung der Wirtschaft geführt, welche seit mehr als 30 Jahren zu beobachten ist.

Seit ein paar Jahren sind jedoch in einigen Ländern insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Wirtschaftskrisen vermehrt protektionistische Tendenzen festzustellen. Manche Regierungen schrecken nicht davor zurück, zunehmend handelsverzerrende Massnahmen zu ergreifen. Diese Tendenz verstärkt sich dadurch, dass das liberale Modell vermehrt in Frage gestellt wird. Dessen Entwicklungsrezept besteht darin, ein auf Demokratie beruhendes politisches System mit einem auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaftssystem zu verbinden. In einigen Regionen der Welt wird eine Alternative praktiziert, die Kombination eines autoritären politischen Regimes mit staatskapitalistischen Elementen.

Als inmitten Europas gelegener rohstoffarmer Binnenstaat, in dem sich die bedeutendsten Handelswege des Kontinents treffen, hat die Schweiz seit Beginn der Industrialisierung nach aussen eine Freihandelspolitik und nach innen eine liberale Politik verfolgt. Da die Schweiz nie ein starker Zentralstaat war und auch nie als Kolonialmacht auftrat, hat sie im Vergleich zu einigen Nachbarstaaten keine umfassende Interventionspolitik betrieben. Dass sich die Schweiz in Sachen Industriepolitik heute zurückhält, ist eine Folge dieser Tradition.

Vor dem Hintergrund dieser Wirtschaftstradition ist der Schweiz die Idee einer Handelsdiplomatie fremd, welche durch staatliche Interventionen in die Wirtschaft eingreift, denn die Verantwortung der Wirtschaftsteilnehmer ist in der Schweiz ein wichtiger Grundsatz. Die Wirtschaftsakteure sollten die Risiken ihrer Auslandsgeschäfte selbst beurteilen, sich
bei Schwierigkeiten selbst vor ausländischen Gerichten verteidigen und die Konsequenzen ihrer wirtschaftlichen Entscheidungen selbst tragen. Die Risiken auf ausländischen Märkten sind jedoch mitunter schwer zu beurteilen und die mangelnde Kenntnis lokaler Spielregeln, die Intransparenz von

1

SR 0.632.21

1203

Regulierungen, die Mängel mancher Rechtssysteme und das Verhalten von Behörden können Schwierigkeiten verursachen.

Welche Strategie sollte die Schweiz somit in dieser sich wandelnden Welt verfolgen, um ihre und die Interessen ihrer Wirtschaftsteilnehmer am besten wahrzunehmen?

1.1.2

Definitionen

Aussenpolitik, Aussenwirtschaftspolitik und Handelsdiplomatie Auf Grundlage von Artikel 54 der Bundesverfassung2 ist der Bundesrat für die Aussenpolitik, einschliesslich die Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz zuständig.

Im Hinblick auf das Ziel der Wohlfahrt des Landes stützt sich die Aussenwirtschaftspolitik auf die folgenden drei Dimensionen: 1) Verbesserung des Marktzugangs im Ausland und Mitarbeit am internationalen Regelwerk, 2) Binnenmarktpolitik in der Schweiz und 3) Beitrag der Schweiz zur wirtschaftlichen Entwicklung in den Partnerländern sowie Unterstützung dieser Staaten bei ihrer Integration in die Weltwirtschaft. Diese Ausrichtungen der Aussenwirtschaftspolitik wurde im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 20043 vorgestellt und im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 20114 bestätigt. Der Bundesrat will den Marktzugang für Schweizer Firmen im Ausland auf vier Schienen weiterverfolgen:1) durch die Stärkung des internationalen Regelwerks für die Aussenwirtschaft und 2) die Einbindung der Schweiz in die wichtigsten internationalen Foren, 3) durch die Dynamisierung des bilateralen Wegs mit der Europäischen Union (EU), der Haupthandelspartnerin der Schweiz, sowie 4) durch den Ausbau des bilateralen Vertragsnetzes mit Staaten ausserhalb der EU.

Weil die Volkswirtschaft der Schweiz offen ist, ist sie Einflüssen ausgesetzt, welche ihren Ursprung im Ausland haben, wie das die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Schuldenkrise und die starke Aufwertung des Schweizerfrankens gezeigt haben. Vor diesem Hintergrund muss die Aussenwirtschaftspolitik zur geografischen Diversifikation der Exportmärkte beitragen, um die Widerstandsfähigkeit der Schweizer Volkswirtschaft gegenüber externen Störungen zu erhöhen. Die Schweiz will ihren Marktzugang im Ausland vor allem über die Welthandelsorganisation (WTO; vgl. Ziff. 2.1), durch den Abschluss von Freihandelsabkommen (FHA, vgl. Ziff. 4.1) sowie durch die Weiterführung des bilateralen Wegs mit der EU (vgl. Ziff. 3) verbessern. Der Bundesrat ist überzeugt, dass sich der Abschluss internationaler Wirtschaftsabkommen (Doppelbesteuerung, Investitionsschutz und FHA) positiv auf die Handelsströme und die Direktinvestitionen auswirkt. Er konzentriert sich besonders auf die Weiterentwicklung des Netzwerks von FHA. Dabei soll erreicht werden, dass die Schweizer
Wirtschaftsteilnehmer möglichst denselben Marktzugang im Ausland erhalten wie ihre Hauptkonkurrenten. Zudem will der Bundesrat sicherstellen, dass der Marktzugang möglichst frei von Hindernissen und Diskriminierungen ist.

Im Einklang mit ihrer politischen Tradition verfolgt die Schweiz eine auf dem Recht basierende Aussenpolitik. Somit setzt sie sich für die Stärkung der multilateralen Vertragswerke ein. Zudem arbeitet sie darauf hin, ein möglichst umfassendes Netz2 3 4

SR 101 BBl 2005 1089 BBl 2012 827

1204

werk von Wirtschaftsabkommen mit ihren wichtigsten Partnern zu knüpfen. Die multi-, pluri- und bilateralen Abkommen erlauben es der Schweizer Handelsdiplomatie, sich auf der Grundlage vertraglich vereinbarter Rechte und Pflichten für Schweizer Unternehmen einzusetzen.

Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit (vgl. Ziff. 6) engagiert sich die Schweiz ausserdem für die Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern. Auf diese Weise will sie das Wachstum in diesen Staaten ankurbeln und die Wirtschaftsteilnehmer vor Ort in die Lage versetzen, am wohlstandsfördernden internationalen Austausch teilzunehmen. Durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen soll zudem die Einhaltung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Standards in diesen Staaten gefördert werden. Dies wiederum erleichtert es den Partnerländern, Fertigprodukte oder Vormaterialien auf die internationalen Märkte ­ also auch in die Schweiz ­ zu exportieren.

In diesem allgemeinen Kontext stellt die Schweizer Handelsdiplomatie ein spezifisches, den Wirtschaftsinteressen des Landes dienendes Tätigkeitsfeld dar, welches sich von der allgemeineren Wirtschaftsdiplomatie unterscheiden lässt. Die Schweizer Handelsdiplomatie ist ein Bestandteil der Aussenwirtschaftspolitik des Bundes.

Unter dem diplomatischen Aspekt definiert sich die Handelsdiplomatie durch die Aktivitäten, welche ein Staat mit oder in einem anderen Staat durchführt. Unter dem Aspekt des Handels dient sie im weitesten Sinne den Handelsinteressen der Wirtschaftsteilnehmer. Von der auf internationaler Ebene von der Schweiz verfolgten Politik sowie von den abgeschlossenen internationalen Abkommen unterscheidet sich die Handelsdiplomatie insofern, als sie nicht spezifisch eine generelle Verbesserung der Rahmenbedingungen oder eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz anstrebt, sondern die Nutzung des bestehenden Rahmens unterstützt. Für die Zwecke dieses Schwerpunktkapitels und unabhängig von anderen möglichen Definitionen wird die Handelsdiplomatie hier definiert als Gesamtheit der Aktivitäten, welche ein Staat im Kontakt mit einem anderen Staat durchführt, um die Interessen eines Wirtschaftsteilnehmers beziehungsweise eines Sektors seiner Wirtschaft zu fördern oder wahrzunehmen.

Defensive und offensive Handelsdiplomatie
Ausgehend von dieser Definition lassen sich die defensive und die offensive Handelsdiplomatie unterscheiden.

Die defensive Handelsdiplomatie zeichnet sich dadurch aus, dass sie hauptsächlich reaktiv ist: Handelsdiplomatische Instrumente werden in diesem Fall eingesetzt, wenn sich ein Schweizer Wirtschaftsteilnehmer an die Bundesbehörden wendet und bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Dabei geht es darum, privatwirtschaftlichen Schweizer Akteuren bei der Lösung eines konkreten Problems zu helfen, mit dem sie im Rahmen ihrer Aktivitäten im Ausland konfrontiert sind. Dies setzt voraus, dass sich die Schweizer Wirtschaftsteilnehmer im Falle eines für sie unlösbaren Problems an die Bundesbehörden wenden und dass die Dachverbände der Schweizer Wirtschaft beziehungsweise die Handelskammern die Schwierigkeiten unserer Unternehmen im Ausland effizient weiterleiten.

Die offensive Handelsdiplomatie zielt darauf ab, die Interessen eines schweizerischen Wirtschaftsteilnehmers ­ oder häufiger, die Interessen eines Schweizer Wirtschaftssektors ­ aktiv, das heisst ohne direkte Veranlassung eines bestimmten Wirtschaftsteilnehmers, im Ausland zu vertreten. Diese Aktivitäten können verschiedene 1205

Formen annehmen, wie zum Beispiel die Unterstützung eines Schweizer Pavillons bei einer Handels- oder Tourismusmesse im Ausland, die Vermittlung von Sponsoren für Werbeflächen in Schweizer Pavillons bei internationalen Grossveranstaltungen, die Förderung von Kontakten zwischen Vertretern des Schweizer Privatsektors und öffentlichen oder privaten Partnern im Ausland oder die Weitergabe von Informationen und Analysen des öffentlichen Sektors an den Privatsektor.

Wird eine handelsdiplomatische Massnahme beschlossen, so können zu deren bestmöglichen Ausgestaltung verschiedene Kriterien einbezogen werden ­ wie die Unternehmensgrösse, die Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien durch die Unternehmenspolitik5, der Unternehmensruf oder die Verhältnismässigkeit der geplanten Intervention.

Die Rechtsgrundlagen Die Massnahmen des Bundes im Bereich der Handelsdiplomatie basieren auf Bestimmungen, die in multi- und bilateralen Abkommen sowie im innerstaatlichen Recht niedergelegt sind. Diese Bestimmungen definieren den allgemeinen handelsdiplomatischen Rahmen. Zudem legen sie fest, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen Wirtschaftsteilnehmer von handelsdiplomatischen Interventionen profitieren können.

Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 19616 legt den allgemeinen Rahmen der Handelsdiplomatie fest. In Artikel 3 Absatz 1 des Übereinkommens heisst es: «Aufgabe einer diplomatischen Mission ist es unter anderem, (...) die Interessen des Entsendestaats und seiner Angehörigen im Empfangsstaat (...) zu schützen, sich mit allen rechtmässigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten (...), freundschaftliche Beziehungen zwischen Entsendestaat und Empfangsstaat zu fördern und ihre wirtschaftlichen (...) Beziehungen auszubauen.» Analog dazu hält das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 19637 in Artikel 5 Folgendes fest: «Die konsularischen Aufgaben bestehen darin, a) die Interessen des Entsendestaates sowie seiner Angehörigen, und zwar sowohl natürlicher als auch juristischer Personen, im Empfangsstaat innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu schützen; (...) e) den Angehörigen des Entsendestaats, und zwar sowohl natürlichen als auch juristischen Personen, Hilfe und Beistand zu leisten.»
Im innerstaatlichen Recht wird der Rahmen durch das Reglement des schweizerischen diplomatischen und konsularischen Dienstes vom 24. November 19678 (insbesondere Art. 16) und ­ mit Blick auf die offensive Handelsdiplomatie ­ durch das Exportförderungsgesetz vom 6. Oktober 20009 (insbesondere Art. 1 und 2) abgesteckt. Sollte das Auslandschweizergesetz10 in Kraft treten, besässe der Bund eine

5

6 7 8 9 10

Parallel zur Wahrung der Interessen ihrer Unternehmen im Rahmen der Handelsdiplomatie, setzt sich die Schweiz dafür ein, dass die international tätigen Unternehmen bei ihren Auslandsgeschäften ihre soziale Verantwortung wahrnehmen. Dazu unterstützt sie und beteiligt sie sich insbesondere an verschiedenen Initiativen in diesem Bereich, wie den Leitsätzen der OECD und dem Global Compact der Vereinten Nationen.

SR 0.191.01 SR 0.191.02 SR 191.1 SR 946.14 Vorentwurf: www.admin.ch > Aktuell > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > Parlamentarische Kommissionen

1206

neue rechtliche Grundlage zur Regelung von Einzelheiten des konsularischen Schutzes natürlicher und juristischer Personen (vgl. Art. 55 und 56 des Vorentwurfs).

Die Nutzniesser Die Schweizer Handelsdiplomatie interveniert zugunsten von schweizerischen Wirtschaftsteilnehmern oder -sektoren. Im Einklang mit Artikel 154 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 198711 gilt ein Unternehmen dann als «schweizerisch», wenn es nach schweizerischem Recht organisiert ist. Die Bundesbehörden können auch den tatsächlichen Gesellschaftssitz eines Unternehmens als Kriterium für die Bestimmung der Nationalität einer juristischen Person heranziehen. Zusätzlich kann die Nationalität der natürlichen oder juristischen Personen berücksichtigt werden, welche das Unternehmen kontrollieren.

Analog dazu können Dachverbände um Unterstützung durch die Schweizer Handelsdiplomatie ersuchen, welche nach schweizerischem Recht eingetragen sind und die Interessen von schweizerischen Wirtschaftsteilnehmern oder -sektoren vertreten.

Der Vorentwurf für ein Auslandschweizergesetz12 wiederum erachtet eine juristische Person dann als schweizerisch, wenn sie dem Schweizer Recht untersteht, nach dessen Vorschriften organisiert ist und das Zentrum ihrer tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz hat.

Voraussetzungen für konsularischen und diplomatischen Schutz Um eine defensive handelsdiplomatische Intervention seitens der Schweiz nutzen zu können, müssen Wirtschaftsteilnehmer folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen nachweisen, dass ihre aktuellen Schwierigkeiten nicht durch eigene Fahrlässigkeit verursacht sind und dass sie alles zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten unternommen haben. Die Bundesbehörden verfügen über einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen sie entscheiden können, ob eine Intervention unter Berücksichtigung der anderen Ziele der Schweizer Aussenpolitik in einem gegebenen Kontext angezeigt ist. Mit anderen Worten haben einzelne Wirtschaftsteilnehmer keinen Rechtsanspruch auf eine handelsdiplomatische Intervention.

Traditionell unterscheidet man innerhalb der defensiven Handelsdiplomatie zwischen zwei Arten von Interventionen: dem konsularischen und dem diplomatischen Schutz. Diese Interventionen laufen in der Regel aussergerichtlich über konsularische oder diplomatische Kanäle
ab. Wenn bereits ein Gerichtsverfahren zum betreffenden Fall in Gang ist, werden in der Regel keine entsprechenden Interventionen unternommen, um nicht in die Arbeit der Justiz einzugreifen.

Konsularischer Schutz Die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Schweiz können natürliche oder juristische Personen im Ausland unterstützen, wenn diese ihre Interessen nicht selbst oder mit Hilfe Dritter wahrnehmen können oder dies ihnen nicht zugemutet werden kann (Subsidiaritätsprinzip). Im Rahmen des konsularischen Schutzes hilft die Schweiz der natürlichen oder juristischen Person dabei, ihre Rechte gemäss der Rechtsordnung des Aufenthaltsstaates wahrzunehmen. Die Schweiz handelt somit im Namen und Auftrag der geschädigten Person beziehungsweise Körperschaft. Sie 11 12

SR 291 www.admin.ch > Aktuell > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > Parlamentarische Kommissionen

1207

kann ihr Informationen und Ratschläge erteilen und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufenthaltsstaates vorstellig werden. Je nach Fall kann die Schweizer Vertretung vor Ort dem Unternehmen typischerweise ihre Einschätzung der Situation mitteilen, ihm Personen oder Institutionen empfehlen, welche bei der Lösung des Problems helfen können, Unterstützungsschreiben verfassen, Unternehmensvertreter bei Behördengängen begleiten oder offizielle Stellungnahmen an die lokalen Behörden richten. Der konsularische Schutz lässt sich als «Hilfe zur Selbsthilfe» beschreiben. Er kann sowohl administrative als auch politische Aspekte abdecken. In der Praxis fallen die meisten Massnahmen, die im Rahmen der defensiven Handelsdiplomatie ergriffen werden, unter den konsularischen Schutz.

Diplomatischer Schutz Im Rahmen des diplomatischen Schutzes setzt sich die Schweiz ­ anders als beim konsularischen Schutz ­ für schweizerische, natürliche und juristische Personen ein, wenn diese infolge einer Verletzung des Völkerrechts durch den Aufenthaltsstaat Schaden erleiden. In diesem Fall handelt die Schweiz im eigenen Namen, weil sie als völkerrechtlich berechtigte Partei selbst als Geschädigte gilt. Abgesehen von der Voraussetzung der Staatsangehörigkeit des Begünstigten unterliegt eine solche Intervention folgenden Bedingungen: Der Aufenthaltsstaat muss eine Norm des Völkerrechts verletzt, also zum Beispiel eine Verpflichtung aus einem internationalen Abkommen missachtet oder eine entschädigungslose Enteignung vorgenommen haben. Zudem müssen die innerstaatlichen Rechtsmittel im Aufenthaltsstaat soweit möglich ausgeschöpft worden sein. Fälle diplomatischen Schutzes kommen in der Praxis relativ selten vor. Aufgrund der damit verbundenen politischen Auswirkungen ist es Aufgabe des Bundesrats, für oder gegen die Gewährung von diplomatischem Schutz zu entscheiden. Sein Ermessensspielraum ist einzig durch das Willkürverbot begrenzt.

Die Idee einer Handelsdiplomatie, bei welcher der Staat in die Wirtschaft eingreift, ist der Schweiz a priori fremd. In einer sich wandelnden Welt, in der eine gewisse Renaissance des Protektionismus zu beobachten ist, muss die Schweiz jedoch eine Strategie zur bestmöglichen Wahrung der Interessen des Wirtschaftsstandorts definieren. Auf Grundlage multi-, pluri- oder bilateraler Abkommen interveniert die Schweizer Handelsdiplomatie zugunsten von schweizerischen Wirtschaftsteilnehmern oder -sektoren.

1.2

Welche Herausforderungen muss die Handelsdiplomatie meistern?

Die Herausforderungen, mit denen sich die Schweizer Handelsdiplomatie potenziell auseinandersetzen muss, sind so vielfältig wie die Schweizer Wirtschaftsinteressen im Ausland. Anhand einer rudimentären, nicht erschöpfenden Typologie lassen sich Schwierigkeiten veranschaulichen, mit denen im Ausland tätige Schweizer Unternehmen konfrontiert sein können. Da sehr unterschiedliche Bereiche betroffen sind, können die handelsdiplomatischen Interventionen von verschiedenen Einheiten der Bundesverwaltung durchgeführt werden; hauptsächlich handelt es sich dabei um das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), das Staatssek1208

retariat für Wirtschaft (SECO), das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF), das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE), die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) und das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL).

1.2.1

Nichttarifäre Massnahmen

Anfang 2012 teilten mehrere Schweizer Medizinproduktehersteller dem SECO mit, dass ihre Exportlieferungen an der Grenze zu einem Nachbarland aufgehalten worden sind. Aufgrund neuer technischer Vorschriften wurden von den Unternehmen zusätzliche Konformitätsbescheinigungen sowie eine Eintragung beim Gesundheitsministerium gefordert. Da Medizinprodukte unter den Anwendungsbereich des zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossenen Abkommens vom 21. Juni 199913 über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen fallen, wurden die Schweizer Behörden beim Handelsministerium des betreffenden Landes vorstellig. Dessen zuständige Behörden bestätigten im Herbst 2012, dass die neu eingeführten technischen Vorschriften nicht auf Schweizer Exporteure anwendbar seien, und beseitigten damit das Handelshemmnis.

1.2.2

Missachtung von Urteilen und Schiedssprüchen

Ab 1998 weigerte sich ein Land, die Bestimmungen eines Vertrags mit einem Schweizer Unternehmen einzuhalten. Um seine ausstehende Forderung einzutreiben, entschied sich das Unternehmen ursprünglich für eine gütliche Einigung und gegen eine gerichtliche Lösung. Der Bund unterstützte das Vorgehen des Unternehmens im Rahmen des konsularischen Schutzes. Hierzu intervenierte die Schweizer Botschaft vor Ort mehrfach bei den ausländischen Behörden und überreichte mehrere diplomatische Noten. Schliesslich strengte das Unternehmen im Rahmen des Investitionsschutzabkommens mit dem betreffenden Land ein Schiedsverfahren beim Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten an. Das Urteil des Schiedsgerichts fiel zugunsten des Unternehmens aus. In der Folge konzentrierten sich die handelsdiplomatischen Bemühungen darauf, die Umsetzung des Schiedsgerichtsurteils zu erreichen. Schliesslich gelang es, eine gütliche Einigung zwischen dem Unternehmen und den Behörden des betreffenden Landes zu erzielen.

1.2.3

Verletzung geistiger Eigentumsrechte

Die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Eintragung von geistigen Eigentumsrechten und ihrer Durchsetzung stellen für exportorientierte Schweizer Unternehmen oft eine grosse Herausforderung dar. Die Privatwirtschaft und die Dachverbände unterhalten im Ausland Netzwerke, um ihre Rechte zu wahren. So hat zum Beispiel der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie in einem asiatischen Land eine enge Zusammenarbeit mit den für die Bekämpfung von Uhrenfälschungen zuständigen Behörden aufgebaut. Die Polizei und die Vertreter der Schweizer Industrie nehmen nun vor Ort gemeinsam Durchsuchungen vor, um gefälschte 13

SR 0.946.526.81

1209

Uhren zu identifizieren und zu beschlagnahmen. 2012 kam es zu über 800 Durchsuchungen, bei denen 820 000 gefälschte Schweizer Uhren beschlagnahmt wurden.

Die Schweizer Handelsdiplomatie kann auch im Rahmen offizieller Kontakte darauf hinwirken, dass Partnerländer das geistige Eigentum besser schützen. So haben die guten Beziehungen zwischen der Schweiz und China im Rahmen der offensiven Handelsdiplomatie zu einer guten Zusammenarbeit beim Schutz des geistigen Eigentums geführt, was zur Einrichtung einer Diskussionsplattform zwischen dem betreffenden Schweizer Privatsektor und der chinesischen Regierung führte. Dieser sogenannte Industry Roundtable ist bei der schweizerisch­chinesischen Arbeitsgruppe über geistiges Eigentum angesiedelt. Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit fördert die Schweiz in verschiedenen Partnerländern die Anerkennung des geistigen Eigentums. Dadurch trägt sie zur Entwicklung eines verlässlichen, den internationalen Normen entsprechenden gesetzlichen und institutionellen Rahmens bei, der einen besseren Schutz der Wirtschaftsteilnehmer in diesen Märkten gewährleistet.

1.2.4

Zollverfahren

In einem Land kam es bei der Anwendung des FHA im Zusammenhang mit Ursprungszeugnissen zu Problemen. Die Zollverwaltung des betreffenden Landes forderte eine systematische Überprüfung der in der Schweiz ausgestellten Ursprungszeugnisse. Den lokalen Importeuren von Schweizer Produkten wurde fallweise die im FHA vorgesehene Vorzugsbehandlung verwehrt, weil die Zollbehörden dieses Landes den Schweizer Ursprung der Produkte anzweifelten. Hinzu kam ein Widerspruch zwischen dem Schweizer Recht und den Bestimmungen des FHA bezüglich der Aufbewahrungsfrist von Ursprungsnachweisen. Vor diesem Hintergrund verzichteten einige lokale Unternehmen auf die Anwendung des FHA, während andere im Rahmen von Verwaltungsmassnahmen mit teilweise beträchtlichen Geldbussen belegt wurden. Die betroffenen Schweizer Exporteure baten die Bundesbehörden um eine Intervention bei den Behörden dieses Landes. Letztere sollten davon überzeugt werden, dass sich Freihandelspartner im Hinblick auf die Förderung des bilateralen Handels ein gewisses Vertrauen entgegenbringen müssen. Über verschiedene Kanäle und auf unterschiedlichen Ebenen arbeiten die Parteien daran, die pendenten Fälle zu regeln und für die Zukunft eindeutigere Kriterien zu definieren.

1.2.5

Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen

Die Regierung eines europäischen Staates erliess ein Gesetz, welches auf die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität abzielt. Es sah vor, dass Unternehmen aus Drittstaaten ­ unter anderem aus der Schweiz ­ beim Finanzministerium dieses Landes künftig eine Vorabbewilligung einholen müssen, um an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen zu können. Vor Inkrafttreten des Gesetzes intervenierte die Schweiz im Rahmen ihrer Handelsdiplomatie beim zuständigen Ministerium. Sie wies darauf hin, dass das Gesetz internationale Verpflichtungen missachtet, welche das Land auf Ebene der WTO und der EU eingegangen ist. Gleichzeitig wurde die Schweiz bei der Europäischen Kommission vorstellig und wies die Regierung des 1210

betreffenden Staates bei sich bietenden Gelegenheiten auf diese Diskriminierung hin. Als Reaktion auf die wiederholten Beschwerden der Schweiz leitete die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedstaat ein.

Ein paar Monate später strich das Ministerium des betreffenden Landes die Schweiz per Dekret von der Länderliste des beanstandeten Gesetzes.

1.2.6

Preispolitik

Die Regierung eines wichtigen Handelspartners hat per Dekret für einige Gesundheitsprodukte neue Referenzpreise festgelegt. Diese Massnahme stellt zwar keine Diskriminierung der Schweiz dar, weil alle Wirtschaftsteilnehmer aus dem Gesundheitssektor von der Senkung der Referenzpreise betroffen sind. Sie birgt aber die Gefahr, dass darunter nicht nur der Handel mit dem betreffenden Staat leidet, sondern dass auch im Land selbst Arbeitsplätze abgebaut werden. Die Schweiz ist mit den Behörden des Landes in Kontakt, um die für beide Parteien negativen Folgen dieser Politik aufzuzeigen.

1.2.7

Schwierigkeiten im Zahlungsverkehr

In einem Land wollte ein Schweizer Unternehmen Finanztransaktionen zwischen ihrer lokalen Niederlassung und diversen Niederlassungen desselben Konzerns in anderen Ländern durchführen. Weil der betreffende Staat den Abfluss von Devisen durch politische Massnahmen beschränkt, erwies sich die Durchführung der geplanten Transaktionen für das Unternahmen als sehr schwierig. Deshalb intervenierte die Schweizer Botschaft mehrfach bei den Behörden des Landes. Zudem wurde die Frage anlässlich eines Besuchs vor Ort eines ranghohen SECO-Vertreters im Rahmen offizieller Gespräche thematisiert. Die Behörden des Landes versicherten, dass der freie Kapitalverkehr nicht behindert werde.

1.2.8

Verstaatlichungen

Verstaatlichungen sind relativ selten. Da solche Entscheide häufig auf höchster staatlicher Ebene getroffen werden, haben Interventionen in diesem Bereich politischen Charakter. Sie können unter Umständen das Eingreifen eines Bundesrats oder einer Bundesrätin oder des Bundespräsidenten beziehungsweise der Bundespräsidentin erfordern. Einen solchen Fall gab es im Jahr 2008, als die Niederlassung eines Schweizer Unternehmens im Ausland verstaatlicht wurde. Die Schweizer Handelsdiplomatie setzte sich für eine Entschädigung auf der Grundlage des geltenden bilateralen Investitionsschutzabkommens ein, indem sie eine Verbalnote übermittelte und mit den Behörden vor Ort und deren Vertretern in der Schweiz Kontakt aufnahm. Zusätzlich übersandte der Bundespräsident ein entsprechendes Schreiben.

Nach langwierigen Rechtsverfahren und Verhandlungen erzielten das Schweizer Unternehmen und der betreffende Staat eine gütliche Einigung.

1211

Die Herausforderungen, mit denen sich die Schweizer Handelsdiplomatie auseinandersetzen muss, sind so vielfältig wie die Schweizer Wirtschaftsinteressen im Ausland. Sie reichen von der willkürlichen Anwendung nichttarifärer Massnahmen über die Verletzung von geistigen Eigentumsrechten und Unternehmensverstaatlichungen bis hin zur Diskriminierung beim Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen. Durch ihre Interventionen unterstützt die Schweizer Handelsdiplomatie schweizerische Wirtschaftsteilnehmer, die im Ausland in Schwierigkeiten geraten sind.

1.3

Instrumente der Handelsdiplomatie

1.3.1

Schweizer Aussennetz und bilaterale Interventionen

Als eine der zwanzig grössten Volkswirtschaften der Welt, EU-Nichtmitglied und Verfechterin einer universellen Aussenpolitik verfügt die Schweiz über ein ausgedehntes Aussennetz. So können die 135 diplomatischen und konsularischen Vertretungen14 handelsdiplomatisch tätig werden. Hinzu kommen die Swiss Business Hubs sowie die Vertretungen von Schweiz Tourismus (vgl. Ziff. 1.3.6 und 1.3.7). In jeder dieser Vertretungen ist ein Mitglied des versetzbaren Schweizer Personals für die Wirtschaftsdossiers sowie die offensive und defensive Handelsdiplomatie zuständig.

In Ländern, in denen die Schweiz nur begrenzte Wirtschaftsinteressen hat, kümmert sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Vertretung neben diesen Dossiers mitunter noch um andere Aufgaben. In Ländern, welche für die Schweiz wirtschaftlich bedeutsam sind, kümmert sich häufig eine Person in Vollzeit ­ oder sogar mehrere Personen oder eine ganze Abteilung ­ ausschliesslich um diese Dossiers.

Für die Zuteilung der Dossiers innerhalb der Vertretung ist die Missionschefin beziehungsweise der Missionschef vor Ort zuständig. Dadurch kann sich das Schweizer Aussennetz schnell und flexibel den Bedürfnissen anpassen. Neben den Mitgliedern des versetzbaren Bundespersonals spielt auch das Netzwerk der Honorarkonsule eine wichtige Rolle. Auch wenn sich ein Vergleich mit Partnerländern nur schwer anstellen lässt, verfügt die Schweiz zwar über ein weit verzweigtes Netz von Auslandvertretungen, dieses kommt aber mit relativ wenig Personal aus.

Die Aufgabe der diplomatischen und konsularischen Vertretungen besteht vor allem darin, die sozioökonomischen Entwicklungen im Aufenthaltsstaat zu beobachten und zu analysieren, der Zentrale darüber Bericht zu erstatten, offizielle Wirtschaftsmissionen zu organisieren, Chancen für den Schweizer Privatsektor zu identifizieren und diesen zu informieren und sowohl offensive als auch defensive handelsdiplomatische Massnahmen zu ergreifen.

Das für die Wahrung der Wirtschafts- und Handelsinteressen im Ausland zuständige Schweizer Bundespersonal setzt sich im Wesentlichen aus den versetzbaren Angestellten des EDA sowie dem entsandten Fachpersonal anderer Einheiten der Bundesverwaltung zusammen, insbesondere des SECO. Im Allgemeinen werden diese 14

Diese verteilen sich wie folgt: 38 Botschaften und 10 Generalkonsulate in Europa und Zentralasien, 17 Botschaften und 7 Generalkonsulate in der Region Asien/Ozeanien, 31 Botschaften und 2 Generalkonsulate in Afrika sowie im Nahen Osten und 19 Botschaften sowie 11 Generalkonsulate in Nord- und Südamerika.

1212

Personen bei ihrer Arbeit von lokalen Fachleuten unterstützt, welche im Aufenthaltsstaat wegen ihrer Kenntnis der örtlichen Wirtschaft beschäftigt werden.

Was das Profil der diplomatischen und konsularischen, im Rahmen eines Auswahlverfahrens eingestellten Personen betrifft, handelt es sich bei diesen um Generalistinnen und Generalisten. Oft haben diese vor ihrem Eintritt in die Bundesverwaltung Erfahrungen in der Privatwirtschaft gesammelt. Während des Auswahlverfahrens müssen die Kandidatinnen und Kandidaten eine Wirtschaftsprüfung ablegen. Wer zugelassen wird, durchläuft im Rahmen der Ausbildung Wirtschaftsmodule, die sich vor allem auf folgende Themen konzentrieren: Kennenlernen der Struktur und der verschiedenen Akteure der Volkswirtschaft, Sensibilisierung für die bedeutenden weltwirtschaftlichen Fragen, Besuche bei Unternehmen und Dachverbänden, Präsentation von Switzerland Global Enterprise und Schweiz Tourismus. Bei ihrer Ausbildung vor Ort lernen sie die Herausforderungen kennen, mit denen Schweizer Unternehmen im Ausland konfrontiert sind. So werden die Grundlagen für einen Einsatz in der Handelsdiplomatie gelegt. Später bilden sich die in diesem Bereich tätigen Angestellten des Bundes während ihrer gesamten Berufslaufbahn weiter.

Im Rahmen des Personalaustauschs zwischen dem SECO und dem EDA können Angestellte des SECO einige Jahre insbesondere ausländische Wirtschaftspositionen des EDA bekleiden. Desgleichen haben EDA-Angestellte die Möglichkeit, für eine gewisse Zeit Stellen des SECO zu besetzen, in der Regel in der Zentrale in Bern, was ihnen ermöglicht, ihre Kenntnisse der Schweizer Wirtschaftspolitik zu vertiefen.

Ein Personalaustausch existiert auch zwischen dem SIF und dem EDA und betrifft dort Positionen im Wirtschafts- und Finanzbereich. In der Bundesverwaltung wird so Personal auf allen Hierarchieebenen zwischen verschiedenen Einheiten ausgetauscht.

Wichtig ist auch der Beitrag zur Schweizer Handelsdiplomatie der lokalen Bundesangestellten, welche im Aufenthaltsstaat rekrutiert und aufgrund ihres Fachwissens ausgewählt wurden. Analog zur Praxis anderer Länder verfügen sie tendenziell über immer mehr Kompetenzen und Verantwortung. Überdies können sie regelmässig an Ausbildungsmodulen in der Schweiz teilnehmen.

Im Bereich der offensiven Handelsdiplomatie unterstützt das
Schweizer Aussennetz den Schweizer Privatsektor bei der Organisation von Messeteilnahmen, hilft beim Networking, informiert die Schweizer Wirtschaftsteilnehmer über die Gegebenheiten vor Ort und berät sie entsprechend. Sofern dies zweckmässig ist, erhalten Schweizer Unternehmen unter bestimmten Bedingungen und gegen Bezahlung einer Vergütung zuweilen die Gelegenheit, für punktuelle Absatzförderungsmassnahmen die Räumlichkeiten einer offiziellen Vertretung zu nutzen.

Im Bereich der defensiven Handelsdiplomatie stehen die diplomatischen und konsularischen Vertretungen den Schweizer Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung, indem sie sich über allfällige Schwierigkeiten in Kenntnis setzen lassen, diese beraten und in Abstimmung mit der Zentrale in Bern durch Interventionen bei den Behörden des Aufenthaltsstaates gegebenenfalls unterstützen. Diese Art der Intervention hat den Vorteil, dass die Schweizer Vertretungen vor Ort die lokalen Gegebenheiten, die kulturellen Empfindlichkeiten, die üblichen Verfahren und die Schweizer Interessen im Aufenthaltsstaat gut kennen. Ausserdem verfügen die Vertretungen über ein wertvolles Kontaktnetz. Da die Interventionen jedoch nicht juristischer Art sind, ist ihre Wirkung mitunter beschränkt.

1213

1.3.2

Bilaterale Handelsdiplomatie

Der Vorsteher des WBF beziehungsweise die Direktorin des SECO führen im Ausland jedes Jahr zahlreiche offizielle Missionen durch (vgl. Ziff. 7). Die Delegationen, welche diese Missionen begleiten, bestehen teilweise ausschliesslich aus Amtspersonen. In rund einem Drittel der Fälle werden auch Delegationen aus dem Privatsektor zur Missionsbegleitung eingeladen.15 Diese Delegationen des Privatsektors, welche in der Regel unter der Federführung von Economiesuisse, dem Verband der Schweizer Unternehmen, zusammengestellt werden, zählen zwischen 10 und 30 Personen und sollen möglichst die Vielfalt der Schweizer Wirtschaft widerspiegeln. Für die Vertreterinnen und Vertretern des Privatsektors, welche die offizielle Delegation begleiten, strebt die Schweiz die Teilnahme zumindest an einem Teil der offiziellen Gespräche an. Dadurch sollen sie die Möglichkeit erhalten, ihre Unternehmen und Projekte selbst vorzustellen und gegebenenfalls auch die Schwierigkeiten darzulegen, mit denen sie konfrontiert sind.

Unabhängig davon, ob es sich um eine ausschliesslich offizielle oder eine von privatwirtschaftlichen Vertreterinnen und Vertretern begleitete Delegation handelt, sprechen der Vorsteher des WBF beziehungsweise die Direktorin des SECO bei den Unterredungen mit ihren ausländischen Amtskolleginnen und -kollegen regelmässig Problemfälle von Schweizer Unternehmen an. Dass diese Fälle auf Ministerebene thematisiert werden, erleichtert den Schweizer Vertretungen in der Folge häufig die Arbeit, da sie sich in ihren Fachgesprächen mit den Behörden des Aufenthaltsstaats auf die ministeriellen Unterredungen berufen können.

1.3.3

Gemischte Wirtschaftskommissionen und Gemischte Ausschüsse

Die Schweiz hat die Gemischten Wirtschaftskommissionen, die ihren Ursprung in den institutionellen Gesprächen mit den Planwirtschaften des früheren Ostblocks haben, die nicht dem GATT beziehungsweise nach 1994 der WTO beigetreten sind, als Instrument beibehalten und weiterentwickelt. Im Rahmen dieser Kommissionen treffen sich leitende SECO-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter und Angestellte entsprechender Institutionen der Partnerländer im Beisein von Vertreterinnen und Vertretern des Privatsektors. Die Kommissionen werden meist durch ein bilaterales Abkommen oder Verständigungsprotokoll eingesetzt. Die Kommissionssitzungen bieten die Möglichkeit, Informationen über die Wirtschaftssituation auszutauschen, auf den Zustand der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen einzugehen, mögliche gemeinsame Kooperationsprojekte zu identifizieren und dem Privatsektor eine Plattform zu geben, um Fragen von gegenseitigem Interesse anzusprechen.

15

Im Berichtsjahr führte der Vorsteher des WBF 13 bilaterale Missionen im Ausland durch, davon fünf in Begleitung von Delegationen des Privatsektors (China, Kasachstan/ Aserbaidschan, Mexiko, Südafrika und Vietnam/Indonesien). Im selben Zeitraum reiste die Direktorin des SECO im Rahmen von neun bilateralen Missionen ins Ausland. An zwei dieser Missionen nahmen Delegationen des Privatsektors teil (Myanmar/Thailand und Polen).

1214

Zurzeit unterhält die Schweiz mit 27 Ländern16 Gemischte Wirtschaftskommissionen, darunter mit den BRICS-Staaten17. Im Berichtsjahr hat die Schweiz mit folgenden Staaten Gespräche im Rahmen von Gemischten Wirtschaftskommissionen geführt: Argentinien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Italien, Kasachstan, Mexiko, Myanmar, Russland, Serbien, Südafrika, Tadschikistan und der Türkei. Je nach Bedarf haben einige dieser Gemischten Wirtschaftskommissionen im Laufe der Zeit Arbeitsgruppen gebildet, welche ihnen unterstellt sind und an sie berichten. Als Beispiel lässt sich in diesem Zusammenhang die durch das Handelsabkommen vom 20. Dezember 197418 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Volksrepublik China geschaffene Gemischte Kommission für den Handel Schweiz­ China anführen. Diese hat vier Arbeitsgruppen zu den Themen geistiges Eigentum (2007), Investitionen (2007), Umwelttechnologien (2009) und zur Zusammenarbeit im Uhrensektor (2013) eingerichtet.

Der Schweizer Privatsektor begrüsst diese Gemischten Wirtschaftskommissionen, bieten sie doch die Möglichkeit, sich direkt an die Amtsträger unserer Wirtschaftspartner zu wenden. Vor allem aber stellen die Kommissionen ein zusätzliches Mittel im Instrumentarium der defensiven Handelsdiplomatie dar, durch welches sich konkrete Probleme angehen lassen.

Gemischte Ausschüsse sind in den FHA vorgesehen und bieten eine institutionelle Plattform für regelmässige Treffen, in deren Rahmen die Umsetzung des betreffenden Abkommens überprüft wird. Da diese Ausschüsse rechtlich stärker verankert sind als die Gemischten Wirtschaftskommissionen, können dort bei Meinungsverschiedenheiten häufiger juristische Argumente vorgebracht werden. Im Rahmen dieser Gemischten Ausschüsse ist grundsätzlich keine Teilnahme des Privatsektors vorgesehen.

