14.053 Botschaft zum Strafregistergesetz vom 20. Juni 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA (Strafregistergesetz).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. Juni 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-0500

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Übersicht Das Strafregisterrecht wird einer Totalrevision unterzogen. Die aktuellen Regeln müssen an die veränderten gesellschaftlichen Sicherheitsbedürfnisse angepasst werden. Damit Behörden über bessere Entscheidgrundlagen verfügen, werden im Strafregister-Informationssystem VOSTRA mehr Strafdaten gespeichert und die Zugangsrechte massvoll ausgedehnt. Als Gegengewicht wird aber auch der Datenschutz verbessert, indem eine präzisere Regelung auf Gesetzesstufe geschaffen, das Auskunftsrecht von Privaten gestärkt und die behördlichen Kontrollen intensiviert werden. Neu wird es auch möglich, verurteilte Unternehmen in VOSTRA zu registrieren.

Ausgangslage Die Bestimmungen über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA finden sich heute in einigen wenigen strafgesetzlichen Normen und in einer Verordnung. Weil in dieser Verordnung weitreichende Bestimmungen über den Umgang mit besonders schützenswerten Personendaten festgelegt sind, wird bereits seit längerer Zeit die Regelung in einem formellen Gesetz verlangt. Das Strafregisterrecht ist ferner auf natürliche Personen zugeschnitten und erlaubt keine Registrierung von Urteilen, die gegen Unternehmen ergangen sind. Zudem genügen die Bestimmungen den heutigen Sicherheitsbedürfnissen zahlreicher Behörden nicht mehr. Eine Erweiterung der behördlichen Zugangsrechte durch eine generelle Verbesserung der Datenlage und die Gewährung neuer Zugangsrechte (etwa für kantonale Polizeistellen) ist unumgänglich. Diese Verschärfungen verlangen jedoch auch nach mehr Differenzierungen im Auszugskonzept. Ferner sollen zusätzliche datenschutzrechtliche Sicherungen die Rechtsstellung der betroffenen Personen und Unternehmen stärken.

Inhalt der Vorlage Zu den wichtigsten Neuerungen zählen folgende Änderungen: Die Normen über ein Strafregister für natürliche Personen und für Unternehmen werden in einem eigenen Strafregistergesetz untergebracht. Der Kreis der zugangsberechtigten Behörden wird erweitert (etwa in den Bereichen Polizei, Sicherheitsfirmen, Pflegkinderaufsicht, internationale Adoptionen, Waffen oder in Bezug auf Rechtsmittelinstanzen) und einzelne bestehende Zugangsrechte werden ausgedehnt (etwa durch Gewährung eines Online-Zugangs, durch Erweiterung der Zugangszwecke oder durch Zugang zu zusätzlichen Datenkategorien). Ferner wird ein Teil der Aufbewahrungsfristen
für Urteile verlängert. Auch werden spezielle Eintragungsregeln für Auslandurteile vorgesehen. Zudem werden künftig bestimmte Einstellungsverfügungen eingetragen, die gegen Erwachsene ergangen sind, und es werden elektronische Kopien von Entscheiden in VOSTRA gespeichert. Um dem Verhältnismässigkeitsprinzip besser Rechnung zu tragen, sollen vier verschiedene Arten von Strafregisterauszügen sicherstellen, dass die Behörden nur jene Daten sehen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen. Gleichzeitig wird der Datenschutz verbessert, indem Privatpersonen Auskunft über sie betreffende Abfragen von Behörden verlangen können.

Ausserdem werden die angeschlossenen Behörden verstärkt kontrolliert.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

5717 5717 5717 5719 5720 5721 5721 5722 5722 5723 5723 5724 5727 5728 5728

2

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Totalrevision des Strafregisters für natürliche Personen 1.1.2 Schaffung eines Unternehmensstrafregisters 1.2 Grobstruktur und Übersicht 1.3 Schwerpunkte beim Strafregister für natürliche Personen 1.3.1 Differenziertes Auszugskonzept 1.3.2 Aufnahme zusätzlicher Urteile und Entscheide 1.3.3 Neues Eintragungskonzept für Auslandurteile 1.3.4 Erfassung elektronischer Urteilskopien 1.3.5 Änderungen am Aufbewahrungskonzept 1.3.6 Verbesserung der Personenidentifizierung 1.3.7 Neu zugangsberechtigte Behörden 1.3.8 Neuerungen für bisher zugangsberechtigte Behörden 1.3.9 Neuerungen zur Verbesserung des Datenschutzes 1.3.10 Neue automatische Datenweiterleitungen und Schnittstellen 1.4 Schwerpunkte beim Unternehmensstrafregister 1.4.1 Inhalt 1.4.2 Eintragung von Unternehmensstrafdaten 1.4.3 Bekanntgabe von Unternehmensstrafdaten 1.4.4 Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht 1.5 Regelungsverzichte 1.5.1 Aufnahme von Delikten des kantonalen Rechts 1.5.2 Änderung des Eintragungsmechanismus bei Übertretungen 1.5.3 Eintragung von Strafverbüssungsdaten 1.5.4 Zugangsrechte für ausländische Nicht-Justizbehörden, soweit sie die gleichen Aufgaben erfüllen wie angeschlossene schweizerische Behörden 1.5.5 Schaffung eines erweiterten Privatauszuges 1.6 Vernehmlassungsverfahren 1.7 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.8 Umsetzung Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 2.1 Vorbemerkungen 2.2 1. Teil: Allgemeine Bestimmungen (Art. 1­16) 2.2.1 1. Titel: Gegenstand und Begriffe 2.2.2 2. Titel: Aufgaben der registerführenden Behörden 2.2.3 3. Titel: Behörden mit Eintragungs-, Melde- oder Auskunftspflichten 2.2.4 4. Titel: Bearbeitungsgrundsätze

5729 5730 5730 5731 5731 5732 5732 5732 5732 5733 5733 5734 5734 5735 5736 5737 5737 5737 5737 5738 5742 5745

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5. Titel: Datensicherheit, technische Anforderungen, Weitergabe anonymisierter Daten 2. Teil: Strafregister für natürliche Personen (Art. 17­74) 2.3.1 1. Titel: Inhalt 2.3.2 2. Titel: Bekanntgabe von Daten aus VOSTRA 2.3.3 3. Titel: Automatisierte Weiterleitung von Daten an VOSTRA 3. Teil: Strafregister für Unternehmen (Art. 75­113) 2.4.1 Vorbemerkungen 2.4.2 Grundsätzliche Kritik aus der Vernehmlassung 2012 2.4.3 1. Titel: Inhalt 2.4.4 2. Titel: Bekanntgabe von Daten aus VOSTRA 2.4.5 3. Titel: Schnittstelle zum UID-Register 4. Teil: Schlussbestimmungen (Art. 114­119) Anhang: Änderung anderer Erlasse 2.2.5

2.3

2.4

2.5 2.6

5750 5750 5750 5778 5834 5836 5836 5836 5840 5850 5856 5857 5862

3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Weitere Auswirkungen

5866 5866 5868 5868

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

5869

5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 5.6 Koordination mit anderen Gesetzgebungsprojekten 5.7 Datenschutz

5869 5869 5869 5870 5871 5871 5871 5872

Bundesgesetz über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA (Strafregistergesetz, StReG) (Entwurf)

5716

5873

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Totalrevision des Strafregisters für natürliche Personen

Die Registrierung von Strafdaten natürlicher Personen im Strafregister-Informationssystem VOSTRA ist heute in verschiedenen Bundeserlassen geregelt.1 Die Strafregisterpraxis der letzten Jahre hat gezeigt, dass das Strafregisterrecht aus folgenden Gründen überarbeitet werden muss:

1

2 3 4

­

Die Rechtsgrundlagen vermögen den heutigen Anforderungen des Datenschutzes nicht mehr zu genügen. Da Daten über strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen nach Artikel 3 Buchstabe c Ziffer 4 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 19922 über den Datenschutz (DSG) besonders schützenswerte Personendaten darstellen, sind die Grundzüge für deren Bearbeitung (etwa die Entfernungsregeln) und weitere wesentliche Punkte (beispielsweise die Zugangsrechte) in einem Gesetz im formellen Sinne zu regeln3. Die heutige Regelung auf Verordnungsebene erweist sich deshalb als nicht stufengerecht.

­

Es bieten sich Möglichkeiten zur Verbesserung der Datenqualität und zur Steigerung der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit der Datenverarbeitung in VOSTRA, die sich ohne Gesetzesänderung nicht realisieren lassen. Zu denken ist an die Verwendung der neuen Sozialversicherungsnummer (AHVN13), welche die Schaffung neuer Schnittstellen und Datenweiterleitungen ermöglicht, an das Abspeichern elektronischer Kopien der Originalurteile sowie an ein neues Eintragungskonzept für Auslandurteile.

­

Das Strafregisterrecht ist an die veränderten gesellschaftlichen Sicherheitsbedürfnisse anzupassen. Weil das Strafregister ein Instrument zur Wahrnehmung vielfältiger Aufgaben ist,4 verlangen verschiedene Behörden beispielsweise neue Zugangsrechte und längere Aufbewahrungsfristen. Soweit sie sich als berechtigt erweisen, ist diesen Anliegen zwar nachzukommen, gleichzeitig sind aber differenzierte Zugangsberechtigungen und verstärkte Kontrollen der angeschlossenen Behörden zu schaffen.

Vgl. im Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) die Art. 365­371 und 387 Abs. 3 sowie Ziff. 3 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002 des StGB, im Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG, SR 321.0) Art. 226 sowie Ziff. 2 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 21. März 2003 des MStG; schliesslich die Verordnung vom 29. September 2006 über das Strafregister (VOSTRA-Verordnung, SR 331; im Folgenden VOSTRA-V).

SR 235.1 Vgl. Art. 17 Abs. 2 DSG.

Das heutige Strafregisterrecht kennt nicht weniger als 27 zugangsberechtigte Behördentypen (vgl. Art. 367 StGB sowie die Art. 21 und 22 VOSTRA-V).

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­

Die aktuellen Regeln sind auch in struktureller Hinsicht verbesserungswürdig, da sie in vielen Detailfragen Ungereimtheiten aufweisen oder lückenhaft sind.

Das Strafregisterrecht wurde zwar in den letzten Jahren verschiedentlich teilrevidiert, und einzelne Gesetzesänderungen wurden bereits in die Vernehmlassung geschickt. Dabei hat sich jedoch gezeigt, dass durch punktuelle Änderungen die bestehenden strukturellen Mängel nicht zu beseitigen sind. Vielmehr wuchs die Erkenntnis, dass das Strafregisterrecht einer Totalrevision zu unterziehen sei:

5 6 7 8 9 10 11 12 13

­

Im Zuge der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs (die am 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist5) wurde das Strafregisterrecht in erster Linie an die Vorgaben des neuen Sanktionensystems angepasst; es fand hingegen keine umfassende Überarbeitung statt.

­

Auch die Revision vom 19. März 20106 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19957 (MG) änderte das Strafregisterrecht nur punktuell, indem die bestehenden Zugangsrechte und Entfernungsfristen leicht modifiziert wurden, weil mehr Jugendurteile in VOSTRA registriert werden.

­

Am 14. Januar 2009 schickte der Bundesrat einen Vorentwurf für eine Änderung des StGB8 in die Vernehmlassung (nachfolgend Vernehmlassung 2009 genannt).9 Dieser schlug vor, die Online-Zugangsrechte der kantonalen Einbürgerungsbehörden, des Bundesamtes für Polizei (fedpol) und des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), die als Übergangsregelung nur auf Verordnungsebene definiert sind,10 im StGB selber zu verankern. Da bereits damals eine umfassende Revision des Strafregisterrechts in Planung war, wurde die Vernehmlassungsvorlage zum Anlass genommen, die Teilnehmer zu weiterem Änderungsbedarf zu befragen. Die Vernehmlassung ergab einen grossen Revisionsbedarf, wobei andere Anpassungen dringlicher eingestuft wurden als die Neuregelung der Online-Zugangsrechte.

­

Das Parlament hat am 13. Dezember 201311 eine Änderung des StGB, des MStG12 und des Jugendstrafgesetzes vom 20. Juni 200313 (JStG) verabschiedet, die mit der Einführung neuer strafrechtlicher Tätigkeitsverbote und einem Kontakt- und Rayonverbot das geltende Berufsverbot ausweiten wird.

Die Durchsetzung dieser neuen Verbote soll mittels Bewährungshilfe, Electronic Monitoring und Registrierung im Strafregister erfolgen. Unter anderem soll ein neuer Sonderprivatauszug geschaffen werden, der über bestehende Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverbote zum Schutz minderjähriger oder anderer besonders schutzbedürftiger Personen Auskunft geben soll.

Diese Änderungen am aktuellen Strafregisterrecht müssen ­ unter Beseiti-

AS 2006 3459 Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Januar 2013 (AS 2010 6015, 2011 487; BBl 2009 5917).

SR 510.10 SR 311.0 Die Unterlagen dazu sind zu finden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2009 > EJPD.

Vgl. Art. 367 Abs. 3 StGB i.V.m. Art. 21 VOSTRA-Verordnung.

Referendumsvorlage in: BBl 2013 9683.

SR 321.0 SR 311.1

5718

gung bestehender Mängel ­ ins neue Strafregistergesetz übernommen werden.

Die aktuelle Strafregisterregelung enthält nur wenige, aber sehr umfangreiche Bestimmungen, die wenig Raum für Verbesserungen und Ergänzungen lassen.

Deshalb soll ein eigenes Bundesgesetz über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA geschaffen und die entsprechenden Bestimmungen des StGB und des MStG sollen aufgehoben werden. In dieser neuen Struktur ist es möglich, die neuen Bestimmungen über ein Unternehmensstrafregister zu integrieren.

1.1.2

Schaffung eines Unternehmensstrafregisters

Urteile in Anwendung von Artikel 102 StGB (oder Art. 59a MStG) sind überaus selten. Im Bereich des Nebenstrafrechts kommen Urteile gegen Unternehmen zwar häufiger vor. Allerdings handelt sich dabei überwiegend um reine Ausfallhaftungen, das heisst, das Unternehmen wird anstelle einer natürlichen Person verurteilt, ohne selber strafrechtlich vorwerfbar «gehandelt» zu haben.14 Diese Ausfallhaftungen sollen ­ im Gegensatz zu besonderen Haftungsmodellen wie etwa im Steuerstrafrecht ­ nicht in VOSTRA eingetragen werden.

Strafurteile und Strafverfahren gegen Unternehmen können heute nicht in VOSTRA eingetragen werden, weil die Rechtsgrundlagen15 auf natürliche Personen zugeschnitten sind. Eine analoge Anwendung der bestehenden Normen auf juristische Personen verbietet sich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen. Eine Registrierung von Unternehmen wäre zudem in praktischer Hinsicht nicht durchführbar, weil die VOSTRA-Datenbank die Unternehmensdaten nicht verarbeiten kann. Die zentrale Erfassung von Unternehmen bedingt daher eine vollständige Neukonzeption sowohl der rechtlichen Rahmenbedingungen als auch der Datenbank.

Die Schaffung eines Unternehmensstrafregisters wurde in der Vernehmlassung 2009 und in der Vernehmlassung zur jetzigen Vorlage (nachfolgend Vernehmlassung 2012 genannt; vgl. dazu Ziff. 1.6) im Grundsatz begrüsst ­ soweit sich die Teilnehmer überhaupt zu dieser Problematik äusserten. Vereinzelt wurde auch die Registrierung hängiger Strafverfahren gefordert, u. a. weil Unternehmen für gewisse Tätigkeiten einer Bewilligung bedürfen. Andere Vernehmlassungsteilnehmer wiesen auf Lücken in der strafregisterrechtlichen Erfassung von Unternehmen hin, die jedoch nicht auf Mängel im Vorentwurf zu dieser Vorlage zurückzuführen sind, sondern sich aus dem Zuschnitt des materiellen Rechts ergeben.16 In der Literatur wird die Registrierung von Strafurteilen gegen Unternehmen ebenfalls befürwortet.17 Die Europaratskommission GRECO (Groupe d'Etats contre la Corruption) empfiehlt der Schweiz, die Möglichkeit eines Unternehmensstrafregisters zu prüfen. Der Entwurf sieht ein solches Register nunmehr vor.

14

15 16 17

Das Modell für die zahlreichen Ausfallhaftungen im Nebenstrafrecht findet sich in Art. 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR, SR 313.0). Vgl. dazu auch die Erläuterungen zu Art. 77.

Vgl. die Art. 365­371 StGB sowie die VOSTRA-V.

Vgl. die Erläuterungen zu Art. 75 ff.

Vgl. M.A. Niggli/D. Gfeller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, M.A. Niggli/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N 439 (m. w. Verw.).

5719

Das Unternehmensstrafregister soll primär eine korrekte Strafzumessung bei Wiederholungstaten ermöglichen. Aber auch die Möglichkeit des Nachweises eines «guten Unternehmens-Leumunds» mittels Strafregisterauszug wird sowohl im Verkehr mit Behörden als auch in der Privatwirtschaft gefordert.

1.2

Grobstruktur und Übersicht

Die Bearbeitungsregeln für natürliche Personen werden mit denjenigen für Unternehmen unter einem rechtlichen Dach vereinigt. Das Strafregister-Informationssystem VOSTRA soll jedoch aus zwei getrennten Datenbanken bestehen: dem Strafregister für natürliche Personen und dem Unternehmensstrafregister.18 Beide Teilsysteme weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Das wirkt sich auf die Systematik des Strafregistergesetzes aus: Dieses ist in vier Teile gegliedert:

18

­

Der 1. Teil enthält Allgemeine Bestimmungen, die für beide Register gelten.

Es werden die Behördenstruktur und die Verantwortlichkeiten für die Registerführung (Art. 4­6) sowie die Eintragung der Daten (Art. 7 und 8) geregelt.

Weiter sind hier Auskunftspflichten (Art. 9 und 10) und Bearbeitungsgrundsätze (Art. 11­14) normiert.

­

Der 2. und der 3. Teil enthalten spezifische Regeln, welche nur für die Eintragung natürlicher Personen beziehungsweise nur für das Unternehmensstrafregister gelten. Die entsprechenden Regeln sind aber nach dem gleichen Muster aufgebaut, weil die Struktur weitgehend durch die datenschutzrechtlichen Sicherungsmechanismen vorgegeben ist: ­ Art (Art. 17­29 und 75­85) und Zeitpunkt (Art. 30 und 86) der einzutragenden Daten ­ Aufbewahrungsdauer (Art. 31­39 und 87­94) ­ Aufbereitungsform (Art. 40­47 und 95­99) ­ Zugangsmodalitäten für Behörden (Art. 48­58 und 100­109) und Private (Art. 59­64 und 110) ­ Auskunftsrecht (Art. 65 und 111) ­ automatische Weiterleitung von Daten (Art. 66­72 und 112) ­ Schnittstellen (Art. 73, 74 und 113).

­

Der 4. Teil enthält die Schlussbestimmungen. Es geht um Strafbestimmungen (Art. 114), die Änderungen anderer Erlasse (Art. 116 und Anhang) und um Übergangsfragen (Art. 117 und 118). Ferner gibt es eine allgemeine Vollzugsnorm (Art. 115) sowie eine Bestimmung zum Referendum und Inkrafttreten (Art. 119).

Vgl. Art. 2.

5720

1.3

Schwerpunkte beim Strafregister für natürliche Personen

Im Bereich des Personenregisters übernimmt der Entwurf die Grundstruktur der geltenden Regelungen weitgehend. Viele Änderungen sind daher eher redaktioneller Natur und nachfolgend nicht speziell erwähnt. Zu den wichtigsten materiellen Neuerungen zählen folgende Themen:

1.3.1

Differenziertes Auszugskonzept

Das aktuelle Strafregisterrecht sieht im Bereich der Urteilsdaten Erwachsener nur einen Behördenauszug vor; alle angeschlossenen Behörden erhalten die gleichen Urteilsdaten von Erwachsenen. Das bestehende Auszugskonzept ist im Hinblick auf die Schaffung neuer Zugangsrechte unflexibel, da nur «Alles oder Nichts»Lösungen möglich sind, was aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht zu befriedigen vermag.

Neu werden vier verschiedene Auszugsarten für Behörden den unterschiedlichen Anforderungen differenzierter gerecht und tragen dem Datenschutz (und dem Verhältnismässigkeitsprinzip) besser Rechnung. Für Privatpersonen gibt es weiterhin den Privatauszug sowie den «Sonderprivatauszug» für den Umgang mit Minderjährigen und besonders schutzbedürftigen Personen. Neuland wird mit dem «Behördenauszug 1» und mit dem «Behördenauszug 4» betreten, wie nachfolgende Übersicht zeigt:

19

­

Der Behördenauszug 1 enthält sämtliche Urteilsdaten ­ aber während einer wesentlich längeren Dauer als bisher ­ sowie alle Daten über hängige Strafverfahren sowie Einstellungsverfügungen (Art. 42). Der Kreis der Zugangsberechtigten ist deshalb eng zu fassen: Er beschränkt sich auf den Kernbereich derjenigen Behörden, für die das Strafregister geschaffen wurde ­ nämlich auf die zivilen und militärischen Strafgerichte, die Verwaltungsstrafbehörden, die Jugendstrafbehörden, die Staatsanwaltschaften und die im Rahmen der Strafprozessordnung19 (StPO) tätigen Polizeibehörden, die Strafvollzugs-, Massnahmenvollzugs- und Rechtshilfebehörden (Art. 50, 55 und 57) sowie auf die registerführenden Behörden (Art. 48 und 49). Somit ist sichergestellt, dass für die Zusammenarbeit zwischen allen im Rahmen eines Strafverfahrens tätigen Behörden die gleichen Informationsrechte bestehen. Für Behörden, die vor der Entstehung eines konkreten Tatverdachts tätig sind, steht der Behördenauszug 1 nicht zur Verfügung. Damit ist auch gesagt, dass für Vorermittlungen und die Verhütung von Straftaten (Gefahrenabwehr) nicht auf die Daten im Behördenauszug 1 zurückgegriffen werden darf; zu diesem Zweck ist der Behördenauszug 2 vorgesehen, was der bisher geltenden Rechtslage entspricht.

­

Weiter werden die Behördenauszüge 2 (Art. 43) und 3 (Art. 44) geschaffen.

Diese unterscheiden sich dadurch, dass der Behördenauszug 2 auch Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen enthält. Grundsätzlich entsprechen diese Auszugstypen dem bisherigen Behördenauszug im Sinne von Artikel 366 StGB und weisen nur punktuelle Änderungen auf: SR 312.0

5721

So werden mehr Urteile und neu ­ im Behördenauszug 2 ­ auch Einstellungsverfügungen eingetragen, und die entsprechenden Aufbewahrungsfristen sind leicht modifiziert. Für die meisten bisher angeschlossenen Behörden ändert sich nicht viel: Sie haben weiterhin Zugang zum Behördenauszug 2 (Art. 51 und 56) oder 3 (Art. 52).

­

Der Behördenauszug 4 (Art. 45) stellt einen erweiterten Privatauszug dar: Er enthält neben den Angaben des Privatauszugs noch die hängigen Verfahren und steht ausschliesslich den für den Vollzug des Waffengesetz vom 20. Juni 199720 (WG) zuständigen Stellen zur Verfügung (Art. 53).

­

Der Privatauszug (Art. 46) entspricht grundsätzlich dem heutigen Auszug für Privatpersonen,21 mit leichten Anpassungen bei den Aufbewahrungsfristen. Neu sind die Urteilsdaten des Privatauszugs auch für Behörden direkt (via den Behördenauszug 4) zugänglich (Art. 53).

­

Der Sonderprivatauszug (Art. 47) entspricht inhaltlich dem unlängst neu geschaffenen Sonderprivatauszug.22 Allerdings wurden die Nutzungsberechtigungen genauer definiert (Art. 62) und flankierende Massnahmen für den Missbrauch dieses Auszuges getroffen (vgl. Art. 114).

Das neue Auszugskonzept bedingt eine Überprüfung und Neuzuteilung der bestehenden Zugangsrechte. Dabei wird weiterhin unterschieden zwischen der OnlineZugangsberechtigung und dem Zugang auf schriftliches Gesuch hin (Art. 48­58).

1.3.2

Aufnahme zusätzlicher Urteile und Entscheide

Urteile wegen Verbrechen oder Vergehen mit Absehen von Strafe ­ ausgenommen u. a. Urteile, die gestützt auf Artikel 52 StGB ergehen ­ werden neu in VOSTRA eingetragen (Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 1), erscheinen aber nicht im Privatauszug (Art. 46 i. V. m. Art. 45 Abs. 1). Neu einzutragen sind Einstellungsverfügungen, die gestützt auf Artikel 53, 54 oder 55a Absatz 3 StGB oder auf Artikel 45, 46 oder 46b Absatz 3 MStG gegen erwachsene Personen ergehen (Art. 23).

Urteile wegen Übertretungen, die mit Busse unter 5000 Franken bestraft wurden, werden aufgenommen, falls das Gesetz irgendeine Art von Strafschärfung im Wiederholungsfall vorsieht (Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 3 zweiter Strich). Nach geltendem Recht begründen nicht alle Arten von Strafschärfungen eine Eintragungspflicht.23

1.3.3

Neues Eintragungskonzept für Auslandurteile

Für Auslandurteile gelten neu vereinfachte Eintragungsvoraussetzungen, und die aufwendige und oft mit grossen Unsicherheiten behaftete Transponierung ausländischer Straftatbestände ins schweizerische Recht entfällt. Neu hängt die Eintragung 20 21 22

23

SR 514.54 Vgl. Art. 371 StGB.

Vgl. Art. 371a nStGB gemäss dem Bundesgesetz vom 13. Dezember 2013 über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot (BBl 2013 9683) sowie Ziff. 1.1.1 letztes Alinea.

Vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. c Ziff. 2 VOSTRA-V.

5722

ausschliesslich von einer bestimmten Mindestsanktionshöhe ab (Art. 20 Abs. 1 Bst. d).

Bereits eingetragene Auslandurteile, die diese Bedingungen nicht mehr erfüllen, werden aus dem Strafregister entfernt (Art. 117 Abs. 1). In bestimmten Fällen findet eine Nacherfassung von Auslandurteilen statt (Art. 117 Abs. 2 und 3).

Aufgrund des Wegfalls der Transponierung werden die einzelnen Straftatbestände nicht mehr angegeben, vielmehr genügt der Hinweis auf die Deliktskategorie (Art. 21 Abs. 1 Bst. e und Abs. 3 Bst. b). Die konkreten Straftatbestände sind jedoch aus der elektronischen Kopie des Meldeformulars ersichtlich (Art. 24 Abs. 2).

1.3.4

Erfassung elektronischer Urteilskopien

Neu werden alle eintragungspflichtigen schweizerischen Urteile, nachträglichen Entscheide und Einstellungsverfügungen, die gegen Erwachsene ergangen sind, im Volltext elektronisch erfasst (Art. 24 Abs. 1). Diese elektronischen Kopien sind Bestandteil des Behördenauszugs 1 (Art. 42 Abs. 1 Bst. e) und sind nur für die registerführenden Behörden (Art. 48 und 49) und die Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 1 (Art. 50 und 55) einsehbar. Mit dieser Massnahme lassen sich datenschutzrechtliche Gesuche von eingetragenen Personen (vgl. Art. 65 Abs. 5) schneller bearbeiten. Die Nacherfassung elektronischer Kopien von bereits eingetragenen Entscheiden ist möglich (Art. 117 Abs. 6).

Sofern Urteile Einziehungen über 100 000 Franken enthalten, werden die elektronischen Kopien automatisch an die für die Teilung eingezogener Vermögenswerte zwischen Bund und Kantonen (Sharing) zuständige Stelle im Bundesamt für Justiz (BJ) weitergeleitet (Art. 69).

Bei den Auslandentscheiden wird nur die Kopie des Meldeformulars abgespeichert, nicht aber der Entscheid im Volltext (Art. 24 Abs. 2). Diese Kopien sind für alle zugangsberechtigten Behörden einsehbar; die Nacherfassung der Meldeformulare ist Pflicht (Art. 117 Abs. 4 Bst. a).

1.3.5

Änderungen am Aufbewahrungskonzept

VOSTRA unterscheidet weiterhin zwischen «Entfernung» ­ d. h. Vernichtung ­ von Einträgen (Art. 39) und «Nichterscheinen» in einem bestimmten Auszug.

Heute bestehen Entfernungsfristen nur für Grundurteile, hängige Strafverfahren und Online-Bestellungen von ausländischen Strafregisterauszügen.24 Neu werden für sämtliche erfassten Daten entsprechende Regeln definiert (Art. 32­38).

Mit Ablauf der Aufbewahrungsfristen für Daten des Behördenauszugs 1 (Art. 42 Abs. 3) sind die entsprechenden Informationen aus dem Strafregister zu entfernen (Art. 31­35). Neu werden hier Urteile später entfernt als bisher. Die heutigen Grundfristen für die Entfernung von Einträgen im Behördenauszug werden in der Regel um 5 Jahre erstreckt; kürzere Fristen sind für Urteile nach Jugendstrafrecht vorgesehen (Art. 32). Zudem werden ein Grundurteil und damit verbundene Ein24

Vgl. Art. 369 StGB und Art. 12 VOSTRA-V.

5723

träge nur dann entfernt, wenn bei allen eingetragenen Grundurteilen die jeweilige Frist abgelaufen ist (vgl. Einleitungssatz zu Art. 32 Abs. 1). Ein Grundurteil wird somit nicht aus VOSTRA entfernt, solange in VOSTRA noch ein anderes Grundurteil eingetragen ist, bei dem die Frist nach Artikel 32 Absatz 1 noch nicht abgelaufen ist. Durch die breitere Informationsbasis steht insbesondere den Strafjustizbehörden ein verbessertes Werkzeug für präzisere Strafzumessung und Prognoseentscheide zur Verfügung.

Die Aufbewahrungsfristen für Urteile im Behördenauszug 2 entsprechen grundsätzlich den bisherigen Entfernungsfristen nach Artikel 369 StGB. Die Urteile bleiben aber nach Ablauf der Frist weiterhin im Register. Für die neu einzutragenden Schuldsprüche mit Strafverzicht (Art. 43 Abs. 3 Bst. f) ist eine Aufbewahrungsfrist definiert. Der Fristenlauf beginnt nicht, solange sich jemand in einer stationären Massnahme befindet (Art. 43 Abs. 4 Bst. b).

Für Aufbewahrungsfristen bei Privatauszügen gelten folgende Neuerungen: Die Halbierung der Frist bei Massnahmen25 wird abgeschafft. Neu gilt für alle Urteile die -Regel (Art. 46 i. V. m. Art. 45 Abs. 2 Bst. a), sofern nicht Sonderregeln ­ wie z. B. bei bedingten Strafen ­ zur Anwendung kommen. Die Anwendung der -Regel ist sachgerecht, weil nach geltendem Recht ein zu einer Strafe und einer Massnahme verurteilter Täter (½-Regel) strafregisterrechtlich besser gestellt ist als derjenige Täter, der allein zu einer Strafe verurteilt wird (-Regel).

Das Archivierungsverbot26 gilt weiterhin (Art. 39 Abs. 1). Das seit 2007 geltende Verwertungsverbot27 wird gestrichen, weil ein solches Verbot sachlich nicht gerechtfertigt ist. Insbesondere aufgrund der von der Rechtsprechung geschaffenen Ausnahmen ist die einheitliche und konsistente Anwendung eines solchen Verbotes gar nicht möglich.28

1.3.6

Verbesserung der Personenidentifizierung

Verschiedene Massnahmen bezwecken die Verbesserung der Personenidentifizierung: ­

25 26 27 28 29 30 31

Erfassung der Versichertennummer gemäss Artikel 50c des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194629 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) (Art. 18 Abs. 1 Bst. a). Diese Nummer ­ die sogenannte AHVN13 ­ dient ausschliesslich registerinternen Zwecken und erscheint nicht auf dem Auszug (Art. 14 Abs. 2 und 4). Mit ihr ist es möglich, VOSTRA-Daten mit anderen Systemen abzugleichen und Daten ausgewählter Personen automatisiert weiterzuleiten.30 Insbesondere Namensänderungen und Todesfallmeldungen lassen sich damit besser verarbeiten.31 Die AHVN13 soll bereits im Rahmen des Bundesgesetzes über Verbesserungen beim Informationsaus-

Art. 371 Abs. 4 StGB.

Art. 369 Abs. 8 StGB.

Art. 369 Abs. 7 StGB.

Vgl. die Erläuterungen zu Art. 39.

SR 831.10 Vgl. z. B. die Weiterleitung an den Führungsstab der Armee gemäss Art. 67 Abs. 3.

Zu den Schnittstellen mit dem zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) und dem Personenstandsregister vgl. Art. 73 und 74.

5724

tausch zwischen Behörden im Umgang mit Waffen32 auf Basis des StGB eingeführt werden. Dieses Gesetzgebungsprojekt wurde im Parlament bisher noch nicht beraten, weshalb nachfolgend auf den Stand der aktuellen Gesetzgebung Bezug genommen wird.

­

Pflicht für eintragende Behörden, die Personalien umfassend abzuklären oder durch die registerführende Stelle abklären zu lassen (Art. 11 Abs. 3).

­

Auskunftspflicht für Ausländerbehörden und für die Zentrale Ausgleichsstelle gegenüber den eintragenden Behörden zwecks Feststellung der Personalien (Art. 9).

In der Vernehmlassung 201233 ist die Einführung der AHVN13 in VOSTRA vereinzelt kritisiert worden; im Wesentlichen wurden folgende Gründe angeführt:

32 33 34 35 36

­

Die Versichertennummer werde zweckentfremdet. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber in Artikel 50e AHVG eine Nutzung der AHVN13 ausserhalb des Sozialversicherungsbereichs explizit erlaubt hat. So soll die Versichertennummer als Personenidentifikator beispielsweise auch im Grundbuchwesen verwendet werden.

­

In der Vergangenheit sei es bei vielen Personen zu Mehrfachvergaben der AHVN13 gekommen. Die heutigen Kontrollmechanismen sind indes so streng, dass solche Fehler seltener vorkommen und schneller entdeckt und bereinigt werden.34 Die Auswirkungen einer Fehlzuteilung im Bereich Strafregister können durchaus gravierend sein. Durch verschiedene Massnahmen wird deshalb auch auf Seiten von VOSTRA sichergestellt, dass die Fehlerquote möglichst gering bleibt; dazu gehören die Möglichkeit der Identitätsprüfung bei Zweifeln am Suchergebnis (Art. 11 Abs. 3 und 6), die zentrale Steuerung der Beantragung von neuen Versichertennummern (Art. 4 Abs. 2 Bst. l), die periodische Gesamtsynchronisation zwischen der Datenbank «Unique Person Identification Database» (UPI)35 und VOSTRA (Art. 11 Abs. 5). Die Erwartungen, die an die Funktion des Strafregisters gestellt werden, können jedoch ohne AHVN13 kaum mehr erfüllt werden.

­

Durch die immer breitere Verwendung der Versichertennummer seien Datenverknüpfungen viel einfacher geworden, womit auch das Missbrauchspotenzial zunehme. Vereinzelt wurde ­ wie etwa im Bereich der elektronischen Patientendossiers ­ die Verwendung eines sektoriellen Identifikators vorgeschlagen.36 Im Strafregister nimmt die AHVN13 jedoch eine andere Funktion ein als beim Patientendossier und schafft kein vergleichbares Missbrauchspotenzial: Sie wird nur systemintern geführt, dient allein der Verbesserung der internen Personenidentifikation und erscheint nicht auf den Auszügen. Ein sektorieller Identifikator ist also im Bereich VOSTRA Vgl. die Botschaft vom 13. Dezember 2013 in BBl 2014 303 ff.

Vgl. Ziff. 1.6.

Die zentrale Ausgleichstelle (ZAS) meldet annullierte oder deaktivierte Versichertennummern laufend an ihre Nutzer, damit sie ihre Datenbanken entsprechend aktualisieren.

Es handelt sich dabei um die Funktionalität des zentralen Versichertenregisters der AHV für die Personenidentifikation bei der Zuordnung und der Verwaltung der AHVN13.

Bei elektronischen Patientendossiers wird ein sektorieller Identifikator verwendet, weil diese anonym geführt werden sollen. Da die entsprechenden Daten (unter bestimmten Voraussetzungen) aber trotzdem einer Person zurechenbar sein müssen, war die Schaffung eines neuen sektoriellen Identifikators unverzichtbar, welcher an die Versichertennummer angebunden ist.

5725

nicht notwendig, zumal die Implementierung und Nutzung sehr aufwendig und mit hohen Kosten verbunden wäre.

­

Schliesslich wurde kritisiert, dass nicht alle im Strafregister registrierten Personen über eine Versichertennummer verfügen würden, weshalb beispielsweise auch die Nummer des Zentralen Migrationsinformationssystems ZEMIS (ZEMIS-Nummer) in VOSTRA zu verwenden sei. Die Verwendung der ZEMIS-Nummer in VOSTRA (für den Datenaustausch mit ZEMIS gemäss Art. 73) wäre mit einem riesigen Aufwand verbunden. Wie bei der UPI müsste auch eine aufwendige Erstzuteilung erfolgen; ferner müsste gewährleistet werden, dass diese Nummern und die entsprechenden Attribute aktualisiert und gepflegt werden. Anders als bei der UPI stehen dafür die entsprechenden Instrumente nicht zur Verfügung. Es ist jedoch vorgesehen, dass in VOSTRA registrierten Personen eine AHVN13 zugeteilt wird (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. l). Leider führt dies nicht automatisch zu einer Zuteilung der AHVN13 in ZEMIS, wenn die Person dort erfasst ist, da bei der periodischen Synchronisation zwischen ZEMIS und UPI nur die bereits in ZEMIS erfassten AHVN13 auf ihre Übereinstimmung mit den in der UPI geführten Merkmalen überprüft werden. Aber indem eine VOSTRA-Person in der UPI geführt wird, dürfte eine Veränderung der identifizierenden Merkmale schneller bemerkt werden (wenn eine andere Behörde für diese Person eine Zuteilung verlangt und im Rahmen dieser Zuteilung eine umfassende Personenidentifikation vorgenommen wird).

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist jede Verknüpfung von Datenbeständen problematisch. Auch ist nicht zu leugnen, dass die Schaffung neuer Möglichkeiten des Datenaustauschs auch neue Begehrlichkeiten wecken kann. Diese Nachteile treten aber klar in den Hintergrund gegenüber den Vorteilen, welche die Einführung der Versichertennummer beim Austausch von VOSTRA-Daten mit sich bringt: ­

Die Verwendung der AHVN13 bietet bestmögliche Gewähr, dass eine Person korrekt identifiziert werden kann. Dies ist eine notwendige Voraussetzung für die zuverlässige Suche nach Strafdaten in VOSTRA. Das heutige System kann dies nur unzureichend gewährleisten und stösst bei Namensänderungen, abweichenden Schreibweisen etc. an seine Grenzen.

­

Zu berücksichtigen ist auch, dass für jede neue Datenverknüpfung von VOSTRA mit einer anderen Datenbank eine neue gesetzliche Grundlage nötig ist.

­

Ferner ist zu beachten, dass ein Missbrauch durch unbefugte Dritte einen Hacking-Angriff voraussetzt; Strafregisterdaten sind jedoch sehr gut gegen solche Angriffe geschützt.

Der Nutzen überwiegt somit die Risiken klar. Der Bundesrat ist deshalb der Ansicht, dass die Verwendung der AHVN13 sinnvoll und notwendig ist.

5726

1.3.7

Neu zugangsberechtigte Behörden

Das Strafregisterrecht ­ ursprünglich ein reines Justizinstrument zur Durchführung von Strafverfahren ­ wurde zunehmend für neue Zwecke geöffnet.37 Auch im Rahmen der Vernehmlassungen 2009 und 2012 wurden neue Zugangsbegehren gestellt.

Begründet sind folgende Anliegen: ­

Kantonale Polizeistellen werden wie die Polizeibehörden auf Bundesebene behandelt und erhalten Online-Zugang zum Behördenauszug 1, soweit es um die Verfolgung von Straftaten im Rahmen der StPO geht (Art. 50 Abs. 1 Bst. f). Für die Vorermittlungen und die Verhütung von Straftaten erhalten sie Online-Zugang auf den Behördenauszug 2 (Art. 51 Bst. d).

­

Kantonale Staatsschutzstellen (Behörden nach Art. 6 des Bundesgesetzes vom 21. März 199738 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, BWIS), die mit dem NDB zusammenarbeiten, sollen ebenfalls einen Online-Zugang zum Behördenauszug 2 erhalten (Art. 51 Bst. c)

­

Die für die Sicherheitsprüfung von Polizisten und Polizeianwärtern zuständigen kantonalen Polizeikommandos erhalten einen Online-Zugang zum Behördenauszug 2 (Art. 51 Bst. j).

­

Die für die Zulassung von Sicherheitsfirmen zuständigen kantonalen Stellen sowie die für den Vollzug des Bundesgesetzes vom 27. September 201339 über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) zuständige Bundesbehörde erhalten einen Online-Zugang zum Behördenauszug 2 (Art. 51 Bst. k und l).

­

Die für die Pflegekinderaufsicht zuständigen kantonalen Behörden40 erhalten auf schriftliches Gesuch hin Zugang zum Behördenauszug 2 (Art. 56 Bst. b und c).

­

Die Zentralstelle für Internationale Adoptionen des Bundesamtes für Justiz erhält auf schriftliches Gesuch hin Zugang zum Behördenauszug 2 (Art. 56 Bst. e).

­

Die für den Vollzug des Waffengesetzes zuständigen Behörden erhalten einen Online-Zugang zum Behördenauszug 4 (Art. 53).

­

Rechtsmittelinstanzen zugangsberechtigter Behörden erhalten im Umfang der Vorinstanz ebenfalls Einsicht (Art. 58).

Da mit einem Ausbau der Zugangsrechte ­ insbesondere im Online-Bereich ­ auch die Gefahr nicht zweckkonformer Nutzung der Anschlussrechte wächst, wurde das bestehende Sicherheitsdispositiv verstärkt.

37 38 39 40

Vgl. die Aufzählung in Art. 365 Abs. 2 StGB und die Art. 21­22 VOSTRA-V.

SR 120 Noch nicht in Kraft: BBl 2013 7353.

Vgl. Art. 316 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210).

5727

1.3.8

Neuerungen für bisher zugangsberechtigte Behörden

Um den Vorgaben des Datenschutzgesetzes Rechnung zu tragen, sind sämtliche Zugangsrechte neu auf formell-gesetzlicher Ebene geregelt. In diesem Sinne werden auch diverse Zweckbestimmungen präzisiert.41 Stringenter geregelt wurden auch die Zugangsrechte der im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes tätigen Behörden.42 Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht und die Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde erhält einen Online-Zugang zum Behördenauszug 3 über natürliche Personen (Art. 52 Bst. d und e) und zum Behördenauszug 3 über Unternehmen (Art. 104 Bst. a und b).

Die Zugangsrechte des Bundesamtes für Migration (BFM) werden im Bereich Ausländergesetzgesetz vom 16. Dezember 200543 (AuG) und Asylgesetz vom 26. Juni 199844 (AsylG) ausgeweitet (Art. 41 Bst. f). Die kantonalen Migrationsbehörden erhalten ebenfalls ein Zugangsrecht für alle Entscheide nach AuG, die unter Beizug von Strafdaten getroffen werden müssen (Art. 41 Bst. h). Ebenfalls ausgeweitet wurden die Zugangsrechte des Bundesamtes für Polizei im Bereich der internationalen Polizeikooperation (Art. 51 Bst. a Ziff. 5, 6 und 12).

Verschiedene Behörden ausserhalb der Justiz erhalten neu auch Zugang zu Daten über hängige Strafverfahren, z. B. der Bundessicherheitsdienst (Art. 51 Bst. a Ziff. 8), die kantonalen Migrationsbehörden (Art. 51 Bst. h), die kantonalen Kindesund Erwachsenenschutzbehörden (Art. 56 Bst. a), die im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung und Pflegekinderaufsicht tätigen Behörden (Art. 56 Bst. b und c) und die für die Durchführung von Personensicherheitsprüfungen zuständigen Behörden (Art. 51 Bst. e und 56 Bst. f).

1.3.9

Neuerungen zur Verbesserung des Datenschutzes

Die Erweiterung von Zugangsrechten erhöht die Gefahr des Missbrauchs der Daten für gesetzlich nicht vorgesehene Zwecke. Verschiedene Massnahmen sollen dieser Gefahr entgegenwirken:

41

42 43 44

­

Einführung einer neuen Form der Protokollierung, die auch Recherchen darüber erlaubt, ob über eine bestimmte Person innerhalb der letzten zwei Jahre eine VOSTRA-Abfrage getätigt wurde (Art. 27).

­

Teilweise Offenlegung der Protokollierung nach Artikel 27 gegenüber den abgefragten Personen: Im Rahmen des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts (Art. 65) wird eine Person nicht nur darüber informiert, welche Strafdaten über sie verzeichnet sind. Vielmehr kann sie grundsätzlich auch sehen, welche Behörde innerhalb der letzten zwei Jahre (Art. 36) zu welchem Vgl. etwa die Zugangszwecke für die Strafjustizbehörden (Art. 50 Abs. 1 Bst. a), für die Verwaltungsbehörden mit Strafrechtsfunktion (Art. 50 Abs. 1 Bst. b), für die Straf- und Massnahmenvollzugsbehörden (Art. 50 Abs. 1 Bst. d), für das Bundesamt für Polizei, soweit es um Strafverfahren geht (Art. 50 Abs. 1 Bst. e), sowie für die Militärjustizbehörden (Art. 55).

Vgl. Art. 56.

SR 142.20 SR 142.31

5728

Zweck Daten über sie abgefragt hat. Soweit es zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen nötig ist, dürfen Behörden ihre Abfragen gegenüber den Betroffenen jedoch verdeckt tätigen, wie dies bereits in den entsprechenden Gesetzen ­ zum Beispiel in der StPO für die Strafverfolgungsbehörden ­ vorgesehen ist (vgl. Art. 65 Abs. 2).

­

Die VOSTRA-führende Stelle im Bundesamt für Justiz (im E-StReG «registerführende Stelle» genannt) erhält die Pflicht, die vorschriftsmässige Bearbeitung der VOSTRA-Daten durch die zugangsberechtigten Behörden zu kontrollieren (Art. 4 Abs. 2 Bst. g) und wenn nötig Massnahmen zu treffen (Art. 4 Abs. 2 Bst. i). Die datenschutzrechtlichen Aufsichtskompetenzen der Datenschutzbeauftragten von Bund und Kantonen sollen dadurch jedoch nicht beschnitten werden. Zu diesem Zweck kann die registerführende Stelle selber Einsicht in die vorhandenen Protokolle nehmen (Art. 4 Abs. 2 Bst. g).

Die kontrollierten Behörden sind zudem gegenüber der registerführenden Stelle auskunftspflichtig, soweit dies zur Durchführung der Kontrollen nötig ist (Art. 10). Spiegelbildlich wird die Kompetenz der registerführenden Stelle, Weisungen für die Führung und Benutzung von VOSTRA zu erlassen (Art. 4 Abs. 2 Bst. f), auf formell-rechtlicher Ebene geregelt.

­

Um eine transparentere und verlässlichere Datenbearbeitung zu gewährleisten, werden zudem diverse Zweckbestimmungen präziser formuliert.

Die Schaffung eines gesetzlichen Online-Zugangsrechts bedeutet noch nicht, dass dieses auch effektiv operativ geschaltet wird. Die Vergabe individueller Zugangsrechte unterliegt dem Verhältnismässigkeitsprinzip ­ das Bedürfnis und die Notwendigkeit des Anschlusses sind daher in jedem konkreten Einzelfall zu prüfen, um die Zahl der Anschlüsse so gering wie möglich zu halten.

1.3.10

Neue automatische Datenweiterleitungen und Schnittstellen

Die elektronische Erfassung der Daten ermöglicht eine effizientere Weiterverarbeitung der Daten.

Neu werden Fahrverbote45 automatisch der Strassenverkehrsbehörde des Wohnsitzoder Urteilskantons zur Eintragung ins Fahrberechtigungsregister gemeldet (Art. 68).

Falls ein Urteil einzutragen ist, das die Einziehung von über 100 000 Franken vorsieht, übermittelt die registerführende Stelle (Art. 4) automatisch eine elektronische Kopie des Urteils an die für das Sharing der Vermögenswerte46 zuständige Stelle (Art. 69).

Alle neu erfassten Strafurteile, Einstellungsverfügungen und hängigen Strafverfahren, die Ausländerinnen und Ausländer betreffen, werden an die zuständigen Ausländerbehörden übermittelt (Art. 70).

45 46

Vgl. Art. 67b StGB und Art. 50abis MStG.

Vgl. das Bundesgesetz vom 19. März 2004 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte (TEVG, SR 312.4).

5729

Schnittstellen mit dem ZEMIS und dem Personenstandsregister sollen dazu beitragen, Mutationen bei Identitätsmerkmalen und Todesfälle besser zu verarbeiten (Art. 73 und 74).

1.4

Schwerpunkte beim Unternehmensstrafregister

1.4.1

Inhalt

Im Unternehmensstrafregister werden alle rechtskräftigen kernstrafrechtlichen Entscheide eingetragen, welche in der Schweiz gegen ein Unternehmen ausgefällt werden.47 Nebenstrafrechtliche Verurteilungen, die reine Ausfallhaftungstatbestände sind (vgl. z. B. Art. 7 VStrR oder Art. 100 des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 200948), werden nicht eingetragen. Die übrigen Verurteilungen werden insbesondere dann eingetragen, wenn eine Busse von mehr als 50 000 Franken ausgesprochen worden ist oder wenn im Wiederholungsfall eine Strafschärfung angedroht ist.

Hängige Strafverfahren und rechtskräftige Einstellungsverfügungen, die gestützt auf Artikel 54 StGB ergangen sind, werden grundsätzlich ebenfalls eingetragen.

Weil hier ausschliesslich der Unternehmensträger zur Verantwortung gezogen wird,49 ist auch nur dieser einzutragen. Natürliche Personen (z. B. Organe), die sich möglicherweise neben «ihrem» Unternehmen strafbar gemacht haben,50 sind im Strafregister für natürliche Personen einzutragen.

Da Unternehmensmerkmale wie Firma oder Adresse rasch wechseln können, ist ein unveränderliches Element erforderlich, das eine eindeutige Identifizierung eines Unternehmens erlaubt. Bei der Eintragung von Unternehmen im Strafregister wird deshalb auf die Unternehmens-Identifikationsnummer (UID)51 abgestellt (Art. 76).

Die Nachverfolgbarkeit von Unternehmen hat auch unter Verwendung der UID ihre Tücken, und es stellen sich praktische Schwierigkeiten, insbesondere wenn ein Unternehmen liquidiert wird oder Umstrukturierungen vorgenommen werden: In diesen Fällen stellt sich die rechtliche Frage, gegen wen sich nun ein Strafverfahren zu richten hat. Es stellt sich aber auch die praktische Frage, woher die Strafjustizund die Strafregisterbehörden überhaupt Kenntnis erhalten, dass ein Unternehmen nicht mehr ­ bzw. nicht mehr in der ursprünglichen gesellschaftsrechtlichen Form ­ besteht. Weder das UID-Register noch das Handelsregister geben nämlich verlässlich Auskunft darüber, ob ein Unternehmen juristisch noch existiert. Zudem eröffnet sich für Unternehmen durch eine Liquidation die Möglichkeit, sich einer strafrechtlichen Vergangenheit zu entledigen. Diese Möglichkeit ist bereits im Zuschnitt des Unternehmensstrafrechts angelegt.

47 48 49

50 51

Vgl. Art. 102 StGB bzw. Art. 59a MStG.

MWSTG, SR 641.20 Z. B. Aktiengesellschaft, GmbH. Zur Problematik bezüglich Einzelfirmen und einfache Gesellschaften vgl. M.A. Niggli/D. Gfeller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, M.A.

Niggli/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N 409 ff.

Vgl. z. B. Art. 102 Abs. 2 StGB oder Art. 181 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11).

Vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. a und Art. 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2010 über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG, SR 431.03).

5730

Die Analogie zu natürlichen Personen versagt gerade bei der Liquidation eines Unternehmens und das Strafregister kann eine solche nur mit unverhältnismässigem Aufwand feststellen. Aus diesen Gründen wird im vorliegenden Entwurf darauf verzichtet, Registereinträge von liquidierten Unternehmen aus VOSTRA zu löschen (Art. 87 Abs. 2).

1.4.2

Eintragung von Unternehmensstrafdaten

Die Eintragung der Strafdaten erfolgt wie bei natürlichen Personen.

Die registerführende Stelle und die direkt eintragenden Behörden benötigen einen Zugang auf das UID-Register mit erweiterten Einsichtsrechten.52 Die registerführende Stelle kann als UID-Stelle qualifiziert werden53 und erhält deshalb die erforderlichen Einsichtsrechte. Der Zugang erfolgt über eine bereits bestehende Schnittstelle.54 Die anderen Behörden, die an VOSTRA angeschlossen sind und Unternehmensdaten eintragen müssen (Art. 5­7), können nicht als UID-Stellen qualifiziert werden und haben deshalb grundsätzlich keine erweiterte Einsicht ins UID-Register. Damit sie ihre gesetzlichen Aufgaben effizient wahrnehmen können, erhalten sie im Rahmen ihrer VOSTRA-Pflichten ebenfalls über die Schnittstelle Zugang auf das UID-Register (Art. 113 Bst. c).

Behörden, die nicht an VOSTRA angeschlossen sind, aber Unternehmensstrafdaten zur Eintragung melden müssen (Art. 8), können die Informationen nur im öffentlich zugänglichen Teil des UID-Registers abfragen. Liefert die Abfrage kein Ergebnis,55 so kann die nicht angeschlossene Behörde die zu registrierenden Daten ohne UID an die eintragende Behörde weiterleiten (Art. 11 Abs. 7), welche die UID aufgrund des erweiterten Einsichtsrechts abfragen und eintragen kann.

1.4.3

Bekanntgabe von Unternehmensstrafdaten

Zugang erhalten (wie bei natürlichen Personen) die zugangsberechtigten Behörden (Art. 100­109) sowie die betroffenen Unternehmen selber (Art. 110 und 111). Die Zugangsrechte und -modalitäten sind ähnlich ausgestaltet wie bei den natürlichen Personen.

Die Abfrage von Unternehmensstrafdaten durch Behörden, die an VOSTRA angeschlossen sind, ist wie die Eintragung nur anhand der UID möglich. Behörden, die nicht an VOSTRA angeschlossen sind, stellen ein schriftliches Gesuch.

Das Unternehmen kann über sich selbst einen Privatauszug bestellen (Art. 110). Die Bezugsmodalitäten gestalten sich insbesondere in Bezug auf die Überprüfung der Vertretungsberechtigung des Bestellers anders als bei den natürlichen Personen.

52 53 54 55

Vgl. Art. 19 der Verordnung vom 26. Januar 2011 über die UnternehmensIdentifikationsnummer (UIDV, SR 431.031).

Vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. d UIDG.

Vgl. Art. 21 Abs. 2 UIDV.

Vgl. z. B. Art. 11 Abs. 3 UIDG.

5731

1.4.4

Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht

Jedem Unternehmen steht ein umfassendes Auskunftsrecht über seine in VOSTRA gespeicherten Daten zu. Dieses Recht wird durch eine zur zivilrechtlichen Vertretung des Unternehmens berechtigte Person ausgeübt (Art. 111).

1.5

Regelungsverzichte

1.5.1

Aufnahme von Delikten des kantonalen Rechts

Es wurde verschiedentlich die Forderung gestellt, auch Delikte des kantonalen Rechts in VOSTRA aufzunehmen. Diese Delikte können zwar für die Strafzumessung eine Rolle spielen, werden aber in den Kantonen nicht registriert, weil der Aufwand für den Aufbau einer solchen Datenbank als zu gross erscheint. Auch auf Seiten der registerführenden Stelle wäre der Aufwand für die Eintragung kantonaler Straftaten übermässig. Zu bedenken ist auch, dass das Register in drei Sprachen geführt werden müsste, obschon für kantonale Delikte meist keine amtlichen Übersetzungen in die zwei anderen Landessprachen vorliegen.

1.5.2

Änderung des Eintragungsmechanismus bei Übertretungen

Die heutige Regelung, wonach Verurteilungen wegen Übertretungen nur dann einzutragen sind, wenn die Busse einen bestimmten Betrag überschreitet, führt für Täter und Täterinnen in wirtschaftlich guten Verhältnissen zu einer gewissen Benachteiligung. Denn gemäss Artikel 106 Absatz 3 StGB bemisst sich die Busse nach den wirtschaftlichen Verhältnissen. Im Zusammenhang mit der Motion Heer (09.3398. Anpassung der Voraussetzungen für den Strafregistereintrag), die der Ständerat ablehnte, stellte der Bundesrat die Prüfung von Alternativen im Rahmen dieser Vorlage in Aussicht. Diese Prüfung ergibt nun aber, dass der aktuelle Eintragungsmechanismus beizubehalten ist, da keine der folgenden Möglichkeiten zu besseren Ergebnissen führt: ­

Eintragung aller Übertretungsurteile in VOSTRA. Übertretungen würden weiterhin nicht im Privatauszug erscheinen. Eine umfassende Eintragung hätte den Vorteil, dass die Statistik im Bereich der Übertretungen vollständig geführt werden könnte. Es ist jedoch sinnvoll, eine Mindestgrenze vorzusehen, um die Eintragung von Bagatellen zu vermeiden. Bei geringfügigen Bussen fallen die Unterschiede zwischen reichen und armen Tätern nicht ins Gewicht, weil die Praxis hier kaum Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse nimmt. Demgegenüber hätte die Eintragung einen grossen Aufwand für die betroffenen Behörden zur Folge, und das Interesse an einer vollständigen Eintragung aller Übertretungen ist nicht gegeben.

­

Verzicht auf die Eintragung von Übertretungen. Ein Verzicht auf die Eintragung von Übertretungen wäre aus Sicht der Strafzumessung nicht zu rechtfertigen, da auch Übertretungen für die Festsetzung des Strafmasses bei neuen Delikten eine Rolle spielen. In verschiedenen Deliktsbereichen würde man zudem legitimen Sicherheitsinteressen nicht mehr genügend Rechnung tragen. Ein weiteres Problem ist, dass es auch im Übertretungsbereich Delik-

5732

te mit sehr unterschiedlichem Unrechtsgehalt gibt. Vor allem im Nebenstrafrecht werden ­ um die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden beibehalten zu können ­ oft Übertretungen geschaffen, die materiell betrachtet auch Vergehen sein könnten.56 ­

Einführung eines Deliktskatalogs. Es besteht die Gefahr, dass die Erstellung eines solchen Katalogs in der Praxis eher willkürlich erfolgen würde, da es schwierig ist, nach objektivierbaren Kriterien zwischen «schwerwiegenden» und «leichten» Übertretungen zu unterscheiden (man denke an die sehr unterschiedlichen Bussenobergrenzen im Nebenstrafrecht).

­

Kombination verschiedener Lösungsansätze unter Einbezug der Ersatzfreiheitsstrafe. Demnach würde in Fällen, in denen das Gericht eine Ersatzfreiheitsstrafe festlegt, auf deren Höhe abgestellt (wobei die Anzahl Tage, die zu einer Eintragung des Übertretungsurteils führen, noch zu definieren wäre).

In allen anderen Fällen müsste man auf eine bestimmte Bussenobergrenze abstellen oder einen Katalog festlegen. Dies würde jedoch zu einer rechtsungleichen Behandlung führen.

1.5.3

Eintragung von Strafverbüssungsdaten

Heute werden nur wenige Vollzugsdaten (z. B. Untersuchungshaft, Änderung und Aufhebung von Massnahmen57) eingetragen. In der Vernehmlassung 2009 forderten mehrere Kantone die Registrierung weiterer Vollzugsdaten, etwa Angaben zum Vollzugsort und zum Zeitpunkt der Strafverbüssung oder über die Höhe von Reststrafen. Damit sollen den Vollzugsbehörden aufwendige Abklärungen bei unterschiedlichen Amtsstellen erspart werden.

Im Verhältnis zum Nutzen dieser Vollzugsdaten erscheint der Aufwand für die Eintragung solcher Zusatzinformationen jedoch unverhältnismässig hoch. Der Gesetzesentwurf sieht daher keine grundlegenden Abweichungen vom heutigen Recht vor und belässt einen gewissen Spielraum auf Verordnungsebene.

1.5.4

Zugangsrechte für ausländische Nicht-Justizbehörden, soweit sie die gleichen Aufgaben erfüllen wie angeschlossene schweizerische Behörden

Zum internationalen Austausch von Strafdaten bestehen staatsvertragliche Regeln für die Durchführung von Strafverfahren und für die Meldung von Strafdaten an den Heimatstaat.

Mangels gesetzlicher Grundlagen ist es heute unzulässig, ausländischen Behörden, die nicht Strafjustizbehörden oder Polizeistellen sind, Daten zu liefern.58 Ein solcher Datentransfer scheint jedoch in Fällen sinnvoll, in denen die ausländische Behörde die gleichen Aufgaben zu erledigen hat wie die angeschlossene schweizerische 56 57 58

Vgl. z. B. Art. 54 des Kartellgesetzes vom 6. Okt. 1995, KG, SR 251.

Vgl. Art. 6 VOSTRA-V.

Vorbehalten sind Meldungen an den Heimatstaat im Sinne von Art. 368 StGB i. V. m.

Art. 23 VOSTRA-V.

5733

Behörde. So erhält eine ausländische Kindesschutzbehörde, die über die Bestellung eines Vormunds oder Beistands entscheiden muss, von vornherein nicht die gleichen Auskünfte wie die entsprechende schweizerische Behörde. Ähnliche Probleme bestehen auch im fremdenpolizeilichen Bereich.

Den ausländischen Behörden bleibt in diesen Fällen nur der Privatauszug, der nur wenige Angaben enthält. Die Anwendung einer noch zu schaffenden Bestimmung, die an das Gegenrechtserfordernis und an gleichwertige Datenschutzstandards im Ausland geknüpft werden müsste, wäre mit grossen Schwierigkeiten verbunden: Allein die Überprüfung der Zweckidentität der Datenverwendung ist äusserst personalintensiv und ohne rechtsvergleichende Gutachten nur schwer zu bewerkstelligen, weshalb dieses Anliegen nicht weiter verfolgt wird.

1.5.5

Schaffung eines erweiterten Privatauszuges

In der Vernehmlassung 2009 wurde von den Kantonen SG und GR sowie von der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) ein erweiterter Privatauszug verlangt, der zuhanden von Arbeitgebern für besondere Anstellungsverhältnisse abgegeben werden soll. Im Sinne einer Generalklausel wurde vorgeschlagen, dass ein schützenswertes Interesse glaubhaft gemacht werden müsse und die Interessen der betroffenen Person nicht eindeutig überwiegen dürfen.

Es ist offensichtlich, dass solche Kriterien zu unbestimmt sind, um im Rahmen der täglichen Massenausfertigung im Einzelfall zu entscheiden, wann zusätzliche Informationen preisgegeben werden dürfen. Es wurde daher auch gefordert, dass ­ um eine Anfrageflut und Missbräuche zu verhindern ­ die genauen Anfragezwecke gesetzlich definiert werden müssten. Den in der Vernehmlassung konkret genannten Anwendungsfällen bei Kinderbetreuungsverhältnissen und bei der Beschäftigung in Sicherheitsfirmen trägt das neue Recht Rechnung: Für Kinderbetreuungsverhältnisse hat der neue Sonderprivatauszug eine Lösung gebracht59; bei der Beschäftigung in Sicherheitsfirmen sind neue Zugangsrechte vorgesehen (vgl. Art. 51 Bst. k und l).

Auf die Ausfertigung von nicht auf spezifische Zwecke fokussierten Privatauszügen ist dagegen zu verzichten.

1.6

Vernehmlassungsverfahren

Am 31. Oktober 2012 hat der Bundesrat den Vorentwurf zur Gesamtrevision des Strafregisterrechts in die Vernehmlassung geschickt; diese dauerte bis zum 14. Februar 2013.60 Für die detaillierte Darstellung der Ergebnisse wird auf den Vernehmlassungsbericht verwiesen.61 Im Überblick ergibt sich folgendes Bild: Von 60 Teilnehmenden spricht sich die überwiegende Mehrheit (48 Teilnehmende) im Grundsatz für die Vorlage aus (darunter alle Kantone und alle Parteien).

59 60 61

Vgl. vorne Ziff. 1.1.1 und Art. 47 und 62­64.

Nachfolgend Vernehmlassung 2012 genannt.

Abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2012 > EJPD.

5734

Explizit begrüsst wird von vielen Teilnehmenden die Regelung auf Gesetzesstufe und die Durchführung einer Gesamtrevision. Positiv vermerkt wird zudem oft die erhöhte Beachtung des Datenschutzes, wobei es auch in diesem Bereich Verbesserungsvorschläge gibt. Mehrheitlich begrüsst wird im Grundsatz auch das neue Auszugskonzept mit differenzierten Zugangsprofilen. Begrüsst wird im Allgemeinen auch die Erweiterung der Zugangsrechte, die eine Effizienzsteigerung bei der Aufgabenerfüllung bringe und auf die Behördenbedürfnisse ausgerichtet sei.

Selbst positive Stimmen äussern sich jedoch zu zahlreichen Einzelfragen kritisch, so etwa in Bezug auf den verursachten Aufwand und die Kosten. Während einzelne Teilnehmende fordern, dass die Kostenaufteilung in den Grundzügen im Gesetz selber geregelt und die Kosten sorgfältiger eruiert und dargelegt werden sollten, betonen andere die Notwendigkeit des Einsatzes zusätzlicher personeller Ressourcen, die Notwendigkeit einer straffen Führung bei der Realisierung eines solchen IT-Projekts sowie die sorgfältige Planung der Inkraftsetzung.

In Bezug auf das Unternehmensstrafregister haben verschiedene Teilnehmende auf Probleme hingewiesen, die bei der Liquidation eines registrierten Unternehmens entstehen können. Im Gegensatz zum Vorentwurf verzichtet der vorliegende Entwurf darauf, die Liquidation eines Unternehmens strafregisterrechtlich zu berücksichtigen, weil dies unpraktikabel und nicht zweckdienlich wäre.

Verschiedene Teilnehmende haben verlangt, dass nicht nur Schuldsprüche unter Absehen von einer Bestrafung nach Artikel 53 und 54 StGB eingetragen werden sollen, sondern auch solche nach Artikel 52 StGB. Auch Einstellungsverfügungen nach den Artikeln 52 ff. oder allenfalls nach den Artikeln 53 ff. StGB sollten eingetragen werden. Einige Teilnehmende beschränkten ihre Forderung auf die Eintragung von Einstellungsverfügungen im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt. Diese Kritik wurde teilweise berücksichtigt (Art. 23 und 80).

Auf diese und weitere Kritik aus der Vernehmlassung 2012 wird bei der Erläuterung der einzelnen Bestimmungen eingehend eingegangen.62

1.7

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Das Strafregister-Informationssystem VOSTRA hat sowohl die Sicherheitsbedürfnisse einer immer grösseren Zahl von Behörden (auf Bundes- und kantonaler Ebene) und Privaten zu befriedigen als auch die Interessen der darin registrierten Personen im Umgang mit besonders schützenswerten Personendaten zu wahren. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die verhältnismässige, transparente, korrekte, effiziente und verlässliche Bearbeitung dieser Daten. Trotz zunehmender Komplexität der Regelungsmaterie wurde die Grundinfrastruktur in den letzten Jahren nie erneuert, weshalb sich der Aufwand für Änderungen auf Basis der heutigen Systemarchitektur stetig erhöhte. Die vorliegende umfassende Revision des Strafregisterrechts, die zahlreiche Neuerungen bringt, bietet daher auch Gelegenheit für einen Neubau von VOSTRA. Die damit verbundenen Aufwendungen stehen in einem vertretbaren Verhältnis zur gesellschaftlichen Bedeutung der Datenbank. Ebenso notwendig erscheint unter diesem Gesichtspunkt die Erhöhung der jährlichen Lohnund Infrastrukturkosten, da sich der Aufwand für eine verlässliche Personenidentifi62

Vgl. u. Ziff. 2.

5735

kation, für die Bewältigung von mehr Auskunftsersuchen, für mehr Kontrollen der Benutzerinnen und Benutzer, für die Ausfertigung neuer Unternehmensauszüge und für die Benutzerverwaltung nur so bewältigen lässt (vgl. zu den Details die Ausführungen unter Ziff. 3.1).

Die aktuelle Kostenaufteilung zwischen Bund und Kantonen ist unumstritten und wird auch unter Geltung des Strafregistergesetzes beibehalten. Sie erfolgt entsprechend den allgemeinen Grundsätzen, wonach Bund und Kantone jeweils diejenigen Kosten übernehmen, die ihnen bei der Erfüllung der gesetzlich zugewiesenen Vollzugsaufgaben entstehen. Deshalb regelt das geltende Recht die Kostenaufteilung zwischen Bund und Kantonen nur sehr rudimentär, indem Artikel 31 VOSTRA-V lediglich ein paar marginale Abgrenzungsfragen im Bereich der Finanzierung von Datenleitungen und Betriebsgeräten klärt.

Da der Entwurf nicht von diesem Prinzip abweicht und die Aufgaben klar verteilt, muss die Kostenaufteilung nicht im Gesetz geregelt werden ­ entgegen vereinzelter in der Vernehmlassung erhobener Forderungen. Allerdings enthält der Entwurf die im Vorentwurf noch vorgesehene Kompetenzdelegation an den Bundesrat (Art. 105 Bst. c VE-StReG) nicht mehr; damit wird deutlicher, dass der Bundesrat nicht ermächtigt werden sollte, die aktuelle Kostenaufteilung zu ändern. Hingegen kann der Bundesrat gestützt auf die Kompetenz zum Erlass von Ausführungsvorschriften (Art. 115) allenfalls notwendige Präzisierungen in der Verordnung vornehmen.

