10.2.2

Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Jamaika über den Schutz der geografischen Angaben vom 15. Januar 2014

1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage

Das Abkommen zwischen dem Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Regierung Jamaikas über die gegenseitige Anerkennung und den Schutz geografischer Angaben wurde am 23. September 2013 in Genf unterzeichnet.

Verhandlungen über bilaterale Abkommen zum Schutz geografischer Angaben (GA) sind eine sehr nützliche Massnahme zur Gewährleistung eines hohen internationalen Schutzes für die GA der Schweiz. Das zwischen der Schweiz und Jamaika ausgehandelte bilaterale Abkommen ist die Fortsetzung der Schweizer Strategie für eine Verbesserung des internationalen Schutzes der GA sowie des Namens und der Flagge unseres Landes für alle Arten von Waren. Die Schweiz hat auf diesem Gebiet in der Vergangenheit mit dem Abschluss bilateraler Abkommen gute Erfahrungen gemacht.1 Diese gewährleisten den Vertragsparteien einen höheren und effizienteren Schutz als auf multilateraler Ebene.2 Die Beifügung einer Liste von GA, die von den Parteien anerkannt und geschützt werden, verleiht diesen Bezeichnungen einen mit nationalen Eintragungen in der jeweils anderen Partei vergleichbaren Schutz. Der Abschluss solcher bilateraler Abkommen ist folglich für die Schweiz eine höchst nützliche ergänzende Massnahme zu ihren aktuellen Verhandlungen auf pluri- und multilateraler Ebene, namentlich im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO).

Dies gilt insbesondere angesichts der Schwierigkeit und Langsamkeit dieser Verhandlungen.

1

2

Vgl. insbesondere: Vertrag vom 7. März 1967 mit der Bundesrepublik Deutschland (SR 0.232.111.191.36), Vertrag vom 16. November 1973 mit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (SR 0.232.111.197.41), Vertrag vom 14. März 1974 mit der Französischen Republik (SR 0.232.111.193.49), Vertrag vom 9. April 1974 mit dem Spanischen Staat (SR 0.232.111.193.32), Vertrag vom 16. September 1977 mit der Portugiesischen Republik (SR 0.232.111.196.54), Vertrag vom 14. Dezember 1979 mit der Ungarischen Volksrepublik (SR 0.232.111.194.18) sowie in jüngerer Zeit: Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Anhang 7 betreffend Weine und Anhang 8 betreffend Spirituosen (SR 0.916.026.81) und Abkommen vom 29. April 2010 zwischen der Schweiz und Russland über den Schutz der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen (SR 0.232.111.196.65).

Vgl. insbesondere Art. 22­24 des WTO-Abkommens betreffend die handelsbezogenen Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS-Abkommen, SR 0.632.20, Anhang 1C) und Art. 6ter der Pariser Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 (Pariser Übereinkunft, SR 0.232.04).

2013-2545

1439

1.2

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Die Schweiz reagierte positiv auf das Interesse, das Jamaika 2008 im Anschluss an die fruchtbare Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts für technische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der GA bekundete, und nahm exploratorische Gespräche mit Blick auf ein bilaterales Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und den Schutz der GA auf. Die Gespräche kamen anschliessend langsam, aber regelmässig voran und führten letztlich zum vorliegenden Abkommen. Die Unterzeichnung fand am 23. September 2013 in Genf statt.

1.3

Überblick über den Inhalt des Abkommens

Das Abkommen mit Jamaika bezweckt die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die GA der Parteien für alle Arten von Waren. Es umfasst ferner einen spezifischen Schutz für die Namen der Länder und der amtlichen Verwaltungseinheiten der Hoheitsgebiete der Parteien sowie für ihre Wappen, Flaggen und Hoheitszeichen. Schliesslich beinhaltet es einen grundlegenden Schutz für die zur Kennzeichnung von Dienstleistungen verwendeten geografischen Angaben der Parteien.

Der Schutz der Angaben beruht auf den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Gegenseitigkeit und bezweckt die Vereinfachung und Förderung des Handels und der regionalen Wirtschaftsentwicklung der Parteien angesichts der positiven Rolle, welche die GA diesbezüglich spielen können. Das bilaterale Abkommen umfasst auch eine Liste von GA, die von den Parteien anerkannt und geschützt werden.