1.3.4

Handelsdiplomatie im Rahmen multilateraler Foren

Internationale Wirtschaftsorganisationen dienen als pluri- beziehungsweise multilaterale Foren für die Ausarbeitung internationaler Regeln, welche nach ihrer Verabschiedung für die Mitglieder gelten. Diese multilateralen Foren stellen a priori keinen Rahmen dar, um Interventionen im Rahmen der in diesem Schwerpunktkapitel definierten Handelsdiplomatie durchzuführen.

Es kommt jedoch vor, dass Staaten ­ einschliesslich der Schweiz ­ multilaterale Wirtschaftsforen wie insbesondere die WTO nutzen, um handelsdiplomatische Schritte zu unternehmen. Ein Instrument, welches dafür genutzt werden kann, ist die regelmässige Überprüfung der Handelspolitiken aller Mitgliedstaaten durch die WTO. Diese Überprüfung zielt darauf ab, die Handelspolitik der einzelnen Länder zu beleuchten (vgl. Ziff. 2.1.3). Dabei haben die anderen Mitgliedstaaten der WTO die Möglichkeit, Bemerkungen an das überprüfte Land zu richten und Fragen zu stellen. Das Verfahren erlaubt es, im Interesse eines Unternehmens oder eines Sektors konkrete Fälle anzusprechen.

16

17 18

Argentinien, Aserbaidschan, Belarus, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Kasachstan, Kirgisistan, Mexiko, Moldova, Myanmar, Österreich, Philippinen, Russland, Saudi-Arabien, Serbien, Südafrika, Tadschikistan, Türkei, Ukraine, USA, Usbekistan, Venezuela.

BRICS steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

SR 0.946.292.491

1215

Weiter steht den WTO-Mitgliedstaaten das Instrument der Streitschlichtung zur Verfügung, welches jedem Mitglied die Möglichkeit einräumt, in einer konkreten Angelegenheit das zuständige WTO-Organ anzurufen. Eine relevante Schädigung eines Mitgliedstaats liegt in der Regel vor, wenn ein Unternehmen oder ein Sektor der betreffenden Volkswirtschaft durch eine Massnahme eines anderen Mitgliedstaats benachteiligt wird, welche WTO-Bestimmungen verletzt. Im Falle des Stahlstreits mit den USA beteiligte sich die Schweiz erstmals als Klägerin an einem WTO-Schiedsverfahren. Die Schweiz focht mit Erfolg die Schutzzölle an, welche die USA am 20. März 2002 auf Stahlimporte verhängt hatten.19 Zudem unterstützt die WTO Streitparteien dabei, Konflikte im Rahmen einer gütlichen Einigung zu lösen. Die Schweiz hat auch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in diesem Zusammenhang die bewährten WTO-Streitschlichtungssysteme genutzt.

1.3.5

Streitschlichtung im Rahmen von Wirtschaftsabkommen

Die von der Schweiz abgeschlossenen Wirtschaftsabkommen sehen in der Regel für Fälle, in denen keine gütliche Einigung möglich ist, Streitschlichtungsmechanismen vor. Solche Streitigkeiten entstehen üblicherweise in Situationen, in denen nach Meinung eines schweizerischen Wirtschaftsteilnehmers oder -sektors die im betreffenden Abkommen vorgesehenen Rechte und Pflichten nicht respektiert wurden.

Der Bund kann auf dieser Grundlage beschliessen, zur Beilegung der Streitigkeit ein Verfahren anzustrengen. Dabei handelt es sich um einen Fall defensiver Handelsdiplomatie.

1.3.6

Switzerland Global Enterprise und Swiss Business Hubs

Die Schweizer Exporte werden durch Absatzförderungsmassnahmen des Privatsektors (Handelskammern, Dachverbände oder Privatunternehmen) und durch den Bund gefördert, indem dieser potenzielle Exportdestinationen aufzeigt und sie bei der Durchdringung von Märkten unterstützt. Die Massnahmen des Bundes bestehen insbesondere darin, Informationen zu verbreiten, Beratung zu leisten und im Ausland beispielsweise durch die Unterstützung von Messeteilnahmen für die Schweizer Exporte zu werben.

Das WBF beauftragt Dritte im Rahmen von Leistungsaufträgen mit der operativen Durchführung der Exportförderung und berücksichtigt dabei insbesondere die Interessen der KMU (vgl. das Exportförderungsgesetz vom 6. Oktober 200020). Als Beauftragter fungiert zurzeit der Verein Switzerland Global Enterprise (S-GE; vgl. Ziff. 9.1), besser bekannt unter seinem früheren Namen Osec. S-GE verfügt in der Schweiz über Niederlassungen in Zürich, Lausanne und Lugano. Der Verein beschäftigt rund 100 Personen in der Schweiz und arbeitet im Ausland mit rund 80 Beschäftigten des EDA zusammen.

19 20

United States ­ Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Steel Products (DS253).

SR 946.14

1216

Auf den als besonders wichtig erachteten Märkten unterstützt S-GE die Schweizer Exportunternehmen direkt vor Ort über seine 21 Swiss Business Hubs (SBH)21. Wo diese Vertretungen von S-GE im Ausland angesiedelt werden, hängt von den Bedürfnissen der KMU und den Prioritäten der Aussenwirtschaftspolitik des Bundes ab. Die Verstärkung bestehender oder die Eröffnung neuer SBH wird auch von den FHA abhängig gemacht, welche die Schweiz abschliesst. Mit einer Ausnahme ­ in Wien wird der SBH von der Handelskammer Schweiz­Österreich­Liechtenstein betrieben ­ sind alle SBH in die diplomatischen und konsularischen Vertretungen integriert. Diese Integration ermöglicht zahlreiche Synergien. Als fester Bestandteil des Aussennetzes des Bundes geniessen sie einen offiziellen Status. Da das Personal der Vertretungen gemäss dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und jenem über konsularische Beziehungen nur in beschränktem Mass kommerziell tätig sein darf, ist es unabdingbar, dass die SBH durch ein Netz von privaten Unternehmen sowie Beraterinnen und Beratern unterstützt werden. In Ländern, in denen keine SBH bestehen, kümmern sich die Botschaften und Generalkonsulate um die Exportförderung. Dort leisten die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Schweiz auch in diesem Bereich eine wichtige Dienstleistung für die Schweizer Wirtschaft.

Bevor sich exportorientierte Schweizer KMU an die SBH wenden, führen sie meist ein erstes Orientierungsgespräch in der Zentrale von S-GE in der Schweiz. Dank ihrer Kenntnis der lokalen Gegebenheiten und ihres Netzwerks vor Ort sind die SBH für S-GE unverzichtbar, um Schweizer Unternehmen im Ausland wirksam unterstützen zu können. Sie stellen einen wichtigen Bestandteil der offensiven Handelsdiplomatie der Schweiz dar. Neben der engen Zusammenarbeit mit dem Bund und der Privatwirtschaft ist der Erfolg von S-GE unter anderem darauf zurückzuführen, dass der Verein in kurzer Zeit massgeschneiderte Dienstleistungen anbieten und den sich verändernden Ansprüchen seiner Kunden gerecht werden kann.

Alle vier Jahre bewilligt das Parlament per Bundesbeschluss den Rahmenkredit, welcher das WBF zur Verlängerung des Auftrags von S-GE benötigt. Der Rahmenkredit für die aktuelle Laufzeit von 2012 bis 2015 beträgt 84 Millionen Schweizerfranken. Weiter stellt das EDA erhebliche
Finanzmittel zur Verfügung, um die Personal- und Infrastrukturkosten der SBH zu decken. Im Berichtsjahr wurden rund 5 Millionen Schweizerfranken für die Personalkosten der SBH aufgewendet.

1.3.7

Schweiz Tourismus

Schweiz Tourismus (ST) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Zürich und untersteht der Aufsicht des WBF. Seit mehr als 90 Jahren trägt ST im Auftrag des Bundes dazu bei, die in- und ausländische Nachfrage nach Tourismusangeboten in der Schweiz zu fördern. Dabei reicht die Angebotspalette von Reisen aller Art über Ferienaufenthalte bis hin zur Organisation von Kongressen. Weil sich ST in mehr als 27 Ländern für die Förderung des Schweizer Tourismus einsetzt, stellt die Körperschaft ein wichtiges Instrument der offensiven Handelsdiplomatie dar. In den letzten Jahren bewirkten der Wirtschaftsabschwung in Europa und der 21

Diese befinden sich in Chicago, Dubai, Hongkong, Istanbul, London, Madrid, Mailand, Mexiko-Stadt, Moskau, Mumbai, Paris, Peking, Pretoria, São Paulo, Seoul, Singapur, Stuttgart, Tokio, Toronto, Warschau und Wien.

1217

starke Schweizerfranken, dass weniger europäische Touristinnen und Touristen die Schweiz besuchten. Mit ihrem Marketing trug ST dazu bei, die Folgen dieses Rückgangs zu mildern. Dies gelang primär dadurch, dass vermehrt auch Touristen aus anderen Weltregionen die Schweiz besuchten.

Im Rahmen der Förderung des Tourismusstandorts Schweiz verfolgt ST einen auf vier Pfeilern beruhenden Marketingansatz. Erstens nutzt ST klassische PR-Instrumente wie Anzeigen in Printmedien, Prospekte und die Teilnahme an Tourismusmessen. Zweitens pflegt ST im Rahmen ihres Key Media Management aktiv die Beziehungen zu den Fachmedien. Drittens verstärkt ST ­ insbesondere auf wichtigen Wachstumsmärkten wie China und Indien ­ ihre Zusammenarbeit mit den lokalen Reisebüros. Viertens misst ST dem elektronischen Marketing immer mehr Bedeutung bei.

Neben ihrem Hauptsitz in Zürich verfügt ST über 32 Vertretungen im Ausland, wo von den rund 240 Angestellten fast die Hälfte arbeitet. Finanziert wird ST grösstenteils durch den Bund. Der Finanzierungsbeitrag wird alle vier Jahre durch einen im Parlament verabschiedeten Bundesbeschluss festgelegt. Für die aktuelle Laufzeit von 2012 bis 2015 beläuft sich der Rahmenkredit für ST auf 222 Millionen Schweizerfranken. Dieser vom Bund bereitgestellte Finanzierungsbeitrag deckt rund 60 Prozent des Budgets von ST ab. Die restlichen Finanzmittel muss ST durch die Erbringung von Dienstleistungen für externe Partner selbst erwirtschaften. Je nach PR-Kampagne arbeitet ST mit S-GE oder der dem EDA unterstellten Verwaltungseinheit Präsenz Schweiz zusammen, um ein koordiniertes Erscheinungsbild der Schweiz im Ausland sicherzustellen.

Regelmässige Wirksamkeitsstudien haben den Nutzen von ST für die Schweizer Tourismusbranche insbesondere auf strategisch wichtigen Märkten wie China oder Indien gezeigt.

1.3.8

Präsenz Schweiz

Der Auftrag von Präsenz Schweiz besteht darin, das schweizerische Erscheinungsbild im Ausland in sämtlichen Bereichen, einschliesslich der Wirtschaft, zu fördern.

Präsenz Schweiz arbeitet mit allen Departementen der Bundesverwaltung zusammen. Sie verfügt über IT-Instrumente, mit denen sich die Entwicklung des schweizerischen Erscheinungsbilds in bestimmten Ländern oder auf einzelnen Märkten beobachten lässt. Verschiedene ihrer Aktivitäten sind mit den Instrumenten der offensiven Handelspolitik verwandt. Da das Erscheinungsbild der Schweiz im Ausland gemäss den gesammelten Erkenntnissen grösstenteils durch die von Schweizer Unternehmen exportierten Produkte und Dienstleistungen geprägt wird, nutzt Präsenz Schweiz Synergien mit der Privatwirtschaft. Diese Synergien können verschiedene Formen annehmen, beispielsweise öffentlich­private Partnerschaften bei Grossanlässen (insbesondere bei den Olympischen Spielen oder Weltausstellungen), aber auch die Entwicklung bestimmter Dienstleistungen oder der Vertrieb von Informationsmaterial (z. B. das Buch Swiss Made, the untold story behind Switzerland's success von R. James Breiding22).

22

Profile Books, London, 2013.

1218

Ganz allgemein trägt Präsenz Schweiz im Rahmen ihrer Strategie des Nation Branding23 dazu bei, im Ausland ein positives Bild der Schweiz zu vermitteln, was indirekt auch den Exportunternehmen von Produkten Made in Switzerland zugutekommt. Beispiele dafür sind die Projekte PlanetSolar24 sowie Solar Impulse25.

1.3.9

Netzwerk mit Bildungs-, Forschungs- und Innovationsauftrag

Im Rahmen ihres Grundauftrags, die schweizerischen Interessen im Ausland zu vertreten, unterstützen die diplomatischen und konsularischen Vertretungen die Aktivitäten im Bereich Bildung, Forschung und Innovation. Konkret bilden die Vertretungen des Netzwerks Swissnex sowie die Beraterinnen und Berater für Wissenschaft und Technologie, welche zurzeit in 18 Schweizer Auslandsvertretungen tätig sind, das mit einem Auftrag im Bereich Bildung, Forschung und Innovation ausgestattete Aussennetz des Bundes. Geführt wird das Netzwerk vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) im WBF mit Unterstützung des EDA. Die erste Swissnex-Vertretung wurde im Jahr 2000 in Boston eröffnet. Mittlerweile gibt es zudem Niederlassungen in San Francisco, Singapur, Schanghai, Bangalore und Rio de Janeiro.

Die Aufgabe dieses Netzwerks besteht darin, die Entwicklungen im Bereich Bildung, Forschung und Innovation im Aufenthaltsstaat zu beobachten und zu analysieren. Zudem werden wissenschaftliche Austauschprogramme und gemeinsame Forschungsprojekte mit den Hochschulinstitutionen des Aufenthaltsstaats gefördert sowie wird zu herausragenden Leistungen und zur Attraktivität der Schweiz auf dem Gebiet der Bildung, Forschung und Innovation beigetragen. Wie denn auch in einem Fachartikel festgestellt wird, «konzentriert sich die Handelsdiplomatie der Industriestaaten immer stärker auf die Förderung von F&E26, Wissenschaft und Technologie sowie auf die vorkommerzielle Zusammenarbeit.»27 Die Swissnex-Vertretungen werden für die Handelsdiplomatie an Bedeutung gewinnen, und es dürfte ein Ausbau der bereits punktuell bestehenden Kooperationen zwischen den Vertretungen und den SBH erforderlich werden. Die traditionellen Partner dieser Institutionen unterscheiden sich recht stark, interessieren sich die Swissnex-Vertretungen aufgrund ihres Auftrags doch für junge Forschende und kleine, in der Aufbauphase befindliche Start-ups. Dagegen konzentrieren sich die SBH auf Unternehmen, welche einen bestimmten Reifegrad erreicht haben. Da sich die Swissnex-Vertretungen und die SBH jedoch hinsichtlich der Aktivitätsgebiete und Kompetenzen ergänzen, sind neue Synergien zu erwarten.

23 24 25 26 27

www.eda.admin.ch > Themen > Landeskommunikation www.planetsolar.org/de/ www.solarimpulse.com/de «Forschung und Entwicklung».

Olivier Naray, «Commercial Diplomats in the Context of International Business», The Hague Journal of Diplomacy, Nr. 6 (2011), S. 126.

1219

1.3.10

Handelskammern

Als private Institutionen fallen die Tätigkeiten der Schweizer Handelskammern und der Swiss Business Councils im Ausland nicht unter die Handelsdiplomatie im Sinne der Definition dieses Kapitels. Dennoch profitieren diese Institutionen je nach Land nicht selten von einem gewissen offiziellen Charakter. Daher ähneln ihre Interventionen zugunsten von Schweizer Mitgliedsunternehmen inhaltlich in manchen Fällen den Massnahmen der Handelsdiplomatie, zumal sie mitunter in Abstimmung mit der Schweizer Vertretung vor Ort ­ oder sogar mit ihrer ausdrücklichen Unterstützung ­ durchgeführt werden. Die Handelskammern dienen häufig auch als wertvolle Informationsquellen, als mögliche Orte für Networking und als Akteure einer offensiven, privat geführten Handelsdiplomatie.

Die Schweiz verfügt über eine breite Palette von handelsdiplomatischen Instrumenten. Diese reichen von auf verschiedenen Ebenen angesiedelten Wirtschaftsmissionen über die Streitschlichtungsmechanismen im Rahmen von Wirtschaftsabkommen bis hin zu den Fachleuten des Schweizer Aussennetzes. Dank dieser verschiedenen Instrumente, welche sich in hohem Masse ergänzen, kann die Schweiz ihre Interessen im Ausland wirksam und gezielt wahren.

1.4

Herausforderungen der Zukunft

In einer sich wandelnden Welt muss sich die Schweiz Gedanken über die Zukunft ihrer Handelsdiplomatie machen. Zeigt sie Wirkung? Muss sie reformiert oder gestärkt werden? Benötigt sie neue Instrumente? Muss sie den Blick auf neue Märkte richten?

Der Bundesrat ist überzeugt, dass es sinnvoll ist, im Dienst der Schweizer Wirtschaft eine wirkungsvolle Handelsdiplomatie zu betreiben. Besonders wichtig ist dies für KMU, welche ihre Interessen in schwierigen Märkten oft nicht allein wahren können. Die Handelsdiplomatie muss über geeignete Instrumente verfügen, um dem internationalen Wettbewerb und den Herausforderungen der Globalisierung Rechnung zu tragen ­ wie der internationalen Arbeitsteilung, den globalen Wertschöpfungsketten, den immer häufigeren, protektionistischen Zwecken dienenden nichttarifären Handelshemmnissen oder dem zunehmend komplexen Handel mit Dienstleistungen. Damit dies gelingt, müssen die Megatrends der wirtschaftlichen Entwicklung in einer sich wandelnden Welt antizipiert und unsere jetzigen und künftigen Mitbewerber beobachtet werden, um sofern dies sinnvoll ist, von ihnen zu lernen.

1.4.1

Was macht die Konkurrenz?

Unsere grössten Mitbewerber auf den Weltmärkten sind zurzeit die Industrieländer Westeuropas und Nordamerikas sowie einige fortgeschrittene asiatische Volkswirtschaften.

1220

Eine Umfrage bei Schweizer Botschaften hat ergeben, dass die meisten unserer aktuellen Mitbewerber entweder eine mit der unsrigen vergleichbare Organisationsstruktur aufweisen oder aber etatistischer beziehungsweise zentralisierter organisiert sind. Allgemein ist festzustellen, dass die mit der Schweiz vergleichbaren Länder Europas über mehr Finanzmittel und Personal verfügen, um offensive Handelsdiplomatie zu betreiben. Ausserdem gehen diese Staaten häufig besser koordiniert und entschlossener vor und neigen im Export mitunter zu einer Industriepolitik. In manchen Ländern sind die Unternehmen gesetzlich verpflichtet, sich an den Kosten der Handelspolitik zu beteiligen.

Die Privatsektoren der betreffenden Länder scheinen mit den jeweiligen staatlichen Leistungen insgesamt zufrieden zu sein. Allerdings bestehen zwischen den einzelnen Ländern beträchtliche Unterschiede. Der Preis für die dynamischste Politik müsste an Grossbritannien und die Niederlande gehen, deren aktuelle Regierungen starke Impulse gesetzt und zusätzliche Budgetmittel für die Intensivierung ihrer offensiven Handelsdiplomatie gesprochen haben.

In Zukunft wird uns abgesehen von den aktuellen Mitbewerbern Konkurrenz zum einen von den grossen Schwellenländern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika und zum anderen von der manchmal als Next-Eleven bezeichneten Staatengruppe erwachsen; diese besteht laut der Investmentbank Goldman Sachs aus Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko, Nigeria, Pakistan, den Philippinen, der Republik Korea, der Türkei und Vietnam. Die wirtschaftspolitische Tradition dieser Schwellenländer unterscheidet sich häufig von dem in Westeuropa vorherrschenden klassisch liberalen Modell. Diese Staaten, welche stärker interventionistisch agieren und häufig durch einen grossen Staatssektor oder regierungsnahe Mischkonzerne geprägt sind, entwickeln schon jetzt einen anderen, offensiveren beziehungsweise aggressiveren handelsdiplomatischen Ansatz. So zögern sie nicht, den Marktzugang für ihre Unternehmen an Entwicklungszusammenarbeit oder politische Unterstützung zu koppeln. In manchen dieser Staaten ­ insbesondere jenen, welche durch hohes Wirtschaftswachstum und einen relativen Mangel an Rohstoffen geprägt sind ­ wird die Handelsdiplomatie zudem für den Zugang zu Ressourcen eingesetzt.

Was die
Handelsdiplomatie im engeren Sinne betrifft, scheinen diese Staaten jedoch noch keine echte Dienstleistungs- und Unterstützungskultur zugunsten ihrer Unternehmen entwickelt zu haben, vor allem, wenn es sich um rein private Unternehmen oder KMU handelt. Häufig verhindert zudem eine starke Bürokratisierungstendenz, dass sich die Handelsdiplomatie um die konkreten Probleme der Unternehmen kümmert. Deshalb wenden sich die Unternehmen dieser Länder nicht selten an die Schweizer Auslandsvertretungen vor Ort, um Unterstützung beim Auf- und Ausbau ihrer Geschäfte mit der Schweiz zu erhalten.

Sowohl in unseren aktuellen Mitbewerberstaaten als auch in den Schwellenländern werden die handelsdiplomatischen Aufgaben häufig durch eine Vielzahl öffentlicher oder halböffentlicher Institutionen wahrgenommen. Dies führt zu Doppelspurigkeiten, Rivalitäten zwischen Dienststellen und letztlich zu einer Verschwendung von Ressourcen. Was die Schweiz betrifft, ergänzen sich die verschiedenen Instrumente der Handelsdiplomatie dagegen relativ gut. Im internationalen Vergleich hat die Schweiz Doppelspurigkeiten erfolgreich vermieden.

Auf Grundlage der beschriebenen Zukunftsvision ist es illusorisch zu glauben, die Schweiz könne ihre Interessen alleine durch die Berufung auf ihre Rechte aus den 1221

abgeschlossenen Handelsabkommen und durch eine begrenzte Handelsdiplomatie wahren. Es müssen grundlegende Überlegungen über die handelsdiplomatischen Instrumente der Zukunft angestellt werden.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass es sinnvoll ist, im Dienst der Schweizer Wirtschaft eine wirkungsvolle Handelsdiplomatie zu betreiben. Die meisten aktuellen Mitbewerber der Schweiz organisieren ihre Handelsdiplomatie ähnlich wie die Schweiz, wobei manche Staaten entschlossener vorgehen. Sie verfügen häufig über mehr Finanzmittel und Personalressourcen. Als Reaktion auf die Wirtschaftskrise haben einige europäische Länder in jüngster Zeit starke handelsdiplomatische Impulse gesetzt. Gesamthaft betrachtet haben die grossen Schwellenländer ausserhalb Europas kaum eine Handelsdiplomatie entwickelt, welche auf Dienstleistungen für den Privatsektor ausgerichtet ist.

1.4.2

Die Schweizer Handelsdiplomatinnen und Handelsdiplomaten der Zukunft

In der Handelsdiplomatie sind Personen mit unterschiedlichen Profilen tätig: spezialisierte Betriebswirtschafterinnen und Betriebswirtschafter, Generalistinnen und Generalisten auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen, Volkswirtschafterinnen und Volkswirtschafter sowie Juristinnen und Juristen. Die erste Personengruppe kommt in der Regel aus der Geschäftswelt. Sie ist in der Lage, konkrete Probleme zu analysieren, und verfolgt einen proaktiven Geschäftsansatz. Bei der zweiten Gruppe handelt es sich typischerweise um Diplomatinnen und Diplomaten oder Konsularbeamtinnen und -beamte, die den Gesamtüberblick über die Handelsprobleme haben und das Akkreditierungsland in seiner ganzen Vielfalt kennen. Dadurch können sie konkrete Probleme in den Gesamtzusammenhang der schweizerischen Beziehungen zum betreffenden Land einordnen. Sie unterhalten ausserdem ein über die reinen Wirtschaftsmilieus hinausreichendes Beziehungsnetz, von dem auch die Schweizer Unternehmen profitieren. Die dritte Gruppe besteht grösstenteils aus Fachpersonen, welche sich auf die internationalen Beziehungen im Wirtschaftsbereich spezialisiert haben, die wertvolle makroökonomische Analysen über den Aufenthaltsstaat beisteuern.

Nach Auffassung des Bundesrats sind für eine wirksame Handelsdiplomatie all diese Profile erforderlich. Damit das EDA, das SECO, S-GE und das SBFI ihre jeweiligen Kompetenzen weiterentwickeln und ausbauen können, spricht sich der Bundesrat für die Förderung des Personalaustauschs zwischen diesen Einheiten aus. Ausserdem hält er es für wünschenswert, interessierte EDA-Angestellte bei einer gewissen Spezialisierung in den Bereichen Wirtschaft und Handel zu unterstützen ­ etwa durch die bevorzugte Verwendung bisheriger EDA-Beschäftigter als Leiterinnen und Leiter von SBH.

In einer sich wandelnden Welt, in der unsere aussereuropäischen Partner wirtschaftlich weiter an Bedeutung gewinnen dürften und die Zunahme protektionistischer und etatistischer Tendenzen nicht auszuschliessen ist, hält es der Bundesrat für unabdingbar, die Aus- und Weiterbildung der in der Schweizer Handelsdiplomatie tätigen Personen durch folgende Massnahmen zu verstärken: 1222

­

Angebot von Weiterbildungsmodulen für Beschäftigte mit einem der oben genannten Profile, damit sie ihre Fähigkeiten verbreitern können;

­

Erhöhung des Anteils wirtschaftlicher Inhalte in der Erstausbildung von Beschäftigten im diplomatischen und konsularischen Dienst des EDA;

­

Bereitstellung eines gemeinsam durch das EDA, das SECO und die Economiesuisse entwickelten, umfangreichen Wirtschaftsausbildungsmoduls für Diplomatinnen und Diplomaten sowie Konsularbeamtinnen und -beamte, die im Ausland eine für die Interessenwahrung wichtige Position bekleiden sollen;

­

Ausbau des Weiterbildungsprogramms von S-GE für versetzbares und lokales Bundespersonal, welches in der Exportförderung eingesetzt werden soll.

Nach Überzeugung des Bundesrats werden die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes durch diese Ausbildungsmassnahmen bestmöglich vorbereitet, um den künftigen Herausforderungen der Schweizer Handelsdiplomatie gerecht zu werden. Diese Massnahmen reichen jedoch alleine nicht aus, weshalb neue Wege geprüft werden müssen.

Das Personalprofil der Schweizer Handelsdiplomatie ist sehr vielfältig und trägt den spezifischen Bedürfnissen der Wirtschaft Rechnung. In einer sich wandelnden Welt, in der unsere aussereuropäischen Partner wirtschaftlich weiter an Bedeutung gewinnen dürften, hält es der Bundesrat für unabdingbar, die Ausund Weiterbildung der Schweizer Handelsdiplomatinnen und Handelsdiplomaten stärker auf Wirtschaftsfragen auszurichten.

1.4.3

Neue Wege

Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Schweizer Handelsdiplomatie insgesamt zufriedenstellend funktioniert. Gleichwohl gibt es Verbesserungspotenzial, weshalb er in einem ersten Schritt verschiedene Massnahmen prüfen wird.

Ein erster möglicher Weg könnte darin bestehen, dass Delegationen des Privatsektors den Bundespräsidenten beziehungsweise die Bundespräsidentin bei offiziellen Missionen begleiten. Dadurch liesse sich die Zahl der jährlichen Missionen erhöhen und der Privatsektor erhielte Zugang zu den höchsten Vertreterinnen und Vertretern der besuchten Staaten. Weiter könnten kombinierte Wirtschafts- und Wissenschaftsmissionen durchgeführt werden - nach dem Vorbild der im September des Berichtsjahrs von einer Delegation unter der Leitung von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann unternommenen Reise nach Südafrika.

Eine zweite Möglichkeit, die zum Teil bereits genutzt wird, besteht darin, mit anderen gleich gesinnten Staaten defensive handelsdiplomatische Massnahmen gemeinsam durchzuführen. Denkbar ist dies in Fällen, in denen es nicht primär um die Interessen eines einzelnen Unternehmens, sondern um die eines ganzen Wirtschaftssektors geht.

1223

Drittens könnte die EDV-Unterstützung durch Präsenz Schweiz intensiviert werden, um auf den Schlüsselmärkten wichtige Meinungstrends frühzeitig zu ermitteln, die für bestimmte Schweizer Industriesektoren von Bedeutung sind. So liesse sich ein Frühwarnsystem für Ereignisse im Ausland aufbauen, die sich auf unsere Exportindustrie auswirken können.

Und viertens könnten in der Schweiz zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, um die Wirtschaftsteilnehmer mit den Handelsabkommen der Schweiz und mit den verschiedenen Instrumenten der Schweizer Handelsdiplomatie vertrauter zu machen, damit sie diese besser nutzen können.

Die dringlichste Aufgabe besteht jedoch darin, im Rahmen mittel- bis langfristiger strategischer Überlegungen die Frage zu beantworten, auf welchen Gebieten unsere Wirtschaftsteilnehmer die Unterstützung der Schweizer Handelsdiplomatie künftig am nötigsten haben. In diesem Zusammenhang ist der Bundesrat der Meinung, dass die Handelsdiplomatie in weit entfernten Märkten den grössten Mehrwert schaffen kann, sowohl in Ländern mit grossen sprachlichen und kulturellen Hürden, in Wirtschaftssystemen mit anderen Regeln als den unsrigen, in Staaten mit anfälligen beziehungsweise schwachen Rechtssystemen, in Gebieten, in denen zuverlässige Informationen schwer zugänglich sind, sowie in Ländern mit intransparenten Verwaltungen. Vor diesem Hintergrund wird sich das Netzwerk der Handelsdiplomatinnen und Handelsdiplomaten in den nächsten Jahren stärker auf die Schwellenländer ausserhalb Europas ausrichten.

Zweifellos spielen die durch das Abkommen vom 22. Juli 197228 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (FHA von 1972) geregelten Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz zur EU heute und in absehbarer Zukunft eine wesentliche Rolle. Der Bundesrat beabsichtigt nicht, das Netz der Wirtschaftsberaterinnen und -berater in den EU-Mitgliedstaaten in Frage zu stellen. Er ist jedoch der Meinung, dass das Schweizer Aussennetz durch handelsdiplomatische Massnahmen künftig vor allem ausserhalb der EU Mehrwert schaffen kann. Zwar entfallen noch immer etwa 65 Prozent des Schweizer Aussenhandels auf die EU, welche auch künftig wichtigster Handelspartner der Schweiz bleiben dürfte.

Dieser Anteil ist aber seit 20 Jahren zugunsten der aussereuropäischen Schwellenländer
kontinuierlich zurückgegangen. So machte 1990 der Handel mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft fast 75 Prozent unseres Aussenhandels aus. Diese Zahl fiel 2000 auf 71,5 Prozent, 2010 auf 68,3 Prozent und 2012 auf 65 Prozent ­ und dies trotz der EU-Erweiterung, die in diesem Zeitraum stattfand.

Es ist absehbar, dass sich dieser Trend fortsetzt. Nach Ansicht des Bundesrats steht die Handelsdiplomatie im Dienst der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik und muss vor diesem Hintergrund als Risikokapital angesehen werden. Deshalb sollten heute und auch künftig Mittel in Märkte investiert werden, die zwar heute noch relativ unbedeutend sind, gleichzeitig aber Potenzial und ein hohes Wachstum aufweisen.

Diese Märkte liegen in Afrika, Lateinamerika, Asien und im Nahen Osten.

28

SR 0.632.401

1224

Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Schweizer Handelsdiplomatie insgesamt gut funktioniert. Gleichwohl kann dieses Instrument der Aussenwirtschaftspolitik in seinen Augen ausgebaut werden. Nach seiner Überzeugung kann die Schweizer Handelsdiplomatie in entfernten Schwellenländern besonders viel Mehrwert schaffen. Deshalb müssen die Schweizer Handelsdiplomatinnen und Handelsdiplomaten auch zunehmend in Afrika, Lateinamerika, Asien und im Nahen Osten eingesetzt werden.

1.5

Fazit

Die Schweiz verfolgt bezüglich des internationalen Wirtschaftsaustauschs einen auf offene Märkte ausgerichteten Ansatz. Gleichzeitig ist ihre Politik durch einen gesunden Pragmatismus geprägt, mit dem die staatlichen und privaten Akteure einer sich wandelnden Welt Rechnung tragen können. In einer Zeit, in der in einigen Ländern zunehmende protektionistische Tendenzen zu beobachten sind und andere zu einem gewissen Etatismus neigen, ist die Handelsdiplomatie als Dienstleistung für die Schweizer Wirtschaftsteilnehmer wichtiger denn je.

Der Bundesrat wird die verschiedenen in diesem Schwerpunktkapitel beschriebenen Möglichkeiten zur weiteren Stärkung der Schweizer Handelsdiplomatie prüfen.

Seiner Auffassung nach funktioniert die defensive Handelsdiplomatie zufriedenstellend, während im Bereich der offensiven Handelsdiplomatie mehr getan werden kann ­ sei es durch die Beauftragung von Präsenz Schweiz, zusätzlich zu ihren bisherigen Aktivitäten die Anstrengungen im Bereich des Nation Branding zu intensivieren, oder durch eine schrittweise, den künftigen Bedürfnissen der Wirtschaft entsprechende Umstrukturierung des Schweizer Aussennetzes oder durch eine stärker auf den Bereich Wirtschaft ausgerichtete Aus- und Weiterbildung des Personals im Aussennetz. Der Bundesrat ist überzeugt, dass es sinnvoll ist, im Dienst der Schweizer Unternehmen und zur Förderung der Beschäftigung in unserem Land eine wirkungsvolle Handelsdiplomatie zu betreiben. Dies setzt voraus, dass die Handelsdiplomatie über die geeigneten Instrumente verfügt, die dem internationalen Wettbewerb und den Herausforderungen der Globalisierung angemessen sind. Schliesslich ist davon auszugehen, dass die Schweizer Handelsdiplomatie Mehrwert künftig zunehmend in den Schwellenländern ausserhalb Europas generieren wird. Deshalb müssen die Mittel der Handelsdiplomatie künftig schrittweise neu zugewiesen werden.

1225

2

WTO und weitere multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit

2.1

Welthandelsorganisation (WTO)

Vom 3. bis 7. Dezember fand in Bali die neunte ordentliche WTO-Ministerkonferenz statt. Anlässlich dieser Konferenz gelang es, einen Teilabschluss einzelner wichtiger Themen der 2001 lancierten Doha-Runde zu erzielen. Neben dem Abschluss eines neuen WTO-Abkommens über Handelserleichterungen gehören dazu Entscheidungen in wichtigen Entwicklungsthemen, welche vor allem die am wenigsten entwickelten Länder betreffen, sowie Beschlüsse in gewissen Fragen im Landwirtschaftsbereich. Im April wurde die alle vier Jahre stattfindende Überprüfung der Schweizer Handelspolitik durchgeführt.

2.1.1

Welthandelsorganisation

Die achte ordentliche WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2011 in Genf markierte bezüglich der Doha-Runde eine Wende: Die Ministerinnen und Minister anerkannten erstmals offiziell, dass erhebliche Differenzen in den Doha-Verhandlungen bestehen und es unwahrscheinlich ist, in Kürze alle Dossiers gleichzeitig abzuschliessen. Deshalb wurde auf Einladung der Schweiz während des informellen WTO-Ministertreffens in Davos vom 26. Januar 2013 diskutiert, welche Themen der Doha-Runde an der neunten ordentlichen WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2013 in Bali vorzeitig abgeschlossen werden könnten. Dabei stand der Abschluss eines neuen Abkommens über Handelserleichterungen im Vordergrund, ergänzt mit gewissen Agrar- und zusätzlichen Entwicklungsthemen, insbesondere zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder.

Nebst den Doha-Verhandlungen werden seit Mai 2012 Verhandlungen zur Ausdehnung des plurilateralen WTO-Abkommens von 1996 über die Liberalisierung von Informationstechnologien geführt. Dabei wurde darauf hingearbeitet, an der Ministerkonferenz den Deckungsbereich und den Mitgliederkreis des Abkommens auszudehnen.

Ausserhalb der WTO werden Verhandlungen zu einem plurilateralen Dienstleistungsabkommen geführt (vgl. Ziff. 5.3). Die an den Verhandlungen teilnehmende Ländergruppe strebt ein hohes Ambitionsniveau bezüglich der Liberalisierung des Dienstleistungshandels an.

Am 1. September trat der Botschafter Brasiliens bei der WTO, Roberto Carvalho de Azevêdo, die Nachfolge von Pascal Lamy als WTO-Generaldirektor an.

2.1.2

Neunte WTO-Ministerkonferenz

Die neunte ordentliche WTO-Ministerkonferenz fand vom 3. bis 7. Dezember in Bali statt. Anlässlich dieser Konferenz wurde erstmals seit der Gründung der WTO im Jahr 1995 ein umfassendes Abkommen über Handelserleichterungen abgeschlossen. Dieses wird zur Vereinfachung der staatlichen Regulierungen des grenzüber1226

schreitenden Handels und somit zu einer Beschleunigung der Warenflüsse und einer Senkung der Kosten für den grenzüberschreitenden Warenverkehr führen. Insbesondere werden damit die Transparenz im Zollbereich verbessert, Zollverfahren vereinfacht und allgemeinverbindliche Mindestanforderungen für Formalitäten und Zollverfahren festgelegt. Das Abkommen über Handelserleichterungen beinhaltet zudem als erstes WTO-Abkommen einen neuen Ansatz für die Umsetzung der Verpflichtungen durch die Entwicklungsländer. So sieht das Abkommen zwar die vollständige Umsetzung aller Bestimmungen durch sämtliche WTO-Mitglieder vor, überlässt es aber den Entwicklungsländern die Umsetzungsfristen für die einzelnen Massnahmen entsprechend ihren Umsetzungskapazitäten festzulegen und zu entscheiden, für welche Massnahmen sie zusätzlich technische Unterstützung benötigen, um die Umsetzung gewährleisten zu können.

Im Agrarbereich verabschiedeten die Ministerinnen und Minister striktere Regeln für die Verwaltung der existierenden Zollkontingente und neue Flexibilitäten zugunsten von Entwicklungsländern für die Ausrichtung von Subventionen zur Ernährungssicherheit. Die neuen Regeln für die Verwaltung von Zollkontingenten kann die Schweiz problemlos umsetzen. Damit wird auch der Marktzugang für Schweizer Agrarprodukte im Ausland verbessert. Weiter bekräftigten die Ministerinnen und Minister in einer Deklaration den WTO-Ministerentscheid von 2005 in Hong Kong für eine künftige Abschaffung aller Formen von Exportsubventionen und Regeln für ähnlich wirkende Instrumente. Im Hinblick auf ein künftiges Resultat in diesem Bereich verpflichteten sich die Ministerinnen und Minister, ihre Reformanstrengungen für eine Reduktion der Exportsubventionen und ähnlicher Instrumente weiterzuführen. Für die Schweiz und die anderen WTO-Mitgliedstaaten bedeutet dies eine ­ rechtlich nicht bindende ­ Aufforderung, ihre Ausfuhrbeiträge wie jene für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte im Rahmen des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 197429 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten (des sogenannten Schoggigesetzes) weiter abzubauen (vgl. Ziff. 5.1.3). Der Druck auf einen künftigen weiteren Abbau und schlussendlich eine Abschaffung dieser Beiträge ist damit weiter gestiegen. Erhöhungen des Schoggigesetz-Budgets würden Sinn
und Geist dieses Ministerbeschlusses zuwiderlaufen.

Im Entwicklungsbereich einigten sich die WTO-Mitglieder darauf, einen Mechanismus zur Prüfung der Umsetzung bestehender Bestimmungen über die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer zu schaffen. Weiter beschlossen sie unverbindliche Richtlinien für präferenzielle Ursprungsregeln für Importe aus den am wenigsten entwickelten Ländern.Ferner verlängerten die Ministerinnen und Minister zwei Moratorien zum weiteren Verzicht auf Zölle und ähnliche Abgaben auf elektronische Übermittlungen (e-commerce-Moratorium) und zur vorläufigen Nichtanwendung sogenannter non-violation complaints im TRIPS-Kontext (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights): Durch die Nichtanwendung von Bestimmungen zu non-violation complaints werden Klagen nicht zugelassen, die keine direkte Verletzung einer WTO-Regel zum Gegenstand haben, sondern auf Massnahmen abzielen, die einem WTO-Mitglied zustehende Rechte und Handelsvorteile de facto verwehren.

Schliesslich kamen sie überein, bis in einem Jahr ein Arbeitsprogramm zu verabschieden, um die Beschlüsse von Bali umzusetzen und die Verhandlungen über offene Themen der Doha-Runde weiterzuführen.

29

SR 632.111.72

1227

Mit dem Abschluss der Verhandlungen in wichtigen Teilbereichen der Doha-Runde setzten die Ministerinnen und Minister ein Zeichen, dass das multilaterale Handelssystem funktioniert und es weiterhin möglich ist, auf multilateraler Ebene neue Regeln zu setzen. Die WTO bleibt auch künftig die massgebende Organisation zur Erarbeitung von Lösungen und Regeln für aktuelle Herausforderungen auf multilateraler Ebene. Dies ist umso wichtiger, als sie so glaubwürdig gegen das Wiederaufflammen protektionistischer Drohungen ankämpfen kann.

Am 4. Dezember unterzeichnete Jemen das Beitrittsprotokoll und wird als 160. Mitglied und als 35. Land von den 48 Ländern, die die UNO als am wenigsten entwickelt kategorisiert hat, der WTO beitreten.