1.8

Umsetzung

Das Strafregistergesetz regelt nur die Grundzüge der Datenbearbeitung; die Detailregelung wird auf Verordnungsebene erfolgen. Die bestehende Verordnung wird deshalb zu ändern sein. Ferner wird der Informatikdienstleistungserbringer des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) Neuprogrammierungen der VOSTRA-Datenbank vornehmen müssen, und in Zusammenarbeit mit anderen Behörden werden diverse Schnittstellen zu anderen Systemen zu überarbeiten oder neu zu schaffen sein (so etwa Schnittstellen zum Zwecke der Statistik, zum UPIRegister, zum Personenstandsregister, oder zum Waffenregister). Die Umsetzung des Gesetzes macht auch die Überarbeitung der Schulungsunterlagen für die angeschlossenen Benutzer erforderlich, wobei die neuen Funktionalitäten so eingebaut werden sollen, dass sie für erfahrene Benutzer weitgehend selbsterklärend sind.

Alle diese Arbeiten haben zur Folge, dass das neue Gesetz erst einige Jahre nach seiner Verabschiedung wird in Kraft gesetzt werden können.

Für die Kantone bleibt deshalb genügend Zeit, die wenigen strafregisterbezogenen Regeln in ihren Einführungsgesetzen zum StGB anzupassen. Der gesetzliche Umsetzungsaufwand dürfte sich für sie in Grenzen halten, da keine neuen Vollzugsorgane geschaffen (Koordinationsstellen für das Strafregister existieren bereits) und keine zusätzlichen Vollzugsregeln festgelegt werden müssen.

Das neue Strafregistergesetz ändert an den bestehenden Zuständigkeiten für den Vollzug des Strafregisterrechts (vgl. Art. 4­8) nichts. Neu ist lediglich die Kompetenz der registerführenden Stelle zur Durchführung von vermehrten Kontrollen (ohne dass die Kompetenzen der zuständigen Datenschutzorgane beschnitten werden).

Auch an der bisherigen Kostenaufteilung hat sich nichts geändert (vgl. Ziff. 3.1).

Die für die Anwendung zuständigen Stellen konnten sich in der Vernehmlassung 5736

äussern. Diese stellten die Praxistauglichkeit der Vorlage nicht in Frage. Wo die bestehenden Aufgaben zu einem Mehraufwand führen, werden die Aufwendungen ausgewiesen und entsprechende Stellen beantragt (vgl. Ziff. 3). Zudem soll das Gesetz den Aufwand für die Kantone so gering wie möglich halten: etwa durch die Minimierung der Meldungen im Bereich von hängigen Strafverfahren Jugendlicher, durch die Möglichkeit der Delegation von Identitätsabklärungen an die registerführende Stelle, durch den Verzicht auf den Ausbau der Vollzugsmeldungen bei Strafen oder durch die Einrichtung von Schnittstellen für die Erfassung von Urteilskopien.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

Vorbemerkungen

Im Bereich Strafregister für natürliche Personen übernimmt der Entwurf die bestehenden Regeln des StGB und der VOSTRA-V grösstenteils, überarbeitet sie jedoch redaktionell. Daher wird die bisherige Regelungsmechanik für das Personenregister nicht mehr im Detail erläutert. Eingehende Kommentierung erfahren nur diejenigen Regelungen, die echte Neuerungen enthalten.

2.2

1. Teil: Allgemeine Bestimmungen (Art. 1­16)

2.2.1

1. Titel: Gegenstand und Begriffe

Art. 1

Gegenstand

Absatz 1 definiert den Kern der Strafregisterregelung und stellt klar, dass es hier in erster Linie um eine Datenbankregelung geht ­ dabei geht es v. a. um die Bearbeitung von Daten, die einen Zusammenhang zu hängigen Strafverfahren, rechtskräftigen Strafurteilen und bestimmten Einstellungsverfügungen stehen. Alle in VOSTRA ablaufenden Prozesse sind irgendwie mit diesen Hauptkategorien vernetzt. Der Begriff «Bearbeitung» wird daher im umfassenden Sinne verstanden (vgl. Art. 3 Bst. e DSG) und meint jeglichen Umgang mit diesen Daten.

Mit der unmittelbaren Datenbearbeitung verknüpft sind aber noch andere Fragen.

Entsprechend gibt Absatz 2 eine Übersicht über sämtliche Regelungsbereiche, die im Strafregistergesetz abgehandelt werden, wobei die Aufzählung mehrheitlich dem Kapitelaufbau des Strafregistergesetzes folgt.

Die für das Strafregister-Informationssystem gewählte Bezeichnung «VOSTRA» leitet sich vom Begriff «vollautomatisiertes Strafregister» ab. Dieser Begriff ist insofern nicht ganz zutreffend, als das Strafregister nicht vollautomatisch funktioniert, sondern es sich vielmehr um eine elektronisch geführte Datenbank handelt.

Der Name der Datenbank soll jedoch, weil er weithin bekannt ist, nicht geändert werden.

Art. 2

Systemteile von VOSTRA

Die eingetragenen Strafdaten sind entweder einer natürlichen Person oder einem Unternehmen zugeordnet. Entsprechend hält Artikel 2 fest, dass VOSTRA zweigeteilt ist ­ in ein Personenregister und ein Unternehmensregister. Diese Aufteilung 5737

erfolgt, da die Suchmechanismen und Bearbeitungsregeln bei natürlichen Personen und bei Unternehmen zwar ähnlich, aber nicht identisch sind.

Art. 3

Begriffe

Artikel 3 enthält eine Aufzählung wichtiger Begriffsdefinitionen, welche dem besseren Verständnis der Normen des Strafregisterrechts dienen.

Die «Strafdaten» (vgl. Bst. d) stellen eine Teilmenge aller in VOSTRA anfallenden Daten dar: Es sind dies Daten, die Informationen über den Inhalt eingetragener strafrechtlicher Entscheide und hängiger Strafverfahren enthalten. Sie bilden somit den Kern sämtlicher in VOSTRA enthaltener Informationen.

Unter den Begriff «Strafdatenverwaltung» (vgl. Bst. e) werden alle Programmteile von VOSTRA subsumiert, die der klassischen Ausfertigung von Strafregisterauszügen dienen. Im Gegensatz dazu gibt es einzelne Programmteile, bei denen andere Funktionalitäten im Vordergrund stehen: etwa die Instrumente zur automatischen Protokollierung erfolgter Abfragen (vgl. Art. 27 und 84), zur Online-Bestellung von Auszügen aus einem ausländischen Strafregister (Art. 28) oder die Hilfsdatenbank zur Abwicklung des Bestellprozesses von Privatauszügen und Sonderprivatauszügen (Art. 29 und 85).

2.2.2

2. Titel: Aufgaben der registerführenden Behörden

In Bezug auf die Behördenstruktur der registerführenden Behörden bleibt alles beim Alten. Oberste Behörde ist nach wie vor das Bundesamt für Justiz (dessen Stelle, die VOSTRA führt, «registerführende Stelle» genannt wird; vgl. Art. 4). In jedem Kanton gibt es weiterhin eine Koordinationsstelle für das Strafregister (KOST), die in der Kommunikation mit kantonalen Behörden, die nicht an VOSTRA angeschlossen sind, gewisse Hilfsfunktionen zu übernehmen hat (vgl. Art. 5). Eine ähnliche Drehscheibenfunktion hat die Koordinationsstelle der Militärjustiz (vgl. Art. 6).

Art. 4

Bundesamt für Justiz

Das BJ trägt als Datenherr die Verantwortung für VOSTRA (Art. 4 Abs. 1). Die Verantwortlichkeit für VOSTRA ist dabei auf Amtsebene angesiedelt. Operativ tätig ist jedoch die «registerführende Stelle» des BJ. Die Bezeichnung des konkreten Fachbereichs innerhalb des BJ, der für die Registerführung verantwortlich ist, wird im Gesetz bewusst nicht verwendet. Allfällige Verfügungen63 werden durch das BJ erlassen, nicht durch den Fachbereich.

63

So kann etwa eine betroffene Person oder ein Unternehmen, das mit der Datenbearbeitung in VOSTRA nicht einverstanden ist, vom Bundesamt für Justiz eine Feststellungsverfügung verlangen, damit die Korrektheit der Datenbearbeitung mittels Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht überprüft werden kann (vgl. die Art. 5, 50 und 52 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 [VwVG, SR 172.021] sowie die Art. 31, 33 Bst. d und 37 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]).

5738

Aus der Kompetenz zur Registerführung resultieren die in Absatz 2 genannten Aufgaben. Diese entsprechen in weiten Teilen geltendem Recht (vgl. Art. 365 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 2 VOSTRA-V). Die entsprechenden Normen wurden allerdings etwas klarer strukturiert und durch wenige Neuerungen ergänzt: ­

So wurde in Buchstabe c präzisiert, dass Kurse (dies können Grund- oder Weiterbildungskurse sein) nur für online anschlussberechtigte Nutzerinnen und Nutzer durchgeführt werden.

­

Nach Buchstabe e setzt sich die registerführende Stelle für einen nutzerfreundlichen Betrieb und eine stetige Verbesserung der Funktionalität der Datenbank ein. Obschon die Datenbankstruktur durch die Gesetzgebung weitgehend vorbestimmt ist, müssen gewisse Funktionalitäten in den Details immer wieder angepasst werden, um den Bedürfnissen der Praxis gerecht zu werden (Beispiel: Programmierung weiterer Eingabefelder, um Urteile mit sehr vielen Tatzeiten erfassen zu können). Da für entsprechende Aktualisierungen der Datenbank auch jedes Jahr entsprechende Budgetposten eingestellt sind, rechtfertigt es sich, die entsprechende Pflicht zur Weiterentwicklung der Datenbank im Gesetz zu nennen.

­

Buchstabe g nennt gewisse Kontrollpflichten, wobei sich grundsätzlich zwei Arten von Kontrollen unterscheiden lassen: Kontrollen, ob die eingetragenen Daten korrekt sind, und Kontrollen, ob die angeschlossenen Behörden zweckgebunden abfragen. Buchstabe g stellt klar, dass die registerführende Stelle nicht nur «auf Gesuch» einer betroffenen Person, sondern «von Amtes wegen» tätig wird. Allerdings stehen der registerführenden Stelle für diese Aufgabe nur beschränkte personelle Ressourcen zur Verfügung. Eine permanente Kontrolle der Datenbearbeitung ist nicht möglich; vielmehr wird sich die registerführende Stelle mit stichprobeweisen Kontrollen begnügen müssen.

Die Prüfung der Korrektheit der Daten bereitet im Allgemeinen kaum Schwierigkeiten. Ein entsprechendes Controlling findet bereits heute etwa bei neu an VOSTRA angeschlossenen Nutzerinnen und Nutzern statt. Die jeweiligen Behörden sind auf Anfrage verpflichtet, ihre Entscheide, die Grundlage für die Eintragung bilden, an die registerführende Stelle zu liefern (vgl. Art. 10). Der Umgang mit fehlerhaften Eintragungen ist in Buchstabe h geregelt.

Aufwendiger sind hingegen Kontrollen zur Überprüfung der Zweckkonformität, denn solche Kontrollen sind zeitintensiv. Dementsprechend ist die Schaffung einer zusätzlichen Stelle vorgesehen (vgl. Ziff. 3.1). Zu beachten ist zudem, dass die Kontrollpflicht der registerführenden Stelle gemäss Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe g keinen Einfluss auf die Kompetenzen der Datenschutzbeauftragten der angeschlossenen Ämter sowie diejenigen des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Aufsicht über Bundesbehörden) und der kantonalen Datenschutzbeauftragten (Aufsicht über kantonale Behörden) hat. Buchstabe g tangiert deren Kontrollrechte nicht, vielmehr bestehen in diesem Bereich parallele Kompetenzen. Die Kontrollpflicht der registerführenden Stelle soll die effektive Kontrolltätigkeit steigern, weil die Datenschutzbeauftragten oftmals kaum über genügend Ressourcen verfügen, um die zweckkonforme Nutzung der Daten regelmässig zu kontrollieren. Dem Bundesamt für Justiz (als Datenherr über 5739

VOSTRA) wird somit ­ auch im Interesse der Gewährleistung einer möglichst einheitlichen Praxis ­ bewusst eine starke Stellung eingeräumt. Die registerführende Stelle kann so ihr Fachwissen über die Funktionsweise von VOSTRA in diese Kontrollen einfliessen lassen. Da die registerführende Stelle VOSTRA nicht für eigene Zwecke nutzt, ist auch sichergestellt, dass diese Stelle ihre Aufgabe unabhängig erfüllt. Stellt die registerführende Stelle fest, dass ein Nutzer Strafregisterdaten missbräuchlich abgefragt hat, so trifft sie die gemäss Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe i vorgesehenen Massnahmen (vgl. unten).

Um eine vorschriftsgemässe Datenbearbeitung zu gewährleisten, erteilt bereits das geltende Recht der registerführenden Stelle das Recht, auf die Protokolle zuzugreifen (Art. 2 Abs. 4 VOSTRA-V). Bei der bisherigen Form der Protokollierung, die sich auf Artikel 10 der Verordnung vom 14. Juli 199364 zum Bundesgesetz über den Datenschutz (VDSG) stützt und beibehalten werden soll, ist es jedoch nur möglich, nach den Abfragen einer bestimmten Nutzerin bzw. eines bestimmten Nutzers zu suchen. Gemäss den Artikeln 27 und 84 werden die Abfragen künftig objektbezogen protokolliert, sodass sich feststellen lässt, welche Behörden Daten über eine bestimmte Person oder ein Unternehmen abgefragt haben. Die registerführende Stelle erhält in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe g das Recht, zur Durchführung von Kontrollen auf diese automatisch protokollierten Abfragen zuzugreifen (vgl. auch Art. 48).

­

Bisher sieht Artikel 2 Absatz 5 VOSTRA-V lediglich vor, dass die registerführende Stelle die «individuellen Bearbeitungsrechte» erteilt und entzieht.

Diese Kompetenz wird in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b neu formuliert.

Der Entzug ist nur dort unproblematisch, wo er erfolgt, weil ein angeschlossener Nutzer eine andere Stelle antritt. Neu wird er in Buchstabe i aber auch für den Fall vorgesehen, wo ein Nutzer gegen Bearbeitungsvorschriften verstösst. Meist dürften jedoch mildere Massnahmen wie die Ermahnung oder die Verpflichtung zum Besuch von Kursen genügen, um künftiges Fehlverhalten zu verhindern. Der Entscheid betreffend die Verweigerung eines Online-Anschlusses einer Behörde oder eines Behördenmitgliedes an VOSTRA (vgl. Ausführungen zu Art. 40 Abs. 3) ist nicht Gegenstand einer Verfügung, da eine öffentliche Körperschaft im Verwaltungsverfahren grundsätzlich keine Parteistellung besitzt. Behörden, denen ein OnlineAnschluss verweigert wird, können jedoch eine Aufsichtsbeschwerde beim EJPD erheben.

Buchstabe i stellt klar, dass die registerführende Stelle bei groben Verstössen die vorgesetzte Stelle einer Nutzerin oder eines Nutzers sowie die zuständigen Datenschutzorgane informiert. Damit kann der Nutzer oder die Nutzerin disziplinarisch zur Rechenschaft gezogen werden, und die datenschutzrechtlichen Aufsichtsorgane können ihre Verantwortung ebenfalls wahrnehmen.

Beim Verdacht auf eine strafbare Handlung erstattet die registerführende Stelle ferner Strafanzeige bei den zuständigen Strafbehörden. Soweit jedoch eine Abfrage einzig zu einem nichtkonformen Zweck erfolgt, dürfte selten ein strafbares Verhalten vorliegen. Ein solches ist aber dennoch möglich, wenn zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind: So fällt eine Verurteilung

64

SR 235.11

5740

nach Artikel 179novies StGB (unbefugtes Beschaffen von Personendaten) zwar ausser Betracht, wenn die Nutzerin oder der Nutzer von einem OnlineAbfragerecht Gebrauch macht, ist aber möglich, wenn die Nutzerin oder der Nutzer eine Zugangssperre überwindet. Handelt die Nutzerin oder der Nutzer mit Bereicherungsabsicht, so kommt ein Verstoss gegen Artikel 143 StGB (unbefugte Datenbeschaffung) in Betracht. Braucht die Nutzerin oder der Nutzer die missbräuchlich bezogenen Daten nur für eigene behördliche Zwecke, so fällt eine Bestrafung nach Artikel 35 DSG (Verletzung der beruflichen Schweigepflicht) zwar ausser Betracht; sie ist aber möglich, wenn die Nutzerin oder der Nutzer die Daten unbefugt bekanntgibt.

­

Bisher nirgends definiert sind auch die Pflichten der registerführenden Stelle im Umgang mit der Versichertennummer. Diese werden neu in Buchstaben l erwähnt (vgl. auch die Ausführungen zu Art. 11 Abs. 4 und 5). Falls einer Person noch keine Versichertennummer zugewiesen ist, stellt die registerführende Stelle bei der ZAS einen Antrag auf Zuteilung einer solchen Nummer. Der Antrag auf Zuteilung einer AHVN13 erfolgt somit nicht durch die eintragende Behörde, sondern immer zentral durch die registerführende Stelle. Dies verhindert Verzögerungen bei der Eintragung von Strafdaten, kann doch der Zuteilungsprozess u. U. mehrere Tage dauern. Zudem entsteht für die eintragenden Behörden kein Aufwand, und die Kommunikation mit der ZAS gestaltet sich einfacher, wenn nur ein einziger Ansprechpartner besteht. Soweit der registerführenden Stelle die Pflicht zum Einfügen der Versichertennummer zukommt, ist zu beachten, dass sich diese Pflicht nicht nur auf die korrekte laufende Zuteilung, sondern auch auf die laufende Bereinigung von Zuteilungsfehlern bezieht (etwa die Deaktivierung oder die Annullierung von Versichertennummern, die von der ZAS gemeldet werden) sowie auf die Nachführung der Attribute im Anschluss an die periodische Synchronisation von VOSTRA mit der UPI (vgl. die Ausführungen zu Art. 11 Abs. 5).

­

Neu ist auch die Regelung in Buchstabe p, wonach die registerführende Stelle die Aufgabe hat, von VOSTRA zentral aufbereiteten Rückfall- und Kontrollmeldungen nach Artikel 25 Absatz 1 Buchstaben b und c an andere Behörden weiterzuleiten (in der Praxis betrifft dies vornehmlich Bundesbehörden oder ausländische Behörden). Spiegelbildlich enthält der Entwurf auch entsprechende Verpflichtungen für die KOST (Art. 5 Abs. 2 Bst. e) und für die Koordinationsstelle der Militärjustiz (Art. 6 Bst. e).

Art. 5

Kantonale Koordinationsstellen

Die in Absatz 1 genannte Pflicht zur Schaffung einer Koordinationsstelle (KOST) wurde aus Artikel 367 Absatz 5 StGB übernommen.

Die Aufgaben gemäss Absatz 2 entsprechen inhaltlich Artikel 14 Absatz 1 VOSTRA-V. Neu ist Buchstabe e, wonach die KOST auch für die Weiterleitung gewisser Meldungen an andere Behörden (in der Praxis betrifft dies vornehmlich kantonale Strafjustizbehörden) zuständig ist. Diese Verpflichtung kommt gerade auch dort zum Tragen, wo kantonale Behörden nicht direkt an VOSTRA angeschlossen sind (und VOSTRA daher nicht als direkter Kommunikationskanal genutzt werden kann). Die KOST nimmt diese Aufgabe bereits heute wahr, lässt sie sich doch (bei sehr weiter Auslegung) unter Buchstabe d (Unterstützung bei der 5741

Kontrolle der Datenbearbeitung) subsumieren. Neu ist ausserdem Buchstabe f, wonach die KOST die Nutzerinnen und Nutzer in ihrem Kanton bei der Lösung von Anwendungsproblemen unterstützen (vgl. auch Art. 4 Abs. 2 Bst. d).

Artikel 14 Absatz 2 VOSTRA-V findet im StReG keine Entsprechung mehr, da sich die entsprechenden Regelungsinhalte bereits aus anderen Bestimmungen ergeben: ­

So ergibt sich bereits aus Absatz 2 Buchstaben a und b, dass die Kantone vorsehen können, dass die Erfassung der Urteile oder die Ausfertigung der Auszüge über die KOST laufen kann (vgl. auch Art. 7 Abs. 2). Solange eine kantonale Behörde nicht angeschlossen ist (vgl. die Definition in Art. 3 Bst. c), erfolgt der Datenaustausch mit VOSTRA über die KOST. Dabei ist ohne Belang, ob der Grund für den effektiven Nichtanschluss im kantonalen Recht begründet ist oder im fehlenden Bedürfnis der Behörde.

­

Dass die Kantone der Koordinationsstelle weitere Aufgaben im Zusammenhang mit VOSTRA übertragen können, ergibt sich aus der kantonalen Organisationsautonomie und braucht daher nicht speziell erwähnt zu werden.

In Absatz 2 Buchstaben a und b findet der Begriff «kantonale Behörden» erstmals im Gesetz Verwendung. Darunter sind nicht nur die Behörden auf Stufe Kanton zu verstehen, sondern auch die innerkantonalen Behörden. Ist im StReG somit von kantonalen Behörden die Rede, so sind regionale und kommunale Behörden mit gemeint. Etwas anderes gilt hingegen im Bereich der Einbürgerungen, denn dort haben die kommunalen Behörden kein Online-Abfragerecht mit Zugang auf Urteilsdaten und hängige Strafverfahren, sondern lediglich Anspruch auf einen Privatauszug (siehe Erläuterungen zu Art. 51 Bst. g in Ziff. 2.3). Um klarzustellen, dass in diesem Bereich die kommunalen Behörden nicht unter den Begriff «kantonale Behörden» fallen, ist in diesem Zusammenhang von kantonalen Behörden auf Stufe Kanton die Rede.

Art. 6

Koordinationsstelle der Militärjustiz

Die Koordinationsstelle der Militärjustiz ist beim Oberauditorat des VBS angesiedelt und widmet sich den Bedürfnissen der Militärjustizbehörden, die keinen fixen Standort haben und daher auf ein zentrales «Sekretariat» angewiesen sind.

Die genannten Aufgaben entsprechen inhaltlich Artikel 15 VOSTRA-V. Neu ist lediglich Buchstabe e, wonach die Koordinationsstelle der Militärjustiz auch für die Weiterleitung gewisser Meldungen an andere Behörden (in der Praxis betrifft dies vornehmlich die Militärjustizbehörden) zuständig ist, weil diese nicht direkt an VOSTRA angeschlossen sind. Daher kann VOSTRA auch nicht als direkter Kommunikationskanal genutzt werden.

2.2.3

3. Titel: Behörden mit Eintragungs-, Melde- oder Auskunftspflichten

Im 3. Titel werden nur Pflichten genannt, die für die korrekte Bearbeitung der Daten im Register von Relevanz sind. Im StReG werden folglich die bisher in Artikel 20 Absätze 1 und 3 VOSTRA-V genannten (vollzugsrelevanten) Widerrufsmeldungen

5742

an Vollzugsbehörden nicht mehr aufgeführt. Diese werden weiterhin auf Verordnungsebene definiert werden.

Art. 7

Eintragungspflichtige Behörden

Neben den in Artikel 7 Absatz 1 genannten Behörden können auch die registerführenden Behörden gemäss den Artikeln 4­6 Daten direkt in VOSTRA eintragen. Sie sind in Artikel 7 nicht genannt, sondern dieser nennt nur Behörden der Strafrechtspflege, die selbst einzutragende Daten generieren. Die Aufzählung der Behörden orientiert sich an Artikel 16 VOSTRA-V, enthält allerdings die Militärjustizbehörden nicht, da diese immer über die Koordinationsstelle der Militärjustiz operieren (vgl. Art. 6). Der bisher gebräuchliche Begriff «Strafjustizbehörden» wird in Absatz 1 Buchstabe a nicht verwendet, da er in der Vergangenheit immer wieder zu Interpretationsschwierigkeiten führte. Stattdessen werden die einzelnen Behördentypen, die im Bereich des zivilen Strafrechts tätig sind, aufgezählt. Die Verwaltungsbehörden, die mit (verwaltungs-) strafrechtlichen Funktionen ausgestattet sind, werden neu in einem separaten Buchstaben b genannt.

Behörden, die einzutragende Daten generieren, sind allerdings nicht zwingend selbst eintragungspflichtig. Der Bund oder der Kanton kann festlegen, dass die Eintragung über die registerführende Stelle bzw. über die KOST erfolgt, selbst wenn die Behörde technisch in der Lage wäre, ihre Daten in VOSTRA einzutragen (Abs. 2).

Art. 8

Meldepflichtige Behörden

Bereits aus den in den Artikeln 4­6 definierten Zuständigkeiten folgt, dass die Meldungen von Bundesbehörden und ausländischen Behörden an die registerführende Stelle erfolgen (Abs. 1), diejenigen von kantonalen Behörden gehen an die KOST (Abs. 2) und Meldungen der Militärjustiz werden an die Koordinationsstelle der Militärjustiz gesandt (Abs. 3). Der gleiche Grundsatz gilt für diejenigen Behörden, die gestützt auf Artikel 7 Absatz 2 meldepflichtig sind.

Die registerführende Stelle kann mittels Weisungen bestimmen, in welcher Form die Meldungen aufbereitet werden sollen (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. f), also etwa ob ein Meldeformular zu verwenden oder gleich das Originalurteil zu versenden ist oder ob die Meldung auf Papier oder elektronisch zu erfolgen hat.

Art. 9

Auskunftspflicht der Zivilstandsämter, Einwohnerkontrollen, Ausländerbehörden und der Zentralen Ausgleichsstelle

Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen dem geltenden Artikel 19 VOSTRA-V, allerdings wird die Auskunftspflicht auf Ausländerbehörden sowie die Zentrale Ausgleichstelle (ZAS) ausgeweitet.

Behörden, die Daten in VOSTRA eintragen müssen, haben vor der Datenerfassung zu eruieren, ob die entsprechende Person in VOSTRA bereits verzeichnet ist, damit die neuen Daten korrekt zugeordnet werden können. Die Personensuche in VOSTRA erfolgt neu unter Verwendung der Datenbank «Unique Person Identification Database» (UPI) der ZAS (vgl. Art. 14 Abs. 3). In der UPI werden die identifizierenden Merkmale einer Person stetig aktualisiert. Die UPI enthält zudem auch ehemalige Namen oder abweichende Personalien. Wird nach Personen gesucht, die über eine AHVN13 verfügen, ist es nicht nötig, zuvor zusätzliche Erkundigungen einzuholen. Von der Auskunftspflicht nach Artikel 9 wird somit nur noch in Aus5743

nahmefällen Gebrauch gemacht werden müssen: Eine genaue Abklärung aller identifizierenden Merkmale ist nur dort nötig, wo einer Person noch keine AHVN13 zugeordnet worden ist oder wo die Suche via UPI kein klares Ergebnis geliefert hat.

Hier können Auskünfte der Zivilstandsämter, Einwohnerkontrollen, Ausländerbehörden sowie der ZAS eine wertvolle Hilfe sein. Artikel 9 ist somit das Gegenstück zu Artikel 11 Absatz 3, welcher von den eingebenden Behörden eine Identitätsabklärung verlangt, wenn Zweifel bestehen, ob eine Person bereits in VOSTRA erfasst ist.

Der Grund, weshalb auch Ausländerbehörden neu auskunftspflichtig sind, liegt darin, dass eine korrekte Identifikation von Ausländern, gerade wenn ihnen keine AHVN13 zugeteilt ist, nicht immer einfach ist. Die Ausländerbehörden verfügen nicht selten über zusätzliche wichtige Informationen, die zur korrekten Identifikation einer Person hilfreich sein können: etwa wenn ein Ausländer über mehrere Ausweisschriften verfügt (z. B. Doppelbürger mit zwei Pässen und unterschiedlichen Namensschreibweisen) oder wenn der ausgestellte Ausländerausweis nicht mit den Angaben im Personenstandsregister übereinstimmt. Als weiteres Beispiel kann aufgeführt werden, dass in der UPI-Datenbank nur die ZEMIS-Hauptidentitäten aktualisiert, aber keine ZEMIS-Nebenidentitäten geführt werden. Die Suchanfrage in VOSTRA (via UPI-Datenbank) ergibt unter Umständen also kein vollständiges Bild.

Art. 10

Auskunftspflicht der eintragungspflichtigen, meldepflichtigen und zugangsberechtigten Behörden

Diese Auskunftspflicht (bisher in Art. 2 Abs. 4 dritter Satz VOSTRA-V geregelt) ist nun wegen ihrer Bedeutung wie andere Auskunftspflichten formell-gesetzlich geregelt.

Wie bereits bei Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe g erwähnt, gibt es zwei Arten von Kontrollen: Bei der ersten Art von Kontrollen geht es darum, ob die registrierten Daten korrekt sind. Aus diesem Grund müssen die eintragenden und die meldenden Behörden Einblick in die entsprechenden Entscheide gewähren. Da künftig elektronische Kopien der Originalentscheide in VOSTRA erfasst werden (vgl. die Art. 24 und 81) und für die registerführende Stelle einsehbar sind, wird sich dieses Controlling erheblich vereinfachen und meist ohne zusätzliche Auskünfte auskommen.

Anders verhält es sich bei altrechtlichen Entscheiden, von denen noch keine elektronischen Kopien angefertigt worden sind (vgl. Art. 117 Abs. 6) und bei der Eröffnung von hängigen Strafverfahren, wo es ebenfalls keine elektronischen Kopien gibt. Hier ist die Auskunftspflicht zur Überprüfung der Korrektheit der Daten durchaus noch von Bedeutung.

Die zweite Art von Kontrollen betrifft die Frage, ob eine zugangsberechtigte Behörde tatsächlich zu den gesetzlich vorgesehenen Zwecken in VOSTRA-Daten Einblick genommen hat. Anhand der Protokolle und automatisch protokollierten Abfragen (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. g) kann die registerführende Stelle feststellen, welche Nutzerin oder welcher Nutzer wann für welche Behörde welche Daten über welche Person abgefragt hat. Die Feststellung, ob die Abfrage zweckkonform war, erfordert jedoch auch Einblick in Dokumente, die Grundlage für die Abfrage waren.

Ergibt sich beispielsweise aus den Protokollen, dass eine Einbürgerungsbehörde Daten einer Person abgefragt hat, so muss die Behörde nachweisen, dass die abgefragte Person tatsächlich ein Einbürgerungsgesuch gestellt hat. Die Offenlegungs5744

pflicht von Hintergrundakten beschränkt sich aber ausdrücklich auf «erforderliche Auskünfte». Zudem entscheidet aus Datenschutzgründen letztlich die kontrollierte Behörde, welche Akten sie im Einzelfall vorlegt. Die Kontrollmöglichkeiten der registerführenden Stelle sind auch dort eingeschränkt, wo durch solche Auskünfte überwiegende öffentliche Interessen verletzt werden ­ etwa durch Auskünfte, die im Interesse der inneren oder äusseren Sicherheit geheim zu halten sind. In solchen Fällen bestätigt der Datenschutzberater des überprüften Amtes (auf konkrete Anfrage der registerführenden Stelle hin) lediglich die Korrektheit der Datenbearbeitung.

2.2.4

4. Titel: Bearbeitungsgrundsätze

Die Artikel 11­13 enthalten grundlegende Sorgfaltsregeln und Bearbeitungsgrundsätze. Solche Regeln finden sich bisher nur auf Verordnungsstufe. Da diese Regeln für die Verlässlichkeit der Daten und die datenschutzkonforme Nutzung von VOSTRA von grundlegender Bedeutung sind, ist es gerechtfertigt, sie bereits auf Stufe StReG zu nennen. Dies gilt in besonderem Masse für die in Artikel 13 enthaltenen Normen, welche die Weiterverarbeitung der besonders schützenswerten VOSTRA-Daten regeln. Artikel 14 ermöglicht neu die systematische Nutzung der Versichertennummer.

Art. 11

Sorgfaltsregeln für die Eintragung, Abfrage und Meldung von Daten

Die Absätze 1 und 2 entsprechen inhaltlich der Regelung von Artikel 18 Absätze 2 und 3 VOSTRA-V. Weil die Behörden ohnehin an das Legalitätsprinzip gebunden sind, verzichtet der Entwurf darauf, die Pflicht zur vorschriftsgemässen Bearbeitung gemäss Artikel 18 Absatz 1 VOSTRA-V ausdrücklich festzuschreiben.

Absatz 3 ist inhaltlich neu und verpflichtet die eintragenden Behörden, vor der Eingabe von Daten eine umfassende Identitätsabklärung durchzuführen, sofern Zweifel bestehen, ob eine einzutragende Person bereits in VOSTRA erfasst ist. Bei jeder Personendatenbank stellt sich nämlich das Problem, dass sich die Identitätsmerkmale einer Person verändern können, etwa wenn eine Person unter dem Geburtsnamen in VOSTRA registriert ist, aber zwischenzeitlich geheiratet, eine Namensänderung durchgeführt und einen neuen Pass erhalten hat.65 Der Vorentwurf verlangte noch eine umfassende Identitätsabklärung vor jeder Eintragung von Daten in VOSTRA. In der Vernehmlassung 2012 wurde jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass eine umfassende Personenidentifikation vor jeder Eintragung mit einem enormen Aufwand verbunden wäre und die Abfragen daher ­ und wegen der höheren Verlässlichkeit der Personendaten ­ mittels der Versicher-

65

Es kann aber auch vorkommen, dass eine Person von Anfang an mehrere Identitäten besitzt. So braucht der im Personenstandsregister registrierte Name nicht identisch zu sein mit dem Ausländerausweis, der auf einen bestimmten Pass abstellt; dieser wiederum braucht bei einem Doppelbürger nicht identisch zu sein mit einem Zweitpass aus einem anderen Land. Heute werden oft die Angaben aus den Polizeirapporten übernommen, ohne dass die Personalien verifiziert werden. Um eine Person in einer Datenbank zu finden, müssen also entweder mehrere Suchen (mit unterschiedlichen Such-Attributen) durchgeführt werden, oder es muss sichergestellt werden, dass die konsultierte Datenbank möglichst alle bekannten (alten und neuen) identifizierenden Merkmale einer Person enthält.

5745

tennummer (AHVN13) gemäss dem AHVG erfolgen sollten.66 Bei Personen, die über eine AHVN13 verfügen, gewährleistet die Suche über die UPI67 einen recht umfassenden Rückgriff auf bekannte Identifikationsmerkmale. Im Regelfall ist daher keine vorgängige (zusätzliche) Abklärung von abweichenden Personalien und ehemaligen Namen bei externen Stellen nötig. In der UPI sind nämlich neben den aktuellsten Identifikationsdaten auch ehemalige Namen und gewisse abweichende Personalien verzeichnet, die somit automatisch in jede Suche eingebunden werden.

Es genügt daher, die Suche anhand der verfügbaren Suchkriterien (Name, Vorname und Geburtsdatum) auszulösen. Anders als der Vorentwurf beschränkt daher die hier vorgeschlagene Regelung die Pflicht zur umfassenden Identitätsabklärung auf Fälle, in denen die Behörde zweifelt, ob die einzutragende Person bereits in VOSTRA erfasst ist. Zusätzliche Abklärungen sind also nur in Ausnahmefällen nötig.68 Die Identitätsabklärungen können an die registerführende Stelle delegiert werden (vgl. Abs. 3 Bst. b sowie Art. 4 Abs. 2 Bst. k). Weil solche Abklärungen oft kompliziert und aufwendig sind, ist es sinnvoll, sie von erfahrenen Benutzern vornehmen zu lassen, die mit der Bearbeitung solcher Fälle vertraut sind. Die eintragenden Behörden müssen die dafür nötigen Ressourcen deshalb nicht selber bereitstellen.

Zudem verfügt die registerführende Stelle über zusätzliche Möglichkeiten, Zweifelsfälle zu klären (z. B. Abklärungen via Fingerprintvergleich; Online-Zugang auf das Personenstandsregister).

In der Vernehmlassung 2012 wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass bei ausländischen Staatsangehörigen eine umfassende Identitätsabklärung nicht immer möglich sei, weil diese Personen in der Schweiz nirgends verzeichnet seien und kein Zugang zu ausländischen Datenbanken bestehe oder weil Anfragen ans Ausland oft unbeantwortet bleiben würden. In solchen Fällen ist grundsätzlich auf die vorhandenen Angaben (gemäss Ausweis) abzustellen; bei Verwechslungsgefahr mit anderen bereits registrierten Personen kann der Vergleich der Fingerabdrücke helfen, welche in einem Strafverfahren erhoben worden sind. Dadurch lässt sich feststellen, ob eine Person mit einer anderen identisch ist.

Das Ergebnis einer Abklärung kann bei Bedarf in einem speziellen Bearbeitungsvermerk festgehalten werden
(vgl. Art. 18 Abs. 1 Bst i).

Das vorrangige Ziel einer Identitätsabklärung ist die Verhinderung von Doppeleintragungen von Personen in VOSTRA. Die Pflicht zur umfassenden Identitätsabklärung nach Absatz 3 erstreckt sich deshalb nicht auf Behörden, die bloss Daten abfragen, nicht aber selber eingeben. Wenn eine bloss abfragende Behörde Zweifel über die Identität der gesuchten Person mit einer bereits erfassten Person hat, ist es dennoch sinnvoll, wenn sie diese Zweifel beseitigen lassen kann. Aus diesem Grund können auch bloss abfragende Behörden von der registerführenden Stelle die Vor66 67 68

Eingehend zur Verwendung der AHVN13 vgl. die Erläuterungen zu Art. 14.

Es handelt sich dabei um die Funktionalität des zentralen Versichertenregisters der AHV für die Personenidentifikation bei der Zuordnung und der Verwaltung der AHVN13.

Zweifel können etwa dann entstehen, wenn eine Person abgefragt wird, deren Identifikationsmerkmale grosse Ähnlichkeit mit einer bereits erfassten Person aufweisen. Hier gilt es (unter Beizug aller verfügbaren Datenbanken) abzuklären, ob die verwendeten Identifikationsmerkmale falsch sein könnten, oder ob es sich tatsächlich um zwei verschiedene Personen handelt. Der Abklärungsbedarf besteht somit regelmässig nicht vor der Suche, sondern allenfalls nachher (wenn das Suchergebnis dergestalt ist, dass keine klare bzw.

widersprüchliche Zuordnung zu bereits registrierten Personen besteht). Sind die in VOSTRA gespeicherten Daten falsch oder unvollständig, ist die entsprechende Aktualisierung vorzunehmen.

5746

nahme einer Identitätsprüfung verlangen (Abs. 6 sowie Art. 4 Abs. 2 Bst. k). Da jede Abfrage künftig unter Verwendung von UPI erfolgt (Art. 14), dürften entsprechende Identifikationsprobleme und zusätzliche Abklärungen eher die Ausnahme sein.

Absatz 4 regelt, wie die Eintragung von Strafdaten zu erfolgen hat, wenn die einzutragende Person (noch) über keine Versichertennummer verfügt, was etwa bei sogenannten Kriminaltouristen regelmässig der Fall ist. Gestützt auf Artikel 50c Absatz 2 Buchstabe b AHVG wird grundsätzlich jeder Person, die in VOSTRA erfasst werden muss, eine Versichertennummer zugeteilt. Bei Personen ohne AHVN13 erfolgt die Erfassung der Daten wie folgt: Gemäss Absatz 4 müssen eintragungspflichtige Behörden ein Urteil oder ein hängiges Strafverfahren auch ohne Versichertennummer eintragen. Dadurch ist zwar der Personaliendatensatz in VOSTRA für kurze Zeit unvollständig, was jedoch die Funktionalität des Strafregisters nicht beeinträchtigt. Parallel zur Suche in der UPI wird nämlich immer auch eine direkte Suche in VOSTRA ausgelöst,69 sodass auch Personen ohne AHVN13 im Register zu finden sind. Ein VOSTRA-interner Suchlauf filtert laufend alle in VOSTRA registrierten Personen ohne AHVN13 heraus und meldet diese Personen der registerführenden Stelle.70 Diese sorgt für die korrekte Implementierung der AHVN13 und der Identifikationsdaten in VOSTRA (vgl.

Art. 4 Abs. 2 Bst. 1).

Die registerführende Stelle überprüft gemäss Absatz 5 periodisch die Richtigkeit der eingetragenen Versichertennummern und Identifikationsdaten.71 Bei der Zuteilung der Versichertennummer können Fehler passieren oder die zugehörigen Identifikationsdaten können sich ändern. Um solche Fehler und Abweichungen festzustellen, sind sämtliche in VOSTRA erfassten Versichertennummern und Identifikationsdaten periodisch mit den Daten der UPI abzugleichen.

Bei Unternehmen erfolgt die Identitätsabklärung über eine Schnittstelle mit dem UID-Register.72 Führt eine Behörde eine VOSTRA-Suche aus, wird sie direkt mit dem UID-Register verbunden und findet so die entsprechende UID-Nummer heraus.

Behörden, welche Daten von Unternehmen bloss zur Eintragung melden, können von dieser Schnittstelle nicht profitieren, weil sie keinen Zugang zu VOSTRA haben. Absatz 7 sieht deshalb vor, dass solche Behörden die Daten auch ohne die UID
an die eintragende Behörden melden dürfen, sofern die Abfrage des öffentlich zugänglichen Teils des UID-Registers kein Resultat ergibt (vgl. Ziff. 1.4.2.).

Art. 12

Sorgfaltsregeln für die Änderung von Daten

Dieser Artikel enthält wichtige Sicherheitsregeln betreffend die Berechtigung zur Mutation von Datensätzen in VOSTRA, damit angeschlossene Behörden nicht irgendwelche «fremden» Daten im System verändern können. Eine Behörde darf grundsätzlich nur diejenigen Strafdaten ändern oder entfernen, die sie selber eingetragen hat oder die von der registerführenden Behörde in ihrem Namen eingetragen 69 70 71

72

Vgl. dazu die Ausführungen zu Art. 14 Abs. 3.

Vgl. zu dieser Kontrollmeldung auch Art. 25 Abs. 1 Bst. d.

Diese periodische Synchronisation erfolgt bei anderen Datenbanken gestützt auf Art. 134quinquies Abs. 2 der Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV, SR 831.101).

Gemäss UIDG erhalten alle Unternehmen, Vereine, Verwaltungseinheiten etc. (vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. c UIDG) in der Schweiz eine UID. Mit der UID sollen Unternehmen eindeutig identifiziert werden.

5747

worden sind (Abs. 1). Einzig im Falle abgetretener hängiger Strafverfahren darf die neu zuständige Behörde bereits eingetragene Daten ändern (Abs. 2). Allerdings betrifft dies nur die Daten über das Strafverfahren; geht es dagegen um bereits eingetragene identifizierende Angaben zur Person oder zum Unternehmen, so darf die neu zuständige Behörde diese nicht ändern. Vielmehr muss sie einen neuen Datensatz als «abweichende Personalien» in VOSTRA eintragen, der aber der gleichen Person zugeordnet wird, wenn sich die entsprechenden Angaben als fehlerhaft erweisen. Damit lassen sich allfällige Fehler bei der Personenidentifizierung später besser rekonstruieren.

Absatz 3: Keiner Beschränkung bezüglich Änderung und Entfernung von Einträgen unterliegen die registerführenden Behörden; sie verfügen über ein umfassendes Bearbeitungsrecht.

Art. 13

Sorgfaltsregeln für den Zugang zu Daten, die Aufbewahrung und die Weitergabe von Daten

Diese Bestimmung übernimmt die heutige Regelung von Artikel 18 Absätze 4­6 VOSTRA-V.

Um eine schrankenlose Verwendung von VOSTRA-Daten zu verhindern, bestimmt Absatz 2, dass die Aufbewahrung nur zulässig ist, sofern dies im Rahmen der Begründung eines getroffenen Entscheids, einer erlassenen Verfügung oder eines eingeleiteten Verfahrensschritts notwendig ist. Mit dieser Regelung sollen sog.

«Schattenregister» nach Möglichkeit verhindert werden. Diese entstehen, wenn Angaben aus VOSTRA in anderen Rechtsinformatiksystemen gespeichert werden und dort wiederum eigenen Aufbewahrungskriterien unterliegen. Dienen die VOSTRA-Daten dazu, gewisse Entscheide zu begründen, kommt den betreffenden Strafdaten eine Art Beweisfunktion zu. Eine Speicherung der VOSTRA-Daten in der Empfänger-Datenbank ist somit meist unumgänglich. Deshalb wird diese Form der Speicherung im Gesetz ausdrücklich erlaubt.

Art. 14

Systematische Nutzung der Versichertennummer

Zur Verbesserung der Personenidentifikation in VOSTRA soll neu die Versichertennummer nach Artikel 50c AHVG (sog. AHVN13) verwendet werden.73 In der Vernehmlassung 2012 ist die Einführung der AHVN13 in VOSTRA vereinzelt kritisiert worden. Nach Ansicht des Bundesrates überwiegen im Bereich Strafregister die Vorteile der AHVN13 die Risiken jedoch deutlich.74 Gemäss Artikel 50e AHVG ist eine systematische Verwendung der AHVN13 nur zulässig, wenn ein Bundesgesetz dies vorsieht und wenn der Verwendungszweck sowie die Nutzungsberechtigten bestimmt sind. Artikel 14 enthält die gesetzliche Grundlage und Bearbeitungsgrundsätze im Zusammenhang mit der systematischen

73 74

Siehe dazu auch die Erläuterungen zu Art. 11 Abs. 3­6.

Eingehend dazu Ziff. 1.3.6.

5748

Nutzung der AHVN13 in VOSTRA.75 Die Regelung sieht im Einzelnen wie folgt aus: Absatz 1 legt die an VOSTRA online angeschlossenen Behörden als Nutzungsberechtigte fest.

Aus Absatz 2 ergeben sich sodann die beiden Verwendungszwecke der AHVVersichertennummer: Zum einen soll die Nummer eine eindeutige Identifizierung bei der Eingabe und Abfrage von Daten ermöglichen (Bst. a); zum andern soll ihre Verwendung die Einrichtung von Schnittstellen zu anderen Datenbanken erleichtern (Bst. b).

­

Nur die Versichertennummer kann sicherstellen, dass sich eine in VOSTRA registrierte Person auch nach einer Namensänderung im Strafregister noch finden lässt (vgl. Bst. a). Die in den letzten Jahren eingeführten Änderungen des Namensrechts erleichtern es Personen, ihre ursprüngliche Identität zu verwischen und auf legale Weise eine neue aufzubauen. Mit der Namensänderung werden nämlich auch die amtlichen Ausweisschriften neu ausgestellt, die keine Rückschlüsse auf die alte Identität zulassen. Die Versichertennummer ermöglicht jedoch eine eindeutige Zuordnung.

­

Die Versichertennummer ist unerlässlich, um Daten zwischen verschiedenen Datenbanken automatisiert abzugleichen oder weiterzuleiten (vgl. Bst. b).

Eine automatisierte Weiterleitung von Daten erfolgt jedoch nur, wenn dies wirklich nötig ist. Zudem bedarf jede Nutzungserweiterung der Versichertennummer und jeder Datenaustausch einer eigenen gesetzlichen Grundlage.76

Absatz 3 regelt, wie eine Suchanfrage abläuft:

75

76

77

­

Jede Personensuche in VOSTRA löst zuerst eine Suchanfrage in der UPIDatenbank aus: In einem ersten Schritt wird die gesuchte Person in der UPI identifiziert, und danach ­ anhand der von der UPI zugeordneten AHVN13 ­ wird die eigentliche Suche in VOSTRA ausgelöst. Damit ist sichergestellt, dass eine Person auch dann auffindbar ist, wenn in VOSTRA veraltete Personalien gespeichert sind. Die Personensuche über die UPI hat gegenüber einer direkten Suche in VOSTRA zwei Vorteile: Erstens werden die in der UPI hinterlegten Personalien laufend gepflegt77 und sind somit aktuell.

Zweitens enthält die UPI neben den ehemaligen auch abweichende Personalien (z. B. aus einem anderslautenden ausländischen Pass), was die Trefferwahrscheinlichkeit erhöht.

­

Es ist vorgesehen, dass zusätzlich zum Suchlauf in der UPI immer auch eine Suche direkt in den VOSTRA-Personalien ausgelöst wird. Damit ist sicherDie gleichen Bearbeitungsgrundsätze schlägt der Bundesrat in der Botschaft vom 13. Dez.

2013 zum Bundesgesetz über Verbesserungen beim Informationsaustausch zwischen Behörden im Umgang mit Waffen vor (BBl 2014 303). Weil diese Änderung jedoch noch nicht vom Parlament behandelt wurde, beschreibt der vorliegende Entwurf die Rechtslage gestützt auf das geltende Recht, das die Nutzung der AHV-Versichertennummer in VOSTRA derzeit noch nicht ermöglicht.

Vgl. zu den Schnittstellen mit ZEMIS und dem Personenstandsregister: die Art. 73 und 74; zur Schnittstelle zwischen dem Personalinformationssystem der Armee (PISA) und VOSTRA gemäss Art. 367 Abs. 2quinquies StGB: Art. 67 Abs. 3.

Mittels entsprechender Meldungen von ZEMIS und vom Personenstandsregister werden die Identifikationsattribute in der UPI ständig aktualisiert.

5749

gestellt, dass die Personensuche auch dann möglich ist, wenn die UPI infolge Wartungsarbeiten kurzzeitig nicht verfügbar sein sollte. Zudem können so auch die in VOSTRA gespeicherten Falschpersonalien oder Personalien von Personen, denen noch keine AHVN13 zugeteilt ist, in die Suche mit einbezogen werden.

Aus den Absätzen 2 und 4 ergibt sich, dass die Benutzung der AHVN13 nur für VOSTRA-interne Prozesse zulässig ist. Dies verhindert eine Verbreitung der Versichertennummer ausserhalb von VOSTRA. Aus diesem Grund erscheint die AHVN13 auch nicht auf den Auszügen.

Die Einführung der Versichertennummer in VOSTRA erfolgt unter Mitarbeit der ZAS:78 In einem computergestützten Abgleich mit der UPI-Datenbank wird allen in VOSTRA bereits registrierten Personen ihre AHVN13 zugeordnet; unklare Fälle müssen manuell bearbeitet werden. Da in VOSTRA auch Personen gespeichert sind, denen keine AHVN13 zugeteilt ist (etwa weil sie keinen Wohnsitz in der Schweiz aufweisen), wird für diese Personen eine Versichertennummer beantragt.79 Mit der Zuteilung der AHVN13 an eine im Strafregister verzeichnete Person werden auch deren UPI-Identifikationsmerkmale in VOSTRA gespeichert. Diese Merkmale werden periodisch durch einen Synchronisationsprozess aktualisiert.80 Wie jede Datenbank, welche die AHVN13 verwendet, muss auch VOSTRA gewisse Massnahmen treffen, die für eine sichere Verwendung der Nummer nötig sind; die entsprechenden Mindeststandards werden vom EDI festgelegt.81

2.2.5

Art. 15

5. Titel: Datensicherheit, technische Anforderungen, Weitergabe anonymisierter Daten Datensicherheit und technische Anforderungen

Die Delegationsbestimmung verweist auf Bereiche, die bereits heute vom Bundesrat auf Verordnungsebene geregelt werden.

Art. 16

Weitergabe anonymisierter Daten zu Forschungszwecken

Auch diese Delegationsbestimmung verweist auf einen Bereich, der bereits heute auf Verordnungsebene geregelt wird.

2.3

2. Teil: Strafregister für natürliche Personen (Art. 17­74)

2.3.1

1. Titel: Inhalt

Der Inhalt des Strafregisters bemisst sich danach, welche Informationen eingetragen werden (1. und 2. Kapitel: Art. 17­29), wann die Eintragung erfolgt (3. Kapitel: 78 79 80 81

Art. 50g Abs. 1 AHVG.

Vgl. Art. 50c Abs. 2 Bst. b AHVG und die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 2 Bst. l.

Vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 11 Abs. 5.

Vgl. Art. 50g Abs. 2 Bst. a und Abs. 3 AHVG.

5750

Art. 30) und wann die eingetragenen Daten wieder entfernt werden (4. Kapitel: Art. 31­39).

Je nach Art der eingetragenen Daten, lassen sich in VOSTRA verschiedene Programmteile unterscheiden. Der zentrale Programmteil ist die sogenannte «Strafdatenverwaltung» (zum Begriff vgl. Art. 3 Bst. e).

1. Kapitel: Eingetragene Daten im Bereich Strafdatenverwaltung Art. 17

Verzeichnete Personen

Diese Bestimmung bildet die Grundlage für die Registrierung von Strafdaten in VOSTRA. Weil sich jedoch nicht sämtliche Registrierungsvoraussetzungen in einer einzigen Bestimmung unterbringen lassen, hat Artikel 17 den Charakter einer Verweisungsnorm. Er stellt klar, dass eine erwachsene natürliche Person nur registriert wird, sofern entweder ein eintragungspflichtiges Grundurteil oder eine eintragungspflichtige Einstellungsverfügung vorliegt oder solange gegen sie in der Schweiz ein Strafverfahren wegen Verbrechen oder Vergehen nach Bundesrecht hängig ist (Abs. 1). Eine Norm mit gleicher Funktion findet sich auch für Jugendliche (Abs. 2).

Wer als jugendliche Person und wer als erwachsene Person gilt, ergibt sich aus den verschiedenen Anwendungsbereichen des JStG und des StGB.

Das Strafregister für natürliche Personen ist eine Personendatenbank, d.h. die Strafdaten werden personenbezogen erfasst. Auch die Abfrage der Daten erfolgt personenbezogen. Die angeschlossenen Nutzerinnen und Nutzer können nicht nach einem bestimmten Urteil suchen.

Wann ein Grundurteil eingetragen werden muss, regeln die Artikel 19 und 20. Dabei gelten für schweizerische und für ausländische Grundurteile unterschiedliche Voraussetzungen. Erfüllt ein Grundurteil die Eintragungsbedingungen der Artikel 19 und 20, so ist noch nicht klar, mit welchen Parametern dieses Grundurteil in VOSTRA eingetragen werden soll. Diese Anforderungen werden schliesslich in Artikel 21 definiert. Ist ein Grundurteil erst einmal in VOSTRA eingetragen, werden akzessorisch noch weitere Daten, die zu diesem Grundurteil gehören, in VOSTRA eingetragen (vgl. die Art. 22 und 24). Zum Teil generiert das System selbst gewisse Daten (vgl. Art. 25).

Für hängige Strafverfahren bei Erwachsenen legt Absatz 1 Buchstabe c die Grundvoraussetzungen für eine Registrierung fest (die Regelung der Details findet sich dann in Art. 26). Danach muss es sich um ein schweizerisches Strafverfahren handeln. Im Ausland geführte Strafverfahren werden nie in VOSTRA eingetragen.

Ferner muss sich der Tatverdacht auf Delikte beziehen, die als Verbrechen oder Vergehen (vgl. Art. 10 StGB) qualifiziert werden. Wie bereits nach geltendem Recht erfolgt keine Eintragung hängiger Strafverfahren wegen Übertretungen. Zwar können sich auch bei solchen Strafverfahren Zuständigkeitskonflikte
ergeben. Der Aufwand für die Eintragung hängiger Strafverfahren im Übertretungsbereich ist jedoch zu gross, zumal später nicht alle Übertretungsurteile in VOSTRA einzutragen sind. Auch spielen diese Daten für allfällige Leumundsprüfungen keine wesentliche Rolle.

Heute fehlt eine explizite Regelung, ob auch hängige Strafverfahren bei Jugendlichen einzutragen sind. Artikel 366 Absatz 4 StGB statuiert zwar keine Ausnahme 5751

für Jugendliche, sodass auch hängige Jugendstrafverfahren wegen Verbrechen oder Vergehen in VOSTRA einzutragen sind. Allerdings ist diese Auslegung bei den Jugendstrafverfolgungsbehörden umstritten, und diese verzichten heute denn auch meist auf einen Eintrag. In der Vernehmlassung 2009 (vgl. Ziff. 1.1.1) wurde verlangt, dieses Problem im Rahmen der Totalrevision zu lösen. Aus diesem Grund hielt Artikel 15 des Vorentwurfes einleitend fest, dass die allgemeinen Eintragungsregeln für hängige Strafverfahren nicht nur für erwachsene, sondern auch für jugendliche natürliche Personen gelten.

In der Vernehmlassung 2012 stiess jedoch die Eintragung sämtlicher hängiger Jugendstrafverfahren wegen Verbrechen und Vergehen auf Kritik. Es wurde vorgebracht, der mit der Eintragung verfolgte Hauptzweck ­ die Klärung des Gerichtsstandes ­ ziele bei den Jugendlichen ins Leere, da die Zuständigkeit bei den Strafverfahren am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes anknüpfe. Im Jugendstrafverfahren würden sich naturgemäss nur wenige Zuständigkeitskonflikte ergeben, die sich auch ohne Eintragung im Strafregister lösen liessen. Ausserdem würden hängige Jugendstrafverfahren in den meisten Fällen nicht zu einem eintragungspflichtigen Grundurteil führen. Die ­ aufgrund der oft kurzen Verfahrensdauer ­ kurzzeitige Eintragung verhältnismässig vieler Strafverfahren verursache einen administrativen Aufwand, der angesichts des geringen Nutzens des Eintrags für die abfragenden Behörden nicht gerechtfertigt erscheine.

Diese Kritik überzeugt weitgehend. In der Tat bestehen im Jugendstrafrechtsbereich nicht die gleichen Probleme wie bei Erwachsenen. Widersprüchliche Urteile sind weniger zu erwarten, da das Aufenthaltsprinzip (Art. 10 Abs. 1 Jugendstrafprozessordnung, JStPO82) gilt und daher weniger Zuständigkeitskonflikte entstehen können.

Das Problem stellt sich nur bei Jugendlichen ohne Aufenthalt in der Schweiz (Art. 10 Abs. 2 JStPO) und bei sog. «Übergangstätern», d. h. solchen, bei denen gleichzeitig eine vor und eine nach Vollendung des 18. Altersjahres begangene Tat zu beurteilen ist (Art. 3 Abs. 2 des JStG).

Deshalb erfolgt bei Jugendlichen eine Eintragung hängiger Strafverfahren in VOSTRA nur dann, wenn sie ohne gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz sind (Abs. 2 Bst. b) oder wenn bei Vollendung des 18. Altersjahres noch ein
Strafverfahren gegen sie hängig ist (Abs. 1 Bst. c zweiter Satz). Diese Einschränkung trägt zudem dem Schutz der Persönlichkeit Rechnung, dem im Jugendstrafrecht namentlich aufgrund der oftmals bloss episodenhaften Delinquenz grössere Bedeutung zukommt als im Erwachsenenstrafrecht.

Wollen Behörden im Rahmen eines hängigen Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahrens erfahren, ob gegen Jugendliche ein Strafverfahren geführt wird, so können sie die nötigen Informationen ­ gestützt auf Artikel 101 Absatz 2 StPO in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 JStPO ­ erhalten, sofern keine Spezialbestimmungen vorgehen.

Ebenfalls zum Schutz der Persönlichkeit Jugendlicher sind Verfügungen, mit denen ein Jugendstrafverfahren eingestellt wird, nicht in VOSTRA einzutragen.

82

SR 312.1

5752

Art. 18

Identifizierende Angaben zur Person

Bisher fehlt auf Gesetzesebene eine Grundsatzbestimmung, welche die Merkmale nennt, anhand derer eine Person in VOSTRA identifiziert werden soll. Die Aufzählung in Absatz 1 Buchstaben a­j orientiert sich an Ziffer 1.1­1.12 und 2. des Anhangs 1 VOSTRA-V, nennt aber nur die Grundtypen der Angaben. Neu nennt Absatz 1 Buchstabe a die Versichertennummer nach Artikel 50c AHVG. Unter den Begriff «Namen» gemäss Absatz 1 Buchstabe b fallen unter anderem der Familienname, der Ledigname und der Geburtsname wie auch die Vornamen.

Ein Bearbeitungsvermerk zur Identifizierung von Personen (Abs. 1 Bst. i) wird angebracht, wenn zwei eingetragene Personen zwar über ähnliche oder teilweise gar identische Merkmale verfügen ­ beispielsweise Zwillinge ­, jedoch nicht dieselbe Person sind. Unter Falschpersonalien nach Absatz 1 Buchstabe j sind Aliasnamen zu verstehen, d.h. falsche Namen, unter denen eine Person delinquiert hat. Damit unterscheiden sich die Falschpersonalien von den sogenannten abweichenden Personalien: Letztere sind gültig und ergeben sich namentlich aus unterschiedlichen Schreibweisen eines Namens in der Geburtsurkunde und dem Pass.

Gemäss Absatz 2 definiert der Bundesrat die genauen Daten weiterhin in einer Verordnung. Er wird regeln, welche Angaben als Pflichtfelder auszugestalten sind.

Dabei wird er dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass der vollständige Personaliendatensatz in VOSTRA mehr Angaben enthält, als der bei der Zuteilung der AHVN13 zu übernehmende Datensatz mit den sichtbaren Hauptattributen der UPI.

Es wird somit zu entscheiden sein, in welchen Fällen man sich auf die Übernahme der UPI-Attribute beschränken kann.

Ebenso wird in der Verordnung festzulegen sein, welche Personalienangaben nur bei einem Online-Abruf ersichtlich sind, jedoch nicht auf den einzelnen Registerauszügen erscheinen (vgl. Art. 40 Abs. 2 zweiter Satz). Dabei ist an folgende Angaben zu denken: Der ehemalige Name, der Aufenthaltsstatus, der Bearbeitungsvermerk sowie die Versichertennummer (vgl. die Spezialregel in Art. 14 Abs. 4).

Art. 19

Eintragungsvoraussetzungen für schweizerische Grundurteile

Diese Bestimmung regelt die Registrierung schweizerischer Grundurteile und übernimmt dabei weitgehend die heute geltenden Kriterien von Artikel 366 Absätze 2 Buchstaben a und b sowie 3 StGB sowie Artikel 3 VOSTRA-V. Neu werden allerdings nicht nur Schuldsprüche und Massnahmenurteile gegen eine schuldunfähige Person in VOSTRA registriert, sondern bei erwachsenen Personen in begrenztem Umfang auch Einstellungsentscheide (Art. 23).

Alle in VOSTRA registrierten schweizerischen Urteile müssen rechtskräftig (Abs. 1 Bst. a, Abs. 2 Bst. a) und von einer zivilen oder militärischen Strafbehörde oder einer Verwaltungsstrafbehörde angeordnet worden sein (Abs. 1 Bst. b). Bei jugendlichen Personen können nur zivile Strafbehörden Grundurteile fällen, welche die Eintragungsvoraussetzungen erfüllen; in Absatz 2 Buchstabe b sind deshalb nur diese aufgeführt. Ferner muss das Grundurteil wegen eines Delikts nach Bundesrecht erfolgt sein (Abs. 1 und 2).83 Die weiteren Voraussetzungen hängen davon ab,

83

Vgl. zum Verzicht auf die Erfassung von Delikten gemäss kantonalem Recht die Ausführungen in Ziff. 1.5.1.

5753

ob es sich um ein Erwachsenenurteil (Abs. 1) oder um ein Jugendurteil (Abs. 2) handelt.

Für die Registrierung von Urteilen gegen Erwachsene gelten gemäss Absatz 1 Buchstabe c zusätzlich folgende alternativen Anforderungen: ­

Das Grundurteil muss gemäss Ziffer 1 einen Schuldspruch wegen eines Verbrechens oder Vergehens enthalten. Es braucht keine Sanktion ausgesprochen worden zu sein. Somit werden auch Verurteilungen mit Absehen von Strafe eingetragen, mit Ausnahme der Fälle gemäss Artikel 52 StGB (bei fehlendem Strafbedürfnis wegen Geringfügigkeit des Delikts), da das Interesse an einer Registrierung in diesen Fällen gering ist. Anders als heute (vgl. Art. 9 Bst. b VOSTRA-V) werden Verurteilungen gemäss Artikel 53 StGB (Wiedergutmachung) und Artikel 54 StGB (Betroffenheit des Täters durch seine Tat) eingetragen. Damit erhalten die Strafbehörden die Informationen, welche für die Beurteilung von Wiederholungstätern wichtig sind.

Urteile mit Absehen von Strafe erscheinen jedoch weiterhin nicht im Privatauszug (vgl. Art. 45 Abs. 1 Bst. b Ziff. 1 i. V. m. Art. 46).

Gemäss Artikel 226 Absatz 1 MStG werden die Verpflichtung zur Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse gemäss Artikel 81 Absätze 3 oder 4 MStG sowie Disziplinarstrafen nach MStG nicht ins Strafregister eingetragen.

Diese Ausnahmen gelten weiterhin, allerdings sind in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 1 entsprechenden Vorbehalte erforderlich, weil die strafregisterbezogenen Bestimmungen des MStG aufgehoben werden (vgl. Art.

116 und Anhang 1 Ziff. 5).

­

Gemäss Ziffer 2 ist wie heute (vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. b VOSTRA-V) auch ein Massnahmenurteil gegen eine schuldunfähige Person (vgl. Art. 19 Abs. 1 StGB) wegen eines Verbrechens oder Vergehens einzutragen. Im Unterschied zum geltenden Recht ist nicht mehr von «Freispruch» die Rede, weil das Gericht bei solchen Entscheiden nach Artikel 375 Absatz 1 StPO keinen solchen ausspricht, sondern die Täterschaft der schuldunfähigen Person bloss feststellt. Neu nennt das Gesetz die Massnahmen ausdrücklich, welche die Eintragung auslösen.

­

Bei Übertretungen, die in einen Schuldspruch münden, erfolgt die Eintragung gemäss Ziffer 3, sofern entweder eine bestimmte Mindeststrafe (5000 Franken Busse oder 180 Stunden gemeinnützige Arbeit) ausgesprochen worden ist (erster Strich), das Gesetz für den Wiederholungsfall eine Strafschärfung vorsieht (zweiter Strich), das Urteil noch andere eintragungspflichtige Delikte enthält (dritter Strich) oder falls eine altrechtliche Haftstrafe oder ein Tätigkeitsverbot bzw. Kontakt- und Rayonverbot angeordnet worden ist (vierter bis sechster Strich).

In Bezug auf die Mindeststrafe ändert sich nichts (vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. c Ziff. 1 VOSTRA-V).84 Neu führt jede gesetzliche Strafschärfung zu einer Eintragung des Übertretungsurteils. Nach geltendem Recht ist dies dagegen nur bei spezifischen Strafschärfungen der Fall (vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. c Ziff. 2 VOSTRA-V).

84

Vgl. zum Verzicht auf Änderung des Eintragungsmechanismus bei Übertretungen Ziff. 1.5.2.

5754

Wie bereits im geltenden Recht (vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. d VOSTRA-V) wird eine Übertretung in jedem Fall eingetragen, sofern das Urteil andere eintragungspflichtige Delikte enthält (dritter Strich).

Bei der Erwähnung der altrechtlichen Haftstrafe im vierten Strich handelt es sich um eine Übergangsproblematik, da vor dem 1.1.2007 für Übertretungen noch Haftstrafen ausgesprochen werden konnten.

Für den Fall, dass dereinst auch für Übertretungen Tätigkeitsverbote oder Kontakt- und Rayonverbote ausgesprochen werden können85, sehen der fünfte und der sechste Strich bereits jetzt vor, dass solche Verbote in VOSTRA aufzunehmen sind.

­

Übertretungen einer schuldunfähigen Person werden gemäss Ziffer 4 nur bei einem Tätigkeitsverbot oder einem Kontakt- und Rayonverbot eingetragen, da diese Verbote durch den Privatauszug oder den Sonderprivatauszug vollzogen werden müssen. Allerdings gibt es bisher keine gesetzlichen Vorschriften, welche die Anordnung eines solchen Verbots vorsehen86.

Die Eintragung von Grundurteilen gegen Jugendliche wegen Verbrechen oder Vergehen erfolgt gemäss Absatz 2, sofern eine der genannten Sanktionen angeordnet worden ist. Diese Regelung entspricht dem geltenden Recht (Art. 366 Abs. 3 StGB).

Übertretungen eines Jugendlichen werden gemäss Absatz 3 nur bei einem Tätigkeitsverbot oder einem Kontakt- und Rayonverbot eingetragen, da diese Verbote durch den Privatauszug bzw. den Sonderprivatauszug vollzogen werden müssen87.

Zwar wurde in der Vernehmlassung 2012 vereinzelt verlangt, es seien alle rechtskräftigen Urteile gegen Jugendliche einzutragen, die wegen eines Verbrechens oder Vergehens ergangen seien. Andere Teilnehmende forderten dagegen eine restriktivere Regelung. Angesichts dieses Resultates und angesichts der Tatsache, dass Artikel 366 Absatz 3 StGB erst am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, wird die heutige Regelung beibehalten.88 Sämtliche eingetragenen Jugendurteile erscheinen in den Behördenauszügen 1 und 2 (vgl. die Art. 42­43). Im Strafregisterauszug für Privatpersonen ist ein Jugendurteil nur unter eingeschränkten Voraussetzungen ersichtlich (vgl. Art. 45 Abs. 1 Bst. d i.V.m. Art. 46).

Art. 20

Eintragungsvoraussetzungen für ausländische Grundurteile

Die Eintragungspflicht von Auslandurteilen gegen Schweizer und Schweizerinnen erfährt eine Neuregelung. Das geltende Recht (Art. 366 Abs. 2 Bst. c StGB) verlangt die sogenannte Transponierung der ausländischen Urteile ins schweizerische Recht.

