14.072 Botschaft zu einem neuen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Argentinien vom 15. Oktober 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung eines neuen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Argentinien.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Oktober 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Übersicht Das am 23. April 1997 unterzeichnete und von der Schweiz ratifizierte Abkommen zwischen der Schweiz und Argentinien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen ist ab dem 1. Januar 2001 provisorisch angewendet worden. Aufgrund des Ausbleibens der Ratifikation durch Argentinien ist es aber formell nie in Kraft getreten. Revisionsverhandlungen führten zu einem Änderungsprotokoll, das am 7. August 2006 unterzeichnet, von den eidgenössischen Räten im September 2008 genehmigt und von der Schweiz ratifiziert wurde. Das parlamentarische Verfahren in Argentinien, das für sein Inkrafttreten ebenfalls erforderlich war, konnte jedoch nicht abgeschlossen werden. Mit diplomatischer Note vom 16. Januar 2012 teilte Argentinien mit, dass es keine provisorische Anwendung dieses Abkommens mehr wünsche. Auf Nachdruck der Schweiz stimmten die argentinischen Behörden der (rückwirkenden) Anwendbarkeit des Notenaustauschs vom 13. Januar 1950 betreffend die Besteuerung von Unternehmen der Schiff- oder Luftfahrt ab dem Zeitpunkt der Beendigung der provisorischen Anwendung des Abkommens von 1997 zu.

Im Frühling 2012 wurden Verhandlungen aufgenommen, die zu einem neuen Doppelbesteuerungsabkommen mit Argentinien führten, das am 20. März 2014 in Bern unterzeichnet wurde.

Die meisten bereits vereinbarten Lösungen konnten beibehalten werden, wie unter anderem diejenigen zur Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren.

Allerdings mussten zugunsten des Quellenstaates einige geringfügigere Verschlechterungen, namentlich bei der Besteuerung der Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen oder bei der Besteuerung des Vermögens, zugestanden werden, um einen Vertragsabschluss zu erzielen.

Die neue Bestimmung über den Informationsaustausch steht in Einklang mit dem internationalen Standard und der schweizerischen Abkommenspolitik in diesem Bereich.

Der Entwurf des neuen Abkommens mit Argentinien gewährleistet Rechtssicherheit und einen vertraglichen Rahmen, der sich vorteilhaft auf die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auswirken wird.

Die Kantone und fast alle interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss dieses Abkommens begrüsst.

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das Wohlstandsziel zu erreichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten. Dabei musste die Schweiz schon immer den goldenen Mittelweg zwischen günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen im eigenen Land einerseits und internationaler Anerkennung ihrer Steuerordnung anderseits finden. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Die Schweiz hat mit Argentinien am 23. April 1997 ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unterzeichnet1. Dieses Abkommen wurde von den eidgenössischen Räten am 12. März 1998 genehmigt und von der Schweiz im April 1998 ratifiziert. Argentinien hingegen hat nach einer gewissen Zeit mitgeteilt, dass ohne Änderung der Bestimmung des Abkommens über die Besteuerung der aus der Rückversicherung stammenden Gewinne im Ansässigkeitsstaat nicht mit einer Ratifikation gerechnet werden könne.

Deshalb wurde am 23. November 2000 ein neues Protokoll, das die begrenzte Besteuerung der Gewinne aus der Rückversicherung im Quellenstaat (Argentinien) erlaubte, gleichzeitig mit einer Vereinbarung, welche die provisorische Anwendung des Abkommens und seines Protokolls ab 1. Januar 2001 vorsah, unterzeichnet.

Diese sind ab dem 1. Januar 2001 provisorisch angewendet worden, was der Bundesrat mit Beschluss vom 15. November 2000 in Erwartung einer raschen Ratifikation in Argentinien genehmigt hatte.

Diese blieb aber aufgrund eines neuen, von argentinischer Seite vorgebrachten Einwands aus. Die Bedenken betrafen die im Abkommen getroffene Lösung bezüglich der Besteuerung der Lizenzgebühren (Nullsatz im Quellenstaat). Bedingt durch die von Argentinien mit anderen Staaten abgeschlossenen Meistbegünstigungsklau1

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seln wäre dieser Nullsatz mit dem Inkrafttreten des Abkommens mit der Schweiz anwendbar geworden. Diese Lösung wurde in Argentinien als ungenügend beurteilt, sodass die für die Genehmigung der Doppelbesteuerungsabkommen zuständige parlamentarische Kommission ihr die Zustimmung verweigerte.

