Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 15. November 2013 Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Februar 2014

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 15. November 2013 betreffend die Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Februar 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 28. November 20081 veröffentlichte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) ihren Bericht über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee. In diesem Bericht gab die GPK-N sechs Empfehlungen an den Bundesrat ab. Darin wurde dieser u. a. aufgefordert, das Verfahren zur Auswahl der höchsten Führungskräfte des Bundes zu verbessern. Der Bundesrat nahm dazu am 22. April 20092 Stellung.

Die Affäre Nef veranlasste die GPK auch dazu, das Verfahren bei der Wahl des obersten Kaders im Allgemeinen zu untersuchen. Nach einem ersten Anlauf im Jahre 2009, der aufgrund mangelnden Informationszugangs abgebrochen werden musste, beauftragte die GPK nach entsprechender Änderung vom 17. Juni 20113 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) im Januar 2012 erneut mit einer Evaluation zu diesem Thema. Die PVK untersuchte 37 Ernennungen durch den Bundesrat aus dem Jahr 2012 und verglich diese mit 44 Ernennungen zwischen 2009 und 2011.4 Die GPK-N legte die Schlussfolgerungen aus dieser Evaluation in ihrem am 15. November 20135 verabschiedeten Bericht dar und gab erneut sechs Empfehlungen ab. Sie ersuchte den Bundesrat, zu ihren Feststellungen und Empfehlungen bis zum 28. Februar 2014 Stellung zu nehmen und darzulegen, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenke.

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Stellungnahme des Bundesrates

In ihrem Bericht kommt die GPK-N u. a. zu folgenden Ergebnissen: Das Wahlverfahren des obersten Kaders hänge jeweils massgeblich vom zuständigen Departement ab. Der Bundesrat schalte sich in der Regel nicht in dieses Verfahren ein. Er sei somit in den meisten Fällen nur formell für die Wahlgeschäfte zuständig. Bei den 81 Ernennungen, die der Bundesrat zwischen 2009 und 2012 vorgenommen habe, sei nie ein Mitbericht verfasst worden, nie sei eine vorgeschlagene Person vom Bundesrat angehört worden und der Bundesrat habe nie einen Vorschlag abgelehnt. Dennoch habe der Bundesrat die Anträge der Departemente jeweils bestätigt, ohne bei der Nachfolgeplanung, bei der Bedarfsanalyse oder bei der Suchstrategie oder beim Auswahlverfahren (Qualitätsgarantie) je einbezogen gewesen zu 1 2

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Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee, Bericht der GPK-N vom 28. Nov. 2008 (BBl 2009 3425).

Bericht der GPK-N vom 28. Nov. 2008 über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee. Stellungnahme des Bundesrates vom 22. April 2009 (BBl 2009 3481).

AS 2011 4537 Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 20. Juni 2013 zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (www.parlament.ch > Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle) Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 15. Nov. 2013 (BBl 2014 2787).

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sein. Aufgrund dieses mangelnden Einbezuges wirft die GPK-N die Frage nach dem Stellenwert der Wahlzuständigkeit des Bundesrates auf, die gegenwärtig in erster Linie symbolischen Charakter zu haben scheine. Angesichts dieser weitgehenden Delegation der Wahlverfahren an die Departemente betont die GPK-N die Wichtigkeit der Qualität der auf Departementsebene durchgeführten Auswahlverfahren und kommt zum Schluss, dass dabei die strategische Führung durch den Bundesrat fehle.

Empfehlung 1

Schaffung eines einheitlichen Wahlverfahrens anhand einer Liste mit für alle Departemente geltenden Grundelementen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, eine Liste von verbindlichen Grundelementen zu erstellen, anhand derer ein für alle Departemente und die Bundeskanzlei geltendes Wahlverfahren geschaffen werden soll. Dieses soll den besonderen Bedürfnissen des EDA und des VBS angepasst werden können.