Ausländische Straftatbestände müssen in solche des schweizerischen Rechts umgedeutet werden, um feststellen zu können, ob die Eintragungsvoraussetzungen im konkreten Fall erfüllt sind. Dabei ergeben sich verschiedene Probleme: Zumeist 85 86 87 88

Vgl. Art. 105 Abs. 3 nStGB; in der Fassung der Referendumsvorlage in: BBl 2013 9683.

Vgl. Art. 105 Abs. 3 nStGB; in der Fassung der Referendumsvorlage in: BBl 2013 9683.

Vgl. Art. 366 Abs. 3bis nStGB, in der Fassung der Referendumsvorlage in: BBl 2013 9683.

Zu beachten ist auch, dass sich die Jugendstrafbehörden stets einhellig und klar gegen den Ausbau einer Eintragung von Jugendurteilen ausgesprochen haben. Dies wohl auch deshalb, weil sich die Vorstrafen Jugendlicher auch ohne Eintragung in VOSTRA relativ leicht in Erfahrung bringen lassen (wegen der im Jugendstrafprozess geltenden Zuständigkeit am Aufenthaltsort).

5755

besteht keine genaue Kenntnis des Sachverhalts, weil in der Regel nur der Verweis auf die missachtete Strafbestimmung gemeldet wird, nicht aber das gesamte Urteil.

Im Weiteren ist der Zugang zu ausländischer Lehre und Rechtsprechung, die bei der Interpretation der gemeldeten Straftatbestände helfen könnte, mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden. Deshalb ist eine korrekte Zuordnung der ausländischen Delikte zu den schweizerischen Straftatbeständen stets mit grossen Unsicherheiten behaftet, da es fast nie vollkommen identische Straftatbestände gibt. In Deutschland haben die Betroffenen daher das Recht, die Transponierung anzufechten, was wiederum ein aufwendiges Meldeverfahren mit sich bringt.

Deshalb sieht der Entwurf eine Vereinfachung vor, indem keine exakte Transponierung der ausländischen Strafbestimmungen ins schweizerische Recht mehr notwendig ist.89 Die Eintragung hängt vielmehr allein von der ausgesprochenen Sanktion ab, ohne dass nach der Art des Delikts (Übertretung, Vergehen oder Verbrechen) unterschieden wird. Dadurch verringert sich auch der Aufwand für die Übersetzung der Straftatbestände. Damit sich eine Behörde aber trotzdem schnell ein Bild machen kann, welche Delikte dem Strafurteil zugrunde liegen, werden die OriginalUrteilsmeldungen eingescannt (vgl. Art. 24 Abs. 2).

Die Voraussetzung einer bestimmten Sanktionsschwere oder einer Mindesthöhe für bestimmte Sanktionen nimmt «geringfügige Delikte» von einer Eintragung aus (vgl.

Art. 20 Abs. 1 Bst. d). Die vorgeschlagene Grenze berücksichtigt, dass die Schwelle einerseits nicht zu tief sein darf, um möglichst alle Delikte mit «Übertretungscharakter» herauszufiltern, andererseits aber auch nicht zu hoch sein darf, da sonst Delikte mit dem Charakter eines Vergehens nicht in VOSTRA eingetragen würden.

Es ist jedoch einzuräumen, dass der Festlegung einer Mindesthöhe durchaus Nachteile innewohnen: So entsteht aufgrund der unterschiedlichen Sanktionspraxen in den einzelnen Ländern zwangsläufig eine gewisse Ungleichbehandlung. Eine solche Ungleichbehandlung existiert aber bereits im heutigen Meldesystem. Abgesehen davon, dass es erhebliche Vollzugsdefizite bei den Heimatstaatmeldungen gibt, ist hier vor allem der Umstand zu nennen, dass jedes Land letztlich selbst entscheidet, ob und welche Urteile es melden will, da jedes Land die
innerstaatlichen Eintragungsvoraussetzungen, die eine Auslandmeldung erst auslösen, selber festsetzen kann. Sodann bringt der Verzicht auf eine Unterscheidung zwischen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen bei Auslandurteilen zwar gewisse Unschärfen bei der Urteilsverwaltung mit sich, etwa indem VOSTRA bei einer Auslandtat, die in die Probezeit eines schweizerischen Urteils fällt, immer eine Rückfallmeldung auslösen wird, da das System nicht erkennen kann, ob es sich bei der neuen Tat um ein Verbrechen oder Vergehen nach schweizerischem Massstab handelt; allerdings wiegen diese in der Praxis nicht allzu schwer.

Bei der konkreten Ausgestaltung unterscheidet der Entwurf zwischen Erwachsenen und Jugendlichen: ­

89

Für die Eintragung von Auslandurteilen gegen Erwachsene nennt Absatz 1 Buchstabe d alternativ die Mindestsanktionen. Zu beachten ist, dass in den Keine Option wäre es dagegen, alle vom Ausland gemeldeten Delikte einzutragen, denn dadurch würden regelmässig auch Delikte eingetragen, die in der Schweiz nur Übertretungscharakter haben und deshalb nicht generell eintragungspflichtig sind (vgl. Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 3). Auf der andern Seite erscheint es nicht angängig, auf die Eintragung von Auslandurteilen ganz zu verzichten. Denn im europäischen Kontext muss auf die Eintragung der Heimatstaatenmeldungen Verlass sein können.

5756

Fällen von Ziffer 2 eine Eintragung unabhängig von der Höhe einer allenfalls ausgesprochenen Strafe erfolgt, da in diesen Fällen die Strafe oftmals wegen verminderter Schuldfähigkeit stark reduziert wird Die Regelung trägt sowohl dem Informationsbedürfnis der Behörden als auch den Resozialisierungsinteressen der registrierten Personen Rechnung. Die Eintragung ausländischer Tätigkeitsverbote oder Kontakt- und Rayonverbote gemäss Ziffer 3 erfolgt, um diese im Privatauszug oder im Sonderprivatauszug sichtbar zu machen (um deren Vollzug sicherzustellen).

­

Die Eintragung von Auslandurteilen gegen Jugendliche (vgl. Art. 20 Abs. 2) erfolgt grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen, wie sie für schweizerische Jugendurteile (vgl. Art. 19 Abs. 2) gelten. Weil die Regelung ­ wie eingangs dargelegt ­ nicht auf die Deliktsart abstellt, sind auch Auslandurteile einzutragen, die in der Schweiz bloss Übertretungen wären.

Auslandurteile werden in der Regel gestützt auf Artikel 22 des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 195990 über die Rechtshilfe in Strafsachen (Europäisches Rechtshilfeübereinkommen) oder gestützt auf bilaterale Staatsverträge gemeldet. Vereinzelt werden auch Urteile direkt von einer Schweizer Botschaft im Ausland übermittelt.

Die Absätze 1 Buchstabe c und 2 Buchstabe c verbieten die Registrierung von Straftaten, die rein militärischer Natur sind, also von Taten, für die es keine Entsprechung im zivilen Strafrecht gibt. In der Regel werden solche Urteile auch nicht gemeldet (vgl. Art. 1 Ziff. 2 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens).

Art. 21

Einzutragende Daten des Grundurteils

Das geltende Recht regelt bloss in Artikel 4 und in Ziffer 4 des Anhangs 1 zur VOSTRA-V, nicht aber in einem formellen Gesetz, welche Daten eines Grundurteils in VOSTRA einzutragen sind. Artikel 21 ändert dies und nennt in Absatz 1 die Hauptkategorien der Daten, wobei sich die Aufzählung weitgehend am geltenden Recht orientiert. Details zu den einzelnen Daten wird gemäss Absatz 3 die Verordnung regeln. In der Verordnung wird ferner zu regeln sein, welche Daten nur auf Online-Abruf ersichtlich sind (vgl. Art. 40 Abs. 2 zweiter Satz). Im Bereich der Grundurteile ist dies die fortlaufende System-Nummer des Urteils.

Zu den allgemeinen Informationen nach Absatz 1 Buchstabe b gehören neben dem Datum des Entscheids und der urteilenden Behörde auch etwa das Datum der Eröffnung und der Rechtskraft.

Unter den «Angaben zur Verfahrensart» (Abs. 1 Bst. d) sind etwa Angaben darüber zu verstehen, ob es sich um ein Verfahren in Anwesenheit oder Abwesenheit, ein Strafbefehlsverfahren oder eine Wiederaufnahme handelt.

Die «Angaben zum Delikt» (Abs. 1 Bst. e) umfassen insbesondere den Tatbestand, die Tatzeit und die Begehungsform. Bei Auslandurteilen kann der Bundesrat eine vereinfachte Form der Eintragung vorsehen. Dahinter stehen folgende Überlegungen: ­

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Bei Inlandurteilen werden die Straftaten wie heute durch Angabe der Artikelnummer und des Gesetzes sowie durch eine abstrakte Umschreibung des SR 0.351.1

5757

Tatbestands kenntlich gemacht werden (z. B. Art. 146 Abs. 2 StGB: Gewerbsmässiger Betrug).

­

Bei Auslandurteilen, die bereits transponiert worden sind oder bei denen die Transponierung ohne besondere Schwierigkeiten durchführbar ist, soll es weiterhin möglich sein, die entsprechenden Deliktsangaben des schweizerischen Rechts direkt in VOSTRA anzugeben. Zusätzlich werden die entsprechenden Urteilsmeldungen in VOSTRA elektronisch erfasst (vgl. Art. 24 Abs. 2).

Wie in den Erläuterungen zu Artikel 20 bereits ausgeführt, sollen Auslandurteile in der Regel nicht mehr ins schweizerische Recht transponiert werden.

Die Eintragung soll sanktionsabhängig erfolgen. In VOSTRA wird deshalb anstelle der Angaben zum Delikt nur der Vermerk «Widerhandlung gegen ausländische Gesetzesbestimmung» eingetragen.91 Die näheren Angaben zu den erfüllten ausländischen Straftatbeständen ergeben sich aus der elektronisch erfassten Urteilsmeldung (vgl. Art. 24 Abs. 2). Die angeschlossenen Behörden und die Empfänger von Privatauszügen sind somit gezwungen, die Urteilsmeldungen selber zu interpretieren und allenfalls zu übersetzen. Deshalb erscheint es sinnvoll, in VOSTRA zusätzlich die Kategorie der Delikte zu vermerken, die Gegenstand des eingetragenen Urteils bilden. Der Bundesrat hat die entsprechenden Modalitäten zu regeln (Abs. 3 Bst. b).

Der Begriff der Sanktion gemäss Absatz 1 Buchstabe f ist weit zu verstehen und umfasst alle Strafen und Massnahmen, namentlich die Art und Höhe der Sanktion, die Vollzugsform, die Probezeit, Angaben zur Schuldfähigkeit sowie dazu, ob von einer Bestrafung abgesehen wurde. Ebenfalls unter den Begriff der Sanktion fällt die Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten. Auch solche sind deshalb einzutragen, wobei der Bundesrat auch hier das Nähere in der Verordnung regeln wird. Die Eintragung dient dazu, Einziehungen zu erfassen, die nach dem TEVG zwischen Bund und Kantonen zu teilen sind, damit eine automatische Weiterleitung der Einziehungsentscheide an die für die Teilung zuständige Stelle im BJ erfolgen kann (vgl. die Erläuterungen zu Art. 69). Eine Einziehung wird einzutragen sein, wenn die eingezogenen Vermögenswerte mindestens 100 000 Franken betragen,92 da ab diesem Betrag eine Teilung nach TEVG durchzuführen ist. Diese Weiterleitung entlastet die meldepflichtigen Behörden und verringert die Gefahr, dass die Meldung der Einziehung vergessen geht. Da es nur wenige solche Einziehungs-

91

92

Dies entspricht der bereits heute angewandten Praxis bei Fällen, in denen ein im Ausland bestraftes Verhalten auch nach schweizerischem Recht zweifellos strafbar ist, sich aber zumeist keinem schweizerischen Straftatbestand eindeutig zuordnen lässt, sondern eine Mehrzahl von Tatbeständen erfüllen kann.

Es dürfte aus dem Urteilsdispositiv nicht immer klar erkennbar sein, ob diese Grenze erreicht ist (z. B. wenn bloss Gegenstände, Konten, Häuser aufgezählt werden). Ergeben sich der einzutragenden Person Zweifel, ob die Anforderung erfüllt ist, hat sie durch Rückfragen bei der Urteilsbehörde die entsprechenden Angaben zu besorgen (siehe Art. 11 Abs. 2).

5758

urteile gibt, dürfte der Aufwand nicht allzu gross sein, zumal es um Urteile geht, die ohnehin eingetragen werden müssen.93 Absatz 1 Buchstabe f umfasst ausserdem die Eintragung der Dauer der Untersuchungshaft (einschliesslich der Dauer des vorzeitigen Strafvollzuges). Bei der Festlegung der Einzelheiten könnte der Bundesrat auch vorsehen, dass der anrechenbare Strafteil bei der Verletzung des Beschleunigungsgebots anzugeben ist.94 Die Eintragung weiterer Daten zum Strafvollzug ist zurzeit nicht geplant (vgl. dazu die Ausführungen in Ziff. 1.5.4).

Absatz 2 klärt die wichtige Frage, wie Zusatz-, Teilzusatz- und Gesamtstrafenurteile registerrechtlich zu behandeln sind.

­

93

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95

Heute werden diese Entscheide als selbständige Entscheide behandelt, obschon sie materiell betrachtet mit dem entsprechenden Grundurteil eine Einheit bilden. Diese Einheit auch registerrechtlich umzusetzen (Eintragung und Aufbewahrung als Einheit), hat sich gerade bei Zusatz- und Teilzusatzstrafenurteilen als zu aufwendig und zum Teil als undurchführbar erwiesen, weshalb auf eine gemeinsame Verwaltung dieser Urteile weiterhin verzichtet wird.95 Zusatz-, Teilzusatz- und Gesamtstrafenurteile werden weiterhin als selbständige Entscheide behandelt. Das Gesetz nennt diesen Grundsatz nun

Die Erwähnung bei den einzutragenden Sanktionen ist nur in jenen Fällen richtig, in denen die Einziehung nicht im Rahmen eines selbstständigen Entscheides erfolgt. Offenbar war dies bisher nie der Fall, was auch mit der Eintragungsgrenze von 100 000 Franken zusammenhängen dürfte (vgl. allerdings Art. 66 VStrR). Theoretisch sind Einziehungsentscheide aber auch bei schuldunfähigen Personen möglich, die ohne Anordnung einer Massnahme freigesprochen werden. Hier erfolgt kein Eintrag eines Grundurteils, vielmehr muss die Einziehung auf anderem Weg gemeldet werden, nämlich nach Art. 6 TEVG. Diese Bestimmung hat jedoch nur noch Bedeutung für selbstständige Einziehungsentscheide und ist auf solche zu begrenzen (vgl. zu den Änderungen anderer Erlasse Ziff. 2.6).

Dahinter steht die Praxis des Kantons Basel-Landschaft. Nach dieser wird bei Verletzung des Beschleunigungsgebots nicht mehr eine reduzierte Strafe ausgesprochen, sondern ein Teil der ordentlich festgesetzten Strafe als verbüsst erklärt. Nach geltendem Recht ist eine Eintragung dieses Strafteils nicht möglich. Insbesondere kommt eine Eintragung als «Untersuchungshaft» nicht in Frage, da dies den falschen Anschein erwecken würde, die verurteilte Person habe sich in Untersuchungshaft befunden. Deshalb wird bei der Regelung der Einzelheiten zu prüfen sein, ob inskünftig in VOSTRA eingetragen werden kann, welcher Teil der Strafe wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots bereits als verbüsst zu gelten hat.

Damit bei einer Teilzusatzstrafe die im Zusatz sanktionierten Delikte zusammen mit dem Grundurteil verwaltet werden könnten, müsste das entsprechende (Teil-)Zusatzurteil künstlich aufgesplittet werden in ein unselbstständiges (Teil-)Zusatzurteil (welches dem Grundurteil angehängt wird) und ein eigenständiges Urteil, welches nur diejenigen Delikte enthält, die nach Ausfällung des Grundurteils begangen worden sind. Bei dieser Aufteilung müsste aber auch die im Teilzusatzurteil ausgesprochene Sanktion auseinandergenommen werden, was praktisch nicht durchführbar ist, da sich in Strafbefehlen meist gar keine Angaben zur Strafzumessung finden.

5759

ausdrücklich, weil damit andere Regeln leichter interpretiert werden können.96 ­

Künftig ebenfalls klar beantwortet ist die Frage, ob Zusatzurteile zu erfassen sind, in welchen keine Zusatzstrafe («Zusatzstrafe 0») ausgesprochen wurde.

Betrifft das Zusatzurteil ein Verbrechen oder Vergehen, so ist es einzutragen, da ein Schuldspruch vorliegt (vgl. Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 1). Bei einer Übertretung hingegen ist das Zusatzurteil nicht einzutragen, da es ein selbstständiges Urteil darstellt, welches die Eintragungsvoraussetzungen nicht erfüllt.

­

Es versteht sich von selbst, dass in VOSTRA ebenso anzugeben ist, ob es sich um ein Zusatz-, Teilzusatz- oder Gesamtstrafenurteil handelt, wie auch auf welchen Vorgängerentscheid die Zusatz- oder Gesamtstrafe Bezug nimmt. Diese Angaben sind wichtige Interpretationshilfen. Durch den Verweis auf den Vorgängerentscheid werden jedoch unter Umständen Vorstrafen offen gelegt, die als solche noch nie in VOSTRA eingetragen waren (bei nicht einzutragenden Übertretungs- oder ausländischen Urteilen) oder sich nicht mehr dort befinden (bei entfernten Urteilen). Weil dies die normalen Bearbeitungsregeln betreffend Eintragung und Aufbewahrung durchbricht, erklärt Absatz 2 zweiter Satz einen solchen Verweis ausdrücklich für zulässig.

Art. 22

Nachträgliche Entscheide

Nachträgliche Entscheide werden bereits heute eingetragen. Aktuell findet sich in Artikel 366 Absatz 2 Buchstabe d StGB eine wenig überzeugende Definition zur Umschreibung der allgemeinen Voraussetzungen für die Eintragung von nachträglichen Entscheiden. Betrachtet man die Liste der einzutragenden nachträglichen Entscheide nach den Artikeln 5 und 6 VOSTRA-V, so erweist sich die Definition in Artikel 366 StGB als nicht schlüssig. So führt beispielsweise der einzutragende Nichtwiderruf des bedingten Strafvollzuges keine «Änderung einer Eintragung» herbei. Umwandlungsentscheide für Strafen haben diese Konsequenz sehr wohl, dennoch sind sie nach geltendem Recht von der Eintragung ausgenommen (vgl.

Art. 9 Bst. e VOSTRA-V).

Die bisher einzutragenden nachträglichen Entscheide sind derart vielfältig, dass sie sich kaum auf einen einheitlichen Nenner bringen lassen. Es gibt sehr viele Gründe, weshalb eine Eintragung in VOSTRA erfolgen soll. Zum Teil ist sie durch das Erfordernis einer Probezeitverwaltung bedingt. Zum Teil ist sie nötig, um die Aufbewahrungsfristen korrekt zu berechnen, oder sie ist historisch gewachsen. Aus 96

So gilt beispielsweise der Grundsatz, dass auch Übertretungen, die mit einer Busse unter 5000 Franken bestraft wurden, in VOSTRA eingetragen werden, wenn sie Teil eines Urteils bilden, das einzutragen ist (vgl. Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 3 dritter Strich). Auf die Frage, ob diese Bestimmung auch dann zur Anwendung kommt, wenn die Übertretung in einem (Teil-)Zusatzurteil sanktioniert wurde, gibt Art. 21 Abs. 2 nun eine klare Antwort: Das (Teil-)Zusatzurteil ist registerrechtlich als selbständiges Urteil zu behandeln und das Übertretungsurteil ist nicht einzutragen. Die Aussagekraft einer Sanktion würde verfälscht, wenn einzelne Urteilsbestandteile (die an sich nicht einzutragende Übertretungen) einfach weggelassen würden. Wird die Übertretung dagegen in einem (Teil-)Zusatzurteil sanktioniert, bleibt das Grundurteil auch ohne Eintragung des Zusatzurteils lesbar. Somit kann auf die Eintragung eines (für sich allein) nicht einzutragenden (Teil-)Zusatzurteils verzichtet werden.

5760

diesem Grund verzichtet der Entwurf auf eine präzise Definition der einzutragenden nachträglichen Entscheide auf Gesetzesstufe. Die Definition in Artikel 3 Buchstabe b soll die nachträglichen Entscheide nur von den Grundurteilen abgrenzen und ist absichtlich sehr weit gefasst.

Nach Absatz 1 sind rechtskräftige nachträgliche Entscheide als eigene Datenkategorie in VOSTRA einzutragen. Absatz 2 Buchstaben a­e zählt verschiedene Entscheidtypen auf. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschliessend; der Bundesrat kann gemäss Buchstabe f weitere Fälle benennen. Welche nachträglichen Entscheide genau eingetragen werden sollen, soll weiterhin auf Verordnungsebene definiert werden (vgl. Abs. 3). Dabei wird sich die Regelung an der Aufzählung gemäss den Artikeln 5 und 6 VOSTRA-V orientieren, sollte allerdings den in Artikel 6 VOSTRA-V verwendeten Begriff «Vollzugsentscheid» nicht mehr gebrauchen, da es auch bei den Entscheiden nach Artikel 5 VOSTRA-V zum Teil um Fragen des Vollzuges geht. Die Verordnung wird jeweils auch angeben müssen, welche Daten nur auf Online-Abruf ersichtlich sind (vgl. Art. 40 Abs. 2 zweiter Satz); im Bereich der nachträglichen Entscheide sollte dies die fortlaufende System-Nummer des Entscheids sein.

Neu ist die Erwähnung der Exequaturentscheide in Absatz 2 Buchstabe e. Die Aufnahme dieser Entscheide ist künftig für die Fristberechnung relevant (vgl. Art. 43 Abs. 3 Bst. l).

Art. 23

Einzutragende Einstellungsverfügungen

Bereits in der Vernehmlassung 2009 forderte der Kanton Zürich, es seien bei Verbrechen oder Vergehen auch alle Einstellungsentscheide, in denen der Täter trotz «klarer Schuld» keine Sanktion erhalten habe, im Strafregister zu erfassen. Der Vorentwurf sah vor, praktisch alle Schuldsprüche wegen eines Verbrechens oder Vergehens in VOSTRA einzutragen, nicht aber Schuldsprüche unter Absehen einer Bestrafung nach Artikel 52 StGB97 und Einstellungsentscheide98. In der Vernehmlassung 2012 wurde dieser Vorschlag teilweise ausdrücklich begrüsst. Eine Reihe von Teilnehmenden forderte hingegen, auch Urteile gestützt auf Artikel 52 StGB oder gar sämtliche Einstellungsentscheide gestützt auf die Artikel 52 ff. StGB einzutragen. Teilweise wurde lediglich verlangt, Einstellungsverfügungen gestützt auf Artikel 55a StGB einzutragen.

Der Entwurf sieht nun Folgendes vor: Schuldsprüche unter Absehen von einer Bestrafung und Einstellungsverfügungen gestützt auf Artikel 52 StGB sollen nicht in VOSTRA eingetragen werden. Denn die Anwendung von Artikel 52 StGB setzt voraus, dass Schuld und Tatfolgen geringfügig sind. Selbst bei wiederholter Begehung desselben Tatbestandes bleibt deshalb eine Tat ein Bagatelldelikt, was eine Eintragung nicht rechtfertigt.

Dagegen soll die Anwendung der Artikel 53 und 54 StGB (bzw. Art. 45 und 46 MStG) in VOSTRA eingetragen werden, unabhängig davon, ob ein Verfahren vor Gericht mit einem Schuldspruch unter Absehen von einer Bestrafung nach den erwähnten Artikeln endet oder von der Staatsanwaltschaft eingestellt wird. Wären nur die Schuldsprüche unter Absehen von einer Bestrafung nach Artikel 53 oder 54 StGB (oder Art. 45 oder 46 MStG) einzutragen, wie dies noch der Vorentwurf vorsah, so 97 98

Art. 17 Abs. 1 Bst. c Ziff. 1 VE-StReG.

Vgl. Erläuternder Bericht Ziff. 1.4.3, Erläuterungen zu Art. 17.

5761

wäre dies inkonsequent. Denn auf Stufe Gericht führt die Anwendung von Artikel 53 oder 54 StGB (oder Art. 45 oder 46 MStG) immer zu einem Schuldspruch unter Absehen von einer Bestrafung, nie aber zu einer Einstellung99. Somit würde es zwar zu einer Eintragung in VOSTRA kommen, wenn ein Gericht die Artikel 53 oder 54 StGB (oder Art. 45 oder 46 MStG) anwenden würde, nicht aber wenn dies eine Staatsanwaltschaft täte. Das wäre inkonsequent. Ausserdem ist es insbesondere im Zusammenhang mit der Wiedergutmachung nach Artikel 53 StGB oder Artikel 45 MStG bei der Beurteilung des «Interesses der Öffentlichkeit» von Bedeutung zu wissen, ob gegen eine Person bereits einmal ein Verfahren eingestellt wurde.

Auch Einstellungen gemäss Artikel 55a Absatz 3 StGB oder Artikel 46b Absatz 3 MStG sind zum Schutz der Interessen der Opfer von häuslicher Gewalt einzutragen.

Dadurch können rechtzeitig eine Risikoabschätzung vorgenommen, schützende Massnahmen ergriffen und schliesslich Gewalttaten verhindert werden.

Da die Einstellung als solche und nicht als Schuldspruch eingetragen wird, wird die Unschuldsvermutung nicht verletzt. Aus dem Registereintrag ist somit ersichtlich, dass das Verfahren eingestellt wurde.

Die Einstellungsverfügungen sollen nur in den Behördenauszügen 1 (Art. 42) und 2 (Art. 43) erscheinen, um zu verhindern, dass diese Daten einem zu weiten Personenkreis zugänglich sind.

Art. 24

Elektronische Kopien von Grundurteilen, nachträglichen Entscheiden, Einstellungsverfügungen und Urteilsmeldeformularen

Die Speicherung elektronischer Kopien bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, weil Urteilskopien datenschutzrechtlich besonders heikel sind, da sie sämtliche Urteilsinformationen (Angaben zum Sachverhalt, Erwägungen und das Urteilsdispositiv) im Volltext offenlegen. Diese elektronischen Kopien enthalten somit mehr Informationen als die strukturierten Daten gemäss den Artikeln 21, 22 und 23.100 Das Abspeichern dieser Entscheide hat aber den Vorteil, dass die registerführende Stelle die Originalurteile künftig nicht mehr bei den betroffenen Behörden anfordern muss, falls die Registerauszüge von den Betroffenen beanstandet werden.

Sie kann bei einem Controlling schneller beurteilen, ob die Einträge korrekt sind.

Zwar werden der registerführenden Stelle die entsprechenden Urteilskopien immer anstandslos geliefert, diese Rückfragen stellen jedoch einen erheblichen Aufwand dar und verzögern die Fallbearbeitung. Oft geht es bei Beanstandungen von Betroffenen um Privatauszüge, die für Stellenbewerbungen gebraucht werden und daher schnell bearbeitet werden müssen. Der Hauptvorteil entsteht indes für die Strafjustizbehörden: Die Erfassung der elektronischen Entscheidkopien erleichtert diesen gerade die Beurteilung der Massendelinquenz, da sie sich schneller ein Bild über die Vorstrafen machen können, weil im abgespeicherten Urteil auch Informationen zum Sachverhalt vorhanden sind. Das verringert die Gefahr, dass Strafzumessungen einzig gestützt auf den Strafregistereintrag erfolgen. Das Abspeichern der Entscheide vereinfacht zudem die Prozesse bei der Urteilserfassung durch die Kantone: Je nach Informatiklösung (direktes Erfassen der Entscheide durch die Entscheid99 100

BGE 135 IV 27 Im Urteil sind eventuell auch Erwägungen zu Zivilforderungen oder Angaben über Drittpersonen enthalten. In Strafbescheiden von Verwaltungsbehörden finden sich unter Umständen auch Erwägungen über Leistungs- und Rückleistungspflichten gemäss Art. 63 VStrR.

5762

behörde und nachträgliche Abarbeitung der Fälle bei der KOST) kann künftig der postalische Versand von Urteilen an die KOST wegfallen.

Um den datenschutzrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen, wird der Zugang zu den Urteilskopien ­ soweit es nicht um Kopien von Urteilsmeldeformularen bei Auslandurteilen geht ­ auf wenige Behörden beschränkt, nämlich auf jene mit einem Zugangsrecht zum Behördenauszug 1 (vgl. Ziff. 1.3.4). Diese Behörden dürfen die eingelesenen Originalurteile zudem nur einsehen, wenn ein Grund für die Bearbeitung dieser Daten vorliegt. Im Weiteren ist keine direkte Suche nach einem Entscheid vorgesehen. Vielmehr erscheinen auf dem VOSTRA-Bildschirm primär die strukturierten Daten gemäss den Artikeln 21, 22 und 23, und nur diejenigen Behörden, die Einblick in die elektronischen Kopien haben, können diese durch Betätigen einer Zusatzfunktion von Fall zu Fall aufrufen. Schliesslich werden keine elektronischen Kopien gespeichert von Entscheiden, die Jugendliche betreffen.

Hingegen wird von allen Grundurteilen, nachträglichen Entscheiden und Einstellungsverfügungen, die in der Schweiz gegen eine erwachsene Person ergangen sind, eine elektronische Kopie in VOSTRA abgespeichert (Abs. 1). Dabei wird der ganze Text, also das Dispositiv und die Erwägungen, erfasst. Bei Auslandurteilen ist dagegen oft kein Originalentscheid vorhanden; daher wird nur das Urteilsmeldeformular gespeichert. Liegt ausnahmeweise nur der Originalentscheid vor, so muss dieser transponiert werden und es wird keine elektronische Kopie erstellt (Abs. 2).

Wie dargelegt, führt die Speicherung elektronischer Kopien zu einer Vereinfachung.

Das gilt jedoch nicht ganz ohne Ausnahme, denn den registerführenden Behörden, die Auszüge für Behörden erstellen, die nicht an VOSTRA angeschlossen sind, entsteht bei der Bearbeitung der schriftlichen Gesuche ein gewisser Mehraufwand.

Dies deshalb, weil sie bei jedem Auszug sämtliche gespeicherten Urteilskopien ausdrucken und mitliefern müssten. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich die zugangsberechtigten Behörden nicht für jedes eingetragene Urteil interessieren, sodass elektronische Kopien auch erst später auf ausdrücklichen Wunsch geliefert werden können.

Die Bestimmung regelt nicht, in welchem Zeitpunkt die Entscheidungen abzuspeichern sind, und auch nicht, wie mit den
erst nach Rechtskraft zu motivierenden Urteilen (Art. 82 StPO) zu verfahren ist. Massgebend ist zwar grundsätzlich die Rechtskraft eines Entscheids, doch regelt gemäss Artikel 30 der Bundesrat, ab welchem Zeitpunkt die einzelnen Datenkategorien in VOSTRA einzutragen sind.

Art. 25

Automatisch generierte Systemdaten im Bereich der Strafdatenverwaltung

Diese Datenkategorie findet im geltenden Strafregisterrecht keine Erwähnung. Es handelt sich um Daten, die vom System selbstständig aufbereitet werden und durch Verknüpfungen von vorhandenen Informationen entstehen. Es geht im Wesentlichen um fünf Typen von Systemdaten, die in Artikel 25 Absatz 1 Buchstaben a­e genannt werden. Die Verwendung des Wortes «insbesondere» bringt zum Ausdruck, dass der Katalog von Systemdaten in Artikel 25 nicht abschliessend ist. Der Bundesrat kann weitere Kategorien bilden.

Die Einzelheiten sollen erst auf Verordnungsebene näher festgelegt werden (vgl.

Abs. 2). Dabei ist nicht davon auszugehen, dass neue Funktionalitäten geschaffen, sondern vielmehr die bestehenden Funktionalitäten besser abgebildet werden. Zu 5763

denken ist beispielsweise an eine Regelung von Rückfallmeldungen bei neuen Inlandurteilen (der geltende Art. 20 Abs. 2 VOSTRA-V bezieht sich nur auf die Rückfallmeldung bei einem Auslandurteil).

Bei der Kategorie «Kontrollmeldungen» nach Absatz 1 Buchstabe c ist etwa an folgende Meldungen zu denken: Aufforderung zur Überprüfung der Verfahrenshängigkeit, wenn Strafverfahren seit mehr als zwei Jahren hängig sind; Aufforderung zur Meldung fehlender Entlassungsdaten, wenn bei stationären Massnahmen in Auslandurteilen nach fünf Jahren noch kein Massnahmenende registriert worden ist; oder die Meldung, dass eine Person eine bestimmte Altersgrenze erreicht hat, um Abklärungen im Sinne von Artikel 31 Absatz 3 zu tätigen.

In Bezug auf die «Kontrollmeldungen betreffend die fehlende Zuteilung einer Versichertennummer» gemäss Absatz 1 Buchstabe d sei auf die Ausführungen zu Artikel 11 Absatz 4 verwiesen.

Für Systemdaten ist die Entfernung in Artikel 33 Absätze 1 und 3 geregelt.

Art. 26

Hängige Strafverfahren

Dass Daten über in der Schweiz hängige Strafverfahren wegen Verbrechen und Vergehen in VOSTRA eingetragen werden müssen, ergibt sich bereits aus Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 2 Buchstabe b.

Das geltende Recht verlangt in Artikel 366 Absatz 4 StGB die Eintragung von hängigen Strafverfahren, ohne dort näher zu bestimmen, ab wann ein Verfahren als hängig zu betrachten ist. Diese Regelung bot vor allem unter der Geltung der kantonalen Strafprozessordnungen Schwierigkeiten, weil in einzelnen Kantonen die Verfahrenseröffnung nicht explizit festgestellt werden musste. Unter der Geltung der StPO besteht Klarheit, denn gemäss Artikel 300 StPO wird das sogenannte Vorverfahren entweder durch die Ermittlungstätigkeit der Polizei (Art. 306 f. StPO) oder durch die Eröffnung der Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft (Art. 308 ff.

StPO) eingeleitet, wobei nur Letztere formell eröffnet wird (Art. 309 Abs. 3 StPO).

Weil die Registrierung hängiger Verfahren primär der Klärung von Zuständigkeitsfragen unter Strafverfolgungsbehörden dient (vgl. Art. 34 StPO betreffend die Zuständigkeit am Ort, wo die ersten Verfolgungshandlungen aufgenommen worden sind), wäre es eigentlich sinnvoll, ein Verfahren bereits im Zeitpunkt des Beginns polizeilicher Ermittlungen als hängig zu erfassen. Der Entwurf schlägt jedoch etwas anderes vor, indem er auf die Eröffnung der Untersuchung abstellt. Dies weil es sich gerade bei Daten über hängige Strafverfahren um sehr sensible Informationen handelt. Im Lichte der Unschuldsvermutung wäre es deshalb heikel, zu Beginn des Ermittlungsverfahrens sämtliche tatverdächtigen Personen in VOSTRA zu registrieren. Überdies liesse sich gerade bei komplexen Ermittlungen kaum feststellen, wann die polizeilichen Ermittlungshandlungen gegen eine bestimmte Person tatsächlich begonnen haben. Eine Eintragung in VOSTRA soll deshalb erst dann erfolgen, wenn sich der Tatverdacht gegen eine bestimmte Person so konkretisiert hat, dass die zuständige Behörde eine Untersuchung eröffnet hat. Im Verwaltungsstrafverfahren wird auf das Datum abgestellt, das im Protokoll vermerkt ist (Art. 38 Abs. 1 VStrR).

Deshalb hält Absatz 1 i.V.m. Absatz 2 Buchstabe b fest, dass das Datum, an dem die Untersuchung durch die Verfahrensleitung eröffnet wurde, in VOSTRA registriert wird. «Verfahrensleitung» ist im Erwachsenenstrafverfahren die Staatsanwaltschaft (vgl. Art. 309 Abs. 1 StPO), im Jugendstrafverfahren die Untersuchungsbehörde 5764

(vgl. Art. 30 und 6 Abs. 2 JStPO), im Militärstrafverfahren der Untersuchungsrichter (vgl. Art. 41 der Verordnung vom 24. Oktober 1979101 über die Militärstrafrechtspflege) und im Verwaltungsstrafverfahren die entsprechende Verwaltungsbehörde.

Wird direkt ein Strafbefehl ausgefällt102, so erfolgt gar keine Eröffnung der Untersuchung. In diesen Fällen ist spätestens im Zeitpunkt der Ausfällung des Strafbefehls ein hängiges Strafverfahren in VOSTRA einzutragen (Abs. 1 Bst. b). Dies verursacht der eintragenden Behörde zwar einen gewissen Aufwand. Es ist jedoch zu beachten, dass bis zur Registrierung des rechtskräftigen Strafbefehls (als Grundurteil in VOSTRA) unter Umständen noch Wochen vergehen können, erst recht wenn auf den Strafbefehl eine Einsprache erfolgt ist.103 Ohne den sofortigen Eintrag als «hängiges Strafverfahren» (im Zeitpunkt der Ausfertigung des Strafbefehls) wäre für eine zweite Behörde, die zur gleichen Zeit andere Delikte verfolgt, nicht erkennbar, dass sie gegebenenfalls ein Zusatzurteil fällen müsste. So lassen sich auch widersprüchliche Beurteilungen in Bezug auf den Widerruf von bereits eingetragenen bedingten Vorstrafen vermeiden. Aus diesen Gründen wird in Absatz 2 Buchstabe b mit Bezugnahme auf Artikel 309 Absatz 4 StPO vorgesehen, dass mangels Eröffnung der Untersuchung das Datum, an dem der Strafbefehl ausgefällt wurde, einzutragen ist.

Vollendet ein Täter, gegen den ein Jugendstrafverfahren geführt wird und der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat, das 18. Altersjahr, so wird das Verfahren ebenfalls als hängig in VOSTRA eingetragen (Abs. 1 Bst. c sowie Art. 17 Abs. 1 Bst. c). Bei Jugendlichen ohne gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz wird das Verfahren bereits bei Eröffnung der Untersuchung eingetragen (Art. 17 Abs. 2 Bst. b).

2. Kapitel: Eingetragene Daten ausserhalb der Strafdatenverwaltung Die folgenden vier Bereiche von VOSTRA haben nur indirekt mit der eigentlichen Strafdatenverwaltung zu tun, und für sie gelten meist eigene Mechanismen: ­

die automatische Protokollierung erfolgter Abfragen zugangsberechtigter Behörden (vgl. Art. 27);

­

die Online-Bestellung von Auszügen aus einem ausländischen Strafregister (vgl. Art. 28);

­

die Bestellung von Privatauszügen und Sonderprivatauszügen (Art. 29); dieser Programmteil wird durch eine spezielle Hilfsdatenbank ergänzt, die alle relevanten Daten zur Verwaltung des Bestellprozesses enthält;

­

eine Testumgebung für die Lösung von Anwenderproblemen und Schulungen; diese wird im Gesetz nicht besonders erwähnt, da sie keine besonders schützenswerten Personendaten enthält.

101 102

SR 322.2 Vgl. Art. 309 Abs. 4 StPO und Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 JStPO i.V.m. Art. 309 Abs. 4 StPO.

103 Damit der Strafbefehl rechtskräftig wird, muss zumindest die Einsprachefrist abgewartet werden. Bis zur Erfassung des Strafbefehls in VOSTRA wird ­ je nach Meldeverfahren ­ auch nochmals eine gewisse Zeit vergehen. Bei einer Einsprache dauert es unter Umständen gar Monate, bis der Entscheid des Gerichts rechtskräftig wird.

5765

Art. 27

Automatische Protokollierung von Abfragen zugangsberechtigter Behörden

Um Missbräuche gerade im Online-Bereich feststellen zu können, werden bereits heute die Abfragen von Behörden in speziellen Protokollen registriert (vgl. Art. 28 VOSTRA-V), die die registerführende Stelle einsehen kann, um Kontrollen bei den Behörden vor Ort durchzuführen. Es gibt aktuell zwei Arten von Protokollierungen: ­

Die Protokollierung nach Artikel 10 VDSG. Sie wird auch als die «zentrale Protokollierung» bezeichnet. Sie ermöglicht, die Zweckkonformität von Abfragen einer bestimmten Nutzerin oder eines bestimmten Nutzers einer Behörde zu überprüfen. Die Protokolle werden beim Informatik-ServiceCenter des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (ISC-EJPD) während eines Jahres gespeichert und können vom Datenschutzverantwortlichen für das Strafregister online abgefragt werden. Diese Art der Protokollierung hat jedoch nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich, denn sie kann keine Auskunft darüber geben, ob Abfragen über eine bestimmte Person getätigt worden sind.

­

Die Protokollierung mit Hilfe von «VOSTRA-Reports». Diese Protokollierung ist heute nicht geregelt. «VOSTRA-Reports» protokolliert die Personen, die in VOSTRA Eintragungen und Änderungen vorgenommen oder Auszüge über bestimmte Personen gedruckt haben. Nicht aufgezeichnet wird jedoch, wer in VOSTRA bloss Einblick genommen hat, ohne Eintragungen oder Änderungen vorzunehmen. Die Daten von «VOSTRA-Reports» werden während eines Jahres gespeichert. Auch dieses Instrument ist somit keine taugliche Grundlage, um die VOSTRA-Nutzung umfassend zu dokumentieren.

Weil die beiden heutigen Protokollierungen die VOSTRA-Nutzung nicht umfassend dokumentieren, baut der Entwurf die Protokollierungsmöglichkeiten aus. Neu wird eine Protokollierung direkt in VOSTRA vorgesehen (d.h. die entsprechenden Daten werden direkt in VOSTRA gespeichert). Die bisherige zentrale Protokollierung nach Artikel 10 VDSG wird dadurch aber nicht tangiert. Sie soll nach wie vor auf alle Abfragen aller Behörden Anwendung finden. Wie bisher ist in der Strafregisterverordnung zu präzisieren, dass es auch im Strafregisterbereich eine Protokollierung nach Artikel 10 VDSG gibt. Auch für die Kontrolle der Mitarbeitenden der registerführenden Stelle wird somit die «zentrale Protokollierung» nach Artikel 10 VDSG beibehalten.104 Aus Absatz 4 ergeben sich die zwei Ziele der neuen Protokollierung: In erster Linie dient sie der registerführenden Stelle dazu, die zweckkonforme Nutzung der Daten durch die angeschlossenen Behörden zu kontrollieren. In zweiter Linie soll sie die Auskunftsrechte der betroffenen Personen stärken.

Die abgefragten Personen sollen die korrekte Registernutzung seitens der Behörden mit gewissen Einschränkungen selbst kontrollieren können: Es ist vorgesehen, dass die Abfragen von Behörden künftig direkt in VOSTRA aufbereitet und im Rahmen der Gewährung des Auskunftsrechts (Art. 65) den abgefragten Personen während einer gewissen Dauer (Art. 36) zur Einsicht vorgelegt werden können, soweit damit keine gesetzlich geregelten Geheimhaltungsinteressen im Bereich Strafverfolgung

104

Vgl. aber Art. 27 Abs. 3, der nur für die Protokollierung in VOSTRA gilt.

5766

und im Bereich nachrichtendienstliche Aufklärung verletzt werden105. Damit dürfte sich die Transparenz der Datenbearbeitung verbessern. Die automatische Protokollierung dient somit der Verringerung des Missbrauchsrisikos und dürfte einen Disziplinierungseffekt auf die abfrageberechtigten Behörden haben.

Absatz 1 nennt nur die wichtigsten Datensätze, die protokolliert werden sollen.

Welche Daten im Einzelnen zu protokollieren sind, hat der Bundesrat zu regeln (Abs. 2). Dabei wird zu beachten sein, dass vor allem die Abfragegründe präziser als heute erfasst werden. Damit lässt sich eine Abfrage auch später genau nachzuvollziehen, und der Vorwurf einer ungerechtfertigten Abfrage lässt sich abklären. Wie die Abfragegründe genau zu erfassen sind, hat der Bundesrat in der Verordnung festzulegen106.

Abfragen durch die registerführende Stelle werden nicht automatisch protokolliert (Abs. 3). Denn die registerführende Stelle fragt die Daten nicht im Rahmen eines Verwaltungs- oder Strafverfahrens ab, sondern allein, um die Daten zu pflegen, zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Täglich werden Hunderte solcher Datenabgleiche durchgeführt. Würde man sämtliche Abfragen protokollieren, welche die Mitarbeitenden täglich vornehmen, so könnte die Nachvollziehbarkeit der Abfragen mit vernünftigem Aufwand nur dann sichergestellt werden, wenn für jede Kontrolle oder Korrektur ein eigenständiges Dossier angelegt würde (was heute nicht der Fall ist). Dies würde die Kontrolltätigkeit enorm verzögern. Eine solche Regelung wäre praktisch kaum vollziehbar. Hinzu kommt, dass die automatische Protokollierung der registerführenden Stelle auch zur Kontrolle der an VOSTRA angeschlossenen Behörden dient: Es wäre unsinnig, die Abfragen der kontrollierenden Behörde zu protokollieren, wenn eine Kontrolle der von der kontrollierenden Behörde getätigten Abfragen so nicht vorgesehen ist. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass das beim Bundesamt für Justiz für den Datenschutz zuständige Organ verpflichtet ist, die zweckgemässe Nutzung der Datenbank durch die Mitarbeitenden zu kontrollieren. Für diesen Zweck stehen ihm die Protokolle gestützt auf Art. 10 VDSG zur Verfügung. Für diese Kontrollen wird in der Regel ein nicht weit zurückliegender Stichtag gewählt, der die Rekonstruktion des Abfragegrundes eher erlaubt.

Art. 28

Daten betreffend die Online-Bestellung von Auszügen aus einem ausländischen Strafregister

Die Möglichkeit, Auszüge aus einem ausländischen Strafregister online unter Verwendung von VOSTRA zu bestellen, stellt eine weitere Sonderfunktion von VOSTRA dar, die mit der Auszugserstellung im Rahmen der Strafdatenverwaltung direkt nichts zu tun hat.

Die entsprechenden Bestelldaten werden erfasst, sobald der Besteller seine Bestellung in VOSTRA auslöst. Nach Absatz 2 regelt der Bundesrat, welche Daten eingetragen werden sollen. Die Regelung dürfte sich an der Aufzählung gemäss Anhang 1

105 106

Vgl. die Erläuterungen zu Art. 65 Abs. 2.

Denkbar wäre etwa die Schaffung eines Freitextfeldes, in welches die Abfrageumstände einzugeben wären. Dies könnte vor allem für Fälle wertvoll sein, bei denen die abfragende Behörde im Nachhinein den Abfragegrund kaum noch genau nachvollziehen kann. So dürfte es bei der Informationsweiterleitung an Interpol oder Europol durch fedpol ohne zusätzlichen Bearbeitungsvermerk schwierig sein nachzuvollziehen, welche ausländische Behörde die Daten verlangt hat.

5767

Ziffer 6 der VOSTRA-V orientieren, und es sollte weiterhin möglich sein, in VOSTRA zu vermerken, ob es sich um eine Haftsache handelt.

Die Weiterverarbeitung der Bestellungen erfolgt ausschliesslich durch die registerführende Stelle und ist in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe o geregelt.

Artikel 54 legt fest, welche Behörden eine Online-Bestellung tätigen können.

Art. 29

Daten betreffend die Bestellung von Privatauszügen und Sonderprivatauszügen

Die Verwaltung der Daten zur Ausfertigung von Privatauszügen und Sonderprivatauszügen ist heute gesetzlich nicht geregelt. Eine gesetzliche Regelung ist jedoch erforderlich, weil im VOSTRA-Teil der Bestelldatenverwaltung auch Auszugskopien von allen ausgefertigten Auszügen, die mithin besonders schützenswerte Personendaten enthalten können, elektronisch gespeichert werden (vgl. Abs. 4). Damit lässt sich später eine allfällige Manipulation an den Auszügen erkennen, etwa wenn Kopien der Registerauszüge verwendet werden (z. B. bei mehreren Stellenbewerbungen). Wird dokumentiert, welche Auszüge ausgestellt worden sind, so lässt sich später auch feststellen, ob Kopien mit dem echten Auszug übereinstimmen. Ohne Speicherung einer Auszugskopie liessen sich Urteilseinträge wegen Ablaufs der Eintragungsfristen hingegen oftmals nicht mehr rekonstruieren. Damit ergibt sich auch, dass die Auszugskopien unter Umständen auch Urteile offenlegen, die zwischenzeitlich nicht mehr im Auszug erscheinen dürften. Deshalb können für den Inhalt der Auszugskopien zwar nicht die gleichen Aufbewahrungsregeln gelten wie für die Auszüge selber. Im Gegenzug sind aber der Zugang zu allen Daten im Sinne von Artikel 29 und deren Aufbewahrungsdauer restriktiv ausgestaltet. Es gilt in Analogie zu den automatisch protokollierten Abfragen (vgl. Art. 36) eine Entfernungsfrist von zwei Jahren ab Bestellung des Auszugs (vgl. Art. 38).

Absatz 1 enthält den Grundsatz, dass in VOSTRA auch Daten aufgenommen werden, welche die Bestellung von Privatauszügen (Art. 46) und von Sonderprivatauszügen (Art. 47) betreffen. Diese Daten sind aber hauptsächlich in einer separaten Hilfsdatenbank eingetragen.

Absatz 2 zeigt, dass es sich bei den in der Hilfsdatenbank eingetragenen Daten um Informationen über die Abwicklung des Bestellprozesses handelt, und nicht um die in den Privatauszug aufgenommenen Strafdaten. Somit werden Daten gespeichert, die nicht den eigentlichen Inhalt des Auszuges betreffen. Es geht vielmehr um die Angaben, an wen der Auszug gesandt wurde, ob die Gebühren bezahlt sind, oder wie der Bestellvorgang ausgeführt wurde. Diese personenbezogenen Daten sind nicht besonders schützenswert. Die Details der Datenbearbeitung können daher auch auf Verordnungsebene festgelegt werden (Abs. 2 dritter Satz).

Wird tatsächlich ein Auszug erstellt,
so regelt Absatz 3, dass gewisse Daten aus der Hilfsdatenbank mittels Schnittstelle in VOSTRA übernommen werden. Es handelt sich vornehmlich um Angaben, die nötig sind, um die Auszüge korrekt zu versenden. Auch hier würde der Bundesrat die Einzelheiten regeln.

5768

3. Kapitel: Zeitpunkt der Eintragung von Daten in VOSTRA Art. 30 Der Zeitpunkt der Eintragung soll auf Verordnungsebene definiert werden; er ergibt sich mehrheitlich bereits aus der Datenstruktur. Bei der näheren Ausgestaltung wird zu beachten sein, dass Bearbeitungsfristen für die Eintragung möglichst kurz bemessen werden, um die Eintragung nicht zu verzögern. Sodann wird zu berücksichtigen sein, dass Auslandurteile nicht bereits zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft in VOSTRA eingetragen werden können, da die entsprechenden Meldungen aus dem Ausland meist jährlich erfolgen. Die geltende Regelung gemäss Artikel 11 VOSTRA-V wird deshalb grundlegend zu überarbeiten sein.

4. Kapitel: Entfernung von Daten aus VOSTRA und Archivierungsverbot Im vierten Kapitel ist die Entfernung der VOSTRA-Daten geregelt, die in VOSTRA mit der Vernichtung der Daten gleichzusetzen ist (vgl. die Ausführungen zu Art. 39).

Davon zu unterscheiden sind die Fristen, nach welchen ein Eintrag auf einem der Auszüge nicht mehr erscheint. Diese Fristen sind in den Artikeln 43­47 geregelt.

Das Führen von Strafdaten ist nur sinnvoll, solange die registrierte Person existiert.

Daher bildet der Tod einer natürlichen Person die oberste Grenze der Aufbewahrung (vgl. Art. 31). Darüber hinaus nennt das Gesetz für jede Datenkategorie eine eigene Entfernungsregel. Lediglich für die Entfernung identifizierender Angaben zur Person gemäss Artikel 18 ist keine eigene Norm vorgesehen, da die Personalien nie selbstständig im System verwaltet werden. Sie sind immer Bestandteil eines anderen Datensatzes (vgl. z. B. Art. 21 Abs. 1 Bst. a), für den bereits eine eigene Entfernungsregel besteht.

Art. 31

Entfernung bei Tod

VOSTRA kann vom Ableben einer Person nur durch eine entsprechende Meldung erfahren (vgl. Abs. 1). Es ergibt keinen Sinn, eine direkte Meldepflicht der Zivilstandsbehörden festzuschreiben, denn nicht alle Personen, die gestorben sind, sind auch in VOSTRA eingetragen. Die registerführende Stelle würde sonst mit nicht relevanten Todesfallmeldungen überschwemmt. Mit der Einführung der Versichertennummer in VOSTRA (vgl. Ziff. 1.3.6) wird es möglich, Schnittstellen zu Datenbanken zu schaffen, in denen das Ableben einer Person vermerkt wird (vgl. Abs. 2).

Trotz dieser Möglichkeiten wird die Datenlage in VOSTRA unsicher bleiben, weshalb zusätzliche Massnahmen nötig sind, um die korrekte Bearbeitung der Daten in VOSTRA zu gewährleisten. Dies ist umso mehr angezeigt, als Urteile künftig in VOSTRA viel länger eingetragen bleiben als heute (vgl. Art. 32). Probleme dürfte etwa der Umstand bereiten, dass Todesfallmeldungen erst ab dem Inkrafttreten der Revision verarbeitet werden können und früher eingetretene Todesfälle dem Register lange unbekannt bleiben. Zudem sind in VOSTRA ausländische Staatsangehörige eingetragen, deren Ableben in der Schweiz nicht vermerkt wird. Deshalb sieht Absatz 3 eine Nachkontrolle für Personen vor, die das 80. Altersjahr vollendet haben. VOSTRA generiert die entsprechenden Kontrollmeldungen selbstständig (vgl. Art. 25 Abs. 1 Bst. c). Die Sonderregel von Absatz 4 für ausländische Staats5769

angehörige ohne Aufenthalt in der Schweiz ist erforderlich, weil ausländische Zivilstandsbehörden und Einwohnerkontrollen gegenüber der registerführenden Stelle nicht auskunftspflichtig sind und diese auch keine Todesfallmeldungen aus dem Ausland erhält. Deshalb werden Daten solcher Personen mit Vollendung des 100. Altersjahres automatisch entfernt.

Der Entwurf verzichtet auf eine Regelung, aufgrund derer Strafdaten auch nach einer Todesfallmeldung rekonstruierbar bleiben. Dies wurde in der Vernehmlassung 2012 zwar gefordert mit der Begründung, eine registrierte Person könne ihren Tod auch bloss fingiert haben. Allerdings ist den registerführenden Behörden bis heute kein einziger solcher Fall bekannt. Ein praktisches Bedürfnis für eine Regelung ist somit nicht ersichtlich. Zudem wäre der Aufwand sehr gross, um das heutige Backup-System der VOSTRA-Datenbank so umzubauen, dass entfernte Informationen in Ausnahmefällen wiederhergestellt werden können. Dies würde u.a. eine Vervielfachung der Aufbewahrungsdauer bedingen, würde doch ein fingierter Tod unter Umständen erst nach Jahrzehnten offenkundig.

Art. 32

Entfernung von Grundurteilen

Bereits in der Vernehmlassung 2009 (vgl. Ziff. 1.1.1) wurde geltend gemacht, die aktuellen Aufbewahrungsfristen für Urteilsdaten seien gerade für Justizbehörden zu kurz (vereinzelt wurde gar eine lebenslängliche Aufbewahrung aller Strafurteile verlangt). Als Beispiele wurden jeweils vor allem Daten zu Sexual- und Gewaltstraftaten genannt, die nach der Entfernung aus dem Register nicht mehr verwertet werden dürfen, womit insbesondere die Erstellung von Gutachten sehr erschwert werde.

Die nunmehr verlängerten Entfernungsfristen des Vorentwurfs sind denn auch in der Vernehmlassung 2012 für die Gesamtrevision des Strafregisterrechts ganz überwiegend begrüsst worden.

Vereinzelt sind jedoch Stellungnahmen eingegangen, welche offensichtlich die schweren Sexual- und Gewaltstraftaten und die besonders gefährlichen Täter im Blick haben und noch längere Fristen fordern. Für diese Deliktsgruppen gilt nach dem Entwurf die deutlich längere Grundfrist von 25 bzw. 20 Jahren (wobei zudem die ausgefällte Freiheitsstrafe addiert werden muss).107 Die Entfernungsfristen sind von anderen Vernehmlassungsteilnehmenden ­ unter (ausdrücklichem oder implizitem) Hinweis auf ein «Recht auf Vergessen» ­ als zu lange abgelehnt worden.

Ein solches «Recht auf Vergessen» ist kein justiziables Recht und hat keine scharfen Konturen. In Zusammenhang mit VOSTRA ist es als Gebot zur verhältnismässigen Ausgestaltung der Aufbewahrungsfristen zu verstehen. Dabei ist den unterschiedlichen Interessenlagen der verschiedenen Personen und Behörden angemessen Rechnung zu tragen. So ist etwa das Interesse des Vermieters an möglichen Vorstrafen eines Mieters (z. B. für den Abschluss eines Mietvertrages) geringer zu werten als das Interesse der Strafjustiz, z. B. bei Prognoseentscheiden eine umfassende Würdigung des Vorlebens der beschuldigten Person vornehmen zu können. Daraus folgt, dass im Sinne des Verhältnismässigkeitsgebots unterschiedliche Fristen vorgesehen werden müssen. Da es vorliegend ausschliesslich um eine stärkere Gewichtung der Strafrechtspflegeinteressen ­ und somit um den Behördenauszug 1 (Art. 42 i. V. m.

Art. 50 und 55) ­ geht, hat die Verlängerung der Entfernungsfristen auch keine

107

Vgl. Art. 32 Abs. 2 Bst. a Ziff. 1 und 2.

5770

Auswirkungen auf die Erscheinungsfristen der Einträge in anderen Auszügen, insbesondere auf den Privatauszug.

Ob eine Vorstrafe oder eine stationäre Massnahme nach 20 bzw. 25 Jahren noch von Bedeutung ist, ist zu bezweifeln. Das Bundesgericht formuliert es wie folgt: «Die Entfernung aus dem Strafregister aufgrund des Zeitablaufs kann ... ein Indiz dafür sein, dass der Vorstrafe für die Sanktion keine grosse Bedeutung mehr zukommt.

Vorstrafen haben umso weniger Gewicht, je geringfügiger sie sind und je länger sie zurückliegen.»108 Bei der Strafzumessung ist somit fraglich, ob die erneute Tat in Anbetracht des langen Zeitintervalls strafschärfend berücksichtigt werden darf.109 Für Prognoseentscheide gilt Analoges: Je länger eine Straftat zurückliegt, desto eher ist von fehlender Relevanz und fehlender Konnexität auszugehen, was jedoch im Einzelfall zu prüfen ist. Das Bundesgericht verlangt deshalb, dass im Gutachten offengelegt wird, «... inwiefern die frühere mit der neu zu beurteilenden Delinquenz in Zusammenhang steht (Konnexität) und wie stark sich diese weit zurück liegenden Taten noch auf das gutachterliche Realprognoseurteil auswirkt [sic] (Relevanz).»110 Diese Begründungspflicht gilt selbstverständlich nicht nur für Gutachter, sondern auch für die Strafzumessung oder für Prognoseentscheide von Gerichten.

Die verlängerten Entfernungsfristen des Vorentwurfes erscheinen aufgrund dieser Überlegungen als verhältnismässig und der Bundesrat hält deshalb ­ mit Ausnahme der Frist für die Entfernung von Grundurteilen im Falle von (nicht widerrufenen) bedingten oder teilbedingten Freiheitsentzügen bei Jugendlichen ­ daran fest.

Der Entwurf sieht die folgenden Regelungen vor: Artikel 32 verlängert die Entfernungsfristen für Grundurteile im Vergleich zu den heute geltenden Regeln (Art. 369 StGB). Allerdings wirkt sich diese Verlängerung nur auf den Behördenauszug 1 (Art. 42 Abs. 3) aus, der lediglich für die registerführenden Behörden sowie für die Strafgerichte, die Staatsanwaltschaften und die im Rahmen der StPO tätigen Polizeibehörden, die Strafvollzugs-, Massnahmenvollzugs- und Rechtshilfebehörden einsehbar ist.

Das Verhältnismässigkeitsprinzip gebietet es, in Bezug auf die Ausgestaltung der Entfernungsfristen gewisse Abstufungen zu machen. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Abstufung nach Art
des Delikts oder Abstufung nach der Sanktion. Hier wird eine Lösung vorgeschlagen, die nach Art und Höhe der Sanktion differenziert111, so wie dies bereits die heutigen Entfernungsfristen (Art. 369 StGB) vorsehen. Die heute geltenden Prinzipien zur Vornahme von Abstufungen sollen sowohl für die Behördenauszüge 2 und 3 als auch für den Behördenauszug 1 gelten (vgl. auch die Ausführungen zu Art. 43 Abs. 3).

108 109 110 111

BGE 121 IV 3, 9 f.

Vgl. dazu auch die Erläuterungen zu Art. 39 (zum Verzicht auf ein Verwertungsverbot).

BGE 135 IV 87, 93 Eine Regelung abhängig vom begangenen Delikt wurde geprüft, aber verworfen, denn Deliktskataloge lassen sich nur schwer umsetzen, weil das gleiche Delikt je nach Art der Begehung einen sehr unterschiedlichen Unrechtsgehalt aufweisen kann. Eine Abstufung nach Verbrechen, Vergehen und Übertretungen würde dazu führen, dass bei Auslandurteilen eine aufwendige und oft nur schwer durchführbare Transponierung der gemeldeten Delikte ins schweizerische Recht stattfinden müsste (vgl. Ziff. 1.3.3) Aus diesen Gründen wird auch den vereinzelten Vorschlägen aus der Vernehmlassung 2012, einen Deliktskatalog einzuführen, nicht gefolgt.

5771

Die heute geltenden Entfernungsfristen erfahren folgende Änderungen: ­

Die Entfernungsfristen für schweizerische und ausländische Grundurteile von Erwachsenen sind 5 Jahre länger als im geltenden Recht und als die Frist, während der ein Eintrag auf dem Behördenauszug 2 (Art. 43 Abs. 3) erscheint. Dies hat den Vorteil, dass sich auch der Aufwand für die Programmierung der Entfernungsfristen in Grenzen hält. Die Entfernungsfristen für Grundurteile von Jugendlichen wurden weniger stark erhöht.

­

Zur Sichtbarmachung langer Delinquenzketten gilt neu die Regel, dass ein Grundurteil und die entsprechenden Einträge nur dann aus VOSTRA (und damit aus dem Behördenauszug 1) entfernt werden, wenn bei allen eingetragenen Grundurteilen die jeweilige Entfernungsfrist abgelaufen ist (vgl.

Art. 32 Abs. 1 und 2).

Keine Änderung erfährt dagegen die Frist für die Entfernung von Grundurteilen im Falle von nicht widerrufenen bedingten oder teilbedingten Freiheitsentzügen bei Jugendlichen; sie beträgt wie im geltenden Recht 10 Jahre. Dies trägt auch der Kritik aus der Vernehmlassung 2012 Rechnung. Es wurde geltend gemacht, die im Vorentwurf (Art. 29 Abs. 1 Bst. d VE-StReG) vorgeschlagene Frist von 15 Jahren für die Entfernung von Grundurteilen im Falle von nicht widerrufenen bedingten oder teilbedingten Freiheitsentzügen bei Jugendlichen sei zu lang, denn die Frist für Grundurteile bei unbedingten ­ oder wegen Nichtbewährung widerrufenen bedingten oder teilbedingten ­ Freiheitsentzügen nach Artikel 25 JStG und bei geschlossener Unterbringung nach Artikel 15 Absatz 2 JStG betrage lediglich 12 Jahre (Art. 29 Abs. 1 Bst. a Ziff. 4 und Art. 29 Abs. 1 Bst. f Ziff. 2 VE-StReG).

Ansonsten entspricht die innere Logik der Absätze 1­5 von Artikel 32 den Regeln gemäss Artikel 43 Absatz 3. Für die Details sei daher auf die dort gemachten Ausführungen verwiesen.

Absatz 5 erster Satz stellt klar, dass die vorstehend beschriebenen Grundsätze nur dann zur Anwendung kommen, wenn das Grundurteil nicht bereits vorher aufgehoben worden ist. Unter Umständen werden nicht alle Daten, die sich auf das aufgehobene Grundurteil beziehen, sofort vernichtet; bei eintragungspflichtigen Revisionsentscheiden und Neubeurteilungen im Rahmen eines Abwesenheitsverfahrens ist eine Referenzierung des Vorgängerentscheids nötig, um die Frist nach Absatz 4 zu berechnen (vgl. Abs. 5 zweiter Satz).

Das bisher geltende Archivierungsverbot (Art. 369 Abs. 8 StGB) wird beibehalten (vgl. Art. 39 Abs. 1).

Da neu Urteile viel länger aufbewahrt werden, stellt sich die Frage der Nacherfassung von Urteilen, die eventuell unter altem Recht entfernt wurden, aber die neuen Eintragungskriterien erfüllen. Eine Nacherfassung findet nur in Ausnahmefällen statt (vgl. dazu die Ausführungen zu Art. 117 Abs. 2 und 3).

Art. 33

Entfernung nachträglicher Entscheide, automatisch generierter Systemdaten oder elektronischer Kopien

Die Daten betreffend nachträgliche Entscheide (Art. 22), automatisch generierte Systemdaten (Art. 25) oder elektronische Kopien von Strafentscheiden (Art. 24) weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie teilen das Schicksal der Strafdaten, auf die sie Bezug nehmen. Sie werden somit zusammen mit den jeweiligen Strafdaten nach

5772

Artikel 17 entfernt (vgl. Abs. 1). Die Entfernung kann jedoch in zwei Fällen bereits vorher erfolgen: ­

Wird ein nachträglicher Entscheid (ersatzlos) aufgehoben, so werden er und die elektronische Kopie dieses Entscheides aus VOSTRA entfernt, ohne dass das Grundurteil tangiert ist (vgl. Abs. 2).

­

Automatisch generierte Systemdaten, die eine automatische Anfrage bei einer anderen Behörde auslösen (Art. 25 Abs. 1 Bst. b und c), werden entfernt, sobald die zuständige Behörde die entsprechende Anfrage beantwortet hat (vgl. Abs. 3).

Art. 34

Entfernung von Einstellungsverfügungen

Die in Absatz 1 festgehaltene Entfernungsfrist von 15 Jahren entspricht der Frist für Grundurteile, die einen Schuldspruch unter Absehen von einer Bestrafung enthalten (Art. 32 Abs. 2 Bst. f). Die Entfernungsfrist von 15 Jahren ist für Grundurteile von erwachsenen Personen die kürzeste (vgl. z. B. Art. 32 Abs. 2 Bst. d) und erscheint deshalb auch für Einstellungsverfügungen als angemessen. Die Absätze 2­3 wurden in Analogie zu den Regelungen in Artikel 32 Absätze 4 und 5 geschaffen.

Art. 35

Entfernung hängiger Strafverfahren

Nach Absatz 1 werden hängige Strafverfahren aus VOSTRA entfernt, sobald das Strafverfahren mit einem rechtskräftigen Entscheid abgeschlossen wurde. Rechtskräftig abgeschlossene Strafverfahren hinterlassen somit weiterhin keine Spuren in VOSTRA (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 Bst. d VOSTRA-V).

In der Vernehmlassung 2012 ist vereinzelt gefordert worden, die Entfernung hängiger Strafverfahren müsse nach Eintritt der Verfolgungsverjährung (Art. 97 StGB) oder nach einem rechtskräftigen Urteil automatisiert erfolgen. Der Bundesrat sieht aus folgenden Gründen keinen Anlass, eine automatische Entfernung im Gesetz ausdrücklich vorzusehen: ­

Selbst wenn die automatische Entfernung wegen Eintritt der Verfolgungsverjährung technisch umgesetzt werden könnte, würde sie den manuellen Aufwand nicht verringern, da in einem Strafverfahren häufig mehrere Tatbestände untersucht werden, die unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegen. Zudem ist die Frage des Verjährungsbeginns nur mit Blick auf den konkreten Sachverhalt zu beantworten (vgl. Art. 98 StGB). Die eintragende Behörde müsste demnach für alle im Strafverfahren untersuchten Tatbestände den Beginn des Fristenlaufes einzeln eintragen, was nicht nur ein grosser Aufwand verursacht, sondern zum Zeitpunkt der Eintragung häufig noch gar nicht möglich ist (die Untersuchung wird oft ausgedehnt oder eingeschränkt). Ein allfälliger Wegfall des Aufwands bei der Entfernung vermag den grossen Bearbeitungsaufwand bei der Datenerfassung nicht zu kompensieren.

­

Die automatische Entfernung eines hängigen Verfahrens nach einem rechtskräftigen Urteil würde die Verknüpfung von Strafuntersuchung und Urteil voraussetzen. Dazu müsste in beiden Verfahren ein einheitliches Aktenzeichen verwendet werden, was heute jedoch meist nicht der Fall ist. Dieses Aktenzeichen müsste zudem bei der Zusammenlegung oder Abtretung von Verfahren auch gepflegt werden. Rechtlich und technisch stünde einer 5773

automatischen Entfernung nichts entgegen. Das Anliegen dürfte jedoch an den Gegebenheiten der Praxis scheitern.