1.4

Würdigung

Die GA stellen ein attraktives Mittel zur Förderung des Handels und der regionalen Wirtschaftsentwicklung der Parteien dar. Dieses Instrument kann für die Förderung aller Arten von Waren verwendet werden, deren Ruf oder deren Eigenschaften mit ihrem geografischen Ursprung zusammenhängen. Als Beispiele können genannt werden: Emmentaler, Gruyère, Schweizer Schokolade und Schweizer Uhren (für die Schweiz) sowie Jamaica Rum, Blue Mountain Coffee und Jamaican Jerk (für Jamaika). Das mit Jamaika unterzeichnete Abkommen trägt somit zu einer Verbesserung des Rahmens für den gegenseitigen Handel und des Zugangs zu den jeweiligen Märkten der Parteien bei.

Die Bedeutung eines solchen Abkommens liegt in den darin verankerten hohen Schutznormen für die GA, dem damit verbundenen Fortschritt gegenüber dem aktuellen multilateralen Schutzniveau und seinem Beitrag zur Stärkung der Rechtssicherheit in diesem Bereich. Weiter trägt es zur Erweiterung des Netzes an bilateralen Abkommen der Schweiz in Sachen GA bei. Auf diesen ersten Abschluss eines Abkommens dieser Art mit einem Land der fraglichen Region könnten ähnliche Verträge mit Ländern folgen, die auf diesem Gebiet gleich gelagerte Interessen haben.

1440

1.5

Vernehmlassung

Dieses Abkommen erfordert für seine Anwendung in der Schweiz keine gesetzlichen Anpassungen und seine Akzeptanz scheint gegeben zu sein. Gemäss Artikel 2 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20053 wurde daher auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Abkommens

Art. 1

Zweck und Geltungsbereich

Artikel 1 des Abkommens bezweckt die Sicherstellung eines wirksamen Schutzes für die in Artikel 2 des Abkommens definierten und in ihrem Ursprungsland geschützten Angaben der Parteien. Diese Angaben betreffen die Namen der Länder und der amtlichen Verwaltungseinheiten der Hoheitsgebiete der Parteien (Anh. I des Abkommens) sowie die geografischen Angaben der Parteien (Art. 2, Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 Bst. c sowie Anh. II). Der Umfang des Schutzes für die verschiedenen Angaben ist in den Artikeln 3­5 und 12 festgelegt. Die Artikel 6­9 enthalten Bestimmungen für eine einfachere Durchsetzung der durch das Abkommen geschützten Angaben.

Art. 2

Geschützte Angaben

In Artikel 2 des Abkommens werden die verschiedenen durch das Abkommen geschützten Angaben aufgezählt. Dabei geht es um zwei Arten von Angaben: die Namen der Länder und der amtlichen Verwaltungseinheiten der Hoheitsgebiete der Parteien (Schweizer Kantone und Verwaltungseinheiten Jamaikas) sowie die GA der Parteien.

Die Aufnahme der Namen der Länder und ihrer Verwaltungseinheiten unabhängig von ihrer Eigenschaft als GA in das Abkommen (Art. 2 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 Bst. a) soll einen allgemeinen Schutz gegen ihre unrechtmässige Verwendung im Sinne von Artikel 3 ungeachtet der Art von Waren oder Dienstleistungen sicherstellen, für die sie verwendet werden. Für mehr Transparenz sind die Namen der Schweizer Kantone und die Namen der Verwaltungseinheiten Jamaikas in Anhang I des Abkommens aufgezählt.

Alle GA der Parteien, die der international anerkannten Definition4 von GA entsprechen und in ihrem Ursprungsland geschützt sind, geniessen die im Abkommen vorgesehenen Schutzmechanismen (Art. 2 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 Bst. c) ­ unabhängig davon, ob es sich um eine formelle Eintragung oder um eine andere Art des Schutzes handelt (zum Beispiel der den GA in der Schweiz gemäss den Artikeln 47 ff. des Markenschutzgesetzes vom 28. August 19925 gewährte Schutz sui generis). Einige GA (nämlich die als solche von den Parteien eingetragenen und die besonders angesehenen und wirtschaftlich bedeutenden) sind nach Produktkategorie 3 4 5

SR 172.061 Vgl. Art. 22 Abs. 1 des Abkommens betreffend die handelsbezogenen Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS-Abkommen, SR 0.632.20, Anhang 1.C).

