14.049 Botschaft zur Genehmigung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR) (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) vom 28. Mai 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EU betreffend der Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Mai 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-0876

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Übersicht Die vorliegende Botschaft hat die Genehmigung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR) zum Inhalt.

Ausgangslage Die Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems EUROSUR (nachfolgend: EUROSUR-Verordnung) betrifft die Aussengrenzüberwachung der Schengen-Staaten.

Die Schengen-Staaten sind zur Überzeugung gelangt, dass parallele Überwachungsund Kontrollverfahren bei der Aussengrenzüberwachung sowie eine mangelhafte Zusammenarbeit und ein fehlender Informationsaustausch der betroffenen Behörden untereinander zu Sicherheitslücken führen können. Aus diesem Grund entstand das Bedürfnis nach einem gemeinsamen Instrument, das die verschiedenen Prozesse und Tätigkeiten der zuständigen Behörden bei der Aussengrenzüberwachung zentral koordiniert. Die EUROSUR-Verordnung bildet die entsprechende rechtliche Grundlage.

Die EUROSUR-Verordnung wurde am 22. Oktober 2013 von der EU verabschiedet und der Schweiz am 12. November 2013 als Weiterentwicklung des SchengenBesitzstands zur Übernahme im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 des SchengenAssoziierungsabkommens (SAA) notifiziert. Der Bundesrat hat am 6. Dezember 2013 die Übernahme dieser Schengen-Weiterentwicklung unter Vorbehalt der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen (Art. 7 Abs. 2 Bst. b SAA) gutgeheissen. Ein Vernehmlassungsverfahren fand vom 6. Dezember 2013 bis zum 21. März 2014 statt.

Inhalt der Vorlage Die EUROSUR-Verordnung dient als rechtliche Grundlage, um ein System zu errichten, das dem gemeinsamen Informationsaustausch und der Zusammenarbeit zwischen den Schengen-Staaten sowie der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der Schengen-Staaten der Europäischen Union (FRONTEX) dient. Die Aufdeckung, Bekämpfung und Prävention der illegalen Migration und der grenzüberschreitenden Kriminalität, beispielsweise von Menschenhandel und Drogenschmuggel, stehen dabei im Vordergrund. Die Zusammenarbeit im Rahmen von EUROSUR soll aber auch einen Beitrag zum Schutz und zur Rettung von migrationswilligen Personen in Not leisten.

Die EUROSUR-Verordnung
regelt zwingend den Informationsaustausch über die Grenzüberwachung an den Landes- und Seeaussengrenzen der Schengen-Staaten.

Der Austausch von Informationen über die Überwachung der Luftaussengrenzen ist lediglich fakultativ. Der Schweiz kommt daher im Rahmen der EUROSUR-Zusam-

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menarbeit eine passive Rolle zu, denn sie ist aufgrund ihrer Luftaussengrenzen nicht verpflichtet, Informationen an FRONTEX oder an die anderen Schengen-Staaten zu liefern. Beim Austausch von Informationen mit anderen Schengen-Staaten sind die nationalen und die auf bilateral-staatsvertraglicher Ebene vereinbarten Vorschriften zu berücksichtigen.

Abschlusskompetenz Für die Genehmigung des vorliegenden Notenaustauschs zur Übernahme der EUROSUR-Verordnung ist die Bundesversammlung gemäss Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV) zuständig. Im vorliegenden Fall fehlt es an einer besonderen gesetzlichen oder vertraglichen Ermächtigung des Bundesrats zum Vertragsabschluss, und es handelt sich auch nicht um einen Vertrag mit beschränkter Tragweite. Die EUROSUR-Verordnung enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 BV, weshalb der Notenaustausch zur deren Übernahme gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem fakultativen Referendum zu unterstellen ist.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Eine sehr grosse Anzahl von Behörden sind im Schengen-Gebiet mit der Überwachung der Aussengrenzen beschäftigt. Parallele Überwachungs- und Kontrollverfahren sowie eine mangelhafte Zusammenarbeit und ein fehlender Informationsaustausch der betroffenen Behörden untereinander stellen eine Sicherheitslücke bei der Aussengrenzüberwachung des Schengen-Raums dar. Aus diesem Grund entstand das Bedürfnis nach einem gemeinsamen Instrument, das die verschiedenen Prozesse und Tätigkeiten der zuständigen Behörden in der Aussengrenzüberwachung zentral koordiniert. EUROSUR (European Border Surveillance System) koordiniert die Anstrengungen im Bereich der Aussengrenzüberwachung und steigert damit deren Effizienz. Dadurch soll es weniger illegale Einwanderung in den Schengen-Raum, weniger grenzüberschreitende Kriminalität und weniger Todesfälle auf hoher See geben. Die Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (nachfolgend: EUROSUR-Verordnung)1 bildet die entsprechende rechtliche Grundlage.

Die Annahme der EUROSUR-Verordnung wurde der Schweiz vom Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union (EU) am 12. November 2013 notifiziert. Sie stellt eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 SAA2 dar. Entsprechend ist die Schweiz gemäss Artikel 2 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 7 SAA grundsätzlich gehalten, diese Verordnung zu übernehmen.

1.2

Verlauf der Verhandlungen in den zuständigen Arbeitsgruppen des Rates (COMIX) und Verhandlungsergebnis

Im Jahr 2008 nahm die EU-Kommission eine Mitteilung an, in der die Schaffung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems geprüft und ein Fahrplan für die Entwicklung, Prüfung und Umsetzung des Systems dargelegt wurde. Die Kommission legte den entsprechenden Legislativvorschlag im Dezember 2011 als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands vor.

Die Beratungen des Rates der EU über den Verordnungstext wurden in den Jahren 2011 bis 2013 in der zuständigen Arbeitsgruppe (Ratsarbeitsgruppe Grenze) sowie im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (Comité des représentants permanents; COREPER) in Brüssel geführt. Die Schweiz konnte ihren Standpunkt in Ausübung ihres Mitspracherechts, welches die EU der Schweiz gestützt auf das 1

2

Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR), ABl. L 295 vom 6.11.2013, S. 11.