In der Vergangenheit war umstritten, welche Form der Einstellung entscheidend sein soll. Absatz 2 hält nun fest, dass immer nur die (definitive) Einstellung relevant ist, nicht aber eine blosse Sistierung, wie es sie beispielsweise in Fällen von häuslicher Gewalt gibt (vgl. Art. 55a StGB).

Die Entfernung von Daten hängiger Strafverfahren kann Probleme bereiten, wenn die urteilende Behörde und die in VOSTRA registrierte Verfahrensleitung für das Strafverfahren nicht identisch sind. Da jede Behörde nur die ihr zugeordneten Daten mutieren darf (Art. 12 Abs. 1), kann die urteilende Behörde bei der Eintragung des Urteils unter Umständen nicht auch das hängige Strafverfahren aus VOSTRA entfernen. Absatz 3 schreibt der urteilenden Behörde daher vor, die nötigen Vorkehren für die Entfernung des hängigen Strafverfahrens aus VOSTRA zu treffen. Faktisch beinhaltet dies die Pflicht, die in VOSTRA registrierte Verfahrensleitung zu verständigen.

Art. 36

Entfernung automatisch protokollierter Abfragen zugangsberechtigter Behörden

Wie bereits in Ziffer 1.3.9 festgehalten kann eine in VOSTRA registrierte Person künftig in Erfahrung bringen, welche Behörde über sie eine Abfrage getätigt hat (vgl. Art. 65). Zu diesem Zweck werden diese Abfragen neu detailliert protokolliert (vgl. Art. 27 Abs. 1).

Nach Artikel 36 bleibt eine solche Abfrage grundsätzlich während zwei Jahren gespeichert. Bei einer längeren Dauer dürfte es für eine Behörde schwierig werden, anhand des im System vermerkten (abstrakt formulierten) Abfragezwecks auch alle anderen wichtigen Hintergrundinformationen zu rekonstruieren, die im Kontext der Abfrage von Bedeutung gewesen sind.

Art. 37

Entfernung von Daten betreffend die Online-Bestellung von Auszügen aus einem ausländischen Strafregister

Nach dieser Bestimmung werden Daten betreffend die Online-Bestellung eines Auszug aus einem ausländischen Strafregister (vgl. Art. 28) entfernt, sobald die Anfrage vom Ausland beantwortet worden ist, spätestens aber ein Jahr nach Registrierung des Ersuchens in VOSTRA. Die Maximalfrist von einem Jahr ist nötig für den Fall, dass Anfragen unbeantwortet bleiben.

Art. 38

Entfernung von Daten betreffend die Bestellung von Privatauszügen und Sonderprivatauszügen

In Anlehnung an Artikel 36 ist eine Entfernungsfrist von zwei Jahren vorgesehen.

Fristbeginn ist die Bestellung des Auszugs, um alle Daten erfassen zu können. Zum Teil kommt es vor, dass ein Bestellvorgang zwar ausgelöst, dann aber wieder abgebrochen wird. Somit werden auch die registrierten elektronischen Kopien der ausgefertigten Auszüge (Art. 29 Abs. 4) nach zwei Jahren vernichtet.

5774

Art. 39

Vernichtung der entfernten Daten und Archivierungsverbot

In der Vernehmlassung 2012 sind die Regeln zu Entfernung und Vernichtung der VOSTRA-Daten vereinzelt als zu streng kritisiert worden, weil diese Daten wissenschaftlich wertvoll seien. Das Strafregister dient jedoch nicht primär als Instrument für die Wissenschaft. Zudem zählen zu den wissenschaftlich interessanten Daten insbesondere die Urteile. Diese sind von der Vernichtung in VOSTRA nicht betroffen, weil sie von vielen Gerichten in der Regel (anonymisiert) publiziert werden. Die Regeln betreffend Entfernung und Vernichtung sind geprägt vom Recht der verurteilten (bzw. beschuldigten) Person auf Vergessen bzw. auf deren Rehabilitation.

Dies bedeutet, dass Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte der registrierten Personen zu beachten sind.

Die in Artikel 39 Absatz 1 enthaltene Regel, dass Strafregisterdaten nicht archiviert werden, gibt es bereits heute (Art. 369 Abs. 8 StGB). Sie hat zur Konsequenz, dass die Daten nach der Entfernung aus VOSTRA nicht an das Bundesarchiv weitergeleitet werden und somit nicht den Regeln des Archivierungsgesetzes vom 26. Juni 1998112 (BGA) unterliegen. Dies soll vor allem künftige personenbezogene Auswertungen verhindern. Da Strafregisterdaten bisher nie archiviert wurden, statuiert Absatz 1 weiterhin eine explizite Ausnahme von der sonst für Bundesdaten geltenden Anbietepflicht nach BGA.

Auf die Schaffung einer Kompetenzdelegation im Sinne von Artikel 387 Absatz 3 StGB, wonach der Bundesrat die Speicherung von VOSTRA-Daten für eine rein statistische, anonymisierte Auswertung zu Forschungszwecken zulassen kann, wurde bewusst verzichtet. Der Bundesrat hat die Kompetenz zur Schaffung eines «Spezialarchivs» bisher nicht ausgeschöpft ­ nicht zuletzt wegen der damit verbundenen, hohen Kosten. Die Ausdehnung der Aufbewahrungsdauer von Strafregisterdaten (vgl. Art. 32) entschärft das Problem ein Stück weit: Da Forscher künftig viel länger auf die noch eingetragenen Daten zugreifen können, sinkt das Interesse an einer Sonderarchivierung.

Absatz 2 bezeichnet die registerrechtliche Wirkung der Entfernung: Eintragungen dürfen nach der Entfernung nicht rekonstruierbar sein. Wenn aber eine Behörde kurz vor Ablauf der Entfernungsfrist Urteilsdaten abfragt, wird diese Abfrage gemäss Artikel 27 automatisch protokolliert; in diesem Protokoll sind auch die abgerufenen Urteilsdaten
gespeichert. Für diese automatisch protokollierten Daten gelten jedoch besondere Aufbewahrungsfristen (vgl. Art. 36). Werden die Urteilsdaten in der Folge (z. B. gemäss Art. 32) aus der Strafdatenverwaltung entfernt, so bleiben sie trotzdem als Teil der automatisch protokollierten Daten bis zum Ablauf der Frist gemäss Artikel 36 in VOSTRA gespeichert. Aus diesen Protokollierungsdaten liesse sich somit der entfernte Eintrag rekonstruieren. Absatz 2 zweiter Satz regelt diesen Ausnahmefall ausdrücklich. Für die Betroffenen ergeben sich dadurch keine Nachteile, denn nur die registerführende Stelle hat Zugriff auf die gemäss Artikel 27 protokollierten Daten. Diese Behörde darf diese Daten nur für die Durchführung von Kontrollen (Art. 4 Abs. 2 Bst. g) und für die Offenlegung der Abfragen im Rahmen des Auskunftsrechts (Art. 65) verwenden. Eine weitere Ausnahme regelt Artikel 32 Absatz 5: Die Referenzierung von entfernten Urteilen zur Berechnung der Entfernungsfrist.

112

SR 152.1

5775

Der Vorentwurf sah in Artikel 35 ein Verbot der Verwertung von entfernten VOSTRA-Daten vor, das sich an die heute geltende Regelung in Artikel 369 Absatz 7 StGB anlehnte. Diese StGB-Vorschrift wurde 2007 im Rahmen der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs zusammen mit den damals neu auf Gesetzesstufe geregelten Entfernungsfristen in Kraft gesetzt.113 Vorher sah das Strafregisterrecht für entfernte VOSTRA-Daten noch kein Verwertungsverbot vor.

Das Bundesgericht lässt denn auch gewichtige Ausnahmen vom Verwertungsverbot gemäss Artikel 369 Absatz 7 StGB zu. Nach eingehender Analyse der Rechtsprechung und der Vernehmlassungsergebnisse verzichtet der Bundesrat aus folgenden Gründen darauf, ein Verwertungsverbot vorzusehen:

113 114

115 116 117

118

­

Das Bundesgericht und das Bundesverwaltungsgericht haben für Behörden ausserhalb der Strafjustiz Ausnahmen vom Verwertungsverbot zugelassen, so namentlich für Migrationsbehörden.114

­

Die praktisch weitestreichende Ausnahme hat das Bundesgericht bei medizinischen Gutachtern geschaffen, indem diese nicht an ein Verwertungsverbot gebunden sind115. Strafbehörden jedoch dürfen entfernte Vorstrafen nicht berücksichtigen.116 Die Argumentation des Bundesgerichts überzeugt im Hinblick auf die Aufgabe des medizinischen Gutachters, kann jedoch ein Gericht, das gestützt auf das Gutachten einen Entscheid fällen muss, in ein Dilemma bringen: Wie soll es entscheiden, wenn eine ungünstige gutachterliche Prognose vorliegt, die sich zu einem wesentlichen Teil auf eine gemäss Gutachten konnexe und relevante Vorstrafe stützt, die jedoch aus VOSTRA bereits entfernt ist?117 In ein solches Dilemma geriet offenbar die bernische Beschwerdekammer, als sie die Haft bei Beschuldigung wegen sexueller Handlungen mit einem Kind überprüfen musste.118 Das Problem besteht aber nicht nur bei Haftentscheiden, sondern bei allen Entscheiden (insbesondere bei Endurteilen), in denen Gefährlichkeits- und Rückfallprognosen gestellt werden müssen. Dieses Dilemma ist unbefriedigend und letztlich unnötig. Der Entscheid, ob Gutachter oder Gerichte eine entfernte Vorstrafe berücksichtigt dürfen, sollte nicht von einem schematischen, auf Zeitablauf Vgl. die entsprechende Botschaft BBl 1999 2167 f.

Die öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts erachtete es als zulässig, dass Migrationsbehörden bei der Vergabe einer ausländerrechtlichen Bewilligung Strafregisterinformationen auch nach deren Entfernung in die Gesamtbeurteilung einbeziehen (vgl. statt vieler BGer-Entscheid 2C.711/2011 vom 27. 3. 2012, E. 5.2). Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen aus VOSTRA entfernte Strafen im Rahmen von Personensicherheitsprüfungen berücksichtigt werden dürfen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil A-4582/2010 vom 20. 1. 2012, E. 8.5 f.).

BGE 135 IV 87, 92 f.

Das Bundesgericht unterscheidet im erwähnten Entscheid eine medizinische «Realprognose» von einer gerichtlichen «Legalprognose».

Vgl. BGE 121 IV 3, 9 (zum Recht vor der Inkraftsetzung des revidierten AT-StGB): «Schwer durchführbar wäre ein Verwertungsverbot auch dort, wo ein Gutachten vorliegt und der ärztliche Sachverständige bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten entfernte Vorstrafen berücksichtigt hat. ... Ein
Verwertungsverbot in Bezug auf entfernte Vorstrafen ist deshalb abzulehnen.» Zum Problem vgl. auch P. Gruber, in: Basler Kommentar Strafrecht II, M.A. Niggli/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 369 StGB N 10.

Vgl. das Beispiel in der Stellungnahme des Kantons Bern im Rahmen der Vernehmlassung 2012, einsehbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2012 > EJPD. Die Haft wurde in diesem Fall mit einer anderen Begründung bestätigt.

5776

beruhenden Verbot vorweggenommen, sondern dem gutachterlichen und richterlichen Ermessensspielraum zugewiesen werden. Die Verhältnismässigkeit eines solchen Entscheides ist durch die richterliche Überprüfbarkeit (Begründungspflicht und Rechtsweggarantie) gewährleistet. Nur so ist sichergestellt, dass bei Entscheiden, bei denen auch die öffentliche Sicherheit einen wichtigen Aspekt darstellt, sachlich richtige Entscheide gefällt werden können, die letztlich auch kriminalpolitisch vertretbar sind. Wenn man mit dem zukünftigen Strafregister eine breitere Informationsbasis insbesondere für Strafjustizbehörden und damit ein verbessertes Werkzeug für eine präzisere Strafzumessung und für fundierte Prognoseentscheide zur Verfügung stellen will,119 lässt sich ein schematisches Verwertungsverbot nur schwer damit vereinbaren.

­

Die Befürworter eines strafregisterrechtlichen Verwertungsverbotes argumentieren mit einem «Recht auf Vergessen» und mit dem Rehabilitationsgedanken. Diese wichtigen Interessen werden jedoch primär dadurch abgesichert, dass ein Eintrag nach einer gewissen Zeit nicht mehr im Auszug ­ insbesondere dem Privatauszug ­ erscheint. Auch die Verjährungsfristen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Demgegenüber kann bei Prognoseentscheiden ein schematisches Verwertungsverbot die sachgerechte und angemessene Beurteilung durch Gutachter und Gericht verunmöglichen. Dem «Recht auf Vergessen» und der Rehabilitation wird Rechnung getragen, indem die Konnexität und die Relevanz der weit zurückliegenden Vorstrafe eingehend begründet werden muss. Je weiter eine Vorstrafe zurückliegt und je leichter das Delikt gewesen ist, desto höhere Anforderungen sind an eine solche Begründung zu stellen.120

­

Ein registerrechtliches Verwertungsverbot steht in einem Spannungsverhältnis zur Unverjährbarkeit gewisser Delikte.121 Zu denken ist hier insbesondere an Völkermord,122 Verbrechen gegen die Menschlichkeit123 und Kriegsverbrechen124. Kriegssachverhalte werden zuweilen erst Jahrzehnte später strafrechtlich aufgearbeitet. Wird ein Täter wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung weiblicher Personen im Rahmen eines ausgedehnten Angriffes gegen die Zivilbevölkerung125 zu 6 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, wäre es höchst stossend, wenn diese Vorstrafe nicht mehr strafschärfend berücksichtigt werden dürfte, falls ein Gericht denselben Täter 35 Jahre später wegen Völkermord126 in einem anderen, zeitlich nachfolgenden Konflikt zu bestrafen hat. Ein Verwertungsverbot infolge Zeitablaufs wäre in diesen seltenen, aber umso schwereren Fällen sachlich verfehlt.

­

An dieser Stelle lohnt ein Blick auf das strafprozessuale Verwertungsverbot (Art. 141 StPO): Dieses hat rechtswidrig erlangte Beweise zum Thema, die infolge verbotener Ermittlungsmethoden (Gewalt, Zwang, Drohung etc., vgl.

119 120 121 122 123 124

Vgl. vorne Ziff. 1.3.5.

Vgl. dazu auch BGE 121 IV 3, 9 f.

Vgl. Art. 101 StGB.

Art. 264 StGB.

Art. 264a Abs. 1 und 2 StGB.

Art. 264c Abs. 1­3, 264d Abs. 1 und 2, 264e Abs. 1 und 2, 264f, 264g Abs. 1 und 2 und 264h StGB.

125 Art. 264a Abs. 1 Bst. g StGB.

126 Art. 264 Bst. a StGB.

5777

Art. 140 StPO) erlangt worden sind. Bei der Verwendung von Informationen aus VOSTRA durch die zugangsberechtigten Behörden (insb. die Strafjustizbehörden) ist ­ selbst wenn diese bereits entfernt worden sind ­ nicht ersichtlich, inwiefern deren Verwendung nicht legitim wäre, wenn sie sachlich geboten ist. Diese Informationen wurden nicht mit verpönten, widerrechtlichen Methoden erlangt, sondern sie sind infolge Zeitablaufs in VOSTRA lediglich nicht mehr verfügbar.127 Die Eingriffsintensität ist somit derart unterschiedlich, dass an die unterschiedlichen Sachverhalte nicht dieselbe Rechtsfolge geknüpft werden kann. Wie vorstehend bereits ausgeführt, läuft die rechtsstaatliche Absicherung hier über die Begründungspflicht und die Beschwerdemöglichkeit.

­

Behörden, die lediglich Zugang zum Behördenauszug 2 haben, könnten zudem die Frist, innerhalb der eine Vorstrafe verwertbar ist, oft nicht selber berechnen, weil ihnen der Zugang zum Behördenauszug 1 fehlt. Es wäre diesen Behörden nur schwer möglich festzustellen, ob die Verwertung einer bestimmten Information noch zulässig ist. Die Einhaltung des Verwertungsverbotes ist unter solchen Umständen nicht sicher gestellt.

Ein Verwertungsverbot im Strafregisterrecht erscheint deshalb als nicht sachgerecht.

Die praktische Anwendung wäre zudem schwierig, und dem Verbot könnte nicht durchgängig Nachachtung verschafft werden. Es bestehen andere wirksame Mechanismen, um die betroffene Person vor staatlicher Willkür zu schützen. Der Bundesrat verzichtet deshalb auf ein Verwertungsverbot.

2.3.2

2. Titel: Bekanntgabe von Daten aus VOSTRA

1. Kapitel: Zugangsprofile und Auszugsarten im Bereich der Strafdatenverwaltung 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Wie bereits vorne zu den Artikeln 17­26 erklärt, ist die Strafdatenverwaltung derjenige Programmteil von VOSTRA, welcher der Ausfertigung von Strafregisterauszügen dient. Die Artikel 40­41 regeln das Verhältnis von Zugangsrecht und Strafregisterauszug und enthalten allgemeine, für alle Auszugsarten geltende Bearbeitungsregeln.

Art. 40

Funktion der Auszugsarten als Zugangsprofile

Jedem Zugangsprofil ist eine bestimmte Auszugsart zugeordnet. Wie bereits heute werden bei einem Online-Zugang auf ein bestimmtes Zugangsprofil allerdings nicht dieselben Daten offengelegt wie bei der schriftlichen Bestellung eines Auszugs. Die Abweichungen sind jedoch marginal (so werden etwa Bearbeitungsvermerke nicht auf dem schriftlichen Auszug gedruckt; umgekehrt enthält der schriftliche Auszug gewisse zusätzliche Angaben zur individuellen Kennzeichnung der Auszüge wie 127

Es bleibt anzumerken, dass die Archivierung von Strafakten im anwendbaren ­ in der Praxis überwiegend kantonalen ­ Recht geregelt ist. Die Entfernungsregeln (Art. 31 ff.)

und das Archivierungsverbot (Art. 39 Abs. 1) betreffen allein die Daten in VOSTRA und gehen kantonalen Archivierungsvorschriften nicht vor.

5778

Datum und Grund der Ausstellung oder Daten über den Empfänger oder die Empfängerin und über den Aussteller oder die Ausstellerin des Auszugs). Da es sich um untergeordnete Informationen handelt, regelt der Bundesrat in der Verordnung, inwieweit die online verfügbaren Daten von jenen in einem gedruckten Auszug abweichen (Abs. 2).

Absatz 3: Auch wenn einer Behörde nach diesem Gesetz das Recht auf einen Online-Anschluss zusteht, bedeutet dies nicht zwingend, dass sie auch online an VOSTRA angeschlossen ist. Denn heute verzichten einzelne Behörden aus organisatorischen Gründen freiwillig auf einen Online-Anschluss. Es ist aber auch denkbar, dass einer Behörde oder auch nur einzelnen Behördenmitgliedern der OnlineAnschluss verwehrt wird, denn die Einrichtung einer Online-Verbindung und die Erteilung von individuellen Zugangsbewilligungen unterliegen dem Verhältnismässigkeitsprinzip und erfolgen gemäss der Weisung des EJPD vom 12. August 2013 über den Zugang auf die Fachanwendungen des EJPD (Online-Weisung EJPD).

Demnach entscheidet die für die Anwendung verantwortliche Person der registerführenden Stelle, ob die rechtlichen Voraussetzungen für einen Online-Anschluss im Einzelfall erfüllt sind (vgl. Ziff. 7.1 der Online-Weisung EJPD). Dabei hat sie unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips insbesondere darauf zu achten, dass nur so viele individuelle Zugangsberechtigungen auf VOSTRA erteilt werden, wie dies zur Erfüllung der Aufgaben der anschlussberechtigten Behörde nötig ist.

Dies hängt namentlich ab von der vorgesehenen Benutzungsintensität, der Anzahl der bereits zugangsberechtigten Mitarbeitenden der Behörde oder der Notwendigkeit des unabhängigen und raschen Handelns (z. B. ausserhalb der ordentlichen Geschäftszeiten), aber auch von der Organisationsstruktur dieser Behörde. Dass somit im Einzelfall zahlreiche Kriterien zu berücksichtigen sind, verunmöglicht eine Aufzählung der Beurteilungskriterien im Gesetz selber.

Stellt eine Behörde, die an sich online anschlussberechtigt wäre, deren Anschluss aber aus den oben genannten Gründen nicht operativ ist, ein schriftliches Gesuch um Auszug aus dem Register, so erhält sie denjenigen Auszug, auf den sich ihr OnlineZugangsrecht bezieht. Diese Regelung gilt nach der Praxis schon heute.

Art. 41

Fristberechnung für Sanktionen aus altrechtlichen oder ausländischen Urteilen

Die Fristen zur Dauer der Aufbewahrung bestimmen sich meist nach der Schwere der Sanktion und nehmen dabei auf die geltenden Sanktionen des Strafgesetzbuchs, des Militärstrafgesetzes oder des Jugendstrafgesetzes Bezug. Für die in Auslandurteilen ausgesprochenen sowie für altrechtliche128 Sanktionen lassen sich die Bestimmungen über die Fristen nur in analoger Weise anwenden.

128

So wird etwa ein nachträglich erfasstes Übertretungsurteil, mit dem eine altrechtliche «Haftstrafe» angeordnet wurde, nach 15 Jahren entfernt (es gilt die Frist für eine «Freiheitsstrafe unter einem Jahr» gemäss Art. 32 Abs. 2 Bst. a Ziff. 3).

5779

2. Abschnitt: Die einzelnen Zugangsprofile Art. 42

Behördenauszug 1

Die Bestimmung regelt, welche Daten (Abs. 1 und 2) während welcher Dauer (Abs. 3) beim Behördenauszug 1 ersichtlich sein sollen. Der Begriff «Behördenauszug 1» ist im Sinne eines Zugangsprofils zu verstehen, denn die Zugangsberechtigung muss nicht zwingend in die Erstellung eines physischen Auszugs münden (vgl.

auch Art. 40 Abs. 2). Zum Behördenauszug 1 wird nur sehr restriktiv Zugang gewährt (das entsprechende Zugangskonzept wurde bereits an anderer Stelle erläutert; vgl. Ziff. 1.3.1).

Der Behördenauszug 1 enthält grundsätzlich alle relevanten Strafdaten im Bereich der Strafdatenverwaltung (vgl. Abs. 1 Bst. b­f). Im Unterschied zu den anderen Auszugsarten legt der Behördenauszug 1 auch sämtliche in VOSTRA gespeicherten elektronischen Kopien der Urteile, nachträglichen Entscheide, Einstellungsverfügungen und Urteilsmeldeformulare (vgl. Bst. e) offen (vgl. dazu die Ausführungen zu Art. 24 sowie in Ziff. 1.3.4). Diese elektronischen Kopien dürfen indes nicht ins Ausland übermittelt werden (vgl. dazu die Ausführungen zu den Art. 50 Abs. 2 und 57 Abs. 3).

Mit Blick auf die automatisch generierten Systemdaten gemäss Artikel 25 legt gemäss Absatz 2 der Bundesrat fest, in welchen Fällen eine Sichtbarmachung im Auszug angezeigt ist (was etwa in Bezug auf Angaben zur Dauer der Registrierung der Fall sein kann, nicht aber in Bezug auf Systemdaten, die lediglich eine Meldung auslösen).

Gemäss Absatz 3 erscheinen Daten im Behördenauszug 1, bis die entsprechenden Entfernungsfristen abgelaufen sind. Bei der Entfernung eines Eintrags aus dem Behördenauszug 1 werden die entsprechenden Datensätze vernichtet (vgl. Art. 39).

Art. 43

Behördenauszug 2

Der Behördenauszug 2 ist in Bezug auf die eingetragenen Daten fast identisch mit dem Behördenauszug 1 (Art. 42); allerdings enthält er keine elektronischen Kopien im Sinne von Artikel 24 Absatz 1, da diese Daten nur den registerführenden Stellen sowie den Strafgerichten, den Staatsanwaltschaften und den im Rahmen der StPO tätigen Polizeibehörden, den Strafvollzugs-, Massnahmenvollzugs- und Rechtshilfebehörden zur Verfügung stehen (vgl. Art. 42). Elektronische Kopien gemäss Artikel 24 Absatz 2 (Entscheidmeldungen aus dem Ausland) bilden einen Bestandteil des Grundurteils und sind deshalb auch im Behördenauszug 2 enthalten (vgl. Art. 43 Abs. 1). Der zweite wesentliche Unterschied zum Behördenauszug 1 liegt in den kürzeren Zugangsfristen zu den Daten (vgl. Abs. 3).

Der Behördenauszug 2 entspricht hinsichtlich der Zugangsfrist weitgehend der geltenden Regelung gemäss Artikel 369 StGB, wobei die in Absatz 3 enthaltenen Fristen nicht mehr die Funktion von «Entfernungsfristen» haben, da bei Fristablauf die Urteile weiterhin im Behördenauszug 1 aufgeführt sind. Anstelle von «werden ... entfernt» wird daher konsequent «erscheinen ... nicht mehr im Auszug» gebraucht. Zudem erfahren die entsprechenden Zugangsregeln eine redaktionelle Überarbeitung.

Wie heute bestimmt sich die Dauer der Registrierung nach der Schwere der ausgesprochenen Sanktion. Für Sanktionen nach Jugendstrafrecht gelten weiterhin spe5780

zielle Berechnungsregeln (vgl. z. B. Abs. 3 Bst. a Ziff. 4). Da bei ausländischen Sanktionen die analoge schweizerische Sanktion im Register eingetragen wird (vgl.

Art. 18 Abs. 1 Bst. d), ergeben sich für die Handhabung der Zugangsfristen bei Auslandurteilen keine Probleme. Zudem legt Artikel 41 die analoge Anwendung der Fristen für Auslandurteile und altrechtliche Sanktionen ausdrücklich fest.

Absatz 3 Buchstaben a­c (betreffend die Fristberechnung für unbedingte Freiheitsstrafen) entspricht Artikel 369 Absätze 1 und 2 StGB. Diese Regeln kommen nur dann zur Anwendung, wenn keine stationären Massnahmen angeordnet worden sind (vgl. Abs. 3 Bst. g). Folgende Präzisierungen sind angebracht: ­

Buchstabe a stellt klar, dass mit Freiheitsstrafe entweder eine unbedingte Freiheitsstrafe gemeint ist oder eine widerrufene bedingte oder teilbedingte (was sich bisher nur aus einem Umkehrschluss aus Artikel 369 Absatz 3 StGB ergeben hat). Aus Ziffer 4 ergibt sich, dass mit Freiheitsstrafe im Sinne von Buchstabe a auch ein Freiheitsentzug nach JStG gemeint ist.

­

Buchstabe a Ziffer 3 gilt analog ­ wie bisher ­ auch für altrechtliche Haft-, Gefängnis- und Zuchthausstrafen (vgl. Art. 41). Damit werden die Fristen für altrechtliche unbedingte Übertretungshaftstrafen verglichen mit jenen für unbedingte Übertretungsbussen (welche unter Bst. d fallen) etwas länger, da zur Grundfrist von 10 Jahren noch die Dauer der Strafe und die Dauer der Strafe eines eingetragenen Urteils hinzugerechnet wird. Allerdings liesse sich ohnehin nicht sicherstellen, dass für alle Übertretungsurteile die gleiche Entfernungsfrist nach Buchstabe d gilt, denn ausländische Freiheitsstrafen für Übertretungen lassen sich neu nicht von anderen Freiheitsstrafen unterscheiden, da die entsprechenden Auslandtaten nicht mehr ins schweizerische Recht transponiert werden(vgl. Ziff. 1.3.3).

­

Buchstabe a Ziffer 4 gilt in analoger Anwendung auch für eine altrechtliche Jugendfreiheitsstrafe, wie die Einschliessung nach Artikel 95 aStGB (vgl.

Art. 39).

­

Die Regel gemäss Buchstabe b entspricht Artikel 369 Absatz 2 StGB. Allerdings nennt die Bestimmung den Freiheitsentzug nun ausdrücklich, um klarzustellen, dass sich die Frist auch bei einer freiheitsentziehenden Strafe gegen Jugendliche die Frist verlängert.

­

Buchstabe c enthält neu eine explizite Regel für lebenslängliche Freiheitsstrafen. Dieses Resultat wurde bisher mittels Auslegung erzielt, da die Frist nach Artikel 369 Absatz 1 StGB bei unendlicher Dauer der Strafe nie enden würde.

Absatz 3 Buchstabe d (betreffend die Fristberechnung für nicht in Bst. a­c geregelte Strafen) entspricht in materieller Hinsicht Artikel 369 Absatz 3 StGB. Es ist auf folgende Besonderheiten hinzuweisen: ­

Neu wird gesagt, dass diese Regel auch für teilbedingte Freiheitsstrafen sowie für den bedingten und teilbedingten Freiheitsentzug Geltung hat (wobei altrechtliche Jugendfreiheitsstrafen nach Art. 41 umfasst sind).

­

Der Hinweis darauf, dass es nur um «nicht widerrufene» Strafen geht, ergibt sich e contrario aus Buchstabe a.

­

Neu braucht es einen Hinweis darauf, dass nur Bussen «gegen Erwachsene» gemeint sind, da es für Jugendbussen keine eigene Berechnungsregel geben 5781

soll. Diese Bussen gegen Jugendliche kommen nur in Kombination mit ambulanter Behandlung vor. Für letztere gilt Buchstabe j, der aber einen Vorbehalt in Bezug auf die Buchstaben a­h enthält. Ohne die Einschränkung der Bussen-Entfernungsregel auf Erwachsene würde somit für Urteile, die eine Jugendbusse enthalten, auf einmal die Frist von 10 Jahren nach Buchstabe d gelten, und nicht die Frist von 5 Jahren nach Buchstabe j.

Entsprechend der in der Vernehmlassung 2012 schon zu Artikel 32 geäusserten Kritik wird Artikel 43 konsequenterweise ebenfalls modifiziert, was die Zugangsregeln zu Grundurteilen betrifft, die einen nicht widerrufenen bedingten oder teilbedingten Freiheitsentzug nach Artikel 25 JStG enthalten. Weil für den Behördenauszug 2 kürzere Fristen gelten als für den Behördenauszug 1, sieht Absatz 3 Buchstabe e vor, dass solche Freiheitsentzüge nach 7 Jahren nicht mehr im Auszug erscheinen.

Die Zugangsregel gemäss Absatz 3 Buchstabe f für Grundurteile mit Schuldspruch und Verzicht auf Strafe ist neu, da entsprechende schweizerische Urteile neu in VOSTRA eingetragen werden (vgl. die Ausführungen zu Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 1).

Die Sonderanknüpfung für Grundurteile mit stationären Massnahmen nach Absatz 3 Buchstabe g gibt es schon im aktuellen Recht (vgl. Art. 369 Abs. 4 StGB). Neu werden die entsprechenden Regeln jedoch ausgedehnt auf Fälle, wo die stationäre Massnahme erst in einem späteren Zeitpunkt verfügt wurde. Ausnahmsweise ist für die Fristberechnung also nicht mehr zwingend die Sanktion gemäss dem Grundurteil massgebend, sondern auch diejenige, die im entsprechenden nachträglichen Entscheid angeordnet und in VOSTRA eingetragen wurde (vgl. Art. 22 Abs. 2 Bst. c).

Eine solche spätere Erstanordnung einer stationären Massnahme (unter die auch die Anordnung einer Verwahrung fällt) gibt es nur im Falle nachträglicher Umwandlung129 oder einer nachträglichen Anordnung im Sinne von Artikel 65 StGB. Für den Beginn des Fristenlaufs ist neu das Ende der zuletzt umgewandelten stationären Massnahme entscheidend (vgl. Absatz 4 Buchstabe b). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei schneller Aufhebung der Massnahme wegen Erfolglosigkeit und dem Wechsel zu einem strengeren Regime der Strafregistereintrag nicht bereits entfernt ist, obwohl die betroffene Person sich noch im Vollzug der stationären Massnahme befindet. Im Übrigen sind folgende Punkte erwähnenswert:

129

­

Die Dauer der Frist ist abhängig von der Art der Sanktion (vgl. Abs. 3 Bst. g Ziff. 1­3).

­

Absatz 3 Buchstabe g Ziffer 1 gilt gemäss heutiger Praxis auch für altrechtliche Massnahmen wie die Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt (vgl.

zur analogen Anwendung Art. 41).

­

Seit der im Rahmen der Militärgesetzrevision per 1. Januar 2013 erfolgten Ausdehnung der Registrierung von Jugendurteilen (vgl. Art. 366 Abs. 3 StGB) gilt für Urteile, die eine offene und private Unterbringung nach Artikel 15 Absatz 1 JStG anordnen, ein spezieller Fristenlauf: Artikel 369 Absatz

Einen solchen nachträglichen Entscheid gibt es bei Erwachsenen nur dann, wenn die zuerst angeordnete Massnahme eine ambulante Massnahme war. Bei Jugendlichen hingegen kann die im Grundurteil angeordnete Massnahme auch irgendeine andere Massnahme sein (vgl. Art. 18 JStG).

5782

4 Buchstabe c StGB. Absatz 3 Buchstabe g Ziffer 3 übernimmt diese Regelung.

­

Nach Absatz 3 Buchstabe h gilt wie heute, dass sich die Fristen gemäss Buchstabe g um die Dauer einer Reststrafe verlängern (vgl. Art. 369 Abs. 5 StGB). Allerdings wird präzisierend vermerkt, dass dies unabhängig davon gilt, ob die Reststrafe vollzogen wird oder nicht. Dass die Reststrafe nur eine rechnerische Grösse ist, entspricht bisheriger Praxis. Grund für die Berücksichtigung der Reststrafe ist die Angleichung an die Fristen gemäss Buchstabe a.130 Bei Urteilen mit einer Kombination von Verwahrung und Freiheitsstrafe wird zuerst die Freiheitsstrafe vollzogen, weshalb es vorkommen kann, dass die verurteilte Person die Verwahrung gar nicht antreten muss.

Bei bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe (unter den Voraussetzungen für die bedingte Entlassung aus der Verwahrung) gibt es somit keine «Reststrafe» im eigentlichen Sinne (da gar keine Anrechnung stattfindet). Zudem erfolgt nach dem Ende der Probezeit nicht unbedingt ein Entscheid über das Ende der Verwahrung. In diesen Fällen ist deshalb eine Reststrafe «0» in VOSTRA einzugeben.

Die Regelung nach Absatz 3 Buchstabe i (betreffend die Fristberechnung bei ambulanter Behandlung nach Art. 63 StGB) basiert auf Artikel 369 Absatz 4bis erster Satz StGB. Allerdings gelten neu folgende Besonderheiten: ­

Bisher gab es keine Regel im Gesetz für den Fall, dass im Urteil eine Kombination von ambulanter Behandlung mit einer in Buchstabe k genannten Massnahme, aber ohne Strafe, angeordnet wurde. Praktisch bedeutsam könnten etwa Fälle bei einer Kombination mit einem Fahrverbot oder Tätigkeitsverbot sein. In diesen Fällen rechtfertigt es sich, die Fristberechnung für die ambulante Behandlung anzuwenden.

­

Die Berechnungsregel gemäss Buchstabe i für die ambulante Behandlung nach Artikel 63 StGB gilt nur für den Fall, dass nicht nachträglich eine stationäre Massnahme angeordnet wurde. In diesem Fall geht Buchstabe g vor (vgl. zum entsprechenden Vorbehalt auch die Ausführungen zu Bst. g). Zu diesem Schluss könnte man auch ohne den expliziten Vorbehalt im Normtext kommen, da Buchstabe g die speziellere Norm ist. Der Klarheit halber erscheint eine ausdrückliche Regelung sinnvoll.

Die Regel von Absatz 3 Buchstabe j, welche für Urteile gilt, die eine ambulante Behandlung nach Artikel 14 JStG enthalten und für die keine andere Berechnungsregel nach Absatz 3 Buchstaben a­h zur Anwendung kommt, entspricht dem bisherigen Artikel 369 Absatz 4bis zweiter Satz StGB.

Die Zugangsregel nach Absatz 3 Buchstabe k (betreffend die Fristberechnung für bestimmte «andere Massnahmen») basiert auf Artikel 369 Absatz 4ter StGB. Wie bis anhin findet diese Auffangnorm nicht auf alle «anderen Massnahmen» des StGB und des MStG Anwendung, sondern nur auf diejenigen, die (meist im Zusammenhang mit einem Urteil gegen eine schuldunfähige Person; vgl. auch die Aufzählung in Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 2 und 4) allein angeordnet werden. Die Artikelverweise in Buchstabe k wurden bereits den Änderungen angepasst, die im Rahmen des Bun-

130

Vgl. P. Gruber, in: Basler Kommentar Strafrecht II, M.A. Niggli/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 369 StGB N 64.

5783

desgesetzes vom 13. Dezember 2013131 über das Tätigkeitsverbot und das Kontaktund Rayonverbot» beschlossen wurden. Die Veröffentlichung des Urteils (Art. 68 StGB, Art. 50b MStG) und die Verwendung zugunsten des Geschädigten (Art. 73 StGB, Art. 53 MStG) braucht nicht aufgeführt zu werden, da diese Massnahmen gar nicht erst im Strafregister eingetragen werden. Der Ausschluss aus der Armee nach Artikel 49 MStG wird nicht erwähnt, weil er nur in Verbindung mit einer Freiheitsstrafe oder einer Verwahrung möglich ist, womit diese Fälle durch die anderen Berechnungsregeln bereits abgedeckt sind. Ebenfalls abgedeckt durch Buchstabe f sind Urteile, die einzig eine Einziehung (Art. 70 ff. StGB, Art. 51 ff. MStG) enthalten.

Gemäss Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe e werden neu auch Exequaturentscheide in VOSTRA eingetragen. Neu sieht Absatz 3 Buchstabe l vor, dass für die Berechnung der Frist die Sanktion massgebend sein soll, die im entsprechenden Exequaturentscheid ausgesprochen wurde, sofern sie geringer ist. Dies ist dann der Fall, wenn im Exequaturentscheid festgehalten wird, dass die im Urteil ausgesprochene Strafe dem schweizerischen «Ordre public» zuwiderlaufen würde. Wenn im Exequaturentscheid schon die Bedingungen festgehalten werden, unter denen die Schweiz bereit ist, das Auslandurteil hier zu vollstrecken, so sollen diese Kriterien auch für die Registrierung in VOSTRA gelten.

Das Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot führt verschiedene neue Verbote ein. Für diese sieht Artikel 369a nStGB eine eigene Minimalfrist vor: Die neuen Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverbote sollen noch während 10 Jahren nach Ende des Verbots für alle Behörden ersichtlich132 sein, sofern die bisherigen Fristen (nach Art. 369 StGB) nicht länger sind. Dies kann dann der Fall sein, wenn die neuen Verbote mit einer anderen Sanktion kombiniert werden, für die eine längere Frist gilt. Artikel 43 Absatz 3 Buchstabe m (in Verbindung mit Abs. 4 Bst. c) übernimmt diese Mechanik und stellt im Unterschied zu Artikel 369a Buchstabe m nStGB klar, dass die Minimalfrist auch für Urteile gilt, die solche Verbote in einem nachträglichen Entscheid anordnen. Es ist denkbar, dass ein solches Verbot zusätzlich zu einem anderen Verbot angeordnet worden ist (vgl.

Art. 67d Absatz 1 nStGB). Der Fristenlauf beginnt
daher erst, wenn alle Verbote vollzogen sind, die sich auf das gleiche Grundurteil stützen (Abs. 4 Bst. c).

Die Regelung über den Fristenlauf nach den Absätzen 4 und 6 entspricht weitgehend geltendem Recht (vgl. Art. 369 Abs. 6 StGB). Es gelten jedoch folgende Besonderheiten:

131 132

­

Die Klarstellung in Absatz 4 Buchstabe a, dass der Fristenlauf bei Strafen mit Eintritt der Rechtskraft beginnt, entspricht bisheriger Praxis. Bisher stand im Gesetz der Ausdruck «rechtlich vollstreckbar», was nicht identisch ist mit «rechtskräftig», sondern nur auf das Problem der aufschiebenden Wirkung Bezug nimmt.

­

Für Urteile mit Freiheitsstrafen (inkl. Freiheitsentzug; egal ob bedingt oder unbedingt) kombiniert mit einer ambulanten Behandlung galt bisher nur die Fristberechnung für Strafen. Eine spätere Umwandlung der ambulanten Massnahme in eine stationäre Massnahme wurde nicht berücksichtigt. Diese BBl 2013 9683 Um die Einsichtsrechte der bisher angeschlossenen Behörden nicht zu schmälern, gilt die aktuelle Frist von 10 Jahren nur für die Behördenauszüge 2 und 3. Dagegen gilt für den Behördenauszug 1 künftig eine Grundfrist von 15 Jahren.

5784

Fälle fallen neu unter Absatz 3 Buchstabe g, weshalb dafür auch der Fristbeginn anders geregelt wird (vgl. Abs. 4 Bst. b). Mit der Anordnung einer stationären Massnahme offenbart sich ein ganz anderes Gefährdungspotenzial.

Die Fristberechnung hat auf diese Umstände Rücksicht zu nehmen. Ein Abstellen auf die Höhe der Strafe taugt schon deshalb nicht, weil diese unter Umständen infolge verminderter Schuldfähigkeit stark reduziert wurde.

133

­

Absatz 4 Buchstabe b erster Satzteil übernimmt Artikel 369 Absatz 6 Buchstabe b StGB, wonach bei bestimmten Massnahmen das Massnahmenende für den Fristbeginn entscheidend sein soll. Mit dem Massnahmenende gleichgesetzt wird aber neu auch der Verzicht auf die Durchführung der Massnahme. Diese Konstellation kann z. B. bei der Verwahrung nach Artikel 64 Absatz 3 StGB eintreten, wenn die Probezeit nach bedingter Entlassung aus der vorangehenden Strafe abgelaufen ist. Da es in diesem Fall keinen formellen Entscheid über die definitive Entlassung gibt, sollte an seiner Stelle der Verzicht auf die Durchführung der Massnahme als nachträglicher Entscheid in VOSTRA registriert werden. Sonst könnte es passieren, dass nie ein Massnahmenende im System eingetragen wird, womit auch die Fristberechnung nach Absatz 4 Buchstabe b nie ausgelöst würde.

­

Neu hält Absatz 4 Buchstabe b zweiter Satzteil ausdrücklich fest, dass bei Umwandlung einer Massnahme in eine stationäre Massnahme der Fristenlauf erst mit dem definitiven Massnahmenende der zuletzt umgewandelten, stationären Massnahme beginnt. Wenn der Fristenlauf bereits mit der Aufhebung der ersten Massnahme beginnen würde, könnte es passieren, dass ein Urteil nicht mehr sichtbar ist, obschon sich die betroffene Person noch im stationären Massnahmenvollzug befindet. Die Massnahmenbedürftigkeit (für die Behandlung im stationären Vollzug) korreliert mit der potenziellen Gefährlichkeit des Täters. Durch Verlängerung der Fristen wird somit auf berechtigte Sicherheitsinteressen Rücksicht genommen. Die Zugangsfristen sind daher abhängig von der effektiven Vollzugsdauer in stationären Einrichtungen zu berechnen.

­

Gemäss Absatz 4 Buchstabe c bemisst sich der Fristenlauf bei den neuen Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverboten gleich wie bei den stationären Massnahmen nicht einfach nach dem im Grundurteil angeordneten Verbot; vielmehr sind nachträgliche Entscheide mit zu berücksichtigen.

­

Die in Absatz 6 enthaltene Sonderregel zur Fristberechnung bei einer Revision, einer Neubeurteilung im Rahmen eines Abwesenheitsverfahrens oder einer Wiederaufnahme existiert als ungeschriebener Grundsatz bereits im geltenden Recht. Wird in einem solchen Fall das alte Urteil aufgehoben, so gilt für die Fristberechnung das Rechtskraftdatum des Vorgängerentscheids.

Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung133 darf bei einer Revision die betroffene Person aufgrund des Verbots der Reformatio in peius auch registerrechtlich nicht schlechter gestellt werden. Bei einer Neubeurteilung nach einem Abwesenheitsurteil (Art. 370 StPO) gilt, dass auf ein Gesuch um Neubeurteilung nur eingetreten wird, wenn die Abwesenheit des Beschuldigten an der Hauptverhandlung nicht durch diesen zu vertreten war (Art. 368 Abs. 3 StPO). Es wäre deshalb stossend, dem Beschuldigten registerrechtliBGE 114 IV 138

5785

che Nachteile für Umstände aufzuerlegen, auf die er keinen Einfluss hatte.

Die Bezugnahme auf die Rechtskraft des aufgehobenen Entscheids findet somit immer dort Anwendung, wo bereits einmal ein verfahrenserledigender Entscheid vorlag, der unabhängig von an bestimmte Fristen gebundene Rechtsmittel revidiert worden ist. Der Betroffene soll keinen registerrechtlichen Nachteil haben, wenn in seinem Fall ein bereits gefällter Entscheid nach langer Zeit nochmals abgeändert wird. Auf Entscheide, die im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (innerhalb im Voraus bestimmter Fristen) weitergezogen werden, findet Absatz 6 hingegen keine Anwendung.

Absatz 5 regelt den Zugang und den Fristenlauf für die Einstellungsverfügungen.

Die Frist von 10 Jahren entspricht derjenigen für Grundurteile, die einen Schuldspruch mit Verzicht auf Strafe enthalten (Abs. 3 Bst. f).

Art. 44

Behördenauszug 3

Der Behördenauszug 3 enthält anders als der Behördenauszug 2 keine Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen. Ansonsten entspricht er inhaltlich dem Behördenauszug 2.

Art. 45

Behördenauszug 4

Der Behördenauszug 4, der nur von Waffenbehörden genutzt werden soll (vgl.

Art. 53), und der Privatauszug gemäss Artikel 46 sind eng miteinander verwoben, weshalb die entsprechenden Regeln hier gemeinsam kommentiert werden.

Der Behördenauszug 4 enthält die gleichen Urteilsdaten wie der Privatauszug, zusätzlich aber auch Daten über hängige Strafverfahren (vgl. Art. 45 Abs. 1 Bst. g).

Die Regelung gemäss Artikel 45 Absätze 1 und 2, welche Daten in den Behördenauszug 4 (bzw. in den Privatauszug) aufgenommen werden, basiert auf der aktuellen Regelung gemäss Artikel 371 Absätze 1 und 2 StGB. Bereits berücksichtigt wurden auch die Änderungen, die im Rahmen des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2013134 über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot beschlossen worden sind. Darüber hinaus gibt es folgende Neuerungen, die teils redaktioneller, teils materieller Natur sind:

134

­

Absatz 1 zählt neu bereits auf formell-gesetzlicher Ebene alle Datentypen auf (Bst. a­f), die im Behördenauszug 4 (bzw. im Privatauszug) erscheinen.

Daten über hängige Strafverfahren erscheinen nur im Behördenauszug 4 (Bst. g i.V.m. Art. 46). Der heutige Artikel 371 Absatz 1 StGB nimmt nur auf Grundurteile Bezug und gibt deshalb den Inhalt des Privatauszuges nur verkürzt wieder (vgl. aber Art. 25 VOSTRA-V).

­

Bei den Grundurteilen wird weiterhin zwischen Erwachsenen- und Jugendurteilen unterschieden. Neu wird auch zwischen schweizerischen und ausländischen Urteilen differenziert.

­

Schweizerische Grundurteile gegen Erwachsene erscheinen wie bis anhin im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4), wenn sie ein Verbrechen oder Vergehen enthalten, mit Ausnahme der Fälle, in denen von einer Bestrafung abgesehen wird (vgl. Abs. 1 Bst. b Ziff. 1).

BBl 2013 9683

5786

­

In der Schweiz ausgesprochene Übertretungsurteile gegen Erwachsene sind bisher nicht im Privatauszug erschienen. Artikel 371 Absatz 1 StGB enthält zwar einen Vorbehalt für Übertretungsurteile, die ein Berufsverbot enthalten. Artikel 371 Absatz 1 nStGB hat diesen Vorbehalt auf alle neuen Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverbote ausgeweitet. Weil bis heute kein Gesetz für eine Übertretung ein solches Verbot vorsieht (vgl. Art. 105 Abs. 3 StGB), blieb der Vorbehalt bislang ohne praktische Bedeutung. Sollte dies jedoch einmal der Fall sein, so wäre VOSTRA gerüstet, damit die Einhaltung solcher Verbote auch über den Privatauszug kontrolliert werden kann.

Der bisherige Mechanismus wird daher beibehalten (vgl. Abs. 1 Bst. b Ziff. 2).

­

Neu werden alle ausländischen Grundurteile gegen Erwachsene eingetragen (vgl. Abs. 1 Bst. c). Hier gibt es keine zusätzliche Einschränkung in Bezug auf eine bestimmte Deliktskategorie, da die entsprechenden Straftaten nicht mehr transponiert werden (vgl. Ziff. 1.3.3). Auslandurteile werden gemäss Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 1 gar nicht erst ins Strafregister aufgenommen, wenn das Strafmass für die betreffenden Delikte unter einer bestimmten Mindestsanktionshöhe liegt. Damit ist sichergestellt, dass die «Sockelkriminalität» nicht im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheint. Es braucht keine Norm, die für den Privatauszug strengere Voraussetzungen (etwa die Anhebung der Mindestsanktion) definiert.

­

Die Regel nach Absatz 1 Buchstabe d, dass ein Jugendurteil nur dann im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheint, wenn beim Verurteilten eintragungspflichtige Erwachsenendelinquenz vorliegt, gilt bereits im bisherigen Recht (Art. 371 Abs. 2 StGB). Neu wird lediglich präzisiert, dass auch gemischte Urteile eine Eintragungspflicht auslösen. Gemischte Urteile enthalten Taten, die jemand sowohl vor als auch nach dem 18. Altersjahr begangen hat (vgl. Art. 3 Abs. 2 JStG).

Es ergibt sich bereits aus den allgemeinen Eintragungsvoraussetzungen bei Jugendurteilen, die sanktionsabhängig formuliert sind (vgl. Art. 19 Abs. 2 Bst. c und Abs. 3), dass es bei Jugendurteilen nur zu einer Eintragung kommt, wenn eine Sanktion ausgesprochen worden ist (nicht aber bei Absehen von Strafe).

­

Die Regel nach Absatz 1 Buchstabe g, wonach der Behördenauszug 4 auch Daten über hängige Strafverfahren enthält, gilt als einzige nicht für den Privatauszug (vgl. Art. 46).

Artikel 45 Absatz 2 regelt die Zugangsdauer zu Grundurteilen. Gegenüber dem aktuellen Recht (vgl. Art. 371 Abs. 3­5 StGB) erfahren die Berechnungsregeln gewisse Änderungen. Grundsätzlich soll zwar weiterhin die -Regel gelten (vgl.

Abs. 2 Bst. a). Eine kürzere Zugangsfrist gilt nur noch für bedingte und teilbedingte Strafen (vgl. Abs. 2 Bst. b) sowie für Verbrechens- und Vergehensbussen135 (vgl.

Abs. 2 Bst. c). Nicht übernommen wird jedoch die für alle Massnahmen geltende Sonderregel gemäss Artikel 371 Absatz 4 StGB. Die Berechnung erfährt auch insofern eine Vereinfachung, als die Zusatzregel zur Sichtbarmachung langer Delin135

Z. B. Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht, Art. 219 Abs. 2 StGB (Vergehensbusse) oder Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase ohne verbrecherische Absicht, Art. 225 Abs. 2 StGB (Verbrechensbusse).

5787

quenzketten gemäss Artikel 371 Absatz 5 StGB neu für alle eingetragenen Urteile gilt (also auch für bedingte Strafen; vgl. Abs. 2 Bst. f). Allerdings führen die neuen Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverbote zu einer Komplizierung der Gesamtregelung. Denn bei diesen Verboten, die geändert oder erst nachträglich erlassen werden können und unter Umständen sehr lange dauern, ist danach zu unterscheiden, ob das Verbot zum Schutz von Minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Personen ausgesprochen wurde. Nur Verbote, die nicht zum Schutz von Minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Personen ausgesprochen wurden136, führen zu einer Verlängerung der bisherigen Fristen im Privatauszug, weil sie nur im Privatauszug erscheinen und deshalb während ihrer gesamten Dauer sichtbar sein müssen. Für die andern Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverbote dagegen wurde ein Sonderprivatauszug geschaffen, der nur zu bestimmten Zwecken ausgestellt wird.

Zu Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe a ist Folgendes zu bemerken: ­

Nach heutigem Recht gilt die -Regel gemäss Artikel 371 Absatz 3 StGB nur für Strafen. Bei Massnahmen hingegen wird die Zugangsdauer um die Hälfte reduziert. Dies kann zu stossenden Ergebnissen führen, v. a. bei einer Kombination von Strafen und Massnahmen, bei denen der Fristenlauf mit der Rechtskraft beginnt (also bei nicht-therapeutischen Massnahmen wie dem Berufsverbot). Folgende Beispiele verdeutlichen dies: Nach geltendem Recht wird eine unbedingte Freiheitsstrafe von 2 Jahren nach 17 (15+2) Jahren aus VOSTRA entfernt und erscheint nach 11,3 ( von 17) Jahren nicht mehr im Privatauszug. Wird im Urteil zusätzlich ein Berufsverbot (das neu einem Tätigkeitsverbot nach Art. 67 Abs. 1 nStGB entspricht) ausgesprochen, so erscheint das Urteil bereits nach 8,5 (17:2) Jahren nicht mehr im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4), obschon die verurteilte Person eine strengere Sanktion erhielt. Nicht sachgerecht ist es, dass ein Eintrag weniger lange im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheint, wenn neben einer unbedingten Strafe noch eine ambulante Behandlung ausgesprochen wurde. Deshalb übernimmt der Entwurf die Regelung von Artikel 371 Absatz 4 StGB nicht.

Der Verzicht auf die Halbierungs-Regel scheint auch bei Urteilen mit stationären therapeutischen Massnahmen gerechtfertigt, weil die tatsächliche Dauer der Massnahmen von der Behandlungsbedürftigkeit abhängt und nicht unbedingt mit der Schwere der Tat und dem Verschulden korreliert. Dies kann bei der geltenden Regelung dazu führen, dass der Eintrag bereits in jenem Zeitpunkt nicht mehr im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheint, in dem die verurteilte Person aus dem Massnahmenvollzug entlassen wird. Diese Folge tritt bei lange dauernden Massnahmen ein. Beispiel: Jemand wird 15 Jahre nach Rechtskraft des Urteils aus einer stationären Massnahme entlassen. Die Dauer der Registrierung in VOSTRA ab Rechtskraft des Urteils beträgt zwar 30 (15+15) Jahre; die Regelung von Artikel 371 Absatz 4 StGB führt aber dazu, dass das Urteil bereits nach 15 Jahren nicht mehr im Privatauszug bzw. im Behördenauszug 4 erscheint, also im Zeitpunkt der Entlassung aus der Massnahme. Dies widerspricht den legiti-

136

Es handelt sich entweder um ein Tätigkeitsverbot nach Art. 67 Abs. 1 nStGB bzw. Art. 50 Abs. 1 nMStG oder um einen Sonderfall des Kontakt- und Rayonverbots gegen Jugendliche nach Art. 16a Abs. 2 nJStG oder gegen Erwachsene nach Art. 67b nStGB bzw.

Art. 50b nMStG.

5788

men Informationsbedürfnissen Dritter. Der Eintrag sollte auch nach der Entlassung aus der Massnahme noch eine gewisse Zeit (Grundfrist) sichtbar bleiben. Zwar löst auch die Anwendung der -Regel nach Absatz 2 Buchstabe a dieses Problem nicht vollständig; allerdings erscheinen Einträge nur in den seltenen Fällen bereits im Zeitpunkt der Entlassung aus einer Massnahme nicht mehr im Privatauszug bzw. im Behördenauszug 4, wenn die Massnahme länger als 30 Jahre gedauert hat.

­

Nach Absatz 2 Buchstabe a soll die -Regel neu also für alle Sanktionen gelten, für die keine spezielleren Berechnungsregeln vorgesehen sind (vgl.

Bst. b­f). Referenzgrösse ist die in Artikel 43 Absatz 3 Buchstaben a­l geregelte Gesamtdauer. Der Ausschluss von Artikel 43 Absatz 3 Buchstaben m bewirkt, dass sich die Fristen für den Privatauszug (oder den Behördenauszug 4) nicht verlängern, wenn in einem Grundurteil eine Strafe oder Massnahme mit einem neu geschaffenen Tätigkeits- oder Kontakt- und Rayonverbot kombiniert wird.

­

«Normale» Tätigkeitsverbote nach Artikel 67 Absatz 1 nStGB (oder Art. 50 Abs. 1 nMStG) werden durch den Privatauszug vollzogen (und nicht durch den Sonderprivatauszug). Im Regelfall (Anordnung im Grundurteil) schafft die -Regel keine Probleme, da diese Verbote nur 5 Jahre dauern und nicht verlängert werden dürfen. Gestützt auf Artikel 67d Absatz 1 nStGB ist es aber auch möglich, solche Verbote in Änderung eines anderen Verbots erst später anzuordnen. In diesem Fall muss sichergestellt sein, dass das Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 1 nStGB im Privatauszug erscheint, solange es wirksam ist. Deshalb ist für diesen Fall in Absatz 2 Buchstabe a eine entsprechende Mindestfrist vorgesehen.

­

Absatz 2 Buchstabe a zweiter Satz enthält neu eine explizite Regel für lebenslängliche Freiheitsstrafen, ändert aber an der heutigen Praxis nichts.

Gemäss Artikel 43 Absatz 2 Buchstabe b gilt für bedingte und teilbedingte Strafen wie schon nach geltendem Recht (vgl. Art. 371 Abs. 3bis StGB) eine Sonderregelung. Diese Urteile erscheinen unter drei Bedingungen nach Ablauf der Probezeit nicht mehr im Privatauszug bzw. im Behördenauszug 4: ­

Zunächst darf keine stationäre Massnahme angeordnet worden sein. Im Falle einer stationären Massnahme ist nicht die bedingte bzw. teilbedingte Strafe massgebend für die Fristberechnung, sondern die stationäre Massnahme. In diesem Fall gilt die -Regel gemäss Absatz 2 Buchstabe a.

­

Sodann muss ein allenfalls ausgesprochenes Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 1 nStGB (bzw. Art. 50 Abs. 1 nMStG) bereits abgelaufen sein.

Weil die Dauer eines Tätigkeitsverbots zwischen 6 Monaten und 5 Jahren beträgt, kann die Probezeit für die bedingte Strafe kürzer sein als die Dauer des Verbots. Dies erst recht, wenn das Verbot erst nachträglich ausgesprochen wird. Somit ist zu verhindern, dass das Urteil nicht mehr im Privatauszug bzw. im Behördenauszug 4 erscheint, obschon das Verbot noch besteht.

Deshalb erscheint nach Absatz 2 Buchstabe b das Grundurteil bis zum Ablauf des Tätigkeitsverbots im Privatauszug bzw. im Behördenauszug 4.

­

Schliesslich muss sich die betroffene Person während der Probezeit bewährt haben. Absatz 2 Buchstabe b zweiter Satz definiert die Nichtbewährung und stellt dabei wie heute auf das Eintragen eine nachträglichen Entscheides ab.

5789

Als Entscheid betreffend Nichtbewährung gelten die Verlängerung der Probezeit, die Verwarnung und der Nicht-Widerruf. Zwar handelt es sich auch beim Widerruf um einen nachträglichen Entscheid betreffend Nichtbewährung, allerdings liegt in diesem Fall keine bedingte Strafe mehr vor und das Urteil fällt unter Absatz 2 Buchstabe a.

Nach geltendem Recht erscheinen auch Urteile mit nur einer Busse als Sanktion wegen Verbrechen oder Vergehen während 6,6 Jahren im Privatauszug (vgl. Art.

371 Abs. 3 StGB). Diese Dauer erscheint als zu lange. Deshalb legt Absatz 2 Buchstabe c für alle Urteile mit einer Busse wegen Verbrechen oder Vergehen eine gesetzliche Probezeit von zwei Jahren fest, nach deren Ablauf Einträge im Behördenauszug 4 bzw. im Privatauszug nicht mehr erscheinen. Für Urteile mit einer Übertretungsbusse dagegen ist eine gesetzliche Probezeit nicht nötig, da diese Urteile ohnehin nicht im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheinen; ebenso wenig bedarf es einer Regelung für ausländische Urteile, da Auslandsbussen nicht eingetragen werden (vgl. die Eintragungsvoraussetzungen gemäss Art. 20 Abs. 1 Bst. d). Auch für Urteile, in denen neben einer Busse noch eine Massnahme ausgesprochen wird, braucht es keine gesetzliche Probefrist. Gleiches gilt für später angeordnete Tätigkeitsverbote nach Artikel 67 Absatz 1 nStGB, denn diese sind nur möglich, wenn zuvor ein anderes Verbot ausgesprochen worden ist (vgl. Art. 67d Abs. 1 nStGB). Deshalb gilt Absatz 2 Buchstabe c nur für Fälle, in denen die Busse die einzige Sanktion ist. Die Bestimmung legt auch fest, wann von einer Bewährung auszugehen ist, nämlich dann, wenn kein neues Verbrechen oder Vergehen in die Probezeit fällt. Diese Umschreibung ist nötig, weil bei den fraglichen Urteilen kein nachträglicher Entscheid betreffend Nichtbewährung ergeht, und weil ein Verweis auf die allgemeinen Bewährungsregeln nicht sinnvoll ist, da etwa ein Verstoss gegen Bewährungshilfe oder Weisungen im vorliegenden Fall gar nicht möglich ist. Der Bearbeitungsaufwand ist klein und die Regelung ist auch auf bereits eingetragene Urteile anwendbar.

Das Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot regelt noch nicht, wie lange ein Tätigkeitsverbot bzw. ein Kontakt- und Rayonverbot im Privatauszug erscheint, wenn es alleine ­ ohne weitere
Sanktion ­ angeordnet wird. Artikel 371 nStGB verweist nur auf die Fristen von Artikel 369 nStGB. Wenn eines der neuen Verbote allein ausgesprochen wird, fehlt es jedoch an einer Sanktion, an die sich zwecks Fristberechnung anknüpfen liesse. Absatz 2 Buchstaben d und e schliessen diese Lücke. Grundsätzlich sollen alle Verbote auch im Privatauszug erscheinen (bei Jugendlichen nur bei erneuter Delinquenz im Erwachsenenalter).

Allerdings stellt die Fristberechnung nicht bei allen Verboten darauf ab, ob sie effektiv noch wirksam sind; gewisse Verbote werden nämlich durch den Sonderprivatauszug vollzogen, der insbesondere wegen der längeren Fristen vorgesehen ist.

Es gilt Folgendes: ­

Wird das bisher geltende Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 1 nStGB allein (ohne andere Sanktion) angeordnet, so gilt die -Regel unter Bezugnahme auf Artikel 43 Absatz 3 Buchstabe k.

­

Sofern ein neues Tätigkeitsverbot alleine angeordnet wird, gilt gemäss Buchstabe d Ziffer 1 eine Frist von 7 Jahren (in Anlehnung an die -Regel und die minimale Grundfrist für den Behördenauszug 2 von 10 Jahren).

Zwar kann es sein, dass ein solches Verbot erheblich länger dauert. Da es jedoch über den Sonderprivatauszug vollzogen wird, soll sich dies auf die

5790

Fristberechnung für den Privatauszug (bzw. für den Behördenauszug 4) nicht auswirken.

­

Die gleiche 7-jährige Frist gilt gemäss Buchstabe d Ziffer 2 auch für Kontakt- und Rayonverbote für Erwachsene (Art. 67b nStGB; Art. 50b nMStG).

Ist ein solches Verbot nicht zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen erlassen worden, so muss es während seiner gesamten Dauer im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheinen. Da dessen Dauer jedoch auf höchstens 5 Jahre beschränkt ist, ergeben sich keine Probleme.

­

Somit bedarf es noch einer Regel für die allein angeordneten Kontakt- und Rayonverbote für Jugendliche (Art. 16a Abs. 2 nJStG). Werden solche Verbote zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen erlassen, so werden sie durch den Sonderprivatauszug vollzogen und müssen nicht während ihrer ganzen Dauer im Privatauszug (bzw.

im Behördenauszug 4) erscheinen. Deshalb gilt gemäss Buchstabe d Ziffer 3 auch für sie die Frist von 7 Jahren.

Werden Kontakt- und Rayonverbote für Jugendliche nicht zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen erlassen, so müssten sie grundsätzlich während ihrer ganzen Dauer im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheinen. Solche Verbote dauern unterschiedlich lange. Sie können ab dem 10. Altersjahr verhängt werden und enden spätestens mit dem 22. Altersjahr; sie können zudem bei Volljährigkeit noch in ein Erwachsenenverbot umgewandelt werden. Aus diesem Grund sollen diese Verbote gemäss Buchstabe e bis zu ihrem Ende im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheinen. Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass der Jugendliche als Erwachsener erneut verurteilt würde (Abs. 1 Bst. d). Ist dies nicht der Fall, so muss das Verbot durch andere Mittel vollzogen werden.

Die Regel nach Absatz 2 Buchstabe f zur Sichtbarmachung langer Delinquenzketten ist in der Sache nicht neu (vgl. Art. 371 Abs. 5 StGB), allerdings gilt sie neu für alle Berechnungsarten gemäss den Buchstaben a­e (also auch für Urteile mit bedingten Strafen). Darüber hinaus werden folgende Änderungen vorgeschlagen:

137

­

Die Formulierung des geltenden Artikels 371 Absatz 5 StGB ist unpräzise, da die Formulierung «bleibt das Urteil im Strafregisterauszug» nur auf den Fall Bezug nimmt, in welchem die Frist für das Erscheinen im Privatauszug noch nicht abgelaufen ist. Tatsächlich sollten aber alle Urteile wieder aufgenommen werden, wenn ein neues Urteil im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheint.137

­

Die Bezugnahme auf die Frist gemäss Artikel 43 Absatz 3 Buchstaben a­l ist nötig zur Klarstellung, während welcher Dauer ein Urteil höchstens wieder im Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) erscheinen soll. Nach geltendem Recht kann ein Urteil nur so lange wieder erscheinen, als es nicht entfernt werden müsste. Diese Regel lässt sich nicht übernehmen, weil So Botschaft vom 21. Sept. 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des Gesetzes) und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 1979 ff., hier 2170.

5791

gemäss dem Entwurf Grundurteile mit Verbrechen und Vergehen viel länger aufbewahrt werden müssen. Deshalb stellt die vorgeschlagene Regelung grundsätzlich auf die Fristen für den Behördenauszug 2 ab, jedoch ohne Artikel 43 Absatz 3 Buchstabe k zu berücksichtigen, der für die neuen Tätigkeits- oder Kontakt- und Rayonverbote Minimalfristen festlegt.

Es ist denkbar, dass die Fristen für den Privatauszug (bzw. den Behördenauszug 4) abgelaufen sind, aber immer noch ein Tätigkeits-, Kontakt oder Rayonverbot zum Schutz von Minderjährigen und besonders schutzbedürftigen Personen wirksam ist (welches nur noch im Sonderprivatauszug erscheint). Wird neben einem solchen Verbot zusätzlich ein Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 1 nStGB angeordnet, so stellt Buchstabe g sicher, dass dieses Verbot im Privatauszug erscheint, solange es Wirkungen entfaltet.

Das Übergangsrecht (Art. 117 Abs. 1) sieht vor, alle Fristen nach den neuen Regeln zu berechnen, analog Ziffer 3 Absatz 1 der Schlussbestimmungen der Änderungen vom 13. Dezember 2002 zum StGB. Die Lösung gemäss Ziffer 3 Absatz 3 dieser Schlussbestimmungen, wonach alles, was im Privatauszug nicht mehr erschienen ist, auch unter Geltung des neuen Rechts nicht mehr erscheinen soll, wird demnach nicht beibehalten. Auch beim Privatauszug (bzw. im Behördenauszug 4) wird stets das neue Regime vorbehalten, und sämtliche Fristen der eingetragenen Urteile werden neu berechnet.

Art. 46

Privatauszug

Der Privatauszug gemäss Artikel 46 entspricht in Bezug auf die enthaltenen Urteilsdaten dem Behördenauszug 4 gemäss Artikel 45. Der Privatauszug enthält ­ wie bisher ­ keine Daten über hängige Strafverfahren und auch keine Einstellungsentscheide. Zu den Unterschieden zwischen dem neuen Privatauszug und dem bisherigen Privatauszug gemäss Artikel 371 StGB vgl. die Ausführungen zu Artikel 45.

Art. 47

Sonderprivatauszug

Das Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot führt einen sogenannten «Sonderprivatauszug» ein (vgl. Art. 371a nStGB). Darin sind alle Grundurteile ersichtlich, die Tätigkeitsverbote sowie Kontakt- und Rayonverbote enthalten, die zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen erlassen wurden (Art. 371a Abs. 3 nStGB), und zwar so lange, wie die entsprechenden Verbote wirksam sind (Art. 371a Abs. 4 nStGB).

Artikel 47 zeichnet diese Regelung nach und bringt die nötigen Präzisierungen an (etwa in Bezug auf die Mitberücksichtigung nachträglicher Entscheide), ohne am grundsätzlichen Regelungskonzept etwas zu ändern. Weil das erwähnte Gesetz erst vor kurzem vom Parlament verabschiedet wurde, verwendet der Entwurf auch den Begriff «Sonderprivatauszug» und verzichtet darauf, diesen Auszug als «Privatauszug 2» zu bezeichnen.