SR 232.11

1441

im Anhang des Abkommens aufgelistet (Art. 2 Abs. 1 Bst. b und Abs. 2 Bst. b sowie Anh. II). Durch die Aufnahme in diese Listen ist gesichert, dass die entsprechenden Angaben von den Parteien als GA betrachtet werden. Diese Angaben müssen nicht in den nationalen Registern der Parteien eingetragen werden, um den durch das Abkommen gewährten Schutz auf dem Hoheitsgebiet der anderen Partei zu geniessen.

Art. 3

Schutzumfang

Das im Abkommen vorgesehene Schutzniveau ist höher als die Normen, die auf internationaler Ebene allgemein anerkannt werden, insbesondere im Rahmen des TRIPS-Abkommens oder der Pariser Übereinkunft.

Das Abkommen sichert allen in Artikel 2 genannten Angaben der Parteien einen gegenseitigen Schutz gegen ihre Verwendung auf identischen oder vergleichbaren Waren, die ihren Ursprung nicht an dem von der fraglichen Angabe bezeichneten Ort haben oder nicht den Bedingungen entsprechen, die in den Gesetzen und Vorschriften der betroffenen Partei festgelegt sind, einschliesslich der Pflichtenhefte für die gemäss der GUB/GGA-Verordnung 8. Mai 19976 geschützten landwirtschaftlichen Schweizer GUB und GGA (Art. 3 Abs. 1 Bst. a). Der Schutz von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b bezweckt ein Verbot der Verwendung dieser Angaben auf nicht identischen oder nicht vergleichbaren Waren, wenn dadurch die Öffentlichkeit über den geografischen Ursprung der Ware irregeführt wird.

Gemäss Artikel 3 Absatz 2 des Abkommens gilt der Schutz von Absatz 1 auch, wenn auf den Waren der tatsächliche Ursprung angegeben ist oder wenn die geschützte Angabe als Übersetzung verwendet wird. Der in diesem Absatz vorgesehene Schutz erstreckt sich ferner auf die Fälle, in denen die Angabe durch Ausdrücke wie «Art», «Typ», «Stil», «Weise», «Imitation», «Methode» oder sinngemässe Ausdrücke oder durch grafische Symbole begleitet wird, die zu einer Verwechslung mit einer geschützten Angabe führen können.

In den ersten beiden Absätzen von Artikel 3 wird die Lösung aus dem TRIPSAbkommen für die geografischen Angaben für Weine und Spirituosen übernommen (Art. 22 Abs. 2 und 23 Abs. 1 des TRIPS-Abkommens). Diesen Schutz versucht die Schweiz im Rahmen der Verhandlungen der WTO-Doha-Runde auf alle anderen Arten von Waren auszudehnen.

Für einen wirksameren Kampf gegen Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf nicht korrekte oder irreführende Verwendungen der durch das Abkommen geschützten Angaben, die im Hoheitsgebiet eines Drittlandes stattfinden könnten, sieht Artikel 3 Absatz 3 vor, dass der Schutz der Absätze 1 und 2 auch dann gilt, wenn Waren mit Ursprung im Hoheitsgebiet der Parteien zur Ausfuhr und Vermarktung ausserhalb des Hoheitsgebiets der Parteien bestimmt sind.

Artikel 3 Absatz 4 gewährleistet einen Schutz der geschützten Angaben gegen die
Eintragung von Marken, die nicht den Bestimmungen von Artikel 3 Absätze 1 und 2 entsprechen. Solche Marken werden abgelehnt oder für ungültig erklärt ­ entweder von Amtes wegen (falls die Gesetzgebung der betroffenen Partei dies erlaubt) oder auf Ersuchen einer beteiligten Partei. Das Abkommen übernimmt hier die Lösung des TRIPS-Abkommens für die GA von Weinen und Spirituosen7 und erweitert sie 6 7

SR 910.12 Vgl. Art. 22 Abs. 3 und 23 Abs. 2 des TRIPS-Abkommens.