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (SR 0.362.31).

4260

SAA einräumt, geltend machen. Über ein Stimmrecht verfügte die Schweiz jedoch nicht (vgl. Art. 7 Abs. 1 SAA).

In der ursprünglichen Fassung des Verordnungstexts war eine Teilnahme von Schengen-Staaten ohne Land- und Seeaussengrenzen (Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Tschechien und Luxemburg) an die EUROSUR-Zusammenarbeit nicht vorgesehen. Auf Antrag dieser Staaten und der Kommission wurde während der Verhandlungen die Zweckmässigkeit der Einbindung dieser Staaten anerkannt. Die daraus resultierende Anpassung von Artikel 5 der EUROSUR-Verordnung sieht nun vor, dass jeder Schengen-Staat ein nationales Koordinierungszentrum benennt, betreibt und betreut, auch wenn er aufgrund seiner Grenzen beispielsweise nur Daten erhält und nicht selbst liefern muss.

Im Zusammenhang mit der Einführung von EUROSUR wurden Bedenken geäussert. Befürchtet wurde, dass das geplante System zu einer vermehrten Rückführung von Flüchtlingen in sogenannte Verfolgerstaaten führen könnte. Die technischen Möglichkeiten könnten dazu beitragen, dass potenzielle Flüchtlinge nicht mehr in Berührung mit europäischen Behörden gelangen und damit auch ein Schutz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entfallen würde. Diesen Befürchtungen wurde Rechnung getragen, indem in der Verordnung ein Beitrag zur Gewährleistung von Schutz und zur Rettung des Lebens von Migrantinnen und Migranten festgehalten wurde. Eine verbesserte Überwachung kann im Mittelmeerraum durchaus zu einer verbesserten Seenotrettung beitragen, sofern die Zuständigkeiten geklärt und die Prozesse koordiniert sind. Gemäss Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der EUROSUR-Verordnung ist ein zeitnaher Informationsaustausch mit Rettungsbehörden auf nationaler Ebene zu gewährleisten, was eine Einbindung der Seenotrettung in das Informationssystem bedeutet.

Nach den Beratungen über den Verordnungstext in der Ratsarbeitsgruppe Grenze und im COREPER stimmten die zuständigen Organe der EU formell über den Verordnungstext ab. Das Europäische Parlament hat am 10. Oktober 2013 der Errichtung von EUROSUR zugestimmt. Die EUROSUR-Verordnung wurde am 22. Oktober 2013 vom Rat und vom Europäischen Parlament verabschiedet und der Schweiz am 12. November 2013 als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zur Übernahme notifiziert. Die Verordnung wurde am 6. November 2013 im Amtsblatt der EU (ABl.) publiziert und ist am 26. November 2013 (20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im ABl.) in der EU in Kraft getreten.

1.3

Überblick über den Inhalt der EUROSUR-Verordnung

Die EUROSUR-Verordnung dient als rechtliche Grundlage, um ein System zu errichten, das dem gemeinsamen Informationsaustausch und der Zusammenarbeit zwischen den Schengen-Staaten und der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der Schengen-Staaten der Europäischen Union (FRONTEX) dient. Auf der Grundlage der EUROSUR-Verordnung wird den Schengen-Staaten und FRONTEX die Infrastruktur und die Instrumente zur Verfügung gestellt, die sie benötigen, um ihr Lagebewusstsein zu verbessern und ihre Reaktionsfähigkeit an den Aussengrenzen der Schengen-Staaten zu erhöhen. Die Zusammenarbeit im Rahmen von EUROSUR verfolgt dabei drei Schlüsselziele: die Prävention der illegalen Migration, die Bekämpfung der grenzüberschreitenden 4261

Kriminalität und die Leistung eines Beitrags zur Gewährleistung des Schutzes und der Rettung des Lebens von Migrantinnen und Migranten. Die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Drittstaaten ist ebenfalls vorgesehen. Der Austausch von personenbezogenen Daten bleibt eine Ausnahme und unterliegt sowohl den europäischen als auch den nationalen Datenschutzvorschriften.

Mit der Umsetzung der EUROSUR-Verordnung erfolgt auf operationeller Ebene der Austausch von Informationen systematisch und nahezu in Echtzeit über das europäische Kommunikationsnetzwerk. Dabei werden auf der Grundlage von den Artikeln 8 und 9 der EUROSUR-Verordnung so genannte «Lagebilder» erstellt. Die nationalen Lagebilder, das europäische Lagebild und das gemeinsame Informationsbild des Grenzvorbereichs werden durch Erfassung, Bewertung, Zusammenstellung, Analyse, Auslegung, Erzeugung, Visualisierung und Verbreitung von Informationen erstellt. Informationen aus unterschiedlichen Quellen der Überwachung der Aussengrenzen werden zusammengeführt, auch unter Einsatz von Spitzentechnologie, wie beispielsweise Satelliten. Lagebilder werden nach einheitlichen Kriterien sowohl auf nationaler (nationales Lagebild) als auch auf europäischer Ebene (europäisches Lagebild und gemeinsames Informationsbild des Grenzvorbereichs) erstellt. Lagebilder werden zwischen den nationalen Koordinierungszentren und FRONTEX ausgetauscht. Die EUROSUR-Verordnung sieht vor, dass FRONTEX bei der Informationsgewinnung zur Erstellung der Lagebilder möglichst eng mit anderen EU-Behörden und Stellen zusammenarbeitet, im Speziellen mit dem EU-Satellitenzentrum, der Europäischen Fischereiaufsichtsagentur, der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs bei der Erbringung der Dienstleistungen für die gemeinsame Anwendung von Überwachungsinstrumenten sowie Europol.

In Artikel 24 der EUROSUR-Verordnung sind der Zeitpunkt des Inkrafttretens und der Anwendungszeitpunkt geregelt. Letzterer sieht eine Anwendung der Verordnung ab dem 2. Dezember 2013 für alle Schengen-Staaten mit Land- und Seeaussengrenzen3 vor. In allen anderen Schengen-Staaten (also auch in der Schweiz) soll das EUROSUR-Netzwerk ab dem 1. Dezember 2014 in Betrieb genommen werden.