2. Kapitel: Behörden, die Zugang zu Daten aus VOSTRA erhalten Dieses Kapitel regelt die Zugangsrechte der registerführenden Behörden (Art. 48­ 49) und legt fest, welche Behörden zu welchen Zwecken über ein OnlineZugangsrecht auf die jeweiligen Auszüge verfügen (Art. 50­53). Artikel 54 behan5792

delt die Online-Bestellung von Strafregisterauszügen aus dem Ausland und die Artikel 55­57 bestimmen, welche Behörden zu welchen Zwecken auf schriftliches Gesuch hin Einblick in die verschiedenen Registerauszüge nehmen können. Artikel 58 schliesslich enthält eine Sonderregelung für den Zugang von Rechtsmittelinstanzen.

Die im geltenden Recht (Art. 367 Abs. 3 StGB) vorgesehene Möglichkeit des Bundesrates, im Sinne eines Probebetriebs weitere Zugangsrechte zu erteilen, wird nicht übernommen. Für den Probebetrieb gibt es bereits im Datenschutzgesetz eine Sonderregelung (vgl. Art. 17a DSG). Es lässt sich kaum begründen, weshalb für «Pilotversuche» im Strafregisterbereich andere Voraussetzungen gelten sollten.

Bei der Schaffung eines neuen Auszugskonzepts (vgl. Ziff. 1.3.1) müssen auch die bestehenden Zugangsrechte der Behörden (vgl. Art. 367 Abs. 2­4ter i.V.m. Art. 365 Abs. 2 StGB; Art. 21­22 VOSTRA-V) auf die neuen Auszugsarten abgestimmt und neu geregelt werden. Für die meisten bisher zugangsberechtigten Behörden dürfte sich allerdings nicht viel ändern, da der heutige Behördenauszug grosse Ähnlichkeiten mit den Behördenauszügen 2 und 3 aufweist. Vereinzelt wird der Zugang zu hängigen Strafverfahren neu definiert oder die Zweckbestimmung klarer umschrieben. Neu sind sämtliche Zugangsrechte nun auf formell-gesetzlicher Ebene definiert.

Im geltenden Recht sind gerade die Zugangsrechte, die auf schriftliches Gesuch hin gewährt werden, vornehmlich in der Verordnung geregelt (Art. 22 VOSTRA-V). Da es sich bei Strafregisterdaten um besonders schützenswerte Personendaten handelt (vgl. Art. 3 Bst. c Ziff. 4 DSG i. V. m. Art. 17 Abs. 2 DSG), erscheint die heutige Regelung nicht stufenkonform. Eine grundsätzlich neue Situation besteht für diejenigen Behörden, die neu Zugang zum Behördenauszug 1 erhalten (vgl. Art. 48­50 und 55). Insgesamt werden neu mehr Behörden als bisher über ein Zugangsrecht auf VOSTRA verfügen (vgl. die Übersicht in Ziff. 1.3.7).

Art. 48

Online-Zugangsrecht der registerführenden Stelle und ihrer Informatik-Leistungserbringer

Die registerführende Stelle verfügt als Datenherr über VOSTRA über ein umfassendes Zugangsrecht auf VOSTRA. Die Bearbeitung von Daten in VOSTRA ist jedoch nur zulässig, soweit es zur Erfüllung der in Artikel 4 detailliert umschriebenen Aufgaben notwendig ist. Letztlich lassen sich all diese Aufgaben unter den Oberbegriff «Registerführung» subsumieren. Die registerführende Stelle verfügt über einen Zugang zu allen in VOSTRA gespeicherten Daten natürlicher Personen.

VOSTRA ist eine Datenbank, in die laufend neue Funktionalitäten eingebaut werden müssen und die an neue Rechtsgrundlagen angepasst werden muss. Zur Durchführung von Neuprogrammierungen und Wartungsarbeiten (inkl. Systemtests) müssen die mit diesen Aufgaben betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des InformatikLeistungserbringers138 auch Zugang zu den Personendaten haben. Artikel 48 Absatz 2 erlaubt einen solchen Zugang nur, wenn dies zur Erfüllung der Aufgabe notwendig ist. Ferner muss jeweils ein entsprechender Auftrag der registerführenden Stelle vorliegen. Dieses Zugangsrecht ist eng mit der Registerführung verknüpft, weshalb es in der gleichen Bestimmung genannt wird.

138

Derzeit erbringt das Informatik Service Center des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements diese Leistungen.

5793

Art. 49

Online-Zugangsrecht der KOST und der Koordinationsstelle der Militärjustiz

Sowohl die kantonalen Koordinationsstellen (KOST) als auch die Koordinationsstelle der Militärjustiz sind als Dienstleisterinnen für andere Behörden tätig (vgl. die Aufgaben gemäss den Art. 5 und 6). Alle diese Koordinationsstellen loggen sich jeweils mit dem Zugangsprofil derjenigen Behörde ein, für die sie tätig werden. Da die kantonalen Koordinationsstellen für Behörden mit unterschiedlichen Zugangsprofilen tätig sind, variieren ihre Zugangsrechte von Fall zu Fall (vgl. Art. 49 Abs. 1). Da die KOST aber auch für Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 1 tätig sind, haben sie ­ gleich wie die Koordinationsstelle der Militärjustiz (die ausschliesslich für die Militärjustizbehörden tätig ist) ­ faktisch Zugang zu allen im Behördenauszug 1 ersichtlichen Daten. Einzig der Zugang zu Daten, für deren Bearbeitung ausschliesslich die registerführende Stelle zuständig ist, bleibt ihnen verwehrt (vgl. Aufzählung in Art. 49 Abs. 2).

Art. 50

Online abfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 1

Der Behördenauszug 1 (vgl. Art. 42) ermöglicht im Bereich der Strafdatenverwaltung den grössten Einblick in VOSTRA. Da das Strafregister primär eine Strafjustizdatenbank ist, soll ein Volleinblick in sämtliche Urteilsdaten auch nur denjenigen Behörden offenstehen, die in der Strafrechtspflege tätig sind. Online-einsichtsberechtigt in den Behördenauszug 1 sind demnach die Strafgerichte und Verwaltungsinstanzen mit Strafkompetenz, die Staatsanwaltschaften und Polizeistellen (soweit sie gemäss StPO ermitteln), die Jugendstrafbehörden, die Rechtshilfeinstanzen sowie die Straf- und Massnahmenvollzugsbehörden (soweit es nicht um die Sicherheitsprüfung von Anstaltspersonal geht). Erfüllen Behörden Aufgaben ausserhalb der Strafrechtspflege oder nur im präventiven Bereich, so haben sich die entsprechenden Stellen mit Auszügen zu begnügen, die weniger Daten beinhalten. Das öffentliche (Informations-)Interesse zur Verfolgung von Straftaten ist grösser als im präventiven Bereich, wo die Legitimation staatlichen Handelns generell strengeren Anforderungen unterliegt. Die Zugangsmöglichkeiten sind dementsprechend eingeschränkter.

Der Behördenauszug 1 gewährt einen sehr weit gehenden Einblick, weshalb der Zugang zu diesen Daten auf eng umrissene Fälle beschränkt bleiben soll. Aus diesem Grund deklariert der Einleitungssatz zu Artikel 50 Absatz 1 und Artikel 55 die entsprechende Regelung als abschliessend (Verwendung des Wortes «nur»). Darüber hinaus verfügen nur die registerführenden (vgl. Art. 48 und 49) sowie gewisse ausländische (vgl. Art. 57 Abs. 2) Behörden über einen umfassenden Einblick in die im Strafregister eingetragenen Strafdaten. Diese abschliessende Zugangsregelung hat einen praktischen Hintergrund: Es kommt immer wieder vor, dass andere Bundesgesetze eigene (meist allgemein gehaltene) Amtshilfenormen über die Weitergabe von Daten enthalten, die auch die Strafregisterbehörden zur Herausgabe von Strafregisterdaten verpflichten (so etwa Art. 97 Abs. 2 AuG, Art. 32 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000139 über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts oder Art. 160 der Zivilprozessordnung140), aber mit der Strafregisterregelung nicht koordiniert wurden. Da die VOSTRA-Regelung in Bezug auf den Behördenauszug 1 abschliessend ist, dürfen Daten, die nur im Behördenauszug 1 ersichtlich 139 140

SR 830.1 ZPO, SR 272

5794

sind, in anderen Fällen nicht herausgegeben werden. Die gleiche Situation besteht bei der Anwendung der datenschutzrechtlichen Ausnahmeklauseln nach Artikel 17 Absatz 2 bzw. Artikel 19 Absatz 1 DSG: Auch hier dürfen höchstens die Daten gemäss Behördenauszug 2 weitergegeben werden.

Im Einzelnen ergibt sich in Bezug auf den Online-Zugang zum Behördenauszug 1 folgendes Bild: Abs. 1 Bst. a (Strafjustizbehörden) Schon nach geltendem Recht verfügen die Behörden der zivilen Strafjustiz über einen umfassenden Online-Zugang (vgl. Art. 367 Abs. 1 Bst. b und Abs. 2 Bst. a StGB). Unter diese Kategorie fallen die kantonalen Staatsanwaltschaften, die Jugendstrafbehörden, die zivilen Strafgerichte, die Bundesanwaltschaft und die Übertretungsstrafbehörden im Sinne von Artikel 12 Buchstabe c StPO. Der Entwurf verwendet den Begriff «Strafjustizbehörden» nicht mehr, sondern nennt die einzelnen Behörden (vgl. die Ausführungen zu Art. 7). Anders als die Behörden der zivilen Strafjustiz verfügen die Militärjustizbehörden über kein Online-Zugangsrecht auf VOSTRA (vgl. Art. 55). Das Zugangsrecht der Strafjustizbehörden ist im geltenden Recht auf die «Durchführung von Strafverfahren» beschränkt (Art. 365 Abs. 2 Bst. a StGB). Daran ändert sich nichts; allerdings versucht der Entwurf diese weite Zweckbestimmung durch eine beispielhafte («insbesondere») Aufzählung einzelner Zwecke zu konkretisieren.

Abs. 1 Bst. b (Verwaltungsbehörden mit Strafkompetenz) Nach geltendem Recht sind Verwaltungsbehörden des Bundes und der Kantone, die Strafverfahren durchführen oder Strafentscheide gestützt auf Bundesrecht fällen, nicht online an VOSTRA angeschlossen (vgl. Art. 22 Abs. 1 Bst. b VOSTRA-V).

Nunmehr erhalten sie ein Online-Zugangsrecht sowie Zugang zu Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen. Da ihre Tätigkeit mit jener von Strafjustizbehörden vergleichbar ist, enthält Absatz 1 Buchstabe b auch die gleiche Zweckbestimmung wie Buchstabe a.

Abs. 1 Bst. c (die für die internationale Rechtshilfe zuständige Stelle des Bundesamtes für Justiz) Die für die internationale Rechtshilfe zuständige Stelle des Bundesamtes für Justiz erhält neu ebenfalls ein Online-Zugangsrecht sowie Zugang zu Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen (vgl. bisher Art. 22 Abs. 1 Bst. c VOSTRA-V).

Abs. 1 Bst. d (Straf-
und Massnahmenvollzugsbehörden) Die Behörden des Straf- und Massnahmenvollzugs verfügen bereits nach geltendem Recht über einen umfassenden Online-Zugang zu VOSTRA (Art. 367 Abs. 1 Bst. d und Abs. 2 Bst. a StGB). Angeschlossen sind in der Regel die jeweiligen Zentralstellen im Justizvollzug, vereinzelt auch die Bewährungshilfe. Das geltende Recht umschreibt nicht näher, was unter «Straf- und Massnahmenvollzug» im Sinne von Artikel 365 Absatz 2 Buchstabe c StGB zu verstehen ist, sodass in der praktischen Anwendung immer wieder Zweifelsfragen bestehen. Wohl deshalb wurden in der Vernehmlassung 2009 (vgl. Ziff. 1.1.1) verschiedentlich auch neue Zugangsrechte für Bereiche gefordert, für die bereits heute eine Online-Zugangsmöglichkeit besteht. Zur Schaffung von Klarheit umschreibt die Bestimmung die einzelnen Zugangszwecke für den Vollzugsbereich näher.

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Nicht unter den Zweck «Durchführung des Straf- und Massnahmenvollzugs» fällt die Sicherheitsprüfung von Mitarbeitenden von Vollzugsanstalten. Gleich wie für die Sicherheitsprüfung für Polizeiangehörige (vgl. Art. 51 Bst. j) steht zu diesem Zweck der Behördenauszug 2 zur Verfügung (vgl. Art. 56 Bst. k).

Abs. 1 Bst. e (fedpol-Stellen, die im Rahmen von gerichtspolizeilichen Ermittlungen tätig sind) Heute regelt Artikel 21 Absatz 2 VOSTRA-V im Sinne einer Übergangsregelung (vgl. Art. 367 Abs. 3 StGB) die Online-Zugangsrechte des Bundesamtes für Polizei (fedpol). Die Schaffung einer formell-gesetzlichen Grundlage für die Zugangsrechte von fedpol fand in der Vernehmlassung 2009 mehrheitlich Zustimmung. Gegenüber dem Vorentwurf weist die nunmehr vorgeschlagene Regelung folgende Änderungen auf: ­

Nach geltendem Recht erhalten alle Stellen von fedpol die gleichen Informationen, unbesehen von den jeweiligen Aufgaben.141 Der Entwurf erweitert die Zugangsrechte auf den Behördenauszug 1 nur für jene fedpol-Stellen, die im Rahmen eines Vorverfahrens nach den Artikeln 299 ff. StPO tätig sind, d.h. beim Vorliegen eines Verdachts auf eine strafbare Handlung.142 Der Behördenauszug 1 steht somit nur für «gerichtspolizeiliche» Aufgaben zur Verfügung.143 In dem durch die StPO geregelten Bereich untersteht fedpol der Bundesanwaltschaft144, weshalb die Gerichtspolizei auch die gleichen Informationsrechte in Bezug auf VOSTRA erhält.

Dagegen haben jene fedpol-Stellen nur ein Zugangsrecht auf den Behördenauszug 2 (vgl. Art. 51 Bst. a), die im Bereich der sogenannten «Vorermitt-

141

Art. 21 Abs. 2 VOSTRA-V unterscheidet zwischen «Verhütung» (Bst. a), «Vorermittlungen» (Bst. b) und «gerichtspolizeilichen Ermittlungen» (Bst. c). Schon heute können VOSTRA-Daten von fedpol sowohl für präventive als auch repressive Tätigkeiten genutzt werden.

142 Dieses Vorverfahren gliedert sich gemäss Art. 300 Abs. 1 StPO in zwei Teile: Das polizeiliche Ermittlungsverfahren und die Eröffnung der Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft. Das «polizeiliche Ermittlungsverfahren» wird bei Verdacht, es sei eine Straftat begangen worden, eingeleitet (vgl. Art. 299 Abs. 2 StPO). Die «Untersuchung» wird durch die Staatsanwaltschaft geleitet und von dieser in der Regel formell eröffnet, sobald ein «hinreichender Tatverdacht» gegeben ist (vgl. Art. 309 Abs. 1 StPO, der noch weitere Eröffnungsgründe nennt). Für beide Verfahrensarten ist der Zugang zum Behördenauszug 1 gewährleistet.

143 Der Ausdruck «gerichtspolizeiliche Ermittlungen» fand vor dem Inkrafttreten der StPO z.T. engere Verwendung. Im Zusammenhang mit dem Strafregister (vgl. Art. 367 Abs. 2 Bst. c StGB) verstand man darunter nur polizeiliche Ermittlungshandlungen, die im Rahmen eines durch die Staatsanwaltschaft formell eröffneten Strafverfahrens erfolgten.

Heute aber wird der Begriff ­ in Abgrenzung zu den Vorermittlungen ­ für die repressive Tätigkeit im gesamten Vorverfahren nach StPO verwendet. Eine Begriffsverwirrung ist künftig nicht mehr möglich, da in Art. 48 Abs. 1 Bst. e Ziff. 1 ausdrücklich auf das Vorverfahren nach den Art. 299 ff. StPO verweist.

144 Vgl. die Art. 307 Abs. 2 und 312 StPO.

5796

lungen»145 oder präventiv tätig sind (etwa im Anwendungsbereich des ZentG oder des GWG) oder die Spezialaufgaben erfüllen, die keine eigentliche Ermittlungstätigkeit zur Verfolgung von Straftaten darstellen (etwa in den Bereichen «Fernhaltemassnahmen und Ausweisungen» oder zum «Schutz von Magistraten»). Beim Behördenauszug 2 gelten kürzere Zugangsfristen; er enthält keine Entscheidkopien.

­

Der Entwurf formuliert die einzelnen Zugangszwecke noch präziser als der Vorentwurf. Insbesondere nimmt er neu auch explizit auf die Aufgaben gemäss dem ZentG Bezug.

­

Neu erfährt auch der internationale polizeiliche Informationsaustausch eine umfassende Regelung. Denn eine Informationsvermittlung ins Ausland findet nicht nur im Rahmen von Interpol und Europol statt, sondern auch im Rahmen der bilateralen Polizeikooperation sowie im Rahmen der SchengenAssoziierung. Der internationale Informationsaustausch in Bezug auf VOSTRA-Daten erfolgt immer nach dem gleichen Prinzip: Bereits die geltende Regelung in Bezug auf Interpol und Europol (vgl.

Art. 21 Abs. 2 Bst. d und h VOSTRA-V) geht vom Grundsatz aus, dass das Strafregister ausländischen Polizeistellen nur insoweit geöffnet werden soll, als auch inländische Polizeistellen Informationen aus VOSTRA beziehen können. Da der Informationsfluss mit dem Ausland weiterhin ein Abbild des innerstaatlichen Datenflusses sein soll, hängt der Umfang der Informationsvermittlung von VOSTRA-Daten an ausländische Polizeistellen neu davon ab, ob die Informationen im Ausland zur Verfolgung von Straftaten im Rahmen gerichtspolizeilicher146 Ermittlungsverfahren (in diesem Fall Zugang zum Behördenauszug 1 nach Art. 50 Abs. 1 Bst. e Ziff. 2­5) oder nur zum Zwecke der Erkennung oder Verhütung von Straftaten benötigt werden (in diesem Fall Zugang zum Behördenauszug 2 nach Art. 51 Bst. a Ziff. 3­6). Der SIRENE-Informationsaustausch (vgl. Art. 51 Bst. a Ziff. 12) kann als Spezialaufgabe angesehen werden, für den der Behördenauszug 2 ausreichende Informationen enthält.

In Analogie zum Grundsatz gemäss Artikel 75a Absatz 2 Buchstabe c des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981147 (IRSG), wonach sich die polizeiliche Informationsweitergabe an das Ausland nicht auf die «Herausgabe von Strafentscheidungen» beziehen darf, hat die Übermittlung des Behördenaus-

145

Auch der Begriff «Vorermittlungen» wurde früher nicht immer einheitlich gebraucht.

Heute wird darunter einhellig die kriminalpolizeiliche Tätigkeit im Hinblick auf die «Erkennung von bereits begangenen Straftaten» verstanden. Auch Vorermittlungen dienen somit der Verfolgung von Straftaten; bei ihnen liegt jedoch noch kein konkreter Verdacht vor, weshalb dieser Bereich nicht durch die StPO geregelt wird. Vorermittlungen werden ­ so wie die präventiven Ermittlungen zur Verhütung von Straftaten ­ in der Polizeigesetzgebung geregelt. Vorermittlungen dienen somit nicht der Verhütung von Straftaten, lässt sich aber rein äusserlich kaum vom präventiven Handeln unterscheiden. Diese Form der Ermittlung ist für die Ermittlungsbehörden auf Bundesebene im Bundesgesetz vom 7. Okt. 1994 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes (ZentG, SR 360) und im Geldwäschereigesetz vom 10. Okt. 1997 (GWG, SR 955.0) geregelt und auf spezifische Deliktsbereiche eingeschränkt. Die VOSTRA-Daten werden für die dort vorgesehenen Analysen verwendet. VOSTRA-Daten allein vermögen jedoch keinen Tatverdacht zu begründen (vgl. dazu auch die Ausführungen zu Art. 51 Bst. d Ziff. 1).

146 Darunter sind Ermittlungsverfahren zu verstehen, die sich auf einen konkreten Tatverdacht stützen (analog dem Vorverfahren nach Art. 299 StPO).

147 SR 351.1

5797

zugs 1 an ausländische Polizeistellen gemäss Artikel 50 Absatz 2 nur ohne die elektronischen Kopien nach Artikel 24 Absatz 1 zu erfolgen. Urteilsabschriften dürfen grundsätzlich nur auf dem Rechtshilfeweg (unter Einhaltung der dafür geltenden Vorschriften) bezogen werden (vgl. auch den entsprechenden Vorbehalt in Art. 57 Abs. 3).

Demnach ergibt sich für fedpol für die einzelnen Zugangszwecke zum Behördenauszug 1 folgendes Bild: ­

Verfolgung von Straftaten im Rahmen gerichtspolizeilicher Ermittlungen (Abs. 1 Bst. e Ziff. 1) Das Online-Zugangsrecht ist zugeschnitten auf die Bundeskriminalpolizei (BKP), genauer auf deren drei Geschäftsbereiche «Ermittlungen Zweigstellen»148, «Ermittlungen Mitte»149 und «Ermittlungen Spezialeinsätze»150, sowie auf die «BKP-Ermittlungsoffiziere»151. Die BKP führt Ermittlungen durch in den Bereichen, welche in der Kompetenz des Bundes liegen (Art. 23, 24 und 27 Abs. 2 StPO). Die Datenerhebung in VOSTRA dient somit der Verfolgung von Straftaten im Rahmen des durch die StPO geregelten Vorverfahrens, insbesondere der Klärung eines Tatverdachts, der Verhinderung von parallelen Ermittlungen, der Glaubwürdigkeitsprüfung bei Befragungen sowie dem Schutz von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern (vgl. Art. 285a ff. StPO) und von verdeckten Fahnderinnen und Fahndern (vgl. Art. 298a ff. StPO) mittels Überprüfung von Personen im Umfeld der beschuldigten Person, mit denen verdeckt operierende Beamte in Kontakt kommen. Somit können auch Personen überprüft werden, die keine Verfahrensbeteiligte sind, sofern das Verhältnismässigkeitsprinzip beachtet wird und die Überprüfung zum Schutz des Ermittlerin oder des Ermittlers bzw.

der Fahnderin oder des Fahnders wirklich notwendig erscheint.

­

Informationsvermittlung an Interpol im Rahmen gerichtspolizeilicher Ermittlungen (Abs. 1 Bst. e Ziff. 2) Der Behördenauszug 1 darf via Interpol nur dann an eine ausländische Polizeistelle weitergegeben werden, wenn die VOSTRA-Daten im Ausland zur Verfolgung von Straftaten im Rahmen gerichtspolizeilicher Ermittlungen benötigt werden. Geht aus der ausländischen Anfrage nicht klar hervor, ob die ausländische Polizeibehörde in einem Verfahren tätig ist, das aufgrund eines bestehenden Tatverdachts geführt wird, so darf nur der Behördenauszug 2 übermittelt werden (vgl. Art. 51 Bst. a Ziff. 3).

Beim Informationsaustausch im Rahmen von Interpol ist neu nicht mehr zwischen einzelnen Deliktsbereichen zu unterscheiden, da der VOSTRA-

148

Dazu zählen die Abteilungen: Ermittlungen Lausanne, Ermittlungen Zürich, Ermittlungen Lugano.

149 Dieser ist aufgeteilt in die drei Abteilungen: Ermittlungen Bern, Ermittlungen Staatsschutz, Ermittlungen Terrorismus.

150 Dieser besteht aus den drei Abteilungen: Ermittlungen Forensik/Informatik, Ermittlungen Spezialeinsätze, Observation.

151 Die Ermittlungsoffiziere sind für die abteilungsübergreifende Koordination und Steuerung von Verfahren zuständig. Sie sind Ansprechpartner für die Bundesanwaltschaft und können dort die Eröffnung von Ermittlungsverfahren beantragen. Sie stellen zudem den Informationsaustausch mit dem NDB und anderen Bundesstellen sicher.

5798

Anschluss der kantonalen Polizeistellen nun alle Bereiche der Kriminalität abdeckt.

Konkret betrifft das Online-Zugangsrecht zum Behördenauszug 1 zum Zwecke der Informationsvermittlung an Interpol die Tätigkeit der Abteilungen «Einsatzzentrale» und «Operative Polizeikooperation» der Hauptabteilung «Internationale Polizeikooperation (IPK)» sowie die Abteilung «Koordination» des Geschäftsbereichs «Ermittlungen Analysen und Koordination» der BKP. Heute sind diese Zugangsrechte allerdings bei der Einsatzzentrale (EZ) zentralisiert, wobei sie rechtlich gesehen auch jede Abteilung separat und selbstständig wahrnehmen könnte.

­

Informationsvermittlung an Europol im Rahmen gerichtspolizeilicher Ermittlungen (Art. 50 Abs. 1 Bst. e Ziff. 3) Neu muss auch bei Europol nicht mehr zwischen einzelnen Deliktsbereichen unterschieden werden, da der entsprechende Informationsfluss im Inland künftig alle Deliktsbereiche erfasst. Dies ist eine Folge der Öffnung des VOSTRA-Zugangs für kantonale Polizeistellen (vgl. Art. 50 Abs. 1 Bst. f und Art. 51 Bst. d Ziff. 1). Der Umfang der Informationsvermittlung an Europol hängt davon ab, für welche Art Verfahren die Registerinformation benötigt wird: Der Behördenauszug 1 darf nur dann an Europol weitergegeben werden, wenn die VOSTRA-Daten im Ausland im Rahmen gerichtspolizeilicher Ermittlungen benötigt werden, mithin ein Verdacht auf eine begangene Straftat besteht. Zum Zwecke der Erkennung oder Verhütung von Straftaten darf nur der Behördenauszug 2 übermittelt werden (vgl. dazu Art. 51 Bst. a Ziff. 4).

Bei der Definition des Zugangszwecks wird ­ wie bereits in Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe h VOSTRA-V ­ auf Artikel 355a StGB Bezug genommen. Gemäss dieser Bestimmung gelten für Europol die gleichen Bearbeitungsbeschränkungen wie für die entsprechenden innerstaatlichen Stellen sowie die anderen in Artikel 355a StGB genannten Zugangsbeschränkungen.

Europol ist also vor der Datenbekanntgabe jeweils darüber zu unterrichten, dass insbesondere die Speicherungs- und Weitergaberegeln gemäss Artikel 13 Absätze 2 und 3 auch für Europol gelten.

Bei fedpol ist die «Einsatzzentrale» sowie die «Koordination» der Abteilung «Ermittlung Terrorismus» als Verbindungsstelle für den Datentransfer zuständig; Europol erhält also keinen direkten Anschluss an VOSTRA. Ein Datenaustausch mit Europol im Rahmen des Behördenauszugs 2 erfolgt im Übrigen auch durch den NDB (vgl. dazu Art 51 Bst. b Ziff. 2).

­

Informationsvermittlung ins Ausland im Rahmen bilateraler Polizeikooperation zur Durchführung von gerichtspolizeilichen Ermittlungen (Abs. 1 Bst. e Ziff. 4) Wie in den einleitenden Bemerkungen zu Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e bereits erwähnt wurde, sollen VOSTRA-Daten nicht nur im Rahmen der Polizeikooperation in den Bereichen Interpol und Europol genutzt werden können, sondern neu auch im Rahmen anderer Kooperationsverträge, die an dieser Stelle nicht alle aufgezählt werden sollen.152

152

Vgl. die Auflistung unter Ziff. 0.36 der SR.

5799

Der Umfang der VOSTRA-Daten, die übermittelt werden dürfen, bestimmt sich auch hier nach dem Verwendungszweck: Der Behördenauszug 1 darf nur dann an die ausländische Polizeistelle weitergegeben werden, wenn die VOSTRA-Daten im Ausland zur Verfolgung von Straftaten im Rahmen gerichtspolizeilicher Ermittlungen benötigt werden (d. h. es muss bereits ein Verdacht auf eine begangene Straftat bestehen). Geht aus der ausländischen Anfrage nicht klar hervor, ob die ausländische Polizeibehörde die Daten für gerichtspolizeiliche Zwecke benötigt, darf nur der Behördenauszug 2 übermittelt werden (vgl. dazu Art. 51 Bst. a Ziff. 5).

Zuständig für den Datentransfer bei fedpol sind die Hauptabteilungen «Internationale Polizeikooperation (IPK)» und «Bundeskriminalpolizei (BKP)».

­

Informationsvermittlung nach Artikel 7 des Schengen-Informationsaustausch-Gesetzes vom 12. Juni 2009153 (SIaG) im Rahmen gerichtspolizeilicher Ermittlungen, (Art. 50 Abs. 1 Bst. e Ziff. 5) Ein weiterer (heute nicht geregelter) Fall der Informationsvermittlung ins Ausland betrifft die selbstständige Datenweitergabe im Rahmen von Artikel 7 SIaG.154 Ein automatischer Informationsaustausch gestützt auf Artikel 7 SIaG darf nur erfolgen, wenn die zu transferierende Information durch fedpol legal beschafft werden kann. Aus diesem Grund ist der Zugang zum Strafregister ausdrücklich zu regeln. Praktisch bedeutsam wird die Weiterleitung von Strafregisterdaten etwa in Fällen, in denen in- und ausländische Polizeibehörden bereits eng zusammenarbeiten und ihre Ermittlungsergebnisse austauschen; nur dann weiss die inländische Polizeistelle, ob sich eine ausländische Strafverfolgungsbehörde speziell für das Vorleben einer bestimmten Person interessiert. Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e Ziffer 5 bezweckt daher keine systematische Weiterleitung von Strafregisterdaten; die Notwendigkeit der Weiterleitung ergibt sich immer erst aufgrund der besonderen Umstände eines konkreten Einzelfalls.

Der Umfang der VOSTRA-Daten, die übermittelt werden dürfen, bestimmt sich auch hier nach dem Verfahrensstand: Der Behördenauszug 1 darf nur dann an die ausländische Strafverfolgungsbehörde eines Schengen-Staates weitergegeben werden, wenn im Ausland bereits ein Tatverdacht besteht.

Hat fedpol keine Kenntnis, ob die ausländische Polizeibehörde bereits im Rahmen gerichtspolizeilicher Ermittlungen tätig ist, darf nur der Behördenauszug 2 übermittelt werden (vgl. dazu Art. 51 Bst. a Ziff. 6).

Zuständig für den Datentransfer bei fedpol sind die Hauptabteilungen «Internationale Polizeikooperation (IPK)» und «Bundeskriminalpolizei (BKP)».

Abs. 1 Bst. f (kantonale Polizeistellen, die im Rahmen gerichtspolizeilicher Ermittlungen tätig sind) Der Online-Anschluss kantonaler Polizeistellen an VOSTRA entspricht einer Forderung der Kantone in der Vernehmlassung 2009 (vgl. Ziff. 1.1.1). Auch in der Vernehmlassung 2012 wird dieser Zugang mehrheitlich begrüsst.

153 154

SR 362.2 Gemäss Art. 7 SIaG sind alle Informationen, welche zur Verhütung und Verfolgung der in Anhang 1 SIaG aufgezählten Straftaten von Bedeutung sein könnten, unaufgefordert den Strafverfolgungsbehörden anderer Schengen-Staaten zur Verfügung zu stellen.

5800

Nach dem hier vorgeschlagenen Regelungskonzept erhalten sämtliche im Rahmen der StPO tätigen Polizeien ­ also schon vor der Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft ­ ein Zugangsrecht auf den Behördenauszug 1. Da die kantonalen Polizeistellen bereits im polizeilichen Ermittlungsverfahren der «verlängerte Arm» der Staatsanwaltschaft sind, sollen ihnen auch die gleichen Informationsrechte in Bezug auf VOSTRA zukommen. Soweit kantonale Polizeistellen lediglich Vorermittlungen durchführen, im präventiven Bereich tätig sind oder Spezialaufgaben erfüllen, müssen sie hingegen den Behördenauszug 2 nutzen (vgl. Art. 51 Bst. d). In der Vernehmlassung 2012 wurde die Praktikabilität dieses Splittings in Zweifel gezogen (etwa weil die gleichen Polizeistellen sowohl präventiv als auch repressiv tätig und die Übergänge fliessend seien). Vereinzelt wurde deshalb ein einheitlicher Zugang zum Behördenauszug 1 gefordert. Solche Forderungen übersehen, dass es durchaus möglich ist, der gleichen Behörde zwei unterschiedliche Zugangsprofile einzuräumen. Die Steuerung der Profile hängt somit weniger von der Behördenorganisation, sondern primär von der im konkreten Fall zu erfüllenden Aufgabe ab. Der im System anzuklickende Zugangszweck bestimmt somit den Output (Behördenauszug 1 oder 2). Das setzt eine sehr präzise Umschreibung der Zugangszwecke in VOSTRA voraus, damit die Suchanfragen (auch im Nachhinein) nachvollziehbar sind. Das einfache Umschalten von einem Profil auf das andere ist somit gewährleistet. Andererseits wohnt der Möglichkeit, zwischen zwei Profilen zu wählen, ein gewisses Missbrauchspotenzial inne, weshalb die konsequente Protokollierung der Abfragen und die Vornahme von Kontrollen durch die registerführende Stelle umso mehr Bedeutung erhalten.

Der Begriff «kantonale» Polizeistellen in Absatz 1 Buchstabe f meint nicht nur die eigentlichen Kantonspolizeien, sondern alle Polizeien innerhalb eines Kantons (also auch Gemeinde-, Stadt- und Regionalpolizeien; auch solche, die lediglich im Übertretungsstrafrecht ermitteln). Inwieweit auch kommunale Polizeistellen angeschlossen werden, hängt somit vom kantonalen Polizeiorganisationsrecht ab (vgl. auch Art. 15 Abs. 1 StPO).

Die Zugangszwecke werden bereits im Gesetz präzise geregelt. Die entsprechende Aufzählung orientiert sich an jener für fedpol (vgl. Art. 50 Abs. 1 Bst. e Ziff. 1).

Ergänzend sei auf folgende Besonderheiten hingewiesen: ­

In der Vernehmlassung 2012 wurde zurecht darauf hingewiesen, dass auch die seit dem 1. Mai 2013 in Artikel 298a ff. StPO geregelte «verdeckte Fahndung» als Zugangszweck in Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe f zu erwähnen ist.

­

Ferner wurde in der Vernehmlassung 2012 argumentiert, dass die «Überprüfung von Informantinnen und Informanten» auch als eigenständige Zweckbestimmung in Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe f aufgenommen werden sollte, da diese auch in gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren eingesetzt würden. Der Einsatz von Informanten ist jedoch in der StPO nicht vorgesehen. Soweit solche Personen einen Beitrag zur zweckdienlichen Erledigung eines Strafverfahrens leisten, sind sie (gemäss den dafür geschaffenen prozessrechtlichen Rollen) als Auskunftspersonen oder Zeugen zu befragen. Diesfalls besteht für eine entsprechende Glaubwürdigkeitsprüfung auch ein Zugang zu VOSTRA.

­

Die Zugangsrechte der kantonalen Polizeistellen wurden nicht an einen bestimmten Deliktskatalog gebunden. Der VOSTRA-Zugang erstreckt sich 5801

somit auf den gesamten Deliktsbereich, in dem eine kantonale Zuständigkeit nach StPO besteht. In Analogie zu den fedpol-Zugangsrechten wäre es an sich denkbar, die VOSTRA-Zugänge auf die Verhütung und Verfolgung von Schwerstkriminalität einzuschränken. Solche Kataloge erweisen sich in der Praxis aber meist als unvollständig und laufen Gefahr, dauernd revidiert werden zu müssen. Aber selbst die einfacher zu handhabende Einschränkung auf Verbrechen oder Vergehen birgt das Problem, dass sich der genaue Deliktsvorwurf zu Beginn der Ermittlungen nicht immer klar und deutlich manifestiert. Hinzu kommt, dass bei einer Einschränkung des Informationsflusses im Inland auch der polizeiliche Informationsaustausch mit dem Ausland entsprechend eingeschränkt werden müsste (was bei der Abarbeitung der ausländischen Auskunftsersuchen einen zusätzlichen Transponierungsaufwand zur Folge hätte).

Art. 51

Online abfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 2

Der Behördenauszug 2 entspricht ungefähr dem heutigen Behördenauszug und enthält auch Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen. Alle bisher zugangsberechtigten Behörden, die keinen Zugang zum Behördenauszug 1 (vgl. Art. 50) erhalten haben und einen Online-Anschluss und Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen benötigen, fallen unter das in Artikel 51 geregelte Zugangsrecht. Konkret geht es um folgende Behörden und Zugangszwecke: Bst. a (fedpol) ­

Erkennung oder Verhütung von Straftaten (Ziff. 1) Im Zuge des Transfers des Dienstes für Analyse und Prävention von fedpol zum NDB wurden die Kompetenzen im präventiven Bereich, die sich auf das BWIS stützen, auf diese beiden Bundesbehörden verteilt. Entsprechend erfuhren auch die entsprechenden Zugangsrechte auf VOSTRA eine Aufteilung zwischen diesen Behörden (vgl. für fedpol Art. 21 Abs. 2 Bst. a VOSTRA-V und für den NDB Art. 21 Abs. 4 Bst. a VOSTRA-V). Dabei wurde der damalige Normtext übernommen und jeweils mit folgendem Zusatz ergänzt: «soweit sie [gemeint ist: die Verhütung von Straftaten] in seinen Zuständigkeitsbereich fällt». Das geltende Recht nimmt bei der Umschreibung des Zugangszwecks somit noch auf die in Artikel 2 BWIS definierten Aufgaben Bezug, obschon es sich nur bei den Aufgaben des NDB um solche der Verhütung handelt. Dagegen sind die Aufgaben, die Artikel 2 BWIS dem fedpol zuweist, mehr verwaltungspolizeilicher Natur.

Es geht konkret um die Tätigkeit des «Fachbereichs Hooliganismus» sowie der «Zentralstelle Waffen», die beide der «Hauptabteilung Dienste» von fedpol zugeordnet sind.155 Beide Stellen benötigen keinen VOSTRAAnschluss. Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe a VOSTRA-V ist somit weitgehend überflüssig:

155

Die zuständigen fedpol-Stellen treffen vorbeugende Massnahmen in den Bereichen «Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen» sowie «Vorbereitungen zu verbotenem Handel mit Waffen» gemäss Art. 2 Abs. 1 und 2 BWIS. Die Zuständigkeit des fedpol für die vorstehend erwähnten Bereiche ergibt sich aus Art. 24a ff. BWIS und den Art. 5 ff.

WG.

5802

­

­

Zur Führung der Hooligan-Datenbank und zur Verhängung von Administrativmassnahmen im Bereich Hooliganismus werden keine VOSTRA-Daten benötigt, da die entsprechende Informationsvermittlung direkt über die kantonalen Strafverfolgungsbehörden läuft. Aus diesem Grund wurde der Fachbereich Hooliganismus auch nie an VOSTRA angeschlossen.

Auch die Zentralstelle Waffen erhält die notwendigen Strafregisterauszüge über die kantonalen Waffenbüros, die diese von den Gesuchstellern verlangen. Es handelt sich dabei aber um Privatauszüge, da das Waffengesetz bei der Erteilung von Bewilligung nur auf diese Auszugsform abstellt. Auch die Zentralstelle verfügt heute über keinen VOSTRA-Anschluss. Neu sieht der Entwurf jedoch ein behördliches Zugangsrecht auf den Behördenauszug 4, der dem Privatauszug nachempfunden ist, vor (vgl. Art. 53 Bst. b).

Während der Behördenauszug 1 bereits die durch die StPO geregelten Verfahren (ab Vorliegen eines Tatverdachts) abdeckt, soll der Behördenauszug 2 vor allem für die sogenannten «Vorermittlungen» zur Verfügung stehen, die dem «Erkennen von Straftaten» dienen. Die entsprechende Ermittlungskompetenz von fedpol leitet sich aus dem ZentG ab und bezieht sich nur auf spezifische Deliktsbereiche. Aus diesem Grund verweist Buchstabe a Ziffer 1 nicht auf das BWIS sondern auf Art. 1 ZentG. Es geht um die «Bekämpfung des organisierten und international tätigen Verbrechens».

Die entsprechenden Ermittlungsergebnisse (gerade im Bereich der Lageund Bedrohungsanalysen) dienen letztlich aber auch der «Verhütung von Straftaten», weshalb Buchstabe a Ziffer 1 diesen Zugangszweck ebenfalls erwähnt.

Das Online-Zugangsrecht auf den Behördenauszug 2 ist somit zugeschnitten auf die Tätigkeit der kriminalpolizeilichen Zentralstellen. Der Bund betreibt zu diesem Zweck unter anderem polizeiliche Zentral- bzw. Koordinationsstellen in den Bereichen organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Internetkriminalität, Betäubungsmittel, Nonproliferation usw.156 Die Daten werden zur Erhärtung eines Anfangsverdachts in Bezug auf mögliche Gefährdungen, zur Verhinderung von parallelen Ermittlungen157, für die Glaubwürdigkeitsprüfung bei Befragungen158, zur Überprüfung von Informanten159 und zur Erstellung von Lage- und Bedrohungsanalysen benötigt. Neu nennt das Gesetz diese Zwecke ausdrücklich.

156

Vgl. Bericht des Bundesrates vom 2. März 2012, in Erfüllung des Postulats Malama 10.3045 vom 3. März 2010: Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen, BBl 2012 4505.

157 Mit der Information über ein eröffnetes Verfahren lassen sich parallele Ermittlungen vermeiden.

158 Es werden Befragungen durchgeführt, jedoch nicht wie in einem Ermittlungsverfahren, sondern auf «freiwilliger» Basis. Der Befragte ist nicht verpflichtet, zu antworten oder sonstwie mitzuwirken (er ist blosse Auskunftsperson).

159 Die entsprechenden Dienststellen arbeiten nicht mit eigentlichen V-Männern, sondern mit so genannten «Quellen», d.h. Personen im Umfeld der Zielperson, die fedpol Informationen zukommen lassen. Die Prüfung der Glaubwürdigkeit dieser Personen ist sehr wichtig.

Sie dürfen ferner nicht in ein Strafverfahren verwickelt sein (damit sie sich nicht mit ihrer Tätigkeit als Quelle im Prozess zu rechtfertigen suchen).

5803

­

Führung der Meldestelle für Geldwäscherei (Ziff. 2) Auch hier handelt es sich um eine typische Vorermittlungstätigkeit im Vorfeld der StPO, welche auf die Erkennung einer Straftat gerichtet ist. Dieses Online-Zugangsrecht ist zugeschnitten auf die Tätigkeit der Meldestelle für Geldwäscherei MROS160. Artikel 1 der Verordnung vom 25. August 2004161 über die Meldestelle für Geldwäscherei umschreibt deren Aufgaben. Diese hat u.a. die Strafverfolgungsbehörden in der Bekämpfung der Geldwäscherei, des organisierten Verbrechens und der Terrorismusfinanzierung zu unterstützen, Meldungen und Anzeigen entgegenzunehmen und auszuwerten, Abklärungen zu den gemeldeten Vorgängen durchzuführen und über die Weiterleitung von Meldungen, Anzeigen, Mitteilungen und sonstigen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone zu entscheiden. Die Meldestelle muss ihre Analyse (aufgrund der eingegangenen Meldungen) in kurzer Zeit durchführen. Das Geldwäschereigesetz sieht bei Fällen nach Artikel 9 vor, dass die gemeldeten Vermögenswerte während fünf Arbeitstagen zu sperren sind. Aufgrund dieser Tatsache und um das Abziehen mutmasslich inkriminierter Vermögenswerte zu verhindern, muss die Meldestelle spätestens innerhalb dieser Frist ihre Analyse vollzogen haben. Im Weiterleitungsfall hat die Meldestelle in der Praxis noch weniger Zeit (i. d. R. drei Arbeitstage) um sicherzustellen, dass die danach damit befasste Staatsanwaltschaft innerhalb dieser fünf Tage über eine weitergehende Sperrung der Vermögenswerte entscheiden kann. Die VOSTRA-Daten werden in erster Linie für die Prüfung und Analyse der oben erwähnten Meldungen benötigt. Auch das Wissen um Parallelermittlungen (Zugang zu Daten über eröffnete Verfahren) ist für die Meldestelle wichtig, damit sie das Dossier an die richtige Stelle weiterleiten kann.

­

Informationsvermittlung an Interpol zur Erkennung oder Verhütung von Straftaten ( Ziff. 3) Vgl. dazu die einleitenden Bemerkungen zu Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e sowie die Ausführungen zu Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e Ziffer 2.

­

Informationsvermittlung an Europol zur Erkennung oder Verhütung von Straftaten (Ziff. 4) Vgl. dazu die einleitenden Bemerkungen zu Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e sowie die Ausführungen zu Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e Ziffer 3.

­

Informationsvermittlung ins Ausland im Rahmen bilateraler Polizeikooperation zur Erkennung und Verhütung von Straftaten (Ziff. 5) Vgl. dazu die einleitenden Bemerkungen zu Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e sowie die Ausführungen zu Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e Ziffer 4.

­

Informationsvermittlung nach Artikel 7 des Schengen-Informationsaustausch-Gesetzes für die Erkennung und Verhütung von Straftaten (Ziff. 6) Vgl. dazu die einleitenden Bemerkungen zu Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e sowie die Ausführungen zu Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe e Ziffer 5.

­ 160 161

Fernhaltemassnahmen und Ausweisungen (Ziff. 7) MROS steht für Money Laundering Reporting Office Switzerland; vgl. Art. 23 GwG.

SR 955.23

5804

Im Bereich Fernhaltemassnahmen nach Ausländergesetz und Ausweisungen nach Artikel 121 Absatz 2 der Bundesverfassung162 sind zwei Behörden auf den Behördenauszug 2 zugangsberechtigt: fedpol (Art. 51 Bst. a Ziff. 7) und der NDB (Art. 51 Bst. b Ziff. 3). Diese Stellen verfügen bereits heute über ein Online-Zugangsrecht auf VOSTRA (vgl. Art. 21 Abs. 2 Bst g und Abs. 4 Bst. c VOSTRA-V). Es geht um die Überprüfung von Personen im Zusammenhang mit der Verhängung oder Aufhebung von Fernhaltemassnahmen (gemäss Art. 67 Abs. 2 AuG) zur Verfügung entsprechender Einreiseverbote gegenüber Personen aus dem Ausland, namentlich aufgrund von Informationen aus dem Ausland sowie um die Vorbereitung von sog. «politischen Ausweisungen» gemäss Artikel 121 Absatz 2 BV. Der Auszug aus dem Strafregister dient der Erhärtung der eingegangenen Meldung und der Konkretisierung eines potentiellen Gefährdungsprofils. Dabei liegt die Bearbeitungskompetenz primär beim NDB, fedpol steht demgegenüber die Entscheidkompetenz zu163. Da die zuständige fedpol-Stelle die entsprechenden Vorschläge des NDB prüfen und verifizieren können muss, benötigen beide Instanzen einen VOSTRA-Zugang.

­

Tätigkeit des Bundessicherheitsdienstes (Ziff. 8) Bisher verfügt die gemäss Artikel 22 Absatz 1 BWIS für den Personenschutz zuständige Stelle des Bundes (der Bundessicherheitsdienst in fedpol) bloss über ein Zugangsrecht auf Urteilsdaten, das nur auf schriftlichem Weg geltend gemacht werden kann (Art. 22 Abs. 1 Bst. i VOSTRA-V). Um innert kurzer Frist eine Risikobeurteilung von Personen vornehmen zu können, bei denen Anhaltspunkte bestehen, dass sie eine Gefahr für schützenswerte Personen im Sinne von Artikel 22 Absatz 1 BWIS darstellen könnten, braucht diese Stelle einen Online-Zugang sowie Informationen über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen (Bst. a Ziff. 8).

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Kontrolle des polizeilichen Informationssystem-Verbundes (Ziff. 9) fedpol hat die Kontrolldienste JANUS und IPAS organisatorisch zusammengelegt. Die Kontrollen von JANUS und IPAS werden aktuell jedoch getrennt wahrgenommen.164 Gegenwärtig verfügt nur der «Kontrolldienst JANUS» über ein Zugangsrecht auf VOSTRA (vgl. Art. 21 Abs. 2 Bst. e VOSTRA-V). Dieser Dienst hat u.a. die Aufgabe, die gesetzlich vorgesehene Kontrolle der in der JANUS-Datenbank erfassten Daten durchzuführen.165 VOSTRA-Daten helfen, die Daten in JANUS periodisch auf ihre Glaubwürdigkeit und Richtigkeit hin zu überprüfen. So kann es z. B. sinnvoll sein, einen Personaliensatz mit Hilfe von Daten aus dem Strafregister (z. B. Alias-Namen) zu berichtigen. Das Bundesgesetz vom 13. Juni 2008166 über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI) hob die ehe-

162 163

BV, SR 101 Vgl. die Art. 10 und 11 der Organisationsverordnung vom 17. Nov. 1999 für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement OV-EJPD, SR 172.213.1.

164 Vgl. Art. 15 der Verordnung vom 15. Okt. 2008 über das Informationssystem der Bundeskriminalpolizei (JANUS-Verordnung, SR 360.2) und Art. 2 der Verordnung vom 15. Okt. 2008 über das informatisierte Personennachweis-, Aktennachweis- und Verwaltungssystem im Bundesamt für Polizei (IPAS-Verordnung, SR 361.2).

165 Vgl. Art. 13 Abs. 2 JANUS-Verordnung.

166 SR 361

5805

malige Rechtsgrundlage für die JANUS-Datenbank167 auf und legte die JANUS-Datenbank mit der IPAS-Datenbank zusammen (vgl. Art. 9 ff. BPI).

In der Praxis wird sich dieser Zusammenschluss technisch erst in ein paar Jahren realisieren lassen. Der VOSTRA-Zugang zur Kontrolle der neuen Datenbank mit der Bezeichnung «polizeilicher Informationssystem-Verbund» muss aber weiterhin gewährleistet sein. Deshalb umschreibt Buchstabe a Ziffer 9 den Zugangszweck im Hinblick auf diese neue Datenbank.

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Abklärung von Löschungsvoraussetzungen nach DNA-Profil-Gesetz und bei weiteren erkennungsdienstlichen Daten (Ziff. 10) Siehe die Ausführungen unten zu Artikel 51 Buchstabe n (kantonale DNAKoordinationsstelle).

­

Abklärungen im Rahmen des ausserprozessualen Zeugenschutzes (Ziff. 11) Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 2011168 über den ausserprozessualen Zeugenschutz (ZeugSG) per 1. Januar 2013 hat die Zeugenschutzstelle des Bundes auch ein Zugangsrecht auf VOSTRA erhalten, das sich sowohl auf Strafurteile als auch auf hängige Strafverfahren bezieht (vgl. Art. 367 Abs. 2 Bst. l sowie Abs. 4 StGB. Allerdings wurde der Zugangszweck («zur Erfüllung ihrer Aufgaben») nur sehr vage umschrieben.

Das Ziel der VOSTRA-Abfragen kommt in der Regelung von Artikel 51 Buchstabe a Ziffer 11 nun besser zum Ausdruck: ­ Die VOSTRA-Informationen werden zunächst benötigt, um die Eignung derjenigen Personen zu überprüfen, die in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden sollen. Diese Überprüfung muss auch während des Zeugenschutzprogramms wiederholt werden können, damit sich beispielsweise eine geschützte Person nicht der Strafverfolgung für neue Delikte entziehen kann. Für die «Eignung» einer Person ist dabei nicht nur ihr eigenes deliktisches Vorleben massgebend, sondern allenfalls auch das strafrechtsrelevante Verhalten ihres nächsten Umfeldes, das die Durchführung eines Zeugenschutzprogramms entweder erschweren oder gar verunmöglichen kann.

­ Der VOSTRA-Zugang ist zudem notwendig, um die potenziellen «Gefährder» einer Prüfung unterziehen und damit das Gefährdungspotenzial besser einschätzen zu können.

Da die Zeugenschutzstelle keine gerichtspolizeiliche Funktion erfüllt, erhält sie lediglich Zugang zum Behördenauszug 2 (vgl. die einleitenden Ausführungen zu Art. 50 Abs. 1 Bst. e). Dieser enthält jedoch keine Urteilskopien.

Möchte die Zeugenschutzstelle Hintergrundinformationen zu den registrierten Strafdaten beschaffen (was nur durch Erkundigungen bei den Strafbehörden möglich ist), wird es für sie schwieriger, das Zeugenschutzprogramm geheim zu halten.

Da die Zeugenschutzstelle des Bundes organisatorisch bei fedpol angegliedert ist, wird sie in der Aufzählung der zugangsberechtigten Behörden nicht mehr eigens genannt.

167 168

Art. 11 ZentG.

SR 312.2

5806

­

Informationsvermittlung an ausländische SIRENE-Büros (Ziff. 12) Jeder Schengen Staat verfügt über ein nationales SIRENE-Büro, welches für den Austausch der Zusatzinformationen von Ausschreibungen im Schengener Informationssystem SIS zuständig ist.169 Es kommt regelmässig vor, dass dem Schweizer SIRENE-Büro von einem ausländischen Partnerbüro mitgeteilt wird, dass eine durch diesen Staat gesuchte Person in der Schweiz inhaftiert sein könnte. Da die Schweiz über keine Haftdatenbank verfügt, kann das SIRENE-Büro mittels einer Abfrage in VOSTRA den Hinweis verifizieren und den allfällig zuständigen Kanton ausfindig machen.

Bei der Abfrage zugunsten der Koordinierung und Durchführung von Fernhaltemassnahmen geht es im Wesentlichen darum, dass in dringenden Fällen ausserhalb der Bürozeiten die Begründung eines von der Schweiz ausgesprochenen Einreiseverbotes im ZEMIS durch das SIRENE-Büro konkretisiert werden kann.

Für die oben genannten Zwecke genügt ein Zugang zum Behördenauszug 2, der auch Daten über hängige Strafverfahren enthält, um eine mögliche Untersuchungshaft zu erkennen.

Bst. b (NDB) Heute regelt Artikel 21 Absatz 4 VOSTRA-V im Sinne einer Übergangsregelung (vgl. Art. 367 Abs. 3 StGB) die Online-Zugangsrechte des NDB. Da der NDB im Bereich der Verhütung von Straftaten, also im präventiven Bereich, tätig ist, sieht der Entwurf keinen Zugang zum Behördenauszug 1 vor (vgl. die Ausführungen zu Art. 50). Vielmehr erhält der NDB einen Online-Zugang zum Behördenauszug 2 für folgende Aufgaben: ­

Verhütung von Straftaten (Ziff. 1) Dieses Online-Zugangsrecht ist zugeschnitten auf die Tätigkeit der Dienststelle «Beschaffung» des NDB, die vorbeugende Massnahmen in den Bereichen Terrorismus, verbotener Nachrichtendienst, gewalttätiger Extremismus, Handel mit radioaktiven Materialien und Technologietransfer trifft (Art. 2 BWIS170). Der NDB führt konzentrierte Aktionen als präventive Operationen durch, die über den normalen Nachrichtendienst hinausgehen können. In Zusammenarbeit mit kantonalen Polizeistellen können auch längerfristige polizeiliche Aktionen als präventive Fahndungsprogramme durchgeführt werden. Die Daten werden im präventiven Bereich für ähnliche Zwecke benötigt wie im repressiven Bereich.

­

Informationsvermittlung an Europol (Ziff. 2) Neben fedpol (vgl. dazu Art. 50 Abs. 1 Bst. e Ziff. 3 und Art. 51 Bst. a Ziff. 4) gibt auch der NDB via Europol Strafregisterdaten ins Ausland weiter, soweit es um die Verhütung von Delikten geht, die in den Zuständigkeitsbereich des NDB fallen, also insbesondere im Bereich des verbotenen Handels mit radioaktivem Material. Im Gegensatz zur geltenden Regelung (Art. 21

169 170

Vgl. Art. 9 und 15 N-SIS-Verordnung vom 8. März 2013, SR 362.0.

Vgl. zu Art. 2 BWIS auch die Ausführungen vorne zu Art. 51 Bst. a Ziff. 1. Das BWIS soll durch das neue Nachrichtendienstgesetz abgelöst werden (vgl. die Botschaft vom 19. Febr. 2014 zum Nachrichtendienstgesetz in BBl 2014 2105 und den entsprechenden Gesetzesentwurf in BBl 2014 2237).

5807

Abs. 4 Bst. b VOSTRA-V) braucht die Weitergabe ins Ausland aber nicht mehr auf bestimmte Deliktsbereiche eingeschränkt zu werden, da mit dem Anschluss der kantonalen Polizeistellen auch innerstaatlich der gesamte Bereich der Verhütung abgedeckt ist (vgl. Art. 51 Bst. d Ziff. 1).

­

Fernhaltemassnahmen und Ausweisungen (Ziff. 3) Vgl. zur Kompetenzverteilung mit fedpol die Ausführungen zu Artikel 51 Buchstabe a Ziffer 7.

­

Informationsvermittlung an ausländische Sicherheitsbehörden für sogenannte Clearings (Ziff. 4) Der NDB verfügt bereits heute über ein Zugangsrecht auf VOSTRA, um im Auftrag ausländischer Sicherheitsbehörden sogenannte Unbedenklichkeitsanfragen oder «Clearings» zu beantworten (vgl. Art. 21 Abs. 4 Bst. d VOSTRA-V). Der Entwurf übernimmt diese Zweckbestimmung unverändert. Bei diesen Unbedenklichkeitsanfragen führt der NDB auf Ersuchen eines ausländischen Dienstes einen Sicherheitscheck von Schweizerinnen oder Schweizern oder dauerhaft in der Schweiz wohnhaften ausländischen Personen durch, um diesen die Mitarbeit an klassifizierten ausländischen Projekten (oder Anstellungen) zu ermöglichen. Die Vornahme dieser Sicherheitschecks ist in Artikel 17 Absatz 3 Buchstaben e BWIS geregelt.

Die Strafregisterauszüge bilden für diese Sicherheitschecks ein wichtiges Beurteilungselement.

Bst. c (Behörden nach Artikel 6 BWIS, die mit dem NDB zusammenarbeiten) Artikel 6 BWIS bezeichnet kantonale und kommunale Behörden, die bei der Aufgabenerfüllung nach BWIS mit dem NDB zusammenarbeiten. Es ist deshalb konsequent, diesen Behörden dasselbe VOSTRA-Zugangsprofil zur Verfügung zu stellen, jedoch beschränkt auf den Aufgabenbereich, in dem sie mit dem NDB kooperieren.

Die Zwecke, für welche diese Behörden Zugang auf VOSTRA erhalten, entsprechen deshalb der Regelung für den NDB, jedoch beschränkt auf die Verhütung von Straftaten (vgl. Art. 51 Bst. b Ziff. 1).

Soweit diese kantonalen Staatsschutzstellen, die im Auftrag des NDB arbeiten, der Polizei zugeordnet sind, überschneidet sich das enthaltene Zugangsrecht gemäss Buchstabe c mit jenem von Buchstabe d Ziffer 1 (kantonale Polizeistellen mit Verhütungsaufgaben). Da die Kantone die nach Artikel 6 BWIS tätigen Behörden organisatorisch auch ausserhalb der Polizei ansiedeln können, sind solche registerrechtlichen Doppelspurigkeiten nicht vermeidbar.

Bst. d (die kantonalen Polizeistellen für Tätigkeiten ausserhalb von gerichtspolizeilichen Ermittlungen) Sämtliche Polizeistellen innerhalb eines Kantons171 erhalten für folgende Aktivitäten, in denen sie nicht gerichtspolizeilich172 tätig sind, einen Zugang zum Behördenauszug 2:

171 172

Vgl. zum Begriff «kantonale Polizeistellen» die Ausführungen zu Art. 50 Abs. 1 Bst. f.

Vgl. zum Begriff «gerichtspolizeiliche Ermittlungen» die einleitenden Ausführungen zu Art. 50 Abs. 1 Bst. e.

5808

­

Erkennung und Verhütung von Straftaten (Ziff. 1) Das Zugangsrecht nach Ziffer 1 beschränkt sich nicht auf die Bereiche, in denen die Kantone aufgrund des BWIS tätig sind, sondern deckt auch kantonal geregelte präventive Tätigkeiten ab. Der Zugang auf den Behördenauszug 2 steht somit für die Gefahrenabwehr im umfassenden Sinne zur Verfügung.173 Der Zugang erfolgt dabei zu den gleichen Zwecken wie beim NDB (vgl. dazu die Ausführungen zu Art. 51 Bst. b Ziff. 1) und überschneidet sich teilweise mit den in Artikel 51 Buchstabe c geregelten Zugangsrechten.

Nicht unter das Vorverfahren nach Artikel 299 StPO fallen die sogenannten «Vorermittlungen», die das eigentliche Erkennen von Straftaten zum Ziel haben.174 Kantone, die diese Art von Ermittlungen führen, regeln diese im Rahmen ihrer kantonalen Polizeigesetze. Es steht wohl ausser Frage, dass VOSTRA zum direkten Aufspüren von Straftaten nicht von Nutzen ist. Denn aus der Tatsache, dass eine Person in VOSTRA verzeichnet ist, lässt sich nicht schliessen, dass sie eine andere Straftat begangen hat. Es geht also vielmehr darum, dass sich die entsprechenden Polizeistellen im Rahmen allgemeiner Lage- und Bedrohungsanalysen ein Bild über mögliche Gefährdungen durch einzelne Personen machen können. VOSTRA-Daten werden dabei mit anderen Informationen verknüpft. Diese Analysen können sowohl zur Erkennung von Straftaten als auch für die Verhütung von Straftaten nützlich sein. Denn erst gestützt auf diese Bedrohungsanalysen lassen sich Massnahmen zur Entschärfung einer als gefährlich bewerteten Lage treffen.

Selbstverständlich muss das kantonale Recht die Aufgabe, solche Analysen durchzuführen, explizit regeln, damit VOSTRA-Daten abgefragt werden dürfen (vgl. zu entsprechenden Kompetenzen auf Bundesebene Art. 2 Bst. c ZentG).

Auch im präventiven Bereich wird zwischen verdeckter Ermittlung und verdeckter Fahndung unterschieden. Diese Massnahmen sind in den kantonalen Polizeigesetzen geregelt. Allerding kennen nicht alle Kantone eine verdeckte Ermittlung im präventiven Bereich. Damit in Bezug auf den Zugang zu VOSTRA keine Lücken entstehen, nennt Ziffer 1 beide Formen.

­

Interpretation von Daten aus Polizeidatenbanken (Ziff. 2) Im Unterschied zu fedpol, dessen Tätigkeit auf Bundesebene geregelt ist, berücksichtigt der Entwurf bei den kantonalen Polizeistellen keine Spezialaufgaben, die ihnen nach kantonalem Recht auferlegt sind. Eine Ausnahme besteht in Bezug auf die VOSTRA-Nutzung zur Interpretation von Daten aus Polizeidatenbanken. Dieser Zugangszweck erscheint notwendig, damit Daten aus rein polizeilichen Informationssystemen (z. B. Polizeiindex oder RIPOL), die meist auf der Registrierung von blossen Verdachtslagen beruhen, besser interpretiert werden können. Diese Datenpflege erfolgt jedoch nicht zum Zwecke eines gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens und rechtfertigt daher nur einen Zugang zum Behördenauszug 2 (vgl. zum analogen Zugangsrecht von fedpol Art. 51 Bst. a Ziff. 9).

173

Vgl. zur Einschränkung auf bestimmte Deliktsbereiche die Ausführungen zu Art. 50 Abs.

1 Bst. f.

174 Vgl. zum Begriff der «Vorermittlungen» die Ausführungen in FN 141.

5809

Bst. e (die für Personensicherheitsprüfungen zuständigen Stellen) Dieses Zugangsrecht ist zugeschnitten auf die «Fachstelle PSP des VBS» und auf die «Fachstelle Personensicherheitsprüfungen Bundeskanzlei» (vgl. Art. 3 Abs. 3 und 19 Abs. 1 Bst. a der Verordnung vom 4. März 2011175 über die Personensicherheitsprüfung (PSPV). Diese Stellen haben zur Durchführung von zivilen und militärischen Sicherheitsprüfungen bereits heute einen Zugang zu Daten über hängige Strafverfahren. Jedoch fehlt bisher eine explizite Regelung im Gesetz (vgl. Art. 367 Abs. 2 Bst. i und Abs. 4 StGB). Es handelt sich um ein gesetzgeberisches Versehen, das korrigiert werden muss, denn Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d BWIS berechtigt diese Fachstellen bereits heute, bei den zuständigen Strafverfolgungsorganen Auskünfte über laufende Strafverfahren einzuholen. Dies können sie aber nur, wenn sie wissen, ob überhaupt ein Strafverfahren hängig ist. Diese Information erhalten die Fachstellen durch Konsultation von VOSTRA.

Bst. f (BFM) Das BFM verfügt bereits heute (vgl. Art. 367 Abs. 2 Bst. e StGB) über ein Zugangsrecht auf VOSTRA. Dabei darf es auch Einblick in Daten über hängige Strafverfahren nehmen (vgl. Art. 367 Abs. 4 StGB). Das heutige Zugangsrecht ist auf drei verschiedene Zwecke beschränkt: nämlich auf «Einbürgerungsverfahren» (vgl. Art.

365 Abs. 2 Bst. g StGB), auf die «Verhängung und Aufhebung von Fernhaltemassnahmen gegenüber Ausländern nach AuG sowie der übrigen Ausweisungen und Landesverweisungen» (vgl. Art. 365 Abs. 2 Bst. e StGB) und auf die «Prüfung der Asylwürdigkeit nach AsylG» (vgl. Art. 365 Abs. 2 Bst. f StGB). Artikel 51 Buchstabe f übernimmt das bestehende Zugangskonzept, formuliert aber die Zugangszwecke neu: ­

im Bereich Einbürgerungen (Ziff. 1) Es erfolgt eine Klarstellung, dass es nur um Einbürgerungsverfahren auf Stufe Bund geht. Die Möglichkeit, Nachkontrollen von bereits Eingebürgerten (innerhalb der Frist für die nachträgliche Nichtigerklärung gemäss Artikel 41 des Bürgerrechtsgesetzes vom 29. September 1952176) durchzuführen, lässt sich bereits heute unter den Zugangszweck «Durchführung von Einbürgerungsverfahren» (Art. 21 Abs. 3 VOSTRA-V) subsumieren. Zum besseren Verständnis nennt Ziffer 1 diesen Fall nunmehr ausdrücklich. Da die entsprechenden Personen nach der Einbürgerung nicht mehr Ausländer sind, lässt sich das Abfragerecht nicht auf VOSTRA-Daten von Ausländerinnen und Ausländern beschränken, wie dies in der Vernehmlassung 2009 vereinzelt gefordert wurde.

­

im Bereich Ausländergesetz (Ziff. 2) Nach geltendem Recht beschränkt sich die Zweckbestimmung im Ausländerbereich auf Fernhaltemassnahmen, Ausweisungen und Landesverweisungen, was in der praktischen Anwendung immer wieder Schwierigkeiten bereitet. Die Strafdaten sind nicht ­ wie die Zweckbestimmung suggeriert ­ für den eigentlichen Entscheid von Interesse, das Land verlassen zu müssen bzw. nicht einreisen zu dürfen. Vielmehr benötigen sie die Behörden bereits für den vorausgehenden Entscheid betreffend die Verweigerung des Aufent-

175 176

SR 120.4 BüG, SR 141.0

5810

halts- oder Niederlassungsrechts bzw. für die Anordnung von Sicherungsund Zwangsmassnahmen. Daher formuliert der Entwurf die Zweckbestimmung allgemeiner und lässt einen Strafregisterzugang immer dann zu, wenn die Verwendung von Strafdaten für einen Entscheid nach AuG notwendig ist.

­

im Bereich Asylgesetz (Ziff. 3) Wie bei den Entscheiden im Bereich AuG (vgl. vorstehend Ziff. 2) fasst das geltende Recht auch im Bereich AsylG die Zweckbestimmung für den Datenzugang zu eng. Es gibt im Asylbereich neben der eigentlichen «Prüfung der Asylwürdigkeit» eine Reihe weiterer Entscheide, für die Strafdaten benötigt werden. Aus diesem Grund sieht der Entwurf den VOSTRAZugang neu für alle Entscheide nach Asylgesetz vor, die anhand von Strafdaten zu treffen sind.

Bst. g (kantonale Einbürgerungsbehörde) Nach geltendem Recht verfügen die kantonalen Einbürgerungsbehörden über ein Online-Zugangsrecht auf Urteilsdaten und hängige Strafverfahren (Art. 21 Abs. 3 VOSTRA-V), weil sie dieses zur Durchführung von Einbürgerungsverfahren und von Verfahren zur Nichtigerklärung von Einbürgerungen brauchen. Daran ändert der Entwurf nichts: Neben den Urteilsdaten und den Angaben über hängige Strafverfahren erhalten die Behörden überdies Kenntnis über Einstellungsverfügungen.

Zu entscheiden ist jedoch, ob neben den kantonalen Einbürgerungsbehörden auf Stufe Kanton, auch jene auf Stufe Gemeinde einen Zugang zum Behördenauszug 2 erhalten oder ob diese sich wie heute mit dem Privatauszug sollen begnügen müssen.

Sowohl in der Vernehmlassung von 2009 als auch in jener von 2012 wurden entsprechende Forderungen vorgebracht. Dies vor allem mit den Argumenten, die kommunalen Behörden seien als erste Instanz für Einbürgerungen auf mehr Strafregisterdaten angewiesen. Zudem sei der Privatauszug bis zum Abschluss des Verfahrens oft bereits veraltet. Überdies seien Gemeindebehörden den kantonalen Behörden institutionell gleichzustellen, soweit sie auch gleiche Aufgaben erfüllten. Es sei verfahrenstechnisch verfehlt, dass Gemeindebehörden in Unkenntnis laufender Strafverfahren einen positiven Einbürgerungsentscheid fällen, obschon die kantonalen Behörden Kenntnis von den VOSTRA-Daten hätten, diese aber den Gemeindebehörden nicht mitteilen dürften.