2.1.3

Überprüfung der Handelspolitiken

Im Berichtsjahr wurden die Handelspolitiken von zwanzig WTO-Mitgliedern (u.a. Argentinien, Brasilien, EU, Indonesien, Japan, Mexiko, Peru, Schweiz und Vietnam) überprüft. Das Ziel dieser Examen ist es, auf die Handelspolitiken der WTO-Mitglieder detailliert einzugehen. Im Jahr 2014 werden insbesondere die Handelspolitiken von China, Hong Kong, Malaysia, chinesisches Taipei, der Ukraine und der USA überprüft werden.

Anlässlich der sechsten Überprüfung der Handelspolitik der Schweiz durch die WTO betonten die WTO-Mitglieder die rasche Erholung der Schweizer Wirtschaft nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008­2009 sowie die guten Resultate mit Bezug auf Beschäftigung, Inflation und Schuldenbremse. Hierbei unterstrichen sie die Vorteile der Anpassungsfähigkeit der Schweiz an europäische und internationale Normen, des stabilen und offenen Investitionsregimes sowie eines Industriesektors, welcher durch eine starke Intensivierung der Bemühungen im Forschungs- und Entwicklungsbereich sowie durch eine Spezialisierung auf Produkte mit hohem Mehrwert gekennzeichnet ist. Kritisiert wurden der hohe Grenzschutz (Zölle) und die Ausrichtung von Subventionen im Landwirtschaftsbereich sowie die zögerlichen Reformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft. In diesem Zusammenhang kritisierten einige Mitglieder den Preisausgleichsmechanismus, welcher die hohen Kosten der Verwendung einheimischer Rohstoffe zur Herstellung von für den Export bestimmten Produkten der Schweizer Nahrungsmittelindustrie ausgleicht (sog. Schoggigesetz). Bemängelt wurde auch die Komplexität des Systems der Zolltarifkontingente bei der Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte. Zudem wurde auf gewisse Restriktionen in Monopolbereichen (Post, Brandschutzversicherung, Salzhandel) hingewiesen. Die WTO-Mitglieder begrüssten, dass die Schweiz seit 2009 keine protektionistischen Massnahmen erlassen hatte. Sie zeigten Verständnis für die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank, vor dem Hintergrund der Schuldenkrise in der Eurozone einen Mindestwechselkurs von Fr. 1.20 pro Euro einzuführen. Positiv wurden zudem die unternommenen Anstrengungen gewertet, den Wettbewerb im Inland zu verstärken. Die Schweiz wurde in diesem Zusammenhang ermutigt, die strukturellen Reformen, insbesondere auch im Landwirtschaftsbereich, fortzuführen.

1228

2.2

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Die OECD ist sich der Bedeutung des Einbezugs der aufstrebenden Volkswirtschaften in ihre Aktivitäten bewusst und bemüht sich deshalb um eine Stärkung ihrer weltweiten Beziehungen. Zum Aufbau einer langfristigen Beziehung zu der als Schwerpunktregion erklärten Region Südostasien soll ein spezielles Programm geschaffen werden. Im Mai stimmten die Ministerinnen und Minister der Eröffnung der Beitrittsverfahren von Kolumbien und Lettland zu.

Die Schweiz unterstützt den Ausbau der globalen Beziehungen der OECD, womit die weltweite Bedeutung derselben sichergestellt werden soll. Gleichzeitig weist die Schweiz mit Nachdruck auf die Bewahrung einer gemeinsamen Ausrichtung der Mitglieder (sog. like-mindedness) im Einklang mit den Gründungsprinzipien der OECD hin. Obwohl die Beziehung zur OECD in den letzten Jahren wegen des Steuerdossiers auf die Probe gestellt wurde, bleibt die Organisation für die Schweiz eine unverzichtbare Plattform für Wirtschaftsanalysen und den weltweiten Dialog.

2.2.1

Öffnungspolitik der OECD

Nach einer Beitrittswelle im Jahr 2010 mit der Aufnahme von Estland, Chile, Israel und Slowenien bereitet sich die OECD auf eine erneute Erweiterung vor. Im Berichtsjahr nahm sie Beitrittsgespräche mit Kolumbien und Lettland auf. Im Rahmen dieser Beitrittsverfahren führen die technischen Ausschüsse der OECD verschiedene Überprüfungen durch und beurteilen, ob die Beitrittskandidaten dieselben Werte wie die Organisation vertreten. Die Minister beschlossen, die Kandidaturen von Costa Rica und Litauen im Jahr 2015 erneut zu prüfen. Die Aufnahme Russlands, welches seit 2007 Beitrittskandidat ist, wurde angesichts der bestehenden Schwierigkeiten auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Russland erfüllt zurzeit die OECD-Standards in wichtigen Bereichen wie der Umweltpolitik oder der Investitionstätigkeit nicht. Somit setzen die technischen Ausschüsse ihre Überprüfungen fort. Zudem muss sich die OECD mit den Folgen eines Beitritts Russlands für das Budget und die interne Gouvernanz auseinandersetzen. Da eine zu grosse Anzahl Mitglieder zur Verwässerung der OECD-Standards führen könnte, zeigt sich die Schweiz gegenüber Erweiterungen eher zurückhaltend. Für sie ist zentral, dass die Kandidaten die Gründungsprinzipien der OECD einhalten, damit die Organisation eine Gemeinschaft von Staaten mit gleichen Werten und Zielen bleibt (sog. likemindedness).

Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung der aufstrebenden Volkswirtschaften und um weltweit relevant zu bleiben, bemüht sich die OECD seit 2007 um eine Annäherung an Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südafrika, indem sie diesen Staaten einen bevorzugten Status als Schlüsselpartner verliehen hat. Im Berichtsjahr beschloss die OECD, diese Zusammenarbeit mittels eines individuelleren Ansatzes weiter zu stärken. Zudem wird sie ein Regionalprogramm für Südostasien mit eigenen Gouvernanz- und Finanzierungsstrukturen schaffen, um die

1229

Beziehung mit dieser Region zu institutionalisieren, welche bisher eher punktuell ausgerichtet war.

2.2.2

Die Bedeutung der OECD für die Schweiz

Seit ihrer Gründung vor über fünfzig Jahren bleibt das Ziel der OECD die Förderung von Politiken, welche ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, einen hohen Lebensstandard und einen reibungslosen internationalen wirtschaftlichen Austausch begünstigen. Die OECD unterstützt ihre Mitglieder sowie gewisse Nichtmitglieder bei der Umsetzung entsprechender Politiken, indem sie von Fachleuten erarbeitete Studien und Berichte zur Verfügung stellt. Dies funktioniert insbesondere dank peer reviews, aus denen für die betroffenen Staaten Empfehlungen, Normen und Standards resultieren. Als Gründungsmitglied leistet die Schweiz einen wesentlichen Beitrag zu den Arbeiten der OECD und ist in all ihren Instrumenten vertreten.

Bei den Aktivitäten der Schweiz in der OECD bleiben die Steuerfragen wichtig. Die Schweiz ist Mitglied des Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen, dem zurzeit 120 Steuergebiete angehören und dessen Sekretariat von der OECD geführt wird. Innerhalb dieses Forums wirkt die Schweiz aktiv im Leitungsausschuss und in der Peer-Review-Gruppe mit. Dennoch bereitet ihr die Einhaltung der durch das Forum definierten Normen Schwierigkeiten, namentlich was grundlegende Kriterien für den Informationsaustausch betrifft. Als einziger bedeutender Finanzplatz beziehungsweise einziges OECD-Mitglied hat die Schweiz die zweite Phase der peer reviews noch nicht erreicht. Das Forum erstellte am Treffen vom 22. November in Jakarta zum ersten Mal eine umfassende Klassierung der Länder. Die Schweiz ist Mitglied des Forums und nahm am Treffen teil, sie wurde aber als einziges OECD-Land nicht klassiert, da sie die formalen Voraussetzungen dafür noch nicht erfüllt. Allerdings wurde die Schweiz auch nicht erneut isoliert oder öffentlich angeprangert. Am 15. Oktober unterzeichnete die Schweiz als 58. Staat die Konvention der OECD und des Europarats über gegenseitige Verwaltungshilfe in Steuersachen vom 25. Januar 1988. Die vom OECD-Fiskalausschuss behandelte Unternehmensbesteuerung ist für die Schweiz ebenfalls ein wichtiges Thema. Der Fiskalausschuss, in dem die Schweiz aktiv mitwirkt, verabschiedete einen umfassenden Aktionsplan gegen die Erosion des Steuersubstrats und gegen Gewinnverschiebung (Base Erosion and Profit Shifting).

Die zweijährlich veröffentlichten Wirtschaftsberichte gehören
zu den wichtigsten Publikationen der OECD. Der neuste Bericht über die Schweiz wurde im November publiziert. Er enthält eine Beurteilung der Wirtschaftslage und der Politiken der Schweiz in zahlreichen Bereichen, wie der Geldpolitik, der Umwelt, der Produktivität und dem Wachstum oder der Rolle der Frauen in der Wirtschaft. Bei der Erarbeitung des Berichts ging es in den Gesprächen mit der Schweiz hauptsächlich darum, ob die Empfehlungen angesichts des politischen Umfelds auf nationaler und kantonaler Ebene umsetzbar sind. Im Jahr 2014 wird der Entwicklungsausschuss der OECD eine peer review über die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit publizieren (vgl. Ziff. 6.1.1). Eine weitere wichtige Publikation ist die peer review zum Thema Risikomanagement und Corporate Governance in der Schweiz. Auf der Grundlage zahlreicher Gespräche, insbesondere mit dem Privatsektor, beurteilt dieser Bericht die Gouvernanz und Transparenz des Risikomanagements in den Unternehmen und prüft die Rolle des Staates als Eigentümer von Betrieben. Zudem 1230

nahm die Schweiz am Ministertreffen des Raumentwicklungsausschusses der OECD vom 5./6. Dezember in Marseille teil. Dort wurde die Koordination sowohl zwischen Regierung, Regionen und Gemeinden als auch zwischen verschiedenen Sektoralpolitiken, wie z. B. Raumordnung oder Regionalpolitik, besprochen. Der Ausschuss wird im Juni 2014 Prinzipen für wirksame Investitionen der öffentlichen Hand verabschieden.

2.3

Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD)

Der neue UNCTAD-Generalsekretär begann seine vierjährige Amtszeit am 1. September. Er will den Evaluationsbericht und die Empfehlungen der unabhängigen externen Aufsicht der UNO von 2012 zwecks Verbesserung der Führung sowie der ergebnisorientierten Überwachung der von der UNCTAD umgesetzten Projekte für technische Hilfe aufnehmen. Ferner nahm die Schweiz als Gründungsmitglied an der Lancierung des Forums für Nachhaltigkeitsstandards der UNO teil.

Die UNCTAD hat zum Ziel, die Entwicklungsländer über eine Stärkung ihres Aussenhandels besser in die Weltwirtschaft zu integrieren. Sie trägt innerhalb des UNOSystems die Hauptverantwortung für das Themenfeld Handel und Entwicklung.

Der neue UNCTAD-Generalsekretär Mukhisa Kituyi aus Kenia begann seine vierjährige Amtszeit am 1. September. Er will den Bericht und die Empfehlungen der unabhängigen externen Aufsicht der UNO von 2012 aufnehmen, welche die Durchführung von Evaluationen, Kontrollen und Untersuchungen im gesamten System der UNO vorsehen. Dieser Bericht deckte organisatorische Mängel in der UNCTADFührung sowie Verbesserungspotenzial bei der ergebnisorientierten Überwachung der von der UNCTAD umgesetzten Projekte für technische Hilfe auf. Als zweitgrösster UNCTAD-Beitragszahler für technische Assistenzprojekte bestand die Schweiz darauf, dass die Empfehlungen des Berichts umgesetzt und insbesondere das resultatorientierte Projektmanagement sowie eine straffere Personalführung eingeführt werden.

Im März nahm die Schweiz als Gründungsmitglied an der Lancierung des Forums für Nachhaltigkeitsstandards der UNO (United Nations Forum on Sustainability Standards, UNFSS) teil. Ziel von UNFSS ist es, eine Plattform anzubieten, die neutrale Informationen und Analysen zur Anwendung und Wirkung von freiwilligen Nachhaltigkeitsstandards wie Bio, Fairtrade, Forest Stewardship Council (FSC), Marine Stewardship Council (MSC) mit Blick auf die Förderung der Arbeitssicherheit, der sozialen Sicherheit sowie des Umweltschutzes bereitstellt. Dabei sollen vor allem Entwicklungsländer profitieren, indem sie unterstützt werden, diese freiwilligen Standards in ihrem Interesse zu nutzen, anstatt sie als zusätzliche Handelshemmnisse zu interpretieren. Aufgrund der positiven Wirkung dieser Standards auf nachhaltiges Produktions- und Konsumverhalten fördert das SECO in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, Industrie und Detailhandel den Aufbau und die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards.

1231

2.4

Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO)

Im Juni wurde zum ersten Mal ein Vertreter Chinas zum Generaldirektor der UNIDO gewählt. Die mit massgeblicher Unterstützung der Schweiz ausgearbeiteten Programm-Ansätze der UNIDO im Bereich ressourceneffiziente Produktionsweisen helfen, die dynamische Industrieentwicklung in den Partnerländern nachhaltiger und insbesondere klimafreundlicher zu gestalten. Aktuell steht die UNIDO vor der Herausforderung, die Reichweite ihres Programmes zur Verbesserung der Ressourceneffizienz auszudehnen.

Die UNIDO ist eine Spezialagentur der UNO mit dem Ziel, nachhaltiges industrielles Wachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern zu fördern, um die Lebensbedingungen insbesondere in den ärmsten Ländern der Welt zu verbessern. Gemäss Studien der UNO birgt die industrielle Verarbeitung in Entwicklungsländern ein Optimierungspotenzial beim Ressourcenverbrauch (Wasser, Energie, Rohmaterial) von über sechzig Prozent. Das von der Schweiz seit über zehn Jahren mit der UNIDO aufgebaute Netzwerk der Cleaner Production Centers (CPC) leistet hier wichtige Beratung für Unternehmungen und Regierungen. Es zeigt Lösungen auf, wie die Industrie in Entwicklungsländern effizienter mit ihren Ressourcen umgehen kann.

Im Juni wurde mit Li Yong zum ersten Mal ein Vertreter Chinas zum Generaldirektor der UNIDO gewählt. Seine langjährige Erfahrung mit der UNO, der Weltbank und im Finanzministerium Chinas machte sich bei der Strategiediskussion bemerkbar, welche im Berichtsjahr unter der Leitung der Schweiz und Deutschlands geführt wurde. Die neue Strategie umfasst die drei Handlungsschwerpunkte Trade Capacity Building, Green Industry und landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten. Sie wurde anlässlich der im Dezember in Lima abgehaltenen Generalkonferenz verabschiedet.

Damit wurden die drei von der Schweiz in den letzten Jahren massgeblich unterstützten Bereiche ins Zentrum der Aktivitäten der UNIDO gerückt.

Anfang September fand in Montreux die dritte Global Networking Conference on Resource Efficient and Cleaner Production (RECP) in Entwicklungs- und Schwellenländern statt. An der Konferenz wurden Möglichkeiten diskutiert, die Reichweite des RECP-Programms zu erweitern. Dazu wurde eine allen CPC zugängliche Wissens- und Lernplattform lanciert. Während bis anhin die Aktivitäten des RECP primär auf individuelle Fallbeispiele ausgerichtet
waren, soll in Zukunft vermehrt ein umfassender Ansatz verfolgt werden. So soll unter anderem die Kooperation mit Sektorverbänden ausgebaut und die Zusammenarbeit mit privaten Technologieanbietern vertieft werden. Ein weiterer, vielversprechender Ansatzpunkt stellt die Sanierung beziehungsweise Optimierung von Industrie- und Exportzonen dar. Auf diesem Weg soll in gebündelter Form die Ressourceneffizienz verschiedener Unternehmen gleichzeitig erheblich verbessert werden. Im Berichtsjahr wurde das von der Schweiz unterstützte CPC in der Ukraine ins RECP aufgenommen.

Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der UNIDO ist eng, was sich gerade im Verlauf der Strategiediskussion zeigte, bei der die Schweiz wesentliche Punkte einbringen konnte. Dies soll in Zukunft so fortgeführt werden.

1232

2.5

Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Die Schweiz trieb im Berichtsjahr die Umsetzung der 2012 beschlossenen Strategie zum Engagement der Schweiz in der IAO voran. Im Zentrum standen dabei strategische Kontakte mit dem IAO-Generaldirektor und die Verabschiedung der Botschaft zur Ratifikation des IAO-Übereinkommens Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte.

Im Berichtsjahr unternahm die Schweiz wichtige Schritte zur konkreten Umsetzung der 2012 verabschiedeten Strategie «Für soziale Gerechtigkeit: Das Engagement der Schweiz in der Internationalen Arbeitsorganisation». Um die damit verbundene Stärkung des Engagements der Schweiz auch gegenüber der IAO zu bekräftigen, empfing der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung, Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, im Februar 2013 den Generaldirektor der IAO, Guy Ryder, zu einem Arbeitsgespräch in Bern. Neben der Übergabe der Urkunde zur Ratifikation des ILO-Übereinkommens Nr. 122 vom 17. Juni 196430 über die Beschäftigungspolitik und einer Diskussion über aktuelle globale Herausforderungen im Bereich Beschäftigung und menschenwürdige Arbeit, unterzeichneten Bundesrat Schneider-Ammann und Generaldirektor Ryder eine Vereinbarung zur finanziellen vierjährigen Unterstützung im Umfang von 12,4 Millionen Schweizerfranken für Better Work, ein Programm der technischen Zusammenarbeit der IAO und der Internationalen Finanzkommission. Ziel dieses Programms ist die Umsetzung der Kernarbeitsnormen (u.a. Kinderarbeit, Vereinigungsfreiheit) auf Unternehmensebene im Textilsektor in ausgewählten Ländern31.

Damit soll ein Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum und Armutsreduktion geleistet werden.

Der Bundesrat verabschiedete im August die Botschaft zur Ratifikation des IAOÜbereinkommens Nr. 189 vom 16. Juni 201132 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte. Das Übereinkommen schafft Rahmenbedingungen, um die Beschäftigung von Hausangestellten zu fördern und gleichzeitig die grundlegenden Rechte bei der Arbeit und ein Mindestmass an sozialem Schutz zu gewährleisten. Es sieht vor, dass Hausangestellte nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als andere Arbeitnehmer und enthält entsprechende Bestimmungen über die Lebensund Arbeitsbedingungen. Der Bundesrat unterstützt die Ziele, welche mit diesem Übereinkommen verfolgt werden. Das schweizerische
Recht bietet einen hohen effektiven Schutz von Hausangestellten, weshalb die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 189 ohne die Schaffung neuer oder Anpassung bestehender gesetzlicher Bestimmungen möglich ist. Somit betrachtet der Bundesrat die Ratifikation primär als Ausdruck der internationalen Solidarität. Das Parlament wird sich 2014 mit diesem Geschäft befassen.

30 31

32

BBl 2012 4239. Das Übereinkommen wird im Februar 2014 für die Schweiz in Kraft treten.

Das Programm wird in Bangladesch, Haiti, Indonesien, Jordanien, Kambodscha, Lesotho, Nicaragua und Vietnam umgesetzt; Myanmar wird diesbezüglich zurzeit geprüft.

Die Schweiz unterstützt die allgemeine Weiterentwicklung des Programms sowie die Verstärkung in Asien.

BBl 2013 6927

1233

Da die Blockade des Normenkontrollsystems der IAO trotz intensiver tripartiter Diskussionen nicht überwunden wurde, bot die Schweiz ihre Unterstützung bei der Vereinfachung der Kontakte zwischen den internationalen Sozialpartnern und bei der Wiederherstellung deren gegenseitigen Vertrauens an. Nachdem der Generaldirektor der IAO, der Präsident des IAO-Verwaltungsrates und die internationalen Sozialpartner dieses Angebot angenommen hatten, führte die Schweiz insgesamt drei Diskussionsrunden zwischen diesen Akteuren durch. Auch aufgrund dieser Vermittlung konnte der Normenkontrollausschuss der Internationalen Arbeitskonferenz im Berichtsjahr seine Kernaufgabe erfüllen und die schwerwiegendsten Fälle von Verletzungen der Kernübereinkommen der IAO prüfen. Trotz dieses wichtigen Etappenziels sind die Meinungsverschiedenheiten über die Rolle des Expertenausschusses und die Kompetenz zur Interpretation von IAO-Übereinkommen, die der Blockade zugrunde liegen, nicht definitiv beseitigt und werden die IAO im Jahr 2014 weiter beschäftigen.

Nachdem die Internationale Arbeitskonferenz 2012 (IAK) einen Teil der Sanktionen gegen Myanmar aufgrund des systematischen Einsatzes von Zwangsarbeit suspendiert hatte, beschloss sie im Berichtsjahr, die verbleibenden Massnahmen aufzuheben. Dieser Entschluss ist als Anerkennung der von der Regierung Myanmars getroffenen Massnahmen zur schrittweisen Abschaffung der Zwangsarbeit bis 2015 zu werten. Gleichzeitig forderte die IAK die Regierung Myanmars auf, weitere Bemühungen zur vollständigen Erreichung dieses Ziels zu unternehmen. Die Schweiz unterstützte diesen Beschluss und drückte dabei ihre Unterstützung für die technische Zusammenarbeit der IAO vor Ort aus. Der Generaldirektor der IAO wird regelmässig über die für die IAO relevanten Entwicklungen in Myanmar Bericht erstatten.

Schliesslich trat im Berichtsjahr das Seearbeitsübereinkommen vom 23. Februar 200633 für die Schweiz in Kraft. Bevor das Übereinkommen Nr. 183 der IAO vom 15. Juni 200034 über den Mutterschutz wie vom Parlament beschlossen ratifiziert werden kann, muss die Frage der Entlöhnung der Stillpausen eindeutig geregelt werden. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Anpassung einer Bestimmung der Verordnung 1 vom 10. Mai 200035 zum Arbeitsgesetz wurde im Rahmen der Eidgenössischen Arbeitskommission erarbeitet. Aktuell läuft das formelle Revisionsverfahren.

33 34 35

SR 0.822.81 BBl 2012 1815 SR 822.111

1234

2.6

Die Gruppe der 20 (G20)36

Die russische G20-Präsidentschaft lud die Schweiz im Berichtsjahr ein, am Finanzsegment der G20 teilzunehmen. Sie wünschte eine Teilnahme der Schweiz an den Treffen der Finanzminister und der Zentralbankgouverneure der G20, sowohl an den Vorbereitungstreffen wie an den Sitzungen der Arbeitsgruppen.

Die Schweiz erhielt auch die Möglichkeit, sich in den Arbeitsgruppen für Energienachhaltigkeit und Bekämpfung der Korruption einzubringen. Die Einladung zur aktiven Teilnahme am Finanzsegment der G20 zeugt von der Anerkennung der Schweiz als wichtigem Akteur in diesem Bereich auf internationaler Ebene und von den guten Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland.

2.6.1

Die G20 unter russischer Präsidentschaft

Die russische Präsidentschaft war ­ wie die vorangegangenen Präsidentschaften ­ an zahlreiche Entscheidungen und Verpflichtungen aus früheren G20-Gipfeln gebunden und hatte bei der Erstellung ihres Arbeitsprogramms wenig Handlungsspielraum.

Mit der Investitionsfinanzierung und der Bewirtschaftung öffentlicher Schulden behandelte sie dennoch zwei neue, für sie wichtige Themen. Die Agenda der russischen Präsidentschaft war auf das Wirtschaftswachstum als Grundlage für die Schaffung von hochstehenden Arbeitsplätzen und Investitionen ausgerichtet. Ausgehend von diesem Thema legten die russischen Behörden Schwerpunkte fest, welche sich bestens in die Liste der traditionellen G20-Themen einreihen: Rahmen für ein starkes, nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum, Investitionsfinanzierung, Reform der internationalen Finanzarchitektur, Verstärkung der Finanzregulierung, Energienachhaltigkeit, Entwicklung für alle, Verstärkung des multilateralen Handels und Bekämpfung der Korruption. Zudem kristallisierte sich ab April die Besteuerung multinationaler Unternehmen als wichtiges Thema heraus.

In der Abschlusserklärung am Gipfeltreffen in St. Petersburg vom 5./6. September bekräftigten die Staats- und Regierungschefs ihr Engagement für eine Zusammenarbeit zur Stärkung der Weltwirtschaft. In Bezug auf die ökonomischen und finanziellen Herausforderungen wurden sich die G20-Staaten einig. Hingegen verblieben grosse Meinungsverschiedenheiten betreffend der Lösung der Krise in Syrien. Die Anliegen der G20 (Wachstum und Beschäftigung) bleiben angesichts der angespannten Wirtschaftslage gleich, die jährlich neu festgelegten Lösungen und Ziele zeigen jedoch wenig Erfolg. Bei mehreren Aspekten des Steuerdossiers demonstrierte die G20 erneut Einigkeit: Unterstützung der allgemeinen Einführung des automatischen Informationsaustausches und Bekämpfung der Erosion des Steuersubstrats und der Gewinnverschiebung, Anreize für säumige Staaten (u.a. die Schweiz) zur Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen und Aufruf an alle Staaten zur unverzüglichen Unterzeichnung der Konvention der OECD und des Europarats über gegenseitige Verwaltungshilfe in Steuersachen (vgl. Ziff. 2.2.2). Die Schweiz wurde von 36

Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, EU, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Republik Korea, Russland, Saudi Arabien, Südafrika, Türkei, USA.

1235

der russischen Präsidentschaft zu den vier Treffen der G20-Finanzminister, nicht aber zum Gipfeltreffen in St. Petersburg eingeladen.

2.6.2

Die Bilanz der Teilnahme der Schweiz an G20-Treffen

Die Schweiz wurde von der russischen G20-Präsidentschaft erstmals eingeladen, am Finanzsegment (sog. Finance Track) der G20 teilzunehmen. Sie erhielt damit die Gelegenheit, an den Treffen der Finanzminister und der Zentralbankgouverneure der G20 sowie an den Sitzungen sämtlicher Arbeitsgruppen des Finanzsegments teilzunehmen, insbesondere an jenen zur Koordination der makroökonomischen Politik und der Finanzpolitik, zur internationalen Finanzarchitektur sowie zur Investitionsfinanzierung. Zudem beteiligte sich die Schweiz an den Seminarien über Finanzthemen (z. B. über die finanzielle Integration und die Bewirtschaftung öffentlicher Schulden) sowie an den Arbeitsgruppen zu Energienachhaltigkeit und Korruptionsbekämpfung. Diese Einbindung der Schweiz ins Finanzsegment der G20 zeigt, dass sie in diesen Bereichen auf internationaler Ebene als wichtiger Akteur anerkannt wird und zeugt von den guten Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland.

Dank ihrer Teilnahme am Finanzsegment und bilateralen Gesprächen am Rand konnte die Schweiz mehrmals und auf allen Stufen einen wichtigen Beitrag leisten sowie hochrangige Kontakte knüpfen und pflegen. Darüber hinaus konnte die Schweiz an den Sitzungen der G20-Finanzminister ihre Interessen in heiklen Dossiers wie der Besteuerung von Privatpersonen und Unternehmen verteidigen. So sprach sie sich in Bezug auf den automatischen Informationsaustausch für einen einheitlichen internationalen Standard aus und erklärte sich zur Teilnahme an Gesprächen zur Festlegung dieses neuen Standards bereit, sofern für alle die gleichen Voraussetzungen gelten. Dies setzt die Berücksichtigung aller Finanzinstrumente (Trusts), die Beteiligung aller wichtigen Finanzzentren, Regeln für wirtschaftlich Berechtigte sowie eine wirksame Umsetzung des Standards voraus.

Bei der Besteuerung multinationaler Unternehmen (Base Erosion and Profit Shifting) betonte die Schweiz, dass alle Länder mit einem bedeutenden Industriesektor einbezogen und die Souveränität der Länder respektiert werden sollten.

Am 1. Dezember übernahm Australien die G20-Präsidentschaft. Angesichts des schwachen Wachstums der Weltwirtschaft und der hohen Arbeitslosigkeit ist das Programm der australischen G20-Präsidentschaft für 2014 darauf ausgerichtet, das Wachstum durch die Unterstützung des privaten Sektors anzukurbeln
und die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken. Australien hat sich für eine enge Zusammenarbeit mit den Ländern und Verbänden des asiatisch-pazifischen Raumes (ASEAN37 oder der APEC38) entschieden. Aus diesem Grund lud sie Singapur und Neuseeland zum G20-Gipfeltreffen ein. Wie die vorherigen Präsidentschaften bietet Australien weiteren Nicht-Mitgliedsländern die Möglichkeit, sich an den Arbeiten zu beteiligen: Myanmar, Senegal und Spanien. Die ersten beiden Länder sind als 37 38

Association of Southeast Asian Nations: Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam Asia-Pacific Economic Cooperation: Australien, Brunei, Chile, China, chinesisches Taipei, Kanada, Hong Kong, Indonesien, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Papua Neuguinea, Peru, Philippinen, Republik Korea, Russland, Singapur, Thailand, USA, Vietnam.

1236

Präsidentschaften eines Regionalverbandes39 und Spanien als ständiger Gast der G20 eingeladen. Die Schweiz wurde zwar von der australischen Präsidentschaft nicht zu einer Teilnahme am Finanzsegment eingeladen, eine Beteiligung an bestimmten Arbeitsgruppen oder Seminarien ist trotzdem nicht ausgeschlossen. Im Übrigen wird die Schweiz ihre proaktive Strategie gegenüber der G20 weiterverfolgen, indem sie über die Besuchsdiplomatie und in non-papers ihre Haltung zu den Prioritäten der Präsidentschaft zum Ausdruck bringt und über die etablierten Finanzdialoge mit ausgewählten G20-Partnern ihre Positionen bilateral einbringt.

3

Europäische Wirtschaftsintegration EU Die wirtschaftliche Entwicklung in der EU war im Berichtsjahr durch eine fortgesetzte Beruhigung der Staatsschuldenkrise und durch Anzeichen einer beginnenden konjunkturellen Erholung geprägt. Entsprechend der Wirtschaftslage in der EU entwickelten sich auch die Schweizer Exporte in den EU-Raum im Berichtsjahr grösstenteils schwach. Die EU bleibt aber wichtigster Handelspartner der Schweiz. Die engen Handelsbeziehungen werden unter anderem durch die verschiedenen bilateralen Marktzugangsabkommen ermöglicht. Um diesen bilateralen Weg zu sichern und weiterzuentwickeln, sollen die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU konsolidiert sowie der institutionelle Rahmen im Bereich Marktzugang erneuert werden. Damit verbunden ist eine mittelfristige Strategie, die alle offenen Dossiers mit der EU umfasst.

3.1

Wirtschaftliche Herausforderungen in der EU und deren Auswirkungen auf die Schweiz

Die Zusicherung der Europäischen Zentralbank im Herbst 2012, zur Stabilisierung der Währungsunion gegebenenfalls unlimitiert Staatsanleihen der Euro-Krisenländer zu kaufen, führte an den europäischen Finanzmärkten zu einer spürbaren Beruhigung und insbesondere zu einem deutlichen Rückgang der zuvor massiv gestiegenen Risikoprämien auf Staatsanleihen der südlichen Mitgliedstaaten. Diese relative Ruhe an den Finanzmärkten hielt im Berichtsjahr an. Selbst diverse politische Herausforderungen (u.a. die Bewältigung der Bankenkrise in Zypern, Regierungskrisen in Italien und Portugal) sorgten nur kurzzeitig für Verunsicherung bei den Finanzmarktakteuren. Im Zuge der Entspannung der Schuldenkrise fand der Euroraum langsam aus der Rezession. Die Wirtschaft hat seit dem Frühling wieder leicht zu wachsen begonnen. Während die Konjunktur namentlich in Deutschland bereits wieder Fahrt aufgenommen hat, zeichnet sich in den südlichen Mitgliedstaaten allmählich ein Ende der schweren Rezession ab. Ihre Erholung dürfte aber 2014 weiterhin durch die finanzpolitische Austeritätspolitik, angeschlagene Banken sowie die stark gestiegene Arbeitslosigkeit gebremst werden. Auf längere Sicht hängt die erfolgreiche Bewältigung der Schuldenkrise von den Reformerfolgen (Konsolidie39

2014 übernimmt Myanmar die Präsidentschaft der ASEAN und Senegal präsidiert die New Partnership for Africa's Development. Das Land, das 2014 die Präsidentschaft der Afrikanischen Union inne hat, wird von der Australien ebenfalls eingeladen.

1237

rung Staatsfinanzen, Arbeitsmarkt- und sonstige Strukturreformen) in den einzelnen Ländern sowie auf EU-Ebene ab. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit, wachsender sozialer Spannungen und politischer Uneinigkeit besteht in den Krisenländern eine latente Gefahr für Rückschläge bei den Wirtschaftsreformen. Auf EU-Ebene gibt es bezüglich der Umsetzung der Bankenunion, welche für die Zukunft eine bessere Vorbeugung, respektive Bekämpfung von Finanzkrisen ermöglichen soll, immer noch viele Unklarheiten (z. B. bezgl. Entscheidungsstrukturen oder Mitspracherechten der Mitgliedstaaten).

Die Schweizer Wirtschaft ist durch den Aussenhandel und die Finanzmärkte, den Wechselkurs des Schweizerfrankens zum Euro und zahlreichen Bankbeziehungen stark von der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa betroffen. Die Schweizer Exporte in die EU entwickelten sich im Berichtsjahr weiterhin mehrheitlich schwach. Zwar setzte sich im Zuge der Beruhigung der Schuldenkrise der Euro­ Franken-Kurs im Berichtsjahr relativ deutlich von der Untergrenze von 1,20 ab.

Angesichts der vielfältigen ökonomischen und politischen Risiken ist jedoch nicht auszuschliessen, dass der Schweizerfranken zum Euro wieder unter stärkeren Aufwärtsdruck geraten könnte. Dementsprechend bekräftigte die Schweizerische Nationalbank auch in jüngster Zeit, am Mindestkurs festzuhalten.

3.2

Ausbau der bilateralen Beziehungen

3.2.1

Verhandlungen für ein institutionelles Abkommen

Seit einigen Jahren verlangt die EU für die bilateralen Verträge im Bereich des Binnenmarktes von der Schweiz neue Lösungen für die institutionellen Aspekte der Zusammenarbeit. Der bilaterale Weg in seiner aktuellen Form wird von der EU nicht mehr unterstützt.40 Verhandlungen im Bereich des Marktzugangs konnten deshalb nicht fortgeführt oder abgeschlossen werden (vgl. Ziff. 3.2.2). Auch bei den bestehenden Abkommen zeigt sich die Gefahr, dass diese nicht mehr an aktuelle Entwicklungen angepasst werden können (vgl. Ziff. 3.3), was zu einer Erosion des gegenseitigen Marktzugangs führen könnte. Im Bereich der Kooperation wurde im Berichtsjahr immerhin das Wettbewerbsabkommen unterzeichnet (vgl. Ziff. 5.6).

Es liegt auch im Interesse der Schweiz, im Bereich des Marktzugangs institutionelle Mechanismen zu finden, welche eine schnelle Anpassung an die Entwicklungen des Rechtsbestands der EU ermöglichen und eine einheitliche Auslegung der Abkommen sicherstellen. Diese Mechanismen sollen einen reibungslosen Vollzug der bestehenden und zukünftigen bilateralen Abkommen ermöglichen, sowie gewährleisten, dass keine neuen Hindernisse den Marktzugang für Schweizer Wirtschaftsakteure zum Binnenmarkt der EU erschweren. Entsprechend verabschiedete der Bundesrat am 18. Dezember nach erfolgter Konsultation der zuständigen parlamentarischen Kommissionen beider Räte und der Kantone ein Verhandlungsmandat über institutionelle Fragen.

40

Vgl. z. B. die Schlussfolgerungen des Rates der EU zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Ländern vom 14. Dezember 2010 sowie die Schlussfolgerungen des Rates der EU zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Ländern vom 20. Dezember 2012.

1238

3.2.2

Mittelfristige Strategie des Bundesrates

Der Bundesrat beschloss, die institutionellen Fragen im Rahmen einer mittelfristigen Strategie zu behandeln. Darin ist die Gesamtheit der aktuellen europapolitischen Dossiers enthalten, was zu einem ausgewogenen Verhandlungsergebnis führen soll.

Im Bereich des Marktzugangs betrifft dies insbesondere die Verhandlung beziehungsweise die Prüfung von Abkommen in den Bereichen Elektrizität, Chemikalien und Landwirtschaft.

Das Abkommen im Bereich Elektrizität soll den grenzüberschreitenden Handel mit elektrischer Energie regeln, den gegenseitigen Marktzugang ermöglichen und die Versorgungssicherheit verbessern. Die Schweiz könnte damit ihre bedeutende Rolle im grenzüberschreitenden Elektrizitätshandel in Europa sichern. Voraussichtlich wird das Abkommen auch horizontale Bestimmungen enthalten (z. B. das für den Sektor relevante Umweltrecht oder die für den Elektrizitätsmarkt massgeblichen Vorschriften des Wettbewerbs- und Beihilferechts). Die Verhandlungen sollen 2014 abgeschlossen werden.

Die chemischen Industrien der Schweiz und der EU sind wirtschaftlich eng verflochten. Durch die schrittweise Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung)41 und der Verordnung (EG) Nr. 1727/2008 (EU-CLPVerordnung)42 in der EU entstehen zusätzliche Hindernisse im Handel zwischen der Schweiz und der EU. Mithilfe eines bilateralen Abkommens liessen sich diese vermeiden und Schweizer Unternehmen würden gleichberechtigten Zugang zum EU-Markt erhalten. Ausserdem würde der Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Stoffen weiter erhöht. Die Europäische Kommission leitete Ende des Berichtsjahrs den Prozess zur Verabschiedung eines Verhandlungsmandats für ein Abkommen ein.43 Auch die Gespräche im Bereich Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Produktsicherheit und öffentliche Gesundheit (FHAL&GesA) sollen im Rahmen der mittelfristigen Strategie weitergeführt werden. Der Bundesrat wird das weitere Vorgehen zu gegebener Zeit bestimmen und machbare Schritte der Marktöffnung prüfen. Im Bereich der öffentlichen Gesundheit steht der Anschluss an das

41

42

43

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission, ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1272/2013, ABl. L 328 vom 7.12.2013, S. 69.

Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 944/2013, ABl. L 261 vom 3.10.2013, S. 5.

Der Bundesrat verabschiedete bereits 2010 einen Entwurf für ein Verhandlungsmandat ­ unter Vorbehalt der Konsultation der parlamentarischen Kommissionen und der Kantone.

Wie bei anderen Marktzugangsfragen machte die EU ihrerseits die Verabschiedung eines Verhandlungsmandats von der Lösung der institutionellen Fragen abhängig.

1239

europäische Dispositiv zu den grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen44 im Vordergrund. Aufgrund der erfolgten Beschlüsse im Bereich der Landwirtschaft an der WTO-Ministerkonferenz im Dezember (vgl. Ziff. 2.1.1) und im Hinblick auf eine mögliche Liberalisierung des Agrarhandels im Rahmen der Verhandlungen über ein FHA zwischen der EU und den USA (vgl. Ziff. 7.2) besteht von Seiten der Schweiz ein zusätzlicher Anreiz, Möglichkeiten zur Marktöffnung im Agrar- und Lebensmittelbereich zu prüfen.

3.3

Bestehende Wirtschaftsbeziehungen

Die EU ist der wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz. Gemäss der Aussenhandelsstatistik der Eidgenössischen Zollverwaltung stammten beispielsweise 2012 knapp 75 Prozent (2011: 73 %) aller Warenimporte der Schweiz aus der EU. Im gleichen Zeitraum gingen rund 56 Prozent (2011: 57 %) der Warenexporte der Schweiz in die EU. Entsprechend sind die Beziehungen zur EU ­ nebst dem Engagement in der WTO (vgl. Ziff. 2.1) und den bilateralen FHA mit Drittstaaten (vgl. Ziff. 4) ­ ein zentraler Pfeiler der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik.

Der Grundstein für den verbesserten Zugang zum Binnenmarkt der EU wurde mit dem FHA von 1972 gelegt. Zwei weitere bilaterale Marktzugangsabkommen folgten 1989 (Versicherungsabkommen vom 10. Oktober 198945) und 1990 (Güterverkehrsabkommen vom 21. November 199046). Mit den Bilateralen I von 199947 und den Bilateralen II von 200448 wurde neben dem Zugang zu weiteren Waren- und Dienstleistungsmärkten sowie zum Arbeitsmarkt auch die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Institutionen der EU vertieft.

Das FHA Schweiz­EU funktioniert insgesamt gut und ermöglicht für Industriewaren mit Ursprung Schweiz beziehungsweise EU einen von Zöllen und mengenmässigen Beschränkungen freien Warenverkehr. Gleichwohl treffen Schweizer Unternehmen, welche in die EU exportieren, manchmal auf Probleme. Diese Fragen werden einerseits bilateral mit den betroffenen Mitgliedstaaten erörtert. Anderseits werden sie im Zollausschuss und im Gemischten Ausschuss des FHA thematisiert und zu lösen versucht. Während die im Vorjahr von der Schweiz vorgebrachten Handelsprobleme zum Teil gelöst wurden, brachte die Schweiz im Berichtsjahr unter anderem die Anwendung von Antidumpingzöllen der EU auf Einfuhren aus Drittstaaten auf, die sich auch gegen Exporte aus der Schweiz richteten. Weiter thematisierte die Schweiz neue Kennzeichnungsvorschriften der EU für Konsumgüter sowie diverse 44 45 46 47

48

Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 2119/98/EG.