Im Frühling 2004 äusserten die zuständigen argentinischen Behörden den Wunsch, Revisionsverhandlungen aufzunehmen. Die in Bern abgehaltenen Gespräche führten zur Schlussfolgerung, dass eine neue Revision nötig sei, um das Inkraftsetzen des Abkommens zu ermöglichen und die angedrohte Beendigung der provisorischen Anwendung durch die argentinischen Behörden zu verhindern. Es folgten Verhandlungen über ein Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen2, das am 7. August 2006 unterzeichnet wurde. Es wurde von den eidgenössischen Räten am 24. September 2008 genehmigt und von der Schweiz im Oktober 2008 ratifiziert.

Bevor es in Kraft treten konnte, musste noch das argentinische parlamentarische Genehmigungsverfahren für Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen werden.

Weder das Abkommen, obwohl provisorisch anwendbar, noch das Änderungsprotokoll 2006 wurden formell in Kraft gesetzt.

Der Aussen- und Kultusminister Argentiniens teilte am 16. Januar 2012 mit diplomatischer Note mit, dass Argentinien keine provisorische Anwendung dieses Abkommens mehr wünsche. Gleichzeitig folgerte er, dass die mit Notenaustausch vom 13. Januar 1950 abgeschlossene Vereinbarung betreffend Besteuerung von Unternehmen der Schiff- oder Luftfahrt, deren Durchführung mit der provisorischen Anwendung des Abkommens von 1997 suspendiert worden war, weiterhin unanwendbar bleibe.

Argentinien betreibt heute eine Steuerpolitik, die einen stärkeren Schutz seiner Steuereinnahmen als Quellenstaat anstrebt. Es hat deshalb 2012 unter anderem die Doppelbesteuerungsabkommen mit Chile und Spanien gekündigt. Am 23. Dezember 2013 ist das am 11. März 2013 unterzeichnete neue Abkommen mit Spanien in Kraft getreten. Die Verhandlungen mit Chile sind im Gang.

Anlässlich der im Mai 2012 aufgenommenen Verhandlungen hat die Schweiz erneut ihren Willen bekräftigt, mit einer Revision des Abkommens von 1997 den vertraglichen Schutz so rasch wie möglich wiederherzustellen. Insbesondere sollte eine dem internationalen Standard entsprechende Bestimmung über den
Informationsaustausch verankert werden, damit für die Steuerpflichtigen Rechtssicherheit herrscht.

Der von Argentinien geforderte Grundsatz des vorgängigen Abschlusses eines Steuerinformationsabkommens (TIEA) war seinerzeit im Rahmen des Gesamtpakets akzeptiert worden. Seither hat sich die Schweiz im Bestreben, die Rechtssicherheit wiederherzustellen, regelmässig darum bemüht, den Dialog mit Argentinien aufrechtzuerhalten.

Eine Ungewissheit entstand betreffend das Datum, an welchem die provisorische Anwendung des Abkommens von 1997 beendet wurde. Argentinien meinte, seine Note vom 16. Januar 2012 entfalte eine sofortige Wirkung, und die Schweiz stellte sich auf den Standpunkt, dies sei vor Ende 2012 nicht möglich. Jedenfalls konnte Argentinien im Mai 2013 dazu bewogen werden, den Notenaustausch vom 13. Januar 1950 betreffend die Besteuerung von Unternehmen der Schiff- oder Luftfahrt ab dem Datum der Beendigung der provisorischen Anwendung des Abkommens von 1997 wieder anzuwenden.

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Zudem konnte ein neuer Abkommensentwurf ausgehandelt werden, der am 20. März 2014 in Bern unterzeichnet wurde.

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Würdigung

Bedingt durch verschiedene Wirtschaftsstrukturen verfolgen die Schweiz und Argentinien bei den Doppelbesteuerungsabkommen unterschiedliche Interessen.

Während die von Rohstoffreichtum geprägte Agrarmacht Argentinien als ein traditionelles Kapitalimportland in ihren Doppelbesteuerungsabkommen zum Beispiel möglichst tiefe Anforderungen an die Begründung einer Betriebsstätte bevorzugt und nur moderate Quellensteuerentlastungen auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren zulassen möchte, nimmt die Schweiz in diesen Bereichen als Kapitalexportland gegensätzliche Positionen ein. Unter Berücksichtigung dieser divergierenden Ausgangspositionen stellt der neue Abkommensentwurf ein insgesamt befriedigendes Verhandlungsergebnis dar. Zunächst stellte Argentinien nämlich zahlreiche im Abkommen von 1997 und im Änderungsprotokoll von 2006 bereits vorgesehene Bestimmungen wieder infrage, weil es für sich als Quellenstaat deutlich vorteilhaftere Regeln anstrebte. Diese Anfangsforderungen (z.B. betreffend die Besteuerung von Betriebsstätten und Unternehmensgewinnen) konnten weitgehend abgewehrt und die meisten der heutigen Bestimmungen beibehalten werden, unter anderem diejenigen zur Besteuerung von Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren. Allerdings mussten zugunsten des Quellenstaates einige geringfügigere Verschlechterungen, namentlich bei der Besteuerung der Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen oder bei der Besteuerung des Vermögens, zugestanden werden, um einen Vertragsabschluss zu erzielen.