1.4

Würdigung

Das EUROSUR-Kommunikationsnetz wird das erste europäische Netzwerk sein, das einen sicheren Austausch von vertraulichen und sensiblen Informationen ermöglicht. Gemäss Artikel 13 Absatz 2 der EUROSUR-Verordnung gehört dazu primär der Austausch von Schiffsidentifikationsnummern. Auf Seiten der Schengen-Staaten hat der Austausch von Personendaten im Einklang mit den jeweiligen nationalen Datenschutzbestimmungen und den in Artikel 11c der FRONTEX-Verordnung4 festgelegten datenschutzrechtlichen Prinzipien für die Bearbeitung personenbezoge-

3

4

Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Ungarn und Zypern.

Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates vom 26. Okt. 2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen, ABl. L 349 vom 25.11.2004, S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 863/2007, ABl. L 199 vom 31.07.2007, S. 30.

4262

ner Daten zu erfolgen. Die FRONTEX-Verordnung ist Teil des bereits von der Schweiz übernommen Schengen-Besitzstands5.

Für die Schweiz bedeutet die Übernahme der EUROSUR-Verordnung, dass sie mittels eines noch zu schaffenden nationalen Koordinierungszentrums an das EUROSUR-Netzwerk angeschlossen wird. Die Vorgaben für die Errichtung des nationalen Koordinierungszentrums sind in Artikel 5 der EUROSUR-Verordnung dargelegt. Die Schweiz wird über dieses Netzwerk Informationen zum europäischen Lagebild und zum gemeinsamen Informationsbild des Grenzvorbereichs erhalten.

Die EUROSUR-Verordnung betrifft die Überwachung der Land- und Seeaussengrenzen des Schengen-Raums. Da die Schweiz weder über Land- noch Seeaussengrenzen im Sinne der EUROSUR-Verordnung verfügt, ist sie nicht verpflichtet, Daten auf der Grundlage der EUROSUR-Verordnung an FRONTEX zu liefern oder nationale Lagebilder zu erstellen. Auf freiwilliger Basis kann die Verordnung zwar auch auf die Luftaussengrenzen der Schengen-Staaten angewendet werden. Eine freiwillige Lieferung von Informationen zur Luftaussengrenzüberwachung ist nach Ansicht der Schweiz aber nur dort verhältnismässig, wo bereits Informationen zur Land- und Seeaussengrenzüberwachung gesammelt und geliefert werden müssen.

Deshalb wird die Schweiz darauf verzichten, freiwillig Informationen zur Luftaussengrenzüberwachung im Rahmen von EUROSUR zu liefern.

Über das zu errichtende nationale Koordinierungszentrum kann die Schweiz bei Bedarf Daten zur Aussengrenzüberwachung von den Nachbarstaaten erhalten.

Beispielsweise können Daten zur Aussengrenzüberwachung, die von den südlichen Nachbarstaaten erhoben werden, für die Schweiz im Rahmen der Beurteilung der nationalen Migrationslage von Interesse sein.

Aus Sicht der Schweizer Europapolitik ist die Teilnahme der Schweiz an EUROSUR positiv zu werten. Die EUROSUR-Zusammenarbeit stellt eine Erweiterung der Zusammenarbeit mit der EU und den Schengen-Staaten im wichtigen Bereich der Aussengrenzüberwachung dar und ist eine logische Konsequenz aus der Teilnahme an FRONTEX. Dieses Koordinationsinstrument trägt zur Stärkung der Grenzverwaltung des Schengen-Raums bei. Deshalb wird es voraussichtlich an Bedeutung gewinnen und es ist um so mehr im Interesse der Schweiz, dass sie ebenfalls an das Kommunikationsnetzwerk angeschlossen
wird. Ansonsten droht die Schweiz wichtige Daten im Bereich der Aussengrenzüberwachung nicht zu erhalten und somit nicht alle Fakten bei der nationalen Lagebeurteilung miteinbeziehen zu können. Letztlich dürfte die EUROSUR-Zusammenarbeit damit zu einem Sicherheitsgewinn für die Schweiz führen.

1.5

Verfahren zur Übernahme von Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands

Im Rahmen des Schengen-Assoziierungsabkommens (SAA)6 hat sich die Schweiz gegenüber der EU grundsätzlich zur Übernahme aller Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands verpflichtet (Art. 2 Abs. 3 und Art. 7 SAA). Die Übernahme eines neuen Rechtsakts erfolgt in einem besonderen Verfahren, welches die Notifi5 6

SR 0.362.380.018 SR 0.362.31

4263

kation der Weiterentwicklung durch die EU-Organe und die Übermittlung einer Antwortnote seitens der Schweiz umfasst. Das Verfahren beginnt mit der Verabschiedung des Rechtsakts durch die zuständigen Organe der EU.

Soweit der zur Übernahme anstehende Rechtsakt rechtlich verbindlicher Natur ist, bilden die Notifizierung durch die EU und die Antwortnote der Schweiz einen Notenaustausch, der aus schweizerischer Sicht als völkerrechtlicher Vertrag zu qualifizieren und aufgrund der verfassungsmässigen Vorgaben förmlich zu genehmigen ist, sei es durch den Bundesrat, durch das Parlament oder gegebenenfalls in einer Referendumsabstimmung durch das Volk.

Ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Notenaustauschs zuständig, teilt die Schweiz der EU in ihrer Antwortnote mit, dass die betreffende Weiterentwicklung für sie erst «nach Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Voraussetzungen rechtsverbindlich» wird (Art. 7 Abs. 2 Bst. b SAA). Ab der Notifizierung des Rechtsaktes durch die EU verfügt die Schweiz für die Übernahme und Umsetzung der Weiterentwicklung über eine Frist von zwei Jahren. Innerhalb dieser Frist muss auch eine allfällige Referendumsabstimmung stattfinden.