SR 0.961.1 AS 1991 1490 Abkommen über die Personenfreizügigkeit (SR 0.142.112.681), Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.172.052.68), Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81), Agrarabkommen (SR 0.916.026.81), Luftverkehrsabkommen (SR 0.748.127.192.68), Landverkehrsabkommen (SR 0.740.72), Forschungsabkommen (SR 0.420.513.1).

Abkommen über die Assoziierung an Schengen/Dublin (SR 0.362.31), Zinsbesteuerungsabkommen (SR 0.641.926.81), Betrugsbekämpfungsabkommen (SR 0.351.926.81), Abkommen über landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse (SR 0.632.401.23), Umweltabkommen (SR 0.814.092.681), Statistikabkommen (SR 0.431.026.81), Abkommen über die Beteiligung am Programm MEDIA 2007 (SR 0.784.405.226.8), Bildungsabkommen (SR 0.402.268.1), Ruhegehälter (SR 0.672.926.81).

1240

Handelsprobleme mit einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Die EU-Delegation thematisierte unter anderem die geplante Totalrevision der Schweizer Alkoholgesetzgebung49, dabei insbesondere mögliche diskriminierende Auswirkungen, sowie die im Juni vom Parlament verabschiedete «Swissness»-Vorlage50.

Das Güterverkehrsabkommen dient der Vereinfachung der Zollabfertigung für den Warenverkehr zwischen der Schweiz und der EU. 2009 wurde das Abkommen durch das Zollerleichterungs- und Zollsicherheitsabkommen vom 25. Juni 200951 abgelöst, welches das Güterverkehrsabkommen um Aspekte der Zollsicherheit erweitert. Im Berichtsjahr wurden mit dem Beschluss 1/2013 des Gemischten Ausschusses die Anhänge I und II des Abkommens entsprechend den Entwicklungen des EU-Rechts angepasst.

Zum Freizügigkeitsabkommen konnte im jährlichen Bericht über die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf den Schweizer Arbeitsmarkt52 erneut eine positive Bilanz gezogen werden. Verdrängungseffekte oder negative Lohneffekte bleiben auch gemäss neueren empirischen Erkenntnissen eng begrenzt. Dazu haben insbesondere die gezielte Verstärkung sowie eine verbesserte Umsetzung der flankierenden Massnahmen beigetragen. Im Berichtsjahr wurde per 1. Januar die Bekämpfung der Scheinselbständigkeit durch die Einführung einer Dokumentationspflicht verstärkt. Ausserdem sind seit dem 1. Mai Entsendebetriebe verpflichtet, die Löhne ihrer Entsandten im Rahmen des Meldeverfahrens anzugeben. Weiter trat am 15. Juli die verstärkte Solidarhaftung im Bauhaupt- und Baunebengewerbe in Kraft.

Die hohe Zuwanderungsrate der letzten Jahre ist in erster Linie Ausdruck der guten wirtschaftlichen Lage der Schweiz. Das damit verbundene Bevölkerungswachstum bringt auch Herausforderungen mit sich. Deshalb sind neben der effizienten Umsetzung der flankierenden Massnahmen im Bereich des Arbeitsmarktes auch bei der Raumplanung, dem Wohnungswesen sowie der Infrastruktur Massnahmen angezeigt, welche die für die wirtschaftliche Entwicklung willkommene Zuwanderung gesellschaftsverträglich gestaltet. Im Berichtsjahr leitete der Bundesrat beispielsweise im Bereich der Wohnungspolitik Massnahmen zur Bereitstellung und Erhaltung preisgünstiger Wohnungsangebote ein.53 Die Schweiz handelte im Berichtsjahr die Modalitäten zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien in einem
Zusatzprotokoll (Protokoll III) aus.54 Dieses sieht vor, dass die Schweiz während insgesamt zehn Jahren die Möglichkeit hat, unter bestimmten Bedingungen, die Zuwanderung von kroatischen Arbeitnehmenden zu beschränken. Das Vernehmlassungsverfahren wurde Ende November abge-

49

50

51 52 53

54

Das Spirituosensteuergesetz (Entwurf: BBl 2012 1467) und das Alkoholhandelsgesetz (Entwurf: BBl 2012 1315) sollen das bestehende Alkoholgesetz vom 21. Juni 1932 (SR 680) ersetzen.

Änderung des Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 (SR 232.11; BBl 2013 4795) sowie des Bundesgesetzes vom 5. Juni 1931 über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen (SR 232.21; BBl 2013 4777).

SR 0.631.242.05 9. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU ­ Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf den Schweizer Arbeitsmarkt vom 11. Juni 2013.

Z. B. Wohnungspolitischer Dialog mit Kantonen, Städten und Gemeinden, Ausweitung des Anwendungsbereichs des «Fonds de roulement» und flexiblere Ausgestaltung der Bedingungen für Darlehen daraus sowie Förderung des preisgünstigen Wohnungsbaus über das Raumplanungsgesetz vom 22. Juni 1979 (SR 700).

Am 1. Juli 2013 trat Kroatien der EU bei.

1241

schlossen. Das Protokoll III ist von der Bundesversammlung zu genehmigen. Der entsprechende Bundesbeschluss untersteht dem fakultativen Referendum.

Im Rahmen des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen wurden seit Inkrafttreten technische Handelshemmnisse für insgesamt zwanzig Industriebereiche abgebaut. Die gegenseitige Anerkennung basiert auf einer gleichwertigen Gesetzgebung. Entsprechend muss das Abkommen regelmässig aktualisiert werden, um den Entwicklungen des EU-Rechtsbestands gerecht zu werden. Diesbezüglich haben sich in letzter Zeit vermehrt Probleme ergeben. So führt die beschleunigte Rechtsentwicklung in der EU vermehrt zu zeitlichen Engpässen bei der Anpassung des schweizerischen Rechts (vgl. Ziff. 5.2.1).

Das Agrarabkommen ist ein Instrument zum Abbau verschiedener Handelshemmnisse für landwirtschaftliche Produkte. Um die Vorteile des gemeinsamen Veterinärraums aufrechtzuerhalten, wurde im Berichtsjahr Anhang 11 (Veterinäranhang) mit Beschluss 1/2013 des Gemischten Veterinärausschusses aktualisiert. Mit Beschluss 1/2013 des Gemischten Agrarausschusses zur Anpassung von Anhang 10 wurde zudem die gegenseitige Anerkennung der Qualitätsbewertungen bei Früchten und Gemüsen der neuen Rechtslage angepasst. Der Beschluss zur Anpassung von Anhang 4 (Pflanzenschutz) bleibt ausstehend, weil die EU eine Teilnahme der Schweiz am gemeinsamen Pflanzenschutzraum von einer Lösung der institutionellen Fragen abhängig macht (vgl. Ziff. 3.2). Die Parteien bekräftigten beim Treffen des Gemischten Agrarausschusses vom 28. November, die Anpassung der nicht-tarifären Anhänge voranzutreiben.

Das bilaterale Abkommen zum öffentlichen Beschaffungswesen dehnt den Geltungsbereich der diesbezüglichen WTO-Regeln aus. Dank dem Abkommen können schweizerische Unternehmen zusätzlich gleichberechtigt an öffentlichen Ausschreibungen bei Beschaffungen von Bezirken und Gemeinden in den Mitgliedstaaten der EU teilnehmen. Am Gemischten Ausschuss vom 26. April standen die Umsetzung des revidierten WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen vom 30. März 2012 (vgl. Ziff. 5.7) in die nationalen Beschaffungsgesetzgebungen sowie die allfällige Erweiterung des Geltungsbereiches auf die Satellitentelekommunikation im Mittelpunkt der Beratungen.

3.4

Steuerfragen Schweiz­EU

Die EU kritisiert bestimmte Systeme zur Unternehmensbesteuerung der Schweiz, welche in ihren Augen einen schädlichen Wettbewerb bewirken.55 Seit dem Sommer 2012 führt die Schweiz mit der EU einen Dialog über strittige Fragen der Unternehmensbesteuerung. An seinem Treffen vom 21. Juni stellte der Rat für Wirtschaft und Finanzen der EU fest, dass Fortschritte erzielt wurden und sprach sich für die Weiterführung des Dialogs bis Ende 2013 aus. Ausschlaggebend dafür ist die Bereitschaft der Schweiz, gewisse Regelungen anzupassen, um die internationale Akzeptanz der Schweizer Unternehmensbesteuerung zu stärken. Die Schweiz erwartet im Gegenzug, dass die EU Diskriminierungen vermeidet. Im Rahmen 55

Zum Beispiel den Status von Holding-, Verwaltungs- und gemischten Gesellschaften, Regelungen zur Besteuerung von Prinzipalgesellschaften und Finanzierungsinstituten sowie Steuererleichterungen für Unternehmen in der Schweiz im Rahmen der Neuen Regionalpolitik.

1242

dieses Dialogs soll eine Lösung gefunden werden, welche die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schweiz erhält, den Finanzhaushalten von Bund und Kantonen Rechnung trägt sowie die internationale Akzeptanz der schweizerischen Steuerpolitik sicherstellt. Aus Schweizer Sicht müssen sich die Gespräche auf Steuerregimes konzentrieren, welche zu Wettbewerbsverzerrungen führen können, wie die steuerliche Begünstigung von ausländischen gegenüber inländischen Erträgen (sog. ring fencing). Es ist hingegen nicht das Ziel, dass die Schweiz den EUVerhaltenskodex im Bereich der Unternehmensbesteuerung übernimmt. Eine Verständigung soll bis Mitte 2014 erreicht werden. Dem am 19. Dezember im Zusammenhang mit der dritten Unternehmenssteuerreform veröffentlichten Schlussbericht56 ist zu entnehmen, dass bestimmte Regelungen der Besteuerung von Unternehmen in der Schweiz, insbesondere das ring fencing, im Hinblick auf eine grössere internationale Akzeptanz angepasst werden müssen.

Durch das Zinsbesteuerungsabkommen von 2004 unterstützt die Schweiz das System der EU zur Besteuerung von grenzüberschreitenden Zinszahlungen an natürliche Personen. Am 17. Mai ersuchte die Europäische Kommission die Schweiz um Aufnahme von Verhandlungen zur Erweiterung des Zinsbesteuerungsabkommens.57 Als Grundlage für die Verhandlungen soll der aktuelle Entwurf der revidierten EUZinsbesteuerungsrichtlinie 2003/48/EG58 dienen. Es sollen bestehende steuerliche Schlupflöcher geschlossen werden (insbes. Ausweitung der erfassten Produkte und Verhinderung der Umgehung durch zwischengeschaltete Strukturen). Auch soll der Einfluss der laufenden internationalen Entwicklungen bezüglich des Informationsaustausches auf das Abkommen geprüft werden. Nach erfolgter Konsultation der zuständigen parlamentarischen Kommissionen beider Räte und der Kantone wurde das Schweizer Verhandlungsmandat über eine Anpassung des Zinsbesteuerungsabkommens am 18. Dezember verabschiedet.

3.5

Erweiterungsbeitrag

Mit dem Erweiterungsbeitrag beteiligt sich die Schweiz seit 2007 an Projekten zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU. Die Schweiz unterstützt im Rahmen des Erweiterungsbeitrags Projekte im Bereich der Sicherheit und Stabilität, der Umwelt und Infrastruktur, der Förderung der Privatwirtschaft sowie der menschlichen und sozialen Entwicklung.59 Der Erweiterungsbeitrag festigt die Beziehungen zur EU, schafft Chancen für die Schweizer Wirtschaft, reduziert die Sicherheitsrisiken, trägt zum Umweltschutz bei, fördert Partnerschaften zwischen Unternehmen sowie Organisationen und stärkt die Forschungszusammenarbeit. In beinahe allen Projekten beteiligen sich Schweizer Unternehmen, Bildungsinstitute, Fachbehörden oder andere Organisationen.

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59

«Massnahmen zur Stärkung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit (Unternehmenssteuerreform III). Zwischenbericht des Steuerungsorgans zuhanden des EFD»: www.efd.admin.ch > Themen > Steuern > Steuern national > Reform der Unternehmensbesteuerung.

Der Ecofin-Rat verabschiedete am 14. Mai zuhanden der Europäischen Kommission ein Verhandlungsmandat zur Anpassung der Zinsbesteuerungsabkommen mit Drittstaaten.

Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ABl L 157 vom 26.6.2003, S. 38, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG, ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 129.

Eine Liste aller Projekte zu den Themen findet sich unter www.erweiterungsbeitrag.ch.

1243

Der Schweizer Beitrag im Umfang von einer Milliarde Schweizerfranken für die zehn, im Jahr 2004 der EU beigetretenen Staaten ist seit 2012 vollständig verpflichtet. Die vereinbarten Projekte müssen bis im Juni 2017 umgesetzt sein. Die Auswahl der Projekte in Bulgarien und Rumänien erfolgt bis Ende 2014 (257 Mio CHF).

Weiter hat der Bundesrat am 8. März ein erstes Mal über einen Erweiterungsbeitrag der Schweiz zugunsten des neuen EU-Mitgliedstaats Kroatien von rund 45 Millionen Schweizerfranken diskutiert. Dieser Rahmenkredit wird dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet werden.

Im Berichtsjahr hat die EU ausserdem ihr Anliegen, den laufenden Erweiterungsbeitrag zu erneuern, offiziell an die Schweiz herangetragen. Der Bundesrat wird das weitere Vorgehen im Lichte der Gesamtbeziehungen mit der EU bestimmen (vgl. Ziff. 3.2.2). Die aktuelle gesetzliche Grundlage für den Erweiterungsbeitrag läuft am 31. Mai 2017 aus. Ein allfälliger Beitrag über 2017 hinaus würde eine neue Gesetzesgrundlage bedingen.

4

Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ausserhalb der EU und der EFTA Im Berichtsjahr wurden die bilateralen Verhandlungen über ein FHA mit China abgeschlossen und das Abkommen am 6. Juli unterzeichnet. Weiter wurden EFTA-FHA mit Bosnien und Herzegowina sowie mit Costa Rica und mit Panama unterzeichnet. Damit verfügt die Schweiz über ein Netz von 28 FHA mit 38 Partnern ausserhalb der EU und der EFTA.

Die EFTA-Verhandlungen mit Guatemala, Indonesien, Vietnam und der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan wurden fortgeführt. 2014 sollen Verhandlungen über FHA der EFTA mit Thailand aufgenommen beziehungsweise mit Malaysia begonnen werden.

Eine EFTA-Zusammenarbeitserklärung als Basis für vertiefte Kontakte wurde mit Myanmar unterzeichnet. Mit den USA hat die EFTA einen handelspolitischen Dialog aufgenommen.

Die Schweiz ist ein stark in die Weltwirtschaft eingebundenes Land, dessen Wirtschaft sich durch eine ausgeprägte internationale Orientierung auszeichnet. Der Wohlstand des Landes hängt deshalb zu einem grossen Teil vom internationalen Handel mit Gütern und Dienstleistungen sowie von der grenzüberschreitenden Investitionstätigkeit ab. Die stete Verbesserung des Zugangs zu ausländischen Märkten ist ein Ziel der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik. Das beste Mittel, dieses Ziel zu erreichen, ist der multilaterale Ansatz im Rahmen der WTO. Um die ins Stocken geratene multilaterale Liberalisierung des Handels zu ergänzen (vgl. Ziff. 2.1.1), schliesst eine wachsende Anzahl Staaten bi- oder plurilaterale, regionale und zunehmend regionenübergreifende FHA ab. Mit dem Abschluss von FHA zielt die Schweiz darauf ab, ihren Unternehmen einen Zugang zu wichtigen ausländischen Märkten zu verschaffen, der mindestens gleichwertig ist wie jener, über den ihre wichtigsten ausländischen Konkurrenten (insbesondere die EU, die USA und Japan) verfügen, welche mit denselben Staaten ebenfalls FHA abgeschlossen haben oder abschliessen könnten. FHA sind deshalb ein wichtiges Instrument 1244

zur Aufrechterhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schweiz.

Die FHA der Schweiz mit Partnern ausserhalb der EU decken im Berichtsjahr 22,6 Prozent der gesamten Schweizer Exporte ab. Dies entspricht 51 Prozent der Schweizer Exporte in Märkte ausserhalb der EU. Unter anderem fördern die FHA das Wachstum, die Wertschöpfung und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schweiz. Analoge Auswirkungen lassen sich auch bei den Partnerstaaten feststellen.

Zudem leisten sie einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Dank den FHA wird den Schweizer Exporteuren ein verbesserter und rechtlich abgesicherter Zugang zu Absatzmärkten ermöglicht, die über zwei Milliarden Konsumentinnen und Konsumenten sowie ein Bruttoinlandprodukt von über 22 000 Milliarden Schweizerfranken umfassen. FHA ermöglichen erhebliche Einsparungen von Zollabgaben.

Davon profitieren nicht nur die Schweizer Exportindustrie, sondern auch die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz. Dank den Abkommen kommen diese in den Genuss von preisgünstigeren Produkten sowie einer grösseren Produkteauswahl, und Unternehmen profitieren von vorteilhafteren Preisen für Halbfabrikate und Ausrüstungsgüter.

Laut den ersten Ergebnissen einer jüngst von der Universität Zürich im Auftrag von Switzerland Global Enterprise durchgeführten Studie60 ziehen die Schweizer Unternehmen im Allgemeinen positiven Nutzen aus den von der Schweiz abgeschlossenen FHA. Obwohl die Nutzung je nach Abkommen beziehungsweise je nach Wirtschaftszweig und Höhe der Zölle variiert, sind die FHA der Schweiz gemäss der Studie für unsere Wirtschaftsakteure profitabel. Dank den FHA können die Schweizer Unternehmen bedeutende Einsparungen realisieren und sind wettbewerbsfähiger - dies unter der Voraussetzung, dass sie die präferenzielle Behandlung im Rahmen der FHA tatsächlich nutzen. Denn die Existenz eines Freihandelsabkommens führt nicht automatisch dazu, in den Genuss der darin enthaltenen Präferenzen zu kommen. Die Präferenzbehandlung muss bei der Zollabfertigung bei der Einfuhr beantragt werden.

4.1

Weiter zunehmende weltweite Tendenz zum Abschluss präferenzieller Handelsabkommen

Seit den 1990er-Jahren ist eine weltweite Zunahme von regionalen Präferenzabkommen zu beobachten. So waren am 31. Juli 2013 379 regionale, bei der WTO notifizierte Präferenzabkommen in Kraft.61 Davon sind 90 Prozent FHA und 10 Prozent Abkommen zur Errichtung von Zollunionen. In Europa, in Nord- und Südamerika, wie auch in Asien sind Freihandelsräume entstanden (EU/EFTA, NAFTA62, Mercosur63, ASEAN64-Abkommen). Nebst den regionalen Präferenzabkommen (z. B. ASEAN, EU, NAFTA) werden zunehmend auch überregionale 60

61 62 63 64

Forschungsprojekt «Effektivität der Schweizer Freihandelsabkommen - eine Evaluierung ihrer praktischen Nutzung», www.s-ge.com/schweiz/export/de/blog/ freihandelsabkommen-mit-noch-ungenutztem-exportpotenzial-0 Vgl. www.wto.org/english/tratop_e/region_e/region_e.htm North American Free Trade Agreement: Kanada, Mexiko, USA.

Mercado Común del Sur:Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela.

Association of Southeast Asian Nations: Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam.

1245

Abkommen ausgehandelt. Diesem Trend folgen wirtschaftlich so bedeutende Akteure wie Japan, die USA, China und die EU.

Ein Beispiel ist das Regional Comprehensive Economic Partnership Agreement an welchem sich neben den zehn ASEAN-Staaten auch Australien, China, Indien, Japan, Korea und Neuseeland beteiligen. Die 2012 eröffneten Verhandlungen sollen 2015 abgeschlossen werden. Zwischen diesen 16 Verhandlungspartnern bestehen bereits verschiedene bi- oder multilaterale Abkommen oder es sind solche in Aushandlung65. Dies zeigt die Verflechtung von Abkommen auf, die sich nicht nur hinsichtlich der Ursprungsregeln unterscheiden, sondern auch unterschiedliche Abdeckungen und Liberalisierungsniveaus aufweisen.66 Ein Beispiel für ein umfassendes überregionales Abkommen sind die Verhandlungen zum Trans-Pacific-Partnership-Abkommen67. Dem ursprünglich zwischen Brunei, Chile, Singapur und Neuseeland begonnenen Verhandlungsprozess sind sukzessive Australien, Kanada, Malaysia, Mexiko, Peru, die USA, Vietnam und im Juli als vorläufig letztes Mitglied Japan beigetreten. Die Verhandlungen umfassen neben dem Warenverkehr und dem Handel mit Dienstleistungen insbesondere auch Investitionen, den Schutz des geistigen Eigentums, das öffentliche Beschaffungswesen sowie Arbeits- und Umweltstandards (vgl. Ziff. 7.3). Die 20. Runde hatte im November stattgefunden. Das erklärte Ziel, die Verhandlungen bis Ende 2013 zum Abschluss zu bringen, wurde nicht erreicht.

Ein weiteres Beispiel für regionenübergreifende umfassende Freihandelsbemühungen sind die im Juli aufgenommenen Verhandlungen zwischen der EU und den USA über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership - TTIP, vgl. Ziff. 7.2).

4.2

Aktivitäten der Schweiz

Vor dem Hintergrund der dargestellten internationalen Entwicklung ist die Schweiz weiterhin gefordert, durch eine aktive und dynamische Politik zum Abschluss eigener FHA die relative Verschlechterung ihrer Marktzugangsbedingungen zu vermeiden, die aus dem Abschluss von Präferenzabkommen durch ihre wirtschaftlichen Konkurrenten resultiert. Neben möglichen Diskriminierungen bei den Zöllen ist zu bedenken, dass es auch ein Diskriminierungspotenzial im regulatorischen Bereich (technische Vorschriften), bei den Dienstleistungen oder beim öffentlichen Beschaffungswesen geben kann. Die Kriterien der Aussenwirtschaftsstrategie des Bundesrates von 2005 bei der Auswahl möglicher Freihandelspartner bleiben 1) die aktuelle und potenzielle wirtschaftliche Bedeutung des Partners, 2) das Ausmass bestehender 65

66

67

Beispiele sind das Comprehensive Economic Partnership in East Asia, welches im Gegensatz zum Regional Comprehensive Economic Partnership Agreement nicht den Beitritt anderer Staaten vorsieht, sondern den Mitgliedern des East Asia Summit (ASEAN-Staaten, Australien, China, Indien, Japan, Korea, Neuseeland) offensteht oder das China-ASEAN FHA, welches am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist.

Matthias Schaub, Präferenzielle Handelsabkommen in der Praxis: Herausforderungen bei der Umsetzung, in: Die Volkswirtschaft 10-2009, S. 16 ff.; vgl.

www.seco.admin.ch/themen/00513/00515/01330/index.html?lang=de Das Abkommen basiert auf dem Trans-Pacific Strategic Economic Partnership (auch SEP oder P4) genannten FHA zwischen Brunei, Chile, Neuseeland und Singapur, das am 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist. Die Beitrittsklausel des SEP gibt anderen Staaten die Möglichkeit, dem Abkommen beizutreten.

1246

sowie potenzieller Diskriminierungen, die sich aus FHA des Partners mit wichtigen Konkurrenten der Schweiz ergeben, 3) die Verhandlungsbereitschaft des Partners und die entsprechenden Erfolgsaussichten, sowie 4) die Übereinstimmung mit den Zielen der schweizerischen Aussenpolitik (vgl. die Aussenwirtschaftsstrategie des Bundesrates gemäss dem Bericht vom 12. Januar 2005 zur Aussenwirtschaftspolitik 2004)68.

Die Schweiz unterhält neben der EFTA-Konvention (Übereinkommen vom 4. Januar 196069 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation) und dem FHA mit der EU von 1972 zurzeit ein Netz von 28 FHA70 mit 38 Partnern. 25 dieser Abkommen wurden im Rahmen der EFTA ausgehandelt und abgeschlossen, die Abkommen mit China, Japan und den Färöer-Inseln schloss die Schweiz bilateral ab.

4.2.1

Laufende und abgeschlossene Verhandlungen

Die Verhandlungen über ein bilaterales FHA zwischen der Schweiz und China wurden im Mai abgeschlossen, und das Abkommen wurde am 6. Juli unterzeichnet71, zusammen mit einem parallel zum FHA ausgehandelten Abkommen zu Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Anlässlich der EFTA-Ministerkonferenz im Juni wurden die EFTA-Abkommen mit Bosnien und Herzegowina (vgl. Ziff. 10.2.1) sowie jenes mit Panama und Costa Rica unterzeichnet. Sämtliche im Berichtsjahr unterzeichneten Abkommen werden voraussichtlich 2014 in Kraft treten.

Ebenfalls in Kraft treten wird 2014 voraussichtlich das zwischen der EFTA und dem Golfkooperationsrat72 (GCC) abgeschlossene FHA, nachdem im Oktober das Kabinett der Vereinigten Arabischen Emirate der Ratifikation des Abkommens als letzte Partei zugestimmt hat (die EFTA- und die anderen GCC-Staaten hatten das Abkommen bereits früher ratifiziert).

Die EFTA-Verhandlungen mit Guatemala, Indien, Indonesien, Vietnam und der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan wurden weitergeführt. Mit Indien, Viet68 69 70

71 72

BBl 2005 1089 SR 0.632.31 EFTA-FHA: Türkei (in Kraft getreten am 1.4.1992; SR 0.632.317.631), Israel (1.7.1993; SR 0.632.314.491), Palästinensische Behörde (1.7.1999; SR 0.632.316.251), Marokko (1.12.1999; SR 0.632.315.491), Mexiko (1.7.2001; SR 0.632.315.631.1), Mazedonien (1.5.2002; SR 0.632.315.201.1), Jordanien (1.9.2002; SR 0.632.314.671), Singapur (1.1.2003; SR 0.632.316.891.1), Chile (1.12.2004; SR 0.632.312.451), Tunesien (1.6.2006; provisorische Anwendung seit 1.6.2005; SR 0.632.317.581), Republik Korea (1.9.2006; SR 0.632.312.811), Libanon (1.1.2007; SR 0.632.314.891), SACU (Südafrikanische Zollunion: Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland; 1.5.2008; SR 0.632.311.181), Ägypten (1.9.2008; provisorische Anwendung seit 1.8.2007; SR 0.632.313.211), Kanada (1.7.2009; SR 0.632.312.32), Serbien (1.10.2010; SR 0.632.316.821), Albanien (1.11.2010; SR 0.632.311.231), Kolumbien (1.7.2011; SR 0.632.312.631), Peru (1.7.2011; SR 0.632.316.411), Ukraine (1.6.2012; SR 0.632.317.671), Montenegro (1.9.2012; SR 0.632.315.731), Hong Kong (1.10.2012; SR 0.632.314.161), GCC (Golfkooperationsrat: Bahrein, Katar, Kuweit, Oman, SaudiArabien, Vereinigte Arabische Emirate; unterzeichnet am 22.6.2009), Bosnien und Herzegowina (unterzeichnet am 24.6.2013), Zentralamerikanische Staaten (Costa Rica und Panama; unterzeichnet am 24.6.2013; BBl 2013 8057); bilaterale FHA der Schweiz: Färöer-Inseln (1.3.1995), Japan (1.9.2009; SR 0.946.294.632); China (unterzeichnet am 6.7.2013; BBl 2013 8165).

BBl 2013 8165 Bahrein, Katar, Kuweit, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate

1247

nam und mit der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan wird ein Abschluss im Jahr 2014 angestrebt. Mit Indonesien sollen die Verhandlungen bis Mitte 2014 möglichst weit vorangebracht werden, um sie nach der Bildung einer neuen indonesischen Regierung im Herbst weiterzuführen. Mit Thailand wurden die Kontakte intensiviert, mit dem Ziel, die seit 2006 ausgesetzten Verhandlungen der EFTA über ein FHA wieder aufzunehmen. Nachdem das thailändische Parlament das Verhandlungsmandat im Berichtsjahr verabschiedet hatte, musste aufgrund der innenpolitischen Situation in Thailand das für Dezember angesetzte Treffen der Chefunterhändler zur Vorbereitung der Wiederaufnahme der Verhandlungen verschoben werden. Ziel bleibt, die Verhandlungen 2014 wieder aufzunehmen. Bezüglich der Ende 2012 auf politischer Ebene lancierten Verhandlungen über ein FHA zwischen der EFTA und Malaysia haben vorbereitende Treffen stattgefunden, die Verhandlungen sollen 2014 aufgenommen werden. Die EFTA ist auch bereit, die 2007 eröffneten Verhandlungen über ein FHA mit Algerien weiterzuführen, sobald dazu seitens Algeriens die Bereitschaft besteht.

4.2.2

Explorationen

Anlässlich der EFTA-Ministerkonferenz im Juni wurde eine Zusammenarbeitserklärung mit Myanmar unterzeichnet. Damit ist der Grundstein gelegt, um die Möglichkeiten einer Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen des durch die Erklärung eingerichteten Gemischten Ausschusses zu prüfen. Der Kontakt mit den Philippinen wurde intensiviert mit dem Ziel, eine Zusammenarbeitserklärung in der ersten Hälfte 2014 zu unterzeichnen. Sowohl bilateral als auch im Rahmen der EFTA wurde auch der Kontakt mit den Mercosur-Staaten gepflegt, insbesondere um einen weiteren Schritt zum Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu prüfen. Vertieft werden sollen 2014 auch die Kontakte mit Pakistan.

Anlässlich ihrer Konferenz im Juni beschlossen die EFTA-Minister, vor dem Hintergrund der zwischen der EU und den USA lancierten Verhandlungen über ein FHA (TTIP, vgl. Ziff. 7.2), den USA die Aufnahme eines handelspolitischen Dialogs vorzuschlagen. Die Initiative wurde von den USA positiv aufgenommen. Das erste Treffen im Rahmen dieses Dialogs fand im November statt. Ein nächstes Treffen ist für Mai 2014 vorgesehen.

4.2.3

Weiterentwicklung bestehender Freihandelsabkommen

Um insbesondere das Ziel der Nichtdiskriminierung gegenüber den wichtigsten Konkurrenten sicherzustellen, prüft die Schweiz laufend den Anpassungsbedarf bei bestehenden Abkommen. Ein solcher Bedarf kann insbesondere entstehen, wenn ein Freihandelspartner ein neues FHA mit einem anderen Land abschliesst, das für dessen Wirtschaftsakteure günstigere Bedingungen vorsieht. Eine allfällige Anpassung und Weiterentwicklung eines Abkommens wird in dem unter jedem Abkommen eingerichteten Gemischten Ausschuss (GA) aufgenommen. Ausserdem schlägt die EFTA den bestehenden Freihandelspartnern im Rahmen der Treffen der GA systematisch den Einschluss eines Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung (Umwelt- und Arbeitsstandards) vor. Im Berichtsjahr fanden GA-Treffen unter 1248

den EFTA-Abkommen mit Albanien (1. GA, Februar), Peru (1. GA, April), der Ukraine (1. GA, Mai), Singapur und der Republik Korea statt. Unter anderem mit Chile, Kanada, Korea, Mexiko, Singapur und der Türkei werden Weiterentwicklungen der bestehenden Abkommen in verschiedenen Bereichen angestrebt. Für 2014 sind unter anderem Treffen der GA im Rahmen der EFTA mit Kanada, Singapur und der Türkei sowie bilateral mit Japan geplant.

Das EFTA-Abkommen mit Kroatien wurde mit dessen EU-Beitritt am 1. Juli beendet. Freihandelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Kroatien bestehen auf der Grundlage des FHA zwischen der Schweiz und der EU von 1972 weiter.

4.3

Herausforderungen für die Schweizer Freihandelspolitik

Ein offenes globales Handelssystem mit klaren und fairen Regeln ist das Fundament für den Erhalt der Standortattraktivität und der Wettbewerbsfähigkeit sowie des Wohlstands der Schweiz.

Eine Herausforderung in den Verhandlungen stellen die teils erheblichen Unterschiede der offensiven und defensiven Interessen zwischen der Schweiz und den Partnerstaaten dar. Die Schweiz hat offensive Interessen vor allem im Bereich der Industrieprodukte, der Dienstleistungen und des geistigen Eigentums. Zudem strebt sie Verweise auf die Menschenrechte und Bestimmungen über nachhaltige Entwicklung (Umwelt und Arbeitsstandards) an. Defensive Interessen bestehen bei der Landwirtschaft und bei der Grenzüberschreitung natürlicher Personen. Bei vielen Partnern, insbesondere bei Entwicklungs- und Schwellenländern, ist die Interessenlage zum Teil deutlich anders. Diese unterschiedliche Interessenlage führt dazu, dass verschiedene laufende und kommende Verhandlungsprozesse deutlich aufwendiger als in der Vergangenheit sind.

Ein Mittel, um den Interessenausgleich mit Entwicklungs- und Schwellenländern zu fördern, ist die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit. Bilateral und zusammen mit den anderen EFTA-Staaten und dem EFTA-Sekretariat ist die Schweiz bereit, Partnerstaaten zu unterstützen, um die neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die ein FHA bietet, effektiv nutzen zu können. Diese Massnahme zur Befähigung der Partner kann auf Behörden und auf den Privatsektor ausgerichtet sein und während den Verhandlungen und in der Phase der Umsetzung des Abkommens gewährt werden. Gewisse Aktivitäten im Bereich der technischen Unterstützung werden vor allem vom EFTA-Sekretariat mit Beteiligung nationaler Experten aus den EFTAStaaten geleistet. Dies kann insbesondere den Erfahrungsaustausch auf Expertenebene oder die Durchführung von Seminaren zu unterschiedlichen Themen (wie Zollverfahren, Nutzung der Ursprungsregeln, Fragen des geistigen Eigentums oder des öffentlichen Beschaffungswesens) umfassen oder die Organisation von Exportförderungsveranstaltungen in den Partnerstaaten. Andere Projekte werden von einzelnen EFTA-Staaten realisiert, oft im Zusammenhang mit bestehenden Programmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit. Viele Programme der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit richten sich an den Zielen und den Kriterien der nachhaltigen Entwicklung aus und fördern bei den Partnern auch die Akzeptanz von Nachhaltigkeitsbestimmungen in den FHA.

1249

Eine weitere Herausforderung ist die angemessene Berücksichtigung globaler Wertschöpfungsketten73 bei der Aushandlung von FHA.74 In einem Bericht des Global Agenda Council des World Economic Forums75 wird im internationalen Handel eine grundlegende Diskrepanz zwischen der internationalen Handelsstruktur sowie der Handelspolitik einschliesslich des bestehenden Regelwerkes festgestellt. Es wird hervorgehoben, dass sich nicht nur der Handel, sondern vor allem auch die Produktion immer stärker globalisiert und globale Wertschöpfungsketten entstehen. In zahlreichen gemeinsam durchgeführten Analysen haben OECD und WTO die Rolle der globalen Wertschöpfungsketten sowie weiterer globaler Wirtschaftsphänomene untersucht. Die nationale und multinationale Handelspolitik orientiere sich jedoch ­ so der Tenor im Bericht des WEF ­ weiterhin hauptsächlich an der nationalen Herstellung und dem nationalen Wirtschaftsstandort. Aufgrund dieser Diskrepanz bestehe die Gefahr, dass kontraproduktive Massnahmen ergriffen würden (z. B.

übertriebene technische Vorschriften, Beschränkungen bei der Ausfuhr). Eine weitere Herausforderung sei, dass der Anteil der Dienstleistungen in den Güterexporten, der zunehmende Anteil von Vorleistungsgütern sowie der Intrafirmenhandel systematisch unterschätzt werde. Daran zeige sich, wie vielschichtig der internationale Handel geworden sei und welche Bedeutung ein effizienter und wettbewerbsorientierter Dienstleistungssektor für die Wirtschaft eines Landes habe. Die Position der Schweiz wird durch diese Erkenntnisse gestärkt. Sie setzt sich weltweit gegen protektionistische Massnahmen und für die Notwendigkeit eines umfassenden wirtschaftspolitischen Ansatzes (Investition, Innovation, Beschäftigung, Bildung, KMUUnterstützung) ein, um aus den globalen Wertschöpfungsketten den grösstmöglichen Nutzen zu ziehen. Auch Handelserleichterungen werden zunehmend wichtig, wenn eine Ware während des Produktionsprozesses mehrmals Grenzen überschreitet.

Ferner spielen nicht-tarifäre Handelshindernisse in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. So soll das internationale Regelwerk beispielsweise durch den Abschluss eines WTO-Abkommens für Handelserleichterungen (vgl. Ziff. 2.1.2) und den Einschluss entsprechender Bestimmungen in FHA ergänzt werden.

Die zunehmende Internationalisierung der
Wertschöpfungsketten stellt den Nutzen von FHA nicht in Frage, bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Ein Beispiel sind die Ursprungsregeln, die ausschlaggebend dafür sind, ob Waren von einer präferenziellen Behandlung im Rahmen eines FHA profitieren können. Zu restriktive, zu unterschiedliche oder auch den industriellen Strukturen und den aktuellen Bedürfnissen der Unternehmen nicht angepasste Ursprungsregeln können die Schaffung von globalen Wertschöpfungsketten behindern. Ziel des Bundesrates ist es weiterhin, den Zugang zu ausländischen Märkten für Schweizer Waren und Dienstleistungen zu verbessern und zugleich den Import von Waren (einschliesslich Rohmaterialen und Zwischenprodukte) für Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen sowie Unternehmen zu erleichtern. Im Rahmen der langfristig ausgerichteten Wachstumspolitik des Bundesrates sind Massnahmen zur weiteren Öffnung der 73

74

75

Dabei wird die gesamte in einem Produkt oder auch in einer Dienstleistung enthaltene Wertschöpfung entlang einer Kette von Produktionsstandorten erzielt, die in einer grösseren Zahl verschiedener Länder liegen.

Christian Busch/Isabelle Schluep Campo, Globale Wertschöpfungsketten: Eine neue Sicht auf die aussenwirtschaftliche Verflechtung der Schweiz?, Die Volkswirtschaft 6-2013, S. 47 ff., www.dievolkswirtschaft.ch/editions/201306/Busch.html The Shifting Geography of Global Value Chains: Implications for Developing Countries and Trade Policy; vgl. www3.weforum.org/docs/WEF_GAC_GlobalTrade System_Report_2012.pdf

1250

Exportmärkte von zentraler Bedeutung. FHA spielen in diesem Zusammenhang unvermindert eine wichtige Rolle.

5

Sektorielle Politiken

5.1

Warenverkehr Industrie/Landwirtschaft

Der Aussenhandel der Schweiz stagnierte in den ersten zehn Monaten des Berichtsjahrs insgesamt auf dem Vorjahresniveau, wofür in erster Linie die schwache Konjunktur in Europa verantwortlich war. Hingegen entwickelte sich der Handel mit den USA und mit China positiv. Der Aussenhandelsbilanzüberschuss erreichte einen neuen Höchststand. Die Ausfuhren von landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten entwickelten sich erfreulich, obwohl der ausfuhrseitige Rohstoffpreisausgleich gemäss dem «Schoggigesetz» aus Budgetgründen auch im Berichtsjahr nicht vollständig gewährleistet war. Das System der Ausfuhrbeiträge kann aufgrund der internationalen handelspolitischen Entwicklungen mittel- bis längerfristig nicht als gesichert angesehen werden.

Das bilaterale FHA Schweiz­China sowie die im Rahmen der EFTA abgeschlossenen FHA mit Panama und mit Costa Rica sowie mit Bosnien und Herzegowina verbessern den gegenseitigen Marktzugang für Industrieprodukte, landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte und ausgewählte Agrarbasisprodukte. Die Komplexität und Uneinheitlichkeit der präferenziellen Ursprungsregeln der immer zahlreicheren FHA stellen eine Herausforderung für die in internationale Wertschöpfungsketten eingebetteten Schweizer Unternehmen dar.

5.1.1

Entwicklung des Aussenhandels

Der Aussenhandel der Schweiz stagnierte im Berichtsjahr insgesamt auf dem Niveau von 2012. Der Vergleich der ersten zehn Monate der beiden Jahre zeigt, dass die Ausfuhren um 0,4 Prozent gestiegen und die Einfuhren um 0,6 Prozent zurückgegangen sind. Der Aussenhandelsüberschuss erreichte mit 21,7 Milliarden Schweizerfranken (+14,7 %) für den Zeitraum Januar bis Oktober einen Höchststand. Für die insgesamt stagnierende Entwicklung des Aussenhandels ist in erster Linie die schwache Konjunktur in Europa verantwortlich, dem Hauptabsatz- und Beschaffungsmarkt der Schweiz. Dieser Rückgang wurde durch die zunehmenden Handelsströme mit anderen Kontinenten, insbesondere Amerika und Asien, kompensiert (vgl. Ziff. 7).