Die neue Bestimmung über den Informationsaustausch steht in Einklang mit dem internationalen Standard und der schweizerischen Abkommenspolitik in diesem Bereich.

Der Entwurf des neuen Abkommens mit Argentinien gewährleistet Rechtssicherheit und einen vertraglichen Rahmen, der sich vorteilhaft auf die Entwicklung der bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen auswirken wird.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Abkommens

Der Entwurf für ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit Argentinien (nachfolgend «DBA-AR») gründet sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht auf dem Musterabkommen der OECD (nachfolgend «OECD-Musterabkommen»), auf der schweizerischen Abkommenspolitik sowie auf den bisher mit Argentinien vereinbarten Doppelbesteuerungsregelungen. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich darauf, die wichtigsten Abweichungen gegenüber dem OECDMusterabkommen, wie sie im Abkommen von 1997 (nachfolgend «DBA von 1997»), im Änderungsprotokoll von 2006 (nachfolgend «Protokoll von 2006») sowie im vorliegenden DBA-AR enthalten sind, zu erläutern.

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Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Das DBA-AR deckt die Steuern auf dem Einkommen und auf dem Vermögen ab.

Gegenüber dem DBA von 1997 wurde der argentinische Steuerkatalog aktualisiert.

Er erfasst neu die Steuer auf dem mutmasslichen Minimaleinkommen («impuesto a la ganancia minima presunta»). Diese Steuer wird auf den ansässigen Gesellschaften und den argentinischen Niederlassungen ausländischer Gesellschaften erhoben.

Sie ist geschuldet, wenn die spezifische Kontrollrechnung dieser Steuer einen Betrag ergibt, der die ordentliche Gewinnsteuer übersteigt.

Art. 4

Ansässige Person

Die Aushandlung eines neuen Abkommens bot Gelegenheit, Artikel 4 dem heutigen Wortlaut des OECD-Musterabkommens anzupassen. Wie im DBA von 1997 figuriert unter den Kriterien zur Definition des Begriffs «ansässige Person» in Absatz 1 auch der Eintragungsort einer Gesellschaft.

Art. 5

Betriebsstätte

Artikel 5 des DBA-AR richtet sich nach dem OECD-Musterabkommen. Wie bereits das DBA von 1997 sieht das DBA-AR jedoch folgende Ausnahmen vor.

Nach Absatz 2 Buchstabe f fallen die Aktivitäten zur Erforschung und Ausbeutung von Bodenschätzen unter die Definition einer Betriebsstätte. Das ist berechtigt, weil die Erforschungstätigkeit mit der Ausbeutung durch dasselbe Unternehmen zusammenhängt. Sowohl das argentinische als auch das schweizerische Steuerrecht anerkennen diesen Sachverhalt, wenn durch Erforschungstätigkeiten bedingte Verluste während einer bestimmten Dauer übertragen werden müssen.

Nach Absatz 3 werden nicht nur eine Bauausführung oder eine Montage, sondern auch die damit verbundenen Überwachungstätigkeiten in einem Vertragsstaat während mehr als sechs Monaten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten als Betriebsstätte anerkannt (Bst. a). Ausserdem stellen auch die für dasselbe Projekt oder ein damit zusammenhängendes Projekt während mehr als sechs Monaten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten erbrachten Dienstleistungen eine Betriebsstätte dar. Entgegen den ursprünglichen argentinischen Forderungen bilden aus dem Ausland erbrachte Dienstleistungen weiterhin keine Betriebsstätte, sondern richten sich von Fall zu Fall nach den allgemeinen Grundsätzen in Artikel 7 oder 14.

Die folgenden Lösungen wurden ebenfalls aus dem DBA von 1997 übernommen.

Fischereilizenzen in argentinischen Hoheitsgewässern werden nur an in Argentinien ansässige Unternehmen vergeben, die dort über eine Betriebsstätte verfügen. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage richtet sich nach der bewilligten Fangmenge.