Sobald das innerstaatliche Genehmigungsverfahren zu Ende ist und damit alle «verfassungsrechtlichen Voraussetzungen» erfüllt sind, muss die Schweiz dies der EU unverzüglich und in schriftlicher Form mitteilen, was der Ratifizierung des Notenaustauschs gleichkommt. Der Notenaustausch betreffend die Übernahme des jeweiligen Rechtsakts wird mit der Übermittlung dieser Information an die EU in Kraft treten.

Die EUROSUR-Verordnung wurde am 22. Oktober 2013 verabschiedet und der Schweiz am 12. November 2013 als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zur Übernahme notifiziert. Der Bundesrat beschloss am 6. Dezember 2013, die Verordnung unter Vorbehalt der Erfüllung der verfassungsmässigen Voraussetzungen zu akzeptieren und notifizierte dem Rat der EU am 12. November 2013 seinen Beschluss. Die maximale Frist für die Übernahme lauft somit am 12. November 2015 ab.

Eine allfällige Nichtübernahme einer Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands würde im äussersten Fall die Beendigung der Zusammenarbeit von Schengen insgesamt (und damit automatisch auch von Dublin) nach sich ziehen (Art. 7 Abs. 4 SAA).

1.6

Umsetzungsbedarf

Die EUROSUR-Verordnung ist ein detailliert ausgestalteter Rechtsakt der EU. Die enge Verknüpfung der zu übernehmenden EUROSUR-Verordnung mit der Zusammenarbeit im Bereich von FRONTEX führt dazu, dass mit der Umsetzung von FRONTEX für einen Grossteil der Anforderungen, die sich aus der EUROSURVerordnung ergeben, die rechtlichen Grundlagen bereits vorliegen. Insbesondere fallen darunter die Regelungen bezüglich des Datenschutzes und der Zusammenarbeit sowie des Informationsaustausches bei der Aussengrenzüberwachung (vgl.

Artikel 92 des Zollgesetzes vom 18. März 20057, welcher im Zuge der Übernahme

7

SR 631.0

4264

und Umsetzung der FRONTEX- und der RABIT-Verordnung8 eingeführt wurde9; vgl. auch die Verordnung über die operative Zusammenarbeit mit den anderen Schengen-Staaten zum Schutz der Aussengrenzen des Schengen-Raums [VZAG]10).

Auf nationaler Ebene besteht überdies ein gut funktionierendes Netzwerk zum Informationsaustausch im Bereich Migration und grenzüberschreitende Kriminalität.

Eine Optimierung dieses Netzwerkes ist im Rahmen der aktuell laufenden Arbeiten zur integrierten Grenzverwaltung (IBM) vorgesehen.

Als Aussengrenzen im Sinne der EUROSUR-Verordnung sind die Land- und Seeaussengrenzen der EU bzw. der Schengen-Staaten zu verstehen. Folglich verfügt die Schweiz nicht über einen Aussengrenzabschnitt im Sinne der EUROSUR-Verordnung. Das bedeutet, dass die Schweiz weder nationale Lagebilder erstellen noch ein nationales Netzwerk zur Aussengrenzüberwachung betreiben muss. Für die Schweiz sind deshalb zahlreiche Bestimmungen der EUROSUR-Verordnung nicht relevant.

Die EUROSUR-Verordnung verpflichtet die Schweiz zum jetzigen Zeitpunkt zur Errichtung und zum Betrieb eines nationalen Koordinierungszentrums (Art. 5 i.V.m.

Art. 24 Ziff. 4 der EUROSUR-Verordnung), welches die Schnittstelle zum EUROSUR-Netzwerk bildet. Zudem sollen allfällige Informationen zur Aussengrenzüberwachung der Nachbarstaaten über das Koordinierungszentrum erhalten werden können. Das nationale Koordinierungszentrum soll beim Grenzwachtkorps (GWK) angesiedelt werden. Eine entsprechende rechtliche Grundlage ist in die VZAG aufzunehmen.

1.7

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200511 wurde vom 6. Dezember 2013 bis zum 21. April 2014 ein ordentliches Vernehmlassungsverfahren durchgeführt. Zur Stellungname eingeladen wurden die Kantone, die politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände und die weiteren interessierten Kreise.

Insgesamt sind 36 Vernehmlassungsantworten eingegangen. Von den Kantonen gingen 25 Vernehmlassungsantworten ein (ausser JU). Davon haben sechs Kantone (AR, AI, BS, GR, SH, UR) auf eine Stellungnahme verzichtet, wobei sich Appenzell-Ausserrhoden und Uri gleichzeitig mit der vorgeschlagenen Weiterentwicklung einverstanden erklären. Alle anderen Kantone ­ wobei der Kanton Schwyz nur unter Vorbehalt, dass die EUROSUR-Zusammenarbeit nicht zu nationalen Überwachungsmassnahmen genutzt wird ­ sind mit der vorgeschlagenen Übernahme der EUROSUR-Verordnung einverstanden.

Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) hat sich ebenfalls ausdrücklich mit der vorgeschlagenen Übernahme der EUROSUR-Verordnung einverstanden erklärt.

8

9 10 11

Verordnung (EG) Nr. 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über einen Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates hinsichtlich dieses Mechanismus und der Regelung der Aufgaben und Befugnisse von abgestellten Beamten, ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 30.

Bundesbeschluss vom 3. Oktober 2008, AS 2009 4583 SR 631.062 SR 172.061

4265

Von den Parteien und Verbänden sind zehn Vernehmlassungsantworten eingegangen. Lediglich die SVP hat sich klar gegen die Vorlage ausgesprochen. Die Piratenpartei ist mit einigen inhaltlichen Punkten der Verordnung nicht einverstanden bzw.

verlangt Klärungsbedarf.

Von Einzelpersonen sind keine Vernehmlassungsantworten eingegangen.