1442

auf alle Waren. Bezüglich des Verhältnisses zwischen GA und früheren Marken ist zu beachten, dass die Ausnahme von Artikel 24 Absatz 5 des TRIPS-Abkommens anwendbar bleibt. Die aus einer durch das Abkommen geschützten GA bestehenden oder eine solche enthaltenden Marken, die gutgläubig in einer der Parteien angemeldet, eingetragen oder erworben wurden, bevor der betroffenen GA der Schutz im Hoheitsgebiet dieser Partei gewährt wurde, können so weiter existieren und genutzt werden. Zwar kann das ausschliessliche Recht an der Marke bei früher gutgläubig erworbenen Marken nicht bestritten werden, aber dieses Recht an der Marke darf nicht die Möglichkeit eines späteren Schutzes und einer Verwendung der durch das Abkommen geschützten Angaben innerhalb der Grenzen von Artikel 17 des TRIPSAbkommens verhindern.8 Vorbehalten bleiben jedoch die allgemeinen Grundsätze des innerstaatlichen Rechts hinsichtlich Rechtsmissbrauch, Treu und Glauben oder Irrtum bei der Gewährung des Schutzes für ein Recht am geistigen Eigentum.

Gemäss Artikel 3 Absatz 5 sind die Ausnahmen von Artikel 24 Absätze 4, 6 und 7 des TRIPS-Abkommens nicht auf die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b sowie Absatz 2 Buchstaben a und b genannten Angaben anwendbar. Dies bedeutet insbesondere, dass die in den genannten Absätzen von Artikel 2 bezeichneten Angaben nicht zu Gattungsbezeichnungen werden können.

Im Abkommen ist auch ein Schutz gegen eine irreführende Verwendung und unlauteren Wettbewerb für die in Artikel 2 genannten und zur Bezeichnung von Dienstleistungen verwendeten Angaben vorgesehen (Art. 3 Abs. 6).

Schliesslich bietet das Abkommen einen weiter gefassten Schutz als die aktuellen internationalen Normen9 in Bezug auf den Schutz der Wappen, Flaggen und Hoheitszeichen der Parteien, da ihr Schutz sich über die Marken hinaus auf die sonstigen Rechte am geistigen Eigentum und die Zeichen erstreckt, die mit diesen verwechselt werden können (Art. 3 Abs. 7).

Art. 4

Gleichlautende Angaben

Es kann vorkommen, dass in beiden Parteien oder in einer Partei und einem Drittland die gleiche Angabe als GA geschützt ist, vor allem dann, wenn zwei Orte in zwei unterschiedlichen Ländern den gleichen Namen tragen. Insoweit als bei solchen Angaben grundsätzlich beide einen Schutz verdienen, ist in Artikel 4 Absatz 1 des Abkommens eine Konfliktregel vorgesehen, die einen Schutz für gleichlautende Bezeichnungen gewährleistet, sofern die Verwendung dieser Angaben auf Waren unterschiedlichen Ursprungs die Konsumenten und Konsumentinnen in Bezug auf die tatsächliche geografische Herkunft nicht irreführt. Um die Interessen der Produzenten nicht zu gefährden und die Konsumenten und Konsumentinnen nicht irrezuführen, sind gemäss Artikel 4 Absatz 2 die Waren mit gleicher, in beiden Parteien geschützter Angabe beispielsweise durch die Angabe des Ursprungslandes auf der fraglichen Ware klar und ausdrücklich voneinander abzugrenzen. Das Abkommen übernimmt hier die Lösung von Artikel 23 Absatz 3 des TRIPS-Abkommens.

8

9

Dieser Ansatz entspricht dem Bericht der WTO-Sondergruppe vom 15. März 2005 in der Angelegenheit «Schutz von Marken und geografischen Angaben für landwirtschaftliche Produkte und Nahrungsmittel» (USA vs. Europäische Gemeinschaften), DS174.

Vgl. Art. 6ter der Pariser Übereinkunft.

1443

Art. 5

Ausnahmen

Artikel 5 enthält zwei Ausnahmen vom Schutz für die geschützten Angaben.

Gemäss Absatz 1 kann jede Person im geschäftlichen Verkehr ihren Namen oder den Namen ihres Geschäftsvorgängers oder ihrer Geschäftsvorgängerin, der eine durch dieses Abkommen geschützte Angabe enthält oder daraus besteht, weiter verwenden, sofern dieser Name nicht in einer die Konsumenten und Konsumentinnen irreführenden Weise verwendet wird. Diese Bestimmung entspricht der Ausnahme von Artikel 24 Absatz 8 des TRIPS-Abkommens.