Aus vorwiegend politischen Gründen misst Argentinien der rechtlichen Anerkennung dieses Sachverhalts in seinen DBA höchste Bedeutung bei. Aus Schweizer Sicht ist diese rechtliche Anerkennung, die eher eine theoretische Bedeutung aufweist (Ziff. 1 des Protokolls), annehmbar, da nach argentinischem Recht Fischereiunternehmen, die ihre Tätigkeit in den argentinischen Fanggebieten ausüben, regelmässig als Betriebsstätten anerkannt werden. Das Protokoll hält jedoch fest, dass eine Betriebsstätte in diesem Fall nur dann gegeben ist, wenn die Fangtätigkeit mehr als neunzig Tage in einem Zeitraum von zwölf Monaten dauert. Ausserdem hält Ziffer 2 Buchstabe d des Protokolls wie bisher fest, dass die von einer Betriebsstätte eines Schweizer Unternehmens in Argentinien eingekauften Güter oder Waren beim 8598

Export den in Argentinien geltenden Exportbestimmungen unterliegen. Diese Bestimmungen sehen insbesondere vor, dass die argentinische Steuerverwaltung bei der Ermittlung der Exportgewinne aus dieser Tätigkeit den vom Empfänger bezahlten Preis berücksichtigt. Die Bedeutung dieser Bestimmung wurde insofern eingeschränkt, als die reine Einkaufstätigkeit eines ausländischen Unternehmens für sich allein noch keine Betriebsstätte darstellt; damit die diesem Unternehmen zugeschriebene Exporttätigkeit unter die argentinische Gesetzgebung fällt, wird im Gegenteil das Vorhandensein einer Betriebsstätte vorausgesetzt. Bei Bedarf könnten auch die Grundsätze nach Artikel 9 zu Anwendung kommen.

Hingegen musste in Absatz 4 aufgrund der Unnachgiebigkeit Argentiniens im Rahmen des Gesamtpakets das Zugeständnis gemacht werden, auf die Ausnahme von der Betriebsstättedefinition für Auslieferungstätigkeiten als Hilfstätigkeiten zu verzichten.

Absatz 6 sieht wie im DBA von 1997 vor, dass ein unabhängiger Vertreter nicht mehr als solcher anerkannt wird, wenn er seine Tätigkeit ausschliesslich oder überwiegend für ein einziges Unternehmen ausübt.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Die OECD hat 2010 neue Regeln hinsichtlich der Zuteilung von Gewinnen eines Unternehmens zwischen Hauptsitz und Betriebsstätte eingeführt. Während die Schweiz die neuen Regeln in ihre Abkommenspolitik so weit als möglich aufgenommen hat, war Argentinien bei diesen Verhandlungen noch nicht bereit, sie zu übernehmen. Die beiden Delegationen kamen deshalb überein, im DBA-AR den Wortlaut von Artikel 7 des DBA von 1997 beizubehalten, wie er mit dem Protokoll vom 23. November 2000 und der damit zusammenhängenden Einführung der provisorischen Anwendung des DBA von 1997 geändert worden war. Dieser Artikel richtet sich nach den bis 2010 geltenden Regeln der OECD. Ausserdem räumt er dem Quellenstaat (gemäss DBA von 1997 inkl. Änderung von 2000) unabhängig vom Vorhandensein einer Betriebsstätte das Recht zur Besteuerung der Einkünfte aus Versicherungs- und Rückversicherungsgeschäften ein. Dieses Besteuerungsrecht ist jedoch auf 2,5 Prozent des Bruttobetrags der Prämien begrenzt.

Ziffer 2 Buchstaben b und c des Protokolls zum Abkommen bestätigen die Grundregeln von Artikel 7, die auch im DBA von 1997 enthalten waren, hinsichtlich zweier Auslegungsfragen (Berechnung der Gewinne, die einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, und Kostenabzug). Wie in anderen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz können bestimmte Gewinne des Unternehmens der Betriebsstätte zugerechnet werden, sofern diese nachweislich und massgeblich zur Realisierung der betreffenden Einkünfte beiträgt (Ziff. 2 Bst. a des Protokolls).

In Bezug auf Ziffer 2 Buchstabe d des Protokolls wird auf die vorstehenden Kommentare zu Artikel 5 verwiesen.

Art. 8

Seeschifffahrt und Luftfahrt

Vorab ist hierzu anzumerken, dass die argentinischen Behörden, nach einer Zeit der Ungewissheit, auf Drängen der Schweiz schliesslich im Mai 2013 der (rückwirkenden) Anwendbarkeit des Notenaustauschs vom 13. Januar 1950 betreffend die Besteuerung von Unternehmen der Schiff- oder Luftfahrt ab der Beendigung der

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provisorischer Anwendung des DBA von 1997 zustimmten (siehe auch Kommentar zu Art. 27 Inkrafttreten).