Nachstehende Tabelle stellt die Struktur und die Entwicklung des Schweizer Aussenhandels aufgeschlüsselt auf die wichtigsten Warenarten dar (Januar­Oktober 2013; Ein- und Ausfuhren, ohne Edelmetalle, Schmucksteine, Kunstgegenstände und Antiquitäten):

1251

Warenart

Landwirtschaft Energieträger Textilien Chemie / Pharma Metalle Maschinen Fahrzeuge Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie andere Erzeugnisse Total

Ausfuhren (Mio. CHF)

Vorjahr

Einfuhren (Mio. CHF)

Vorjahr

7,673 2,818 2,615 68,732 10,209 27,554 4,415 37,270

7,8 % ­50,9 % ­0,7 % 3,3 % 0,4 % ­0,6 % 2,0 % 2,3 %

11,702 11,910 7'624 33,963 12,026 24,888 13,112 15,648

5,9 % ­17,2 % 1,9 % 3,5 % 1,9 % 2,3 % ­8,6 % ­1,7 %

7,304

0,3 %

16,061

0,9 %

168,590

0,4 %

146,934

­0,6 %

Quelle: Eidg. Oberzolldirektion

5.1.2

Freihandelsabkommen und Ursprungsregeln

Freihandelsabkommen Mit dem FHA Schweiz­China (vgl. Ziff. 4.2) wird der grösste Teil der Schweizer Industrieexporte nach China, zum Teil mit Übergangsfristen ganz oder teilweise von Zöllen befreit. Umgekehrt werden die verbleibenden Schweizer Zölle auf chinesischen Industriewaren beseitigt. Das FHA ermöglicht weiter einem Grossteil der Schweizer Landwirtschaftserzeugnisse mit Exportpotenzial die zollfreie oder zollvergünstigte Einfuhr in China (u.a. Milchprodukte, Rind-Trockenfleisch, verschiedene Verarbeitungsprodukte, nichtalkoholische Getränke, Wein). Für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte gewährt die Schweiz China Zollvergünstigungen im Rahmen des Rohstoffpreisausgleichs sowie, im Rahmen ihrer Agrarpolitik, für ausgewählte Basisagrarprodukte.

Das FHA mit Panama und Costa Rica (vgl. Ziff. 4.2) sieht für Industrieprodukte und Fisch sowie andere Meeresprodukte die Beseitigung aller Zölle vor. Für den Zollabbau auf gewissen sensiblen Produkten gelten für Panama und Costa Rica Übergangsfristen. In Bezug auf die verarbeiteten Landwirtschaftsprodukte gesteht die EFTA Panama und Costa Rica analoge Konzessionen wie in anderen FHA zu. Die EFTA kommt nach einer Übergangsperiode in den Genuss eines zollfreien Marktzugangs für die wichtigsten verarbeiteten Landwirtschaftsprodukte. Im Bereich der Basisagrarprodukte gewährt die Schweiz den beiden Ländern Konzessionen, welche insgesamt mit denjenigen der Abkommen mit Peru und Kolumbien vergleichbar sind.

Umgekehrt gewähren Costa Rica und Panama der Schweiz Zollreduktionen beziehungsweise Zollbeseitigung für ausgewählte, für die Schweiz wichtige Basisagrargüter.

Zum FHA der EFTA mit Bosnien und Herzegowina siehe Ziffer 10.2.1.

1252

Kreuzkumulation Angesichts der zunehmenden Zahl von FHA mit unterschiedlichen Ursprungsregeln könnte die Kreuzkumulation (KK) einen alternativen Ansatz bieten. Bei der KK können mehrere Länder, welche untereinander bilaterale FHA abgeschlossen haben, die verschiedenen bei der Herstellung eines Produkts in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet vollzogenen Verarbeitungsschritte addieren. Die KK erlaubt eine Kumulation, selbst wenn die Ursprungsregeln der verschiedenen FHA nicht identisch sind.

Der Bundesrat verabschiedete in Beantwortung des Postulats 10.3971 «Mehr Nutzen aus Freihandelsabkommen durch Kreuzkumulation» am 8. März den Bericht «Freihandelsabkommen: Chancen, Möglichkeiten und Herausforderungen der Kreuzkumulation von Ursprungsregeln»76 zu den Möglichkeiten und Herausforderungen der KK. Der Bundesrat sieht die KK grundsätzlich als Instrument zur Förderung der wirtschaftlichen Ziele der Schweiz. Jedoch ist die praktische Anwendung der KK mit verschiedenen Fragen verbunden (z. B. Definition der für die KK berechtigten Produkte, Verwaltungsaufwand), welche deren Einführung schwierig machen.

Deshalb soll mit den Freihandelspartnern ein vertiefter Dialog zur KK aufgenommen werden.

Regionales Übereinkommen über Paneuropa­Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (PEM) Das in der Schweiz am 1. Januar 2012 in Kraft getretene PEM-Übereinkommen vom 15. Juni 201177 wurde bisher von zwölf Vertragsparteien ratifiziert78. Die umfassende Anwendung der diagonalen Kumulation, einschliesslich in den Balkanstaaten, bedingt die Anpassung der bestehenden FHA der Vertragsparteien, um diese mit dem PEM-Übereinkommen zu verknüpfen (die Anpassung des FHA Schweiz­EU ist in Vorbereitung).

Das PEM-Übereinkommen vereinheitlicht die Ursprungsregeln der verschiedenen bestehenden FHA in der Paneuropa­Mittelmeer-Zone, ohne die Regeln in der Substanz zu ändern. Die Ursprungsregeln entstanden über Jahrzehnte hinweg, sind komplex und entsprechen nicht mehr dem gegenwärtigen Handel in Wertschöpfungsketten. Parallel zur Umsetzung des Übereinkommens haben die Vertragsparteien deshalb mit der Überarbeitung der Substanz der Ursprungsregeln begonnen. Die Schweiz ist dabei stark engagiert und schlägt auf die Bedürfnisse ihrer Industrie abgestimmte Lösungen vor. Aufgrund der zahlreichen Vertragsparteien und ihren unterschiedlichen Interessen kommen diese Arbeiten jedoch nur langsam voran.

5.1.3

Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte

Mit einem Anteil von rund 70 Prozent am Gesamthandel (Exporte und Importe) im Jahr 2012 bleibt die EU wichtigster Handelspartner der Schweiz auch für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte. Seit der Inkraftsetzung des revidierten Proto76

77 78

www.seco.admin.ch > Dokumentation > Publikationen und Formulare > Studien und Berichte > Aussenwirtschaft > Freihandelsabkommen: Chancen, Möglichkeiten und Herausforderungen der Kreuzkumulation von Ursprungsregeln.

SR 0.946.31 Albanien, EU, Färöer-Inseln, Island, Jordanien, Kroatien, Liechtenstein, Mazedonien, Montenegro, Norwegen, Schweiz, Serbien.

1253

kolls Nr. 2 des FHA Schweiz­EU79 im Jahr 2005 ist das Handelsvolumen wertmässig um 62 Prozent gestiegen. Die Exporte sind dabei stärker gewachsen als die Importe. Die Exporte in die EU erreichten 2012 mit 3,9 Milliarden Schweizerfranken einen neuen Höchststand, während sich die Importe 2012 auf 2,6 Milliarden Schweizerfranken einpendelten. Die Handelszahlen zeigen, dass die Exporte in die EU bei den vollständig von Zöllen befreiten Verarbeitungsprodukten stärker zugenommen hat als bei den Produkten, für die Preisausgleichsmassnahmen gelten.

Im Beitragsjahr standen im Rahmen des sogenannten Schoggigesetzes80 wiederum 70 Millionen Schweizerfranken für Ausfuhrbeiträge zur Verfügung. Dieser Betrag wurde auf Ersuchen der Branchen erstmals auf die Grundstoffkategorien «Milchgrundstoffe» und «Getreidegrundstoffe» aufgeteilt, womit die Ausschöpfung der verfügbaren Mittel besser auf die Preisentwicklungen in den jeweiligen Sektoren ausgerichtet werden konnte. Der Budgetknappheit wurde wie bereits in den Vorjahren mit Kürzungen bei den Ausfuhrbeitragsansätzen begegnet, erstmals nach Grundstoffkategorien differenziert (entsprechend der Aufteilung der verfügbaren Mittel auf Milch- und Getreidegrundstoffe). Die mittel- bis längerfristige Zukunft des Preisausgleichsmechanismus im Handel mit landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten hängt weiterhin von internationalen Entwicklungen, insbesondere im WTORahmen, ab (vgl. Ziff. 2).

Mit dem Beschluss 1/2013 des Gemischten Ausschusses81 wurden per 1. April die für den Preisausgleich des Protokolls Nr. 2 relevanten Referenzpreise angepasst und an die aktuellen Marktverhältnisse herangeführt. Die mit der EU vertraglich festgelegten Referenzpreise legen im Handel mit der EU ausfuhrseitig die Obergrenze für Ausfuhrbeiträge fest und sind einfuhrseitig für das Agrarschutzelement bei der Erhebung von Zöllen massgebend. Die Gespräche mit der EU über die nächste Anpassung der Referenzpreise sind in Gang.

5.2

Technische Handelshemmnisse

Die Beschleunigung der Weiterentwicklung des EU-Produkterechts stellt die Umsetzung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen mit der EU vor neue Herausforderungen. Es besteht das Risiko, dass Schweizer Exporteure wegen fehlender Gleichwertigkeit der Rechtsgrundlagen in der Schweiz und in der EU nicht mehr von im Abkommen geregelten Marktzugangsvorteilen profitieren können.

Mit weiteren wichtigen internationalen Handelspartnern wurden erneut Fortschritte beim Abbau technischer Handelshemmnisse erzielt. Hierzu zählen insbesondere die Äquivalenzvereinbarung im Bereich der Bioprodukte mit Japan sowie Bestimmungen über technische Handelshemmnisse sowie gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Massnahmen im FHA Schweiz­China.

79 80 81

SR 0.632.401.2 SR 632.111.72 AS 2013 1137

1254

5.2.1

Abbau von technischen Handelshemmnissen zwischen der EU und der Schweiz

Das im Rahmen der Bilateralen I abgeschlossene Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen mit der EU (MRA)82 ist ein wichtiges Instrument zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse. In den vom Abkommen abgedeckten Sektoren83 garantiert dieses Schweizer Produkten einen vergleichbaren Zugang zum Binnenmarkt wie den Konkurrenzprodukten der EU (vgl. Ziff. 3.3).

Die Beschleunigung der Weiterentwicklung des EU-Produkterechts erschwert die zeitnahe Anpassung der Schweizer Produktevorschriften. Ist die Gleichwertigkeit der Rechtsgrundlagen zu einem spezifischen Zeitpunkt nicht gegeben (beispielsweise wegen einer zeitlichen Verzögerung der Rechtsanpassung), sind die im MRA gewährten Marktzugangsvorteile gefährdet. Die MRA-Kapitel über Bauprodukte und Biozide sollen deshalb 2014 revidiert werden. Aufgrund Gesetzgebungsprozeduren in der Schweiz wird die Gleichwertigkeit der Rechtsgrundlagen in diesen beiden Produktsektoren frühestens ein Jahr verspätet hergestellt sein. Diese beiden Kapitel betreffen ein Schweizer Exportvolumen von ungefähr 2,6 Milliarden Schweizerfranken und Importe aus der EU in der Höhe von rund 5,4 Milliarden Schweizerfranken. Seit dem Treffen des gemischten MRA-Ausschusses im November 2012 werden mit der Europäischen Kommission Überbrückungsmöglichkeiten diskutiert.

Um die Rückverfolgbarkeit bis zum Produzenten sowie den Schutz der Konsumenten und Konsumentinnen zu verbessern, sieht das EU-Recht vermehrt vor, dass gewisse rechtliche Auflagen ausschliesslich durch Firmen mit Sitz in der EU erfüllt werden können. Hierzu zählen beispielsweise die Gesetzgebungen für Chemieprodukte84, Kosmetika85, Holzprodukte86 und Lebensmittel87. Für Holzprodukte wird verlangt, dass in der EU in Verkehr gebrachtes Holz in Einklang mit dem Recht des Herkunftslandes geschlagen wurde. Die Verantwortung dafür ist von einem Marktteilnehmer mit Sitz in der EU zu übernehmen. Ab Dezember 2014 ist auf der Verpackung von Lebensmitteln, welche auf den EU-Markt gebracht werden, entweder die Adresse des Herstellers oder des Importeurs mit Sitz in der EU anzugeben. Für die Schweizer Industrie, welche stark in die europäische Herstellungskette integriert ist 82 83

84

85 86

87

SR 0.946.526.81 Maschinen, Persönliche Schutzausrüstungen, Spielzeug, Medizinprodukte, Gasverbrauchseinrichtungen und Heizkessel, Druckgeräte, Funkanlagen und Telekommunikationsendgeräte, Geräte und Schutzsysteme zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen, Elektrische Betriebsmittel und elektromagnetische Verträglichkeit, Baugeräte und Baumaschinen, Messgeräte und Fertigpackungen, Kraftfahrzeuge, Land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, Gute Laborpraxis (GLP), Inspektion der guten Herstellungspraxis und Arzneimittel (GMP) und Zertifizierungen der Chargen, Bauprodukte, Aufzüge, Biozidprodukte, Seilbahnen, Explosivstoffe für zivile Zwecke.

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), Vgl. Fussnote 41.

Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel, ABl L 342 vom 22.12.2009, S. 59.

Verordnung (EU) Nr. 995/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen, ABl L 295 vom 12.11.2010, S. 23.

Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel, ABl L 304 vom 22.11.2011, S. 18.

1255

und vom EU-Markt abhängig ist, können solche Massnahmen bedeutende Kosten verursachen. Sie verschlechtern auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz. Die autonome Anpassung des Schweizer Rechts kann solche Probleme nicht lösen, weshalb entsprechende Vereinbarungen mit der EU angestrebt werden.

5.2.2

Normung

Am 1. Januar trat die EU-Verordnung 1025/2012 zur europäischen Normung88 in Kraft. Im Rahmen der Ausarbeitung der Verordnung brachte sich die Schweiz mehrfach ein, um den privatwirtschaftlichen Charakter der Normung aufrechtzuerhalten und der Aufweichung des nationalen Delegationsprinzips im europäischen Normungssystem entgegen zu wirken. Auf Einladung der Europäischen Kommission nimmt die Schweiz am EU-Normenausschuss teil. Dieser wurde unter der neuen Verordnung geschaffen und berät die Europäische Kommission in Normungsfragen. Die für 2015 angekündete Überarbeitung der Verordnung wird von der unter der Leitung des SECO stehenden interdepartementalen «Normengruppe Bund» aufmerksam verfolgt.

5.2.3

Agrarexporte und Inspektionen

Seit mehreren Jahren verhandelten die Schweiz und Japan über eine Aktualisierung und Erweiterung der seit 2003 bestehenden Äquivalenzvereinbarung im Bereich der Bio-Produkte. Im Berichtsjahr wurde im Rahmen eines Briefwechsels vereinbart, dass Schweizer Produzenten unter denselben Bedingungen Zugang zum japanischen Markt erhalten wie ihre Mitbewerber aus der EU. Seit 1. Juli wird diese Vereinbarung umgesetzt.

Im Jahr 2012 wurden Schweizer Unternehmen, welche Schweinefleisch nach China exportieren wollen, von chinesischen Behörden inspiziert. Auch wenn die im Berichtsjahr veröffentlichten Ergebnisse weitgehend positiv ausfielen, wurden Lücken im Schweizer Veterinärsystem auf Bundesebene, bei den Kantonen und bei den Unternehmen festgestellt (doppelte Nummerierung der Unternehmen, fehlende Koordination in Bezug auf die Häufigkeit der Kontrollen, Kontrolle der Umsetzung vorgeschriebener Korrekturmassnahmen). Da die Ergebnisse der Inspektionen auf internationalen Empfehlungen basieren, sind diese für das gesundheitspolizeiliche System der Schweiz und für künftige ausländische Inspektionen wertvoll. Die zuständigen Bundesbehörden unternehmen in Zusammenarbeit mit den Kantonen und den Betrieben Anstrengungen, um die Lücken zu schliessen.

88

Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, ABl L 316 vom 14.11.2012, S. 12.

1256

5.2.4

Regelungen zu technischen Handelshemmnissen in FHA

Das Kapitel über die technischen Handelshemmnisse sowie jenes über die sanitären und phytosanitären Massnahmen (SPS) im FHA Schweiz­China tragen ­ zusammen mit vier zeitgleich unterzeichneten Zusatzabkommen über Akkreditierung und Zertifizierung, Messmittel, Telekommunikationsgeräte sowie SPS ­ dazu bei, Mehrkosten im Handel zu verringern, welche aufgrund unterschiedlicher nationaler Produktevorschriften entstehen. Dies soll insbesondere durch eine Intensivierung der Behördenzusammenarbeit erreicht werden sowie durch die Förderung der Anwendung anerkannter internationaler Normen und Richtlinien. Das in der Schweiz geltende Gesundheitsschutz- und Sicherheitsniveau bleibt dabei unverändert hoch.

5.3

Dienstleistungen

Die Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zur weiteren Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen wurden lanciert. Der Verhandlungsgruppe gehören mehr als zwanzig Mitglieder der WTO an, darunter die Schweiz.

Die Schweiz strebt für ihre Dienstleistungserbringer einen verbesserten und erleichterten Zugang zu den Dienstleistungsmärkten der Verhandlungsteilnehmer an, wobei das Fernziel die mögliche «Multilateralisierung» des künftigen Abkommens ist. Was die FHA anbelangt, wurden bei der Aushandlung von Kapiteln über den Dienstleistungshandel mit Indien, Indonesien, Vietnam und der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan Fortschritte erzielt. Die Verhandlungen mit China, Costa Rica und Panama wurden abgeschlossen.

Angesichts der Schwierigkeiten der Doha-Runde der WTO (vgl. Ziff. 2.1) verhandeln rund zwanzig Parteien89, die an einer stärkeren Liberalisierung des Dienstleistungshandels interessiert sind und auf die fast 70 Prozent des Handels mit Dienstleistungen entfallen, über ein entsprechendes plurilaterales Abkommen. Dieses Abkommen wird die grundlegenden Bestimmungen des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen90 (GATS) der WTO übernehmen, namentlich den Geltungsbereich, einschliesslich der vier Erbringungsarten, die Begriffsbestimmungen, die Konzepte Marktzugang und die Inländerbehandlung sowie die Ausnahmen. Dazu kommen horizontale Bestimmungen (Transparenz, Verhältnismässigkeit und andere Disziplinen im Zusammenhang mit den innerstaatlichen Regelungen) sowie Bestimmungen, welche über das GATS hinausgehen (z. B. Finanzdienstleistungen, Telekommunikationsdienstleistungen und Dienstleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien). Die Schweiz engagiert sich aktiv in diesen Verhandlungen, welche darauf abzielen, eine stärkere Öffnung der Dienstleistungsmärkte zwischen den Parteien zu erreichen und günstige Rahmenbedingungen für den Dienstleistungshandel zu schaffen. Dabei soll insbe89

90

Gegenwärtig beteiligen sich folgende Parteien an den Verhandlungen: Australien, Chile, Costa Rica, die EU, Hong Kong, Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Republik Korea, Liechtenstein, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, die Schweiz, chinesisches Taipei, die Türkei und die Vereinigten Staaten.

SR 0.632.20, Anhang 1.B

1257

sondere auch gewährleistet werden, dass die innerstaatlichen Regelungen betreffend Qualifikationsanforderungen und Zulassungsverfahren auf objektiven und transparenten Kriterien beruhen und nicht ungerechtfertigte Handelshemmnisse darstellen.

Ausserdem setzt sich die Schweiz dafür ein, dass die Verhandlungen für alle WTOMitglieder zugänglich sind und dass die Regeln im Einklang mit dem GATS steht, um eine allfällige «Multilateralisierung» des Abkommens zu einem späteren Zeitpunkt zu erleichtern.

Das Kapitel zum Dienstleistungshandel im FHA mit China (vgl. Ziff. 4.2) sieht im Vergleich zum GATS Verbesserungen beim Marktzugang vor. Dies gilt für mehrere Bereiche, welche für die Schweizer Exporteure von besonderem Interesse sind (z. B.

Installateure und Reparateure von Maschinen und Ausrüstungen, bestimmte Finanz-, Luftverkehrs-, Logistik- sowie Ingenieur- und Architekturdienstleistungen). Zudem enthält das FHA horizontale Regeln unter anderem zur Transparenz und zu den Zulassungsverfahren sowie spezifische Regeln für die Finanzdienstleistungen (z. B.

Nichtdiskriminierung bezüglich aufsichtsrechtlicher Massnahmen, Auskunftspflicht betreffend Finanzregulierung). Diese Regeln, welche über das GATS hinausgehen, werden die Rechtssicherheit sowie die Vorhersehbarkeit für Schweizer Dienstleistungserbringer erhöhen.

Das im Rahmen der EFTA mit Costa Rica und Panama abgeschlossene FHA (vgl. Ziff. 4.2) verbessert ebenfalls den Zugang zu den Dienstleistungsmärkten in mehreren für die Schweiz prioritären Bereichen. Dadurch werden die Schweizer Dienstleistungserbringer ihren ausländischen Hauptkonkurrenten gleichgestellt, welche bereits von einem FHA mit diesen Ländern profitieren (u.a. USA und EU).

Das FHA umfasst zusätzliche Regeln bezüglich Finanzdienstleistungen (z. B. Verfahren für die Gewährung von Zulassungen oder Nichtdiskriminierung bezüglich aufsichtsrechtlicher Massnahmen). Diese werden die Rechtssicherheit sowie die Vorhersehbarkeit für die Schweizer Unternehmen verstärken, welche auf den Finanzmärkten dieser Länder tätig werden wollen oder dort bereits etabliert sind.

5.4

Investitionen und multinationale Unternehmen

Gemäss den am 1. April 2014 in Kraft tretenden neuen UNCITRAL-Transparenzregeln werden künftig über Investitionsschiedsverfahren umfassende Informationen veröffentlicht. Zwei Jahre nach dem OECD-Länderexamen zur Korruptionsbekämpfung im internationalen Geschäftsverkehr verfasst die Schweiz einen Bericht über die Umsetzung der im Länderbericht enthaltenen Empfehlungen. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der aktualisierten OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen erliess der Bundesrat eine neue Verordnung und passte die Organisation und Arbeitsweise des Nationalen Kontaktpunkts (NKP) an. Gleichzeitig wurde ein Beirat mit Vertretern der verschiedenen Interessensgruppen eingesetzt, welcher den NKP bei seiner Arbeit beraten wird.

1258

5.4.1

Investitionen

Die UNO-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) verabschiedete im Juli nach dreijährigen Arbeiten ein neues Transparenzreglement für Investitionsschiedsverfahren, welches am 1. April 2014 in Kraft treten wird. Mit den neuen Transparenzregeln wird sichergestellt, dass die Einleitung eines Schiedsverfahrens, die Eingaben der Parteien, alle wesentlichen Verfahrensschritte sowie Anordnungen und Entscheide des Schiedsgerichts grundsätzlich veröffentlicht werden. Eine Ausnahmeklausel stellt sicher, dass Informationen, deren Veröffentlichung schützenswerte Interessen des Investors (z. B. Geschäftsgeheimnisse), des beklagten Staates (z. B. Informationen betreffend nationale Sicherheit) oder Dritter (z. B. Zeugen) gefährden würden, ausschliesslich den Verfahrensbeteiligten zugänglich bleiben.

Aus Sicht der Schweiz, welche bei der Ausarbeitung der neuen Transparenzregeln eine aktive Rolle spielte, ist eine erhöhte Transparenz wichtig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Investitionsschiedsverfahren zu stärken. Die UNCITRALRegeln sind in der Praxis von grosser Bedeutung, da weltweit beinahe die Hälfte der Schiedsverfahren, welche gestützt auf Investitionsschutzabkommen (ISA) geführt werden, diesen Regeln folgen. Die andere Hälfte der Verfahren basiert auf den Regeln des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten91.

Die Schweiz führte im Berichtsjahr die Verhandlungen mit Indonesien über die Revision des bestehenden ISA weiter. Zugleich laufen seit längerer Zeit Verhandlungen mit Russland, Georgien und Angola über die Revision der bestehenden, beziehungsweise über den Abschluss neuer ISA. Da diese drei Staaten zurzeit ihre Verhandlungsansätze überprüfen, konnten die Verhandlungen bisher nicht abgeschlossen werden. Für 2014 ist die Aufnahme von ISA-Verhandlungen mit Malaysia geplant, um das bestehende Abkommen von 1978 durch ein modernes ISA (inkl.

Investor­Staat-Streitbeilegungsmechanismus) zu ersetzen. Die Schweiz bringt seit 2012 in alle laufenden und künftigen ISA-Verhandlungen neue Nachhaltigkeitsbestimmungen ein, welche von einer interdepartementalen Arbeitsgruppe ausgearbeitet wurden. Damit wird dem Aspekt der Nachhaltigkeit und der Kohärenz mit anderen Politikbereichen (u.a. Umwelt- und Gesundheitspolitik) verstärkt Rechnung getragen. Das ISA der
Schweiz mit Südafrika wurde, wie verschiedene andere ISA Südafrikas, durch dieses gekündigt.

In Ergänzung zu den ISA enthalten die Investitionskapitel der FHA (vgl. Ziff. 4.2) Bestimmungen über die Investitionsförderung und je nach Abkommen auch Marktzugangsverpflichtungen für Direktinvestitionen in den Sektoren ausserhalb der Dienstleistungen (Phase des sog. pre-establishement)92. Letzteres trifft auf die FHA mit Panama und Costa Rica zu. Das FHA mit China enthält ein Kapitel zur Investitionsförderung, welches unter anderem den gegenseitigen Informationsaustausch über Investitionsförderungsmassnahmen vorsieht.

91 92

Errichtet durch das Washingtoner Übereinkommen vom 18. März 1965 (SR 0.975.2).

Direktinvestitionen im Dienstleistungssektor sind durch die Dienstleistungskapitel der FHA abgedeckt (vgl. Ziff. 5.3).

1259

5.4.2

Korruptionsbekämpfung

Im Jahr 2011 durchlief die Schweiz im Rahmen der regelmässigen Überprüfungen der OECD das Länderexamen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr.93 Seither arbeitete die Schweiz ihren Bericht zur Umsetzung der Empfehlungen der OECD aus, welcher Anfang 2014 präsentiert wird. Darin hält die Schweiz fest, wie sie ihre Bemühungen zur Korruptionsprävention und zur Sensibilisierung der Unternehmen für die Korruptionsrisiken im Auslandsgeschäft fortgeführt hat. Als Priorität gilt der regelmässige Kontakt mit den international tätigen Schweizer KMU, um diese auf geeignete Präventionsmassnahmen und interne Kontrollsysteme zur Vermeidung von Korruptionsfällen im Auslandgeschäft hinzuweisen. Weiter wird über die Entwicklungen in der Rechtsetzung, Strafverfolgung und internationalen Zusammenarbeit (z. B. Gewährung von Rechtshilfe sowie Sperrung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte) berichtet.

Per Ende des Berichtsjahrs trat der Schweizer Strafrechtsprofessor Mark Pieth als Vorsitzender der OECD-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung zurück. Über zwanzig Jahre prägte er diese Arbeitsgruppe, welche sich zu einem führenden multilateralen Gremium zur international koordinierten Bekämpfung der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr entwickelt hat.

5.4.3

OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen

Der Bundesrat passte im Mai die Organisation und Arbeitsweise des Nationalen Kontaktpunkts (NKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen an und erliess dazu eine neue Verordnung94, welche am 1. Juni in Kraft getreten ist.

Zugleich setzte er die Eidgenössische Kommission zur Beratung des Nationalen Kontaktpunkts (NKP-Beirat) ein. Der NKP-Beirat ist eine ausserparlamentarische Verwaltungskommission mit beratender Funktion, welcher vierzehn Mitglieder aus Wirtschaftsdachverbänden, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen, der Wissenschaft und der Bundesverwaltung angehören. Er berät den NKP bei seiner strategischen Ausrichtung und der Anwendung der OECD-Leitsätze. An seinen ersten zwei Sitzungen im August und Dezember befasste er sich insbesondere mit dem Verfahren zur Bearbeitung von Eingaben beim NKP.

Die Neuorganisation des NKP zielt darauf ab, dessen Arbeit bei den betroffenen Interessengruppen und innerhalb der Bundesverwaltung verstärkt abzustützen.

Gleichzeitig sollen die Transparenz bei der Bearbeitung von Eingaben zu allfälligen Verstössen gegen die OECD-Leitsätze erhöht und die Vermittlungstätigkeit des NKP wirkungsvoller gestaltet werden. Mit diesen Massnahmen setzt der Bundesrat die neuen Vorgaben der 2011 aktualisierten OECD-Leitsätze um. Gleichzeitig sollen die OECD-Leitsätze als umfassendes Instrument zur Förderung der verantwortungsvollen Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility) stärker genutzt 93

94

Das OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr von 1997 (SR 0.311.21) wurde von den 34 OECD-Mitgliedern und sechs weiteren Staaten (Argentinien, Brasilien, Bulgarien, Kolumbien, Russland und Südafrika) unterzeichnet.

Verordnung vom 1. Mai 2013 über die Organisation des Nationalen Kontaktpunktes für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und über seinen Beirat (SR 946.15).

1260

werden, um den Unternehmen aufzuzeigen, wie sie einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Weltwirtschaft leisten können.

Das OECD-Investitionskomitee, insbesondere durch seine im Berichtsjahr neu geschaffene Arbeitsgruppe zur verantwortungsvollen Unternehmensführung (Working Party on Responsible Business Conduct), führte seine Arbeiten zur Unterstützung der Unternehmen bei der Anwendung der OECD-Leitsätze weiter. Im Vordergrund steht dabei die Ausarbeitung von sektorspezifischen Richtlinien zur Umsetzung der OECD-Leitsätze, was in Zusammenarbeit mit den Unternehmen als Adressaten der OECD-Leitsätze und weiteren Interessengruppen erfolgt. In solchen Richtlinien wird erläutert, welche konkreten Massnahmen die Unternehmen einer bestimmten Branche treffen sollten, um ihrer Sorgfaltspflicht gerecht zu werden.

Neben dem bereits bestehenden OECD-Leitfaden zur Umsetzung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette von Edelmetallen aus Konfliktgebieten werden zurzeit Richtlinien für den Finanzsektor erarbeitet. Ein weiteres Projekt befasst sich mit Richtlinien für verantwortungsvolle Investitionen im Agrarbereich.

5.5

Rohstoffe, Energie und Klima

5.5.1

Rohstoffe

Der Bundesrat unterstreicht im Grundlagenbericht Rohstoffe die volkswirtschaftliche und finanzpolitische Bedeutung der Rohstoffbranche sowie die internationale Verantwortung der Schweiz und der Unternehmen im Sozial- und Umweltbereich. Die Schweiz nimmt diese Verantwortung wahr und leistet deshalb verstärkt Beiträge zur Minderung der Risiken im Rohstoffabbau und -handel sowie zur Stärkung des gesamten Wirtschaftsstandortes Schweiz. Unter anderem unterstützt sie die Extractive Industries Transparency Initiative (Transparenz im Rohstoffabbau), die Better Gold Initiative (Nachhaltige Goldwertschöpfungsketten) und das Programm Sustainable Recycling Industries (nachhaltige Rückgewinnung von Rohstoffen).

Der Bundesrat hält im «Grundlagenbericht Rohstoffe» vom 27. März95 fest, dass sich der Rohstoffsektor und insbesondere der Rohstoffhandel zu einem bedeutsamen Wirtschaftszweig der Schweiz entwickelt hat, welcher einen wichtigen Beitrag zu Wertschöpfung, Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen leistet. Die Schweiz steht einerseits in einem internationalen Standortwettbewerb und ist gefordert, ihre politischen, ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen günstig zu halten und weiter zu stärken (z. B. dritte Unternehmenssteuerreform96). Der Bundesrat unterstreicht anderseits die Risiken bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards, die unter anderem oft auf Mängel in der Regierungsführung rohstoffexportierender Staaten zurückzuführen sind. Der Schweiz als Standort 95 96

Vgl. Medienmitteilung «Der Bundesrat veröffentlicht den » vom 27. März 2013 (www.news.admin.ch/dokumentation).

Vgl. Medienmitteilung «Bund und Kantone wollen mit Reform der Unternehmensbesteuerung den Standort Schweiz stärken» vom 17. Mai 2013 (www.news.admin.ch/dokumentation).

1261

zahlreicher global tätiger Rohstoffunternehmen kommt eine besondere Verantwortung zu. Der Bundesrat erwartet von allen in und aus der Schweiz operierenden Unternehmen ein integres und verantwortungsvolles Verhalten. In diesem Sinne nahm der Bundesrat im Grundlagenbericht eine differenzierte Analyse der Rohstoffthematik vor und legte in siebzehn Empfehlungen seine Position dar. Darin bekräftigt er gewisse Grundsätze und sieht die vertiefte Prüfung wichtiger Themen und die Verstärkung einzelner Massnahmen vor.

Die Schweiz fördert vorwiegend mit multilateral abgestützten Initiativen und über ihren Einfluss in internationalen Gremien Massnahmen zur Minderung der Risiken im Rohstoffhandel und -abbau. Weiter trägt sie im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (z. B. in Aserbaidschan, Burkina Faso, Ghana, Kirgisistan, Mosambik, Peru) zur Verbesserung der Regierungsführung in rohstofffördernden Staaten bei. Die Entwicklungszusammenarbeit umfasst die Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen und demokratischer Kontrollmechanismen, die Mobilisierung der Einnahmen aus dem Rohstoffabbau und die Förderung effizienter und wirksamer Systeme zur Verwaltung der öffentlichen Finanzen.

Weiter unternimmt die Schweiz Schritte zur Stärkung der Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR).97 Gemeinsam mit Rohstoffhandelsunternehmen, Kantonen und Nichtregierungsorganisationen werden beispielsweise Vorschläge für einen CSR-Standard erarbeitet, welcher von der Schweiz in geeigneten internationalen Gremien eingebracht werden kann.98 Im Rahmen des Aktionsplans Grüne Wirtschaft will der Bundesrat zudem die ökologische Verantwortung der Rohstoffbranche im internationalen Kontext stärken.99 Der Bundesrat prüft weiter Massnahmen für eine grössere Transparenz der Güterund Finanzströme.100 Seit 2009 unterstützt die Schweiz beispielsweise die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). Diese von der Industrie, Nichtregierungsorganisationen und verschiedenen Staaten unterstützte Initiative vergibt die Zertifizierung EITI compliant an Länder, in welchen die Finanzflüsse zwischen Rohstoffunternehmen und staatlichen Behörden (z. B. Steuern, Gebühren und Bonuszahlung anlässlich der Vertragsunterzeichnung) gemäss definierten Regeln deklariert und in jährlichen Berichten publiziert werden. Durch ihren Sitz im
Vorstand der EITI übt die Schweiz eine aktive Rolle bei der Erarbeitung des neuen, im Mai verabschiedeten Regelwerks101 aus. Die neuen Regeln führen zu zusätzlichen, zuverlässigeren und praktischeren Berichterstattungen, womit unter anderem die Mitsprache der lokalen Bevölkerung erleichtert wird.

Damit die Bevölkerung in Entwicklungsländern vermehrt an den Erträgen lokaler Goldvorkommen teilhaben kann, lancierte die Schweiz die Better Gold Initiative (BGI). Diese zielt darauf ab, die Wertschöpfungskette zur Förderung von Gold aus 97

Vgl. dazu auch Postulat 12.3980 der APK-N «Rechtsvergleichender Bericht. Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechten und Umwelt im Zusammenhang mit den Auslandaktivitäten von Schweizer Konzernen»; Postulat 12.3503 (v. Graffenried) «Eine RuggieStrategie für die Schweiz».

98 Vgl. Grundlagenbericht Rohstoffe: Schlussfolgerungen, Empfehlung 11.

99 Vgl. Medienmitteilung «Der Bundesrat verabschiedet den Aktionsplan Grüne Wirtschaft» vom 8. März 2013: siehe Massnahme 18 des Aktionsplans Grüne Wirtschaft.

100 Vgl. dazu auch Postulat 13.3365 (APK-N) «Mehr Transparenz im Schweizer Rohstoffsektor» und Schlussfolgerungen des Grundlagenberichts Rohstoffe, Empfehlungen 3 bis 9.

101 Vgl. http://eiti.org/document/standard.

1262

dem kleinen und mittleren Bergbau (weltweit mehr als fünfzehn Millionen Arbeitnehmer) durch international anerkannte Nachhaltigkeitsstandards umwelt- und sozialverträglicher zu gestalten. Zu diesem Zweck kooperiert die BGI mit Regierungsstellen in Partnerländern und mit den Endabnehmern entlang der Wertschöpfungskette (Raffinerien, Uhren- und Schmuckhersteller). Letztere schlossen sich in der Swiss Better Gold Association zusammen und verpflichteten sich zum Kauf beziehungsweise zur Weiterverarbeitung von nachhaltig produziertem Gold. Nachdem im September von Peru das erste nachhaltig abgebaute Gold exportiert und in der Schweiz verarbeitet wurde, soll die BGI auf Ghana, Kolumbien und die Mongolei ausgedehnt werden.

Weiter untersuchte das SECO in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Bezug auf China, Kolumbien, Indien und Südafrika die Chancen und Herausforderungen einer nachhaltigen Rückgewinnung von Rohstoffen aus elektronischem Abfall. Auf dieser Basis wurde im Berichtsjahr das Programm Sustainable Recycling Industries lanciert. Dieses zielt darauf ab, nachhaltige, lokale Recyclingmärkte mit der Beteiligung von spezialisierten KMU aufzubauen, ausgewählte Lebenszyklusanalysen von Produkten mit hohem Rohstoffanteil durchzuführen und einen international harmonisierten Standard für aufbereitete Rohstoffe zu entwickeln. Das Programm soll in Ägypten, Ghana, Indien, Kolumbien, Peru und Südafrika zur Anwendung kommen.

5.5.2

Energie- und Klimapolitik

Die internationale Energieagentur (IEA) läutete an der Ministerkonferenz ihr Jubiläumsjahr zum 40-jährigen Bestehen der Organisation ein und bekräftigte gemeinsam mit den anwesenden Partnerländern den beidseitigen Wunsch nach einer verstärkten institutionalisierten Zusammenarbeit. Im November fand in Warschau die 19. Konferenz der Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention statt. Im Zentrum der Verhandlungen standen die Stärkung des internationalen Klimaregimes bis 2020 und die Eckpunkte für ein umfassendes Klimaabkommen für den Zeitraum nach 2020.

Die Ministerkonferenz der IEA im November stand im Zeichen der sich stark im Wandel befindenden globalen Energielandschaft. Die Erschliessung neuer unkonventioneller wie auch konventioneller Öl- und Gasvorkommen, insbesondere in den USA, hat das globale Energieangebot einschneidend verändert. Gleichzeitig steigt die weltweite Energienachfrage weiter an und verschiebt sich immer mehr hin zu den aufstrebenden Schwellenländern. Deshalb nimmt die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für eine weltweit sichere, wirtschaftliche, wie auch umweltverträgliche Energieversorgung weiter zu. Dem trägt die an der Konferenz verabschiedete Erklärung über das gegenseitige Interesse an einem künftigen Assoziierungsabkommen zwischen der IEA und ihren wichtigsten Partnerländern102 Rechnung: Die Zusammenarbeit soll intensiviert und in festere institutionelle Bahnen gelenkt werden.

102

Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Südafrika

1263

Dem Energiesektor sind rund zwei Drittel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen zuzuschreiben. Zwar haben einige Länder bereits ambitionierte Massnahmen zur Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Energien ergriffen. Trotzdem driftet die internationale Staatengemeinschaft immer weiter vom Ziel ab, den globalen Temperaturanstieg auf maximal zwei Grad Celsius zu beschränken. Die IEA weist deshalb darauf hin, dass möglichst rasch und noch vor 2020 zusätzliche Massnahmen ergriffen werden müssen. Neben verstärkter Energieeffizienz könnte insbesondere der Abbau von Subventionen für fossile Energieträger einen massgeblichen Beitrag leisten.

Die 19. Vertragsparteienkonferenz in Warschau, Polen, im November hat erwartungsgemäss nur bescheidene Ergebnisse hervorgebracht. Zwei Jahre vor der Klimakonferenz in Paris, an welcher ein neues und umfassendes Klimaabkommen beschlossen werden soll, hielten sich in Warschau viele Staaten aus verhandlungstaktischen Gründen mit Zusagen zurück. Entsprechend konnten sich die Vertragsparteien nicht darauf einigen, dass alle Länder jetzt mit der Erarbeitung ihrer Reduktionsverpflichtungen für die Zeit nach 2020 beginnen sollen. Punktuelle Erfolge gab es dagegen in der Umsetzung des Klimaregimes bis 2020, so etwa im Waldbereich.

Weiter sprachen sich die Vertragsparteien dafür aus, dass der Globale Klimafonds (Green Climate Fund), der Entwicklungsländer bei der Bewältigung des Klimawandels unterstützen soll, Ende 2014 zum ersten Mal substanziell kapitalisiert wird.

Keine Fortschritte gab es bei den Verhandlungen über neue Marktmechanismen sowie über die Emissionen der Landwirtschaft.

Zusammen mit einer Reihe von Industriestaaten hatte die Schweiz an der Klimakonferenz 2012 rechtlich verbindliche Reduktionsverpflichtungen (um 20 Prozent bis 2020 gegenüber 1990) unter einer zweiten Kyoto-Periode (2013­2020) akzeptiert.

Die Ratifikation dieser Verpflichtungen soll in der Schweiz 2014 beginnen. In der EU dürfte der Ratifikationsprozess frühestens 2015 beendet sein.