Artikel 5 Absatz 2 enthält eine weitere Ausnahme, die es den Parteien erlaubt, eine Angabe nicht zu schützen, wenn diese in ihrem Ursprungsland nicht oder nicht mehr geschützt oder ungebräuchlich geworden ist. Der letztere Fall umfasst insbesondere die Einstellung der Produktion der Waren, deren Angabe geschützt war. Diese Bestimmung entspricht der Ausnahme von Artikel 24 Absatz 9 des TRIPS-Abkommens.

Art. 6

Schutzberechtigte

Die Durchsetzung des Schutzes gemäss Abkommen bei den innerstaatlichen Behörden der Parteien obliegt wie bei den übrigen Rechten am geistigen Eigentum in erster Linie den Inhabern und Inhaberinnen der Rechte an den durch das Abkommen geschützten Angaben, den Konsumenten und Konsumentinnen und ihren jeweiligen Verbänden (Art. 6). Trotzdem sind die Parteien gehalten, sich im Fall einer vermuteten nicht konformen Verwendung einer durch das Abkommen geschützten Angabe gegenseitig zu informieren und zu unterstützen, um die Durchsetzung der Rechte durch die interessierten Kreise zu erleichtern und zu fördern (Art. 9).

Art. 7

Aufmachung und Etikettierung

Falls die Bezeichnung oder Aufmachung einer Ware (z.B. in Bezug auf die Etikettierung oder die Verpackung, auf Briefköpfen oder Sendungen, in Anzeigen oder in der Werbung) dem im Abkommen vorgesehenen Schutz der Angaben widerspricht, sehen die Parteien gemäss Artikel 7 des Abkommens nach ihrem innerstaatlichen Recht die notwendigen verwaltungsrechtlichen Mechanismen vor und sorgen für die erforderlichen gerichtlichen Verfahren für die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs oder zur Verhinderung jeder irreführenden oder falschen Verwendung einer geschützten Angabe.

Art. 8

Anlaufstellen

Artikel 8 des Abkommens bezieht sich auf die Behörden der Parteien, die als Anlaufstelle für die Anwendung des Abkommens dienen. Es handelt sich um die für Fragen des geistigen Eigentums in jeder Partei zuständigen Behörden, das heisst das Jamaikanische Amt für geistiges Eigentum (Jamaica Intellectual Property Office) für Jamaika und das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum für die Schweiz.

Diese Behörden konsultieren die materiell zuständigen innerstaatlichen Behörden bei der Behandlung von sich ergebenden Fragen und arbeiten auf nationaler Ebene mit ihnen zusammen. Bei einer Änderung der Anlaufstelle wird eine Mitteilung über die diplomatischen Wege zugestellt; dadurch wird eine diesbezügliche Änderung des Abkommens vermieden (Art. 11 Abs. 4).

1444

Art. 9

Verfahren für nicht konforme Waren und Dienstleistungen

Artikel 9 des Abkommens sieht ein Verfahren vor, das den Parteien ein effizienteres Vorgehen gegen die nach dem Abkommen nicht konforme Verwendung geschützter Angaben ermöglicht. Dadurch kann die Durchsetzung der Rechte durch die interessierten Kreise, insbesondere die Produzenten und die Konsumenten und Konsumentinnen sowie ihre jeweiligen Verbände (Art. 6), unterstützt werden. Wenn eine Partei Grund zur Vermutung hat, dass eine durch das Abkommen geschützte Angabe im Geschäftsverkehr zwischen den Parteien auf eine nicht mit dem Abkommen übereinstimmende Weise verwendet wird oder verwendet wurde und diese nicht konforme Verwendung geeignet ist, Anlass zu verwaltungsrechtlichen Massnahmen oder gerichtlichen Verfahren zu geben, unterrichtet sie die andere Partei unverzüglich darüber und übermittelt ihr die notwendigen Auskünfte über diese Verwendung.

Die andere Partei prüft die Frage und teilt der ersuchenden Partei die Ergebnisse ihrer Prüfung sowie alle zur Verhinderung der nicht konformen Verwendung ergriffenen Massnahmen mit. Solche Mechanismen gibt es auch in anderen von der Schweiz abgeschlossenen bilateralen Abkommen über den Schutz der GA.10 Die Übermittlung der Informationen zwischen den Parteien erfolgt über die Anlaufstellen (vgl. Artikel 8). Diese konsultieren die übrigen für die Behandlung dieser Fragen zuständigen innerstaatlichen Behörden und arbeiten mit ihnen zusammen.