Grundsätzlich ist die vorgeschlagene Übernahme und Umsetzung der EUROSURVerordnung positiv aufgenommen worden. Insbesondere die Verbesserung der Koordination der Schengen-Staaten bei der Überwachung der Aussengrenzen zur Prävention der illegalen Migration und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität wird von einer deutlichen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer ausdrücklich unterstützt. Ein weiteres Ziel der EUROSUR-Verordnung, nämlich der Schutz und die Rettung von Menschen in Seenot, wird ebenfalls von einigen Teilnehmern und Teilnehmerinnen ausdrücklich begrüsst (SP, ZG, TI).

Aufgrund der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens mussten keine Anpassungen an der Vorlage vorgenommen werden.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der EUROSUR-Verordnung

Erwägungsgründe Die Erwägungsgründe sollen die wichtigsten Bestimmungen des rechtlich verpflichtenden Teils der Verordnung kurz und prägnant begründen, ohne deren Wortlaut wiederzugeben. Sie dürfen keine Bestimmungen mit normativem Inhalt und auch keine politischen Willensbekundungen enthalten. Die drei Ziele der EUROSURVerordnung, namentlich die Prävention der illegalen Migration, die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und das Bestreben, einen Beitrag zur Gewährleistung des Schutzes und der Rettung des Lebens von Migrantinnen und Migranten zu leisten, sind hier ausgeführt.

FRONTEX soll unter anderem die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit anderen Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, wie der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs und dem Satellitenzentrum der Europäischen Union, verbessern. Synergien werden genutzt, indem auf bereits bestehende Informationen, Anlagen und Systeme, die auf europäischer Ebene zur Verfügung stehen, wie z.B. das Europäische Erdbeobachtungsprogramm, zurückgegriffen wird.

Die bereits bestehende Zusammenarbeit von FRONTEX mit verschiedenen Stellen und Behörden der EU soll optimiert werden. Die EUROSUR-Verordnung wird als Teil des europäischen Modells zur integrierten Grenzverwaltung an den Aussengrenzen und der Strategie der inneren Sicherheit der Europäischen Union bezeichnet. In den Erwägungsgründen 19­24 wird zudem festgehalten, dass die EUROSUR-Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des SchengenBesitzstandes darstellt.

4266

Art. 1­3

Allgemeine Bestimmungen

In Artikel 1 und 2 sind der Gegenstand und der Anwendungsbereich der EUROSUR-Verordnung geregelt. Gegenstand bildet die Errichtung eines gemeinsamen Rahmens für den Informationsaustausch zwischen den Schengen-Staaten und FRONTEX. Ziel der EUROSUR-Verordnung ist die Erhöhung der Reaktionsfähigkeit der Grenzüberwachungsbehörden der Schengen-Staaten an den Aussengrenzen.

Deshalb werden die Behörden in ihren Bemühungen, sich ein umfassendes Bild über die Lage an ihren Aussengrenzen zu verschaffen, unterstützt. Die Aufdeckung, Bekämpfung und Prävention der illegalen Migration und der grenzüberschreitenden Kriminalität, beispielsweise Menschenhandel und Drogenschmuggel, stehen dabei im Vordergrund. Die EUROSUR-Zusammenarbeit leistet zudem einen Beitrag zum Schutz und zur Rettung von migrationswilligen Personen in Not.

Der Anwendungsbereich der EUROSUR-Verordnung beschränkt sich auf die Überwachung der Land- und Seeaussengrenzen der Schengen-Staaten. Lediglich auf freiwilliger Basis können Informationen zur Luftaussengrenzüberwachung ausgetauscht werden. Das bedeutet, dass die Schweiz von der EUROSUR-Verordnung nur in beschränktem Masse betroffen ist, da sie nicht über eine Land- oder Seeaussengrenze im Sinne der EUROSUR-Verordnung verfügt.

In Artikel 3 werden die einzelnen zentralen Begriffe der Verordnung erläutert.

Art. 4­7

Rahmen und Komponenten

Die Artikel 4­7 regeln die einzelnen Komponenten, die für die Errichtung und den Betrieb des EUROSUR-Netzwerks erforderlich sind. Dabei wird in Artikel 4 Absatz 1 festgehalten, dass der Informationsaustausch unter Berücksichtigung der bestehenden Mechanismen für Informationsaustausch und Zusammenarbeit zu erfolgen hat. Auf der Grundlage der EUROSUR-Verordnung werden also grundsätzlich keine neuen Mechanismen zur Aussengrenzüberwachung geschaffen, sondern bereits bestehende Mechanismen koordiniert.

Die Errichtung des nationalen Koordinierungszentrums, das ein zentraler Bestandteil des Netzwerks ist, wird in Artikel 5 geregelt. Jeder Schengen-Staat hat ein solches Zentrum zu errichten, welches die einzige Kontaktstelle für den Informationsaustausch mit FRONTEX und mit den anderen nationalen Koordinierungszentren bildet. Das auf der Grundlage der EUROSUR-Verordnung zu errichtende nationale Koordinierungszentrum, welches den Zugangspunkt zum EUROSUR-Netzwerk bildet, soll im GWK angesiedelt werden.

Da die Schweiz nicht über einen Aussengrenzabschnitt im Sinne der EUROSURVerordnung verfügt, koordiniert das nationale Koordinierungszentrum keine Zusammenarbeit der nationalen Behörden bei der Aussengrenzüberwachung. Das bedeutet, dass das nationale Koordinierungszentrum weder Lagebilder erstellen noch den zeitnahen Informationsaustausch oder die Zusammenarbeit der für die Aussengrenzüberwachung zuständigen Behörden gewährleisten muss. Das auf der Grundlage der EUROSUR-Verordnung zu errichtende nationale Koordinierungszentrum, welches den Zugangspunkt zum EUROSUR-Netzwerk bildet, soll durch das GWK betrieben werden. Dies rechtfertigt sich aufgrund des engen Bezugs zu FRONTEX, deren nationale Kontaktstelle ebenfalls im GWK angesiedelt ist.

Das nationale Koordinierungszentrum der Schweiz nimmt folglich eine beobachtende Rolle bei der Aussengrenzüberwachung der Schengen-Staaten ein. Es wird 4267

Informationen (europäisches Lagebild und das gemeinsame Informationsbild des Grenzvorbereiches) erhalten.