Wie andere Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz und das DBA von 1997 enthält auch Absatz 4 zusätzliche Begriffsbestimmungen, zum einen die «Gewinne» und zum andern den «Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen». Buchstabe a Unterabsatz ii hält insbesondere fest, dass die Gewinne eines Unternehmens aus dem Betrieb von Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr, welche ausschliesslich in dem Staat besteuert werden können, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, auch Zinseinkünfte aus mit dieser Tätigkeit zusammenhängenden Guthaben einschliessen. Buchstabe b hält entsprechend den Grundsätzen des OECD-Musterabkommens fest, dass zum Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen auch das Chartern und Mieten oder das Veräussern dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge und von Containern und dazugehörigen Ausrüstungen gehört, solange diese Tätigkeiten mit dem Betrieb verbunden sind.

Art. 9

Verbundene Unternehmen

Dieser Artikel übernimmt die analoge, der damaligen Abkommenspolitik der Schweiz entsprechende Bestimmung aus dem DBA von 1997. Trotz anderem Wortlaut bleibt die Bedeutung gleich. Werden in einem Vertragsstaat Gewinne aufgerechnet, können sich die zuständigen Behörden beider Staaten beraten und über die Berichtigungen einigen. Ausserdem ist vorgesehen, dass Gewinnaufrechnungen nur in den sechs Jahren nach Abschluss des Jahres, in dem der Gewinn erzielt wurde, vorgenommen werden dürfen. Diese zeitliche Begrenzung findet keine Anwendung auf Fälle von Betrug oder von anderen vorsätzlichen Steuerdelikten.

Art. 10

Dividenden

Die Dividendenregelung entspricht derjenigen im DBA von 1997.

Absatz 2 sieht für Beteiligungen von Gesellschaften ab 25 Prozent eine Begrenzung des Quellensteuersatzes auf 10 Prozent und in allen übrigen Fällen auf 15 Prozent vor. Argentinien erhebt derzeit auf Dividenden gar keine Quellensteuer, es sei denn, der Betrag der Gewinnausschüttung übersteigt nach Abzug der Unternehmenssteuer die kumulierten steuerbaren Gewinne des Steuerpflichtigen. In diesem Fall ist nach Ziffer 3 Buchstabe b des Protokolls zum Abkommen eine endgültige (ohne abkommensrechtliche Entlastung) «equalization tax» von 35 Prozent geschuldet.

Ziffer 3 Buchstabe a des Protokolls übernimmt zudem wie das DBA von 1997 den Grundsatz der zusätzlichen Besteuerung der Gewinne, die von der Betriebsstätte eines in der Schweiz ansässigen Unternehmens erzielt wurden («branch profits tax»). Diese argentinische Steuer darf jedoch 10 Prozent der Gewinne nach Abzug der Gewinnsteuer nicht übersteigen.

Ziffer 4 des Protokolls zum Abkommen bewahrt das Recht der Schweiz, ihre Verrechnungssteuer auf Dividenden und Zinsen zu behalten, solange Argentinien für Dividenden (oder Zinsen) aus ausländischer (schweizerischer) Quelle das Territorialitätsprinzip anwendet und die in Argentinien ansässigen Empfänger entsprechend von der Steuerpflicht befreit.

Auf die im DBA 1997 enthaltene Meistbegünstigungsklausel musste im Rahmen des Gesamtpakets verzichtet werden.

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Art. 11

Zinsen

Im innerstaatlichen Recht Argentiniens unterstehen Zinsen, die an eine nicht ansässige Person gezahlt werden, einer Quellensteuer, deren Bandbreite aktuell je nach Kategorie von 15,05 bis 35 Prozent reicht.

Wie im DBA von 1997 räumt Absatz 2 dem Quellenstaat ein auf 12 Prozent beschränktes Besteuerungsrecht ein.

Gewisse Zinskategorien sind im Quellenstaat jedoch steuerbefreit. Dazu gehören: ­

Zinsen auf Staatsanleihen;

­

Zinsen, die aufgrund der Bestimmungen über die Risikogarantie oder für ein Darlehen gezahlt werden, die von der argentinischen Zentralbank oder anderen ähnlichen Banken gewährt, garantiert oder versichert werden;

­

Zinsen, die für eine Schuld gezahlt werden, die im Verkauf von gewerblichen Maschinen oder Ausrüstungen auf Kredit begründet ist; sowie

­

Zinsen, die für eine Entwicklungsanleihe gezahlt werden, die eine Laufzeit von mindestens drei Jahren aufweist und zwischen unabhängigen Vertragsparteien abgeschlossen wurde.