5.6

Wettbewerbsrecht

Die Schweiz unterzeichnete im Mai mit der EU ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Wettbewerb, welches eine wirksamere Umsetzung des Wettbewerbsrechts ermöglichen wird. Das Abkommen befindet sich im Ratifikationsverfahren vor dem Parlament. Ermöglicht wurde dieses Abkommen dank der Äquivalenz insbesondere des Wettbewerbsrechts der Schweiz und der EU.

Es erlaubt den Wettbewerbsbehörden, ihre Vollzugsmassnahmen zu koordinieren und Informationen auszutauschen, wenn Untersuchungen miteinander verbunden sind und in beiden Parteien laufen. Diese Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und ihrem wichtigsten Handelspartner entspricht dem Trend zur Entwicklung internationaler Kooperationen im Wettbewerbsbereich, der in internationalen Gremien seit einigen Jahren zu beobachten ist.

Infolge der Globalisierung und der stärkeren Verflechtung der Volkswirtschaften müssen die nationalen Wettbewerbsbehörden immer häufiger auch international zusammenarbeiten. Die wachsende Anzahl grenzübergreifender Absprachen zeigt dies.

1264

Die Schweiz und die EU unterzeichneten im Mai ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Wettbewerb103. Dank dieses Abkommens können die Wettbewerbsbehörden künftig ihre Vollzugsmassnahmen koordinieren und gegenseitig Beweismittel austauschen. Die Schwierigkeit beim Abschluss eines solchen Abkommens lag vor allem darin, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Anliegen zu finden, um einerseits eine wirksame Umsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Vollzugsbehörden sicherzustellen und anderseits die Rechte der Parteien im Rahmen eines Verfahrens angemessen zu schützen. Da in der Schweiz das Kartellgesetz, gleich wie das EU-Recht, auch auf wettbewerbswidrige Verhaltensweisen mit Ursprung im Ausland angewendet werden kann, sofern sich diese auf das Schweizer Hoheitsgebiet auswirken, muss die Wettbewerbskommission (WEKO) über Instrumente verfügen, die ihr die Beschaffung entsprechender Beweismitteln ermöglichen. Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU (in der Praxis zwischen der WEKO und der Europäischen Kommission) im Rahmen dieses Abkommens ergibt sich aus der Nähe und der Verflechtung der Märkte der beiden Parteien und war möglich, da die Äquivalenz der Gesetzgebungen der beiden Parteien anerkannt wurde - sowohl was das Wettbewerbsrecht als auch was den Datenschutz und die Verfahrensrechte anbelangt. Von dieser internationalen Zusammenarbeit profitieren vorab die Unternehmen, die sich korrekt verhalten, sowie die Konsumentinnen und Konsumenten.

Dank dieser internationalen Zusammenarbeit sollen nicht nur grenzübergreifende wettbewerbswidrige Verhaltensweisen bekämpft, sondern es soll auch verhindert werden, dass solche Verhaltensweisen die Regeln der Handelsliberalisierung einschränken oder zu Nichte machen. Die FHA der Schweiz mit Partnern ausserhalb der EU sowie die Stockholmer Konvention, mit welcher die EFTA geschaffen wurde, enthalten zu diesem Zweck ebenfalls Bestimmungen zur Zusammenarbeit in Wettbewerbsbelangen. Diese sind allerdings weniger weit entwickelt als die dank der oben erwähnten Äquivalenz der Gesetzgebungen im Abkommen mit der EU festgelegten Bestimmungen. Im Berichtsjahr hat die Schweiz drei FHA abgeschlossen, die entsprechende Regeln für die Zusammenarbeit enthalten (mit Bosnien und Herzegowina, Costa Rica und Panama sowie mit China; vgl. Ziff. 4.2).

Auch in
internationalen Gremien wird die Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich regelmässig diskutiert. Der Wettbewerbsausschuss der OECD befasst sich zurzeit mit einer allfälligen Revision der Empfehlung von 1995104 für die internationale Zusammenarbeit. Im Hinblick auf eine stärkere internationale Annäherung der Wettbewerbspolitiken ist die Evaluation der Kandidaten für einen Beitritt zur OECD sehr wichtig (momentan: Russland und Kolumbien; in nächster Zeit: Costa Rica, Lettland und Litauen; vgl. Ziff. 2.2.1), insofern als diese Volkswirtschaften dadurch zur Übernahme der Standards der Mitgliedsländer ermuntert werden. Die Agenden der internationalen Gremien (OECD, UNCTAD und International Competition Network) verdeutlichen, dass die Bekämpfung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen angesichts der Globalisierung nicht mehr an den Landesgrenzen aufhört. Die Untersuchungen dieser Verhaltensweisen werden immer komplexer und bedürfen 103

Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union über die Zusammenarbeit bei der Anwendung ihres Wettbewerbsrechts; vgl. Botschaft vom 22. Mai 2013 (BBl 2013 3959) 104 Empfehlung des OECD-Rats von 1995 zur Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die den internationalen Handel beeinträchtigen; vgl. http://acts.oecd.org (Referenz: C(95)130/FINAL)

1265

der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden. Ausserdem stellt sich zunehmend die Frage einer Annäherung der nationalen Gesetzgebungen.

5.7

Öffentliches Beschaffungswesen

Das revidierte WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen vom 30. März 2012 (GPA) soll im Frühling 2014 in Kraft treten. Die Schweiz kann dem revidierten GPA erst beitreten, wenn sie ihre Beschaffungsgesetzgebungen auf Stufe Bund und Kantone angepasst hat. Diese Voraussetzung ist für die Hinterlegung ihrer Ratifikationsinstrumente bei der WTO unabdingbar.

Bis dahin gilt für die Schweiz das GPA vom 15. April 1994105.

Bisher haben Liechtenstein, Norwegen, Kanada, chinesisches Taipei, die USA, die EU und Hong Kong ihre Instrumente zur Annahme des Protokolls zum revidierten Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen beim Generaldirektor der WTO hinterlegt. An der Tagung des WTO-Ausschusses über das Beschaffungswesen vom 3. Dezember in Bali stellten die Minister fest, dass die Bedingung der Ratifikation durch zwei Drittel der GPA-Mitglieder bald erfüllt sein und somit das revidierte Übereinkommen spätestens am 31. März 2014 in Kraft treten wird. Für jene Länder welche noch nicht ratifiziert haben, darunter die Schweiz, gelten weiterhin die Verpflichtungen des GPA von 1994.

Die Schweiz trieb mit einer von Vertretern des Bundes und der Kantone zusammengesetzten Expertengruppe die Erarbeitung eines harmonisierten Ansatzes für die Anpassung der Gesetzgebungen von Bund und Kantonen voran. Im Berichtsjahr verabschiedete die Expertengruppe in wesentlichen Punkten Lösungen und schloss die Arbeiten ab. Die Botschaft über die Revisionsverhandlungen des GPA soll mit jener über das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen106 in der zweiten Hälfte 2014 in den Vernehmlassungsprozess gegeben werden. Somit kann die Schweiz eine Ratifizierung des revidierten GPA ab 2015 ins Auge fassen.

Im Berichtsjahr befassten sich die GPA-Mitgliedstaaten schwerpunktmässig mit den Beitritten von China, Jordanien, Moldawien, Montenegro, Neuseeland und der Ukraine. China unterbreitete zwei revidierte Offerten. Diese werden für einen Beitritt weiterhin als unzureichend betrachtet und die Mitgliedstaaten prüfen, wie der Geltungsbereich der künftigen Verpflichtungen Chinas verbessert werden kann. Die weitere Prüfung aller Beitrittskandidaturen wird 2014 im Zentrum der Arbeiten des Ausschusses über das öffentliche Beschaffungswesen stehen.

105 106

SR 0.632.231.422 SR 172.056.1

1266

5.8

Schutz des geistigen Eigentums

Im Berichtsjahr wurde in der Weltorganisation für geistiges Eigentum das Marrakesch-Abkommen für einen erleichterten Zugang zu Werken der Literatur und Kunst für Menschen mit Lesebehinderungen abgeschlossen. Auf bilateraler Ebene bildeten die Arbeiten im Rahmen von Verhandlungen über FHA einen Schwerpunkt. Das mit China abgeschlossene Abkommen enthält ein substanzielles Kapitel zum Schutz des geistigen Eigentums, welches erheblich zur Verbesserung der Rechtssicherheit im bilateralen Handelsverkehr beitragen wird.

Mit Jamaika wurde ein bilaterales Abkommen zum Schutz geografischer Angaben abgeschlossen. Damit setzt die Schweiz ihre Strategie fort, den Handel mit Schweizer Qualitätsprodukten, deren Ruf oder Eigenschaften mit ihrem geografischem Ursprung zusammenhängen, zu unterstützen und dieses wichtige Marketinginstrument vor missbräuchlicher Verwendung in Exportmärkten zu schützen.

5.8.1

Schutz des geistigen Eigentums in internationalen Organisationen

Ein Jahr nach Abschluss des Beijing-Abkommens über audiovisuelle Darbietungen erzielte die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) mit dem im Juni an einer diplomatischen Konferenz in Marrakesch erfolgten Abschluss des Vertrags von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs zu veröffentlichten Werken für Menschen mit Seh- oder anderen Lesebehinderungen einen weiteren Erfolg. Die Schweiz spielte eine bedeutende Rolle bei den Verhandlungen und gehört zusammen mit vielen Entwicklungsländern zu den ersten Unterzeichnerstaaten. Dieses Ergebnis ist vielversprechend für die anderen laufenden WIPO-Verhandlungen, welche bald zum Abschluss weiterer Übereinkommen in den Bereichen Design und Urheberrechte (Rundfunk107) sowie im Rahmen der Tätigkeiten des Zwischenstaatlichen Komitees für Geistiges Eigentum und genetische Ressourcen, traditionelles Wissen und Folklore führen sollen108.

In der WTO engagierte sich die Schweiz im Berichtsjahr, neben den regulären Umsetzungsarbeiten des TRIPS-Abkommens109, weiter aktiv als Mitglied einer Gruppe von Staaten, welche sich für einen besseren Schutz der geografischen Angaben einsetzen. Im Rahmen einer möglichen Wiederaufnahme von Arbeiten aus der Doha-Runde nach der Ministerkonferenz in Bali im Dezember (vgl. Ziff. 2.1.2) soll auch dieses Anliegen einen Platz auf der Arbeitsagenda finden. Der Bundesrat bestätigte im Berichtsjahr die Strategie für einen griffigen und konsequenten Schutz geografischer Angaben in seiner Stellungnahme zur Motion 12.3642 zur Regelung der Verwendung geografischer Herkunftsbezeichnungen in internationalen Verträgen (vgl. Ziff. 5.8.2 zum Abschluss des Abkommens mit Jamaika zum Schutz von 107

Hintergrundinformation zum Arbeitsplan der WIPO für ein Abkommen zum Schutz der Sendeunternehmen: www.wipo.int/pressroom/en/briefs/broadcasting.html.

108 Zum Themenkomplex des Schutzes genetischer Ressourcen, traditionellen Wissens und kultureller Ausdrucksformen: www.wipo.int/pressroom/en/briefs/tk_ip.html.

109 WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum, SR 0.632.20, Anhang 1C.

1267

geografischen Angaben). Die auf nationaler Ebene vom Parlament verabschiedete «Swissness»-Vorlage verbessert die Rechtssicherheit und ist damit auch eine wichtige Basis für die Schweizer Bemühungen zum besseren Schutz geografischer Angaben auf internationaler Ebene.

Die 66. Weltgesundheitsversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschloss im Mai, am WHO-Sekretariat ein globales Forschungs- und Entwicklungsobservatorium im Bereich von Forschung und Entwicklung für Arzneimittel gegen Krankheiten einzurichten, die primär die ärmsten Bevölkerungsschichten betreffen. Da die Frage der zusätzlichen Finanzmittel für Forschung in diesem Bereich noch nicht gelöst werden konnte, wurde beschlossen, dass einige ausgewählte Pilotprojekte initiiert werden, um anhand der erzielten Resultate passende Forschungs-und Finanzierungsmodelle festzulegen.

5.8.2

Schutz des geistigen Eigentums auf bilateraler Ebene

In FHA mit Drittstaaten (vgl. Ziff. 4) ist der Schutz des geistigen Eigentums angesichts der Interessen der innovativen Schweizer Export- und Forschungswirtschaft ein wichtiges Anliegen und Bestandteil der bundesrätlichen Strategie im Rahmen der schweizerischen Aussenpolitik110. Im FHA mit China (vgl. Ziff. 4.2) handelte die Schweiz ein substanzielles Kapitel zum Schutz des geistigen Eigentums aus. Das Ergebnis darf als Erfolg gewertet werden, trägt es doch erheblich zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei und stellt für beide Parteien einen beachtlichen Mehrwert gegenüber dem Mindestschutzstandard der WTO dar.

Der Dialog mit Drittstaaten im Bereich geistiges Eigentum ist in den letzten Jahren anspruchsvoller geworden und hat gerade deshalb an Bedeutung gewonnen. Insbesondere in gewissen Schwellenländern ist eine Tendenz zur Schwächung des Schutzes des geistigen Eigentums festzustellen, mit dem Versuch, der heimischen Industrie Konkurrenzvorteile zu verschaffen, obwohl dies einem innovations- und investitionsfreundlichen Umfeld abträglich ist.

Im Rahmen des bilateralen Dialogs zum Schutz des geistigen Eigentums mit China führte das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) im März in Beijing zum sechsten Mal ein Arbeitsgruppentreffen durch. Dabei wurde auch ein runder Tisch abgehalten, an dem die Vertreter der Schweizer Industrie ihre Anliegen im Bereich Schutz des geistigen Eigentums direkt mit Vertretern der chinesischen Regierung diskutierten. Zudem empfing das IGE den stellvertretenden Direktor des chinesischen Patentamtes (State Intellectual Property Office; SIPO) in Bern für ein erstes offizielles Treffen auf Amtsebene im Rahmen des zwischen IGE und SIPO unterzeichneten Memorandum of Understanding. Ein erstes Treffen fand zudem im Rahmen des Memorandum of Understanding im Bereich Uhren statt, welches parallel zum FHA mit China unterzeichnet worden war. An diesem Treffen standen Fragen Chinas zum Thema «Swissness» im Vordergrund.

Am 23. September unterzeichneten die Schweiz und Jamaika in Genf ein Abkommen über den Schutz ihrer geografischen Angaben (vgl. Ziff. 10.2.2). Diese Vereinbarung folgt auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern im Rahmen eines Projekts für technische Zusammenarbeit. Das Abkommen umfasst 110

Vgl. Ziff. 5.8.1 im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2012, BBl 2013 1257

1268

hohe Schutzstandards und stellt somit einen erheblichen Fortschritt gegenüber dem aktuellen multilateralen Schutzniveau dar. Ferner trägt es zur Erweiterung des Netzes der Schweiz von bilateralen Abkommen zum Schutz der geografischen Angaben bei.

In der technischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des geistigen Eigentums laufen zurzeit Projekte mit Indonesien, Kolumbien und Tadschikistan. Das mit Bangladesch vorgesehene Projekt konnte wegen der ausstehenden Projektgenehmigung durch das Partnerland noch nicht gestartet werden. Aufgrund der inneren politischen Spannungen bleibt auch die Projektplanung mit Ägypten vorläufig blockiert. Projekte mit Laos, Ghana und Serbien wurden im Laufe des Berichtsjahrs erfolgreich abgeschlossen. Mit Ghana und Serbien ist eine zweite Projektphase in Planung.

Beispiele für die in diesen massgeschneiderten Projekten durchgeführten Aktivitäten sind die Erarbeitung einer Politikstrategie im Bereich des geistigen Eigentums, die Verbesserung des Schutzes von geografischen Angaben, die Ausarbeitung von Schutzmechanismen für traditionelles Wissen von indigenen und lokalen Gemeinschaften sowie Effizienzverbesserungen im Patentverfahren. Mit diesen Aktivitäten leistet die Schweiz einen Beitrag zur sozio-wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerstaaten. Dabei soll das Investitionsklima gefördert sowie den Partnerstaaten die Entwicklung von Sektoren und der Zugang zu Märkten mit höherem Innovationsniveau erleichtert werden.

6

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit Im Berichtsjahr begann die Umsetzung der Massnahmen, welche im Rahmen der Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2013­2016 und der entsprechenden Rahmenkredite von rund 11,35 Milliarden Schweizerfranken im Jahr 2012 beschlossen wurden. Erste Resultate zeigen, dass der eingeschlagene Weg zielführend ist.

Der Beginn des internationalen Dialogs um die «post-2015-Agenda» und die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung sowie die peer review der Schweiz durch den OECD-Entwicklungsausschuss waren weitere wichtige Ereignisse für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Im multilateralen Bereich wurde die Wiederauffüllung des Entwicklungsfonds der Weltbank für die ärmsten Länder sowie der Entwicklungsfonds der Afrikanischen Entwicklungsbank ausgehandelt.

Im Berichtsjahr hatten unter anderem folgende drei Themen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit eine herausragende Bedeutung: die Entwicklung integrierter städtischer Infrastruktur, der systematisierte Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten und die Stärkung der unabhängigen staatlichen Finanzkontrollbehörden. Diese Themen werden weiterhin eine prioritäre Aufgabe in unseren Partnerländern darstellen.

1269

6.1

Impulse für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit

6.1.1

Agenda für eine nachhaltige Entwicklung nach 2015

Über zehn Jahre prägten die Milleniumsentwicklungsziele (MDG) den Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Bereits ist klar, dass bis 2015 grosse Fortschritte zum Beispiel bei der Halbierung der extremen Armut, des Zugangs zu Trinkwasser und der Bekämpfung von Malaria und Tuberkulose erzielt werden. Am wenigsten Fortschritte verzeichnen die sogenannt fragilen Staaten. Konsultationen für eine Nachfolgelösung der MDG haben bereits begonnen. Parallel dazu wurde an der Rio+20 Konferenz entschieden, Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu definieren. Die Schweiz teilt mit Frankreich und Deutschland einen der dreissig Sitze der offenen Arbeitsgruppe, welche dazu im Berichtsjahr eingesetzt wurde und bis September 2014 Vorschläge unterbreiten soll. Die Schweiz erarbeitete im Rahmen einer interdepartementalen Arbeitsgruppe eine vorläufige Position zur Agenda für eine nachhaltige Entwicklung nach 2015. Diese sieht vor, dass sich die Schweiz für einen umfassenden globalen Orientierungsrahmen nach 2015 einsetzt, mit Gültigkeit für alle Länder und mit dem übergeordneten Ziel der Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung und der Beseitigung extremer Armut unter Berücksichtigung der Belastungsgrenzen der Erde, der Förderung von Frieden und Sicherheit sowie der Erfüllung menschenrechtlicher Verpflichtungen. Als vorläufige thematische Schwerpunkte wurden Wasser, Gesundheit, Geschlechtergleichstellung, Frieden, Sicherheit, Verringerung des Katastrophenrisikos, nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion sowie Migration festgelegt.

6.1.2

Peer Review der Schweiz durch den OECD-Entwicklungsausschuss

Im Berichtsjahr war die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit Gegenstand einer peer review des Entwicklungsausschusses der OECD. Diese findet ungefähr alle vier Jahre statt und dient dem Austausch guter Praktiken in der Entwicklungszusammenarbeit. Damit sollen die Mitgliedsländer des Entwicklungsausschusses unterstützt werden, ihre Entwicklungsstrategie zu verbessern und die Wirksamkeit ihres Engagements zu erhöhen. Neben einem Besuch des OECD-Sekretariats in Bern wurden die Aktivitäten der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Kirgisistan und in Burkina Faso untersucht. Die Ergebnisse der peer review werden voraussichtlich Anfang 2014 veröffentlicht. Bereits steht fest, dass die Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2013­2016, welche eine übergeordnete Strategie für alle Pfeiler der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit beinhaltet, als grosser Fortschritt seit der letzten peer review 2009 gewertet wird. Zudem wurde positiv vermerkt, dass die Schweiz die Mittel ihrer Entwicklungszusammenarbeit bis 2015 auf 0.5 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigern will.

Zu den Entwicklungen und Ereignissen im Zusammenhang mit dem EU-Erweiterungsbeitrag siehe Ziffer 3.5.

1270

6.1.3

Umsetzung und Rechenschaftsablegung der in der Botschaft enthaltenen Massnahmen

Die Botschaft über die internationale Entwicklungszusammenarbeit 2013­2016111 trat am 1. Januar in Kraft. Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz hat ein grosses Interesse, den Ansprüchen an Erzielung von Wirkung, Transparenz und Resultatemessung gerecht zu werden. Der Öffentlichkeit, dem Parlament sowie verschiedenen Projektpartnern soll anhand konkreter Resultate aufgezeigt werden, wie die Schweiz Entwicklungs- und Schwellenländer mit ihren wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen unterstützt.

Die Botschaft 2013­16 definiert die fünf Themenschwerpunkte der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz. Am Ende der Botschaftsperiode wird das SECO entlang der pro Themenschwerpunkt definierten Ziele sowie festgelegter Beobachtungsfelder und Indikatoren Rechenschaft ablegen. Projektresultate werden durch regelmässig durchgeführte unabhängige und externe Evaluationen sowie durch ein internes Projektmonitoringsystem erfasst.

Bei zwei Themenschwerpunkten können bereits heute erste Resultate aufgezeigt werden. Im Bereich «Nachhaltigen Handel fördern» unterstützt die Schweiz ihre Partnerländer in der Entwicklung eines nichtdiskriminierenden und freien Zugangs zu den Märkten im Waren-, Dienstleistungs- und Rohstoffbereich. Dies verbessert die globale Arbeitsteilung, schafft Arbeitsplätze und leistet einen Beitrag zur Armutsreduktion und zur Schonung natürlicher Ressourcen. Eine im Berichtsjahr durchgeführte umfangreiche externe Evaluation zeigt, dass die Projekte in Peru und Vietnam die Wettbewerbsfähigkeit von KMU erhöht haben. Dank technischer Unterstützung sind diese nun konform mit freiwilligen Sozial- und Umweltstandards sowie mit internationalen Normen, was sich positiv auf Produktion und Absatzmöglichkeiten auswirkt. Innerhalb von vier Jahren erreichten über 6 000 Produzenten die Einhaltung von Fairtrade- und Biostandards. Rund 7 500 Produzenten exportieren neu direkt oder indirekt in internationale Märkte. Dank verbesserter Produktivität und Konkurrenzfähigkeit wurden in der gleichen Periode in den betroffenen KMU mehr als 5 000 Arbeitsplätze geschaffen.

Unter dem Themenschwerpunkt «Privatsektor und Unternehmertum unterstützen» fördert die Schweiz in Partnerländern ein dynamisches und starkes Unternehmertum.

Dank einer externen Evaluation liegen auch hier erste Resultate
vor, wobei die SIFEM AG (Swiss Investment for Emerging Markets), die 2011 ausgelagerte Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft (zu 100 % in Bundesbesitz), untersucht wurde.

Diese ermöglicht KMU Zugang zu Eigenkapital und Krediten mit dem Ziel, zusätzliche Privatinvestitionen zu generieren. Bei der Vergabe werden soziale wie auch umweltrelevante Aspekte mitberücksichtigt. Innerhalb von acht Jahren trug SIFEM nachweislich zur Schaffung von 46 000 Arbeitsplätzen sowie zum Erhalt von weiteren 202 000 Arbeitsplätzen bei.

Neben themenspezifischen Evaluationen weist das SECO die Erfolgsquote der Projekte in einem jährlich verfassten Bericht zur Wirksamkeit der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit aus. Die Erfolgsquote 2012 lag bei 76,2 Prozent, was auch im Vergleich mit anderen Entwicklungsagenturen und multilateralen Organisationen ein solides Resultat darstellt. Sowohl der Wirksamkeitsbericht als auch externe Evaluationen helfen, Optimierungspotenzial aufzuzeigen. Beispielsweise haben 111

BBl 2012 2485

1271

einzelne Berichte gezeigt, dass die Effizienz des Projektmanagements mit einer systematischeren Projektsteuerung und -überwachung weiter gestärkt werden könnte. Diesen Empfehlungen hat die 2012 begonnene Reorganisation des Leistungsbereichs Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Rechnung getragen.

6.2

Die Zusammenarbeit der Schweiz mit den multilateralen Entwicklungsbanken

6.2.1

Weltbankgruppe

Unter ihrem neuen Präsidenten Jim Yong Kim entwickelte die Weltbank im Berichtsjahr eine neue Strategie. Es ist das Ziel, die Armut bis 2030 substanziell zu reduzieren und einen gesellschaftlich ausgewogenen Wohlstand zu fördern. Mit der neuen Strategie trägt die Weltbankgruppe dem veränderten globalen Umfeld und den spezifischen Bedürfnissen ihrer Mitgliedländer Rechnung. Die Weltbankgruppe kann sich bei der Umsetzung der Strategie auf ihre anerkannten Stärken, namentlich die globale Ausrichtung, starke Länderpräsenz, operationelle Erfahrung in Kernbereichen der Entwicklungszusammenarbeit und breit abgestützte Legitimation stützen. Die Entwicklung einer neuen Finanzierungsstrategie, welche das langfristige Engagement der Weltbank sicherstellen soll, ist Teil des Strategieprozesses.

Die Schweiz, welche in den Bretton-Woods-Institutionen eine Stimmrechtsgruppe leitet, begrüsst die neue Strategie der Weltbankgruppe und deren Ziele. In den Leitungsgremien forderte die Schweiz, dass die Weltbank ihre globale Präsenz und universelle Mitgliedschaft für die Berücksichtigung der entwicklungsrelevanten Anliegen aller Länder nutzt. Bei der Projektauswahl ist ein selektives und lösungsorientiertes Vorgehen wichtig, um eine effiziente und erfolgreiche Umsetzung der neuen Strategie zu gewährleisten. Die Schweiz unterstützt auch die Absicht, Synergien innerhalb der Weltbankgruppe und mit externen Akteuren effizienter zu nutzen, um die Wirksamkeit ihrer Aktivitäten zu erhöhen. In dieser Hinsicht begrüsst die Schweiz insbesondere den Ausbau der Partnerschaften mit dem Privatsektor sowie mit bi- und multilateralen Entwicklungsakteuren wie zum Beispiel den UN-Organisationen.

Parallel zur Strategieentwicklung der Weltbankgruppe fand die 17. Wiederauffüllungsverhandlung der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA112), dem Entwicklungsfonds der Weltbank, statt. Der Fonds gewährt den 82 ärmsten Ländern der Welt konzessionelle Kredite und Zuschüsse und spielt damit eine Schlüsselrolle bei der weltweiten Armutsbekämpfung. Die Schweiz hat sich bei den Wiederauffüllungsverhandlungen besonders dafür eingesetzt, dass umweltrelevante Aspekte bei der Vergabe von Krediten künftig verstärkt berücksichtigt werden. Zudem misst die Schweiz der Wirksamkeit künftiger Interventionen und deren Messung, dem verstärkten Engagement
in fragilen Staaten und der Geschlechtergleichstellung besondere Bedeutung bei. Mit ihrer Unterstützung bekräftigt die Schweiz, dass sie die IDA nach wie vor als Schlüsselakteur für die Reduktion der Armut anerkennt. Auch unterstreicht sie damit die Bedeutung ihres Engagements in den Leitungsgremien des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.

112

International Development Association

1272

6.2.2

Regionale Entwicklungsbanken

Die afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) verabschiedete im Berichtsjahr die Langzeitstrategie der Institution (2013­2022). Ziele der Strategie sind eine gesellschaftlich ausgeglichene Wohlstandsentwicklung und die Förderung umweltfreundlichen Wachstums. Die Schweiz unterstützt diese Strategie. Im Berichtsjahr fanden zudem die Wiederauffüllungsverhandlungen des afrikanischen Entwicklungsfonds statt, welcher die ärmsten afrikanischen Staaten mit Projekten in den Bereichen Infrastruktur, Privatsektorförderung, Gouvernanz und regionale Integration unterstützt. Die Schweiz stärkte ihre Position innerhalb der AfDB, womit sie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung auf dem Kontinent und der Bedeutung der Bank Rechnung tragen will.

Bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, wo die Schweiz ebenfalls eine Stimmrechtsgruppe leitet, stand im Berichtsjahr die konkrete Umsetzung der Ausweitung ihres Tätigkeitsgebietes auf die Staaten Nordafrikas im Zentrum der Aufmerksamkeit. Tunesien, Marokko und Jordanien wurden definitiv als neue Operationsländer aufgenommen, bei Ägypten waren die Voraussetzungen dazu noch nicht gegeben. Neben den strategischen und operativen Arbeiten engagierte sich die Schweiz auch in der Vorbereitung der Gouvernanzreform der Bank, um ihre Position innerhalb der Bank zu halten.

Die interamerikanische Entwicklungsbank beschäftigte sich mit der Reform ihrer Engagements zugunsten des Privatsektors, welches die Schweiz aufgrund der hohen entwicklungspolitischen Priorität dieses Sektors mit besonderer Aufmerksamkeit begleitete. Bei der asiatischen Entwicklungsbank waren die Arbeiten für die Midterm-Review der Strategie 2020 im Mittelpunkt, wobei besonders der regionale Einfluss der Institution Gegenstand der Diskussionen bildete.

6.3

Stadtentwicklung: Herausforderung und Chance

6.3.1

Urbanisierung im Fokus der Entwicklungszusammenarbeit

Erstmals leben weltweit über 50 Prozent der Bevölkerung in Städten. Dieser Anteil wird sich in den nächsten dreissig Jahren deutlich erhöhen. Das Wachstum verlagerte sich von den grossen Metropolen in die mittelgrossen Städte und schreitet insbesondere in Entwicklungsländern schnell voran. Derselbe Trend zeigt sich ­ wenn auch weniger schnell ­ in Schwellenländern.

Über 80 Prozent des weltweiten Bruttonationaleinkommens entsteht in Städten.

Damit sind Städte die Motoren der regionalen und nationalen wirtschaftlichen Entwicklung. Gleichzeitig hinterlassen sie einen grossen ökologischen Fussabdruck: ungefähr 70 Prozent der globalen CO2-Emissionen stammen aus urbanen Gebieten.

Zudem wohnen rund eine Milliarde Menschen in Slums und teilweise prekären und menschenunwürdigen Bedingungen.

Um die wachsende urbane Bevölkerung mit Wohnraum, Verkehr, Trinkwasser, Energie, Abwasser- und Abfallentsorgung und Grünflächen zu versorgen sowie den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sicherzustellen, müssen Städte enorme Investitionen in ihre Infrastrukturen tätigen. Die Herausforderung ist gross: 1273

In einem Zeitraum von etwa zwanzig Jahren müssen Hunderte finanzschwache, rasch wachsende Städte in Entwicklungsländern Probleme bewältigen, für die Städte wie New York oder London 100 bis 150 Jahre benötigten. Diese Herausforderung ist aber auch eine Chance: Werden diese Investitionen in nachhaltige und insbesondere klimafreundliche Bahnen geleitet, öffnet sich ein enormes Potenzial für die nachhaltige wirtschaftliche und menschliche Entwicklung. Nachhaltigkeitsziele in den genannten Bereichen sowie bezüglich Klimawandel, Migration, Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung sind nicht zu erreichen, ohne die Entwicklung der Städte gezielt anzugehen.

Vor diesem Hintergrund stehen Städte heute im Fokus der entwicklungspolitischen Diskussion, da sie als Entwicklungsmotoren einen wichtigen Beitrag zur Armutsreduktion leisten können. Nur wenn Infrastrukturdienstleistungen verlässlich sowie in genügender Menge und Qualität für die ganze Bevölkerung angeboten werden, sind nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Armutsreduktion und die Verminderung von Disparitäten möglich. Solche Infrastrukturen sind zudem eine zwingende Voraussetzung für die ressourcenschonende Produktion und damit ein entscheidender Faktor im Kampf gegen den Klimawandel und gegen weitere Umweltbeeinträchtigungen.

Weiter sind funktionierende, prosperierende Städte für die politische und wirtschaftliche Stabilität eines Landes von zentraler Bedeutung.

6.3.2

Beitrag der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz

Stadtentwicklung und insbesondere der Ausbau städtischer Infrastrukturen muss integriert und systematisch angegangen werden. Wesentliche Lücken, welche es insbesondere in Entwicklungsländern zu schliessen gilt, sind (i) nicht funktionierende Grundstückmärkte, zum Beispiel wegen fehlender oder nicht handlungsfähiger Institutionen, (ii) mangelhafte fachliche und finanzielle Kapazitäten städtischer Regierungen und Verwaltungen, (iii) mangelhafte Datengrundlagen für die Stadtplanung sowie für nationale und internationale Vergleiche, zum Beispiel bezüglich Bevölkerung, Mobilität und Energieverbrauch, (iv) mangelhafte, kurzfristig ausgerichtete und nicht genügend transparente Planungsprozesse und -instrumente ohne Beteiligung der betroffenen Interessengruppen sowie (v) ungenügender Zugang zu geeigneten Finanzierungen.

Die Schweiz leistet mit ihrem Programm «Integrierte städtische Infrastrukturentwicklung» einen exemplarischen Beitrag zur Schliessung solcher Lücken. Dies geschieht im Rahmen von Partnerschaften mit regional und global tätigen Institutionen, die bereits mehrjährige Erfahrung in diesem Bereich haben. Zudem arbeitet das Programm im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeitsprogramme in seinen Schwerpunktländern direkt mit Partnerstädten, wie zum Beispiel mit der Stadt Chiclayo in Peru, zusammen.

Im Berichtsjahr strukturierte und formalisierte die Schweiz ihre Beteiligung an den Partnerschaften (i) Cities Development Initiative for Asia mit der Asiatischen Entwicklungsbank und verschiedenen bilateralen Entwicklungsagenturen, (ii) Emerging Sustainable Cities Initiative mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank sowie (iii) die SECO­Weltbank Partnerschaft zu nachhaltiger Urbanisierung. Die Schweiz nimmt Einsitz in die strategischen Führungsorgane dieser Partnerschaften und stellt sicher, dass die Schwerpunktländer ihrer wirtschaftlichen Entwicklungszusammen1274

arbeit möglichst von den verschiedenen Aktivitäten profitieren können. Aus diesen regionalen und globalen Programmen entstanden erste Impulse für bilaterale integrierte Infrastrukturprojekte. Entsprechend sind zurzeit Stadtentwicklungsprojekte in der Ukraine und in Tadschikistan in Planung. In der Ukraine erarbeitet die Stadt Vinnitsa mit Unterstützung der Schweiz eine integrierte Stadtentwicklungsstrategie mit Fokus auf die urbane Mobilität. In Tadschikistan wird Khujand bei der Integration bestehender Sektorpläne in einen umfassenden Masterplan unterstützt.

Weiter nahm die Schweiz das Thema der nachhaltigen Städte und städtischen Infrastruktur in ihre vorläufige Position zur post-2015-Entwicklungsagenda auf.

6.4

Integration in nachhaltige Wertschöpfungsketten

6.4.1

Herausforderungen und Chancen für Entwicklungsländer

Seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert haben sich Struktur und Charakter der internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen grundlegend geändert. Sinkende Transportkosten, abnehmende Zollschranken sowie vor allem die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien tragen dazu bei, dass in verschiedene Arbeitsschritte aufgeteilte Produktionsprozesse an verschiedenen Orten erfolgen können. Die daraus resultierenden globalisierten Wertschöpfungsketten sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor der internationalen Wirtschaft geworden und effiziente Lieferketten werden neben niedrigen Produktionskosten und Skaleneffekten immer wichtiger. Von den Wirtschaftsakteuren erfordert dies grosse Innovationsfähigkeit und Flexibilität, um sich in diesem äusserst kompetitiven Umfeld erfolgreich behaupten zu können.

Vor diesem Hintergrund bieten globale Wertschöpfungsketten für viele Staaten die Chance, Standortvorteile besser zu nutzen und die lokale Industrie und Zulieferbetriebe zu stärken. Die Voraussetzungen dafür sind einerseits das Vorhandensein international gefragter Ressourcen sowie eine gute Einbindung in internationale Verteilnetze und anderseits eine Handelspolitik, die einen effizienten Import und Export der Waren erlaubt. Gerade in Entwicklungsländern ist es ausserdem wichtig, dass zusätzlich geeignete Rahmenbedingungen für ausländische Direktinvestitionen geschaffen werden, da diese dazu beitragen, die Produktionsbasis zu erneuern und die Integration in die internationalen Märkte zu erleichtern. Zudem ist es zentral, Rahmenbedingungen für eine umweltverträgliche Produktion und Strukturen für einen nachhaltigen Handel zu schaffen. Aufgrund oftmals begrenzt vorhandener Ressourcen kann es jedoch für diese Länder herausfordernd sein, diesbezüglich nachhaltige Strategien und Massnahmen zu entwickeln und umzusetzen.

Viele Entwicklungsländer verfügen über grosse Produktionsvorteile im Bereich der agrarischen Rohstoffe wie zum Beispiel Kaffee, Kakao, Baumwolle oder Palmöl und sind dadurch oft bereits in globale Wertschöpfungsketten eingebunden. Diese Vorteile können besser genutzt werden, wenn die beschriebenen Herausforderungen überwunden werden sowie die Produktivität und Nachhaltigkeit gesteigert wird.

1275

6.4.2

Schweizer Unterstützung der Sustainable Trade Initiative IDH113

Die Integration von Partnerländern in globale Wertschöpfungsketten unterstützt die Schweiz mit Massnahmen zum Auf- und Ausbau einer zielgerichteten und nachhaltigen Handelspolitik sowie durch die direkte Zusammenarbeit mit multinationalen Unternehmen, die lokal investieren. Ziel ist es, gemeinsam die Wertschöpfungsketten von Kakao, Kaffee, Baumwolle, Soja und Palmöl nachhaltiger beziehungsweise umwelt- und sozialverträglicher zu gestalten sowie entsprechende Kapazitäten vor Ort aufzubauen. Dank technischer Unterstützung können die Bauern ihre Rohstoffe gemäss international anerkannter Nachhaltigkeitsstandards wie zum Beispiel Fair Trade, Bio, Better Cotton Initiative, Rainforest Alliance anbauen. Dadurch werden die Produktivität und das Einkommen der Bauern gesteigert. Multinationale Konzerne wiederum sind an langfristigen Partnerschaften interessiert, damit sie ihren Kunden eine nachhaltige Lieferkette garantieren können. Die Schweiz engagiert sich in diesem Bereich, weil sie weltweit einer der bedeutendsten Handelsplätze für nachwachsende Rohstoffe ist und Schweizer Unternehmen Pionierarbeit im Bereich der Nachhaltigkeit in Agrarlieferketten leisten. Dies ist kohärent mit den Nachhaltigkeitsbestimmungen in den FHA sowie der Schweizer Umwelt- und Menschenrechtspolitik.

Um die Unterstützung der Schweiz noch effizienter und effektiver zu gestalten, schloss das SECO im Berichtsjahr mit der Sustainable Trade Initiative IDH eine strategische Partnerschaft und stellte für die nächsten vier Jahre 30 Millionen Schweizerfranken zur Verfügung. Ziel dieser Stiftung ist es, die Produktionsbedingungen in den Rohstoffländern umwelt- und sozialverträglicher zu gestalten, damit die landwirtschaftlichen Rohstoffmärkte insgesamt nachhaltiger werden. Zu diesem Zweck bildet die IDH Partnerschaften mit multinationalen Unternehmen und mit Staaten, um mit der Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen entsprechende Projekte durchzuführen. Dabei verfolgt IDH den gleichen Programmansatz wie die Schweiz und nutzt die Anwendung von international anerkannten Nachhaltigkeitsstandards.

Ähnliche Partnerschaften der Schweiz sind auch für andere Bereiche vorgesehen, wie beim Abbau von Gold (Better Gold Initiative) oder bei der nachhaltigen Wiederverwertung von Mineralien aus elektronischem Abfall (Sustainable Electronics Initiative).

6.5

Stärkung der staatlichen Finanzkontrollbehörden

6.5.1

Relevanz der staatlichen Finanzkontrolle in der Entwicklungszusammenarbeit

Eine unabhängige staatliche Finanzkontrolle ist ein wichtiges Element in jeder öffentlichen Finanzverwaltung. Sie zwingt die Regierung zur Rechenschaftsablegung und schafft Transparenz, indem sie eine externe Überprüfung der öffentlichen Finanzen vornimmt. Sie informiert mit ihren Berichten das Parlament, die Regierung sowie die breite Öffentlichkeit über die Verwendung der öffentlichen Gelder.

113

Die Abkürzung kommt von der ursprünglich niederländischen Bezeichnung der Organisation «Initiatief Duurzame Handel».

1276

Finanzkontrollbehörden spielen somit auch eine grosse Rolle bei der Aufdeckung und Verhinderung von staatlicher Korruption.

Die Aufgabe der Finanzkontrolle ist auch in Entwicklungsländern sehr wichtig, um einen effizienten Einsatz der öffentlichen Finanzen sicherzustellen, da meist wenig finanzielle Mittel vorhanden sind. Die zentrale Rolle der staatlichen Finanzkontrollbehörden, auch in Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung, wurde von der UNO im Jahr 2011 anerkannt. Die Grundsätze für eine wirksame Entwicklungshilfe, welche in der Pariser Erklärung114 festgehalten sind, bekräftigen ebenfalls die Bedeutung von staatlichen Finanzkontrollen. Die Prinzipien sehen eine vermehrte Abstützung auf landeseigene Strukturen vor, indem beispielsweise die Finanzflüsse aus der Entwicklungszusammenarbeit ins staatliche Budget des Empfängerlandes integriert werden. Dadurch werden diese Mittel den landeseigenen Bestimmungen und Gesetzen bezüglich Berichterstattung und öffentliches Beschaffungswesen unterworfen, anstatt geberbestimmten Sonderregeln.