Bereits im Rahmen seiner Stellungnahme vom 22. April 2009 zum Bericht der GPK-N vom 28. November 2008 äusserte sich der Bundesrat einlässlich zum Auswahlverfahren bei Funktionen mit höchster Verantwortung. Er sprach sich dafür aus, dass der Selektionsprozess für höchste Führungskräfte auch in Zukunft situationsgerecht und auf den Einzelfall zugeschnitten müsse abgewickelt werden können, was einen gewissen Ermessensspielraum bedinge. Darüber hinaus betonte er das Interesse des Bundes, zum Schutz der Kandidatinnen und Kandidaten auch in Zukunft ein Höchstmass an Vertraulichkeit zu gewährleisten. Unter diesen Prämissen anerkannte der Bundesrat für die Selektion höchster Führungskräfte Optimierungsmöglichkeiten. Er beschloss in der Folge, hinsichtlich der Gestaltung der Verfahrens- und Informationsabläufe und des Einsatzes von Evaluationsinstrumenten konkrete Massnahmen zu ergreifen. Die Massnahmen wurden seither umgesetzt und haben zu einer Verbesserung der Wahlverfahren geführt.

Am eingeschlagenen Weg hält der Bundesrat weiterhin fest. Er ist bereit, eine Liste mit Grundelementen zu erstellen, die von allen Departementen und der Bundeskanzlei bei Wahlverfahren, die in die Zuständigkeit des Bunderates fallen, im Normalfall einzuhalten sind. Es wird zu definieren sein, in welchem Umfang diese Liste auch auf die Wahl der Generalsekretäre und Generalsekretärinnen anwendbar sein soll, da diese eine direktere Beziehung zu ihrer Departementsvorsteherin oder ihrem Departementsvorsteher haben. Aufgrund dieser besonderen Beziehung wurde denn auch darauf verzichtet, die Ernennungen von Generalsekretären und Generalsekretärinnen in die Untersuchung der PVK6 und damit in den Bericht der GPK-N einzubeziehen.

Diese Massnahme wird bis Mitte 2015 umgesetzt.

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S. 14 im genannten Bericht der PVK.

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Empfehlung 2

Konsequente Durchführung der erweiterten PSP mit Befragung vor der Ernennung

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, dafür zu sorgen, dass die Auswahlverfahren der Departemente immer gemäss den geltenden Rechtsgrundlagen ­ insbesondere jenen zur PSP ­ durchgeführt werden. Er sorgt dafür, dass die zu ernennenden Personen einer erweiterten Personensicherheitsprüfung mit Befragung gemäss Artikel 12 PSPV unterzogen werden und dass ihm das Ergebnis dieser Prüfung vor der Ernennung vorliegt.

Der Bundesrat ist mit Empfehlung 2 unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten einverstanden.

Die Verordnung über die Personensicherheitsprüfungen ist 2011, also nach der Affäre Nef, totalrevidiert worden.7 Seit 1. April 2011 müssen sich Personen, die vom Bundesrat ernannt werden, einer erweiterten Personensicherheitsprüfung mit Befragung unterziehen.8 Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten kann bei Personensicherheitsprüfungen von versetzungspflichtigem und im Ausland eingesetztem Personal, das einer erweiterten Personensicherheitsprüfung mit Befragung unterzogen werden muss, bei zeitlicher Dringlichkeit im Einzelfall von der Prüfstufe abweichen. Die erweiterte Personensicherheitsprüfung mit Befragung ist in diesen Fällen so bald wie möglich nachzuholen.9 Bei vom Bundesrat ernannten Personen ist die Prüfung durchzuführen, bevor sie dem Bundesrat für die Ernennung oder die Übertragung der Funktion vorgeschlagen werden.10 Der Bundesrat erachtet Empfehlung 2 somit als erfüllt.

Empfehlung 3

Vollständige und transparente Kandidatensuche

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, bei der Schaffung eines einheitlicheren Auswahlverfahrens des obersten Kaders sicherzustellen, dass die Kandidatensuche immer korrekt zu Ende geführt wird. Insbesondere ist ein allfälliger Verzicht auf die öffentliche Ausschreibung klar zu kommunizieren und in den Unterlagen an den Bundesrat zu begründen. Der Bundesrat soll insbesondere über die Anzahl der ausgeschiedenen Kandidaten informiert werden sowie darüber, ob es sich um verwaltungsinterne oder verwaltungsexterne Bewerbungen handelte.

Der Bundesrat ist mit Empfehlung 3 einverstanden.