Wie weiter oben im Kommentar zu Artikel 10 bereits erwähnt, bleibt auch hier das Besteuerungsrecht der Schweiz gewahrt, wenn Argentinien das Territorialitätsprinzip anwendet. Andererseits musste auch bei den Zinsen auf die Meistbegünstigungsklausel verzichtet werden.

Art. 12

Lizenzgebühren

Das innerstaatliche Recht Argentiniens sieht für Lizenzgebühren, die an eine nicht ansässige Person gezahlt werden, eine Quellensteuer von 35 Prozent vor. Je nach unterstellter Kategorie von Lizenzgebühren wird zur Ermittlung der argentinischen Steuer lediglich ein Bruchteil des Betrags der Lizenzgebühr berücksichtigt. Die tatsächlichen Steuersätze bewegen sich in einer Bandbreite von 12,25 bis 31,5 Prozent.

Wie schon im DBA von 1997 sieht Absatz 2 je nach Kategorie von Lizenzgebühren unterschiedliche Quellensteuersätze vor: ­

3 Prozent für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von Nachrichten;

­

5 Prozent für Urheberrechte;

­

10 Prozent für Patente, Marken, Erfahrung, Leasing und technische Unterstützungsleistungen; und

­

15 Prozent in den übrigen Fällen.

Die Präzisierung in Ziffer 5 Buchstabe b des Protokolls zum DBA von 1997, wonach sich der Ausdruck «technische Unterstützungsleistungen» nur auf die im Vertragsstaat von einer dort ansässigen Person erbrachten technischen Unterstützungsleistungen bezieht und die unmittelbar mit dieser Tätigkeit verbundenen Aufwendungen für die Berechnung der Steuer zum Abzug zugelassen sind, steht nicht mehr im neuen Abkommen. Wie in anderen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz vorgesehen, wird die Besteuerung im Quellenstaat (Argentinien) auf dem Bruttobetrag der Entschädigungen für die dort erbrachten technischen Unterstüt-

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zungsleistungen erfolgen und die Doppelbesteuerung durch die pauschale Steueranrechnung vermieden.

Ziffer 5 Buchstabe a des Protokolls zum Abkommen übernimmt die im Protokoll von 2006 enthaltene Bestimmung. Bei Verträgen über den Technologietransfer sind die in Artikel 12 Absatz 2 vorgesehenen Sätze nur anwendbar, wenn es sich um nach argentinischem Recht registrierte oder bewilligte Verträge handelt. Wie schon im Protokoll von 2006 festgehalten, garantiert der Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Artikel 23 Absatz 3 die Gleichbehandlung hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen eines Unternehmens eines Vertragsstaats im Verhältnis zu Aufwendungen eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats (Ziff. 7 des Protokolls).

Ziffer 5 Buchstabe b des Protokolls wurde auf Antrag Argentiniens neu eingefügt.

Diese Bestimmung beschränkt bei den Urheberrechten den Anspruch auf Herabsetzung der Steuer auf 5 Prozent auf den alleinigen Urheber oder seine Erben. In den übrigen Fällen gilt ein Residualsteuersatz von 15 Prozent.

Das Leasing mit Kaufoption von Maschinen, wissenschaftlichen oder gewerblichen Ausrüstungen bleibt gemäss Ziffer 5 Buchstabe c des Protokolls wie schon im DBA von 1997 vorgesehen von der Quellensteuer befreit.

Nach der im Protokoll von 2006 vorgesehenen Änderung fällt die Benutzung oder das Recht auf die Benutzung von Software unter den Begriff der Lizenzgebühren nach Definition in Artikel 12 Absatz 3. Ausserdem beendete dieses Protokoll von 2006 die Verpflichtung Argentiniens, die Lizenzgebühren, die an in der Schweiz ansässige Personen gezahlt wurden, von der Steuer zu befreien, indem Ziffer 5 Buchstabe a des Protokolls zum DBA von 1997 aufgehoben wurde. Diese Lösung musste in das neue Abkommen übernommen werden.

Auch bei den Lizenzgebühren musste auf die im DBA von 1997 verankerte Meistbegünstigungsklausel im Rahmen des Gesamtpakets verzichtet werden.

Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Dieser Artikel entspricht nicht mehr ganz demjenigen im DBA von 1997. Er folgt jedoch in den Absätzen 1­4 und 7 den Grundsätzen der schweizerischen Abkommenspraxis. Absatz 4 sieht wie andere Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz vor, dass die Gewinne aus der Veräusserung von Aktien oder ähnlichen Beteiligungen an einer Gesellschaft, deren Vermögen direkt oder indirekt zu über 50 Prozent aus in einem Vertragsstaat gelegenem unbeweglichem Vermögen bestehen, in diesem anderen Staat besteuert werden können. Es gibt zwei Ausnahmen von dieser Regel. Einerseits für Gewinne aus der Veräusserung von börsenkotierten Aktien sowie andererseits für Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen, deren Wert zu mehr als 50 Prozent aus unbeweglichem Vermögen besteht, in dem die fragliche Gesellschaft ihre gewerbliche Tätigkeit ausübt. In diesen beiden Fällen können die Gewinne nur im Wohnsitzstaat des Veräusserers besteuert werden.