Die Geber sind an einer starken unabhängigen Finanzkontrollbehörde interessiert, da diese im Idealfall auch die Verwendung der Entwicklungsgelder in ihren Berichten dokumentiert. Letzteres ist aber meist nicht der Fall, da nur eine Minderheit der Entwicklungsprojekte über das staatliche Budget des Empfängerlandes in die Finanzplanung eingebunden ist. Somit wird die Finanzkontrolle des Empfängerlandes nur selten für die Prüfung von Entwicklungsprojekten herangezogen. Ein weiterer Grund dafür ist die oftmals geringe Kapazität der staatlichen Finanzkontrollbehörden, die kaum solche Zusatzaufgaben über ihr reguläres Mandat hinaus bewältigen können. Mangelnde Kapazitäten sind meist auf fehlendes technisches Fachwissen zurückzuführen. Ein weiteres Problem stellt oft auch die beschränkte politische Unabhängigkeit dar.

6.5.2

Schweizer Ansatz für die Stärkung der staatlichen Finanzkontrollbehörde

Die Unterstützung von Reformen der öffentlichen Finanzverwaltung in Partnerländern ist ein zentraler Teil der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz. Die Stärkung der staatlichen Finanzkontrollbehörden hat dabei eine hohe Priorität. Wie andere Geber engagagiert sich die Schweiz auf bi- und auf multilateraler Ebene.

Auf bilateraler Ebene genehmigte das SECO im Berichtsjahr technische Hilfe zur Stärkung der Finanzkontrollbehörde in Burkina Faso (Begleitmassnahme zur Budgethilfe). In Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission wurden zudem erste Schritte zur Unterstützung der vietnamesischen Finanzkontrollbehörde unternommen. Dank der Unterstützung der Schweiz wurde in Tadschikistan im Jahr 2012 eine externe Finanzkontrolle geschaffen, welche im Berichtsjahr operationell geworden ist.

Auf multilateraler Ebene sind die staatlichen Finanzkontrollbehörden in der Organisation INTOSAI115 vereint. Mit der Unterstützung von sechzehn bilateralen Gebern, darunter der Schweiz, wurde 2009 die INTOSAI-Donor Cooperation geschaffen, 114 115

OECD DAC 2005 International Organization of Supreme Audit Institutions

1277

welche mit ihrem Programm die Verbreitung der international anerkannten Auditstandards in Entwicklungsländern fördert. Dank der Koordination der Geber und von INTOSAI konnten 41 Finanzkontrollbehörden durch Geberinitiativen unterstützt werden. Weiter wurde im Rahmen dieser Zusammenarbeit eine Datenbank über die verschiedenen Entwicklungsprojekte in diesem Bereich errichtet. Im Rahmen des multilateralen Engagements in der INTOSAI-Donor Cooperation bringt das SECO aufgrund seiner langjährigen Erfahrung mit ähnlichen Initiativen seine Expertise bei der Setzung von Standards und in der Entwicklung von Analyseninstrumenten ein. Die Schweiz genehmigte im Berichtsjahr die Unterstützung eines Fonds für Kapazitätsentwicklung, woraus gezielte Massnahmen zur Stärkung der Finanzkontrollbehörden von INTOSAI-Mitgliedstaaten finanziert werden können. Er steht potenziell allen Entwicklungsländern offen, welche INTOSAI-Mitglied sind. Der Fonds soll durch die Weltbank verwaltet und erste Projekte sollen ab 2014 finanziert werden. Zudem setzt sich die Schweiz multilateral für ein verstärktes peer learning ein. Finanzkontrollbehörden schätzen den Wissensaustausch unter ihresgleichen oft als effektivste technische Unterstützung ein. Deshalb steht das SECO auch im regelmässigen Austausch mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle. Schliesslich nahm das SECO im Oktober am Treffen des Steuerungsausschusses der INTOSAIDonor Cooperation in Beijing teil. Der Steuerungsausschuss diskutierte die Fortschritte, welche im Berichtsjahr erzielt wurden sowie neue Entwicklungen und Herausforderungen der Gemeinschaft, wie etwa die Durchführung von externen staatlichen Audits im Rohstoffsektor. Das SECO wird sich weiterhin aktiv in die Diskussionen der INTOSAI-Donor Cooperation einbringen.

7

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen Die traditionell wichtigsten Exportmärkte der Schweiz, d.h. jene der Nachbarländer, stagnieren seit einiger Zeit. Es gilt deshalb, die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen weltweit zu verbessern, um unsere Beziehungen zu den aufstrebenden arabischen Golfstaaten sowie den Ländern Zentral- und Südostasiens zu stärken und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschliessen. Dabei müssen aber auch die Risiken im Auge behalten werden, welche aus grenzübergreifenden Produktionsketten und einer engen wirtschaftlichen Verflechtung entstehen. Die Schweiz verfolgt die Freihandelsgespräche zwischen ihren nach wie vor bedeutendsten Handelspartnern, der EU und den USA, aufmerksam, um auf mögliche Auswirkungen eines allfälligen transatlantischen Abkommens auf die heimische Wirtschaft reagieren zu können.

Die USA und die EU sind die wichtigsten Wirtschaftspartner der Schweiz. Auf sie entfallen 67 Prozent der Schweizer Exporte, 80 Prozent der Importe, 60 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen und 88 Prozent der Auslandinvestitionen in der Schweiz.116 Der Anteil des EU-/EFTA-Raums am Schweizer Aussenhandel (Gesamthandelsvolumen) ging seit Beginn der Krise in der Eurozone von 69 Prozent (2009) auf 63,6 Prozent (Januar bis Oktober 2013) zurück. Die Schweizer Wirtschaft 116

Die Handelszahlen beziehen sich auf das Jahr 2012, die Investitionszahlen auf das Jahr 2011.

1278

bleibt aber in hohem Masse mit jener ihrer direkten Nachbarn (Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich) verflochten, auf welche insgesamt rund 43 Prozent des Handelsvolumens der Schweiz entfallen (Januar bis Oktober 2013: 143 Mrd. CHF von insgesamt 332 Mrd. CHF).117 Deutschland bleibt mit knapp einem Viertel des Gesamthandels der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Die im europäischen Vergleich robuste deutsche Wirtschaftslage ist für die Schweiz wichtig. Mit seiner innovationsgetriebenen, exportorientierten Wirtschaft und einem hohen Anteil des produzierenden Sektors steht Deutschland unter anderem nach dem beschlossenen Atomausstieg vor ähnlichen Herausforderungen wie die Schweiz, denn die Versorgungssicherheit muss gewährleistet bleiben und die Strompreise müssen möglichst konkurrenzfähig sein. Hieraus ergeben sich Möglichkeiten zur Förderung der wirtschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit, zum Beispiel im Bereich der Energieeffizienz.

In Anbetracht der anhaltenden Unsicherheiten in der EU und der Euro-Zone (vgl. Ziff. 3) unternimmt die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik weltweit Aktivitäten zur Erschliessung neuer Märkte.

7.1

Erschliessung neuer Märkte in Europa/Zentralasien: Russland und die GUS-Staaten

Im Berichtsjahr (Januar bis Oktober) betrugen die Schweizer Exporte in die Mitgliedsländer der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten118 (GUS) 3,4 Milliarden Schweizerfranken (+0,6 %), die Importe beliefen sich auf 2,0 Milliarden Schweizerfranken (+71,6 %). Ungeachtet anhaltender Herausforderungen (Bürokratie, langwierige Grenzabfertigungen, Korruption) sind die GUS-Staaten für die Schweizer Wirtschaft als Absatzmärkte für hochwertige schweizerische Investitionsgüter und Industrieprodukte sowie als Investitionsstandort interessant. Die zu modernisierende industrielle Basis aus sowjetischer Zeit, die relativ kurzen Transportwege und das niedrige Lohnniveau stellen attraktive Faktoren dar.

Russland ist ein Schwerpunkt der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik. Sein WTO-Beitritt im Jahr 2012 wurde durch die Schweiz fazilitiert. Die WTOMitgliedschaft Russlands bringt zahlreiche Vorteile wie zum Beispiel die Übernahme internationaler Produktestandards und Zollsenkungen. Das zurzeit in Verhandlung befindliche FHA der EFTA mit der Zollunion Russland­Belarus­ Kasachstan soll den Wirtschaftsaustausch zusätzlich beleben. Die Führung Russlands setzt auf eine Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur. Dies schafft Chancen für die Schweizer Wirtschaft, zum Beispiel in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, in den Bereichen Transport und Logistik, Energieeffizienz, in der Pharmabranche sowie bei Infrastrukturprojekten im Zusammenhang mit Sportgrossereignissen. Die Schweiz und Russland schlossen einen bilateralen Aktionsplan für die wirtschaftliche Zusammenarbeit von 2011 bis 2014 ab, welcher unter anderem der

117

Laut dem Abkommen über eine Zollunion zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein von 1923 werden keine Daten zum bilateralen Handel zwischen den beiden Ländern erhoben, weil beide als ein Wirtschaftsraum angesehen werden.

118 Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Kasachstan, Kirgistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan.

1279

Intensivierung des Austauschs in den genannten Bereichen dient. Für den Zeitraum 2015 bis 2017 soll ein neuer Aktionsplan erarbeitet werden.

Wirtschaftliche Chancen bestehen auch in anderen GUS-Staaten. Zum Beispiel beliefert ein Unternehmen der Eisenbahnbranche mit einem schweizerisch­belarussischen Produktionsbetrieb von Minsk aus den GUS-Raum. Besonderes Potenzial besteht mit den rohstoffreichen Staaten Zentralasiens. Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung, Johann N. SchneiderAmmann, führte im April in Begleitung einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation eine Mission nach Kasachstan und Aserbaidschan durch, welche Schweizer Unternehmen neue Marktperspektiven eröffnete. Die Beziehungen zu Aserbaidschan erhielten zusätzlich Auftrieb durch den Zuschlag zur Realisierung des TransAdriatic-Pipeline-Projekts, an dessen Projektierung ein Schweizer Unternehmen zentral beteiligt war. Unterstützend wirkt auch die Mitgliedschaft mehrerer mittelasiatischer Staaten in der Schweizer Stimmrechtsgruppe bei den Bretton WoodsInstitutionen.

Die wirtschaftliche Integration des postsowjetischen Raums ist sehr dynamisch. Die Schweiz arbeitet multi- und bilateral an der Schaffung bestmöglicher Rahmenbedingungen für Schweizer Unternehmen, die diese neuen Märkte erschliessen wollen.

Die regelmässig zusammentretenden bilateralen Gemischten Wirtschaftskommissionen mit Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, der Ukraine und Usbekistan stellen dazu ein wichtiges Instrument dar.

7.2

Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft: Herausforderung für die Schweiz

Die USA und die EU nahmen im Juli umfassende Verhandlungen zur vertraglichen Errichtung eines breit abgestützten transatlantischen Markts auf. Ziel ist die Liberalisierung des Handels mit Industrie- und Agrarprodukten, die Beseitigung von nichttarifarischen Handelshemmnissen sowie die weitere Liberalisierung des Dienstleistungshandels, des öffentlichen Beschaffungswesens und der Investitionstätigkeit.

Zudem sollen die Regelungen in verschiedenen Bereichen, wie dem geistigen Eigentum, dem Wettbewerb und dem Internet, sowie der Zugang zu den Rohstoffmärkten verbessert und ein transparentes und berechenbares Geschäftsumfeld im Energiebereich gewährleistet werden. Die USA und die EU reagieren mit diesem Vorhaben auf die blockierten multilateralen Handelsgespräche im Rahmen der Doha-Runde der WTO (vgl. Ziff. 2.1). Sie wollen dadurch das Wachstum ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen.

Die Liberalisierung des Handels zwischen der EU und den USA, ein Raum welcher 820 Millionen Personen umfasst, soll für die Handelspartner jährliche Gewinne von 119 beziehungsweise 95 Milliarden Euro bringen.119 Unterstützt werden diese Liberalisierungsbemühungen von Wirtschaftsverbänden beiderseits des Atlantiks.

80 Prozent der Gewinne aus dem Abkommen sollen von Kosteneinsparungen durch die Verringerung bürokratischer und regulatorischer Belastungen sowie durch Libe-

119

Reducing Transatlantic Barriers to Trade and Investment: An Economic Assessment, Centre for Economic Policy Research, London, März 2013, S. VII.

1280

ralisierungen ausserhalb des Warenverkehrs herrühren.120 Die effektiven Auswirkungen der transatlantischen Partnerschaft lassen sich jedoch erst genauer abschätzen, wenn der Inhalt des zurzeit in Verhandlung befindlichen Abkommens bekannt ist.

Gemäss einer Voranalyse wird sich das Abkommen auf die Schweiz voraussichtlich auf folgende drei Arten auswirken: Erstens könnte die Konkurrenzfähigkeit von Schweizer Unternehmen auf dem US-Markt beeinträchtigt werden. In der Vergangenheit versuchte die Schweiz, mit den gleichen Partnern wie die EU FHA abzuschliessen. Damit konnten Wettbewerbsnachteile gegenüber EU-Unternehmen weitgehend vermieden werden. Was die USA anbelangt, wären die Schweizer Exporteure weiterhin mit Zöllen in Höhe von durchschnittlich 3,3 Prozent und mit gewissen technischen Handelshemmnissen konfrontiert, welche für den Zugang von EU-Produkten auf den US-Markt möglicherweise wegfallen würden. Auch das öffentliche Beschaffungswesen in den USA könnte für Unternehmen aus der EU zusätzlich liberalisiert werden, ohne dass Anbieter aus der Schweiz ähnliche Verbesserungen erfahren würden.

Zweitens würde die Schweiz auf dem EU-Markt gegenüber den US-Exporteuren ihren heutigen Wettbewerbsvorteil einbüssen, den sie aufgrund des FHA von 1972 und mehrerer direkt mit dem EU-Binnenmarkt zusammenhängender bilateraler Abkommen geniesst.121 Es ist denkbar, dass die USA und die EU nicht alle Vorteile einer Harmonisierung technischer Regulierungen oder einer gegenseitigen Anerkennung von verschiedenen Produktvorschriften an die Schweiz weitergeben. Falls beispielsweise vereinbart würde, dass der Warenursprung oder der Ort der Konformitätsbewertung in den USA oder einem Mitgliedsstaat der EU sein muss, um vom vereinfachten Marktzugang zu profitieren, würden Schweizer Produzenten gegenüber Produzenten aus der EU und den USA benachteiligt. Der Schweiz könnten ausserdem Nachteile bei gewissen Agrarprodukten und landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten erwachsen, welche nicht oder nur teilweise unter ihre Abkommen mit der EU fallen.122 Auch eine weitere Liberalisierung des Dienstleistungshandels zwischen der EU und den USA könnte sich je nach Ausgestaltung nachteilig auf die Schweiz auswirken. Bei den Auslandinvestitionen könnte die EU im Vergleich zur Schweiz als Standort für die Produktion und für
Geschäftssitze an Attraktivität gewinnen. Für Schweizer Firmen könnte es auch interessant werden, in der EU zu investieren um in die USA zu exportieren und so vom geplanten Freihandel EU­ USA profitieren zu können. Auch in den Bereichen geistiges Eigentum, Investitionstätigkeit und Handelserleichterung würden die Auswirkungen für die Schweiz von der Tragweite der neuen Regelungen abhängen.

Drittens riskiert das neue Abkommen die Einbindung der Schweizer Unternehmen in die Wertschöpfungsketten zu beeinflussen, und zwar infolge der Umlenkung von Handelsströmen, insbesondere wenn US- und EU-Firmen vermehrt Vormaterialien aus dem neuen grossen Markt verwenden. Dazu könnten die Unternehmen weiterer Länder kommen, welche ein FHA mit den USA und der EU abgeschlossen haben, falls sie an der neu errichteten Freihandelszone teilnehmen können.

120 121

Ibidem.

Insbesondere das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81).

122 Abkommen von 1999 über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (SR 0.916.026.81) und Protokoll Nr. 2 des Freihandelsabkommens von 1972 (SR 0.632.401.2).

1281

Nachdem die USA und die Schweiz im Januar 2006 nach erfolgter Exploration gegen die damalige Aufnahme von Verhandlungen über ein bilaterales FHA entschieden hatten, wird der Bundesrat die Folgen eines allfälligen transatlantischen Abkommens für die Schweizer Wirtschaft sorgfältig analysieren. Insbesondere wird zu prüfen sein, ob und unter welchen Bedingungen die Schweiz in das mögliche transatlantische Abkommen integriert werden könnte. Die Schweiz müsste sich dann voraussichtlich an die Liberalisierungsniveaus und die vereinbarten Regelungen in den verschiedenen Bereichen des Abkommens, einschliesslich der Landwirtschaft, anpassen. Vorläufig nahmen die Schweiz und ihre EFTA-Partner informell den Dialog mit den US-Behörden auf, um aus erster Hand über den laufenden Prozess informiert zu sein.

7.3

Entwicklung der Handelsstrukturen im asiatisch-pazifischen Raum

Die Liberalisierung des Handels trägt massgeblich zum Wachstum des asiatischpazifischen Wirtschaftraums bei. Volkswirtschaften wie Taipei, Japan, Korea und Singapur verzeichneten dank ihrer exportorientierten Wirtschaftspolitik und relativ tiefen Produktionskosten bereits früh ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum. Durch das FHA zwischen China und den ASEAN-Staaten123 entstand 2009 der drittgrösste vertragliche Handelsraum der Welt. Die Zunahme des Aussenhandels Asiens von 45 Prozent im Jahr 1997 auf 68 Prozent im Jahr 2011 zeigt die zunehmende Bedeutung des Handels für diesen Wirtschaftsraum.124 Die wichtigsten Handelspartner Asiens sind die USA, gefolgt von der EU. Der Anteil dieser beiden Partner nahm aufgrund der zunehmenden Diversifizierung der asiatischen Exporte ab. Dagegen nahm der Warenaustausch innerhalb der Region zu und betrug 2011 rund 53 Prozent. Der intra-asiatische Handel nimmt zurzeit auch stärker zu als der Handel zwischen Asien und anderen Weltregionen.125 Insbesondere der Handel mit industriellen Halbfabrikaten nahm in den vergangenen Jahrzehnten in Asien deutlich zu. Das Aufteilen von Produktionsprozessen innerhalb Asiens gemäss komparativen Vorteilen definierte die Handelsstruktur der Region neu. Vertikale Produktionsnetzwerke ermöglichen jedem Land jenen Teil der Produktion zu übernehmen, welcher am besten seinem technologischen Entwicklungsniveau und den lokalen Voraussetzungen entspricht. Vor allem den südostasiatischen Staaten gelang es, sich auf Produktionsetappen von Computern und anderen elektronischen Geräten zu spezialisieren.

Voraussetzungen für die Entwicklung von regional fragmentierten Produktionsketten sind unter anderem ein politisch stabiles und geregeltes Welthandelssystem, eine ausreichende Infrastruktur (wie z. B. Transport, Telekommunikation, Finanzsystem), sowie die Absenz von Handelshemmnissen. Unter solchen Umständen werden Produktionsschritte ungeachtet der Landesgrenzen an den Standorten mit den tiefsten Herstellungskosten lokalisiert. Die südostasiatischen Staaten, welche 123

Association of Southeast Asian Nations: Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam.

124 World Bank, World Development Indicators, Berechnungen SECO, 2013.

125 WTO, International Trade Statistics 2012, vgl.

www.wto.org/english/res_e/statis_e/its2012_e/its2012_e.pdf

1282

mit ihrer Freihandelszone viele dieser Voraussetzungen erfüllen, absorbierten 2011 beachtliche 7,6 Prozent der weltweiten Direktinvestitionen.126 Mit der Errichtung von sogenannten Sonderwirtschaftszonen und dem Beitritt zur WTO im Jahr 2001 wurde China zum attraktiven Standort für ausländische Direktinvestitionen. Aufgrund ihrer Grösse und geografischen Lage gelang es der Volksrepublik, das regionale Produktionssystem zu restrukturieren. Dass der intra-asiatische Handel auf Hochtouren läuft, liegt auch an China, das durch seine vernetzten Handelsbeziehungen die Rolle des Kernlandes übernimmt, welches Halbfabrikate aus den südostasiatischen Staaten importiert und Endprodukte exportiert. Die intermediäre Rolle Chinas lässt sich am sehr hohen Anteil der importierten Wertschöpfung an seinen Exporten erkennen. Dieser Anteil verdreifachte sich zwischen 1995 und 2009 von 12 auf 33 Prozent beinahe.127 China übernimmt insbesondere die arbeitsintensiven Produktionsschritte in der Wertschöpfungskette von Industrieprodukten und wird daher oft als «Weltfabrik» bezeichnet.

Trotz erhöhtem Binnenkonsum im asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum wird der grösste Anteil der Endprodukte in den Westen exportiert. Der intra-asiatische Handel bleibt von der Nachfrage ausserhalb der Region abhängig und das Wachstum Asiens ist daher hochempfindlich auf Schocks in anderen Wirtschaftsblöcken.

Die zunehmende Industrialisierung der südostasiatischen Staaten erlaubt es der Schweiz vermehrt Investitionsgüter in diese Region zu exportieren. So übertraf das Schweizer Exportvolumen nach Asien (Umfang von 37,2 Mrd. CHF) im Jahr 2012 jenes nach Nord- und Südamerika (Umfang von 33,6 Mrd. CHF). Die Verteilung der Produktionsketten über Landesgrenzen hinweg führt zu komplexen globalen Handelsströmen. Die aussenwirtschaftliche Verflechtung erhöht die Verwundbarkeit der Volkswirtschaften gegenüber Konjunkturschwankungen oder Störungen der Lieferketten ausgelöst beispielsweise durch Naturkatastrophen, politische Unruhen, Infrastrukturpannen oder Pandemien.128 So war die Schweizer Maschinenindustrie aufgrund der Dreifachkatastrophe in Japan im Jahr 2011 mit Lieferausfällen konfrontiert.

Um die Widerstandsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft gegen solche Störungen zu erhöhen, ist es Aufgabe der Aussenwirtschaftspolitik zur geografischen
Diversifizierung der Absatzmärkte beizutragen. Zudem ermöglicht die Erweiterung bilateraler Beziehungen der Schweizer Wirtschaft ihre Marktpositionen auszubauen und vom schnellen Wachstum des gesamten asiatischen Kontinents zu profitieren. Im Berichtsjahr wurde ein bilaterales FHA zwischen der Schweiz und China unterschrieben und im Rahmen der EFTA laufen Verhandlungen über FHA mit Indien, Indonesien, Vietnam und Thailand (vgl. Ziff. 4.2). Zur Vertiefung und Erweiterung der bilateralen Beziehungen wurden im Berichtsjahr mehrere Wirtschaftsmissionen unternommen. Eine Delegation reiste für einen Wirtschaftsdialog auch nach Myanmar. Dieser Austausch unterstützt den Übergang des Landes in eine sozial und ökologisch nachhaltig wachsende, in den globalen Handel integrierte Marktwirt-

126

United Nations Economic and Social Commission for Asia and the Pacific, Asia-Pacific Database 2013.

127 OECD/WTO, Trade in Value Added (TIVA) Indicators, 2013.

128 In diesem Zusammenhang gilt es die Bemühungen verschiedener Staaten auch im asiatisch-pazifischen Raum zu erwähnen, auf Basis des von der Weltzollorganisation geschaffenen «Framework of Standards to Secure and Facilitate Global Trade» (SAFE) Massnahmen zur Sicherung der Produktionsketten einzuführen.

1283

schaft und begünstigt den Zugang zum myanmarischen Markt für die Schweizer Wirtschaft.

7.4

Die arabische Golfregion: Bestandsaufnahme und Perspektiven eines strategisch wichtigen Partners der Schweizer Wirtschaft

Während sich der «Arabische Frühling» auf die Wirtschaft der meisten Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens mehrheitlich negativ auswirkt, waren die reichen Länder des Kooperationsrats der arabischen Golfstaaten (GCC)129 mit Ausnahme von Bahrain davon wirtschaftlich kaum betroffen. Dank des Öl- und Gasreichtums laufen die Geschäfte in Katar, Oman, Saudi-Arabien und dem Emirat Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) wie gewohnt. Auch die Wirtschaft des öl- und gasarmen Emirats Dubai erholt sich nach der Schuldenkrise der letzten vier Jahre schneller als erwartet.130 Dubai gewann durch die Krisen andernorts neben seiner bisherigen Funktion als Handelsdrehscheibe auch als alternative Tourismusdestination insbesondere für arabische Gäste an Bedeutung. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der GCC-Region beträgt gemäss Schätzungen des Internationalen Währungsfonds für das Berichtsjahr 4 Prozent (2012: 6 %). Dank dieses im weltweiten Vergleich leicht überdurchschnittlichen Wachstums werden vielerorts grosse Investitionsprojekte vorangetrieben. Ausnahmen sind Kuwait, wo derartige Projekte aufgrund anhaltender politischer Stagnation zurzeit überwiegend ruhen, und Bahrain, das auch aufgrund der politischen Unruhen wirtschaftlich weniger stabil ist als die übrigen GCC-Staaten.

Dass auch die Schweizer Unternehmen von dieser Wachstumsregion profitieren, zeigt sich in den Handelszahlen. Bezüglich des Schweizer Exportvolumens (Umfang von 6,6 Mrd. CHF) ist die arabische Golfregion der neuntwichtigste Absatzmarkt weltweit131 und bezüglich des Gesamthandelsvolumens (Umfang von 7,6 Mrd.

CHF) der fünftwichtigste Handelspartner der Schweiz ausserhalb Europas. Die VAE und Saudi-Arabien haben den weitaus grössten Anteil am Volumen der Schweizer Exporte in die GCC-Region. Von 2000 bis 2012 haben sich die Exporte der Schweiz in die VAE von 0,7 Milliarden auf 3,2 Milliarden Schweizerfranken mehr als vervierfacht, während sich die Exporte nach Saudi-Arabien von 1 Milliarde auf 2 Milliarden Schweizerfranken verdoppelten. Auch für das Berichtsjahr sieht es nach einer weiteren Zunahme des Handelsvolumens aus. Uhren und Bijouterie dominieren mit deutlich über 50 Prozent des Import- und beinahe 50 Prozent des Exportvolumens die Schweizer Handelsbeziehungen mit der GCC-Region. Die verbleibenden Schweizer
Exporte entfallen mehrheitlich auf die chemisch­pharmazeutische sowie die Maschinen- und Elektronikindustrie. Auch für die Schweizer Hersteller von Rüstungsgütern ist die GCC-Region als aufstrebender Absatzmarkt ein langfristig wichtiger Handelspartner. Insgesamt verzeichnete die Schweiz im

129

Golf Cooperation Council: Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate.

130 Dubais Wirtschaftswachstum beträgt gemäss Schätzungen des IWF für das Berichtsjahr 4 %. Die Schulden von Dubais Government Related Entities bleiben jedoch auf absehbare Zeit eines der Hauptrisiken der Wirtschaft der VAE.

131 Nach Deutschland, USA, Italien, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Hong Kong, China und Japan.

1284

Jahr 2012 gegenüber der GCC-Region einen Handelsbilanzüberschuss von über 5,6 Milliarden Schweizerfranken.

Die Handelszahlen verdeutlichen, dass die GCC-Region ein wichtiger Handelspartner für die Schweizer Wirtschaft ist, aber das grosse Potenzial für breiter diversifizierte Handelsbeziehungen nicht ausgeschöpft wird. Um die Wirtschaftsbeziehungen auszubauen, unterzeichneten die EFTA- und die GCC-Staaten 2009 ein umfassendes FHA. Das Inkrafttreten des Abkommens hängt von den VAE ab, welche eine baldige Ratifikation in Aussicht gestellt haben. Das FHA würde der Schweizer Exportwirtschaft vor allem auch angesichts der von den GCC-Staaten geplanten Grossprojekte eine deutliche Verbesserung der Marktposition bieten. Katar führt 2022 die Fussballweltmeisterschaften und Dubai 2020 die Weltausstellung durch. Neben diesen Grossprojekten, welche die weltweiten Exporte in die GCC-Region stark erhöhen dürften, eröffnen vielerorts auch umfangreiche Infrastrukturprojekte im Wasser- und Energiebereich sowie das rapide expandierende Gesundheitswesen attraktive Möglichkeiten zur Bereitstellung von Schweizer Schlüsselkomponenten oder -technologien. Zudem ist die GCC-Region aufgrund ihrer geographischen Lage und relativen politischen Stabilität ein attraktiver Knotenpunkt für Schweizer Unternehmen, um die Länder des Mittleren Ostens und Nordafrika, aber auch den südund zentralasiatischen sowie den ostafrikanischen Raum zu beliefern. Gleichzeitig gibt es nicht zu unterschätzende Herausforderungen. So berichten Schweizer Unternehmen beispielsweise über Probleme im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums (z. B. Handel mit gefälschten Schweizer Produkten) oder über marktfeindliche Preisfestsetzungen durch lokale Behörden.

Die arabische Golfregion ist bereits heute ein wichtiger Handelspartner der Schweiz.

Schreitet die wirtschaftliche Integration der sechs Mitgliedsstaaten des GCC wie angekündigt voran, dürfte sich die wirtschaftliche Attraktivität der Region nochmals stark erhöhen.132 Auch ein Inkrafttreten des FHA zwischen den EFTA- und dem GCC würde den Schweizer Unternehmen neues Handelspotenzial erschliessen. In Anbetracht der zurzeit lebhaften Konjunktur der arabischen Golfregion kann die Schweizer Wirtschaft auch in naher Zukunft mit einem Exportzuwachs rechnen.

132

Die Integrationsbemühungen innerhalb des Golfkooperationsrates werden seit einiger Zeit aufgrund unterschiedlicher politischer Ziele der Mitgliedsstaaten behindert. Zurzeit deutet wenig auf eine rasche Überwindung der Hindernisse hin.

1285

7.5

Wichtigste Wirtschaftsmissionen und weitere bilaterale Arbeitstreffen

Land

Europa Deutschland

Arbeitsbesuch des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann bei WBF-Vorsteher Johann N. Schneider-Ammann (22. Februar).

Liechtenstein

Arbeitsbesuch des Regierungschef-Stellvertreters Thomas Zwiefelhofer beim WBF-Vorsteher (3. Mai).

Luxemburg

Arbeitsbesuch des Ministers für Arbeit, Beschäftigung und Immigration Nicolas Schmit beim WBF-Vorsteher (6. Mai).

Türkei

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch (21.­23. Mai).

Deutschland, Österreich, Liechtenstein

Jährliches Vierertreffen der Wirtschaftsminister (31. Mai­1. Juni).

Polen

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin mit Privatsektorbeteiligung (17.­19. Juli).

Deutschland

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin in Stuttgart (5.­6. November).

Italien

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (12. November).

Kroatien

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (12.­13. November).

Weltweit Mexiko

Wirtschaftsmission des WBF-Vorstehers mit Privatsektorbeteiligung (13.­16. Februar).

Kasachstan/Aserbaidschan

Wirtschaftsmission des WBF-Vorstehers mit Privatsektorbeteiligung (10.­13. April).

Kanada

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (28. April­3. Mai).

1286

Land

Mexiko

Arbeitsbesuch des Wirtschaftsministers Ildefonso Guajardo Villarreal beim WBF-Vorsteher (28. Mai).

China

Arbeitsbesuch des WBF-Vorstehers mit Privatsektorbeteiligung und Unterzeichnung des bilateralen Freihandelsabkommens (6. Juli).

Japan/Philippinen

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (24.­28. Juni).

Südafrika

Kombinierte Mission des WBF-Vorstehers in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Innovation mit Beteiligung aus Privatsektor und Wissenschaft (4.­8. September).

Vereinigte Arabische Emirate

Arbeitsbesuch des Wirtschaftsministers Sultan Bin Saeed Al Mansouri beim WBF-Vorsteher (14. Oktober).

Vietnam/Indonesien

Wirtschaftsmission des WBF-Vorstehers mit Privatsektorbeteiligung (24.­28. Oktober).

Myanmar/Thailand

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin mit Privatsektorbeteiligung (18.­22. November).

8

Exportkontroll- und Embargomassnahmen Im April verabschiedete die UNO-Generalversammlung den Vertrag über den Waffenhandel, welchen die Schweiz am 3. Juni unterzeichnete. Im Oktober wurde die Chemikalienkontrollverordnung vollständig revidiert, um die praktische Umsetzung des Chemiewaffenübereinkommens zu erleichtern und die Verordnung dem heutigen Stand der Wissenschaft anzupassen. Im Rahmen der Vereinbarung von Wassenaar brachte die Schweiz im Berichtsjahr einen revidierten Vorschlag für die Kontrollen von Werkzeugmaschinen ein. Ziel ist es, die Qualität der Kontrollen zu verbessern und somit deren Glaubwürdigkeit zu stärken, ohne dabei den Aufwand für die Industrie zu erhöhen.

Im Bereich der Embargomassnahmen stand nach einem erneuten Nukleartest Nordkoreas im Februar die weitere Verschärfung der Sanktionen gegenüber diesem Staat im Vordergrund. Die Sanktionen gegenüber dem Iran und Syrien wurden weitergeführt, aber im Berichtsjahr nicht verschärft. Eine externe Evaluation bestätigte, dass die Schweiz bei der Umsetzung des Zertifizierungssystems für den Handel mit Rohdiamanten (Kimberley Prozess) sämtliche relevanten Bestimmungen erfüllt.

1287

8.1

Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen sowie von konventionellen Waffen

8.1.1

Internationale und nationale Entwicklungen

Nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedete die UNO-Generalversammlung am 2. April den Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty). Dieser legt als erstes völkerrechtlich verbindliches Instrument internationale Standards für die Regulierung des grenzüberschreitenden Waffenhandels fest. Dadurch soll der verantwortungsvolle internationale Handel mit konventionellen Rüstungsgütern gefördert und der illegale Waffenhandel bekämpft werden. Für das Inkrafttreten sind fünfzig Ratifikationen erforderlich. Die Schweiz war aufgrund ihrer humanitären Tradition, ihrer Friedens- und Sicherheitspolitik sowie ihrer strengen Gesetzgebung betreffend Waffenausfuhren ein glaubwürdiger Verhandlungspartner. Dadurch konnte sie erfolgreich Einfluss auf die Verhandlungen nehmen und den Vertragstext namentlich im Bereich des humanitären Völkerrechts, des Anwendungsbereichs und im Zusammenhang mit exportkontrolltechnischen Fragen mitgestalten. Am 3. Juni unterzeichnete die Schweiz den Vertrag über den Waffenhandel und schlug Genf als Standort für das Sekretariat des Vertrages vor. Auch erklärte sie sich bereit, durch Unterstützung anderer Staaten im Aufbau von nationalen Kontrollsystemen zur effektiven Umsetzung des Vertrags beizutragen. Der Bundesrat wird dem Parlament die Botschaft zur Genehmigung des Vertrags im ersten Quartal 2014 vorlegen.

Die vollständig revidierte Chemikalienkontrollverordnung vom 21. August 2013133 basiert auf dem Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 1996134 und vollzieht die Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen des Chemiewaffenübereinkommens vom 13. Januar 1993135. Sie trat am 1. Oktober in Kraft. Die Änderungen übernehmen neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich der Chemie sowie Entscheidungen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen betreffend die Umsetzung des Übereinkommens. Sie berücksichtigen die Erfahrungen der Schweiz mit dem Bewilligungs- und Meldeverfahren sowie Inspektionen dieser Organisation in relevanten Industrieanlagen. Ziel der Totalrevision ist es, die praktische Umsetzung des Übereinkommens für Industrie und Behörden zu erleichtern und die Verordnung dem heutigen Stand der Wissenschaft anzupassen.

Die Gruppe der Nuklearlieferländer (NSG) schloss im Berichtjahr die komplette Überarbeitung ihrer Kontrolllisten für Nukleargüter und für nuklear relevante
doppelt verwendbare Güter ab. Insgesamt wurden 54 Listenanpassungen im Konsens verabschiedet, wobei es sich hauptsächlich um Anpassungen bereits bestehender Kontrolltexte handelt. Die Schweiz wird diese Erneuerungen in die Anhänge der Güterkontrollverordnung vom 25. Juni 1997136 übernehmen. Die Exportkontrollen für Werkzeugmaschinen waren ebenfalls Gegenstand von Diskussionen, wobei sich die NSG bislang auf keinen Vorschlag ­ darunter einen der Schweiz ­ einigen konnte. Die NSG wird sich in den kommenden Monaten voraussichtlich weiterhin vertieft mit diesem Thema auseinandersetzen. Die Vereinbarung von Wassenaar legt 133 134 135 136

SR 946.202.21 SR 946.202 SR 0.515.08 SR 946.202.1

1288

auch Exportkontrollen für Werkzeugmaschinen fest. Im September brachte die Schweiz in diesem Gremium einen revidierten Vorschlag für entsprechende Kontrollparameter ein.137 Ziel der Schweiz ist es, die Qualität der Kontrollen zu verbessern und damit auch deren Glaubwürdigkeit zu stärken, ohne dabei den Aufwand für die Industrie zu erhöhen.

8.1.2

Eckdaten zu Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes

Dual-use-Güter und besondere militärische Güter werden im Rahmen der Güterkontrollgesetzgebung überwacht. Vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2013 wurden Bewilligungen und Zustimmungen im Gesamtwert von rund 1 026 Millionen Schweizerfranken erteilt. Da die Güter, welche mit einer Generalausfuhrbewilligung exportiert werden dürfen, nicht darin enthalten sind, liegt der Gesamtwert aller mit einer Bewilligung ausgeführten Güter um ein Vielfaches höher. Die geringe Anzahl von drei Ablehnungen von bewilligungs- und meldepflichtigen Gütern lässt sich dadurch erklären, dass die Exporteure in kritischen Fällen und nach Absprache mit dem SECO in der Regel auf das Einreichen eines förmlichen Ausfuhrgesuches verzichten. Die wichtigsten Zahlen zu den Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes in der erwähnten Zeitperiode sind der Beilage 10.1.3 zu entnehmen.

8.2

Embargomassnahmen

8.2.1

Embargomassnahmen der UNO und der wichtigsten Handelspartner

Aufgrund der Motion 13.3475138 setzte sich der Bundesrat erneut mit der Frage der Anpassung des Embargogesetzes vom 22. März 2002139 (EmbG) auseinander. Die Motion schlägt vor, den Bundesrat zu beauftragen, das Embargogesetz zu modernisieren und dessen Vollzug so zu stärken, dass bestehende Reputationsrisiken deutlich vermindert werden. Namentlich sollen von den Zwangsmassnahmen auch Handlungen erfasst werden, welche im Ausland vollzogen werden. Zudem sollen die effiziente Durchführung der internationalen Amtshilfe im Embargobereich sichergestellt und die Strafbestimmungen so angepasst werden, dass die Durchsetzung internationaler Sanktionen verbessert werden kann. Der Bundesrat nahm am 4. September zur Motion Stellung. Er ist der Meinung, dass keine triftigen Gründe bestehen, nach einem erfolglosen Versuch im Jahr 2010 bereits wieder eine Revision in Angriff zu nehmen. Da sich eine Anpassung der Vorlage an die zum damaligen Zeitpunkt vorgebrachten Kritikpunkte nicht als möglich erwies, hatte der Bundesrat am 16. Dezember 2011 beschlossen, auf eine Revision des EmbG zu verzichten.

Eine Änderung des EmbG, wie durch die Motion gefordert, wäre auch nicht zielführend, um der seitens der USA und der EU geäusserten Kritik an der schweizerischen Umsetzung der Sanktionen gegenüber dem Iran zu begegnen. Die nicht vollständige 137

Der Vorschlag zielt darauf ab, den bestehenden Kontrollparameter der Positioniergenauigkeit durch jenen der einseitigen Wiederholbarkeit zu ersetzen.

138 Motion 13.3475 Galladé vom 19. Juni 2013: Embargogesetz modernisieren und Reputationsrisiken vermindern 139 SR 946.231

1289

Übernahme der EU-Sanktionen gegenüber dem Iran ist nicht Konsequenz einer unzureichenden gesetzlichen Grundlage, sondern Ausdruck eines bewussten, aussenpolitisch motivierten Entscheids.140 So wurden die schweizerischen Sanktionen gegenüber dem Iran auch im Berichtsjahr nicht weiter verschärft. Die Wahl von Hassan Rohani zum neuen Präsidenten Irans weckte international Hoffnungen, dass die Verhandlungen im Nukleardossier in Zukunft konstruktiver verlaufen könnten. Am 24. November einigten sich die Vetomächte des UNO-Sicherheitsrates, Deutschland und Iran in Genf auf ein sechs Monate gültiges Interimsabkommen. Der Iran verpflichtete sich, die Urananreicherung einzuschränken und die Transparenz seines Nuklearprogramms zu erhöhen, während die EU und die USA im Gegenzug in Aussicht stellten, keine neuen Sanktionen zu ergreifen und gewisse, eng definierte Sanktionen zu suspendieren. Ungeachtet dieser positiven Entwicklungen gestalteten sich die Weiterführung bestehender oder die Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen zum Iran weiterhin als sehr anspruchsvoll. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass das internationale Bankensystem bezüglich Finanztransfers von und nach dem Iran äusserst grosse Zurückhaltung zeigt.