Das gleiche Anliegen verfolgte auch die Motion Baumann (09.3460 VOSTRAEinsichtsrecht durch Einbürgerungsbehörden), die der Nationalrat entsprechend dem Antrag des Bundesrates am 25. September 2009 jedoch ablehnte177. Nach der Ansicht des Bundesrates ist ein Online-Zugang zum Behördenauszug 2 für Einbürgerungsbehörden der Gemeinden auch heute nicht angezeigt: Die Gewährung eines solchen Anschlusses hätte zur Folge, dass eine grosse Anzahl Behörden neu über einen Online-Anschluss verfügen würden. Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Gefahr des Missbrauchs steigt, je grösser die Zahl der Personen ist, die an VOSTRA angeschlossen sind. Da es sich bei den in VOSTRA gespeicherten Daten um besonders sensible Informationen ­ oder datenschutzrechtlich ausgedrückt um besonders schützenswerte Personendaten ­ handelt, ist besondere Vorsicht angezeigt, und Online-Anschlüsse sind nur zu gewähren, wenn sie unbedingt notwendig sind.

177

AB 2009 N 1801

5811

Bedeutsam ist nun aber, dass die Gemeinden ihre Aufgabe auch ohne OnlineAnschlüsse erfüllen können: Die Revision des Bürgerrechtsgesetzes178 sieht eine umfassende Zusammenarbeitspflicht auf allen Stufen vor (Art. 45 E-BüG). Diese Verpflichtung stellt eine genügende Rechtsgrundlage für eine Weitergabe von Strafregisterdaten durch die kantonale Einbürgerungsbehörde an die Einbürgerungsinstanz auf Stufe Gemeinde dar ­ sofern die kommunale Einbürgerungsbehörde bei jeder einzubürgernden Person (im Einzelfall) ein entsprechendes schriftliches Gesuch stellt. Entsprechende systematische Anfragen sind gestützt auf Artikel 45 E-BüG möglich. Künftig ist demnach sichergestellt, dass die Gemeinden die für ihre Entscheide notwendigen Informationen erhalten, ohne dass viele zusätzliche OnlineAnschlüsse gewährt werden müssen. Diese Vorgehensweise ist auch gegenüber der Idee vorzuziehen, dass die kommunalen Einbürgerungsbehörden den Behördenauszug 2 auf direkt bei der kantonalen Koordinationsstelle für das Strafregister bestellen können. Eine Bestellung via kantonale Einbürgerungsbehörde erweist sich als effizienter Weg, da diese Behörden ohnehin eng zusammenarbeiten. Zudem ist sichergestellt, dass die kantonale Einbürgerungsbehörde ­ im Unterschied zur kantonalen Koordinationsstelle ­ weiss, ob die abzufragende Person ein Einbürgerungsgesuch gestellt hat. Dies mindert das Risiko missbräuchlicher Anfragen.

Nichts hindert die Kantone und Gemeinden zudem an folgender Vorgehensweise: Bevor die Gemeinde über ein Einbürgerungsgesuch entscheidet, erfolgt auf Stufe Kanton zuerst eine Vorprüfung in Bezug auf die Strafregisterdaten. Ergeben sich dabei Hinderungsgründe für eine Einbürgerung, kann die betroffene Person das Einbürgerungsgesuch zurückziehen, ohne dass auf Stufe Gemeinde sämtliche Daten offen gelegt werden müssten.

In der Vernehmlassung 2012 wurde vereinzelt gefordert, dass die kantonalen Einbürgerungsbehörden auch Zugang zu den Urteilskopien erhalten sollen, weil die Urteilserwägungen wichtig seien. In Zusammenhang mit Artikel 24 wurde bereits dargelegt, weshalb der Zugang zu den in VOSTRA gespeicherten Urteilskopien restriktiv gehandhabt werden soll. Einbürgerungsbehörden können die Urteilskopien bei den Gerichten beziehen; diese nehmen dann auch die nötigen Schwärzungen vor ­ falls dies zum Schutz der
Interessen von im Urteil erwähnter Drittpersonen nötig ist.

Bst. h (kantonale Migrationsbehörden) Die kantonalen Migrationsbehörden (früher auch Fremdenpolizeibehörden genannt; vgl. Art. 367 Abs. 2 Bst. g StGB) erhalten im Bereich der Anwendung des AuG neu die gleichen Zugangsrechte wie das BFM. Aus diesem Grund wurde in Buchstabe h auch für die kantonalen Migrationsbehörden die Zweckbestimmung neu formuliert und ihnen ein Zugang zu Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen gewährt, da diese Informationen insbesondere für die Verfahrenskoordination sehr wichtig sein können. Der Zugang zu hängigen Strafverfahren und Daten zu Einstellungsverfügungen stellt in der Sache keine echte Neuerung dar, da bereits heute eine entsprechende (aber in der Praxis nicht immer optimal funktionierende) Meldepflicht der Strafjustizbehörden besteht.179 178

Botschaft des Bundesrates vom 4. März 2011 zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG), BBl 2011 2825.

179 Vgl. Art. 97 Abs. 3 AuG i. V. m. Art. 82 der Verordnung vom 24. Okt. 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) sowie die Ausführungen zu Art. 70.

5812

Bst. i (Führungsstab der Armee) Buchstabe i übernimmt die geltenden Zugangsrechte des Führungsstabes der Armee (vgl. Art. 367 Abs. 2 Bst. d und Abs. 4 i.V.m. Art. 365 Abs. 2 Bst. n­p StGB) unverändert.

Bst. j (das für die Sicherheitsprüfung von Polizeiangehörigen zuständige Polizeikommando) Entsprechend einer Forderung aus der Vernehmlassung 2009 erhält das jeweilige Polizeikommando einen Online-Zugang auf den Behördenauszug 2 zur Sicherheitsüberprüfung von Polizeiangehörigen und Polizeianwärterinnen und -anwärtern.

Bestehen innerhalb des Kantons mehrere selbstständige Kommandos (z. B. separate städtische Korps), so können diese ihre Polizeikräfte jeweils selbstständig überprüfen. Wie viele Prüfstellen innerhalb eines Kantons geschaffen werden, hängt somit von der kantonalen Organisation ab.

Der Behördenauszug 2 erlaubt eine weitergehende Überprüfung als der Privatauszug, der heute für solche Sicherheitsprüfungen zur Verfügung steht. Auf Bundesebene wird keine zusätzliche Stelle dazu ermächtigt, da die fedpol-Mitarbeiter regelmässig einer Sicherheitsprüfung nach BWIS unterliegen. Ebenfalls verzichtet der Entwurf darauf vorzusehen, kantonale Staatsanwälte mittels Behördenauszug 2 überprüfen zu können. Dies weil je nach der kantonalen Regelung das jeweilige Parlament Wahlbehörde für kantonale Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sein kann und es in diesem Fall nicht sachgerecht erscheint, vom Parlament zu wählende Magistratspersonen einer Sicherheitsprüfung zu unterziehen. Überdies lassen sich Staatsanwälte auch nicht ohne Weiteres mit Polizeiangehörigen vergleichen, denn diese üben unmittelbaren Zwang mit Waffengewalt aus, was eine besonders genaue Sicherheitsüberprüfung notwendig erscheinen lässt.

Bst. k (die für die Zulassung von Sicherheitsunternehmen zuständigen kantonalen Stellen) Neu erhält die für die Bewilligung von privaten Sicherheitsdienstleistungen zuständige kantonale Stelle ein Online-Zugangsrecht auf den Behördenauszug 2, sei es für die Zulassung von Personen, die in einem Sicherheitsunternehmen arbeiten, oder für die Marktzulassung des Sicherheitsunternehmens selbst. Nach geltendem Recht erhalten die kantonalen Bewilligungsbehörden nur Einblick in den Privatauszug.

Bst. l (die für die Zulassung von im Ausland tätigen Sicherheitsunternehmen zuständige Bundesstelle) Am 27. September
2013 hat das Parlament das Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) verabschiedet.180 Dieses Gesetz unterstellt bestimmte Unternehmen, die Sicherheitsdienstleistungen mit Auslandsbezug erbringen, einer Meldepflicht und einem Prüfverfahren (Art. 10 und 12 ff. BPS). Die für den Vollzug des BPS zuständige Bundesbehörde (vgl. Art. 38 Abs. 2 BPS) hat einem solchen Sicherheitsunternehmen eine Tätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise zu verbieten (Art. 14 Abs. 2 BPS).

Aus diesem Grund ist u.a. auch der strafrechtliche Leumund von Personen zu prüfen, die für solche Sicherheitsunternehmen verantwortlich sind oder die im Unternehmen für die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen eingesetzt werden.

180

Referendumsvorlage in: BBl 2013 7353.

5813

Dafür genügen die im Privatauszug enthaltenen Daten nicht in jedem Fall, weshalb die für den Vollzug des BPS zuständige Bundesbehörde auch besonders schützenswerte Personendaten im Zusammenhang mit «strafrechtlichen Verfolgungen und Sanktionen» bearbeiten darf (vgl. Art. 20 BPS). Behörden des Bundes (also auch die registerführende Stelle) müssen ihr die erforderlichen Personendaten bekannt geben (Art. 28 BPS). Im Sinne einer Konkretisierung dieser Grundsätze stellt Artikel 51 Buchstabe l klar, dass ein Zugang zum Behördenauszug 2 gewährt wird, der auch Daten über hängige Strafverfahren enthält. Aufgrund der zu erwartenden hohen Zahl der Abfragen ist ein Online-Zugang vorgesehen.

Bst. m (Bundesamt für Statistik [BFS]) Bereits heute erhält das BFS periodisch VOSTRA-Daten der Strafdatenverwaltung zur Erfüllung seiner Aufgaben nach dem Bundesstatistikgesetz vom 9. Oktober 1992181 (Art. 365 Abs. 2 Bst. j StGB i.V.m. Art. 33 Abs. 2 VOSTRA-V; vgl. neu Art. 66). Darüber hinaus benötigt das BFS einen Online-Zugang zu VOSTRA, um bei Unklarheiten die gelieferten Daten nochmals kontrollieren zu können. Buchstabe m schafft dafür eine formell-gesetzliche Grundlage.

Bst. n (für die Löschung von DNA-Profilen und erkennungsdienstlicher Daten zuständigen zentralen Stellen der Kantone) DNA-Profile sind gemäss den Artikeln 16­19 des DNA-Profil-Gesetzes vom 20. Juni 2003182 von Amtes wegen aus der DNA-Datenbank zu löschen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, die sich unter Umständen erst im Verlaufe des Strafverfahrens ergeben (z. B. Ausschluss als Täter, Einstellung, Ablauf der Probezeit bei bedingtem Vollzug, Vollzug der Sanktion). Um diese Löschungsvoraussetzungen in der DNA-Datenbank zu vermerken, bedarf es entsprechender Meldungen der kantonalen DNA-Koordinationsstelle nach Artikel 12 DNA-ProfilVerordnung vom 3. Dezember 2004183.

Wie fedpol bei seiner Kontrolle der DNA-Profil-Daten feststellt, ist für einzelne DNA-Profile auch nach Ablauf eines Jahres seit Registrierung des Profils in der DNA-Datenbank oftmals kein Löschungsdatum im System vermerkt. Dies entweder deshalb, weil der Löschungsgrund gemäss Artikel 16 DNA-Profil-Gesetz noch gar nicht eingetreten ist, oder weil die notwendige Meldung gemäss Artikel 12 DNAProfil-Verordnung nicht erfolgt ist. Fedpol stellt daher durch regelmässige Kontrollen
sicher, dass in allen Fällen auch tatsächlich eine gesetzeskonforme Löschung der DNA-Profile erfolgt. Zu diesem Zweck meldet der zuständige Dienst von fedpol der kantonalen DNA-Koordinationsstelle jeweils alle Personen, bei denen die Löschungsangaben noch ausstehen. Die kantonale DNA-Koordinationsstelle ihrerseits muss danach bei der Behörde nachfragen, welche das DNA-Profil hat eintragen lassen.

Im Zuge der Schaffung des vorliegenden Gesetzes sollen die Löschfristen, denen die DNA-Profile nach den obgenannten Bestimmungen des DNA-Profil-Gesetzes unterliegen, auch für die erkennungsdienstlichen Daten nach Artikel 354 StGB übernommen werden, so dass neu für diese beiden Kategorien erkennungsdienstlicher Daten eine einheitliche Löschregelung besteht (siehe dazu Ziff. 2 des Anhangs betreffend die Änderung anderer Erlasse). Zuständig für die Löschmeldung bei 181 182 183

BstatG, SR 431.01 SR 363 SR 363.1

5814

erkennungsdienstlichen Daten nach Art. 354 StGB ist ebenfalls eine zentrale Stelle in jedem Kanton (vgl. Art. 22 Abs. 3 der Verordnung über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten in ihrer Neufassung vom 6. Dezember 2013184).

Der oben beschriebene Ablauf für die Löschung der DNA-Profile und der weiteren erkennungsdienstlichen Daten lässt sich vereinfachen und beschleunigen, wenn die zuständigen zentralen Stellen der Kantone Zugang zum Behördenauszug 2 erhalten.

Denn je schneller klar ist, ob das Verfahren noch hängig ist oder ob bereits ein rechtskräftiges Strafurteil gefällt oder eine rechtskräftige Einstellungsverfügung erlassen worden ist, desto schneller und zielgerichteter kann die säumige Behörde ausfindig gemacht werden. Hinzu kommt, dass die gemeldeten Daten oft nicht vollständig sind (so fehlt z. B. oft die Angabe der Dauer der Probezeit). Der Strafregistereintrag ist somit auch hilfreich, um schnell die fehlenden Daten zu ermitteln.

Aus diesem Grund erhalten die zentralen Stellen in den Kantonen gleich wie die beim Bund zuständigen Stellen (vgl. Art. 51 Bst. a Ziff. 10) einen Online-Zugang zum Behördenauszug 2. Da die zentrale Stelle in vielen Kantonen bei der kantonalen Koordinationsstelle für das Strafregister (Art. 5) angegliedert ist, wird die Erteilung entsprechender Zugangsrechte nicht zur Folge haben, dass viele neue Nutzer angeschlossen werden müssen.

Art. 52

Online abfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 3

Alle nach heutigem Recht zugangsberechtigten Behörden, die keinen Zugang zum Behördenauszug 1 erhalten (vgl. Art. 50) und einen Online-Anschluss, aber keine Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen benötigen, erhalten Zugang zum Behördenauszug 3 (Art. 44). Konkret geht es um folgende Behörden und Zugangszwecke: Bst. a (kantonale Strassenverkehrsbehörden) Das geltende Zugangsrecht der kantonalen Strassenverkehrsbehörden (vgl. Art. 367 Abs. 2 Bst. h i.V.m. Art. 365 Abs. 2 Bst. h StGB) wird unverändert übernommen.

Bst. b (Vollzugsstelle für den Zivildienst) Die Vollzugsstelle für den Zivildienst verfügt für den Ausschluss von der Zivildienstleistung und für die Beurteilung der Eignung für bestimmte Einsätze bereits heute über einen Online-Zugang zu Urteilsdaten aus VOSTRA (vgl. Art. 367 Abs. 2 Bst. j i.V.m. Art. 365 Abs. 2 Bst. l und m StGB). Die Vollzugsstelle soll für die vorstehend genannten Zwecke daher ein Online-Zugangsrecht auf den Behördenauszug 3 erhalten. Weil ein Ausschluss von der Zivildienstleistung nur aufgrund einer Verurteilung erfolgen kann, benötigt die Vollzugsstelle für diesen Zweck keinen Zugang zu Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen.

Nach geltendem Recht (Art. 367 Abs. 4bis StGB) kann die Vollzugstelle mit Einwilligung der betroffenen Person auf schriftliches Gesuch hin auch Einsicht in Daten über hängige Strafverfahren nehmen, wenn solche Informationen für die Eignung für bestimmte Einsätze von Bedeutung sind. Dafür benötigt die Vollzugsstelle neu einen Zugang zum Behördenauszug 2. Es fragt sich, ob der Vollzugsstelle auch für diesen Zweck ein Online-Anschluss gewährt werden sollte. Dies erscheint schon deshalb nicht sinnvoll, weil für die gleiche Behörde (mitunter sogar für die gleichen 184

Vgl. AS 2014 163 (Inkrafttreten erfolgt am 1. Sept. 2014).

5815

Mitarbeiter) zwei unterschiedliche Online-Zugangsprofile installiert werden müssten. Zudem ist der Bedarf nicht ausgewiesen, haben doch die Vollzugstellen bislang nur wenige schriftliche Gesuche gestellt. Aus diesen Gründen sieht der Entwurf vor, am heutigen System festzuhalten: Für alle Zwecke besteht ein Online-Zugang auf Urteilsdaten; nicht aber auf hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen (Art. 52 Bst b). Sofern es zur Beurteilung der Eignung für bestimmte Einsätze nötig ist, soll auf schriftliches Gesuch hin ein Behördenauszugs 2 angefordert werden können, der auch Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen enthält (vgl. Art. 56 Bst. g). Immerhin sieht der Entwurf eine Vereinfachung vor, indem er auf das Erfordernis der Einwilligung der betroffenen Person verzichtet.

Denn es lässt sich nicht begründen, weshalb für die Vollzugstelle strengere Anforderungen gelten sollen als für eine andere Behörde, die schriftliche Abfragen stellen darf (vgl. zu weiteren Rechtsänderungen auch Anhang 1 Ziff. 7).

Bst. c (kantonale Zivilschutzbehörden) Der Entwurf übernimmt das geltenden Zugangsrecht der kantonalen Zivilschutzbehörden (vgl. Art. 367 Abs. 2 Bst. k i.V.m. Art. 365 Abs. 2 Bst. q StGB) unverändert.

Bst. d (die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht [FINMA]) Die FINMA hat die Aufgabe, die obersten Organe ihrer Beaufsichtigten einer Leumundsprüfung im Rahmen der Überprüfung der Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit zu unterziehen oder die Gewähr abzuklären, wenn Hinweise auf die fehlende Gewähr bestehen.185 Nach geltendem Recht erfolgt die Prüfung in Bezug auf das Vorliegen rechtskräftiger Strafurteile mit Hilfe des Privatauszuges. Der Entwurf räumt der FINMA einen Online-Zugang auf den Behördenauszug 3 ein.

Damit erhält die FINMA eine bessere und schnellere Informationsgrundlage, um in den von ihr geführten Verfahren die nötigen Erkundigungen vorzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass die FINMA mehrere VOSTRA-Abfragen pro Woche tätigen wird.

Bst. e (die Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde [RAB]) Seit dem 1. Dezember 2012 regelt Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe j VOSTRA-V das Zugangsrecht der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde (RAB). Der Entwurf übernimmt diese Regelung in der Sache. Im Unterschied zum bisherigen Recht soll die RAB neu einen Onlinezugang
erhalten, da wöchentlich mehrere Fälle zu bearbeiten sind. Zudem wurde die Zweckbestimmung sprachlich leicht modifiziert (neu wird auch die Erteilung von Verweisen explizit genannt).

Die RAB hat die Aufgabe, die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen für natürliche Personen und Revisionsunternehmen (vgl. Art. 104 Bst. b) zu überprüfen und die Zulassung zu entziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind.

Die Zulassung erfolgt insbesondere nur dann, wenn die gesuchstellende Person über einen unbescholtenen Leumund verfügt bzw. Gewähr für eine einwandfreie Prüftä-

185

Sog. Gewährserfordernis, vgl. z. B. Art. 3 Abs. 2 Bst c des Bankengesetzes vom 8. Nov.

1934 (BankG, SR 952.0), Art. 10 Abs. 2 Bst. d des Börsengesetz vom 24. März 1995 (BEHG, SR 954.1), Art. 14 Abs. 1 Bst. a des Kollektivanlagengesetzes vom 23. Juni 2006 (KAG, SR 951.31), Art. 14 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dez. 2004 (VAG, SR 961.01) sowie Art. 14 Abs. 2 Bst c GwG.

5816

tigkeit bietet.186 Strafrechtliche Verfehlungen bilden einen wesentlichen Teil der Leumunds- bzw. Gewährsprüfung. Im Weiteren hat die RAB die Aufgabe, bei Verstoss gegen rechtliche Pflichten die verantwortlichen natürlichen Personen und Revisionsunternehmen zu sanktionieren (Entzug, Verweis oder andere Anweisungen bzw. Massnahmen187). Die Wichtigkeit und Häufigkeit der dafür notwendigen Informationen rechtfertigt den Online-Zugang zum Behördenauszug 3.

Art. 53

Online abfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 4

Nach geltendem Recht können nur Privatpersonen einen Privatauszug beziehen (vgl.

Art. 371 StGB und 24 VOSTRA-V). Der Entwurf sieht vor, dass auch einzelne Behörden in einen erweiterten Privatauszug direkt bei VOSTRA Einsicht nehmen können, nämlich die für den Vollzug des WG zuständigen Behörden der Kantone (wozu auch die Behörden der Gemeinden gehören) und des Bundes. Diese Behörden können Einsicht nehmen in einen als «Behördenauszug 4» bezeichneten Auszug, der neben den Angaben des Privatauszugs (vgl. Art. 46) auch Daten über hängige Strafverfahren enthält. Verschiedene Teilnehmer der Vernehmlassung 2012 haben einen solchen Zugang zu Daten über hängige Strafverfahren gefordert, weil diese Daten zur frühzeitigen Erkennung möglicher Fremdgefährdungen nützlich sein könnten (vgl. Art. 8 Abs. 2 Bst. c WG). Die Kenntnis über hängige Verfahren ermöglicht es der Bewilligungsbehörde zudem, ein Verfahren um Erteilung eines Waffenscheins zu sistieren, bis Klarheit über den Ausgang des Strafverfahrens besteht.

Da das Waffengesetz selbst nicht weitergehende Urteilsangaben als die im Privatauszug enthaltenen (vgl. Art. 8 Abs. 2 Bst. d WG) vorsieht, wäre ein Zugang zum Behördenauszug 2 unverhältnismässig.

Da im Bewilligungsverfahren oftmals rasches Handeln erforderlich ist, sieht der Entwurf die Gewährung eines Online-Zugangs vor.

Für den Entzug einer Bewilligung oder die Beschlagnahme bzw. Einziehung einer Waffe bedarf es nicht nur eines Online-Zugangsrechts, vielmehr müssen die zuständigen Behörden auch automatisch von neuen Urteilen und Verfahren Kenntnis erhalten. Ein solcher Automatismus erfordert die Schaffung entsprechender Schnittstellen, die sich jedoch erst dann realisieren lassen, wenn die Waffendatenbanken dereinst die AHVN13 als Identifikator nutzen dürfen (vgl. die Ausführungen zu Art. 71).

Art. 54

Online abfragende Behörden mit Zugang zu Daten betreffend die Bestellung von Auszügen aus einem ausländischen Strafregister

VOSTRA erfasst bereits heute Daten über die Online-Bestellung von Auszügen aus einem ausländischen Strafregister (Art. 28). Absatz 1 regelt, welche Behördentypen Einblick in diese Daten nehmen können. Abgesehen von der registerführenden Stelle, welche für die Weiterleitung und Bearbeitung der Gesuche zwingend Einblick in diese Daten benötigt (vgl. Art. 54 Abs. 1 Bst. b), soll der Bundesrat in einer Verordnung die einzelnen Behörden bezeichnen, die entsprechende Gesuche stellen können (Abs. 2). Mit dieser Delegation lässt sich der Kreis der berechtigten Behör186

Art. 4, 5 und 9 Abs. 1 Bst. b Revisionsaufsichtsgesetz vom 16. Dez. 2005 (RAG, SR 221.302) und Art. 4 Abs. 1 Revisionsaufsichtsverordnung vom 22. Aug. 2007 (RAV, SR 221.302.3).

187 Art. 16­18 RAG.

5817

den rascher an veränderte Verhältnisse anpassen. Wie sich aus Absatz 1 ergibt, kommen aber ohnehin nur Behörden in Frage, die bereits über ein OnlineZugangsrecht auf VOSTRA verfügen, da bei den anderen das Programm gar nicht vor Ort verfügbar ist. In erster Linie ist an Behörden zu denken, denen aufgrund internationaler Verträge ein Anspruch auf eine Antwort aus dem Ausland zusteht, wie dies heute etwa bei Anfragen von Strafjustiz-, Militärjustiz- und Strafvollzugsbehörden der Fall ist. Für andere Behörden ist das Zugangsrecht auf Zwecke limitiert, für die nach diesem Gesetz ein Zugang zu einem schweizerischen Auszug besteht (so ist gewährleistet, dass etwa das BFM und die kantonalen Migrationsbehörden weiterhin Auszüge bestellen dürfen; vgl. Anhänge 2 und 3 der VOSTRA-V).

Ob in diesen Fällen aus dem Ausland auch eine Antwort zu erwarten ist, bestimmt einzig die ausländische Gesetzgebung.

Art. 55

Schriftlich anfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 1

Die Militärjustizbehörden haben Anspruch auf den Behördenauszug 1 (Art. 42), da sie im Kernbereich von VOSTRA tätig sind. Artikel 55 legt denn Zweck der Anfrage deshalb auch inhaltlich fest wie jener für zivile Strafjustizbehörden (vgl. Art. 50 Abs. 1 Bst. a). Nach geltendem Recht verfügen diese Behörden zwar über ein Online-Anschlussrecht (Art. 367 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 Bst. a StGB), sind jedoch tatsächlich nicht online an VOSTRA angeschlossen, da sie keinen festen Standort haben und jeweils ad-hoc gebildet werden. Der Entwurf legt deshalb fest, dass die Militärjustizbehörden den Behördenauszug 1 schriftlich anfragen müssen.

Art. 56

Schriftlich anfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 2

Bst. a (Erwachsenen- und Kindesschutzbehörden) Heute regelt Artikel 22 Absatz 1 Buchstaben d und e VOSTRA-V die Zugangsrechte der «kantonalen und kommunalen Vormundschaftsbehörden» sowie der «für den fürsorgerischen Freiheitsentzug zuständigen kantonalen Behörden» und gewährt diesen Behörden Einblick in die Urteilsdaten.

Entsprechend der Terminologie des nunmehr geltenden Kindes- und Erwachsenenschutzrechts spricht der Entwurf von den kantonalen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (wobei allfällige kommunale Behörden mit gemeint sind) und gewährt diesen Zugang nicht nur zu Urteilsdaten, sondern auch zu Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen. Solche Informationen sind wichtig zur Einschätzung möglicher Gefährdungen, insbesondere des Kindeswohls, und können von den genannten Behörden im Rahmen der Anordnung oder Aufhebung von Massnahmen des Kindes- oder Erwachsenschutzes verlangt werden (Bst. a).

Einzelne Teilnehmende der Vernehmlassung 2012 verlangten überdies ein Zugangsrecht der Erwachsenenschutzbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich des Vorsorgeauftrages. Nach Artikel 363 Absatz 2 ZGB prüft die Erwachsenenschutzbehörde die Eignung der im Vorsorgeauftrag nach Artikel 360 ZGB beauftragten Person und trifft gemäss Artikel 368 ZGB die nötigen Massnahmen, sofern sie die Interessen der auftraggebenden Person gefährdet sieht. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die Vermögensverwaltung einer drogenabhängigen oder wegen mehrfachen Betruges vorbestraften Person anvertraut werden soll. Auch wenn die Einsetzung der beauftragten Person nicht durch die Erwachsenenschutzbehörde erfolgt, lassen sich die allfälligen Folgemassnahmen ohne weiteres unter die in Buchstabe a 5818

erwähnte Zweckbestimmung der Anordnung oder Aufhebung von Massnahmen des Erwachsenenschutzes subsumieren. Es ist daher nicht nötig, im Gesetz für Abklärungen im Vorsorgebereich einen eigenständigen Zugangszweck festzuschreiben.

In der Vernehmlassung 2009 (vgl. Ziff. 1.1.1) sowie in der Vernehmlassung 2012 wurde überdies vereinzelt gefordert, den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden einen Online-Zugang zu gewähren. Dies mit der Begründung, insbesondere im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung müssten diese Behörden möglichst rasch über Informationen aus dem Strafregister verfügen. Dem steht jedoch entgegen, dass in akuten Ausnahmesituationen, die schnelles Handeln erfordert, die Strafregisterinformationen nicht die wichtigste Entscheidgrundlage darstellen. Zur besseren Beurteilung der Fremdgefährdung kann zudem auch die Polizei beigezogen werden, welche neu über den nötigen VOSTRA-Zugang verfügt. Auch in Anbetracht der bisher geringen Anzahl getätigter Anfragen pro Behörde sowie der dezentralen Organisationsstruktur erweist sich ein Online-Zugang nicht als nötig und sinnvoll.

Bst. b (für die fürsorgerische Unterbringung zuständige Ärzte) Gemäss Artikel 429 ZGB können die Kantone auch Ärzte und Ärztinnen bezeichnen, die neben der Erwachsenenschutzbehörde eine fürsorgerische Unterbringung anordnen dürfen. Einige Kantone übertragen diese Kompetenz an alle in ihrem Gebiet tätigen Ärztinnen und Ärzte.

Informationen aus dem Strafregister können diesen Ärztinnen und Ärzte helfen, eine mögliche Fremdgefährdung besser zu erkennen. Deshalb gewährt der Entwurf diesen Ärztinnen und Ärzten gleich wie den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden ein schriftliches Zugangsrecht zum Behördenauszug 2.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht erscheint diese Regelung jedoch nicht optimal, weil sie einer Vielzahl von Personen ein Zugangsrecht gewährt, vor allem wenn alle Ärztinnen und Ärzte eines Kantons Unterbringungen anordnen dürfen. Würde man den Ärztinnen und Ärzten keinen Zugang gewähren, so müssten die Kindes- und Erwachsenschutzbehörden die Informationen aus dem Strafregister beschaffen, welche die ärztlichen Einweisungen ohnehin binnen 6 Monaten überprüfen müssen (vgl. Art. 431 ZGB). Dies würde allfällige Missbräuche des Zugangsrechts eher verhindern, könnte aber zu Verzögerungen führen. Deshalb sieht der Entwurf
von einer solchen Regelung ab.

Bst. c (Behörden im Bereich Pflegekinderaufsicht) Heute müssen sich die nur im Bereich der Pflegekinderaufsicht tätigen Behörden (welche nicht gleichzeitig KESB oder Adoptionsbehörde sind) mit dem Privatauszug begnügen, der für die Erfüllung der entsprechenden Aufgaben jedoch nicht genügt, da zum Schutz der Pflegekinder auch Urteile nach Ablauf der Probezeit sowie Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen (insbesondere im Bereich der häuslichen Gewalt) benötigt werden. Buchstabe c räumt deshalb den für die Bewilligung und Aufsicht im Bereich der Pflegekinderaufsicht nach Artikel 316 Absatz 2 ZGB zuständigen kantonalen Behörden (wobei kommunale Behörden mit gemeint sind) einen Zugang auf schriftlichem Weg zum Behördenauszug 2 ein. Dies zum Zwecke der Überprüfung des Leumunds von Betreuungspersonen, die nach Bundesrecht oder kantonalem Recht einer Bewilligungspflicht und einer Beaufsichtigung unterstehen. Die Pflegekinderverordnung vom 19. Oktober 1977188 (PAVO) 188

SR 211.222.338

5819

regelt die Bewilligungspflicht und unterscheidet zwischen Familienpflege (Art. 4 ff.

PAVO), Tagespflege (Art. 12 PAVO) und Heimpflege (Art. 13 ff. PAVO). Die Kantone können jedoch noch weitere Pflegetätigkeiten einer Bewilligung unterstellen, womit für diese Tätigkeiten dann ebenfalls ein Behördenauszug 2 verlangt werden kann.

Soweit die Pflegekinderaufsicht vom Kanton der KESB zugewiesen wurde, überschneidet sich dieses Zugangsrecht mit demjenigen gemäss Artikel 56 Buchstabe a (da die Bewilligungserteilung ebenfalls als Kindesschutzmassnahme angesehen werden kann).

Bst. d (kantonale Adoptionsbehörden) Die Begründung für die Schaffung eines Zugangsrechts im Bereich Pflegekinderaufsicht nach Buchstabe c gilt auch für die im Bereich der Kindesadoption tätigen Behörden. Bundesrechtlich muss jeder Kanton eine zentrale Ansprechstelle für Adoptionsverfahren vorsehen (Art. 316 Abs. 1bis ZGB), wobei er diese Stelle auch bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ansiedeln kann. In diesem Fall kann es auch hier zu Überschneidungen bei den Zugangsrechten kommen. Diese kantonalen Adoptionsbehörden haben hinsichtlich des Strafregisters die gleichen Rechte wie die Kindes- oder Erwachsenenschutzbehörden. Da weder die Zahl der Adoptionsverfahren (gesamtschweizerisch etwa 500) noch deren Dringlichkeit ein OnlineZugangsrecht auf VOSTRA rechtfertigen oder gar erforderlich machen, behält der Entwurf in der Sache das geltende Zugangsrecht gemäss Artikel 22 Absatz 1bis VOSTRA-V bei und gewährt den Adoptionsbehörden zur Prüfung der Adoptionseignung künftiger Adoptiveltern ein schriftliches Zugangsrecht, welches sie via kantonale Koordinationsstelle KOST ausüben können.

Diese Zentralstellen für Adoption nehmen jeweils auch die Pflegekinderplatzierung vor als Vorbedingung für eine spätere Adoption (Art. 264 ZGB). Die Prüfung der Adoptionseignung soll bereits in diesem Stadium erfolgen. Es ist möglich, dass eine andere Behörde später die Adoption ausspricht. Da diese Behörde jedoch aufgrund der Unterlagen entscheidet, welche die Zentralstelle für Adoptionen beibringt, benötigt sie kein eigenes Zugangsrecht auf VOSTRA.

Bst. e (Zentralstelle für internationale Adoptionen) Gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a des Übereinkommens vom 29. Mai 1993189 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der
Internationalen Adoption hat die Zentralstelle Internationale Adoptionen des Bundesamtes für Justiz alle geeigneten Massnahmen zu treffen, um «Auskünfte über die Lage ... der künftigen Adoptiveltern einzuholen, aufzubewahren und auszutauschen». Im geltenden Recht fehlt eine entsprechende Umsetzung dieser Norm in Bezug auf das Einholen der Strafregisterauszüge und es gibt daher auch keine Zweckbestimmung, die der Zentralstelle einen Zugang zu VOSTRA-Daten einräumt. Deshalb muss sich die Zentralstelle damit begnügen, von künftigen Adoptiveltern einen Privatauszug zur Prüfung des Leumundes zu verlangen. Dies genügt in der Sache jedoch nicht, weshalb Buchstabe d der Zentralstelle ein analoges Zugangsrecht schafft, wie es den Kindes- oder Erwachsenenschutzbehörden eingeräumt wird.

189

SR 0.211.221.311

5820

Bst. f (für Personensicherheitsprüfungen zuständige kantonale Behörden) Bei diesen Stellen handelt es sich um kantonale Behörden, die in Anwendung von Artikel 19 Absatz 2 BWIS Sicherheitsprüfungen für Bedienstete ihres Kantons durchführen, sofern diese unmittelbar bei Aufgaben des Bundes nach BWIS mitwirken. Artikel 19 Absatz 2 zweiter Satz BWIS sieht ausdrücklich vor, dass diese Stellen die Mitwirkung des Bundes beanspruchen können. Artikel 7 PSPV präzisiert diesen Grundsatz: «Bei Angestellten der Kantone wird eine Sicherheitsprüfung auf Antrag der zuständigen kantonalen Behörde durchgeführt, wenn die betreffende Person eine Funktion übernimmt, bei der sie unmittelbar bei Aufgaben des Bundes nach dem BWIS mitwirkt.» Falls die kantonalen Stellen ­ zusätzlich zu den ohnehin bei der KOST erhältlichen Urteilsdaten (vgl. Art. 22 Abs. 1 Bst. f VOSTRA-V) ­ auch Auskünfte betreffend Daten über hängige Strafverfahren brauchen, könnten sie diese auch bei der Fachstelle PSP des VBS beziehen (dessen Zugangsrecht neu in Art. 51 Bst. e geregelt ist). Es erscheint aber sinnvoller, ihnen diese Daten direkt zu liefern, statt zwei verschiedene Prozesse zu definieren, nämlich einen für Urteilsdaten und einen für Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen.

Aus diesem Grund erteilt der Entwurf den für die Durchführung von Personensicherheitsprüfungen zuständigen kantonalen Behörden künftig auch Zugang zu Daten über hängige Strafverfahren und Einstellungsverfügungen.

Die oben beschriebene Erweiterung der Zugangsrechte gilt nicht für Sicherheitsprüfungen ausserhalb des BWIS, soweit solche nicht ausdrücklich vorgesehen sind (wie etwa in Art. 51 Bst. j für die Leumundsprüfung im Polizeibereich).

Bst. g (Vollzugsstelle für den Zivildienst) Vgl. hierzu die Ausführungen zu Artikel 52 Buchstabe b.

Bst. h (Zivilgerichte) Neu haben Zivilgerichte ein Zugangsrecht auf schriftlichem Weg auf den Behördenauszug 2, soweit dies zur Beweiserhebung notwendig ist. Nach Artikel 160 Absatz 1 ZPO190 sind nicht nur die Parteien, sondern auch Dritte zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung verpflichtet und haben z. B. Urkunden herauszugeben. Diese Mitwirkungspflicht ist vorbehältlich bestimmter Verweigerungsrechte umfassend und kann zwangsweise durchgesetzt werden. Artikel 160 Absatz 1 ZPO bildet somit zwar eine genügende
Rechtsgrundlage für die Herausgabe von Strafregisterdaten; allerdings ergibt sich nicht, auf welche Strafregisterauszüge sich die Editionspflicht bezieht. Der Entwurf stellt deshalb klar, dass Zivilgerichte den Behördenauszug 2 verlangen können. Beispielhaft nennt Buchstabe h die Beweiserhebung bei der Anordnung und Aufhebung von Kindesschutzmassnahmen. Solche Kindesschutzmassnahmen ordnet nicht nur die Kindes- und Erwachsenenschutzgebehörde an, sondern auch ein Zivilgericht, namentlich im Rahmen von Eheschutz- oder Ehescheidungsverfahren). Hier dienen die Strafregisterdaten der Abklärung möglicher Gefährdungen des Kindeswohls. Als Sonderfall einer Beweiserhebung wird dieser Zugangszweck in Artikel 56 Buchstabe h noch speziell erwähnt.

Ferner benötigen Zivilgerichte auch Zugang zu VOSTRA, soweit sie als Rechtsmittelinstanzen für zugangsberechtigte Behörden tätig sind. Diese Art des Zugangs deckt bereits Artikel 58 ab, so dass es dafür keiner weiteren Zweckbestimmung in Buchstabe h bedarf. In der Vernehmlassung 2012 wurde für Zivilgerichte zur Über190

SR 272

5821

prüfung von Entscheiden betreffend die fürsorgerische Unterbringung ein OnlineZugangsrecht verlangt. Dies ist nicht nötig, da innerhalb der geforderten 5 Arbeitstage nach Eingang der Beschwerde (Art. 450e Abs. 5 ZGB) ein Strafregisterauszug problemlos auf schriftlichem Weg zugänglich ist.

Bst. i (Bundesamt für Sport) Nach geltendem Recht entscheidet das Bundesamt für Sport (BASPO) über die Erteilung, die Sistierung und den Entzug von Anerkennungen als «Jugend und Sport»-Kader (Art. 9 Abs. 4 des Sportförderungsgesetzes vom 17. Juni 2011191, SpoFöG) und kann auf konkreten Verdacht hin auch entsprechende Leumundsprüfungen durchführen (Art. 10 SpoFöG). Dabei beschafft es die notwendigen Informationen durch Einreichung eines schriftlichen Gesuches beim Strafregister. (Art. 367 Abs. 4ter StGB). Buchstabe i übernimmt diese Regelung, die seit 1. Oktober 2012 gilt.

Bst. j (Begnadigungsbehörden) Das geltende Recht gewährt den Begnadigungsbehörden auf Stufe Bund und Kantone zur Durchführung von Begnadigungsverfahren ein Zugangsrecht, das jedoch keine Daten über hängige Verfahren umfasst (Art. 22 Abs. 1 Bst. g VOSTRA-V).

Da die Begnadigungsverfahren nicht sehr häufig und auch nicht dringlich sind, behält der Entwurf die Gewährung des Zugangsrechts auf schriftlichem Weg bei.

Hingegen bezieht sich das Zugangsrecht neu auch auf Daten über hängige Strafverfahren. Dies erscheint notwendig, weil sich eine Person kaum als begnadigungswürdig bezeichnen lässt, gegen die im Zeitpunkt des Entscheides über eine Begnadigung ein oder gar mehrere Strafverfahren hängig sind.

Bst. k (Sicherheitsprüfung für Mitarbeiter von Anstalten des Straf- und Massnahmenvollzugs sowie von Anstalten für Untersuchungs- und Sicherheitshaft) Im Vorentwurf wurde noch vorgeschlagen, den Behörden des Straf- und Massnahmenvollzugs einen Online-Zugang zum Behördenauszug 1 zu gewähren zur «Sicherheitsprüfung von Anstaltspersonal» (Art. 46 Abs. 1 Bst. d VE-StReG).

Auch der Entwurf sieht die Möglichkeit von Sicherheitsprüfungen in diesem Bereich vor, ändert aber die Regelung des Vorentwurfs in verschiedenen Punkten und lehnt sich dabei an die Bestimmung über die Sicherheitsprüfung im Polizeibereich (Art. 51 Bst. j) an: Zunächst erhalten nicht die Behörden des Straf- und Massnahmenvollzugs Zugang zum Strafregisterauszug, sondern die Stelle, welche
für die Anstellung des Personals in Straf- und Massnahmenvollzugsanstalten sowie in Anstalten für Untersuchungsund Sicherheitshaft zuständig ist. Dies hängt von der kantonalen Organisationsstruktur ab, so dass es sich um die Leitung der jeweiligen Vollzugseinrichtung, aber auch um die Leitung des gesamten Justizvollzugs oder um die Exekutive eines Kantons handeln kann.

Sodann beschränkt sich der Anwendungsbereich nicht auf «Anstaltspersonal», sondern berücksichtigt, dass nicht nur eigenes Personal in Justizvollzugseinrichtungen tätig ist, sondern auch zum Vollzug beigezogenes externes Fachpersonal. Das Zugangsrecht bezieht sich deshalb auch auf diese Personen, nicht aber auf Personen,

191

SR 415.0

5822

die nur sporadisch und ohne Vollzugsauftrag in der Anstalt tätig sind (z. B. Handwerker).

Gleich wie bei der Sicherheitsprüfung im Polizeibereich (Art. 51 Bst. j) bezieht sich der Zugang auf den Behördenauszug 2; die Kenntnis auch von Urteilsbegründungen ­ und damit der Zugang zum Behördenauszug 1 ­ ist dagegen nicht erforderlich.

Schliesslich erscheint auch ein Online-Zugang entbehrlich, zumal diese Überprüfungen regelmässig weder dringlich sind noch in grosser Anzahl durchgeführt werden.

Art. 57

Zugang für ausländische Behörden

Nach Absatz 1 gibt die registerführende Stelle ausländischen Behörden auf deren Ersuchen Registerauszüge ab, sofern ein internationales Übereinkommen, ein Staatsvertrag oder ein formelles Gesetz dies vorsieht. Diese Anforderungen sind sehr restriktiv. Vor allem für Behörden ausserhalb der Strafrechtspflege ist es auf dieser Basis kaum möglich, Auszüge aus dem Schweizerischen Strafregister zu erhalten, da kaum entsprechende Rechtsgrundlagen bestehen. Damit entspricht die Regelung weitgehend dem geltenden Recht (Art. 23 Abs. 1 VOSTRA-V), das jedoch auch die Gewährung von Gegenrecht als Rechtsgrund für einen Datenaustausch nennt. Dieses Erfordernis hat in der Praxis jedoch kaum Bedeutung erlangt, da sein Anwendungsbereich im Amtshilfebereich (mangels entsprechender formell-gesetzlicher Rechtsgrundlagen) nur auf Anfragen aus dem Heimatstaat im Sinne von Artikel 368 StGB beschränkt ist. Daher nennt der Entwurf das Gegenrechtserfordernis nicht mehr (vgl.

zum Verzicht auf Erteilung eines Zugangsrechts für ausländische Nicht-Justizbehörden, soweit sie die gleichen Aufgaben erfüllen wie angeschlossene schweizerische Behörden, die Ausführungen in Ziff. 1.5.4).

Da es neu verschiedene Behördenauszüge gibt (vgl. Ziff. 1.3.1), legt Absatz 2 fest, dass die ausländische Behörde jene Kategorie des Auszugs erhält, den ihr funktionelles Pendant in der Schweiz erhalten würde. Eine solche Zugangsregelung für alle ausländischen Behörden ist vorzuziehen gegenüber der Einzel-Nennung bei den schriftlichen Zugangsrechten (z. B. die Nennung ausländischer Strafjustizbehörden in Art. 55), da die Norm bei neuen Staatsverträgen nicht immer wieder überarbeitet werden muss.

Der Behördenauszug 1 vermittelt auch Zugang zu den im Strafregister enthaltenen elektronischen Kopien nach Artikel 24 (vgl. Art. 42 Abs. 1 Bst. e). Soweit es um Kopien von Grundurteilen, nachträglichen Entscheiden und Einstellungsverfügungen geht, ist dies beim Informationsaustausch mit dem Ausland problematisch. Denn solche Entscheide sind grundsätzlich über den Rechtshilfeweg zu beziehen. Aus diesem Grund hält Absatz 3 ausdrücklich fest, dass beim Zugang zum Behördenauszug 1 keine elektronischen Kopien nach Artikel 24 Absatz 1 ins Ausland übermittelt werden dürfen (vgl. auch Art. 50 Abs. 2).

Absatz 4 übernimmt eine übliche Klausel zur Einschränkung der
Datenweitergabe ins Ausland, wie sie auch in anderen Gesetzen verwendet wird.192 Sie soll sicherstellen, dass keine Datenweitergabe erfolgt, wenn die betroffene Person oder ihre Angehörigen dadurch Nachteilen ausgesetzt werden könnte, die mit schweizerischen Grundrechtspositionen unvereinbar sind. Die praktische Anwendung dieser Bestimmung soll mittels Weisungen des EJPD nach Absatz 5 näher konkretisiert werden.

192

Vgl. z. B. Art. 60 Abs. 3 des Entwurfs des Nachrichtendienstgesetzes (BBl 2014 2237).

5823

Bereits das geltende Recht enthält die Möglichkeit von Weisungen (Art. 23 Abs. 2 VOSTRA-V). Obschon das EJPD davon nur sehr selten Gebrauch gemacht hat, erscheint die Möglichkeit von Weisungen durchaus sinnvoll: So erliess das EJPD eine (zwischenzeitlich aufgehobene) Weisung betreffend die Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung durch das BFM von Auszügen, die in einen nicht sicheren Drittstaat versandt werden sollten zwecks Verhinderung der Schaffung subjektiver Nachfluchtgründe bei Asylbewerbern. Auch könnte eine Weisung zur Gewährleistung des Meldeverbots an den Heimat- oder Herkunftsstaat im Sinne von Artikel 97 Absatz 1 AsylG sicherstellen, dass die registerführende Stelle rechtzeitig darüber informiert wird, bei welchen Ländern (mit denen Rechtshilfeabkommen bestehen) das BFM prüfen muss, ob es sich um einen Asylsuchenden, einen Flüchtling oder einen Schutzbedürftigen handelt. Die Berücksichtigung von Artikel 97 Absatz 1 AsylG vor einem Datenaustausch erfolgt auch in Anwendung der entsprechenden allgemeinen Vorbehalte, die jeder Rechtshilfevertrag enthält, um auch auf einen Informationsaustausch verzichten zu können.

Art. 58

Zugang für Rechtsmittelinstanzen

Nach geltendem Recht haben die Rechtsmittelinstanzen in der Regel keinen Zugang zu VOSTRA. Dadurch entsprechen die Akten und Informationen, die der Rechtsmittelinstanz zum Zeitpunkt der Beurteilung zur Verfügung stehen, oftmals nicht mehr dem aktuellen Stand, zumal zwischen der Beurteilung durch die Vorinstanz und jener durch die Rechtsmittelinstanz geraume Zeit vergehen kann.

Der Entwurf sieht deshalb für eine Rechtsmittelinstanz den gleichen Zugang zu Daten von VOSTRA vor, wie ihn die jeweilige Vorinstanz auch hat. Dabei verzichtet die Regelung auf die Aufzählung der einzelnen Rechtsmittelinstanzen, weil eine solche Aufzählung die Gefahr der Lückenhaftigkeit hätte.

3. Kapitel: Private, die Zugang zu Daten aus VOSTRA erhalten 1. Abschnitt: Privatauszug In der Sache regelt der Entwurf die Modalitäten der Bestellung von Privatauszügen gemäss dem geltenden Recht, legt Grundlegendes aber bereits auf Gesetzesstufe (Art. 59­61) fest und nimmt Präzisierungen und redaktionelle Änderungen vor. Wie heute soll die Verordnung die Details festlegen.

Art. 59

Persönlicher Privatauszug

Diese Bestimmung regelt den klassischen Fall der Privatauszugsbestellung: Eine Person verlangt einen Privatauszug über sich selbst (Abs. 1) und hat sich dabei über ihre Identität auszuweisen (Abs. 2) und weitere zur Identifikation notwendige Angaben zu machen (Abs. 3; dabei handelt sich um Angaben im Sinne von Art. 18).

Dabei verlangt der Entwurf nicht, dass die Person bereits bei der Bestellung die Versichertennummer nach Artikel 50c AHVG angeben muss, da nicht jede Person über eine solche Nummer verfügt.

Aufgrund der Vollzugskompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen (vgl.

Art. 115) wird der Bundesrat die weiteren Einzelheiten regeln: Etwa auf welchem Weg Privatauszüge bestellt werden können (Internet- und Postbestellverfahren), die 5824

Anforderung an den Identitätsnachweis (Arten der Ausweispapiere die zur Identitätsfeststellung genügen; elektronischer Identitätsnachweis etc.) oder die Form der Auslieferung der Privatauszüge (Papier oder in elektronischer Form mit digitaler Signatur).

Art. 60

Privatauszug über eine Drittperson

Bisher fehlte eine Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen jemand einen Privatauszug über eine Drittperson bestellen kann. Wie entsprechend der aktuellen Praxis ist dies nur mit privater Vollmacht (Abs. 1 erster Satz) oder bei gesetzlichen Stellvertretungsverhältnissen möglich (Abs. 1 zweiter Satz). Keiner Einwilligung bedürfen demnach die Inhaber der elterlichen Sorge, der Vormund oder vertretungsbefugte Beistände (vgl. Art. 394 f. und 398 ZGB). Da Jugendliche, die unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft stehen, noch minderjährig sind, werden sie gar nicht im Privatauszug eingetragen (vgl. Art. 45 Abs. 1 Bst. d). Deshalb wird in diesem Fällen auch kaum je ein solcher Auszug angefordert werden.

Absatz 2 stellt klar, dass bei der Auszugsbestellung durch Stellvertreter nicht nur die Identität der allenfalls eingetragenen Person und des Bestellers nachzuweisen, sondern auch die Vertretungsbefugnis offen zu legen ist.

Aufgrund der Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen (vgl. Art. 115) wird der Bundesrat auch hier die weiteren Einzelheiten regeln: So etwa die Anforderungen an die Aktualität von Vollmachten oder von Ernennungsurkunden für den Vormund oder die Beistände.

Art. 61

Gebühren

Nach Absatz 1 erhebt die registerführende Stelle für die Ausstellung eines Privatauszugs eine Gebühr, deren Höhe und Zusammensetzung sowie weitere Bemessungsregeln (etwa bei Sammelbestellungen, die Frage der Rückerstattung bei Stornierungen etc.) gemäss Absatz 2 der Bundesrat festlegt (vgl. zum geltenden Recht Art. 30 VOSTRA-V).

2. Abschnitt: Sonderprivatauszug Das Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot193 führt einen neuen Privatauszug ­ den sogenannten Sonderprivatauszug ­ ein (vgl.

Art. 371a nStGB). Er enthält alle Tätigkeitsverbote sowie Kontakt- und Rayonverbote, die zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen erlassen wurden und zwar solange wie die entsprechenden Verbote wirksam sind (vgl. Art. 371a Abs. 3 und 4 nStGB sowie Artikel 47). Der Sonderprivatauszug stellt sicher, dass Arbeitgeber oder Organisationen, die in diesem sensiblen Bereich Tätigkeiten anbieten, über ein verlässliches Informationsmittel verfügen.

Die Artikel 62 ff. übernehmen entsprechend die Regeln gemäss Artikel 371a Absatz 1 nStGB. Der Bestellvorgang von Sonderprivatauszügen orientiert sich an demjenigen für Privatauszüge (vgl. Art. 59­61). Abweichungen ergeben sich durch die Zweckbindung der Sonderprivatauszüge.

193

Referendumsvorlage BBl 2013 9683.

5825

Art. 62

Zweck und Verwendung

Weil die im Sonderprivatauszug enthaltenen Verbote sogar lebenslänglich (vgl.

Art. 67 Abs. 6 nStGB) dauern und im Auszug erscheinen können, darf der Sonderprivatauszug nur zu bestimmten, im Gesetz genannten Zwecken ausgestellt und verwendet werden. Damit unterscheidet sich der Sonderprivatauszug vom normalen Privatauszug, dessen Verwendungszweck das Gesetz nicht festlegt. Die Zweckbindung ­ die durch Dokumentationspflichten (Art. 63) und Strafvorschriften (Art. 114) abgesichert ist ­ trägt den Persönlichkeitsrechten verurteilter Personen Rechnung (Resozialisierung), weil diese in Tätigkeitsbereichen, in denen sie nicht in Kontakt mit Minderjährigen und besonders schutzbedürftigen Personen kommen, den Sonderprivatauszug nicht vorlegen müssen.

Aus Artikel 371a nStGB kommt die Zweckbindung nicht hinreichend klar zum Ausdruck, denn die Bestimmung fokussiert einzig auf den Bestellprozess. Die Weitergabe und Verwendung eines Sonderprivatauszuges sollte aber ebenso nur zweckgebunden möglich sein. Absatz 2 enthält daher neu auch eine Regel zur erlaubten Weitergabe und Verwendung.

Nach Absatz 1 darf ein Sonderprivatauszug nur verlangt werden, soweit es um eine berufliche oder eine organisierte ausserberufliche Tätigkeit geht, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen oder mit anderen besonders schutzbedürftigen Personen umfasst und er darf ausschliesslich für die Leumundsprüfung von Personen verwendet werden, die sich auf eine solche Stelle bewerben oder in diesem Bereich bereits tätig sind (Abs. 2).

Art. 63

Bezug

Der Bestellung ist ein Bestätigungsschreiben des Empfängers auf einem amtlichen Formular beizulegen (Abs. 1), unabhängig davon, ob die betroffene Person den Auszug selber bestellt (Abs. 2) oder den Empfänger schriftlich dazu ermächtigt hat (Abs. 3). Dieses Bestätigungsschreiben hat eine Sicherungsfunktion und dessen Fälschung ist mit Strafe bedroht (vgl. Art. 114 Abs. 2).

Art. 64

Gebühren

Auch für Sonderprivatauszüge legt der Bundesrat die Gebühren fest.

3. Abschnitt: Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht Art. 65 Der Entwurf baut das Auskunftsrecht im Vergleich zum bisherigen Recht (vgl. Art.

370 StGB und Art. 26 VOSTRA-V) aus. Die geltende Regelung gibt jeder Person das Recht, den vollständigen Eintrag einzusehen (Art. 370 StGB) und fokussiert damit einseitig auf die Strafdatenverwaltung. Wer heute ein Einsichtsgesuch stellt, erhält einen vollständigen Behördenauszug (Art. 26 Abs. 4 VOSTRA-V spricht von «Vollauszug»), der aber keine Daten betreffend die Bestellung von Strafregisterauszügen im Ausland oder betreffend die Bestellung von Privatauszügen enthält. Die Formulierung in Absatz 1 stellt nun sicher, dass die Daten aller Programmteile von

5826

VOSTRA offengelegt und somit nicht nur der Behördenauszug 1, sondern auch noch andere Datenblätter vorgelegt werden.

Das neue Auskunftsrecht geht auch weiter, da mit der automatischen Protokollierung von Abfragen (Art. 27) eine neue Datenkategorie geschaffen wird, in die nun ebenfalls grundsätzlich Einblick zu gewähren ist. Während einer beschränkten Dauer (Art. 36) können Betroffene in Erfahrung bringen, welche Behörden aus welchen Gründen welche Daten abgefragt haben. Mit dieser Neuerung sollen nicht rechtskonforme Datenbearbeitungen schneller entdeckt und die Behörden von einer missbräuchlichen Datenbearbeitung abgehalten werden (vgl. Ziff. 1.3.9). Wie in der Vernehmlassung 2012 von verschiedener Seite verlangt, wird zwar der Name der abfragenden Behörde, aus Sicherheitsgründen und zum Schutz der Mitarbeitenden jedoch nicht der Name der abfragenden Person offengelegt. Der Name der Amtsperson wird aber relevant, wenn Anhaltspunkte auf einen Missbrauch bestehen, eine Beschwerde erfolgt und der Sachverhalt abzuklären ist. Es drängt sich deshalb auf, später in der Verordnung festzulegen, wie bei der automatischen Protokollierung die abfragende Person zwar anonymisiert zu erfassen ist, aber gleichzeitig identifiziert werden kann (z. B. mittels einer eindeutigen Systembenutzernummer, die einer bestimmten Amtsperson zugeordnet ist).

Ausgenommen von der Offenlegung gegenüber dem Betroffenen sind Abfragen, die durch den NDB, durch Staatsanwaltschaften oder durch Polizeistellen erfolgt sind (Abs. 2). In der Vernehmlassung 2012 haben etliche Teilnehmenden darauf hingewiesen, dass im Bereich Nachrichtendienst und im Bereich Strafverfolgung ein öffentliches Geheimhaltungsinteresse besteht und die Offenlegung der abfragenden Behörde nicht nur den Verfahrenszweck vereiteln, sondern sogar Personen (verdeckte Ermittler, Personen in einem Zeugenschutzprogramm) gefährden könne. Der Einwand ist berechtigt und das Auskunftsrecht muss deshalb weichen, wenn es um Massnahmen im Bereich Strafverfolgung und Nachrichtendienst geht, die von Gesetzes wegen geheim bzw. verdeckt erfolgen (insb. Zeugenschutzprogramme, Einsatz von verdeckten Ermittlern oder Telekommunikationsüberwachungen). Falls nämlich eine Person, die mit Drogen handelt, von der registerführenden Stelle die Auskunft erhält, die Staatsanwaltschaft XY habe
vor einem Monat ihre Daten abgefragt, sie aber noch keine Kenntnis über ein eröffnetes Strafverfahren hat, kann sie leicht den Schluss daraus ziehen, dass sie höchstwahrscheinlich überwacht wird. Das Strafverfahren könnte dadurch beeinträchtigt werden. Analoges gilt für den nachrichtendienstlichen Bereich. Der Bundesrat hat dies bereits im erläuternden Bericht zum Vorentwurf dargelegt.194 Im Gegensatz zum Vorentwurf, der die Ausnahmen von der Offenlegung in einer Bundesratsverordnung regeln wollte,195 legt der Entwurf die Ausnahmen aus rechtsstaatlichen Gründen nun ausdrücklich und abschliessend fest.

Die Verweigerung des Auskunftsrechts auf konkrete Verfahren einzuschränken, in denen verdeckte bzw. geheime Massnahmen angeordnet worden sind, funktioniert nicht, weil es den registerführenden Behörden nicht möglich ist, eine Abfrage einem konkreten Verfahren zuzuordnen: Der Eintrag (und auch die Abfrage) in VOSTRA erfolgt personen- und nicht verfahrensbezogen. Für eine verfahrensbezogene Abfrage in VOSTRA müsste jedem Verfahren eine schweizweit eindeutige Nummer zugeteilt werden; dies wäre aufgrund der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsord194 195

Vgl. Erläuterungen zu Art. 24 Abs. 2 VE-StReG.

Vgl. Art. 24 Abs. 2 VE-StReG.

5827

nung für die Strafverfolgung ­ die föderalistisch geprägt ist ­ heikel. Es kommt hinzu, dass beispielsweise vor dem Einsatz eines verdeckten Ermittlers das ganze Täterumfeld überprüft werden muss; bei einer solchen Überprüfung werden auch Strafregisterdaten über Personen abgefragt, gegen die (noch) keine Strafuntersuchung geführt wird: Wird die Auskunft einer unverdächtigen Person aus dem Täterumfeld erteilt, kann auch dies den Ermittlungszweck gefährden, weil die verdächtige Person davon Kenntnis erlangen und daraus Schlüsse ziehen kann. Zudem ist im polizeilichen Ermittlungsverfahren ­ in der häufig VOSTRA-Abfragen getätigt werden ­ noch gar nicht klar, ob im Laufe der weiteren Ermittlungen eine verdeckte Ermittlung angeordnet oder eine Telekommunikationsüberwachung durchgeführt werden soll. Dies ergibt sich bereits aus der StPO, nach welcher der Einsatz geheimer bzw. verdeckter Ermittlungsmethoden subsidiär ist.196 Auch die Möglichkeit, das Auskunftsrecht in Fällen der Geheimhaltung nur für eine bestimmte Zeit auszusetzen, ist praktisch kaum durchführbar. Eine schematische Lösung würde ignorieren, dass Geheimhaltungsinteressen kein schematisches Verfallsdatum haben: Strafverfahren dauern unterschiedlich lange. Die EinzelfallAbklärung würde einen immensen administrativen Aufwand generieren: Die registerführenden Behörden müssten vor Erteilung von Auskünften mit den abfragenden Behörden Rücksprache nehmen und jede Abfrage der letzten zwei Jahre einem Verfahren zuordnen und dessen Stand eruieren, damit das Geheimhaltungsinteresse bewertet werden kann. Auf diese Schwierigkeiten haben in der Vernehmlassung 2012 verschiedene Teilnehmende ebenfalls hingewiesen.

Die praktikabelste und sicherste Lösung besteht deshalb darin, bei Abfragen durch bestimmte Behörden (NDB, Staatsanwaltschaften, Polizeistellen) für bestimmte Aufgaben diese Abfrage zwar automatisch zu protokollieren, das Auskunftsrecht aber absolut auszuschliessen, weil hier ein Geheimhaltungsinteresse regelmässig zu vermuten ist. Es werden so zwar auch Abfragen geheim gehalten, bei denen an sich kein Geheimhaltungsinteresse besteht, aber die betroffenen Personen können ­ entgegen einer in der Vernehmlassung 2012 geäusserten Kritik ­ auf anderem Weg ihr datenschutzrechtliches Auskunftsrecht geltend machen, indem sie bei den anfragenden Behörden
Auskunft verlangen, ob sie bezogene Strafregisterdaten korrekt bearbeitet haben: In den in Absatz 2 genannten Fällen richtet sich das Auskunftsrecht nämlich nach Artikel 95 ff. StPO, nach Artikel 18 BWIS oder nach Artikel 28a der Verordnung vom 4. Dezember 2009197 über den Nachrichtendienst des Bundes (V-NDB). Zudem hat die registerführende Stelle gemäss Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe g die Aufgabe, die rechtmässige Datenbearbeitung zu kontrollieren. Weiter haben natürlich auch die jeweiligen Aufsichtsorgane der abfragenden Behörden die Pflicht, die Rechtmässigkeit der Aufgabenerfüllung ­ und damit auch die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben ­ zu kontrollieren.

In der Vernehmlassung 2012 wurde vereinzelt kritisiert, dass die Betroffenen kaum rechtliche Möglichkeiten hätten, sich wirksam gegen Missbräuche zu wehren, und dass die bestehenden Schutzmechanismen erst spät greifen würden. Es ist nicht zu leugnen, dass die Kontrollinstrumente erst greifen, nachdem ein Fehler passiert oder Daten zu Unrecht bezogen worden sind. Allerdings verfügen betroffene Personen in Bezug auf VOSTRA durchaus über die Mittel sich zu wehren. Stellen sie Ungereimtheiten oder gar Rechtsverstösse fest, so ist die registerführende Stelle verpflich196 197

Vgl. Art. 269 Abs. 1 Bst. c StPO und Art. 286 Abs. 1 Bst. c StPO.

SR 121.1

5828

tet, diesen nachzugehen (vgl. zur Kontrollpflicht Art. 4 Abs. 2 Bst. g) und die nötigen Massnahmen zu treffen (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. h und i). Es ist gewährleistet, dass falsche Daten berichtigt und die fehlbaren Personen administrativ zur Verantwortung gezogen werden. Weigert sich die registerführende Stelle tätig zu werden, so können die betroffenen Personen eine Verfügung im Sinne von Artikel 25 DSG verlangen. Kommt es gar zu einem gerichtlichen Verfahren, so müssen die im Rahmen des Auskunftsrechts generierten amtlichen Dokumente als Beweismittel offen gelegt werden.

Die Modalitäten dieses erweiterten Auskunftsrechts sind ansonsten weitgehend gleich ausgestaltet wie bisher. Die Auskunft wird in den Räumlichkeiten des Bundesamtes für Justiz erteilt. Entscheidend ist weiterhin, dass die entsprechenden Datenblätter nicht physisch an eine betroffene Person ausgehändigt werden. Das verhindert, dass die betroffene Person gegenüber Dritten mehr Informationen offenlegen muss, als im Privatauszug enthalten sind (vgl. Abs. 4). Der betroffenen Person soll keine amtliche Bescheinigung ausgestellt werden; selbstverständlich kann sie sich jedoch von allen Daten Notizen machen, damit sie bei inkorrekter Datenlage oder bei missbräuchlicher Nutzung auch in der Lage ist, eine allfällige Beschwerde zu formulieren.

4. Kapitel: Automatisierte Weiterleitung von Daten aus VOSTRA an Behörden Strafregisterdaten können nicht nur auf Abruf weitergegeben werden. In manchen Situationen ist es angebracht, die in VOSTRA eingetragenen Daten ohne entsprechende Anfrage (automatisch) an eine bestimmte Stelle zu transferieren. Gleich wie die behördlichen Zugangsrechte (vgl. Art. 48 ff.) erfährt auch diese Form der Datenweitergabe eine Regelung auf formell-gesetzlicher Ebene. Die elektronische Datenerfassung ermöglicht es, eingetragene Strafdaten ohne grossen Aufwand an andere Behörden weiterzuleiten. Unter Umständen wird es sogar möglich, bestehende Meldepflichten der Gerichte durch einen Strafregisterautomatismus zu ersetzen. Aus diesem Grund werden die Möglichkeiten der automatischen Datenweiterleitung weiter ausgebaut (vgl. auch Ziff. 1.3.10). Was die betreffenden Behörden mit den Meldungen tun dürfen, ergibt sich aus dem anwendbaren Recht; die registerführende Stelle hat hier keine Kontroll- oder Aufsichtsbefugnisse. Es ist Sache der zuständigen Datenschutzbeauftragten vor Ort, die korrekte Nutzung der Daten zu kontrollieren.

In der Vernehmlassung 2012 ist die automatisierte Datenweiterleitung praktisch ausnahmslos begrüsst worden. Wie vereinzelt darauf hingewiesen worden ist, muss jedoch sichergestellt sein, dass die Meldungen nicht an die falschen Adressaten gelangen. Die Meldung erfolgt jedoch nicht an einen einzelnen Benutzer oder eine Benutzerin, sondern an eine bestimmte Behörde. Aus diesem Grund sind Fluktuationen bei den Benutzern unproblematisch. Es ist trotzdem unabdingbar, die entsprechenden Berechtigungen regelmässig zu überprüfen und nötigenfalls anzupassen.

Näheres werden Ausführungsbestimmungen zur automatisierten Weiterleitung auf Verordnungsstufe regeln.

Zahlreiche Teilnehmende forderten in der Vernehmlassung 2012 eine automatische Meldung an die Waffenbehörden (allenfalls in Koordination mit anderen Gesetzgebungsarbeiten im Waffenbereich), selbst wenn sich die Umsetzung vielleicht nicht 5829

sofort realisieren lasse. Solche Meldungen sind wichtig um sicherzustellen, dass eine gemäss WG erteilte Bewilligung gegebenenfalls entzogen und die Waffe beschlagnahmt werden kann. Dies verringert das Risiko eines Waffenmissbrauchs weiter und leistet einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit. Der Entwurf sieht deshalb eine automatische Datenweiterleitung auch an die kantonalen Waffenbehörden vor (Art. 71).