Das argentinische Ansinnen, dem Quellenstaat ein unbegrenztes Recht zur Besteuerung von Gewinnen aus der Veräusserung von Aktien an anderen Gesellschaften einzuräumen, wurde für Beteiligungen ab 25 Prozent des Aktienkapitals einer Gesellschaft auf ein Besteuerungsrecht von 10 Prozent des Gewinns und in den übrigen Fällen auf 15 Prozent des Gewinns begrenzt (Abs. 5). Diese Residualsteuersätze entsprechen denjenigen für die Dividenden in Artikel 10.

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Absatz 6 führt für die in den vorangehenden Absätzen nicht erfassten Gewinne, die bei der Veräusserung von Vermögen im Quellenstaat erzielt werden, eine allgemeine Besteuerungsregel zugunsten dieses Quellenstaates ein. Diese von Argentinien geforderte Bestimmung dürfte jedoch nur von geringer Bedeutung sein, da das unbewegliche Vermögen, das den Grossteil der im fraglichen Staat gelegenen Fälle ausmacht, bereits durch eine mit Absatz 1 gleichwertige Lösung erfasst ist.

Art. 14

Selbstständige Arbeit

Das DBA von 1997 enthielt eine kombinierte Version der Bestimmungen aus Artikel 14 (Selbstständige Arbeit) und 15 (Unselbstständige Arbeit). Mit dem Protokoll von 2006 war diese Lösung durch zwei separate Artikel 14 und 15 ersetzt worden, die ihrerseits in das vorliegende Abkommen übernommen wurden. Artikel 14 sieht die Besteuerung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit im Wohnsitzstaat vor, ausser wenn diese im anderen Staat mit oder ohne feste Einrichtung ausgeübt wird (in dem Fall beschränkt sich die Besteuerung auf 10 Prozent der damit erzielten Bruttoeinkünfte).

Art. 17

Künstler und Sportler

Wie im DBA von 1997 bestätigt diese Bestimmung die schweizerische Abkommenspraxis, wonach die Besteuerung am Ort, wo ein Künstler oder ein Sportler seine Tätigkeit ausübt, auch für Einkünfte gilt, die einer anderen Person als dem Künstler oder Sportler selbst zufliessen. Auf diese Besteuerung wird jedoch verzichtet, wenn dargetan werden kann, dass weder der Künstler oder Sportler noch mit ihm verbundene Personen unmittelbar oder mittelbar an den Gewinnen dieser anderen Person beteiligt sind (Abs. 2 und 3). Die Besteuerung nach Artikel 17 ist hingegen ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit des Künstlers oder des Sportlers im anderen Vertragsstaat als in seinem Wohnsitzstaat in erheblichem Umfang mit öffentlichen Mitteln des erstgenannten Staates unterstützt wird (Abs. 4).

Art. 18

Ruhegehälter und Renten

Diese Bestimmung wurde aus dem DBA von 1997 übernommen. Sie befolgt im Grundsatz die analoge Bestimmung des OECD-Musterabkommens. Eine zusätzliche Bestimmung (Abs. 3) verankert auch die Besteuerung der Alimente und anderer Unterhaltszahlungen im Wohnsitzstaat.

Andere Einkünfte Das DBA-AR wird wie bereits das DBA von 1997 oder das Protokoll von 2006 keine Bestimmung zu anderen Einkünften enthalten. Argentinien kann für die Besteuerung anderer Einkünfte nur den Grundsatz der Besteuerung im Quellenstaat zulassen. Das war auch schon in anderen von der Schweiz (in Lateinamerika beispielsweise mit Chile oder Peru) abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen der Fall.