Artikel 6 enthält Bestimmungen zum Umfang der Verpflichtungen von FRONTEX im Rahmen der EUROSUR-Koordinationsarbeit. Dabei ist entscheidend, dass die Agentur sowohl für die Errichtung als auch für die Betreuung des EUROSURKommunikationsnetzes verantwortlich ist. Zudem koordiniert sie die gemeinsame Anwendung der Überwachungsinstrumente.

Artikel 7 regelt die Zuständigkeiten und Aufgaben, die das Kommunikationsnetz betreffen. Insbesondere wird der Informationsaustausch geregelt. Dabei können sowohl sensible als auch vertrauliche Informationen in gesicherter Weise und echtzeitnah ausgetauscht werden. In Absatz 2 wird FRONTEX verpflichtet, für die Interoperabilität des Kommunikationsnetzwerks mit allen anderen einschlägigen, von der Agentur verwalteten Kommunikations- und Informationssystemen zu sorgen.

Art. 8­12

Lagebewusstsein

Die Artikel 8­12 regeln den Umfang und die Grundlage der verschiedenen Lageund Informationsbilder, die auf nationaler und europäischer Ebene nach bestimmten Regeln zu erstellen sind.

In Artikel 8 werden generelle Voraussetzungen für die Erarbeitung der drei verschiedenen Lagebilder (nationales Lagebild, europäisches Lagebild, gemeinsames Informationsbild des Grenzvorbereichs) geregelt. Die jeweiligen Lagebilder bestehen aus drei Schichten (Ereignisschicht, Einsatzschicht, Analyseschicht), welche ihrerseits nochmals unterteilt werden (Art. 9). Eine dieser Teilschichten betrifft auch die Informationsgewinnung aus Bildmaterial und Geodaten.

Artikel 9 regelt die zu erstellenden nationalen Lagebilder. Da die Schweiz nicht über einen Aussengrenzabschnitt im Sinne der EUROSUR-Verordnung verfügt, wird das nationale Koordinierungszentrum kein nationales Lagebild erstellen und lediglich das europäische Lagebild und das gemeinsame Informationsbild des Grenzvorbereichs zur Information erhalten. Zudem wird hier der direkte Austausch von Informationen aus den Lagebildern zwischen den benachbarten Schengen-Staaten geregelt.

Artikel 10 regelt das europäische Lagebild. Die Informationsquellen für die Erstellung des europäischen Lagebildes sind zahlreich. So fallen namentlich die nationalen Lagebilder, FRONTEX, die europäische Kommission, EU-Delegationen (EU-Botschaften) und Büros der EU sowie sonstige Einrichtungen der EU und internationale Organisationen darunter.

Artikel 11 regelt das gemeinsame Informationsbild des Grenzvorbereichs. Die Verantwortung für die Erstellung dieses Bildes liegt, gleich wie für das europäische Lagebild, bei FRONTEX. Auch hier werden eine Vielzahl von Informationsquellen, wie beispielsweise die nationalen Koordinierungszentren, FRONTEX und EU-Delegationen (EU-Botschaften) und Büros der EU, bestimmt.

In Artikel 12 wird FRONTEX mit der Koordination der gemeinsamen Anwendung der Überwachungsinstrumente beauftragt. Hier steht die Konstanz und Kosteneffizienz im Vordergrund. Auf Antrag eines Schengen-Staates liefert FRONTEX Informationen beispielsweise über die Beobachtung von Häfen und Küstenabschnitten von Drittstaaten und die Überwachung bestimmter Schiffe oder Seegebiete.

4268

FRONTEX liefert zudem Wetterprognosen für Gebiete, in denen Schiffe der Grenzbehörden fahren wollen, oder auch selektive Beobachtungen zu ausgewiesenen Grenzvorbereichen an den Aussengrenzen. Als Datenquellen dienen Schiffsmeldesysteme, Satellitenbilder und Sensoren, die auf Fahrzeugen und Schiffen montiert sind.

Art. 13

Verarbeitung personenbezogener Daten

Artikel 13 regelt die Verarbeitung personenbezogener Daten in den auf der Grundlage der EUROSUR-Verordnung zu erstellenden Lagebildern. Grundsätzlich stützt sich die Verarbeitung personenbezogener Daten in den nationalen Lagebildern auf die jeweiligen nationalen Datenschutzvorschriften und auf die einschlägigen datenschutzrechtlichen Regelungen der EU12. Im europäischen Lagebild sowie im gemeinsamen Informationsbild des Grenzvorbereichs dürfen personenbezogene Daten nur unter Einhaltung der Vorschriften der FRONTEX-Verordnung verarbeitet werden. Dabei regelt die EUROSUR-Verordnung eingrenzend, dass personenbezogene Daten, die im europäischen Lagebild und im gemeinsamen Informationsbild des Grenzvorbereichs verarbeitet werden, lediglich Schiffsidentifizierungsnummern betreffen dürfen. Solche Personendaten dürfen im europäischen Lagebild und im gemeinsamen Informationsbild des Grenzvorbereichs zudem ausschliesslich zur Aufspürung, Identifizierung und Verfolgung von Schiffen sowie für die in Artikel 11c Absatz 3 der FRONTEX-Verordnung genannten Zwecke (Übermittlung an Europol oder andere EU-Strafverfolgungsbehörden, Erstellung der Risikoanalyse) verarbeitet werden. Sie werden innerhalb von sieben Tagen oder, falls mehr Zeit für die Verfolgung eines Schiffes benötigt wird, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Daten bei FRONTEX automatisch gelöscht. Über das Kommunikationsnetz könnten eventuell in Ausnahmefällen auch besonders schützenswerte Personendaten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199213 über den Datenschutz ausgetauscht werden. Dies findet aber in der Schweiz nur beschränkt Anwendung, da das nationale Koordinierungszentrum keine nationalen Lagebilder erstellt und somit keine personenbezogenen Daten verarbeiten wird.