In der Vernehmlassung 2012 ist ebenfalls gefordert worden, in diesem Erlass die Grundlage für Schnittstellen zu kantonalen Polizeidatenbanken und zu den Geschäftsapplikationen der Strafjustizbehörden (wie z. B. «Juris» oder «Tribuna») bereitzustellen. Als Begründung wurde angeführt, mit einer Schnittstelle zu VOSTRA könne die Systemnachführungspflicht deutlich effizienter und unter Gleichstellung der erfassten Personen, die von ausserkantonalen Entscheiden betroffen sind, umgesetzt werden. Gegen eine solche automatische Datenweiterleitung sprechen folgende Gründe: Die kantonalen Polizeidatenbanken würden täglich mit einer Flut von Meldungen überschüttet; es fragt sich, wie sie damit umgehen und was sie mit diesen Daten anfangen sollen. Es ist zudem nicht Sinn und Zweck der automatischen Weiterleitung, kantonale Schattendatenbanken aufzubauen, die dasselbe abdecken, was VOSTRA leisten soll. Die kantonalen Polizeistellen haben ­ soweit sie im Rahmen der StPO ermitteln ­ «Vollzugang» auf VOSTRA, d. h. sie können auf den Behördenauszug 1 sämtlicher registrierter Personen zugreifen und sie können die Daten in den kantonalen Polizeidatenbanken gestützt auf den Behördenauszug 2 (vgl. Art. 51 Bst. d Ziff. 2) stets mit VOSTRA abgleichen. Es ist nicht ersichtlich, welchen Mehrwert eine automatische Weiterleitung bringen würde, die datenschutzrechtlich noch vertretbar wäre. Für die übrigen kantonalen Geschäftsapplikationen gilt Analoges, abgesehen davon, dass hier keine Begründung für die Notwendigkeit einer automatischen Weiterleitung ersichtlich ist und eine schweizweite Vereinheitlichung solcher Systeme nicht absehbar ist. Die automatische Weiterleitung ist ein «Push-Service» ausschliesslich für Behörden, welche zu ganz spezifischen Zwecken aktuelle VOSTRA-Daten benötigen (insb. zum Entzug von Bewilligungen im Bereich Strassenverkehr, Ausländerrecht oder Waffen). Selbstverständlich sollen
jedoch die erforderlichen Schnittstellen für den Import von Daten aus den kantonalen Geschäftsapplikationen ins Strafregister weiterhin zur Verfügung stehen.

Art. 66

Meldungen an das BFS

Bereits heute werden Mutationen im Bereich der Strafdatenverwaltung auch dem BFS gemeldet (Art. 33 Abs. 2 VOSTRA-V). Der Entwurf übernimmt diese Regelung in der Sache, und nennt auch den Zweck der Weiterleitung, wie ihn heute Artikel 365 Absatz 2 Buchstabe j StGB festlegt. Der Bundesrat wird in der Verordnung festlegen, welche Daten genau benötigt werden und in welcher Periodizität die Meldungen erfolgen sollen. Zum Online-Zugangsrecht des BFS vgl. die Erläuterungen zu Artikel 51 Buchstabe m.

Art. 67

Meldungen an den Führungsstab der Armee

Bereits nach geltenden Recht (vgl. Art. 367 Abs. 2ter­2quinquies StGB) erfolgt bei bestimmten Strafdaten eine Meldung an den Führungsstab der Armee, allerdings in einem umständlichen zweistufigen Verfahren: Zuerst übermittelt die registerführende Stelle nur die Personalien derjenigen Schweizerinnen und Schweizer ab dem 5830

vollendeten 17. Altersjahr, die neue Eintragungen aufweisen. Der Führungsstab der Armee kontrolliert nachfolgend von Hand, ob es sich dabei um eine stellungspflichtige Person oder um einen Angehörigen der Armee handelt. Ist dies der Fall, so meldet die für das Register zuständige Stelle auch die Strafdaten (vgl. Art. 367 Abs. 2quater StGB). Mit Hilfe der neuen Versichertennummer (vgl. Art. 14 und vorne Ziff. 1.3.6) lässt sich dieser Prozess vollständig automatisieren. Die Versichertennummer fungiert dabei als Schlüssel zur Identifizierung einer Person. VOSTRA prüft zuerst vollautomatisch, ob die meldepflichtigen Urteile gemäss Absatz 1 eine Person betreffen, die mit der gleichen Versichertennummer auch im Personalinformationssystem der Armee (PISA) erfasst ist. Nur wenn dies der Fall ist, werden auch die Strafdaten übermittelt. Dieses Verfahren ist weniger aufwendig und hat datenschutzrechtlich den Vorteil, dass dem Führungsstab der Armee keine neu registrierten Personen gemeldet werden müssen, bei denen sich erst bei der Suche in PISA herausstellt, dass sie mit der Armee nichts zu tun haben.

Art. 68

Meldungen an die zuständigen Strassenverkehrsbehörden

In der Vernehmlassung 2009 (vgl. Ziff. 1.1.1) wurde gewünscht, dass richterliche Fahrverbote nach Artikel 67b StGB (bzw. Art. 50abis MStG), die im Strafregister eingetragen werden, automatisch an die von den Strassenverkehrsbehörden geführten Datenbanken weitergeleitet werden, damit die Polizei bei Verkehrskontrollen die Einhaltung dieser Fahrverbote überprüfen kann. Zu diesem Zweck verfügt die Polizei bereits heute über einen mobilen Zugang zum automatisierten Fahrberechtigungsregister (FABER), welches strafrechtliche Fahrverbote enthält (Art. 104c Abs. 3 Bst. b des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dez. 1958198, SVG).

Damit FABER stets auf dem neuesten Stand ist, statuiert Absatz 1 eine Meldepflicht der registerführenden Stelle an die zuständigen Strassenverkehrsbehörden des Wohnsitzkantons (falls ein Wohnsitz in der Schweiz vorhanden ist) oder des Urteilskantons. Diese Behörden müssen anschliessend die Eintragung in FABER vornehmen. Denn es lässt sich heute nicht mit Sicherheit sagen, dass sich die Strafregisterdaten direkt in FABER implementieren lassen. Für den Fall, dass dies möglich ist, bildet Absatz 2 die gesetzliche Grundlage.

Die Artikel 67b StGB (bzw. Art. 50abis MStG) haben im Rahmen der Änderung des Strafgesetzbuchs, des Militärstrafgesetzes und des Jugendstrafgesetzes vom 13. Dezember 2013199 eine neue Nummerierung erfahren, weshalb im Entwurf bereits auf diese neuen Artikel 67e StGB und 50e MStG verwiesen wird.

Art. 69

Meldungen von Einziehungen an die für die Teilung eingezogener Vermögenswerte zuständige Stelle des Bundesamtes für Justiz

Heute melden die zuständigen Behörden Einziehungsentscheide, die nach dem TEVG einem Teilungsverfahren unterliegen, häufig nicht. Der Entwurf sieht deshalb eine automatische Meldung der entsprechenden Entscheide an die für die Teilung eingezogener Vermögenswerte zuständige Stelle des Bundesamtes für Justiz (BJ) vor.

198 199

SR 741.01 Referendumsvorlage in: BBl 2013 9683.

5831

Bislang bildeten Einziehungen von mindestens 100 000 Franken, die mithin dem Teilungsverfahren unterliegen, immer Bestandteil eines Strafurteils. Bei der Eintragung entsprechender Urteile ist deshalb inskünftig zu vermerken, dass eine für das TEVG bedeutsame Einziehung angeordnet worden ist.

Für den (unwahrscheinlichen) Fall, dass solche Vermögenswerte in einem selbständigen Entscheid eingezogen werden sollten, formuliert der Entwurf die bisherige Meldepflicht gemäss Artikel 6 Absatz 1 TEVG neu (siehe die Ausführungen zu Art. 21 Abs. 1 Bst. f sowie zur Änderung anderer Erlasse in Art. 116 i.V.m. Anhang Ziff. 4).

Die für die Teilung eingezogener Vermögenswerte zuständige Stelle des BJ braucht kein eigenes Zugangsrecht. Denn sie erhält neu die für sie relevante Kopie des Originalurteils direkt via VOSTRA. Datenschutzrechtlich ist dies unbedenklich, denn bereits heute müssen die Einziehungsbehörden solche Urteile der für die Teilung eingezogener Vermögenswerte zuständigen Stelle des BJ zustellen. Somit wird es künftig nicht zu einer Übermittlung von Daten kommt, in die bisher kein Einblick gewährt wurde.

Art. 70

Meldungen an die kantonalen Ausländerbehörden sowie an das BFM

Im Migrationsbereich sieht der Entwurf Neuerungen vor. So gewährt er neben dem BFM neu auch den kantonalen Migrationsbehörden für alle ausländerrechtlichen Entscheide, die anhand von Strafdaten getroffen werden müssen, einen OnlineZugang zum Behördenauszug 2. In gewissen Fällen genügt jedoch die Möglichkeit der Datenabfrage nicht. Vielmehr sind relevante Informationen über Strafurteile, Einstellungsverfügungen und hängige Strafverfahren schon dann zu melden, wenn die Information generiert wird (z. B. unmittelbar nach Rechtskraft eines Urteils, welches den Widerruf einer Bewilligung nach sich zieht).

Deshalb führt Absatz 1 eine automatische Weiterleitung von neu eingetragenen Schweizer Grundurteilen, Einstellungsverfügungen und hängigen Strafverfahren an die Migrationsbehörden des Bundes und der Kantone ein. Diese Meldung ergänzt die bestehende Meldepflicht der Strafuntersuchungs- und Gerichtsbehörden betreffend hängige Strafverfahren, Einstellungen und Strafurteile nach Artikel 82 VZAE; in der Praxis wird dieser Meldepflicht nämlich nicht immer nachgekommen (v.a. bei Meldungen an ausserkantonale Behörden). Allerdings werden rechtskräftige Entscheide und Urteile oft erst nach mehreren Monaten in VOSTRA eingetragen und nicht alle Strafbefehle werden in VOSTRA aufgenommen. Die Ausländerbehörden müssen jedoch alle Strafverfahren kennen, um unter Würdigung aller Fakten über eine ausländerrechtliche Bewilligung entscheiden zu können. Deshalb ist die automatische Weiterleitung als zusätzliches Instrument neben der Meldepflicht nach Artikel 82 VZAE notwendig. Diese Meldepflicht kann auch deshalb nicht vollständig aufgehoben werden, weil sie sich nicht nur auf Urteile, Einstellungsverfügungen und hängige Strafverfahren bezieht.

Das Gesetz regelt die Weiterleitungspflicht indes nur im Grundsatz. Die Einzelheiten (namentlich die genauen Verwendungszwecke der einzelnen Informationen nach Abs. 2) sind gestützt auf Artikel 115 in einer Verordnung zu regeln.

Nach Absatz 3 darf in der Meldung der Daten nach Absatz 1 auch die AHVN13 der betroffenen Personen angegeben werden, was den Empfängern die Verarbeitung der Meldungen erleichtert.

5832

Art. 71

Meldungen an die kantonalen Waffenbehörden

In der Vernehmlassung 2012 forderten zahlreiche Teilnehmende zwar eine automatische Meldung an die Waffenbehörden, waren sich aber gleichzeitig bewusst, dass die Koordination der kantonalen und der eidgenössischen Register Schwierigkeiten bietet. Trotzdem sei das Ziel eines wirksamen Schutzes der Bevölkerung vor Waffengewalt durch einschlägig vorbestrafte Täter weiter zu verfolgen und eine entsprechende Regelung sei vorzusehen, selbst wenn ihre Umsetzung noch eine Weile dauern könne.

Der Bundesrat teilt diese Ansicht: Die automatisierten Meldungen an Waffenbehörden tragen wesentlich zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit bei, denn sie verbessern die Effizienz des Informationsflusses massgeblich. Dies gewährleistet, dass eine gemäss WG erteilte Bewilligung innert nützlicher Frist entzogen200 und die Waffe beschlagnahmt bzw. eingezogen201 werden kann, falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Die automatisierte Weiterleitung setzt allerdings voraus, dass die Waffenbehörden in ihren Registern ­ gleich wie VOSTRA ­ die AHVN13 als Identifikator verwenden.

Nur so ist sichergestellt, dass mittels eines (ebenfalls automatischen) Abgleichs Urteile, hängige Verfahren und Einstellungsentscheide lediglich derjenigen Personen gemeldet werden, die im Waffenregister des entsprechenden Kantons verzeichnet sind. Fehlt die Erschliessung mittels AHVN13, so ist eine automatische Weiterleitung datenschutzrechtlich problematisch und ausserdem nicht praktikabel.

Der Bundesrat hat am 13. Dezember 2013 die Botschaft zum Bundesgesetz über Verbesserungen beim Informationsaustausch im Umgang mit Waffen verabschiedet, die auch eine Anpassung des Waffengesetzes bringen wird.202 Weil die kantonalen Waffenregister aktuell untereinander nicht verbunden sind und die Behörden anderer Kantone deshalb einzeln angefragt werden müssten, ob eine Person dort bekannt ist, sollen nach diesem Gesetzesentwurf die berechtigten Behörden mit einer einzigen Abfrage sämtliche kantonalen Waffenregister konsultieren können (vgl. Art. 32a Abs. 2­4 E-WG203). Gleichzeitig wird für diesen Informationsverbund und für die kantonalen Waffenregister die gesetzliche Grundlage zur Verwendung der AHVN13 geschaffen (vgl. Art. 32abis Abs. 2 E-WG).

Art. 72

Meldungen an den Heimatstaat

In der Sache übernimmt der Entwurf im Bereich der Meldungen an den Heimatstaat das geltende Recht (vgl. Art. 368 StGB i. V. m. Art. 13 Abs. 4 VOSTRA-V). Absatz 1 stellt klar, dass nicht nur «Verurteilungen» ­ wie dies Artikel 22 des europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959204 über die Rechtshilfe in Strafsachen (RHÜ) vorschreibt ­ gemeldet werden, sondern alle Grundurteile, also nicht nur Schuldsprüche, sondern auch Urteile über Massnahmen gegenüber eine schuldunfähige Person.

Nach bisheriger Praxis und gestützt auf die Ausnahmeklauseln gemäss RHÜ werden gemäss Absatz 2 rein militärischen Urteile, also solche mit Bezug auf Delikte, die 200 201 202 203 204

Art. 30 WG.

Art. 31 WG.

BBl 2014 303.

Vgl. BBl 2014 347 ff.

SR 0.351.1

5833

nach zivilem Strafrecht nicht strafbar sind und fiskalische Urteile, die Steuerdelikte zum Gegenstand haben, dem Heimatstaat nicht im Rahmen des automatisierten Datenaustausches gemeldet. Diese Einschränkungen gelten dagegen nicht für die Abgabe von Registerauszügen auf Gesuch einer ausländischen Behörde hin (vgl.

Art. 57). Der Bundesrat hat am 15. Juni 2012 einen Vorentwurf zur Ausdehnung der Rechtshilfe bei Fiskaldelikten in die Vernehmlassung geschickt, welcher eine Änderung des Rechtshilfegesetzes und eine Übernahme der einschlägigen Zusatzprotokolle des Europarates vorsah. Aufgrund der mehrheitlich negativen Kritik der Vernehmlassungsteilnehmenden hat der Bundesrat am 20. Februar 2013 jedoch entschieden, die Vorlage zurückzustellen und sie mit der Revision des Steuerstrafrechts und der Umsetzung der revidierten GAFI-Empfehlungen zur Geldwäscherei zu koordinieren.205 Nach Verabschiedung dieser Gesetzesvorlage wird jedoch zu prüfen sein, ob der in Absatz 2 Buchstabe b enthaltene Vorbehalt in Bezug auf Fiskaldelikte mit der neuen Rechtshilfestrategie noch vereinbar ist.

Absatz 3 übernimmt eine übliche Klausel zur Einschränkung der Datenweitergabe ins Ausland, wie sie auch in anderen Gesetzen verwendet wird.206 Sie soll sicherstellen, dass keine Datenweitergabe erfolgt, wenn die betroffene Person oder ihre Angehörigen dadurch Nachteilen ausgesetzt werden könnten, die mit schweizerischen Grundrechtspositionen unvereinbar sind. Die praktische Anwendung dieser Bestimmung soll mittels Weisungen des EJPD näher konkretisiert werden. Die entsprechende Weisungskompetenz in Absatz 6 entspricht derjenigen von Artikel 57 Absatz 5 (vgl. vorne).

2.3.3

Art. 73

3. Titel: Automatisierte Weiterleitung von Daten an VOSTRA Schnittstelle zum Zentralen Migrationsinformationssystem ZEMIS

Eine Schnittstelle zum ZEMIS ist zur Aktualisierung der Personalien sehr hilfreich, setzt aber die Verwendung der AHVN13 voraus, da sich die zu meldenden Informationen nur dann richtig zuordnen lassen, wenn in beiden Systemen ein eindeutiger Identifikator vorhanden ist. Eine solche AHVN13 ist in ZEMIS jenen Personen zugeteilt, die über einen bewilligten Aufenthalt von mehr als 4 Monaten verfügen oder Asylbewerber sind. Bei Personen ohne AHVN13 dagegen wären aufwendige Identitätsabklärungen nötig, da ZEMIS zahlreiche Doppelerfassungen aufweist.

Absatz 1 legt die Zwecke fest, für welche die Schnittstelle genutzt werden soll.

Soweit es um die Todesfälle geht (Abs. 1 Bst. c), kann es zwischen der Schnittstelle zu ZEMIS und derjenigen zum Personenstandsregister (vgl. Art. 74) gewisse Überschneidungen geben, da Ausländer u. U. in beiden Datenbanken eingetragen sind.

Ergänzend ist Folgendes festzuhalten: ­

205

Gemäss heutiger Strafregisterpraxis wird der Strafregistereintrag bei Namensänderungen kaum je aktualisiert, da die Zivilstands- und Ausländerbehörden dem Strafregister Namensänderungen nicht melden, weil sie nicht

Vgl. die Themenseite unter: www.bj.admin.ch > Themen > Sicherheit > Gesetzgebung > Rechtshilfe in Fiskalsachen 206 Vgl. z. B. Art. 60 Abs. 3 des Entwurfs des Nachrichtendienstgesetzes (BBl 2014 2237).

5834

wissen, wer vorbestraft ist und wer nicht. Namensänderungen werden vielmehr meist zufällig entdeckt. Somit besteht die Gefahr, dass eine vorbestrafte Person nach einer Namensänderung im Strafregister nicht mehr gefunden wird, wenn sie später einen Auszug einfordert oder wenn eine Behörde im Strafregister nach ihr sucht. Eine solche Person wird somit nicht als vorbestraft erkannt. Die Verwendung der neuen Versichertennummer in VOSTRA (vgl. Art. 14), welche bereits im Rahmen des Bundesgesetzes über Verbesserungen beim Informationsaustausch zwischen Behörden im Umgang mit Waffen eingeführt werden soll (vgl. Art. 366a E-StGB207), bringt hier zwar bereits eine grosse Verbesserung ­ jedoch nur dann, wenn die abfragende Behörde Identitätsmerkmale benutzt, welche der ZEMIS-Hauptidentität entsprechen. Denn nur die ZEMIS-Hauptidentität wird an die UPIDatenbank gemeldet, nicht aber die in ZEMIS registrierten Nebenidentitäten. Absatz 1 Buchstabe a will diese Lücke durch die Meldung der Nebenidentitäten an VOSTRA schliessen). Ferner sollen auch alle Mutationen bei den Identitätsmerkmalen der Haupt- und Nebenidentitäten an VOSTRA gemeldet werden (Abs. 1 Bst. b), denn eine Änderung der Hauptidentität führt oft zur Bildung einer Nebenidentität, so dass sich die beiden Fälle nicht klar trennen lassen. Überdies hat die Pflicht zur Meldung auch von Änderungen der Hauptidentität den Vorteil, dass VOSTRA fortlaufend aktualisiert wird und eine VOSTRA-Abfrage somit auch dann noch verlässlich ist, wenn die Suche über die UPI-Datenbank aufgrund von technischen Wartungsarbeiten einmal nicht zur Verfügung stehen sollte.

­

Auch Todesfallmeldungen erfolgen heute praktisch gar nicht, so dass Strafdaten von Verstorbenen im System verbleiben. Dies ist insofern nicht besonders heikel, als Verstorbene in der Regel nicht mehr abgefragt werden.

Ohne diese Schnittstelle zu ZEMIS und zum Personenstandsregister lässt sich das Gesetz aber nicht korrekt vollziehen (vgl. Art. 73 Abs. 1 Bst. c).

Eine korrekte Entfernung der Daten ist umso wichtiger, als die Daten neu viel länger als bisher aufbewahrt werden (vgl. Art. 32). Allerdings dürfte es selten sein, dass bei verurteilten Personen ohne Bezug zur Schweiz eine Todesfallmeldung vom Personenstandsregister oder von ZEMIS erfolgt.

Daher legt Artikel 31 Absatz 4 die Entfernung der Einträge bei Erreichung des 100. Altersjahres fest.

Art. 74

Schnittstelle zum Personenstandsregister

Die Schaffung einer Schnittstelle zwischen dem Personenstandsregister und VOSTRA zur Meldung von Mutationen bei den identifizierenden Merkmalen (Namensveränderungen), wie sie der Vorentwurf noch vorgesehen hatte, ist entbehrlich, weil alle im Personenstandsregister erfassten Personen auch in der UPIDatenbank der Zentralen Ausgleichsstelle geführt werden und auch sämtliche Namensveränderungen an die UPI-Datenbank gemeldet werden. Da die Personensuche in VOSTRA über die UPI-Datenbank erfolgt (Art. 14 Abs. 3), ist eine Namensveränderungen einer im Personenstandsregister erfassten Person bei einer VOSTRA-Abfrage erkennbar. Eine separate Meldung vom Personenstandsregister an VOSTRA ist somit unnötig. Bei jeder Synchronisation zwischen der UPI-

207

In der Fassung gemäss BBl 2014 347 ff.

5835

Datenbank und VOSTRA (vgl. Art. 11 Abs. 5) werden diese Namensveränderungen auch in VOSTRA nacherfasst.

Anders verhält es sich mit den Todesfallmeldungen. Zwar meldet das Personenstandsregister das dort vermerkte Todesdatum ebenfalls an die UPI-Datenbank.

Diese Information ist jedoch nicht Bestandteil des periodischen Abgleichs zwischen der UPI-Datenbank und den angeschlossenen Datenbanken. Deshalb ist es sinnvoll, wenn das Personenstandsregister Todesfälle direkt an VOSTRA meldet. Erfolgt diese Meldung unter gleichzeitiger Angabe der AHVN13, so kann der entsprechende Prozess weitestgehend automatisiert erfolgen.

2.4

3. Teil: Strafregister für Unternehmen (Art. 75­113)

2.4.1

Vorbemerkungen

Im geltenden Recht regelt Artikel 366 Absatz 1 StGB die Pflicht zur Eintragung im Strafregister. Diese Bestimmung erfasst nur «Personen». Selbst wenn man unter diesen Begriff auch juristische Personen subsumieren möchte, wäre nur ein Teil der in Artikel 102 Absatz 4 StGB (bzw. Art. 59a Abs. 4 MStG) aufgezählten Unternehmen erfasst. Die umfassende Registrierung von beschuldigten und verurteilten Unternehmen verletzt daher das Analogieverbot, die partielle Registrierung dagegen das Gleichheitsgebot.208 Im geltenden Recht fehlt daher die gesetzliche Grundlage für die Registrierung von Unternehmen.

Auf internationaler Ebene gibt es kein juristisches Instrumentarium, welches die Schweiz verpflichten würde, ein Strafregister für Unternehmen zu führen. Vgl. dazu auch Ziff. 5.2.

2.4.2

Grundsätzliche Kritik aus der Vernehmlassung 2012

Bundesrat und Parlament haben zuletzt bei den Beratungen zur StPO weitestgehend darauf verzichtet, Sonderregeln für Unternehmen festzulegen.209 Es scheint deshalb konsequent, verurteilte Unternehmen im Strafregister ebenso einzutragen wie natürliche Personen. Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsste denn auch die Einführung eines Unternehmensstrafregisters.

Eine Minderheit hat die Schaffung eines solchen Registers jedoch mit teilweise bedenkenswerten Argumenten abgelehnt. So wird von dieser Minderheit insbesondere das vernünftige Kosten-Nutzen-Verhältnis in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Zwecke eines Unternehmensstrafregisters höchstens teilweise erreicht werden können, weil sich die Unternehmen durch Umstrukturierungen einer strafrechtlichen Vergangenheit leicht entledigen können.

208

Vgl. M.A. Niggli/D. Gfeller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, M.A. Niggli/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N 439 ff. m. w. H. und P. Gruber, in: Basler Kommentar Strafrecht II, M.A. Niggli/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 366 StGB N 152 ff.

209 Botschaft vom 21. Dez. 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006, 1085 ff., 1167 (im Folgenden: Botschaft StPO).

5836

a) Kosten-Nutzen-Verhältnis In der Vernehmlassung 2012 wurde darauf hingewiesen, die Kosten für den Aufbau und den Betrieb eines Unternehmensstrafregisters seien hinsichtlich der tatsächlich ergangenen (und weiter zu erwartenden) Strafurteile nicht gerechtfertigt.210 Seit der Inkraftsetzung von Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) am 1. Oktober 2003 sind nur sehr wenige Urteile ausgefällt worden. Genaue Zahlen sind nicht verfügbar, da die statistische Erfassung auf Bundesebene den Eintrag im Strafregister voraussetzt. Medial bekannt geworden sind das Strafverfahren gegen Die Schweizerische Post in Solothurn (immer noch hängig; dazu nachstehend) und der Strafbefehl der Bundesanwaltschaft gegen die Alstom Network Schweiz AG im Jahr 2011. Weitere allfällige Verfahren dürften dem Bagatellbereich zuzuordnen sein, so etwa, wenn ein SVG-Delikt die Anlasstat für eine Bestrafung nach Artikel 102 Absatz 1 StGB (bzw. Art. 59a Abs. 1 MStG) bildet.

Der geringen Zahl an Urteilen stehen nicht unerhebliche Kosten für die Implementierung eines Unternehmensstrafregisters gegenüber. Angesichts der wenigen Verurteilungen dürften die Betriebskosten hingegen relativ tief bleiben.

Der Nutzen eines Unternehmensstrafregisters besteht hauptsächlich für die Strafverfolgungsbehörden ­ hier insbesondere für die Strafzumessung ­ und für den Nachweis im Geschäftsverkehr, mit keinen Verurteilungen belastet zu sein (Leumund, «Compliance-Nachweis»). Der Nachweis eines guten Leumundes ­ der oft als wichtiger Nutzen angeführt wird ­ ist jedoch im Unternehmensstrafrecht nicht lückenlos möglich, da sich ein Unternehmen insbesondere durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen seiner strafrechtlichen Vergangenheit entledigen kann.

b) Umstrukturierung als Vereitelung der Unternehmensstrafregisterzwecke?

Ein Unternehmensstrafregister ist von etlichen Vernehmlassungsteilnehmenden ausdrücklich oder sinngemäss mit der Begründung abgelehnt worden, ein Unternehmen könne einfach liquidiert und neu gegründet werden, um sich seiner strafrechtlichen Vergangenheit zu entledigen; ein Unternehmensstrafregister erfülle daher seinen Zweck nur unvollständig. Dieser Einwand ist nicht unbegründet.

Das Strafsubjekt «Unternehmen» geht mit seiner Liquidation unter und das neu gegründete Unternehmen ist juristisch nicht mehr identisch. Es ist damit
theoretisch denkbar, dass sich ein Unternehmen nach Eröffnung eines Strafverfahrens gesellschaftsrechtlich neu strukturiert und sich somit die Frage stellt, wer die Verantwortung für allfällige strafbare Organisationsmängel des liquidierten Unternehmens tragen muss. Die Umstrukturierung kann mit der direkten Absicht erfolgen, das Strafverfahren an sich zu verunmöglichen, den Vollzug einer bereits ausgefällten Strafe zu verhindern oder um im Geschäftsverkehr als unbescholtenes Unternehmen auftreten zu können.

Es ist zunächst festzuhalten, dass Liquidation und Neugründung zwecks «Abstreifens» der unternehmensstrafrechtlichen Vergangenheit nur ein Randproblem sein dürfte, da dies insbesondere bei grossen oder börsenkotierten Unternehmen kaum ein realistisches Szenario ist. Das Grundproblem kann sich aber auch losgelöst von dubiosen Absichten nach einer Umstrukturierung stellen, wie der folgende Sachverhalt zeigt: 210

Der Bundesrat ist bereits in der Vergangenheit von ausserordentlich tiefen Fallzahlen ausgegangen, vgl. Botschaft StPO, BBl 2006 1167.

5837

Nach einem Vorfall (ungewöhnlich hohe Barauszahlung) bei der PostFinance eröffnete die Staatsanwaltschaft Solothurn im Jahr 2006 ein Strafverfahren gegen Die Schweizerische Post wegen Organisationsmängel nach Artikel 102 Absatz 2 StGB.211 Zu diesem Zeitpunkt war die Post eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit (mit Konzernstrukturen), die PostFinance war ein unselbständiger Konzernbereich ohne Rechtspersönlichkeit. Nach der Umwandlung der Post in Folge der Revision der Postorganisationsgesetzgebung in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft (AG) und der Ausgliederung der PostFinance in eine privatrechtliche AG (Konzerntochter) ging das Strafsubjekt, gegen welches das Strafverfahren eröffnet worden war, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils unter. Soweit ersichtlich gab dieser Umstand bisher keinen Anlass zu näheren Ausführungen und Begründungen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Das Verfahren ist zurzeit noch hängig.

Es stellt sich somit die Frage, gegen wen sich das hängige Verfahren nun richtet bzw. wer eine ausgefällte Busse nach der Umstrukturierung zu bezahlen hat. Das schweizerische Recht kennt dafür ­ im Gegensatz zu vielen Nachbarländern ­ keine spezifischen Regeln. Die Nachfolgeregeln des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 2003212 sind im Strafrecht nicht anwendbar. Im Strafprozess gilt, dass beim Ableben einer natürlichen Person alle hängigen Strafverfahren eingestellt werden (dauerndes Prozesshindernis, vgl. Art. 319 StPO); dasselbe gilt für den Strafvollzug: Die Erben haften nicht für strafrechtliche Verfehlungen des Erblassers.

Der Bundesrat und das Parlament waren sich im Rahmen der Beratungen zur StPO einig, Fragen des Konkurses oder der Fusion im Rahmen eines Strafverfahrens offen zu lassen, da nur wenige Strafverfahren gegen Unternehmen zu erwarten und solche Fragen vornehmlich materiell-strafrechtlicher Art seien. Soweit die StPO keine Sonderregeln für Unternehmen enthalte, seien die allgemeinen Regeln direkt oder sinngemäss anzuwenden.213 Gerichtsurteile zu diesem Thema gibt es in der Schweiz bis heute soweit ersichtlich nicht. Die Lösung des Problems ist in der Literatur umstritten.214 c) Unternehmensstrafregister in den Nachbarländern In der Vernehmlassung 2012 ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, ein Strafregister für
Unternehmen solle nur eingeführt werden, wenn dies in anderen Ländern ebenfalls existiere, da dies ansonsten zu einem Wettbewerbsnachteil für schweizerische Unternehmen führen würde.

Ein kurzer Vergleich mit den Nachbarländern der Schweiz (Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien, Frankreich) ergibt, dass alle diese Staaten eine strafrechtliche

211 212 213 214

Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft Solothurn vom 22. Juli 2010.

SR 221.301 Botschaft StPO, BBl 2006 1167.

Vgl. M.A. Niggli/D. Gfeller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, M.A. Niggli/ H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N 450 ff. und R. Grädel/ M. Heiniger, in: Basler Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, M.A. Niggli/M. Heer/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 2011, Art. 319 StPO N 15 je m. w. H.

5838

oder strafrechtsähnliche Verantwortlichkeit von Unternehmen kennen;215 in diesen Ländern besteht auch ein Register, in das Verurteilungen und hängige Verfahren eingetragen werden.216 Bemerkenswert ist, dass in diesen Ländern oft kein spezifisches Unternehmensstrafregister existiert, sondern bestehende Register angepasst worden sind. Dies ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass ein selbstständiges elektronisches Register mit einem grossen Aufwand verbunden ist und dieser angesichts der tiefen Fallzahlen im Unternehmensstrafrecht nur schwer «amortisierbar» ist.

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bereits die Ausgestaltung der materiellen Strafnorm in den erwähnten Staaten in verschiedener Hinsicht sehr stark von der schweizerischen Lösung abweicht, was sich auch auf die Ausgestaltung des Strafregisterrechts auswirkt. So kennt mit Ausnahme von Deutschland217 keines dieser Länder einen derart umfassenden Unternehmensbegriff wie das schweizerische Strafrecht, sondern beschränkt die Strafbarkeit regelmässig auf juristische Personen.

Diese lassen sich handels- und strafregisterrechtlich besser erfassen als lose Zusammenschlüsse wie etwa einfache Gesellschaften. Weiter ist in den meisten dieser Länder (Deutschland, Österreich, Liechtenstein und Italien) die strafrechtliche Unternehmenshaftung detaillierter geregelt als in der Schweiz ­ in Österreich sogar in einem spezifischen Verbandsverantwortlichkeitsgesetz ­, um den materiellen und prozessualen Besonderheiten Rechnung tragen zu können. So ist in diesen Staaten insbesondere auch die Verantwortlichkeit bei einer Rechtsnachfolge infolge einer Fusion geregelt.218 Eine solche Regelung fehlt in der Schweiz und führt zu Besonderheiten bei der Entfernung von Unternehmensstrafdaten.219 Wegen dieser teilweise grundlegend unterschiedlichen Ausgangslage in den Nachbarländern sind Rückschlüsse auf Handlungsbedarf und -möglichkeiten in der Schweiz nur beschränkt möglich. Es kann aber abschliessend festgehalten werden, dass die meisten Nachbarländer strafrechtlich verurteilte Unternehmen registrieren.

215

216

217

218

219

Für Deutschland vgl. § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG); für Österreich vgl. § 3 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes; für Liechtenstein vgl. § 74a des Strafgesetzbuches. Für eine Übersicht der materiellen und registerrechtlichen Regeln in Frankreich und Italien vgl. Alain Macaluso, La responsabilité pénale des personnes morales et de l'entreprise. Eléments de droit comparé et étude des articles 100quater et 100quinquies CPS, Lausanne 2004, S. 76 ff. Vgl. auch M.A. Niggli/D. Gfeller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, M.A. Niggli/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N 1 ff. m. w. H.

Zum Gewerbezentralregister in Deutschland vgl. § 149 Gewerbeordnung. Für Liechtenstein vgl. Art. 2 des Gesetzes über das Strafregister und die Tilgung gerichtlicher Verurteilungen. In Österreich werden Verurteilungen und hängige Strafverfahren gegen Verbände nicht im Strafregister, sondern im elektronischen Verfahrensregister der Justiz («Verfahrensautomation Justiz ­ VJ») gespeichert; Unternehmen können Auskunft verlangen, ob sie in diesem Register verzeichnet sind (vgl. § 89m Gerichtsorganisationsgesetz). Für Frankreich und Italien vgl. Alain Macaluso, La responsabilité pénale des personnes morales et de l'entreprise. Eléments de droit comparé et étude des articles 100quater et 100quinquies CPS, Lausanne 2004, S. 76 ff.

Für Deutschland ist zu berücksichtigen, dass dort die Strafbarkeit von Unternehmen eine blosse Ordnungswidrigkeit und keine «echte» kriminalstrafrechtliche Strafe ist, vgl. § 30 OWiG.

§ 30 Abs. 2a OWiG (Deutschland); § 74d StGB (Liechtenstein); Art. 10 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (Österreich). Für Frankreich und Italien vgl. Alain Macaluso, La responsabilité pénale des personnes morales et de l'entreprise. Eléments de droit comparé et étude des articles 100quater et 100quinquies CPS, Lausanne 2004, S. 76 ff.

Vgl. vorstehend Bst. b und die Erläuterungen zu Art. 87.

5839

d) Weitere grundsätzliche Vorbehalte Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer führten die Wirtschaftsfreiheit an und monierten, der Zugang auf Strafregisterauszüge könne die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen beeinträchtigen und Unternehmenszusammenschlüsse behindern.

Zudem hätten neue Geschäftsführer wenig Interesse, die Folgen von Verurteilungen ihrer Vorgänger zu tragen. Hier gilt es zu präzisieren: Ein Unternehmen kann nicht auf die Privatauszüge eines anderen Unternehmens zugreifen; deren Ausstellung erfolgt analog den Regeln für den Privatauszug bei natürlichen Personen.

Es geht zudem vorliegend nicht um Verurteilungen von Unternehmensangehörigen, sondern um solche des Unternehmens. Die Strafbarkeit von Unternehmen nach Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) muss scharf von der Strafbarkeit natürlicher Personen getrennt werden, da ihnen ein unterschiedlicher Schuldvorwurf zu Grunde liegt. Natürliche Personen sind nicht nach Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) strafbar. Die Verurteilung eines Unternehmens darf deshalb nicht auf natürliche Personen durchschlagen. Es wird lediglich das verurteilte Strafsubjekt eingetragen; eine Art «Doppeleintrag» auf dem Privatauszug wäre hinsichtlich der Unschuldsvermutung höchst problematisch.

Eine verheimlichte Verurteilung kann eine Geschäftsbeziehung nicht weniger belasten als eine offengelegte, weshalb dies kaum als Argument gegen ein Register angeführt werden kann. Eine erfolgte (oder möglicherweise bevorstehende) Verurteilung kann für einen geplanten Unternehmenszusammenschluss sehr bedeutsam sein und muss in die Risikobeurteilung einfliessen. Insofern kann der Privatauszug von Unternehmen ­ wenn auch mit gewissen Unzulänglichkeiten behaftet (siehe vorstehend b) ­ ein wertvolles Instrument für Investoren sein.

2.4.3

1. Titel: Inhalt

1. Kapitel: Eingetragene Daten im Bereich Strafdatenverwaltung Art. 75

Verzeichnete Unternehmen

Bei Unternehmen werden Grundurteile und die Hängigkeit eines Strafverfahrens in VOSTRA eingetragen. Dabei ist unerheblich, ob das Unternehmen seinen Sitz in der Schweiz hat oder nicht. Erforderlich ist hingegen, dass das Unternehmen über eine Identifikationsnummer (UID) nach dem UIDG verfügt. Dies gilt insbesondere für ausländische Unternehmen, die sich in der Schweiz strafbar gemacht haben (z. B.

wegen Privatbestechung), ansonsten aber in keiner Beziehung zu schweizerischen Behörden stehen und deshalb keine UID zugeteilt bekommen.220 An sich sollten auch solche Unternehmen in VOSTRA eingetragen werden, allerdings ergäbe sich die Schwierigkeit, Merkmale festzulegen, anhand derer das Unternehmen nach erfolgter Eintragung eindeutig identifiziert werden soll (vgl. Ziff. 1.4.1). Da sich ohne UID die Datenpflege und Auskunftserteilung zumindest schwierig oder gar

220

Vgl. Art. 3 Abs. 1 Ziff. 5 UIDG.

5840

unmöglich wäre, werden Unternehmen, welche über keine UID verfügen, nicht in VOSTRA erfasst.221 Die genauen Voraussetzungen für die Eintragung eines Grundurteils richten sich gemäss Buchstabe a nach Artikel 77.

Gemäss Buchstabe b führt ein in der Schweiz gegen ein Unternehmen eingeleitetes Strafverfahren zu einem Eintrag in VOSTRA, sobald es hängig222 ist. Ein solcher Eintrag dient insbesondere zur Klärung allfälliger Gerichtsstandsfragen (vgl. z. B.

Art. 36 StPO).

Bei hängigen Strafverfahren wird unterschieden, ob es sich um ein Verfahren nach Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) oder gestützt auf eine nebenstrafrechtliche Sondernorm handelt: ­

Strafverfahren gestützt auf Artikel 102 Absatz 1 oder 2 StGB (bzw. Art. 59a MStG) sind nur möglich, wenn die Anlasstat ein Verbrechen oder Vergehen ist nicht aber eine Übertretung (vgl. Art. 102 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 1 StGB).

­

Hängige Strafverfahren wegen Widerhandlungen gegen nebenstrafrechtliche Unternehmensstrafbestimmungen des Bundes werden nicht in VOSTRA eingetragen, sofern lediglich ein reiner Ausfallhaftungstatbestand wie z. B.

Artikel 7 VStrR oder Artikel 49 FINMAG223 in Frage kommt (Ziff. 2). Der praktisch wichtigste Fall, der danach noch einzutragen ist, bildet Artikel 181 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990224 über die direkte Bundessteuer.225

Art. 76

Identifizierende Angaben zum des Unternehmen

Anhand welcher unternehmensbezogener Angaben die Speicherung (vgl. Ziff. 1.4.1) erfolgt, ergibt sich aus Absatz 1. Gespeichert werden nur diejenigen Angaben, die nötig sind, um ein Unternehmen eindeutig identifizieren zu können. Die Regelung lehnt sich dabei an die sogenannten Kernmerkmale des UID-Registers (Bst. a­d) an.

Dies weil die Daten in diesem Register ein hohes Mass an Aktualität aufweisen, da die Unternehmen mit den anderen UID-Stellen (z. B. Handelsregister, Steuerbehörden usw.) öfters in Kontakt stehen als mit Strafregisterbehörden. Mutationen (z. B.

eine Adressänderung) werden daher laufend im UID-Register erfasst.

In der Vernehmlassung 2012 ist bemängelt worden, ein Strafregisterauszug für Unternehmen habe nur beschränkte Aussagekraft, weil sich das Leitungspersonal des Unternehmens seit dem Eintrag im Strafregister verändern könne. Diese Kritik verkennt, dass das Unternehmen allein nach Artikel 102 StGB bzw. Artikel 59a MStG (oder spezifischen Strafvorschriften in anderen Bundesgesetzen) strafbar ist; die Strafbarkeit von natürlichen Personen bestimmt sich nach anderen Strafvor221

222 223 224 225

Es wäre theoretisch möglich, dass das Schweizerische Strafregister als sog. UID-Stelle bei der Vergabe der UID an neue UID-Einheiten mitwirken könnte (Art. 9 UIDG). Allerdings würde eine solche Mitwirkung Rückschlüsse über einen zu erfolgenden Strafregistereintrag des betreffenden Unternehmens erlauben; aus diesem Grund wird auf die Mitwirkung an der Vergabe verzichtet.

Zur Frage der Hängigkeit vgl. die Erläuterungen zu Art. 26.

SR 956.1 DBG, SR 642.11 Vgl. auch die Erläuterungen zu Art. 77 Abs. 1 Bst. c Ziff. 2.

5841

schriften. Insofern schadet ein Wechsel im Management der Aussagekraft des Unternehmensstrafregisterauszugs nicht. Mit Rücksicht auf das Schuldprinzip verbietet sich zudem der Vermerk von natürlichen Personen auf Strafregisterauszügen von Unternehmen.

Als Bearbeitungsvermerk (Bst. e), welcher nebst den anderen Merkmalen zur Identifizierung des Unternehmens dienen soll, kommt z. B. die Rechtsform des Unternehmens in Betracht. Da allerdings in den meisten Fällen bereits die UID eine eindeutige Identifizierung sicherstellen sollte, dürften solche Vermerke die Ausnahme bilden.

Der UID-Status (Bst. f) ist ein Indiz dafür, ob das Unternehmen noch wirtschaftlich tätig ist (vgl. Ziff. 1.4.1; Art. 87). Ein Unternehmen kann jedoch den Status «aktiv» aufweisen, obschon es nicht mehr wirtschaftlich tätig ist. Die an VOSTRA angeschlossenen Behörden kommen also nicht umhin, diese Information zu verifizieren, falls sie sie verwenden möchten.

Art. 77

Eintragungsvoraussetzungen für Grundurteile

Absatz 1 legt die Voraussetzungen fest, damit ein Grundurteil in VOSTRA eingetragen wird. Dabei wird wiederum unterschieden zwischen Grundurteilen, die in Anwendung von Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) ergangen, und solchen, die unmittelbar226 gestützt auf Bestimmungen des Nebenstrafrecht des Bundes ausgefällt worden sind. Bei beiden Konstellationen müssen die Grundurteile zum einen rechtskräftig (Bst. a) und zum anderen von einer zivilen oder militärischen Strafbehörde bzw. einer Verwaltungsstrafbehörde (Bst. b) ausgefällt worden sein.

Einzutragen sind Grundurteile, die gemäss Buchstabe c Ziffer 1 in Anwendung von Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) ergangen sind. Die Höhe der ausgefällten Busse ist nicht von Belang.

Grundurteile, die unmittelbar gestützt auf nebenstrafrechtliche Unternehmensstrafbestimmungen des Bundes ausgefällt worden sind, werden gemäss Buchstabe c Ziffer 2 ebenfalls in VOSTRA eingetragen.

Die Eintragung ist grundsätzlich abhängig von der Bussenhöhe. Diese Schwelle ist für Unternehmen höher angesetzt als für natürlichen Personen (vgl. Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 3 erster Strich), da Unternehmen aufgrund ihrer grösseren Finanzkraft in der Regel auch höhere Bussen auferlegt werden als natürlichen Personen. Überdies werden reine Ausfallhaftungstatbestände (z. B. Art. 7 VStrR, Art. 49 FINMAG oder Art. 100 MWSTG) generell nicht eingetragen. In der Vernehmlassung 2012 ist gefordert worden, auch die reine Ausfallhaftung als Eintragungsgrund aufzunehmen.

Bei der reinen Ausfallhaftung liegt jedoch kein eigenes Verschulden vor, sondern

226

Strafbestimmungen des Nebenstrafrechts können auch Anlasstaten für eine Unternehmenshaftung nach Art. 102 Abs. 1 StGB (bzw. Art. 59a Abs. 1 MStG) darstellen, wenn es sich dabei um Verbrechen oder Vergehen handelt.

5842

fremdes, das zugerechnet wird.227 Dem Kernstrafrecht ist die Zurechnung fremden Verschuldens ohne eigenen Tatbeitrag fremd. Diese spezielle Form der strafrechtlichen Haftung ist deshalb nur im Nebenstrafrecht vorgesehen. Der Verzicht auf die Eintragung solcher Verurteilungen ins Strafregister ist folglich konsequent.

Das Grundurteil wird somit gemäss Buchstabe c Ziffer 2 erster Strich erst eingetragen, sofern eine Busse von mehr als 50 000 Franken ausgefällt wurde (z. B. Art. 181 i.V.m. Art. 175 DBG). Von diesem Grundsatz wird in zwei Fällen abgewichen: ­

Kann oder muss die Behörde im Wiederholungsfall eine Strafschärfung aussprechen, so erfolgt der Eintrag unabhängig von der Höhe der Busse (zweiter Strich).228 Würden in diesen Fällen Grundurteile, welche die Bussengrenze nicht erreichen, nicht eingetragen, so könnte ein Gericht gar nicht beurteilen, ob überhaupt ein Wiederholungsfall vorliegt.

­

Wie auch bei den natürlichen Personen wird ein nicht eintragungspflichtiges Delikt dennoch eingetragen, wenn es Teil eines Urteils bildet, das eintragungspflichtige Delikte enthält (dritter Strich).

In der Vernehmlassung 2012 wurde die Eintragungsschwelle bei Bussen (mehr als CHF 50 000.­) kritisiert und eine deutliche Absenkung vorgeschlagen. Die vorgesehene Regelung ist jedoch sachgerecht, weil nicht jede Bagatelle eingetragen werden soll und die vorstehend dargelegte Ausnahmeregelung auf die praktischen Bedürfnisse der abfragenden Behörden Rücksicht nimmt. Zudem werden Urteile gestützt auf Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) ausnahmslos eingetragen (Ziff. 1).

Mit Ausnahme der Fälle gemäss Artikel 52 StGB (vgl. Abs. 2) werden auch Verurteilungen eingetragen, bei denen auf die Ausfällung einer Sanktion verzichtet wird,229 sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Bst. c Ziff. 1 und Ziff. 2 zweiter und dritter Strich). Würde man auf einen Eintrag verzichten, so fehlten den Strafverfolgungsbehörden wichtige Informationen bezüglich allfälliger Wiederholungstaten. Solche Urteile erscheinen jedoch nicht im Privatauszug (vgl.

Art. 99 Abs. 1 Bst. b).

Aus Absatz 2 wie auch aus dem Einleitungssatz in Absatz 1 geht hervor, dass nur schweizerische Urteile eingetragen werden. Dies weil ausländische Urteile der 227

Von Ausfallhaftungstatbeständen spricht man dann, wenn das Gesetz vorsieht, dass anstelle der natürlichen Person das Unternehmen gebüsst werden soll, weil der Aufwand für die Ermittlung der verantwortlichen natürlichen Person als zu gross angesehen wird (zum Missverhältnis zwischen Ermittlungsaufwand und verwirkter Strafe vgl. Günter Heine, Straftäter Unternehmen: das Spannungsfeld von StGB, Verwaltungsstrafrecht und Steuerstrafrecht, in: recht, 2005, S. 7 f.; Martin Kocher, Klare Tat, unklare Täterschaft: Unternehmensstrafrecht nach revidiertem Mehrwertsteuergesetz, in: ASA 79, Nr. 1/2, 2010/2011, S. 101). Solche Ausfallhaftungen sind zwar als Strafnormen konzipiert, rechtfertigen aber unter dem Blickwinkel des Verschuldensprinzips keine Eintragung, da das Unternehmen nur stellvertretend, d.h. ohne eigenes Verschulden gebüsst wird. Gewisse Meinungen gehen deshalb dahin, dass es sich bei dieser Unternehmensbusse mangels Schuldvorwurf nicht um eine eigentliche Strafe handelt, sondern z. B. im Bereich der Mehrwertsteuer eher um eine Art Steuer. Weiter wird vorgebracht, dass das Unternehmen in solchen Fällen nicht Strafrechtssubjekt ist, sondern nur aus prozessökonomischen Gründen verurteilt wird.

228 Vgl. z. B. Art. 181 Abs. 1 i. V. m. Art. 174 Abs. 2 DBG.

229 Die sog. Strafbefreiungsgründe kommen grundsätzlich auch für Unternehmen ­ wenn auch in eingeschränkter Form ­ in Betracht. Vgl. dazu M.A. Niggli/D. Gfeller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, M.A. Niggli/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N 338 ff.

5843

registerführenden Stelle nicht gemeldet werden. Ebenfalls ausgenommen ist die Eintragung von Verurteilungen nach Artikel 52 StGB, da sich bei Geringfügigkeit von Schuld und Tatfolgen keine Eintragung rechtfertigt (vgl. zur analogen Problematik bei natürlichen Personen Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 1).

Art. 78

Einzutragende Daten des Grundurteils

Wird ein Grundurteil gegen ein Unternehmen in VOSTRA eingetragen, so folgen weitere Daten, die mit dem Grundurteil verknüpft sind.

Diese Bestimmung nennt, wie bei den Bestimmungen zum Strafregister für natürliche Personen (Art. 21), nur die Hauptkategorien. Die Verordnung wird die einzutragenden Elemente des Urteilsdispositivs präzisieren (Abs. 3). Es handelt sich grundsätzlich um die gleichen Elemente, wie bei natürlichen Personen. Abweichungen ergeben sich nur aufgrund der Natur der Sache (insbesondere aufgrund der limitierten Sanktionsarten im Unternehmensstrafrecht).

Bei den allgemeinen Urteilsparametern gemäss Absatz 1 Buchstabe b handelt es sich um Angaben wie z. B. das Urteilsdatum, die urteilende Behörde, das Datum der Eröffnung usw.

Unter Absatz 1 Buchstaben c und d fallen Angaben zu Verfahrensart und Entscheidtyp, also beispielsweise, dass das Unternehmen XY im abgekürzten Verfahren zu einer Zusatz-Busse von 1.5 Mio. Franken (vgl. Art. 49 Abs. 2 StGB) verurteilt worden sei.

Unter die tatbestandsspezifischen Deliktsangaben und Begehungsdaten nach Absatz 1 Buchstabe e fallen beispielsweise die abstrakte Umschreibung der Tatbestände sowie die genaue Bezeichnung der Artikel-Nummer und des Gesetzes.

Als Sanktion kommt im Bereich des Unternehmensstrafrechts nur die Busse in Betracht, weshalb unter den Angaben zur ausgefällten Sanktion gemäss Absatz 1 Buchstabe f nur die Bussenhöhe und die Währung fallen. Im Bereich Strafzumessung und Verzicht auf Sanktionierung kommt beispielsweise die Nennung von Strafmilderungsgründen gemäss Artikel 48 StGB oder allfällige Strafbefreiungsgründe gemäss den Artikeln 52 ff. StGB230 in Betracht.

Bezüglich Absatz 2, der die registerrechtliche Behandlung von Zusatz- und Teilzusatzurteilen behandelt, kann auf die Ausführungen zu Artikel 21 Absatz 2 verwiesen werden.

Gemäss Absatz 3 regelt der Bundesrat, welche Daten genau registriert werden sollen.

Der besseren Übersicht willen ist es unter Umständen sinnvoll, auch die Ausnahmen von der Eintragungspflicht explizit zu erwähnen: Darunter fallen ­ wie bei den natürlichen Personen ­ z. B. die freisprechenden Urteile ohne Sanktionierung, Kostenfolgen oder Delikte des kantonalen Rechts.

In der Vernehmlassung 2012 ist verlangt worden, die Strafdaten des Unternehmens mit den Daten straffällig gewordener natürlicher
Personen zu verknüpfen. Dies würde den Strafverfolgungsbehörden zweifellos erleichtern, Zusammenhänge zwischen Anlasstat und Unternehmensverantwortlichkeit zu rekonstruieren. Eine solche Verknüpfung ist jedoch in mehrfacher Hinsicht problematisch:

230

Vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 80 (einzutragende Einstellungsverfügungen).

5844

­

Der Schuldvorwurf an das Unternehmen unterscheidet sich elementar von demjenigen an natürliche Personen: Natürliche Personen können sich nicht nach Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) strafbar machen, weil diese Norm allein das Organisationsverschulden von Unternehmen normiert.

Unternehmen dagegen können sich ausschliesslich nach Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) strafbar machen und nicht nach anderen Tatbeständen des StGB. Es müsste sichergestellt sein, dass die eintragenden oder meldenden Behörden den Eintrag stets aktuell halten und insbesondere die einer Anlasstat beschuldigte natürliche Person umgehend aus den Strafdaten des Unternehmens entfernen, wenn das Verfahren gegen die natürliche Person eingestellt wird (Daten- und Persönlichkeitsschutz, Unschuldsvermutung).

­

Die Verknüpfung ist technisch sehr aufwendig und kaum vernünftig umsetzbar.

­

Die verschiedenen Einträge unterliegen unterschiedlichen Löschungs- und Entfernungsfristen, die koordiniert werden müssten.

Der Bundesrat verzichtet aus diesen Gründen auf die Umsetzung dieses Vorschlags, zumal bei verurteilten Unternehmen die Strafjustizbehörden mit dem Behördenauszug 1 Zugang auf den Volltext des Urteils haben, aus dem sich wichtige Informationen über die Anlasstat gewinnen lassen.

Art. 79

Nachträgliche Entscheide

Bei den Unternehmen kommen als nachträgliche Entscheide zurzeit nur die Begnadigung oder die Amnestie in Frage, die in VOSTRA eingetragen werden sollen.

Weitere Entscheide sind derzeit im Anwendungsbereich des Unternehmensstrafrechts nicht bekannt. Dem Bundesrat soll jedoch die Möglichkeit eingeräumt werden, bei Bedarf die Erfassung weiterer nachträglicher Entscheide festzulegen.

Art. 80

Einzutragende Einstellungsverfügungen

Im Unterschied zur Regelung beim Register für natürliche Personen fehlt im Unternehmensstrafregister die Möglichkeit, Einstellungsverfügungen nach den Artikeln 53 und 55a StGB zu erfassen: Diese Einstellungsarten sind auf natürliche Personen zugeschnitten und im Unternehmensstrafrecht nicht relevant.

Die Einstellung wegen Betroffenheit des Täters durch seine Tat (Art. 54 StGB) ist bei Unternehmen hingegen denkbar. Es ist hier an seltene Fälle zu denken, in denen das Unternehmen einziger Geschädigter einer Anlasstat231 nach Absatz 1 von Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) ist, die durch die mangelhafte Organisation begünstigt worden ist. Wortlaut und Struktur von Art. 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) schliessen nämlich nicht zweifelsfrei aus, dass auch Delikte, die sich ausschliesslich gegen das Unternehmen selbst richten, Anlasstaten im Sinne von Artikel 102 Absatz 1 StGB (bzw. Art. 59a Abs. 1 MStG) sein können.232 In diesem

231 232

Z. B. ungetreue Geschäftsbesorgung, Art. 158 StGB.

Vgl. dazu M.A. Niggli/D. Gfeller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, M.A. Niggli/ H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N 88 ff.; hier ist insb. auf N 90 zu verweisen (Einstellungsverfügung im Fall «FIFA»).

5845

Zusammenhang ist insbesondere an Vermögens- und an Ehrverletzungsdelikte zu denken.233 In der Praxis dürfte in solchen Fällen zuerst gegen die Anlasstäterschaft ermittelt werden, sodass in diesem Verfahren klar wird, ob allein das Unternehmen geschädigt worden ist. Selbst bei Vorliegen gravierender Organisationsmängel wird die Strafverfolgungsbehörde in solchen Fällen das Verfahren gegen das Unternehmen aus Opportunitätsgründen regelmässig gar nicht erst eröffnen, sodass kaum je eine Einstellungsverfügung zu erlassen sein wird. Weil jedoch das geltende Unternehmensstrafrecht die Strafbarkeit eines Unternehmens, das einziger Geschädigter der Anlasstat ist, nicht zweifelsfrei ausschliesst, muss zumindest Artikel 54 StGB als Korrektiv wirken können. Dieser Einstellungstyp ist deshalb auch im Unternehmensstrafregister einzutragen.

Art. 81

Elektronische Kopien einzutragender Grundurteile, nachträglichen Entscheiden und Einstellungsverfügungen

Im Bereich des Strafregisters für natürliche Personen ist neu vorgesehen, dass Kopien aller Urteile, nachträglichen Entscheide und Einstellungsverfügungen im Volltext in VOSTRA erfasst werden (vgl. Ziff. 1.3.4). Dies soll auch für das Unternehmensstrafregister gelten. Artikel 81 entspricht inhaltlich Artikel 24 Absatz 1, weshalb auf die Ausführungen zu diesem Artikel verwiesen wird.

Art. 82

Automatisch generierte Systemdaten im Bereich der Strafdatenverwaltung

In der Vernehmlassung 2012 ist kritisiert worden, die Regelungsdichte dieser Bestimmung sei zu hoch. Die darin genannten Datenkategorien bilden jedoch den unabdingbaren Kern, um Vorgänge zu dokumentieren, die datenschutz- oder strafvollzugsrechtlich relevant sein können, weshalb diese im Gesetz erwähnt werden.

Der Normtext lässt durch die Verwendung des Wortes «insbesondere» die Generierung weiterer Systemdaten zu, die in der Verordnung eingehend geregelt werden.

Der Entwurf verzichtet auf eine Regelung, wie sie der Vorentwurf in Artikel 74 Absatz 1 Buchstabe b noch vorgesehen hatte, denn bei der Strafbarkeit von Unternehmen fehlt die Möglichkeit von bedingten Strafen. Die Diskussion in der Literatur zu diesem Thema dreht sich letztlich um die Frage, welchem Deliktstyp Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) zuzuordnen sei.234 Es ist durchaus einzuräumen, dass die Verantwortlichkeit des Unternehmens in verschiedener Hinsicht ein Spezialfall innerhalb des StGB darstellt. Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) bezeichnet die angedrohte Sanktion jedoch in allen drei offiziellen Sprachversionen ausdrücklich als Busse, und es gibt keine stichhaltigen Gründe, die Strafnorm als etwas anderes als eine Übertretung zu qualifizieren.

233

Die Betriebstypizität der Anlasstat muss selbstverständlich gegeben sein; zur Betriebstypizität vgl. M.A. Niggli/D. Gfeller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, M.A. Niggli/ H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N 91 ff.

234 Vgl. zum Ganzen M.A. Niggli/D. Gfeller, in: Basler Kommentar Strafrecht I, M.A. Niggli/H. Wiprächtiger (Hrsg.), 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N 40 ff. und N 348 f.

m. w. N. Aus dem Umstand, dass als Anlasstaten ausschliesslich Verbrechen und Vergehen in Frage kommen, lässt sich nichts für die Typisierung von Art. 102 StGB ableiten, denn die Anlasstat ist objektive Strafbarkeitsbedingung; das Unternehmen setzt eigenes Unrecht durch mangelhafte Organisation.

5846

Artikel 82 trägt somit den Besonderheiten des Unternehmensstrafrechts Rechnung und ist im Übrigen auf Artikel 25 abgestimmt, der die automatisch generierten Systemdaten im Bereich des Strafregisters für natürliche Personen regelt. Es kann deshalb auf die Ausführungen zu diesem Artikel verwiesen werden.

Art. 83

Hängige Strafverfahren

Diese Bestimmung entspricht inhaltlich Artikel 26, der die Hängigkeit von Strafverfahren gegen natürliche Personen regelt. Es wird deshalb auf die Kommentierung zu diesem Artikel verwiesen.

2. Kapitel: Eingetragene Daten ausserhalb der Strafdatenverwaltung Art. 84

Automatische Protokollierung von Abfragen zugangsberechtigter Behörden

Diese Bestimmung entspricht der Regelung beim Register über natürliche Personen in Artikel 27. Es kann deshalb auf die Ausführungen zu diesem Artikel verwiesen werden.

Art. 85

Daten betreffend die Bestellung von Privatauszügen

Diese Bestimmung entspricht weitestgehend Artikel 29, der die Daten betreffend die Bestellung von Privatauszügen im Bereich des Strafregisters für natürliche Personen regelt. Es kann deshalb auf die Ausführungen zu diesem Artikel verwiesen werden.

3. Kapitel: Zeitpunkt der Eintragung von Daten in VOSTRA Art. 86 Die Bestimmung entspricht wörtlich Artikel 30, der den Zeitpunkt der Eintragung von Daten natürlicher Personen regelt.

4. Kapitel: Entfernung und Vernichtung von VOSTRA-Daten Art. 87

Daten eines Unternehmens mit inaktivem UID-Status

Die UID dient als Identifikator im Unternehmensstrafregister (Art. 76 Abs. 1 Bst. a).

Beendet oder unterbricht ein Unternehmen seine wirtschaftliche Tätigkeit,235 so wechselt in der Regel236 sein UID-Status von «aktiv» zu «inaktiv» (Art. 12 Abs. 1 UIDG).237 Wie unter Ziffer 1.4.1 erläutert, bleiben diese Daten im UID-Register

235 236 237

Z. B. weil es liquidiert oder von einem anderen Unternehmen absorbiert wird (Fusion).

Vgl. schon oben die Erläuterungen zu Art. 76 (am Ende).

Botschaft vom 28. Okt. 2009 zum Bundesgesetz über die UnternehmensIdentifikationsnummer, BBl 2009 7889.

5847

weiterhin238 abrufbar. Aus diesem Grund gehört der UID-Status auch zu den identifizierenden Merkmalen des Unternehmens (vgl. Art. 76 Abs. 1 Bst. f). Im Vorentwurf war vorgesehen, dass ein registriertes Unternehmen mit inaktiver UID nicht mehr auf den verschiedenen Auszügen erscheint.

Strafdaten von Unternehmen sind insbesondere für die Leumundsprüfung und die Strafzumessung nur solange von Interesse, als das verurteilte Unternehmen tatsächlich existiert. Allerdings bereitet die Feststellung der Auflösung eines Unternehmens grosse praktische Schwierigkeiten, weil der UID-Status «inaktiv» ­ wie auch die Löschung im Handelsregister ­ kein verlässliches Kriterium ist, um ohne Weiteres auf die Auflösung des Unternehmens zu schliessen: Ein Unternehmen, das im Handelsregister gelöscht ist, wird im UID-Register nicht zwingend inaktiv gesetzt, da möglicherweise nur die für den Handelsregistereintrag erforderlichen Schwellenwerte nicht mehr erreicht werden. Ebenso wenig wird ein Unternehmen mit inaktiver UID im Handelsregister zwingend gelöscht, weil es die wirtschaftliche Tätigkeit möglicherweise nur vorübergehend eingestellt hat und kein Antrag auf Löschung erfolgt ist. Eine inaktive UID oder eine Löschung im Handelsregister deutet also nicht zwingend auf ein juristisch aufgelöstes ­ sozusagen «totes» ­ Unternehmen hin.

Es kommt hinzu, dass Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) nicht nur im Handelsregister verzeichnete Unternehmen erfasst. Fehlt auch diese Informationsquelle, so sind die praktischen Schwierigkeiten offensichtlich. Wenn die Strafverfolgungsbehörde demnach herausfinden will, ob ein Unternehmen noch existiert, oder wenn sie dessen strafrechtliche Vergangenheit ausleuchten möchte, muss sie diesen Sachverhalt mit Hilfe verschiedener Informationsquellen zusammentragen. Der Zugang auf Strafdaten von Unternehmen ist deshalb ungeachtet seines UID-Status wichtig.

Der Untergang eines Unternehmens als Löschungsgrund im Strafregister stellt die registerführenden Behörden ­ anders als das Versterben einer natürlichen Person, das im Zivilstandsregister festgehalten und gemeldet wird ­ aus den soeben geschilderten Gründen ebenfalls vor grosse Probleme. Wie soll die registerführende Behörde aus zuverlässiger Quelle erfahren, ob ein eingetragenes Unternehmen sich juristisch tatsächlich aufgelöst hat? Sie
müssten bei jedem eingetragenen Unternehmen aufwendige, periodische Nachforschungen anstellen, um dessen juristischen Status zu eruieren und den Registereintrag anpassen zu können.

Falls ein Unternehmen mit inaktiver UID nicht mehr auf den Strafregisterauszügen erschiene, würde sich eine relativ einfache Umgehungsmöglichkeit eröffnen: Ein vorbestraftes Unternehmen könnte seine UID auf inaktiv setzen (eine Löschung im Handelsregister bzw. Auflösung des Unternehmens ist nicht einmal erforderlich), danach einen Privatauszug bestellen, auf dem folglich: «... ist im Schweizerischen Strafregister nicht verzeichnet» vermerkt wäre, und sodann im Geschäftsverkehr mit einem vermeintlich reinen Leumund auftreten.

Der Entwurf sieht aus diesen Gründen folgende Regelung vor: Damit keine Informationen verloren gehen, sollen Einträge über Unternehmen unbesehen des UID-Status in den verschiedenen Auszügen erscheinen. So wird eine Informationslücke für die Strafverfolgungsbehörden geschlossen und sie können wichtige Informationen aus dem Strafregister beschaffen und gegebenenfalls durch weitere Beweiserhebungen 238

Für die Öffentlichkeit weitere 10 Jahre (Art. 12 Abs. 2 UIDG) bzw. für die UID-Stellen weitere 30 Jahre seit dem Zeitpunkt der Löschung (Art. 22 Abs. 1 UIDV).

5848

ergänzen, um die straf- und gesellschaftsrechtliche Geschichte eines Strafsubjektes nachzuzeichnen. Dies kann etwa für die Strafzumessung oder für einen Antrag auf gerichtlich angeordnete Wiedereintragung im Sinne von Artikel 164 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007239 (HRegV) relevant sein. Die Umgehungsmöglichkeit beim Nachweis eines sauberen Leumundes wird damit ebenfalls verhindert. Der Zustellprozess stellt sicher, dass Privatauszüge nur berechtigten Personen zugestellt werden.

Aus diesen Gründen wird Artikel 87 Absatz 1 und 2 gegenüber der Regelung im Vorentwurf angepasst.

Wie im UID-Register werden auch in VOSTRA die Strafdaten von inaktiven Unternehmen nicht unmittelbar und unwiderruflich entfernt, sondern nach Ablauf der 20-Jahresfrist gemäss Artikel 88 Absatz 1. Strafdaten von inaktiven Unternehmen können nach Absatz 1 weiterhin abgefragt werden, d.h. sie sind für die Behörden nach Artikel 101 ff. einsehbar und erscheinen auch im Privatauszug (Art. 99).

Absatz 2 enthält nunmehr einen Verweis auf die Entfernungsfrist von Artikel 88 für Unternehmensdaten mit dem UID-Status «inaktiv».

Für eine Aufbewahrung bis zum Ablauf der 20-Jahresfrist gemäss Artikel 88 Absatz 1 spricht vor allem der Umstand, dass ein Unternehmen, welches im UIDRegister eingetragen ist, seine wirtschaftliche Tätigkeit theoretisch auch nur vorübergehend einstellen kann. Nimmt das Unternehmen seine wirtschaftliche Tätigkeit nach einer gewissen Zeit wieder auf, wird ihm seine ursprüngliche UID in der Regel wieder zugeteilt (Art. 7 UIDV; vgl. auch Art. 116 Abs. 3 HRegV).240 Zum Statusabgleich, der gemäss Absatz 3 über die elektronische Schnittstelle zwischen VOSTRA und dem UID-Register erfolgt, vgl. die Ausführungen zu Artikel 113 Buchstabe a.

Art. 88

Entfernung von Grundurteilen

Absatz 1 sieht eine Frist von 20 Jahren vor, die wenig länger ist, als die Entfernungsfrist für Übertretungsbussen bei natürlichen Personen (Art. 32 Abs. 2 Bst. d). Der Unterschied begründet sich damit, dass die Anlasstaten, die eine Unternehmensstrafbarkeit auslösen, schwerwiegender sind. Allerdings wird erst die Praxis zeigen, ob diese Aufbewahrungsdauer zweckmässig ist; denn ein vorbestraftes Unternehmen hat grundsätzlich immer die Möglichkeit, sich z. B. durch freiwillige Auflösung und Neugründung einer Registrierung zu entziehen.

Absatz 2 übernimmt die Regelung für natürliche Personen aus Artikel 32 Absatz 4 in modifizierter Form.

Nach Absatz 3 ist ein Urteil, das z. B. durch einen Revisionsentscheid aufgehoben wurde, unverzüglich aus VOSTRA zu entfernen. Analog zu Artikel 32 Absatz 5 bei natürlichen Personen ist auch bei Unternehmen zur Fristberechnung eine Bezugnahme auf den aufgehobenen Entscheid möglich.

239 240

SR 221.411 Botschaft vom 28. Okt. 2009 zum Bundesgesetz über die Unternehmens-Identifikationsnummer, BBl 2009 7885 ff.