In der Bundesverwaltung gilt der Grundsatz, dass zu besetzende Stellen öffentlich auszuschreiben und damit allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern zugänglich 7 8 9 10

Verordnung vom 4. März 2011 über die Personensicherheitsprüfungen (PSPV, SR 120.4).

Art. 12 PSPV Art. 13 PSPV Bundesgesetz vom 21. März 1997 zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS, SR 120); Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 23. Dez. 2011, in Kraft seit 16. Juli 2012 (AS 2012 3745).

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zu machen sind.11 Davon ausgenommen sind, soweit vorliegend relevant, Stellen, die in den Verwaltungseinheiten intern besetzt werden. Aus wichtigen Gründen können die Departemente im Einzelfall auf eine öffentliche Ausschreibung verzichten oder ausnahmsweise eine andere Art der öffentlichen Ausschreibung vorsehen; in diesen beiden Fällen ist das Eidgenössische Finanzdepartement entsprechend zu orientieren.12 In jenen Fällen, in denen der Bundesrat Wahlbehörde ist, hat er aus Gründen seiner strategischen Führungsverantwortung ein Interesse daran zu wissen, weshalb auf eine Ausschreibung verzichtet wurde. Weiter ist es für ihn von Interesse, über die Breite der Kandidatensuche (intern oder auch extern) informiert zu sein und zu wissen, aus welcher Anzahl Bewerbungen der Wahlvorschlag des zuständigen Departements resultiert. Die Wahlanträge der Departemente an den Bundesrat enthalten somit schon heute die von der GPK-N verlangten Angaben.

Der Bundesrat ist bereit, im Wahlantrag künftig, nebst der bereits heute im Antrag verlangten Nennung der Anzahl der Bewerbenden, eine Angabe darüber aufzunehmen, ob es sich um verwaltungsinterne oder verwaltungsexterne Bewerbungen handelte.

Zudem soll der Bundesrat in Zukunft im Rahmen des Antrags transparent darüber informiert werden, weshalb auf eine Ausschreibung verzichtet wurde. Gleichzeitig wird der Bundesrat prüfen, ob Artikel 22 der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 200113 (BPV) zu revidieren ist.

Empfehlung 4

Ein kohärenter und vorgegebener Selektionsprozess

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, bei der Schaffung eines einheitlicheren Auswahlverfahrens für die obersten Kader eine für das gesamte Verfahren geltende Liste mit präzisen, transparenten und vorgegebenen Auswahlkriterien und Instrumenten zu erstellen. Dazu gehören insbesondere die Stellungnahme einer Drittperson, der Einbezug der Departementsvorsteherin oder des Departementsvorstehers sowie die Durchführung eines Assessments.

Der Bundesrat teilt die Auffassung der GPK-N, dass die Ernennung der obersten Kader der Bundesverwaltung gestützt auf ein transparentes Auswahlverfahren erfolgen muss, das für alle Kandidatinnen und Kandidaten von den gleichen und im Voraus festgelegten Beurteilungs- und Bewertungskriterien ausgeht und das die zuständige Departementsvorsteherin oder den zuständigen Departementsvorsteher einbezieht. Der Bundesrat vertritt darüber hinaus die Ansicht, dass für die Auswahlverfahren diverse Evaluationsinstrumente vorzusehen sind, die dem jeweiligen Wahlprozedere entsprechend zur Anwendung kommen sollen, ohne dass in jedem Fall zwingend das gesamte Instrumenten-Repertoire zum Zuge kommen muss.

Der Bundesrat hat sich zu den Evaluationsinstrumenten bereits in seiner Stellungnahme von 200914 geäussert. Die dort eingeschlagene Richtung hat seither zur Verbesserung der Wahlverfahren geführt und soll daher weiterverfolgt werden.

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Art. 7 des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG, SR 172.220.1).

Art. 22 der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001 (BPV, SR 172.220.111.3).

SR 172.220.111.3 BBl 2009 3481, hier 3483

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Wichtige Evaluationsinstrumente bilden auch künftig der aktualisierte Stellenbeschrieb und ein darauf abgestütztes Anforderungsprofil. Zur Ermittlung der führungsmässigen sowie der persönlichen und charakterlichen Eignung werden für den engsten Kreis der Kandidatinnen und Kandidaten geeignete Verfahren angewendet.