Art. 10

Nationale Register

Artikel 10 verweist auf die nationalen Register der Parteien und stellt klar, dass die Eintragung von GA in diesen Registern als Beleg dafür gilt, dass diese Angaben der Definition von GA entsprechen und gegebenenfalls Anspruch auf Schutz gemäss dem Abkommen haben.

Art. 11

Änderungen des Abkommens und der Anhänge

Laut Artikel 11 Absatz 2 des Abkommens können die Parteien das Abkommen durch gegenseitige Zustimmung ändern.

Um den Schutz neuer GA zwischen den Parteien und ihre Aufnahme in die Listen im Anhang des Abkommens zu erleichtern, erlaubt Artikel 11 Absatz 3 eine Änderung der Listen von GA im Anhang des Abkommens gemäss einem vereinfachten Verfahren ohne formelle Änderung des Abkommens. Somit kann jede Angabe, die von den Parteien neu als solche anerkannt und geschützt wird oder für eine Partei nach dem Abschluss des Abkommens ein bedeutendes wirtschaftliches oder gewerbliches Interesse erhält, unter Anwendung dieses vereinfachten Verfahrens in Anhang II aufgenommen werden. Die Zuständigkeit für die Zustimmung zu solchen Änderungen liegt in der Schweiz beim Bundesrat. Das Verfahren umfasst zwei Hauptphasen: die Mitteilung der neu in den Anhang II aufzunehmenden Angabe durch eine Partei und das Fehlen eines Widerspruchs durch die andere Partei. Im Fall eines Widerspruchs führen die Anlaufstellen der Parteien in Zusammenarbeit mit den übrigen betroffenen innerstaatlichen Behörden Beratungen durch, um die Frage nach dem Schutz der betreffenden Angabe zu lösen (Art. 13).

10

Vgl. insbesondere Art. 10 des Abkommens vom 29. April 2010 mit Russland (SR 0.232.111.196.65) oder Anhang 7 Art. 16 ff. des Abkommens vom 21. Juni 1999 mit der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (SR 0.916.026.81).

1445

Art. 12

Übergangsmassnahmen

Artikel 12 enthält Übergangsfristen, damit die auf dem Hoheitsgebiet der Parteien tätigen Produzenten und Händler innerhalb bestimmter Fristen die Verwendung der Angaben einstellen können, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens (Art. 12 Abs. 1) oder nach einer Änderung (Art. 12 Abs. 2) nicht beziehungsweise nicht mehr mit dem gemäss dem Abkommen gewährten Schutz in Einklang stehen.

Art. 13

Beilegung von Streitigkeiten

Nach Artikel 13 des Abkommens legen die Parteien bei einer Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die Auslegung oder Anwendung des Abkommens diese Frage mittels Beratungen bei.

Art. 14

Inkrafttreten und Kündigung

Das Abkommen tritt am ersten Tag des zweiten Monats nach dem Datum der letzten Mitteilung über den Abschluss der für das Inkrafttreten des Abkommens notwendigen innerstaatlichen Verfahren durch die Parteien in Kraft; diese Mitteilung wird über die diplomatischen Wege zugestellt (Art. 14 Abs. 1).

Das Abkommen kann jederzeit von einer Partei durch schriftliche Mitteilung an die andere Partei über die diplomatischen Wege gekündigt werden. Es erlischt sechs Monate nach dem Datum des Erhalts dieser Mitteilung (Art. 14 Abs. 2).

3

Auswirkungen des Abkommens

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Da die Anwendung dieses Abkommens in der Schweiz keine Anpassung gesetzlicher Bestimmungen erfordert und die Durchsetzung dieses Schutzes hauptsächlich von den Rechteinhabern und -inhaberinnen und anderen interessierten Kreisen abhängt, ergeben sich keine Auswirkungen auf die Finanzen des Bundes.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Der Abschluss dieses Abkommens hat keine Auswirkungen auf den Personalbestand des Bundes.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Der Abschluss dieses Abkommens hat keine Auswirkungen auf die Finanzen und den Personalbestand der Kantone und Gemeinden.