5849

Art. 89

Entfernung nachträglicher Entscheide, automatisch generierter Systemdaten oder elektronischer Kopien

Artikel 89 ist, mit Ausnahme der Artikelverweise, identisch mit Artikel 33, weshalb auf die Kommentierung zu diesem Artikel verwiesen wird.

Art. 90

Entfernung von Einstellungsverfügungen

Es wird auf die Kommentierung zu Artikel 34 verwiesen, der sinngemäss auch im Bereich des Unternehmensstrafregisters gilt.

Art. 91

Entfernung hängiger Strafverfahren

Es wird auf die Kommentierung zu Artikel 35 verwiesen, deren Argumentation sich sinngemäss auch auf das Unternehmensstrafregisteranwenden lässt.

Art. 92

Entfernung automatisch protokollierter Abfragen zugangsberechtigter Behörden

Artikel 36, der die Entfernung automatisch protokollierter Abfragen im Bereich des Strafregisters für natürliche Personen regelt, gilt sinngemäss auch für Unternehmen.

Es wird deshalb auf die Kommentierung zu diesem Artikel verwiesen.

Art. 93

Entfernung von Daten betreffend die Bestellung von Privatauszügen

Die Daten, welche im Zusammenhang mit der Bestellung von Privatauszügen in einer Hilfsdatenbank erfasst werden, werden ab dem Zeitpunkt der Bestellung zwei Jahre in VOSTRA gespeichert und danach entfernt.

Art. 94

Vernichtung der entfernten Daten und Archivierungsverbot

Die Bestimmung entspricht (mit Ausnahme der Artikelverweise) inhaltlich Artikel 39. Es wird deshalb auf die Kommentierung zu diesem Artikel verwiesen.

2.4.4

2. Titel: Bekanntgabe von Daten aus VOSTRA

1. Kapitel: Zugangsprofile und Auszugsarten im Bereich der Strafdatenverwaltung 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 95

Funktion der Auszugsarten als Zugangsprofile

Diese Bestimmung entspricht, mit Ausnahme der Artikelverweise, inhaltlich Artikel 40, weshalb auf die Kommentierung zu diesem Artikel verwiesen wird.

5850

2. Abschnitt: Die einzelnen Zugangsprofile Art. 96

Behördenauszug 1

Dieser Vollauszug liefert ­ wie bei den natürlichen Personen (vgl. Art. 42) ­ einen umfassenden Einblick in die Strafdaten gemäss den Absätzen 1 und 2, die über ein Unternehmen in VOSTRA eingetragen sind. Wie bei den natürlichen Personen (vgl.

Art. 50) ist der Zugang auch im Unternehmensbereich auf wenige ausgewählte Behörden beschränkt. Zugangsberechtigt sind nur die Strafgerichte und Verwaltungsinstanzen mit Strafkompetenz, die Staatsanwaltschaften, die Polizeistellen (soweit sie gemäss StPO ermitteln), die Rechtshilfebehörden sowie die registerführenden Behörden (vgl. die Art. 100­102 und 105). Im Unterschied zur Regelung für natürliche Personen benötigen Straf- und Massnahmenvollzugsbehörden zum Vollzug von Bussen keinen Registerzugang. Auch Jugendstrafbehörden benötigen keine Unternehmensdaten.

Auch für den Bereich der Unternehmensregistrierung regelt der Bundesrat gemäss Absatz 2 erst auf Verordnungsebene, in welche Systemdaten Einblick gewährt wird und welche Angaben nur auf dem gedruckten Auszug erscheinen (vgl. zur Eintragung von natürlichen Personen Art. 42 Abs. 2).

Der Einblick in diese Strafdaten ist gemäss Absatz 3 nicht unbegrenzt, sondern wird durch die Entfernungsfristen der Artikel 88­91 begrenzt.

Art. 97

Behördenauszug 2

Im Gegensatz zum Behördenauszug 1 liefert dieser Auszug einen inhaltlich und zeitlich eingeschränkteren Einblick in eingetragene Strafdaten.

So ergibt sich aus Absatz 1, dass keine Einsicht in elektronische Kopien von Urteilen, von nachträglichen Entscheiden und von Einstellungsverfügungen gewährt wird.

Der Einblick ist zudem gemäss Absatz 3 und 4 auf 10 Jahre beschränkt. Die Entfernungsfrist wurde in Anlehnung an den Behördenauszug 2 für natürliche Personen, bei dem die Aufbewahrungsdauer in Abhängigkeit zur ausgesprochenen Sanktion abgestuft wird, auf 10 Jahre festgesetzt (vgl. Art. 43 Abs. 3 Bst. d: 10 Jahre bei Busse; vgl. Art. 43 Abs. 5: 10 Jahre bei Einstellungen).

Zur Fristberechnung nach Absatz 5 vgl. die Ausführungen zu Artikel 43 Absatz 6.

Art. 98

Behördenauszug 3

Der Behördenauszug 3 weicht insofern vom Behördenauszug 2 (Art. 97) ab, als er keine Daten über hängige Strafverfahren enthält.

Art. 99

Privatauszug

Jedes Unternehmen kann über sich einen Privatauszug anfordern (Art. 110). Der Informationsgehalt des Privatauszugs ist im Gegensatz zu den Behördenauszügen eingeschränkter. Dies gilt auch für die Erscheinungsdauer der Strafdaten im Auszug.

Was die Grundurteile anbelangt, die im Privatauszug erscheinen, so wird wiederum differenziert nach solchen, die auf einem Verstoss gegen Artikel 102 StGB (bzw.

5851

Art. 59a MStG) basieren, und solchen, die unmittelbar gestützt auf Nebenstrafrecht des Bundes ergangen sind.

Grundurteile, die in Anwendung von Artikel 102 StGB (bzw. Art. 59a MStG) ergangen sind, erscheinen gemäss Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 1 nur auf dem Privatauszug, sofern eine Busse ausgesprochen wurde. Ein Urteil, das ein Unternehmen zwar verurteilt, aber keine Sanktion ausspricht, erscheint ­ obwohl in VOSTRA gespeichert ­ demzufolge nicht im Privatauszug.

Nach Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 2 erscheinen Grundurteile, die unmittelbar in Anwendung des Nebenstrafrechts des Bundes ergangen sind, nur auf dem Privatauszug, wenn es sich bei der Anlasstat, für die das Unternehmen anstelle oder nebst der natürlichen Person gebüsst wird, um ein Vergehen oder Verbrechen handelt. Übertretungen erscheinen ­ in Anlehnung an die Regelung bei den natürlichen Personen ­ grundsätzlich nicht auf dem Auszug. Somit erscheinen die Urteile, die direkt in Anwendung von nebenstrafrechtlichen Unternehmensstrafbestimmungen des Bundes ergangen sind, kaum je auf dem Privatauszug.241 Bildet die Übertretung Teil eines Urteils, das andere eintragungspflichtige Delikte enthält, so erscheint sie ausnahmsweise dennoch auf dem Auszug (sog. registerrechtliche Einheit).

Zudem sind im Privatauszug nach Absatz 1 Buchstabe c auch allfällige Begnadigungs- bzw. Amnestieentscheide (nachträgliche Entscheide) ersichtlich, die sich auf ein im Privatauszug erscheinendes Grundurteil beziehen.

Absatz 2 regelt die Fristen, nach deren Ablauf die Grundurteile nicht mehr im Privatauszug erscheinen. Wie bei den natürlichen Personen gilt grundsätzlich die -Regel (vgl. dazu Art. 45 Abs. 2 Bst. a), wobei entscheidend ist, dass bei allen Urteilen diese Grundfrist abgelaufen ist (vgl. dazu Art. 45 Abs. 2 Bst. f).

Natürliche Personen, die wegen der Anlasstat verurteilt worden sind, dürfen nicht auf dem Privatauszug des Unternehmens aufgeführt werden, da ansonsten die Persönlichkeitsrechte dieser Person und die Unschuldsvermutung verletzt würden.

Zudem gelten für Anlasstat (natürliche Personen) und Organisationsverschulden (Unternehmen) unterschiedliche Entfernungsfristen, die vom Strafregister nicht koordiniert werden.

2. Kapitel: Behörden, die Zugang zu Daten aus VOSTRA erhalten Art. 100

Online-Zugangsrecht der registerführenden Stelle und seiner Informatik-Leistungserbringer

Wie bei den natürlichen Personen (vgl. die Erläuterungen zu Art. 48 in Ziff. 2.3) kommt der registerführenden Stelle auch im Bereich des Unternehmensstrafregisters ein umfassendes Zugangsrecht auf alle Strafdaten von Unternehmen zu.

241

Bei den Anlasstaten, für die ein Unternehmen anstelle der natürlichen Person gebüsst wird (z. B. Art. 100 MWSTG, Art. 49 FINMAG) oder nebst dieser (Art. 181 Abs. 1 DBG), handelt es sich in der allermeisten Fällen um Übertretungen. Ausnahmen existieren soweit ersichtlich bislang nur im Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG, SR 631.0; vgl.

z. B. Art. 118 Abs. 3 und 119 Abs. 2 ZG).

5852

Art. 101

Online-Zugangsrecht der KOST und der Koordinationsstelle der Militärjustiz

Das Zugangsrecht dieser Behörden im Bereich des Unternehmensstrafregisters ist gleich konzipiert wie dasjenige im Bereich des Strafregisters für natürliche Personen. Es kann deshalb auf die Ausführungen zu Artikel 49 verwiesen werden.

Art. 102

Online abfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 1

Die Regelung entspricht jener für natürliche Personen. Es kann daher auf die Erläuterungen zu Artikel 50 verwiesen werden.

Abweichungen zum Personenregister ergeben sich jeweils aus der Natur der Sache.

So benötigt beispielsweise die für die internationale Rechtshilfe zuständige Stelle im Bundesamt für Justiz zur Durchführung von Auslieferungsverfahren keinen Zugang zu Unternehmensstrafdaten. Auch für Jugendstrafbehörden sind Daten von verurteilten Unternehmen irrelevant.

In der Vernehmlassung 2012 ist geäussert worden, das Vorleben sei für die Strafzumessung im Unternehmensstrafrecht irrelevant. Dies trifft nicht zu. Artikel 102 Absatz 3 StGB (bzw. Art. 59a Abs. 3 MStG) regelt unternehmensspezifische Strafzumessungskriterien unter Verwendung des Begriffes «insbesondere». Artikel 47 StGB gilt demnach als allgemein gültige Strafzumessungsregel analog auch für Unternehmen. Es ist kein Grund ersichtlich, Wiederholungstäter im Unternehmensstrafrecht besser zu stellen als Wiederholungstäter unter natürlichen Personen.

In der Vernehmlassung 2012 ist gefordert worden, den kantonalen Arbeitsinspektoraten sowie allen anderen kantonalen Vollzugsbehörden des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964242 und des Arbeitsnehmerschutzes einen Online-Zugang zum Behördenauszug 1 zu gewähren. Es ist darauf hinzuweisen, dass für Verwaltungsbehörden des Bundes und der Kantone, die Strafverfahren durchführen oder Strafentscheide gestützt auf Bundesrecht fällen, nach Artikel 102 Absatz 1 Buchstabe b ein solcher Zugang besteht. Dies gilt also auch für eine kantonale Behörde, die mit der Durchführung von arbeitsrechtlichen Strafverfahren betraut ist. Falls eine Behörde nicht mit der Erfüllung solcher Aufgaben betraut ist, besteht kein Grund, ihr Zugang zu VOSTRA oder gar zum Behördenauszug 1 zu gewähren, da bereits die Zugangszwecke deren Aufgaben nicht mehr abdecken.

Art. 103

Online abfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 2

Die Regelung entspricht jener für für natürliche Personen. Es kann daher auf die Erläuterungen zu Artikel 51 verwiesen werden. Abweichungen zum Personenregister ergeben sich aus der Natur der Sache.

Art. 104

Online abfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 3

Zum Zugangsrecht der FINMA gemäss Buchstabe a sei auf die Ausführungen zu Artikel 52 Buchstabe d verwiesen. Das Gewährserfordernis ist nicht nur durch natürliche Personen einzuhalten, sondern auch durch das jeweils beaufsichtigte Institut. Allenfalls bestehende Unternehmensstrafen sind daher ebenfalls ein bewilligungsrelevantes Kriterium.

242

SR 822.11

5853

Zum Zugangsrecht der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde gemäss Buchstabe b sei auf die Ausführungen zu Artikel 52 Buchstabe e verwiesen. Auch hier gilt, dass auch Revisionsunternehmen überprüft werden können.

Art. 105

Schriftlich anfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 1

Die Militärjustizbehörden werden auch im Bereich des Unternehmensstrafregisters über keinen operativen Online-Anschluss verfügen (vgl. dazu Art. 55). Sie können zur Durchführung von Strafverfahren ihr Zugangsrecht auf schriftlichem Weg bei der Koordinationsstelle für Militärjustiz (Art. 6 Bst. b) geltend machen.

Art. 106

Schriftlich anfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 2

Ein Zugangsrecht auf das Unternehmensregister ist für Kindesschutzbehörde nicht von Interesse. Das Zugangsrecht der Erwachsenenschutzbehörde (Art. 106 Bst. a) wird enger gefasst als beim Personenregister (vgl. Art. 56 Bst. a). Es ist nur für den Fall relevant, als im Rahmen des Vorsorgeauftrages eine juristische Person eingesetzt wird, was gemäss Artikel 360 Absatz 1 ZGB möglich ist. Zur Durchführung der erforderlichen Eignungsprüfung gemäss Artikel 363 Absatz 2 Ziffer 3 ZGB und zur Anordnung von Folgemassnahmen nach Artikel 368 ZGB wird ein schriftliches Zugangsrecht zum Behördenauszug 2 gewährt.

Zum Zugangsrecht der für den Vollzug des BPS zuständige Bundesbehörde (Bst. b) sei auf die Ausführungen zu Artikel 51 Buchstabe l verwiesen. Ein OnlineZugangsrecht ist nicht vorgesehen, da die überprüften Unternehmen weniger zahlreich sind als die Personen, die für diese Unternehmen arbeiten. Analoge Überlegungen gelten für die kantonale Stelle, die für die Bewilligung von privaten Sicherheitsdienstleistungen zuständig ist und die Marktzulassung von Sicherheitsunternehmen überprüft (Bst. c).

Art. 107

Schriftlich anfragende Behörden mit Zugang zum Behördenauszug 3

Wie in den Ausführungen zu Artikel 79 erwähnt, kann auch ein Unternehmen begnadigt werden. Die für die Begnadigung zuständigen Behörden haben demzufolge ein Zugangsrecht auf Strafdaten des allenfalls zu begnadigenden Unternehmens.

Art. 108

Zugang für ausländische Behörden

Bezüglich der Auszüge für ausländische Behörden kann auf die Kommentierung von Artikel 57 verwiesen werden.

Art. 109

Zugang für Rechtsmittelinstanzen

Diese Bestimmung entspricht, mit Ausnahme der Artikelverweise, inhaltlich Artikel 58, weshalb auf die Kommentierung zu diesem Artikel verwiesen wird.

5854

3. Kapitel: Private, die Zugang zu Daten aus VOSTRA erhalten 1. Abschnitt: Privatauszug Art. 110 Wie jede natürliche Person hat auch ein Unternehmen das Recht, über sich einen Privatauszug zu bestellen. Gemäss Absatz 1 sind die zur Vertretung des Unternehmens berechtigten Personen zur Bestellung befugt. Je nach Rechtsform des Unternehmens kann es sich z. B. um Mitglieder des Verwaltungsrates, des Direktoriums, oder Personen mit Prokura handeln. Auch kaufmännische Stellvertreter (Art. 32 ff.

OR) kommen in Frage.

Absatz 2 sieht vor, dass die bestellende Person im Rahmen des Bestellprozesses die UID des Unternehmens anzugeben hat, damit sich das Unternehmen eindeutig.

identifizieren lässt. Zudem hat sie sich mittels geeigneter Ausweisschriften (z. B.

Pass oder ID) über ihre Identität auszuweisen.

Da die Überprüfung der Vertretungsberechtigung (z. B. schriftliche Vollmacht, Handelsregisterauszug) im Rahmen des Bestellprozesses zu aufwendig wäre und im Massengeschäft zu grösseren Verzögerungen bei der Auszugserstellung führen würde, sieht Absatz 3 vor, dass die Vertretungsberechtigung der bestellenden Person nicht überprüft wird. Um missbräuchlichen Bestellungen entgegenzuwirken, wird der Strafregisterauszug nur an eine der im UID-Register eingetragenen Adressen und nur zuhanden der Geschäftsleitung versandt. So soll das Risiko minimiert werden, dass der Strafregisterauszug in falsche Hände gelangt. Der Name der Person, die den Strafregisterauszug bestellt hat, wird im Begleitschreiben zum Strafregisterauszug offengelegt. Die Geschäftsleitung hat so die Möglichkeit, die Rechtmässigkeit der Bestellung zu überprüfen.

Der Bundesrat legt die Höhe der zu entrichtenden Gebühr sowie weitere Bemessungsregeln fest (Abs. 4).

Aufgrund seiner Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen (vgl.

Art. 115) wird er auch die Einzelheiten des Bestellverfahrens in der Verordnung regeln. Dabei dürfte er sich am Bestellablauf orientieren, der bereits bei den natürlichen Personen praktiziert wird. Allerdings dürften aufgrund der Natur der Sache gewisse Einschränkungen erforderlich sein: ­

Der Privatauszug sollte entweder über das Internet oder am Postschalter bestellt werden können. Erfolgt die Bestellung des Auszugs am Postschalter, so kann nur ein Papierauszug bestellt werden. Der Versand an eine Drittperson, d. h. eine Person ausserhalb des Unternehmens (z. B. eine Behörde), sollte wegen der Gefahr des Missbrauchs nicht in Betracht kommen.

­

Bei einer Bestellung via Internet sollte ebenfalls nur ein Papierauszug bestellt werden können. Die Abgabe eines elektronischen Auszugs dürfte für Unternehmen nicht durchführbar sein, da sich nicht sicherstellen liesse, dass der Auszug nur an die berechtigten Person gelangt, sodass sich der Datenschutz nicht gewährleisten liesse.

5855

2. Abschnitt: Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht Art. 111 Gemäss Absatz 1 hat auch ein Unternehmen das Recht zu erfahren, ob es in VOSTRA eingetragen ist (vgl. auch Art. 8 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Bst. b DSG). Dieses Recht kann allerdings eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert werden (Abs. 3 i. V. m. Art. 65 Abs. 2). Dies dürfte allerdings nur dann der Fall sein, wenn die Auskunftserteilung den Zweck der Strafuntersuchung gefährden würde (Art. 9 Abs. 2 Bst. b DSG).

Da das Unternehmen als abstraktes Gebilde dieses Recht nicht selbst wahrnehmen kann, regelt Absatz 2, wer dies in seinem Namen tun kann. Es kommen die gleichen Personen in Betracht wie schon bei der Bestellung eines Privatauszuges (vgl.

Art. 110). Um das Einsichtsrecht geltend zu machen, hat die vertretungsberechtigte Person bei der registerführenden Stelle ein Gesuch einzureichen und ihre Legitimation mittels geeigneter Dokumente (z. B. aktueller Handelsregisterauszug, schriftliche Vollmacht) nachzuweisen. Zudem hat sie sich über ihre Identität auszuweisen.

Anders als bei der Bestellung eines Privatauszugs wird die Vertretungsberechtigung im Rahmen der Wahrnehmung des Auskunftsrechts konkret überprüft. Denn das Gesuchsverfahren unterliegt ­ anders als bei der Bestellung von Privatauszügen ­ keiner zeitlichen Dringlichkeit.

Die konkrete Auskunftsgewährung in den Räumlichkeiten des Bundesamtes für Justiz gestaltet sich gleich wie bei den natürlichen Personen (Abs. 3 i.V.m. Art. 65 Abs. 4). Stellt die vertretungsberechtigte Person fest, dass Unternehmensdaten nicht korrekt erfasst sind, so können die Ansprüche gemäss Artikel 25 DSG geltend gemacht werden (Abs. 3 i. V. m. Art. 65 Abs. 5).

4. Kapitel: Automatisierte Weiterleitung von Daten aus VOSTRA an das Bundesamt für Statistik Art. 112 Bezüglich der Meldung von Unternehmensdaten an das BFS zwecks Statistik kann auf die Kommentierung zu Artikel 66 verwiesen werden.

2.4.5

3. Titel: Schnittstelle zum UID-Register

Art. 113 Wie unter Ziffer 1.4.2 erwähnt, soll die registerführende Stelle als UID-Stelle direkt mit dem UID-Register über eine Schnittstelle verbunden werden und zwecks Aufgabenerfüllung von erweiterten Einsichtsrechten profitieren. Artikel 113 nennt die Aufgaben, für die VOSTRA bzw. die an VOSTRA online angeschlossenen Behörden die Schnittstelle nutzen können sollen.

Diese Schnittstelle dient gemäss Buchstabe a dem Abgleich des UID-Status des Unternehmens (aktiv/inaktiv). Der Statusabgleich zwischen VOSTRA und dem 5856

UID-Register soll dereinst nicht automatisch, sondern nur auf eine konkret getätigte Abfrage einer Behörde hin erfolgen.

Auch die Aktualisierung der identifizierenden Merkmale (vgl. dazu Art. 76), die sich seit der Eintragung in VOSTRA unter Umständen geändert haben und im UIDRegister laufend nachgeführt werden, erfolgt in VOSTRA nach Buchstabe b ebenfalls erst auf konkrete Abfrage einer Behörde hin.

Buchstabe c bildet die formell-gesetzliche Grundlage für die Nutzung der im UIDRegister verzeichneten Unternehmensdaten durch die an VOSTRA angeschlossenen Behörden gemäss den Artikeln 4­7 für die Erfüllung ihrer Aufgabenerfüllung bzw.

im Rahmen ihrer Online-Abfragerechte (Art. 100­104).

Aufgrund der Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen (vgl. Art. 115) wird der Bundesrat die weiteren Einzelheiten regeln.

2.5

4. Teil: Schlussbestimmungen (Art. 114­119)

Art. 114

Strafbestimmungen

Die Strafbestimmung in Absatz 1 dient der Absicherung der zweckgebundenen Verwendung von Sonderprivatauszügen.243 Die Straftatbestände des StGB gehen jedoch vor; im Kontext von Absatz 1 ist insbesondere an Nötigung zu denken.

Absatz 2 hat die Wahrheit und die Echtheit der Erklärung des Empfängers im Blick und schliesst Strafbarkeitslücken bei der Anwendung der Urkundendelikte des StGB, die grundsätzlich vorgehen.

Bei einer Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) durch die betroffene Person besteht eine mögliche Strafbarkeitslücke bezüglich der betroffenen Person, weil die Unrechtsmässigkeit des erzielten Vorteils fraglich sein kann. Aber auch bei der Beteiligung Dritter an einer Haupttat der betroffenen Person sind Strafbarkeitslücken denkbar, so wenn die Haupttat rechtmässig ist (limitierte Akzessorietät) oder wenn die Anstiftung nicht hinreichend konkret ist: In solchen Fällen können sowohl Absatz 1 als auch Absatz 2 allfällige Lücken schliessen.

Die widerrechtliche Verwendung durch den Betroffenen selber soll nicht strafbar sein: Dieser steht in einer Drucksituation, wenn zum Beispiel der Anbieter einer Wohnung oder einer Stelle widerrechtlich einen Sonderprivatauszug verlangt. Die Strafwürdigkeit ist angesichts der Drucksituation zweifelhaft. Zudem untersteht der Anbieter der Strafdrohung von Absatz 1.

Sowohl Absatz 1 als auch Absatz 2 bedrohen nur das vorsätzliche Verhalten mit Strafe; die Strafbarkeit bei fahrlässigem Verhalten soll ausgeschlossen sein.

Art. 115

Vollzug

Artikel 115 enthält eine allgemeine Vollzugskompetenz des Bundesrates zum Erlass von Ausführungsbestimmungen. Sie findet immer dort Anwendung, wo nicht bereits explizite Kompetenzen zum Erlass von Ausführungsvorschriften bestehen.

243

Vgl. dazu die Erläuterungen zu den Art. 62­63.

5857

Art. 116

Änderung anderer Erlasse

Zur Änderung anderer Erlasse im Anhang vgl. die Ausführungen in Ziffer 2.6.

Art. 117

Übergangsbestimmung zum Strafregister für natürliche Personen

Eine doppelte Urteilsverwaltung nach altem und neuem Recht wäre kaum praktikabel. Deshalb sieht Absatz 1 beim Strafregister für natürliche Personen den grundsätzlichen Vorrang des neuen Rechts vor, auch wenn es um Grundurteile und nachträgliche Entscheide geht, die vor Inkrafttreten des neuen Strafregistergesetzes rechtskräftig geworden sind. Es gibt mit anderen Worten keine «lex mitior». Dieser Grundsatz (der nicht ohne Ausnahmen gilt; vgl. die Abs. 3­5) hat primär folgende zwei Konsequenzen: ­

Was beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits im Strafregister eingetragen ist, bleibt eingetragen, sofern der Eintrag auch nach den neuen Bestimmungen rechtmässig ist. Insbesondere gelten für alle registrierten Daten die neuen Aufbewahrungsregeln für die Entfernung und das Nichterscheinen in den einzelnen Auszügen.

­

Alle nach Massgabe der neuen Bestimmungen nicht mehr gerechtfertigten Eintragungen (z. B. ein Auslandurteil mit Freiheitsstrafe unter einem Monat, in denen weder eine stationäre therapeutische Behandlung noch ein Berufsverbot angeordnet wurde; vgl. Art. 20 Abs. 1 Bst. d), werden im Zeitpunkt des Inkrafttretens automatisch entfernt.

Heikler ist die Frage, ob auch Daten nacherfasst werden sollen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht im System eingetragen sind, obschon die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt sind. Eine strikte Anwendung des neuen Rechts im Sinne von Absatz 1 hätte zur Folge, dass eine umfassende Nacherfassung erfolgen müsste, falls die neuen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies kann beispielsweise nicht eingetragene altrechtliche Urteile betreffen (etwa im Bereich der Urteile mit Absehen von Strafe nach Art. 19 Abs. 1 Bst. c Ziff. 1) oder nach bisherigem Recht entfernte Urteile (etwa Massnahmenurteile, bei denen der Fristenlauf infolge Umwandlung früh ausgelöst worden ist), aber auch nachträgliche Entscheide (etwa wenn sie bereits mit dem Grundurteil entfernt oder bisher ­ wie etwa Exequaturentscheide nach Art. 22 Abs. 2 Bst. e ­ gar nicht registriert worden sind) oder gar nur Einzeldaten (etwa Urteilskopien nach Art. 24). Gerade die Nacherfassung altrechtlich entfernter Urteile hätte einschneidende Konsequenzen und wäre mit dem Rückwirkungsverbot kaum vereinbar, da das neue Recht viel längere Aufbewahrungsfristen vorsieht. Für die Nacherfassung gelten deshalb spezielle Regeln, und der Entwurf unterscheidet zwischen der Nacherfassung von Entscheiden (Abs. 2 und 3) und derjenigen von bestimmten Einzeldaten (Abs. 4 und 5). Allerdings wird auch diese Nacherfassung nur punktuell erfolgen können. Der Entwurf legt nicht fest, wie und innerhalb welcher Frist die Nacherfassung zu erfolgen hat. Somit sind die eintragungspflichtigen Behörden nicht verpflichtet, aktiv und systematisch nach Urteilen zu suchen, die nacherfasst werden müssten. Vielmehr obliegt es den Kantonen, die Vorgehensweise zu bestimmen. Wird jedoch ein entsprechendes Urteil entdeckt, welches die Nacherfassungsbedingungen erfüllt, so muss es nachträglich eingegeben werden.

Eine Nacherfassung von Urteilen und nachträglichen Entscheiden, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht in VOSTRA erfasst sind, aber die neuen Eintragungskriterien erfüllen, findet nur in folgenden zwei Fällen statt: 5858

­

Es handelt sich um ein Urteil, das weniger als zehn Jahre vor Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig geworden ist (Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 Bst. a erster Teil): Es liesse sich nicht begründen, wenn Urteile nicht nacherfasst werden könnten, die sowohl die alten als auch die neuen rechtlichen Voraussetzungen für eine Eintragung erfüllen. Zu denken ist etwa an folgende Fälle: Altrechtliche Urteile, deren Eintragung unter Geltung des alten Rechts vergessen gegangen ist, oder solche, die so kurz vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts rechtskräftig geworden sind, dass die Eintragung nicht mehr unter altem Recht vorgenommen werden konnte. Altrechtliche Auslandurteile, die erst mit erheblicher Verzögerung gemeldet werden und daher erst nach Inkrafttreten des neuen Rechts eingetragen werden können (gemäss aktuellem Staatsvertragsrecht besteht die Pflicht, Urteile mindestens einmal jährlich an den Heimatstaat zu melden; oft wird diese Frist aber nicht eingehalten).

Richtigerweise wäre bei jeder nachträglichen Erfassung eines unter altem Recht ergangenen Urteils zu prüfen, ob auch die altrechtlichen Aufbewahrungsregeln erfüllt sind, andernfalls dürfte ein Verstoss gegen das Rückwirkungsverbot vorliegen. Allerdings wäre die Programmierung für eine automatische Kontrolle dieser Voraussetzungen ­ wenn überhaupt machbar ­ sehr aufwendig, weshalb der Entwurf eine einfachere und praktikable Regelung vorsieht: Eine Nacherfassung erfolgt nur bis zu demjenigen Zeitpunkt, bei dem sich in Bezug auf die Entfernungsfristen im Vergleich zum alten Recht sicher keine Probleme ergeben. Nach der Regelung, wie sie seit dem 1. Januar 2007 gilt, werden alle Grundurteile gegen erwachsene Personen während mindestens 10 Jahren aufbewahrt.244 Deshalb sind nur solche Urteile nachträglich zu erfassen, die nicht mehr als 10 Jahre vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig geworden sind (Abs. 2 i.V.m.

Abs. 3 Bst. a). Damit besteht keine Gefahr, dass Urteile nachträglich erfasst werden, die bereits unter altem Recht entfernt worden sind.

­

Die betroffene Person befindet sich noch im Vollzug der Strafe oder Massnahme (Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 Bst. a): Diese Regel hat rein praktische Gründe. Man wird vor allem dann auf nicht eingetragene Urteile stossen, wenn es darum geht, den Entscheid betreffend die bedingte Entlassung in VOSTRA zu registrieren. Dies ist nötig, um andere Behörden über die Geltung einer entsprechenden Probezeit zu informieren. Der nachträgliche Entscheid kann aber nicht in VOSTRA eingetragen werden, solange das altrechtliche Grundurteil nicht im System erfasst ist. Würde man auf eine Nacherfassung des Grundurteils verzichten, würde eine allfällige Probezeitverletzung unbemerkt bleiben.

244

Allerdings gelten für Jugendurteile, die ab dem 1. Jan. 2013 zusätzlich in VOSTRA eingetragen werden (vgl. die Ausführungen zur MG-Revision in Ziff. 1.1.1 und Art. 117 Abs. 3 Bst. c), kürzere Entfernungsfristen: nämlich 7 Jahre ab Massnahmenende bei offener Unterbringung gemäss Art. 369 Abs. 4 Bst. c StGB und 5 Jahre ab Massnahmenende bei ambulanter Behandlung nach Art. 369 Abs. 4bis Satz 2 StGB). Sofern dieses Gesetz nicht erst nach 2017 in Kraft treten wird, werden auch solche Jugendurteile im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht bereits entfernt worden sein.

5859

Zu einer nachträglichen Eintragung kann es aber auch bei einer Überstellung aus dem Ausland kommen. Es kommt häufig vor, dass vor der Überstellung in die Schweiz das Grundurteil nicht gemeldet worden ist.

Da diese Urteile noch in die Gegenwart nachwirken, handelt es sich nicht um eine echte Rückwirkung, und eine Nacherfassung verstösst nicht gegen das Rückwirkungsverbot.

Praktisch bedeutsam dürften auch Fälle von nachträglich umgewandelten stationären Massnahmen sein, bei denen die Entfernungsfrist nach aktuellem Recht zu laufen begonnen hat, obschon sich die betroffene Person noch im stationären Vollzug befindet. Denn nach geltendem Recht beginnt die Frist zur Entfernung mit der Aufhebung der im Urteil angeordneten Massnahme zu laufen, auch wenn diese umgewandelt wurde (etwa in eine Verwahrung).

Die Entfernungsfrist läuft somit, obschon eine Person weiterhin im Freiheitsentzug bleibt.

Der Entwurf enthält keine Regeln für die Nacherfassung noch nicht vollstreckter Urteile, weil es nur selten vorkommen dürfte, dass solche Urteile nicht eingetragen sind. Dies wäre zwar aufgrund leichter Rückstände bei der Eintragung möglich; da aber neu auch alle Urteile nacherfasst werden, die höchstens zehn Jahre vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt wurden (vgl.

Abs. 3 Bst. a), sollten entsprechende Probleme beim Inkrafttreten des neuen Rechts nicht entstehen. Diese Konstellation braucht daher nicht speziell geregelt zu werden.

Absatz 3 Buchstabe b­d regelt weitere Ausnahmen der Nacherfassung. Diese folgen der Grundidee, dass nicht nacherfasst wird, was nach altem Recht ohnehin nicht hätte eingetragen werden müssen. Nicht nacherfasst werden im Einzelnen: ­

Urteile wegen Verbrechen oder Vergehen, bei denen von einer Strafe abgesehen wurde (Abs. 3 Bst b): Diese Urteile werden nach geltendem Recht nicht eingetragen (Art. 9 Bst. b VOSTRA-V).

­

Jugendurteile, die vor dem 1. Januar 2013 rechtskräftig geworden sind und bei denen eine ambulante Behandlung (Art. 14 JStG) oder eine Unterbringung nach Artikel 15 Absatz 1 JStG angeordnet worden ist (Abs. 3 Bst. c): Vor dem 1. Januar 2013 (Inkrafttreten der MG-Revision; vgl. Ziff. 1.1.1) wurden solche Jugendurteile nicht in VOSTRA erfasst.

­

Ausländische Übertretungsurteile, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes rechtskräftig geworden sind, aber die neuen Eintragungsvoraussetzungen erfüllen (Abs. 3 Bst. d): Bei Auslandurteilen sind die Voraussetzungen der Registrierung nach altem und neuem Recht nicht mehr identisch (vgl.

Ziff. 1.3.3). Ohne Spezialregelung müssten gestützt auf Absatz 2 Übertretungsurteile nacherfasst werden, wenn die Eintragungsvoraussetzungen neu erfüllt sind. Da die entsprechenden Urteilsmeldungen aber vernichtet wurden, wären diese Urteile ohnehin nicht mehr erhältlich. Schon deshalb wird auf eine Nacherfassung von altrechtlichen ausländischen Übertretungsurteilen verzichtet. Bei Auslandurteilen, die zwar vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts rechtskräftig geworden, aber erst nach Inkrafttreten des neuen Rechts gemeldet worden sind, wird zu prüfen sein, ob es sich beim ausländischen Urteil tatsächlich um ein Übertretungsurteil handelt. Nur wenn sich

5860

dies mittels Transponierung des ausländischen Urteils in schweizerisches Recht ergibt, ist von einer Nacherfassung abzusehen.

Absatz 4 nennt zwei Einzeldaten (Urteilsbestandteile), die zwingend nacherfasst werden müssen: ­

Elektronische Kopien der Urteilsmeldeformulare aus dem Ausland nach Artikel 24 Absatz 2 (Bst. a). Bislang werden diese Meldungen nicht im System erfasst, sondern liegen nur in Papierform vor. Diese Meldungen enthalten wichtige Informationen. So lassen sich die einzelnen Deliktsvorwürfe nur aus der Meldung selbst entnehmen, was dann von Bedeutung ist, wenn eine Zuordnung der Auslandtaten zu schweizerischen Straftatbeständen nicht möglich ist.

­

Die Versichertennummern nach Artikel 50c AHVG (Bst. b). Diese AHVN13 ist gemäss den Artikeln 14 und 18 Absatz 1 Buchstabe a in VOSTRA einzutragen. Je nach dem Zeitpunkt der Einführung der AHVN13 wird Buchstabe b hinfällig.

Da die Nacherfassung in den Fällen von Absatz 4 sehr aufwendig sein dürfte, wird eine Übergangsfrist von sechs Monaten gewährt.

Da der Umbau der Personensuche via UPI (Art. 14 Abs. 3) erst getestet und eingeführt werden kann, wenn die Erstzuteilung der Versichertennummer in VOSTRA erfolgreich abgeschlossen ist, ist in Absatz 5 auch für den Umbau der Suche eine Übergangsfrist von 6 Monaten ab Inkrafttreten dieser Vorlage vorgesehen. Auch diese Rechtsänderung wird hinfällig, sollte die AHVN13 bereits vor dem StReG eingeführt werden.

Schliesslich erlaubt es Absatz 6 den registerführenden Behörden, fehlende elektronische Kopien von bereits eingetragenen schweizerischen Grundurteilen und nachträglichen Entscheiden gemäss Artikel 24 Absatz 1 in VOSTRA zu speichern. Es soll jedoch keine systematische Nacherfassung stattfinden, da der Aufwand dafür zu gross wäre.

Keine Nacherfassung erfolgt von Einstellungsverfügungen. Solche Entscheide wurden bisher nicht in VOSTRA eingetragen und sollen deshalb auch nicht nacherfasst werden.

Art. 118

Übergangsbestimmungen zum Strafregister für Unternehmen

Da es bisher keine Eintragung von Unternehmensurteilen gab, hält diese Bestimmung fest, dass das neue Strafregisterrecht im Bereich Unternehmensregister nur für Grundurteile und nachträgliche Entscheide gilt, die nach Inkrafttreten des neuen Rechts ergangen sind. Massgebend ist das Urteilsdatum, weil die Rechtskraft auf dieses Datum zurückbezogen wird. Es findet keine Nacherfassung alter Urteile statt.

Art. 119

Referendum und Inkrafttreten

Der Bundesrat wird bei der Festsetzung des Zeitpunktes der Inkraftsetzung den Zeitbedarf für die Neuprogrammierung von VOSTRA berücksichtigen.

5861

2.6

Anhang: Änderung anderer Erlasse

1. Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000245 Der neue Artikel 20a schafft die Möglichkeit, dass Arbeitgeber von Stellenbewerberinnen und Stellenbewerbern wie auch von Angestellten einen Auszug aus dem Strafregister verlangen können, wenn dies für die Wahrung der Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist. Damit können auch ausserhalb von Personensicherheitsprüfungen nach BWIS Leumundsprüfungen in der Bundesverwaltung durchgeführt werden.

Da Behörden ans Legalitätsprinzip gebunden sind und die blosse Kenntnisnahme von besonderes schützenswerten Personendaten eine Form des Bearbeitens ist, die eine Regelung in einem formellen Gesetz verlangt, ist das Bundespersonalgesetz entsprechend anzupassen. Zur Einholung eines Privatauszuges besteht indes keine Pflicht (Kann-Bestimmung).

2. Strafgesetzbuch Art. 44 Abs. 4 Das geltende Recht bestimmt nicht, wann im Falle eines ganz oder teilweise aufgeschobenen Vollzugs einer Strafe die Probezeit zu laufen beginnt. So stellt die heutige Praxis mitunter auf das Urteilsdatum ab, auch wenn das betreffende Urteil gar nie eröffnet wurde. Da auch das Nichterscheinen eines Eintrags im Privatauszug an die Probezeit anknüpft (vgl. Art. 45 Abs. 2 Bst. b), ist eine ausdrückliche Regelung nötig, wann die Probezeit zu laufen beginnt.

Der neue Absatz 4 von Artikel 44 StGB legt den Beginn des Fristenlaufs fest auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Urteils, das vollstreckbar wird. Diese Regelung übernimmt die konstante bundesgerichtliche Rechtsprechung.246 Damit läuft die Probezeit beispielsweise bereits ab Eröffnung eines letztinstanzlichen kantonalen Urteils, ungeachtet eines allfällig beim Bundesgericht eingelegten Rechtsmittels.247 Urteilt das Bundesgericht selber, so ist die bereits ausgestandene Probezeit (zwischen der Eröffnung des Entscheids der Vorinstanz und der Eröffnung des Entscheids des Bundesgerichts) anzurechnen. Gleiches gilt, wenn das Bundesgericht die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückweist.

Auch bei Strafen, deren Vollzug nur teilweise aufgeschoben wird, ist der Eröffnungszeitpunkt für den Beginn der Probezeit massgebend. Dies weil eine verurteilte Person auch während des Vollzugs des unbedingten Teils der Strafe ein Verbrechen oder Vergehen begehen kann. Würde die Probezeit während der Dauer des Vollzugs ruhen, so könnte der bedingte Teil nicht widerrufen werden, auch wenn die verurteilte Person während des Vollzugs wiederum straffällig wird und sich somit nicht bewährt. Das wäre offensichtlich sachwidrig. Dem Umstand, dass die Wahrscheinlichkeit erneuter Delinquenz während des Vollzugs geringer sein dürfte, lässt sich durch die Anordnung einer längeren Probezeit Rechnung tragen.

245 246 247

BPG, SR 172.220.1 BGE 120 IV 175, 6S.506/2001, 6B_522/2010.

Vgl. zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Beschwerde in Strafsachen Art. 103 Abs. 2 Bst. b des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110).

5862

Art. 354 Absatz 1: Der im geltenden Recht verwendete Begriff «erkennungsdienstliche Daten» ist zwar umfassend; die DNA-Profile werden aber ausserhalb von Artikel 354 StGB in einem speziellen Gesetz geregelt. Um klarzustellen, dass Artikel 354 die spezifische Rechtsgrundlage für das Informationssystem AFIS darstellt, wird statt von «erkennungsdienstlichen Daten» neu von «biometrischen erkennungsdienstlichen Daten» gesprochen (womit DNA-Profile nicht miterfasst sind). Sodann wird die bisherige Formulierung «bei Strafverfolgungen oder der Erfüllung anderer gesetzlicher Aufgaben» ersetzt durch «im Rahmen der Strafverfolgung oder der Erfüllung anderer gesetzlicher Aufgaben»; die neue Formulierung macht den Bezug auf den Zweck der Datenbearbeitung deutlicher. Schliesslich spricht Absatz 1 nicht mehr davon, Daten könnten «miteinander verglichen», sondern davon, sie könnten «untereinander abgeglichen» werden. Damit wird die übliche Terminologie verwendet, die von «Vergleichen» spricht, wenn ein Datum mit einem einzigen verglichen wird, dagegen von «Abgleichen», wenn eine Überprüfung eines Datums mit einer Vielzahl anderer erfolgt.

Die Auflistung nach Absatz 2 deckt sich in der Sache mit jener in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung vom 21. November 2001248 über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten in ihrer Neufassung vom 6. Dezember 2013249. Anders als das geltende Recht (Art. 354 Abs. 2 Bst. a) führt Absatz 2 das «Rechenzentrum des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes» nicht mehr als zur Datenbearbeitung befugte Behörde auf. Sollte das Rechenzentrum auf AFIS zugreifen, so tut es dies insbesondere im Zusammenhang mit Wartungsarbeiten oder Weiterentwicklungen des Systems, nicht aber zur Bearbeitung von Daten im Rahmen der Strafverfolgung oder in Erfüllung anderer spezialgesetzlicher Zwecke.

Sachlich gehört das Rechenzentrum deshalb nicht in die Aufzählung des Absatzes 2.

In Absatz 3 wird neu auch auf das Zollgesetz vom 18. März 2005 verwiesen. Dieser Verweis ist deshalb erforderlich, weil auch dieses Bundesgesetz spezielle Regelungen zur Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten enthält.250 Die geltenden Buchstaben b und c von Absatz 4 können aufgehoben werden. Der heutige Buchstabe b bezieht sich auf die Bearbeitung von Personendaten. Deren Bearbeitung regelt
jedoch bereits Artikel 14 BPI. Die Vollzugsverordnung zu Artikel 354 StGB ist deshalb nicht der richtige Ort für Ausführungsbestimmungen; abgesehen davon, dass Online-Zugänge auf besonders schützenswerte Personendaten gemäss Artikel 19 Absatz 3 DSG einer formell-gesetzlichen Regelung bedürfen.

Die im heutigen Buchstaben c erwähnte Regelungsmaterie schliesslich findet sich bereits umfassend und abschliessend im DSG.

Drittes Buch Sechster Titel (Art. 365­371), Art. 387 Abs. 3 sowie Ziff. 3 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002 Mit Inkrafttreten des neuen Strafregistergesetzes werden die bisherigen Bestimmungen des StGB zum Strafregister aufgehoben.

248 249 250

SR 361.3 AS 2014 163 (Inkrafttreten erfolgt am 1. Sept. 2014).

Vgl. insbesondere Artikel 103 ZG.

5863

3. Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 Art. 261

Aufbewahrung und Verwendung erkennungsdienstlicher Unterlagen

Der geltende Artikel 261 Absatz 1 Buchstabe a StPO knüpft die Frist für die Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen an die «Fristen für die Entfernung der Einträge im Strafregister». Diese Regelung bietet jedoch verschiedene Schwierigkeiten: So lassen sich etwa die Entfernungsfristen zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils oft noch nicht bestimmen. Dazu braucht es Kenntnis von allfälligen nachträglichen Entscheiden. Denn die anwendbare Fristberechnung kann sich (u. U.

sogar mehrfach) ändern, und die Berechnung hängt von Faktoren ab, die sich erst im Verlauf der Zeit ergeben. Ohne ein Zugriffsrecht auf die entsprechenden Strafregisterdaten (welches heute fehlt) kann die Entfernung nicht korrekt berechnet werden.

Sodann fehlt durch diesen Verweis auf die Fristen für Entfernung der Einträge im Strafregister eine Regelung für jene Fälle, in denen das Urteil gar nie ins Strafregister eingetragen wird (also etwa für gewisse Übertretungen). Insbesondere führt die Anwendbarkeit der Regeln des Strafregisters aber dazu, dass für die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen andere Fristen gelten als für die Aufbewahrung von DNA-Profilen, auf die das DNA-Profil-Gesetz Anwendung findet. Dadurch gelten namentlich für die Löschung von Fingerabdrücken andere Fristen als für DNA-Profile, sodass jene unter Umständen früher gelöscht werden müssen als diese, obschon die Fingerabdrücke für die Überprüfung der DNA-Profile benötigt werden.

Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, sollen für die Dauer der Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Daten einerseits und von DNA-Profilen andererseits die gleichen Regeln zur Anwendung kommen. Konkret verweist Artikel 261 StPO für die Aufbewahrung und Verwendung erkennungsdienstlicher Daten nicht mehr auf die Entfernungsfristen für Strafregistereinträge, sondern auf die Löschungsfristen für DNA-Profile gemäss DNA-Profil-Gesetz. Denkbar wäre an sich auch ein anderer Weg der Vereinheitlichung der Aufbewahrungsfristen, indem eine neue, eigenständige Regelung geschaffen würde, die für DNA-Profile und für erkennungsdienstliche Daten Geltung hätte. Dadurch würde jedoch die heute geltende Regelung für DNA-Profile geändert, die sich seit mehreren Jahren bewährt und ­ was besonders wichtig ist ­ für deren Anwendung etablierte Abläufe bestehen. Es erscheint deshalb
besser, auf eine bestehende und funktionierende Regelung abzustellen als eine neue Regelung zu schaffen, zu deren Umsetzung die Kantone neue Prozesse festlegen müssen.

4. Bundesgesetz vom 19. März 2004 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte Art. 6 Abs. 1 Neu soll die für die Durchführung von Sharing-Verfahren notwendige Meldung eines Strafurteils durch eine automatische Weiterleitung via VOSTRA erfolgen (vgl.

Art. 69). Diese Regel wird auch in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a TEVG festgehalten. In der bisherigen Praxis bildeten alle gemeldeten Einziehungen Teil eines Strafurteils, das ohnehin eintragungspflichtig war. Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass künftig ein Einziehungsentscheid selbstständig verfügt wird, wird die bisherige

5864

Meldepflicht zwar beibehalten, aber auf selbstständige Einziehungsentscheide beschränkt (Art. 6 Abs. 1 Bst. b TEVG).

Art. 8a Die neue Bestimmung schafft die notwendige Rechtsgrundlage für die Aufbewahrung und die Archivierung der Akten der vom Bundesamt für Justiz durchgeführten Teilungsverfahren. Diese Unterlagen enthalten Strafurteile und damit besonders schützenswerte Personendaten.

5. Militärstrafgesetz vom 27. Juni 1927 Die Bestimmungen des MStG mit Bezug zum Strafregister werden aufgehoben und ­ soweit sinnvoll ­ in das Strafregistergesetz überführt. Artikel 226 Absatz 1 MStG wird in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 1 integriert. Der umfassende Verweis auf das Strafregisterrecht des StGB gemäss Artikel 226 Absatz 2 MStG braucht keine Entsprechung im neuen Strafregistergesetz mehr. Gleich verhält es sich mit Ziffer 2 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 21. März 2003 (da das Strafregistergesetz eigene Übergangsregeln enthält).

6. DNA-Profil-Gesetz vom 20. Juni 2003 Die vorgesehenen Änderungen sind im Wesentlichen redaktioneller Art, indem Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben d und f terminologisch an die StPO und das StGB angepasst werden. So ist in Buchstabe d statt von «definitiver Einstellung» von «Rechtskraft der Einstellung» die Rede, weil nach der Terminologie der StPO eine Einstellung grundsätzlich definitiv ist (vorbehältlich der Wiederaufnahme nach Art. 323 StPO) ­ im Unterschied zur blossen Sistierung nach Artikel 314 StPO. Neu nennt Buchstabe d auch die Nichtanhandnahme eines Verfahrens nach Artikel 310 StPO, weil auch diese die Weiterführung bisheriger Ermittlungen beendet. In Buchstabe f ist statt wie bisher von «Umwandlungsstrafe» entsprechend der Terminologie des StGB (vgl. die Art. 36 und 106 Abs. 2 StGB) von «Ersatzfreiheitsstrafe» die Rede.

7. Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995251 über den zivilen Ersatzdienst (ZDG) Die VOSTRA-Zugangsrechte der Vollzugsstelle für den Zivildienst sind in Artikel 52 Buchstabe b und in Artikel 56 Buchstabe g E-StReG geregelt. Dies bedingt verschiedene Anpassungen im ZDG: ­

251

In Artikel 12 Absatz 2 und Artikel 19 Absatz 3 ZDG werden die referierenden Hinweise auf das geltende Strafregisterrecht durch einen allgemeinen Verweis auf das Strafregistergesetz ersetzt.

SR 824.0

5865

­

In Artikel 19 Absatz 3 ZDG wird überdies das Einwilligungserfordernis gestrichen, da im gesamten Strafregisterbereich auch sonst nirgends vorgesehen ist, dass es für den Zugang zu einem bestimmten Behördenauszug einer Einwilligung des Betroffenen bedarf (vgl. Ausführungen zu Art. 52 Bst. b E-StReG).

­

Die Einwilligung der betroffenen Person ist nur noch für das Einholen von ergänzenden Auskünften im Sinne von Artikel 19 Absatz 4 Buchstabe b ZDG erforderlich. Aus diesem Grund beschränkt Artikel 19 Absatz 5 ZDG die Ablehnung der Datenweitergabe auf Fälle von Artikel 19 Absatz 4 Buchstabe b.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Da der Bund die Verantwortung für VOSTRA trägt (vgl. Art. 4 Abs. 1), finanziert er den Bau, den Unterhalt, den Betrieb und die Weiterentwicklung des StrafregisterInformationssystems weiterhin allein. Zudem trägt er die Kosten für die Datenbearbeitung durch Bundesbehörden. Die Kantone kommen weiterhin für die die Aufwendungen für die Datenbearbeitung (Eingabe und Abfrage) auf kantonaler Ebene auf.

Der Bundesrat geht davon aus, dass sich die vorgeschlagenen Änderungen gegenüber dem geltenden Recht bei den Aufwendungen für Personal wie folgt auswirken: Für den Betrieb des Strafregisters ist gemäss aktueller Schätzung eine Erhöhung des Personalbestandes beim Bundesamt für Justiz um vier bis fünf Vollzeitstellen erforderlich. Dies führt zu jährlichen Mehrkosten (Lohn- und Infrastrukturkosten) von rund 625 000 Franken (exklusive Arbeitgeberbeiträge). Die detaillierten Kosten und der effektive Personalbedarf werden nach der parlamentarischen Beratung nochmals kritisch überprüft und dem Bundesrat beim Entscheid über die Inkraftsetzung vorgelegt. Über die definitive Zuteilung dieser Mittel wird der Bundesrat gestützt auf die Gesamtbeurteilung Ressourcen im Personalbereich entscheiden. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Zahl der ausgefertigten Privatauszüge in den letzten Jahren stetig erhöht hat, ist zu erwarten, dass diese Ausgaben durch die erzielten Mehreinnahmen bei den Privatauszügen gedeckt sein werden.

Dieser Mehrbedarf begründet sich im Einzelnen wie folgt: ­

Eine zusätzliche Stelle ist für die Bearbeitung von Auskunftsgesuchen nach den Artikeln 65 und 111 nötig: Aufgrund der Eintragung von automatisch protokollierten Abfragen gemäss Artikel 27 ist zu erwarten, dass bei der registerführenden Stelle künftig mehr Gesuche zur Wahrung des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts nach den Artikeln 65 und 111 eingehen werden. Da die Auskunft aber nur bei der registerführenden Stelle vor Ort erteilt wird, dürfte sich die Zahl der Anfragen in Grenzen halten, da die Reise nach Bern für die Betroffenen mit einem gewissen Aufwand verbunden ist.

­

Ebenfalls eine zusätzliche Stelle erfordert der Ausbau der Kontrollen durch die registerführende Stelle gemäss Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe g. Diese Kontrollen sind als Gegenstück zum Ausbau der Zugangsrechte und zum

5866

Verzicht auf Offenlegung protokollierter Abfragen von bestimmten Behörden unverzichtbar. Sie sind aber auch sehr aufwendig und lassen sich mit den heute vorhandenen personellen Ressourcen nicht durchführen. Will man diese Aufgabe ernst nehmen, so müssen ­ wie in der Vernehmlassung zu Recht gefordert ­ dem Bundesamt für Justiz auch die dafür nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

­

Eine bis zwei neue Stellen sind für die Ausfertigung von Privatauszügen über Unternehmen eingeplant. Der tatsächliche Stellenbedarf hängt von der Zahl der benötigten Auszüge gegen Unternehmen ab. Dies lässt sich aber aus heutiger Sicht kaum verlässlich prognostizieren, da nicht abzusehen ist, welchen Stellenwert der Privatauszug in der Privatwirtschaft erreichen wird.

Auch ist nicht klar, wie stark sich die Verarbeitung automatisieren lässt. Es ist zu erwarten, dass mehr Handarbeit nötig sein wird (Bestelldaten müssen vor der Suche in VOSTRA mit den Daten aus dem UID-Register abgeglichen werden, damit die Auszüge mit den korrekten Angaben erstellt werden können).

­

Eine zusätzliche Stelle ist vorgesehen für die Erteilung und Kontrolle der Zugangsrechte. Die Erteilung neuer Zugangsrechte hat (insbesondere durch den Anschluss der kantonalen Polizeistellen) eine Vielzahl neuer Nutzer zur Folge. Dadurch steigt für die registerführende Stelle auch der Aufwand für die Nutzerverwaltung. Die Aufschaltung der entsprechenden Profile fällt dabei weniger ins Gewicht. Zeitintensiver ist die Prüfung der individuellen Anschlussbegehren, die Schulung neuer Anwender, Vergabe und Wiedererteilung neuer Passwörter und die Aktualisierung der Nutzer infolge personeller Fluktuationen bei den angeschlossenen Ämtern.

In der obigen Darstellung nicht enthalten sind die drei zusätzlichen Stellen, die wegen der systematischen Nutzung der Versichertennummer erforderlich sind: Für die Bearbeitung von Problemfällen bei der Personenidentifikation ­ sei es nach entsprechendem Gesuch einer Behörde (Art. 11 Abs. 3 Bst. b oder Abs. 6) oder infolge eines periodischen Abgleichs zwischen VOSTRA und der UPI-Datenbank (Art. 11 Abs. 5); für die Stellung von Gesuchen um Zuteilung einer Versichertennummer an die ZAS (Art. 11 Abs. 4); für die Systembereinigungen bei annullierten oder deaktivierten Versichertennummern, welche von der ZAS gemeldet werden.

Diese drei Stellen wurden bereits im Rahmen der Botschaft vom 13. Dezember 2013 zum Bundesgesetz über Verbesserungen beim Informationsaustausch zwischen Behörden im Umgang mit Waffen252 beantragt, weshalb sie hier nur der Vollständigkeit halber nochmals erwähnt werden.

Neben diesen jährlich wiederkehrenden Aufwendungen fallen für die Neuprogrammierung von VOSTRA Kosten an. Diese dürften sich im Bereich von circa 15 Millionen Franken bewegen. Diese Kostenschätzung ist präziser als diejenige gemäss Vorentwurf, wo lediglich Mindestangaben gemacht wurden. Dabei handelt es sich aber immer noch um eine grobe Schätzung. Die voraussichtlichen Kosten können erst detailliert ausgewiesen werden, wenn das Gesetz durch das Parlament definitiv beraten ist und die notwendigen Verordnungsanpassungen feststehen. Der effektive Bedarf wird anlässlich der Verabschiedung der Strafregisterverordnung nochmals kritisch überprüft. Über die definitive Zuteilung dieser Mittel wird der 252

BBl 2014 303

5867

Bundesrat gestützt auf die Gesamtbeurteilung Ressourcen im Informatikbereich entscheiden.

Die Ausgaben können aus heutiger Sicht durch die erzielten Einnahmen bei der Ausfertigung von Privatauszügen binnen 10 Jahren gedeckt werden (vorausgesetzt, die Zahl der erstellten Auszüge wächst weiterhin jährlich um mindestens 5 %). Die entsprechenden, über mehrere Jahre laufenden Programmierungsarbeiten bedingen keine zusätzlichen Stellen, sondern können mit den vorhandenen Personalressourcen des ISC-EJPD erbracht werden.

Einzelne Neuerungen können hingegen gewisse Bundesbehörden entlasten, ohne dass dadurch jedoch wesentliche Einsparungen zu erwarten wären. Beispiele: ­

Die Speicherung von Urteilskopien in VOSTRA schafft für Strafverfolgungsbehörden und Gerichte einen schnelleren Zugang zu diesen Urteilen.

Sie müssen weniger Gesuche um Akteneinsicht stellen, um sich über abgeschlossene Verfahren zu informieren. Gleichzeitig erhöht sich aber der Aufwand für die eintragenden Stellen, welche die Urteilskopien via Schnittstelle in VOSTRA importieren müssen.

­

Die Erteilung neuer schriftlicher Zugangsrechte hat einen Mehraufwand für die registerführenden Behörden zur Folge, welche die entsprechenden Auszüge ausfertigen müssen (so etwa die Behörden im Bereich der Pflegekinderaufsicht oder Adoption nach Art. 56 Bst. c­e). Durch die Schaffung von Online-Zugangsrechten (anstelle von schriftlichen Gesuchen) werden die registerführenden Behörden aber auch entlastet (vgl. z. B. die für die Rechtshilfe zuständige Stelle im Bundesamt für Justiz gemäss Art. 50 Abs. 1 Bst. c oder der Bundessicherheitsdienst gemäss Art. 51 Bst. a Ziff. 8). In der Tendenz werden die kantonalen Koordinationsstellen eher stärker belastet, die registerführende Stelle etwas entlastet. Wesentliche personelle Konsequenzen sind dadurch nicht zu erwarten.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Im Bereich der Eingabe der Daten, die heute vornehmlich durch die Kantone erfolgt, haben die Rechtsänderungen keine finanziellen und personellen Auswirkungen auf die Kantone. Einzig die elektronische Erfassung der Urteilskopien im Sinne von Artikel 24 dürfte zu einem gewissen Mehraufwand führen, der aber dadurch kompensiert wird, dass die für die Strafzumessung benötigten Urteile künftig direkt aus VOSTRA abgerufen werden können und nicht mehr bei den anderen Behörden bestellt werden müssen (vgl. dazu auch Ziff. 3.1).

Die Effizienzgewinne durch die Erteilung neuer Zugangsrechte auch im kantonalen Bereich dürften sich finanziell und personell nicht auswirken (vgl. dazu auch Ziff. 3.1).

3.3

Weitere Auswirkungen

Die mit der Vorlage einhergehenden Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Unternehmen sind in Ziffer 1 und 2 ausführlich dargestellt. Weitere Auswirkungen sind nicht zu erwarten.

5868

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

In der Botschaft vom 23. Januar 2008253 über die Legislaturplanung 2007­2011 war unter «weitere Geschäfte» Folgendes angekündigt: «Botschaft über die Änderung des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Bestimmungen über das Strafregister) und eventuell Schaffung eines Bundesgesetzes über das Strafregister». Nach der Vernehmlassung 2009 zeigte sich, dass Bedarf für eine umfassende Regelung des Strafregisterrechts in einem eigenen Erlass besteht. Eine blosse Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Bestimmungen über das Strafregister) wurde deshalb nicht weiterverfolgt. Die Erarbeitung eines eigenständigen Bundesgesetzes über das Strafregister erwies sich aber als derart komplexes Vorhaben, dass es sich nicht in der Legislatur 2007­2011 realisieren liess. Das Geschäft wurde folglich in die Botschaft vom 25. Januar 2012254 über die Legislaturplanung 2012­2015 aufgenommen (vgl. Ziel 14, weitere Geschäfte).

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Rechtsetzungskompetenz des Bundes zum Erlass von Regeln zur Führung eines Strafregisters leitet sich aus der allgemeinen Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiete des Strafrechts und des Strafprozessrechts ab (Art. 123 BV). Das Strafregister wurde primär als Hilfsinstrument für die Strafrechtspflege geschaffen.

Die generierten Strafregisterdaten werden von Behörden und Privaten jedoch auch für nicht strafrechtliche Zwecke genutzt. Die entsprechenden Aufgaben, für die Strafregisterauszüge an Behörden abgegeben werden, können dabei sowohl im Bundesrecht als auch im kantonalen Recht definiert sein. Das Recht, Daten für nicht strafrechtliche Zwecke zu nutzen, braucht demnach verfassungsrechtlich nicht nochmals separat abgestützt zu werden.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Schweiz hat sich im Rahmen des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959255 über die Rechtshilfe in Strafsachen (RHÜ) verpflichtet, einer Strafjustizbehörde eines Mitgliedstaates auf deren Gesuch hin Strafregisterdaten von natürlichen Personen zu liefern (Art. 13 Ziff. 1 RHÜ) und die im Schweizerischen Strafregister erfassten Verurteilungen von Ausländern an den jeweiligen Heimatstaat zu melden (Art. 22 RHÜ). Ähnliche Regeln ­ allenfalls eingeschränkt auf das Gegenrechtser-

253 254 255

BBl 2008 821 BBl 2012 481 SR 0.351.1

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fordernis ­ finden sich auch in bilateralen Staatsverträgen.256 Mit den vier Nachbarstaaten Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich bestehen zudem Zusatzverträge zum RHÜ, die vorsehen, dass die Strafregisterbehörden ausnahmsweise in Einzelfällen auch Kopien von Strafurteilen, welche die eigenen Staatsangehörigen betreffen, zu übermitteln haben, ohne dass dafür ein formelles Rechtshilfegesuch nötig wäre.257 Die Vorlage trägt diesen Vorgaben Rechnung.

Auf internationaler Ebene gibt es kein juristisches Instrumentarium, das die Schweiz verpflichten würde, ein Strafregister für Unternehmen zu führen. Zu erwähnen ist immerhin eine im Jahre 2008 von der GRECO (Groupe d'Etats contre la corruption) an die Schweiz gerichtete ­ juristisch jedoch nicht bindende ­ Empfehlung. Im Rahmen des Evaluationsberichts über die Schweiz, hat dieser Ausschuss des Europarates angeregt, die Schweiz solle die Möglichkeit der Schaffung eines Strafregisters für verurteilte juristische Personen prüfen. Der Bundesrat hat im Rahmen der Vernehmlassung 2009 eine entsprechende Befragung durchgeführt. Daraufhin stellte die GRECO in ihrem Konformitätsbericht aus dem Jahre 2010 fest, dass die Empfehlung mit dieser Massnahme bereits befriedigend umgesetzt worden sei.

5.3

Erlassform

Eine Revision des Strafregisterrechts bedingt primär eine Revision auf formellgesetzlicher Ebene, da Strafdaten besonders schützenswerte Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes sind. Die aktuelle Strafregisterregelung (Art. 365­371 StGB) enthält nur wenige, aber sehr umfangreiche Bestimmungen, die wenig Gestaltungsspielraum lassen. Das neue Strafregisterrecht weist im Vergleich zur bisherigen Normstruktur einen grösseren Detaillierungsgrad auf. Deshalb soll ein eigenständiges Strafregistergesetz geschaffen werden. Reine Ausführungsbestimmungen sollen weiterhin auf Verordnungsebene geregelt werden.

256

Beispiele: Art. 22 des Vertrags vom 10. Nov. 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Argentinien über Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.915.4); Art. 12 des Vertrags vom 4. Juli 1997 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Ekuador über Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.932.7); Art. 13 des Rechtshilfevertrags in Strafsachen vom 7. Okt 1993 zwischen der Schweiz und Kanada (SR 0.351.923.2).

257 Art. XIV des Vertrags vom 13. Juni 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.351.916.32); Art. XXVII des Vertrags vom 10. Sept. 1998 zwischen der Schweiz und Italien zur Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und zur Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.351.945.41); Art. XIX des Vertrags vom 28. Okt. 1996 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik zur Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.934.92); Art. XIII des Vertrags vom 13. Nov. 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.351.913.61).

5870

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredites oder Zahlungsrahmens in der erforderlichen Höhe enthält.

5.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Entwurf enthält eine Vielzahl von Bestimmungen, die den Bundesrat ermächtigen, Verordnungsrecht zu erlassen. Die meisten Bestimmungen verpflichten den Bundesrat, Details zu regeln (wie etwa die Struktur des Datensatzes oder die Form der Eintragung) und haben somit rein vollziehenden Charakter.258 Gesetzesvertretender Charakter kommt dagegen folgenden Bestimmungen zu: Artikel 15, 16, 22 Absatz 2 Buchstabe f, 25 Absatz 2, 29 Absatz 3, 40 Absatz 2, 42 Absatz 2, 43 Absatz 2, 54 Absatz 2, 61 Absatz 2, 64 Absatz 2, 79 Absatz 2 Buchstabe a, 85 Absatz 3, 95 Absatz 2, 96 Absatz 2, 97 Absatz 2, 110 Absatz 4, 119 Absatz 2 StReG und Artikel 354 Absatz 5 StGB. Die Begründung für diese Delegationsnormen findet sich in den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln.

5.6

Koordination mit anderen Gesetzgebungsprojekten

Folgende vom Parlament noch nicht behandelte laufende Gesetzgebungsprojekte könnten Einfluss auf die Ausgestaltung des Strafregistergesetzes haben: ­

Schaffung eines Nachrichtendienstgesetzes259: Das BWIS soll durch das neue Nachrichtendienstgesetz abgelöst werden. Folglich müssen auch die Verweise auf das BWIS im StReG angepasst werden.

­

Revision des Zivildienstgesetzes260: Diese Revision könnte Anpassungen bei den Zugangsrechten der Zivildienstbehörden im StReG nötig machen.

­

Bundesgesetzes über Verbesserungen beim Informationsaustausch zwischen Behörden im Umgang mit Waffen261: Sollte die AHVN13 bereits im Rahmen dieses Gesetzes eingeführt werden, so wird die Übergangsbestimmung in Artikel 117 Absatz 4 Buchstabe b und Absatz 5 E-StReG hinfällig. Auch ist die Streichung eventuell neu eingeführter Schlussbestimmung zum StGB zu prüfen. Ferner sind unter Umständen gewisse Querverweise auf das WG anzupassen.

258

Art. 18 Abs. 2; Art. 21 Abs. 1 Bst. e; Art. 21 Abs. 3; Art. 22 Abs. 3; Art. 23 Abs. 3; Art. 26 Abs. 3; Art. 27 Abs. 2; Art. 28 Abs. 2; Art. 29 Abs. 2; Art. 30; Art. 73 Abs. 3; Art. 76 Abs. 2; Art. 78 Abs. 3; Art. 79 Abs. 2 Bst. b; Art. 80 Abs. 3; Art. 82 Abs. 2; Art. 83 Abs. 3; Art. 85 Abs. 2; Art. 86; Art. 115.

259 Dieser Gesetzesentwurf findet sich in BBl 2014 2237.

260 Die Botschaft ist erst in Vorbereitung. Der Vorentwurf und der erläuternde Bericht für die Vernehmlassung finden sich unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > WBF 261 Dieser Gesetzesentwurf findet sich in BBl 2014 347; vgl. auch die Botschaft vom 13. Dez. 2013 in BBl 2014 303.

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­

Änderung der Rechtsgrundlagen für die Weiterentwicklung der Armee (u.a.

Revision des Militärgesetzes)262: Diese Rechtsänderungen könnten Einfluss haben auf die Bezeichnung «Führungsstab der Armee». Eventuell muss auch die Formulierung der Zweckbestimmung bei der automatischen Weiterleitung nach Artikel 67 StReG angepasst werden (wegen der Verwendung der Daten durch Zivilschutzbehörden).

5.7

Datenschutz

Die Aspekte des Datenschutzes werden in Ziffer 1.3.9 und bei den einzelnen Artikeln behandelt.

262

Die Botschaft ist erst in Vorbereitung. Der Vorentwurf und der erläuternde Bericht für die Vernehmlassung finden sich unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > VBS

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