Art. 14­16

Reaktionsfähigkeit

Artikel 14­16 regeln die benötigte Reaktionsfähigkeit, um die Ziele der gemeinsamen Aussengrenzüberwachung zu erreichen. Dabei werden einzelne Aussengrenzabschnitte definiert und in Risikostufen eingeteilt. Die anschliessende Reaktion erfolgt entsprechend der Einstufung. Die gemeinsamen Mechanismen für die Reaktion auf diese Risiken sind in Artikel 15 geregelt. Lediglich bei einem hohen Risiko (high impact level) ist eine mögliche Unterstützung durch FRONTEX auf Ersuchen des betroffenen Schengen-Staates vorgesehen. Die Unterstützung erfolgt, sofern die Bedingungen für die Einleitung von gemeinsamen Aktionen oder Soforteinsätzen gemäss der FRONTEX-Verordnung vorliegen.

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Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31; Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates vom 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden, ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 60.

SR 235.1

4269

Art. 17­23

Besondere und Schlussbestimmungen

Titel III regelt neben den Schlussbestimmungen besondere Bestimmungen. Mit letzteren ist die Regelung der Zusammenarbeit mit verschiedenen Behörden, Dritten (Einrichtungen und sonstige Stellen der EU sowie internationale Organisationen), Irland und dem Vereinigten Königreich sowie mit benachbarten Drittstaaten gemeint.

Artikel 17 sieht die Möglichkeit vor, Aufgaben im Rahmen der Aussengrenzüberwachung an bestimmte Inlandbehörden zu übertragen. Dabei geht es um die Sicherstellung des Lagebewusstseins und der Reaktionsfähigkeit. Darunter fällt beispielsweise die Unterstützung und Planung der nationalen Grenzüberwachungstätigkeiten.

Diese Inlandbehörden können folglich Aufgaben übernehmen, die im Kompetenzbereich des nationalen Koordinierungszentrums liegen. Wichtig ist, dass das nationale Koordinierungszentrum entsprechend informiert wird und seine Arbeit dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Artikel 18 sieht die Möglichkeit vor, dass FRONTEX mit Dritten zusammenarbeitet.

In diesem Kontext sind als «Dritte» Einrichtungen und sonstige Stellen der EU sowie internationale Organisationen gemeint. Unter anderem stützt sich die Zusammenarbeit von FRONTEX mit Europol, dem EU-Satellitenzentrum, der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen und der Europäischen Fischereiaufsichtsagentur auf diesen Artikel. Weiter wird gestützt auf diese Bestimmung ein Informationsaustausch mit dem Operationszentrum für den Kampf gegen den Drogenhandel im Atlantik (MAOC-N) und dem Koordinationszentrum für die Bekämpfung des Drogenhandels im Mittelmeer (Centre de Coordination pour la lutte antidrogue en Méditerranée CeCLAD-M) ermöglicht.

Die mit «Dritten» auszutauschenden Informationen fliessen in das europäische Lagebild (Art. 10) und das gemeinsame Informationsbild des Grenzvorbereichs (Art. 11) ein. Der Informationsaustausch erfolgt dabei entweder über das EUROSUR-Kommunikationsnetzwerk (Art. 7) oder auch über andere Kommunikationsnetze, die die relevanten Sicherheitskriterien erfüllen. Dieser Informationsaustausch erfolgt unter Beachtung der relevanten Datenschutzerfordernisse.

Artikel 19 regelt die Zusammenarbeit mit Irland und dem Vereinigten Königreich.

Diese Zusammenarbeit bedarf einer eigenen Regelung, da die EUROSURVerordnung ein Teil des
Schengen-Besitzstands und daher nicht auf Irland und das Vereinigte Königreich anwendbar ist. Da aber auch diese beiden EU-Staaten an den auf der Grundlage der EUROSUR-Verordnung gewonnen Informationen interessiert sind, wurde eine Regelung ausgehandelt, wonach der Informationsaustausch zwischen diesen Staaten und ihren benachbarten Schengen-Staaten gestützt auf bi- oder multilaterale Abkommen erfolgen kann. Der Abschluss einer solchen Vereinbarung ist der EU-Kommission mitzuteilen. Die Schweiz grenzt nicht an einen Aussengrenzabschnitt der genannten Staaten und wird folglich keine solche Vereinbarung anstreben.

Artikel 20 regelt die Zusammenarbeit mit benachbarten Drittstaaten. Ähnlich wie bei der Zusammenarbeit mir Irland und dem Vereinigten Königreich erfolgt die Zusammenarbeit gestützt auf bi- und multilaterale Vereinbarungen mit diesen Drittstaaten. Vor dem Abschluss einer solchen Vereinbarung überprüft die EU-Kommission deren Vereinbarkeit mit der EUROSUR-Verordnung. Der allfällige Vereinbarungsabschluss ist der EU-Kommission anschliessend mitzuteilen. Ausdrücklich 4270

untersagt ist der Austausch von Informationen, die Personen oder Personengruppen gefährden könnten. Jeder Schengen-Staat, der anderen Schengen-Staaten Informationen zur Verfügung gestellt hat, die im Rahmen dieser Vereinbarungen ausgetauscht werden sollen, muss sich vorgängig mit der Weiterleitung dieser Informationen an den Drittstaat einverstanden erklären. Eine allfällige Verweigerung der Weiterleitung ist bindend. Die Schweiz ist von Schengen-Staaten umgeben und verfügt nicht über einen Aussengrenzabschnitt mit einem benachbarten Drittstaat.

Die Schweiz wird folglich keine solchen Vereinbarungen anstreben.

Artikel 21 bildet die rechtliche Grundlage für die Erarbeitung eines Handbuchs.

Dieses wird von FRONTEX gemeinsam mit den Schengen-Staaten erarbeitet. Es handelt sich dabei um einen praxisbezogenen Leitfaden, der technische und operative Informationen zur Anwendung und Verwaltung der EUROSUR-Vorgaben enthält. Auch Empfehlungen und bewährte Praktiken sollen in das Handbuch aufgenommen werden.