1446

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

GA stellen ein Instrument dar, das für die Förderung aller Arten von Waren verwendet werden kann, deren Ruf oder deren Eigenschaften mit ihrem geografischen Ursprung zusammenhängen. Ein guter Schutz der GA wirkt sich positiv auf die lokale Wirtschaft aus und fördert die nachhaltige Entwicklung.

3.4

Auswirkungen auf die Gesundheit und auf die Gesellschaft

Der Abschluss dieses Abkommens hat keine direkten Auswirkungen auf die Gesundheit und auf die Gesellschaft.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Der Abschluss dieses Abkommens hat keine Auswirkungen auf die Umwelt.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Das Abkommen wurde weder in der Botschaft vom 25. Januar 201211 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201212 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Es entspricht aber der Leitlinie 2 und insbesondere dem Ziel 10 (Fortsetzung der Aussenwirtschaftsstrategie) der Legislaturplanung 2011­2015.

4.2

Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

Dieses Abkommen wird in der vom Bundesrat 2011 dargelegten aussenwirtschaftspolitischen Strategie13 nicht besonders erwähnt. Gemäss den Ausführungen in Ziffer 1.1 steht es jedoch im Zusammenhang mit den Anstrengungen der Schweiz zur Verbesserung des internationalen Schutzes ihrer GA sowie ihres Ländernamens und ihrer Flagge. Diese Strategie entspricht auch der Forderung des Parlaments, die Verwendung der GA beim Abschluss neuer Handelsabkommen so weit wie möglich zu regeln.14

11 12 13 14

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 Bericht vom 11. Januar 2012 zur Aussenwirtschaftspolitik, Ziff. 1 (BBl 2012 827, hier 844).

Vgl. die am 11. März 2013 vom Nationalrat und am 6. Juni 2013 vom Ständerat überwiesene Motion 12.3642 «Regelung der Verwendung geografischer Herkunftsbezeichnungen in internationalen Verträgen».

1447

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung15 (BV) liegt der Abschluss internationaler Abkommen in Bezug auf die auswärtigen Angelegenheiten in der allgemeinen Zuständigkeit des Bundes. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, internationale Verträge zu unterzeichnen. Der Bundesversammlung obliegt es gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV, das vorliegende Abkommen zu genehmigen; eine gesetzliche oder staatsvertragliche Bestimmung, die den Bundesrat zum selbstständigen Abschluss ermächtigen würde, liegt nicht vor.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das Abkommen entspricht den Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der WTO.

Es steht auch im Einklang mit den übrigen internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

5.3

Erlassform

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1­3 BV unterstehen dem fakultativen Referendum völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Das Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1 und 2 BV ist folglich im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen zusätzlich die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Unter wichtigen Bestimmungen sind solche zu verstehen, die gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV im innerstaatlichen Recht in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen wären. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200216 gilt eine Bestimmung dann als rechtsetzend, wenn sie in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Dieses Abkommen erfordert für seine Anwendung in der Schweiz keine Anpassungen des Landesrechts und seine Akzeptanz scheint gegeben zu sein. Da die in Anhang II aufgeführten GA durch das Abkommen als gemäss Artikel 2 geschützte Angaben anerkannt werden, kann die Ansicht vertreten werden, dass dieses Abkommen rechtsetzende Bestimmungen enthält, die insbesondere die Rechte und Pflichten von Personen gemäss Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe c BV berühren. Im Weiteren können gewisse Bestimmungen des 15 16

SR 101 SR 171.10

1448

Abkommens so gelesen werden, dass sie die Aufgaben des Bundes gemäss Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe e BV berühren (vgl. Art. 9 und 12 des Abkommens).

Aus diesen Gründen schlägt der Bundesrat vor, den Bundesbeschluss zur Genehmigung dieses Abkommens dem fakultativen Staatsvertragsreferendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen. Folglich erhält der Beschluss zur Genehmigung des Abkommens die Form eines Bundesbeschlusses, der dem Referendum unterstellt ist.

Die Bundesversammlung kann den Bundesrat mittels Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag ermächtigen, völkerrechtliche Verträge selbstständig abzuschliessen oder die Änderungen völkerrechtlicher Verträge selbstständig zu genehmigen (Art. 166 Abs. 2 BV; Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 199717). Gestützt darauf wird der Bundesrat ermächtigt, die später an den Anhängen des Abkommens vorgenommenen Änderungen selbstständig zu genehmigen.

17

SR 172.010

1449

1450