Zu diesem Zweck werden auch Assessments durchgeführt.

Der Bundesrat ist bereit, in die Liste gemäss Empfehlung 1 mögliche Evaluationsinstrumente aufzunehmen.

Empfehlung 5

Frühzeitige Kenntnis aller relevanten Informationen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, dafür zu sorgen, dass vor Wahlgeschäften den Mitgliedern des Bundesratskollegiums genügend Zeit eingeräumt wird, um von allen Informationen Kenntnis zu nehmen, welche die von den Departementen vorgeschlagenen Kandidaten, die angewandten Auswahlkriterien sowie die Vor- und Nachteile der ausgeschiedenen Kandidaten betreffen.

Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass er rechtzeitig über die erforderlichen Informationen verfügen muss, um die geeignetste Kandidatin oder den geeignetsten Kandidaten auswählen zu können; er hat dies bereits in seiner Stellungnahme von 200915 zum Ausdruck gebracht. Er teilte der GPK-N zudem bereits damals mit, dass die Dokumente zu bundesrätlichen Wahlanträgen aus Diskretionsgründen normalerweise keine sensiblen Informationen zu nicht berücksichtigten Kandidatinnen und Kandidaten enthalten. Dies geschehe als Vorsichtsmassnahme im Hinblick auf allfällige Indiskretionen im Vorfeld der Bundesratssitzung.

Der Bundesrat hat also schon vor einiger Zeit Massnahmen ergriffen. Zur Verbesserung der Informationslage zum Wahlgeschäft wird seither der schriftliche Wahlantrag des Departements mit einer anonymisierten Kurzinformation zum Auswahlverfahren und den Ergebnissen ergänzt. Der Antrag kann zudem auf Initiative des antragstellenden Departements oder auf Wunsch eines anderen Bundesratsmitgliedes anlässlich der Bundesratssitzung ergänzt werden. Zum Schutz der Persönlichkeit und der beruflichen Stellung der Kandidatinnen und Kandidaten erfolgt dies mündlich. Dieser Schutz muss auch künftig gewährleistet bleiben.

Der seither eingeschlagene Weg hat die Transparenz der Auswahlverfahren erhöht.

Der Bundesrat hält daran fest, dass die Vorbereitung des Wahlgeschäfts in der Verantwortung des antragstellenden Departements liegt. Die Umschreibung der Vorund Nachteile aller ausgeschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten erachtet der Bundesrat als nicht angemessen.

Empfehlung 6

Einschränkung der Ernennungen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, zu prüfen, ob es zweckmässig ist, dass er für die Besetzung aller in Artikel 2 Absatz 1 BPV genannten Posten zuständig ist, und die GPK-N über das Ergebnis dieser Prüfung zu informieren.

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BBl 2009 3481, hier 3484

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Gemäss Artikel 2 Absatz 1 BPV ist der Bundesrat zuständig für die Begründung, Änderung und Beendigung der Arbeitsverträge von Staatssekretären und Staatssekretärinnen, von Amtsdirektoren und Amtsdirektorinnen, von deren Stellvertretern und Stellvertreterinnen und von Personen, die in den Departementen vergleichbare Verantwortung tragen, von höheren Stabsoffizieren, von Generalsekretären und Generalsekretärinnen der Departemente und von deren Stellvertretern und Stellvertreterinnen, des Vizekanzlers oder der Vizekanzlerin der Bundeskanzlei sowie von Missionschefs und Missionschefinnen. Auf dieser Basis werden vom Bundesrat jährlich mehrere Dutzend Arbeitsverhältnisse begründet.

Daraus ergibt sich, wie die GPK-N richtig feststellt, dass es für die Wahlbehörde nicht immer einfach ist, die Vorschläge anderer Departemente in jedem Fall richtig einzuschätzen, und dass die Wahlzuständigkeit des Bundesrates somit in vielen Fällen eher formeller Art erscheinen mag. Der Bundesrat ist deshalb bereit, den Anwendungsbereich von Artikel 2 Absatz 1 BPV zu überprüfen und wenn nötig restriktiver zu fassen.

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