Artikel 22 regelt die Überwachung und Evaluierung der EUROSUR-Zusammenarbeit. Dabei wird FRONTEX verpflichtet, erstmals am 1. Dezember 2015 und anschliessend im Zweijahresrhythmus einen Bericht über das Funktionieren der EUROSUR-Zusammenarbiet zuhanden des Europäischen Parlaments zu erstellen.

Des Weiteren wird die EU-Kommission verpflichtet, im Vierjahresrhythmus (erstmals am 1. Dezember 2016) eine Gesamtevaluation der Umsetzung der EUROSURVerordnung zu Handen des EU-Parlaments vorzunehmen.

Artikel 23 bildet die rechtliche Grundlage für die nötigen Änderungen der FRONTEX-Verordnung, damit FRONTEX die ihr durch die EUROSUR-Verordnung übertragenen Aufgaben wahrnehmen kann.

Art. 24

Inkrafttreten und Geltungsbeginn

Artikel 24 regelt das Inkrafttreten und den Geltungsbeginn der EUROSURVerordnung. Dabei wird grundsätzlich der 2. Dezember 2013 als Geltungsbeginn festgelegt. Staaten wie die Schweiz, die über keine Land- und Seeaussengrenzen verfügen, müssen jedoch erst ab dem 1. Dezember 2014 ein nationales Koordinierungszentrum gemäss Artikel 5 betreiben. Gemäss SAA hat die Schweiz bis 12. November 2015 Zeit, die EUROSUR-Verordnung zu übernehmen und ins nationale Recht umzusetzen (zwei Jahre ab Notifikation der EUROSUR-Verordnung durch die EU).

Anhang Schliesslich hält der Anhang zur EUROSUR-Verordnung die wichtigsten Grundsätze fest, die für die Einrichtung, den Betrieb und die Betreuung der verschiedenen EUROSUR-Bestandteile zu berücksichtigen sind.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Beim Bund entstehen aufgrund der Übernahme der EUROSUR-Verordnung nur geringe Mehrkosten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass der geringe personelle und finanzielle Mehraufwand vollständig über das bestehende Budget 4271

finanziert werden kann. Da die Schweiz derzeit weder ein nationales Lagebild erstellt noch ein Netzwerk zur Aussengrenzüberwachung betreiben muss, fallen lediglich Kosten in Zusammenhang mit dem Koordinierungszentrum an. Im Sinne einer effizienten Synergienutzung wird das Koordinierungszentrum bei der bereits bestehenden nationalen FRONTEX-Kontaktstelle angesiedelt. Der entsprechende Mehraufwand ist deshalb gering. Zudem wird die gesamte Informatikstruktur auf europäischer Seite durch FRONTEX finanziert und zur Verfügung gestellt. Darunter fällt beispielsweise der benötigte Server, welcher mit allen anderen Servern der Schengen-Staaten und mit dem zentralen FRONTEX-Server kommuniziert. Die Kosten für die zukünftigen Updates werden ebenfalls von FRONTEX finanziert.

Die Finanzierung der mit der Umsetzung der EUROSUR-Verordnung verbundenen Kosten geht grösstenteils zulasten des Budgets von FRONTEX. Dennoch ist aktuell keine Erhöhung der diesbezüglichen Beitragszahlungen der Schengen-Staaten, also auch nicht der Schweiz, vorgesehen.

Der benötigte EUROSUR-Server wird vor Ort durch einen Techniker von FRONTEX installiert und konfiguriert. Der Einbezug des Bundesamts für Informatik ist zwingend, um sicherzustellen, dass die Installation mit den Vorgaben der schweizerischen Gesetzgebung, insbesondere was die Anforderungen an die Sicherheit betrifft, konform ist.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Bei den Kantonen entstehen keine finanziellen und personellen Auswirkungen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201214 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201215 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Sie wird aber wegen der zeitlichen Dringlichkeit trotzdem vorgelegt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Soweit der zur Übernahme anstehende Rechtsakt rechtlich verbindlicher Natur ist, bilden die Notifizierung durch die EU und die Antwortnote der Schweiz einen Notenaustausch, der aus schweizerischer Sicht als völkerrechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist. Die vorliegend zu übernehmende EUROSUR-Verordnung ist rechtsverbindlich.

14 15

BBl 2012 481 BBl 2012 7155

4272

Der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Notenaustausches betreffend die Übernahme der EUROSUR-Verordnung stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)16, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig. Eine Ausnahme bilden jene Verträge, für deren Abschluss der Bundesrat laut Gesetz oder eines internationalen Vertrags zuständig ist (Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes [RVOG]17; Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes [ParlG]18) oder wenn es sich um einen Vertrag von beschränkter Tragweite handelt (Art. 7a Abs. 2 RVOG).

Vorliegend besteht keine spezialgesetzliche Delegationsnorm, welche den Bundesrat zum selbständigen Abschluss des Notenaustauschs ermächtigt. Auch liegt kein völkerrechtlicher Vertrag von beschränkter Tragweite gemäss Artikel 7a Absatz 2 RVOG vor. Der Notenaustausch zur Übernahme der EUROSUR-Verordnung ist entsprechend der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

5.2

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung (BV) unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

Der vorliegende Notenaustausch enthält verschiedene wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe e und g BV. Unter anderem wird die Schweiz dazu verpflichtet, ein nationales Koordinierungszentrum zu errichten. Zudem wird sie verpflichtet, sich an ein europäisches Kommunikationsnetz anzuschliessen, über das sensible und vertrauliche Informationen ausgetauscht werden können. Über dieses Netz könnten beispielsweise in Ausnahmefällen und falls eine entsprechende Rechtsgrundlage vorliegt, auch besonders schützenswerte Personendaten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c des Bundesgesetzes über den Datenschutz ausgetauscht werden. Demzufolge ist die Bundesversammlung für die Genehmigung dieses völkerrechtlichen Vertrags zuständig und die Übernahme der EUROSUR-Verordnung ist dem fakultativen Referendum zu unterstellen (Art. 141 Abs. 1 Bst. d BV).

16 17 18

SR 101 SR 172.010 SR 171.10

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