Gegenüber Syrien ergriff der Bundesrat bereits am 18. Mai 2011 Sanktionsmassnahmen.141 Diese wurden nachfolgend in mehreren Schritten verschärft und entsprechen heute grösstenteils den Sanktionen der EU. Im Berichtsjahr wurde die Liste der sanktionierten Personen und Unternehmen mehrmals nachgeführt.

Aufgrund des nordkoreanischen Nukleartests am 12. Februar nahm der UNOSicherheitsrat am 7. März die Resolution 2094 (2013) an, mit welcher die Massnahmen gegenüber Nordkorea weiter verschärft wurden. Der Bundesrat setzte die neuen UNO-Bestimmungen mit Verordnungsänderung vom 3. Juli um. Die Finanzsanktionen (Einfrieren von Vermögenswerten) sowie die Ein- und Durchreisesperre wurden auf einen erweiterten Personenkreis ausgedehnt. Zudem wurde das Erbringen von Finanzdienstleistungen und das Zurverfügungstellen von Finanzmitteln im Zusammenhang mit dem nordkoreanischen Nuklear- oder Raketenprogramm und anderen verbotenen Aktivitäten untersagt. Gelder, welche einen Zusammenhang mit dem nordkoreanischen Nuklear- oder Raketenprogramm oder anderen verbotenen Aktivitäten aufweisen, werden
eingefroren. Schliesslich wurde die Liste von verbotenen Gütern, welche im Nuklear- und Raketenbereich verwendet werden können, sowie die Liste von Luxusgütern, welche nicht nach Nordkorea exportiert werden dürfen, ergänzt. Unter diese letztere Güterkategorie fallen nunmehr auch Infrastrukturinstallationen und Ausrüstungsgüter für Sportanlagen mit Luxuscharakter. Aufgrund dieser Bestimmung wurde einer Schweizer Herstellerfirma der Export einer Sessel- beziehungsweise Gondelbahn im Wert von rund 7 Millionen Schweizerfranken für ein neues grossangelegtes Luxus-Skiresort nach Nordkorea untersagt. Andere europäische Herstellerfirmen haben ebenfalls entschieden, für dieses Skigebiet keine Lieferungen zu tätigen.

Die Verordnung vom 18. Mai 2004142 über die Einziehung eingefrorener irakischer Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen und deren Überweisung an den Development Fund for Iraq regelt die Einziehung von irakischen Geldern und Vermögenswerten. Es geht dabei um die mit Resolution 1483 (2003) beschlossene Rückführung 140 141 142

Vgl. dazu Ziff. 8.2.1 des Berichts zur Aussenwirtschaftpolitik 2012, BBl 2013 1257 SR 946.231.172.7; AS 2011 2193 SR 946.206.1

1290

von Vermögenswerten, welche unter dem Regime von Saddam Hussein illegal ins Ausland verbracht wurden. Da die unter diese Verordnung fallenden Einziehungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind, wurde die Verordnung um weitere drei Jahre bis zum 30. Juni 2016 verlängert.143 Am 26. November veröffentlichte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sein Urteil zu einer im Jahr 2008 eingereichten Beschwerde gegen ein Einziehungsverfahren. Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass die Schweiz bei diesem Verfahren die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt hat.

Mit Resolution 2093 (2013) vom 6. März hob der UNO-Sicherheitsrat das seit 1992 bestehende Waffenembargo gegenüber Somalia weitgehend auf, insbesondere was Lieferungen an die neue somalische Bundesregierung betrifft. Damit reagierte der Sicherheitsrat auf die jüngsten Entwicklungen in diesem Land. Im September 2012 war erstmals seit 21 Jahren eine somalische Regierung vom neuen Parlament gewählt worden. Der Bundesrat ergänzte am 22. Mai 2013144 die Verordnung über Massnahmen gegenüber Somalia gemäss Resolution 2093 um mehrere Ausnahmebestimmungen für Rüstungsgüterexporte. Weiter wurde das bereits mit Resolution 2036 (2012) beschlossene Importverbot für Holzkohle aus Somalia umgesetzt.

Die übrigen Sanktionsverordnungen wurden weitergeführt und wo nötig angepasst.

Aktuell sind 21 auf das EmbG gestützte Verordnungen in Kraft.

8.2.2

Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

Um zu verhindern, dass Rohdiamanten aus Konfliktgebieten in den legalen Handel gelangen, beteiligt sich die Schweiz seit zehn Jahren am internationalen Zertifizierungssystem für Rohdiamanten des Kimberley Prozesses. Die entsprechenden Massnahmen wurden im vergangenen Jahr weitergeführt.

Im November 2012 unterzog sich die Schweiz zum zweiten Mal einer Expertenvisite zur Überprüfung der nationalen Umsetzung. Unter der Leitung Russlands untersuchten Experten aus anderen Teilnehmerstaaten die Rechtsgrundlagen, auf deren Basis die Schweiz den Rohdiamantenhandel kontrolliert sowie die Umsetzung dieser Kontrollen in der Praxis. Wie bereits in der ersten Überprüfung im Jahr 2004 wurde bestätigt, dass die Schweiz alle relevanten Bestimmungen des Kimberley Prozesses erfüllt. Der im Herbst des Berichtsjahres fertiggestellte Evaluationsbericht enthält auch eine Reihe von Empfehlungen für künftige Verbesserungen. So soll beispielsweise der auf den Zertifikaten angegebene Wert von Diamantensendungen vermehrt durch Diamantenexperten vor Ort überprüft werden, um allfällige Über- beziehungsweise Unterbewertungen festzustellen. Die im SECO spezifisch für die Kontrolle des Rohdiamantenhandels geschaffene Datenbank wurde als best practice ausgezeichnet.

Aufgrund der politisch instabilen Lage in der Zentralafrikanischen Republik erfüllte Bangui die Mindestanforderungen des Zertifizierungssystems nicht mehr. Im Mai wurde das Land deshalb bis auf weiteres vom Zertifizierungssystem suspendiert. Der Rohdiamantenhandel mit der Zentralafrikanischen Republik ist somit verboten.

143 144

AS 2013 2151 AS 2013 1545

1291

Weiterhin unterstützt die Schweiz mit einem finanziellen Beitrag Projekte in afrikanischen Produktionsländern zur Verhinderung und Bekämpfung von Schmuggel in Westafrika, zur Auswertung der artisanalen Diamantenproduktion in Guinea und zur Beobachtung des Diamantensektors in der Region Marange in Simbabwe.

Die Schweiz stellte zwischen dem 1. Oktober 2012 und dem 30. September 2013 insgesamt 855 Zertifikate für Rohdiamanten aus. In dieser Zeitperiode wurden Rohdiamanten im Wert von 2,2 Milliarden US-Dollar (8,7 Mio Karat) importiert beziehungsweise eingelagert und im Wert von 2,5 Milliarden US-Dollar (8,6 Mio Karat) exportiert beziehungsweise ausgelagert. Der Rohdiamantenhandel findet fast ausschliesslich über das Zollfreilager Genf-Flughafen statt.

9

Standortförderung

9.1

Exportförderung und Exportrisikoversicherung

Zur gezielten Unterstützung von exportorientierten Schweizer Unternehmen ­ und damit zur langfristigen Sicherung von Arbeitsplätzen in der Schweiz ­ setzten Switzerland Global Enterprise und die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) im Berichtsjahr bedarfsgerechte Massnahmen um. Die geplante Teilrevision des Exportrisikoversicherungsgesetzes soll sicherstellen, dass die SERV die Exportanstrengungen der schweizerischen Unternehmen auch in Zukunft gezielt und wirkungsvoll unterstützen kann. International wird im Rahmen der OECD und im Paris Club vermehrt darauf hingearbeitet, China, Indien und andere aufstrebende Exportländer stärker in bestehende Vereinbarungen und Gremien zu integrieren, damit Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden können.

9.1.1

Exportförderung

Der früher unter dem Namen Osec Business Network Switzerland (Osec) bekannte Verein Switzerland Global Enterprise (S-GE) bietet im Auftrag des WBF/SECO vielfältige Dienstleistungen für exportorientierte Firmen an. S-GE gestaltet Ihre Tätigkeit insbesondere als Vermittlungsplattform, welche die Erbringung von Dienstleistungen durch geeignete private Experten und andere Dritte koordiniert.

Auf diese Weise werden für Schweizer KMU neben dem Fachwissen von S-GE zusätzliche Kompetenzen im Internationalisierungsgeschäft erschlossen. Um ihren Plattform- und Netzwerkansatz zu festigen, gab sich die Osec im Mai unter anderem den neuen Namen Switzerland Global Enterprise. Mit einem einheitlicheren Auftritt will S-GE die Leistungen und den Nutzen für die Kunden deutlicher aufzeigen, die Synergien zwischen den Bundesmandaten Export- und Importförderung sowie Standortpromotion ausbauen und über eine einzige Dachmarke Kräfte bündeln.

Ein wesentlicher Teil des Unterstützungsangebots von S-GE wird durch Swiss Business Hubs (SBH) in 21 Schwerpunktmärkten erbracht (vgl. Ziff. 1.3.6). Mit einer Ausnahme sind die SBH in eine diplomatische oder konsularische Vertretung der Schweiz integriert. Gute Kenntnisse der lokalen Marktbedingungen sowie die Präsenz vor Ort sind zentrale Erfolgsfaktoren für die Exportförderung und -beratung.

1292

So werden für die KMU in der Schweiz und vor Ort professionelle Dienstleistungen angeboten. Entsprechend soll das Hub-Netz beziehungsweise die Auslandpräsenz von S-GE in den nächsten Jahren nach Möglichkeit gestärkt werden. Dazu gehört neben der Zusammenarbeit mit Schweizer Botschaften in Ländern ohne SBH insbesondere die Verstärkung der Ausbildung, welche S-GE für das Personal dieser Vertretungen erbringt. In enger Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten wird so in der Exportförderung auch künftig weltweit eine bedarfsgerechte Grundversorgung für Schweizer Unternehmen angeboten.

Bei den drei Exportplattformen Cleantech Switzerland, Medtech Switzerland und Ingenious Switzerland, die 2010 durch eine Anschubfinanzierung des Bundes geschaffen worden sind, zeichnet sich die Erreichung des Projektziels der vollständigen Eigenwirtschaftlichkeit bis Ende 2015 ab. Dazu trägt bei, dass Anfang 2014 die Exportdienstleistungen von Medtech Switzerland vom Medical Cluster und diejenigen von Ingenious Switzerland vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein übernommen werden. Über die Exportplattformen und ihre privaten Trägerschaften kann branchenspezifisches Wissen für die Exportförderung nutzbar gemacht werden, was die oben beschriebene Plattformstrategie von S-GE ergänzt.

Bis zum vollständigen Auslaufen der Startunterstützung per Ende 2015 werden die Exportplattformen weiterhin von S-GE in strategischen Belangen betreut, was Synergien zwischen den verschiedenen Organisationen ermöglicht und Schnittstellenproblemen vorbeugt.

9.1.2

Schweizerische Exportrisikoversicherung

Das anhaltend schwierige Marktumfeld stellt exportorientierte Unternehmen und die SERV weiterhin vor Herausforderungen. Der Strukturwandel auf den Finanzmärkten, zum Beispiel die Eigenmittelerhöhung der Banken und die zunehmende Regulierung der Finanzdienstleister, erfordert eine regelmässige Überprüfung des Deckungsangebots der staatlichen Exportkreditversicherungen. Im Nachgang zur Finanzkrise sind dauerhafte Strukturveränderungen im Finanzsektor zu beobachten.

Zur Bewältigung der Krise verringerten Finanzintermediäre die Exportfinanzierung.

Exporteure müssen gegenüber inlandorientierten Firmen grössere Risiken absichern und haben somit einen höheren Finanzierungsbedarf.

Der Bundesrat gab am 9. Oktober eine Teilrevision des Exportrisikoversicherungsgesetzes vom 16. Dezember 2005 sowie der zugehörigen Verordnung145 in die Vernehmlassung. Die Vorlage soll sicherstellen, dass die SERV die Exportanstrengungen der schweizerischen Unternehmen auch künftig gezielt und wirkungsvoll unterstützt. Gleichzeitig soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit der SERV längerfristig gesichert werden: Exportunternehmen sind darauf angewiesen, dass sie in Bezug auf die Finanzierungs- und Absicherungsmöglichkeiten bei Exportgeschäften möglichst gleiche Bedingungen vorfinden wie ihre ausländischen Konkurrenten.

Konkret soll mit der vorgeschlagenen Teilrevision des Gesetzes das SERV-Angebot dauerhaft um die Fabrikationskreditversicherung, die Bond- und die Refinanzie145

Die SERV ist durch Art. 6 Abs. 2 SERVG an die Grundsätze der schweizerischen Aussenpolitik gebunden ist, zu welcher gemäss Art. 54 Abs. 2 BV auch die die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zählt.

1293

rungsgarantie ergänzt werden. Diese ursprünglich im Rahmen der Stabilisierungsmassnahmen befristet eingeführten Produkte, welche in OECD-Ländern mittlerweile zum Standardangebot von Exportrisikoversicherungen gehören, werden in der Schweiz häufig nachgefragt und haben sich bewährt. Von 2009 bis 2012 unterstützten sie zusätzliche Exporte im Umfang von 4,4 Milliarden Schweizerfranken. Aufgrund dieser Entwicklungen ist aus Sicht des Bundesrates eine dauerhafte Ergänzung des SERV-Angebots um diese Instrumente sinnvoll. Auf Verordnungsstufe sieht das Revisionspaket zudem vor, die Ausnahmeklausel bei Exportgeschäften mit einem schweizerischen Wertschöpfungsanteil von weniger als 50 Prozent durch eine Ermessensregelung zu ersetzen. Dies mit dem Ziel, Ausnahmen künftig aufgrund einer Liste von Beurteilungskriterien bewilligen zu können. Damit und mit weiteren Anpassungen wird die Transparenz der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Bund als Eigner sowie für die Kunden der SERV erhöht. Von den vorgeschlagenen Neuregelungen profitieren insbesondere KMU, welche rund zwei Drittel der SERVKunden ausmachen. Die SERV verfügt über das erforderliche Kapital, welches ihr ermöglicht, das Versicherungs- und das vorgeschlagene Garantiegeschäft selbständig und auf eigene Rechnung zu führen. Die finanziellen Auswirkungen auf die SERV, namentlich auf ihren Verpflichtungsrahmen sowie auf ihr finanzielles Gleichgewicht, bleiben gering. Ziel ist es, dass die revidierten Gesetzesgrundlagen im Jahr 2015 in Kraft treten.

9.1.3

Internationale Entwicklungen

Damit im Bereich der Exportrisikoversicherung die Qualität und die Kosten der Produkte und nicht die staatlichen Finanzierungs- beziehungsweise Versicherungsbedingungen den Wettbewerb entscheiden, entstand 1978 das Arrangement on Officially Supported Export Credits. Die vom OECD-Sekretariat betreute Vereinbarung legt unter anderem minimale Zinssätze und Versicherungsprämien sowie maximale Kreditlaufzeiten für Kredite und Versicherungen von staatlichen Anbietern fest. Mitglieder sind Australien, die EU, Japan, Kanada, Korea, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz und die USA. Brasilien, Israel und die Türkei nehmen als Beobachter teil beziehungsweise sind Mitglieder bei Sektorabkommen. Seit längerem ist es ein Thema, dass weitere wichtige Exportnationen wie China, Indien und andere aufstrebende Exportländer nicht Mitglieder der Vereinbarung sind und damit Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Auf Initiative der USA, welche China für Verhandlungen gewinnen konnte, soll nun ein neues Abkommen ausgehandelt werden. Der Verhandlungsprozess ist im Berichtsjahr angelaufen. Da für einige Staaten, welche die bestehende Vereinbarung nicht mitgestaltet hatten, die OECD als Rahmen für diese Verhandlungen nicht in Frage kommt, wurde eine internationale Arbeitsgruppe eingesetzt. Die Schweiz hat Interesse daran, dass im Bereich der Exportfinanzierung internationale Regeln entstehen, welche mehr Länder mit einbeziehen als heute. Zurzeit ist noch nicht absehbar, ob und wann es zu einem neuen Abkommen kommen wird. Die bestehende Vereinbarung von 1978 bleibt deshalb auf absehbare Zeit der internationale Referenzrahmen für die SERV.

In Anbetracht der allmählich auslaufenden Heavily Indebted and Poor Countries Initiative (HIPC), welche seit 1996 das Hauptinstrument zur Schuldensanierung der einkommensschwächsten Staaten ist, macht man sich auch im Paris Club Gedanken über eine Neuausrichtung seiner Ziele und Tätigkeiten. Mittlerweile sind neue staatliche Kreditgeber aktiv. Je mehr Schwellenländer an wirtschaftlicher Stärke 1294

gewinnen, desto mehr wächst auch ihre Bereitschaft und Fähigkeit, ihren Einfluss über die Vergabe von Krediten geltend zu machen. Zum Beispiel weiteten China und Indien ihre Finanzhilfen nicht nur im asiatischen Raum sondern auch in Afrika aus. Gewisse Post-HIPC-Länder, welche erheblichen Nachholbedarf bei der Infrastruktur aufweisen, sind deshalb versucht, solche rasch erhältlichen aber oft teuren Kredite anzunehmen. Dies stellt ein hohes Risiko für die dank HIPC erlangte Schuldentragfähigkeit dar. Daher versucht der Paris Club seinen Mitgliederkreis auch auf neue aufstrebende Gläubigerländer auszudehnen. Dadurch wären diese stärker in die internationale Koordination zur Bewältigung von nationalen Schuldenkrisen eingebunden und zur Befolgung der fünf Paris Club-Prinzipien (Fall-zu-Fall-Entscheide, Konsens, Konditionalität, Solidarität, Gleichbehandlung) verpflichtet. Dem Problem des Trittbrettfahrens würde so effektiv begegnet, weil die neuen Beitrittsländer nicht mehr kostenlos von den Restrukturierungsmassnahmen des Paris Club profitieren würden. Deshalb organisierte der Paris Club mit der russischen G20-Präsidentschaft am 23. Oktober in Paris eine Konferenz mit den wichtigsten aussenstehenden Gläubigerstaaten.

9.2

Standortpromotion

Die Schweiz bleibt im internationalen Vergleich ein attraktiver Standort für Unternehmen. Angesichts des verstärkten weltweiten Wettbewerbs von Unternehmensstandorten bedarf es weiterhin gemeinsamer Promotionsanstrengungen des Bundes und der Kantone, um potenzielle Investoren auf die komparativen Vorteile des hiesigen Standortes aufmerksam zu machen. Dabei steht die Positionierung der Schweiz als erstklassigen Standort für innovative und wertschöpfungsintensive Unternehmen im Vordergrund.

Die Schweiz verfügt über wichtige Standortvorteile. Wesentliche Faktoren für potenzielle Investoren sind Rechtssicherheit, Verkehrsanbindung und Infrastruktur, Steuern und die Qualität der Arbeitskräfte. Die führende Rolle der Schweiz bezüglich Innovation und Wettbewerbsfähigkeit hat internationale Signalwirkung.

Die Standortpromotion von Bund und Kantonen legt ihren Fokus stärker auf die Positionierung der Schweiz als erstklassigen Standort für Unternehmen, und setzt somit zunehmend auf Qualität und Nachhaltigkeit anstelle von Quantität. Damit einher geht die gezielte Ansprache von ausländischen Firmen mit hoher Wertschöpfung und Innovationskraft zur Förderung von nachhaltigen Ansiedlungen. Nebst den direkten wirtschaftlichen Effekten werden so auch indirekte Wirkungen in Form von wirtschaftlichen Impulsen auf lokale und regionale Unternehmen erzielt. Laut Angaben von kantonalen Wirtschaftsförderstellen beeinträchtigen zurzeit das zunehmend schwierige nationale und internationale Marktumfeld sowie der verstärkte Wettbewerb unter weltweiten Unternehmensstandorten Ansiedlungsvorhaben.

Gemäss einer Erhebung der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz sind die durch Standortpromotionsmassnahmen der Kantone und des Bundes massgeblich unterstützten Ansiedlungen im Jahr 2012 gegenüber 2011 um 20 Prozent zurückgegangen. Hemmend dürften sich die anhaltende europäische Wirtschaftskrise und der weiterhin hohe Kurs des Schweizer Frankens auswirken. Von ausländischen Firmen 1295

werden zudem Unsicherheit über die Zukunft der steuerlichen Rahmenbedingungen sowie allgemein eine erhöhte Rechtsunsicherheit in der Schweiz als Gründe angeführt, welche Investitionsentscheide negativ beeinflussen können. In der Tendenz dürfte der im Berichtsjahr eingeleitete Strategiewechsel in der nationalen Standortpromotion zu weniger, aber wertschöpfungsintensiveren Ansiedlungen führen.

Um die Vorzüge der Schweiz als Unternehmensstandort bei möglichen Investoren besser bekannt zu machen, ist die Präsenz in ausgewählten Märkten wichtig. Nebst den bisherigen Schwerpunktländern der für die Standortpromotion des Bundes beauftragten Organisation S-GE (vgl. Ziff. 9.1.1) ­ namentlich China, Deutschland, Frankreich, Indien, Japan, Russland und USA ­ werden künftig in Brasilien, Grossbritannien und Italien ebenfalls gezielt ausgesuchte Investoren angesprochen. Damit werden einerseits traditionelle und neue Märkte mit Wachstumspotenzial erschlossen, anderseits sollen Synergien mit den Massnahmen von Präsenz Schweiz im Rahmen der kommenden Grossanlässe in Brasilien (Fussball-Weltmeisterschaft 2014 und Olympiade 2016) und in Italien (Expo Milano 2015) genutzt werden.

9.3

Tourismus

Nach mehreren schwierigen Jahren fand der Schweizer Tourismus im Berichtsjahr zum Wachstum zurück. Die Zahl der Logiernächte in der Hotellerie wurde im Jahresverlauf 2013 deutlich gesteigert. Dabei entwickelten sich die Inlandsund die Auslandsnachfrage positiv.

Ungeachtet der konjunkturellen Erholung steht der Schweizer Tourismus vor bedeutenden Herausforderungen, wie beispielsweise dem Klimawandel oder der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen. Da diese Herausforderungen zumeist nicht nur den Schweizer sondern auch den internationalen Tourismus betreffen, engagiert sich die Schweiz in der internationalen tourismuspolitischen Zusammenarbeit. Im Berichtsjahr verstärkte die Schweiz insbesondere die Zusammenarbeit mit der EU.

Der Schweizer Tourismus hat im Berichtsjahr die Talsohle durchschritten. Die Zahl der Logiernächte in der Hotellerie legte zwischen Januar und Oktober im Vorjahresvergleich um 2,3 Prozent zu. Während die Gäste aus dem Ausland eine Steigerung um 3,3 Prozent verzeichneten, wies die inländische Nachfrage einen Anstieg von 1 Prozent auf. Eine besonders starke Zunahme der Hotellogiernächte war bei Gästen aus China (+21,8 %) und den Golf-Staaten (+20,7 %) auszumachen. Ein Wermutstropfen bleibt die Nachfrage aus Deutschland, welche unter dem Vorjahresniveau (­1,4 %) bleibt. Damit trägt das neben der Schweiz wichtigste Herkunftsland des Schweizer Tourismus nicht zum Aufschwung in der Schweizer Hotellerie bei.

Trotz der konjunkturellen Erholung steht der Schweizer Tourismus vor bedeutenden Herausforderungen. Diese identifizierte der Bundesrat in seinem im Juni verabschiedeten Bericht über die strukturelle Situation des Schweizer Tourismus und die

1296

künftige Tourismuspolitik des Bundesrates146. Eine Vielzahl der Herausforderungen wie zum Beispiel die mit der Verschiebung der Herkunftsmärkte einhergehende Visaproblematik, ein sich änderndes Gästeverhalten, das sich beispielsweise in immer kürzeren Aufenthalten zeigt, der Klimawandel oder der zunehmende Ressourcenverbrauch des Tourismus betreffen den Schweizer und den internationalen Tourismus. Lösungsansätze für diese Herausforderungen sind folglich auf internationaler Ebene zu suchen. Daher engagiert sich die Schweiz im OECD-Tourismusausschuss und in der Welttourismusorganisation. Daneben verstärkte die Schweiz im Berichtsjahr die tourismuspolitische Zusammenarbeit mit der EU. Die Erkenntnisse aus der internationalen Zusammenarbeit sollen den Schweizer Tourismusakteuren verstärkt vermittelt werden. Dazu ist ein Newsletter zur internationalen Tourismuspolitik geplant, welcher 2014 zum ersten Mal erscheinen soll.

9.3.1

Zusammenarbeit mit der EU

Im September fand in Brüssel ein Treffen mit der Tourism Policy Unit der EUKommission zur gegenseitigen Vorstellung der Tourismuspolitik statt. Das Treffen zeigte insbesondere, dass die Tourismuspolitik der Schweiz und der EU den Aspekten Nachhaltigkeit und Qualität für einen langfristig wettbewerbsfähigen Tourismus besondere Aufmerksamkeit beimessen. Zudem hat die EU-Tourismuspolitik in ihren Grundzügen eine ähnliche Ausrichtung wie jene der Schweiz. Wie die Schweizer Tourismuspolitik strebt jene der EU primär die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen an. Daneben sind die Erarbeitung von Wissensgrundlagen zu tourismuspolitisch wichtigen Themen wie beispielsweise den Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus und der Austausch von best practices im Tourismus weitere Schwerpunkte der Schweizer und der EU-Tourismuspolitik. Vor diesem Hintergrund ist ein gezielter tourismuspolitischer Austausch zwischen der EU und der Schweiz sinnvoll.

Beispielsweise ist ein Austausch im Bereich der Qualitätslabel im Tourismus denkbar. Zurzeit erarbeitet die Europäische Kommission ein europäisches Gütesiegel für nachhaltige Qualitätssysteme im Tourismusbereich. Mit dem 1997 lancierten Qualitäts-Programm147 des Schweizerischen Tourismusverbandes verfügt die Schweiz über ein ähnliches Label. Dieses ermöglicht touristischen Betrieben, die Dienstleistungsqualität zu prüfen, zu sichern und zielgerichtet zu optimieren. Ziel ist es, das Qualitätsbewusstsein in den Betrieben zu steigern, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Anbietern zu fördern und die hohe Dienstleistungsqualität im Schweizer Tourismus zu erhalten beziehungsweise zu steigern. Mit diesem Label verfügt die Schweiz über eine Erfahrung, welche mit der EU geteilt werden könnte.

Umgekehrt kann die Schweiz von den Erfahrungen der EU beim Aufbau des Labels profitieren. Zudem wird zu klären sein, in welchem Verhältnis das Schweizer Qualitäts-Label zum europäischen Gütesiegel steht und ob künftig die Übernahme des europäischen Labels für Schweizer Betriebe eine Möglichkeit sein könnte.

146

Bericht über die strukturelle Situation des Schweizer Tourismus und die künftige Tourismusstrategie des Bundesrates (Bericht in Erfüllung der Motion 12.3985 der Finanzkommission des Nationalrates vom 9. November 2012 und der Motion 12.3989 der Finanzkommission des Ständerates vom 13. November 2012) vom 26. Juni 2013.

147 Vgl. www.swisstourfed.ch > Label > Qualitäts-Programm.

1297

Von beiden Seiten wurde Bereitschaft geäussert, den Austausch zwischen der Schweizer und der EU-Tourismusbehörde unter anderem im Rahmen gegenseitiger Besuche tourismuspolitischer Veranstaltungen (z. B. Tourismus Forum Schweiz oder Europäischer Tourismustag) weiterzuführen.

9.3.2

Beitritt der Schweiz zum Erweiterten Teilabkommen über die Kulturwege des Europarats

Die Schweiz trat im Berichtsjahr dem Erweiterten Teilabkommen über die Kulturwege des Europarats bei.148 Dieses bildet den Rahmen für die Beteiligung von Staaten, die das Kulturwege-Programm des Europarates unterstützen und eine strategische Partnerschaft zur Erhöhung der Sichtbarkeit und der kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung dieser Wege aufbauen wollen. Das 1987 vom Europarat initiierte Kulturwege-Programm des Europarats umfasst aktuell 26 länderübergreifende Kulturwege wie beispielsweise die «Wikingerwege», den «Jakobsweg» oder die «Via Francigena». Die Kulturwege erschliessen ein gemeinsames thematisches Kulturerbe der europäischen Länder und haben somit eine symbolische Bedeutung für die europäische Einheit, Geschichte und Kultur. Indem die Kulturwege zu ungewöhnlichen, wenig bekannten Reisezielen führen und regionenübergreifende Themen Europas in der Vordergrund rücken, fördern sie das Bewusstsein für das gemeinsame kulturelle Erbe Europas und den nachhaltigen Tourismus.

Aufgrund der zentralen Lage der Schweiz in Europa führen mehrere der europäischen Kulturwege durch die Schweiz. Die Schweiz beteiligte sich vor ihrem Beitritt zum Erweiterten Teilabkommen bereits an acht europäischen Kulturwegen.149 Seit dem Beitritt der Schweiz wurde zudem der «Hugenotten- und Waldenserpfad», der ebenfalls durch die Schweiz führt, vom Europarat als europäischer Kulturweg ausgezeichnet. Damit liegen neun der insgesamt 26 europäischen Kulturwege teilweise in der Schweiz. Mit einer Schweizer Beteiligung am Erweiterten Teilabkommen dürften die Kulturwege, welche durch die Schweiz führen, stärker gefördert und breiter bekannt gemacht werden. Gleichzeitig führt die Schweiz damit ihr langjähriges Engagement für einen nachhaltigen Tourismus auf europäischer Ebene weiter.

9.3.3

Ausweitung der Schweizer Kampagne gegen Kindersextourismus auf Europa

Die 2010 vom SECO, vom Bundesamt für Polizei fedpol und von der Stiftung Kinderschutz Schweiz initiierte Kampagne gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen im Tourismus wurde im Berichtsjahr auf zahlreiche Länder Europas ausgeweitet.150 Ein wichtiges Element der Kampagne ist ein Online-Meldeformular, mit dem Reisende oder Mitarbeitende von Reiseagenturen einen 148 149

Vgl. Bundesratsbeschluss vom 23. Januar 2013.

«Jakobsweg», «Via Francigena», «Europäische Mozartwege», «Martinusweg», «Europäischer Weg des jüdischen Kulturerbes», «Cluniazensische Stätten in Europa», «Stätten der Kongregation La Chaise-Dieu» und «Europäische Strasse der Zisterzienserabteien».

150 Belgien, Bulgarien, Estland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Luxemburg, Niederlande, Polen, Rumänien, Spanien, Tschechische Republik und Ukraine. Darüberhinaus wird eine Partnerschaft mit fünf Schwerpunkt-Ländern in Afrika (Gambia, Kenia, Madagaskar, Senegal und Südafrika) aufgebaut.

1298

Verdacht auf sexuelle Ausbeutung eines Kindes direkt den Behörden melden können. Dies ist wichtig, weil die sexuelle Ausbeutung von Kindern von den Behörden nur geahndet werden kann, wenn substanzielle Verdachtsmomente vorliegen. Dieses erste behördenbasierte Meldeformular soll in ganz Europa verwendet werden. Bis Ende 2014 wird eine gemeinsame europäische Online-Plattform lanciert, auf welcher das Meldeformular in allen erforderlichen Sprachen aufgeschaltet und die mit nationalen Internetseiten der Strafverfolgungsbehörden verbunden wird. Die Ausweitung der Kampagne auf Europa führt dazu, dass das grenzüberschreitende Netz zum Schutz von Minderjährigen enger geknüpft wird. Der durch die Ausweitung verbesserte Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung im Tourismus trägt wesentlich zur Förderung eines nachhaltigeren Tourismus in den betroffenen Reisezielen bei.

Ergänzend dazu unterstützt das SECO im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit den Aufbau und die Umsetzung des Code of Conduct for the Protection of Children from Sexual Exploitation in Travel and Tourism. Dessen Mitglieder müssen mit den lokalen Behörden und Kinderschutzorganisationen Programme zum Schutz der Kinder vor Ausbeutung aufbauen und fördern. Der Code wurde von über 1 300 Partnerunternehmen in sechzig Ländern unterzeichnet und am 14. Oktober in Bern mit dem Skål International's 2013 Sustainable Development in Tourism Award for Education Programmes ausgezeichnet.

1299

10

Beilagen

10.1

Beilagen 10.1.1­10.1.3 Teil I:

1300

Beilagen nach Artikel 10 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Kenntnisnahme)

10.1.1

Finanzielles Engagement der Schweiz 2013 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken

Zahlungen der Schweiz an die Weltbank (in Mio. Fr.)

Institutionelle Verpflichtungen IBRD-Kapitalanteil IFC-Kapitalanteil MIGA-Kapitalanteil IDA-Beiträge IDA-MDRI Spezielle Initiativen Global Environment Facility1 Konsulentenfonds und Secondments1 Gesamtzahlungen der Schweiz 1

2010

2011

2012

2013

225,9 0,0 0,0 0,0 209,8 16,1

256,0 0,0 0,0 0,0 237,7 18,3

282,0 0,0 0,0 0,0 259,0 23,0

298,4 12,2 2,1 0,0 259,6 24,5

30,3 29,5 0,8

29,4 29,2 0,2

28,9 28,5 0,4

28,5 28,5 0,0

256,2

285,4

310,9

326,9

Fonds werden von der Weltbank verwaltet (ab 2008 inkl. Young Professional Program)

Zahlungen der Schweiz an die Afrikanische Entwicklungsbank (in Mio. Fr.)

Institutionelle Verpflichtungen AfDB Kapitalanteil AfDF Beiträge AfDF-MDRI Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtzahlungen der Schweiz

2010

2011

2012

2013

86,4 0,0 81,8 4,6

71,1 6,0 58,3 6,8

72,5 6,0 59,8 6,7

65,9 6,0 52,1 7,8

0,0 0,0

0,2 0,2

0,5 0,5

0,4 0,4

86,4

71,3

73,0

66,3

1301

Zahlungen der Schweiz an die Asiatische Entwicklungsbank (in Mio. Fr.)

Institutionelle Verpflichtungen ADB Kapitalanteil ADF Beiträge Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtzahlungen der Schweiz

2010

2011

2012

2013

13,7 0,0 13,7

14,6 1,3 13,4

14,9 1,4 13,5

15,6 1,4 14,2

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

13,7

14,6

14,9

15,6

Zahlungen der Schweiz an die Interamerikanische Entwicklungsbank (in Mio. Fr.)

2010

2011

2012

2013

Institutionelle Verpflichtungen IDB Kapitalanteil IIC Kapitalanteil FSO Beiträge

0,0 0,0 0,0 0,0

4,0 1,4 0,0 2,6

1,2 1,2 0,0 0,0

1,2 1,2 0,0 0,0

Spezielle Initiativen Beiträge an den MIF Konsulentenfonds und Secondments

0,6 0,6 0,0

0,9 0,7 0,2

1,5 1,0 0,5

1,6 1,2 0,4

Gesamtzahlungen der Schweiz

0,6

4,9

2,7

2,8

Zahlungen der Schweiz an die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (in Mio. Fr.)

2010

2011

2012

2013

Institutionelle Verpflichtungen EBRD Kapitalanteil

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments

0,5 0,5

0,0 0,0

2,1 2,1

0,0 0,0

Gesamtzahlungen der Schweiz

0,5

0,0

2,1

0,0

1302

10.1.2

Bewilligungen für Versandkontrollen im Auftrag ausländischer Staaten

Die im Zusammenhang mit dem WTO-Übereinkommen vom 15. April 1994151 über Kontrollen vor dem Versand erlassene Verordnung vom 17. Mai 1995152 über die Durchführung von Versandkontrollen regelt die Zulassung, Durchführung und Überwachung solcher Kontrollen (v.a. Überprüfung der Qualität, der Menge und des Preises) im Auftrag ausländischer Staaten durch spezialisierte Versandkontrollgesellschaften in der Schweiz. Solche Gesellschaften benötigen pro Auftragsland eine Bewilligung des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung.

Nach Artikel 15 der Verordnung ist jährlich eine Liste zu veröffentlichen, in welcher die Versandkontrollstellen, die über eine Bewilligung zur Vornahme von Versandkontrollen in der Schweiz verfügen, sowie die Länder, auf die sich die Bewilligung bezieht, aufgeführt sind.

Zurzeit verfügen fünf Kontrollgesellschaften über solche Bewilligungen. Es sind Bureau Veritas Switzerland AG in Weiningen (Veritas), Cotecna Inspection SA in Genf (Cotecna), Inspectorate (Suisse) SA in Prilly (Inspectorate), Intertek Testing Services Switzerland Ltd SA in Monnaz (Intertek) et SGS Société Générale de Surveillance SA in Genève (SGS). Die entsprechenden Bewilligungen beziehen sich auf 23 Staaten, von denen drei nicht der WTO angehören. Nachfolgend sind die betreffenden Staaten und Versandkontrollstellen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet153; das Stichdatum ist der 1. Dezember 2013154.

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Angola

Veritas Cotecna SGS Cotecna SGS SGS Veritas SGS SGS Veritas SGS Veritas Cotecna Inspectorate

28.02.2002 25.10.2006 31.10.2006 10.08.2004 01.09.1996 01.09.1996 30.05.2008 12.09.2003 09.04.2003 13.12.2011 01.03.2000 06.03.2001 10.02.2009 30.11.2010

Burkina Faso Burundi Ecuador Guinea Haiti Indonesien Iran (*)

151 152 153

SR 0.632.20, Anhang 1A.10 SR 946.202.8 Auf der Liste können auch Bewilligungen aufgeführt sein für Kontrollmandate, die sistiert, aber nicht beendet sind, und somit wieder operabel werden können.

154 Diese Liste findet sich auch auf Internetseite: www.seco.admin.ch/themen/00513/00514/index.html?lang=de.

1303

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Kamerun Kongo (Brazzaville) Kongo (Kinshasa) Liberia (*) Mali Mauretanien Mosambik Niger Nigeria Philippinen

SGS Cotecna Veritas Veritas Veritas SGS Intertek Cotecna SGS Veritas Intertek Cotecna SGS Veritas Intertek SGS Veritas Veritas

01.09.1996 22.08.2006 24.03.2006 08.12.1997 20.02.2007 01.09.1996 27.03.2001 08.12.1997 01.09.1999 13.12.2011 21.03.2012 22.08.2001 01.04.1999 02.01.2004 07.06.2000 10.04.2001 13.12.2011 02.01.2004

Senegal Tansania (nur Sansibar) Tschad Usbekistan (*)

Zentralafrikanische Republik

1304

10.1.3

Eckdaten zu Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes

Vom 1. Oktober 2012­30. September 2013 wurden gestützt auf die Güterkontrollverordnung vom 25. Juni 1997155 und Chemikalienkontrollverordnung vom 21. August 2013156 die nachfolgend aufgeführten Ausfuhrgesuche oder der Meldepflicht unterstellten Ausfuhren bewilligt beziehungsweise abgelehnt (vgl.

Ziff. 8.1.2): Güterkategorie ­ Anhang 2 GKV ­ Liste der Dual-useGüter ­ Kategorie 1 ­ Kategorie 0 ­ Kategorie 2 ­ Kategorie 3 ­ Kategorie 4 ­ Kategorie 5 (Teil 1) ­ Kategorie 5 (Teil 2) ­ Kategorie 6 ­ Kategorie 7 ­ Kategorie 8 ­ Kategorie 9 ­ Anhang 3 GKV ­ Liste der besonderen militärischen Güter ­ ML 1 ­ ML 2 ­ ML 3 ­ ML 4 ­ ML 5 ­ ML 6 ­ ML 7 ­ ML 8 ­ ML 9 ­ ML 10 ­ ML 11 ­ ML 12 ­ ML 13 ­ ML 14 ­ ML 15 155 156

Anzahl

Wert in Mio. CHF

1201

460,9

41 28 695 90 0 37 67 177 56 0 10

12,6 2,1 315,8 22,4 0 13,9 5,5 65,4 22,9 0 0,3

187

319,9

54 0 11 8 12 3 3 2 3 23 21 0 3 11 11

1,1 0 0,2 0,2 0,9 0,3 0,1 0,3 5,4 1 33,5 0 0,002 11 1,7

SR 946.202.1 SR 946.202.21

1305

Güterkategorie

Anzahl

Wert in Mio. CHF

3 1 6 0 0 3 9

0,03 73,6 0,6 0 0 0,002 190

158

4,8

138 20 0

0,7 4,1 0

7

0,07

1 3 3

0,009 0,05 0,01

980 41 939

240,5 2,3 238,2

0

0

­ Einfuhrzertifikate

378

­

­ Generallizenzen ­ OGB ­ AGB ­ GAB

166 124 33 9

­ ­ ­ ­

­ Denial Notifikationen ­ Kategorie 2 (MTCR) ­ Catch-All (Relevanz MTCR)

3 1 2

­ ­ ­

­ Anzeigen an BA

1

­

­ ­ ­ ­ ­ ­ ­

ML 16 ML 17 ML 18 ML 19 ML 20 ML 21 ML 22

­ Anhang 5 GKV ­ Güter, die nicht international abgestimmten Ausfuhrkontrollen unterliegen ­ 5.1 ­ 5.2 ­ 5.3 ­ Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) ­ Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeit ­ Schedule 1 ­ Schedule 2 ­ Schedule 3 ­ Sanktionen ­ Iran ­ Allgemeine Anfragen Iran ­ Catch-all

1306

10.2

Beilagen 10.2.1­10.2.2 Teil II:

Beilagen nach Artikel 10 Absätze 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Genehmigung)

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