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Art. 21

Vermögen

Absatz 4 im neuen Abkommen weicht vom DBA von 1997 ab. Die analoge Bestimmung im DBA von 1997 hielt fest, dass Aktien oder andere von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft herausgegebene Gesellschaftsanteile, die sich im Besitz einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person befinden, nur in diesem Staat besteuert werden können. Diese Bestimmung hätte Argentinien vor Schwierigkeiten in der Abkommenspraxis gestellt, für die es hätte Abhilfe schaffen müssen; Argentinien hat die Lösung dieses Problems zu einer Conditio sine qua non für ein Abkommen mit der Schweiz gemacht. Nach innerstaatlichem argentinischem Recht ist die «impuesto sobre los bienes personales» für jegliche Beteiligung an einer argentinischen Gesellschaft geschuldet (betrifft vor allem die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften). Diese für in der Schweiz ansässige Gesellschaften vorteilhafte Bestimmung zwang nun aber Argentinien dazu, nicht nur diese Gesellschaften, sondern aufgrund einer Meistbegünstigungsklausel auch die in anderen Staaten ansässigen Gesellschaften von dieser Steuer zu befreien. Artikel 20 Absatz 4 räumt dem Belegenheitsstaat neu ein Besteuerungsrecht für alle dort gelegenen Vermögenswerte ein. Die Aktien argentinischer Gesellschaften gelten als in Argentinien gelegen.

Art. 22

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Diese Bestimmung entspricht derjenigen im DBA von 1997, wurde jedoch an den nach argentinischer Abkommenspolitik heute üblichen Wortlaut angepasst. Argentinien vermeidet die Doppelbesteuerung mit der Anrechnungsmethode und in einigen Fällen mit der Befreiungsmethode unter Progressionsvorbehalt, während die Schweiz Einkünfte aus Argentinien unter Progressionsvorbehalt freistellt und hinsichtlich der Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die pauschale Steueranrechnung anwendet.

Wie im DBA von 1997 sind in einer Protokollbestimmung (Ziff. 6) die Einzelheiten über die Umsetzung der argentinischen Gesetzgebung zur Wirtschaftsförderung festgehalten. Die von der Schweizer Reduktion für Beteiligungen oder Betriebsstätten betroffenen Fälle sind von diesen Vergünstigungen explizit ausgenommen.

Art. 23

Gleichbehandlung

Obwohl Argentinien die Aufhebung von Absatz 3 verlangte, der hinsichtlich der Abzugsfähigkeit die Gleichbehandlung garantiert, konnte diese Bestimmung beibehalten werden. Im Gegenzug musste jedoch ein Vorbehalt akzeptiert werden, der bei Unterkapitalisierung die Anwendung des innerstaatlichen Rechts erlaubt (Ziff. 10 des Protokolls). In der schweizerischen Abkommenspraxis gibt es bereits einen solchen Vorbehalt.

Art. 24

Verständigungsverfahren

Diese Bestimmung entspricht dem DBA von 1997 sowie dem OECD-Musterabkommen. Obwohl die Schweiz darauf drang, war es nicht möglich, eine Schiedsgerichtsklausel zu verankern, da diese der argentinischen Abkommenspolitik widerspricht.

Hingegen erreichte die Schweiz die Zusage, dass Argentinien im Falle einer Änderung seiner Abkommenspolitik mit der Schweiz Beratungen über eine entsprechende Revision dieses Protokollpunkts aufnimmt (Ziff. 9 des Protokolls).

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Art. 25

Informationsaustausch

Seit den ersten Gesprächen nach der Aufhebung der provisorischen Anwendung des DBA von 1997 durch Argentinien forderten die argentinischen Behörden unverzügliche Verhandlungen über ein TIEA zwischen der Schweiz und Argentinien, was auch geschah. Danach konnten die Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen wieder aufgenommen werden. Die Schweizer Delegation wies auf die Schwierigkeiten hin, die sich infolge von Überschneidungen beim ­ von Argentinien geforderten ­ Nebeneinander eines TIEA und eines Amtshilfeartikels im Abkommen ergeben könnten. Schliesslich schloss sich die argentinische Seite dieser Sichtweise an, und die bilaterale Amtshilfe in Steuersachen wird nur in Artikel 25 DBA-AR geregelt.

Das DBA-AR enthält eine Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 25 sowie der dazugehörigen Protokollbestimmung (Ziff. 8) ein.

Wie in den Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit diversen anderen Staaten sowie im OECD-Musterabkommen gilt die Bestimmung über den Informationsaustausch für sämtliche Steuern. Der Geltungsbereich ist somit nicht auf die unter das DBA-AR fallenden Steuern beschränkt.

Argentinien wurde anlässlich der Verhandlungen darüber informiert, dass einem Amtshilfeersuchen, das auf illegal beschafften Daten (einer Bank) beruht, keine Folge geleistet wird.

Die Bestimmungen von Artikel 25 werden im Protokoll (Ziff. 8) präzisiert.

Die Protokollbestimmung regelt unter anderem im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b). Notwendig sind insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z.B. einer Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet. Ebenso hält das Protokoll fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören nach dem weiterentwickelten OECD-Standard auch konkrete Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Das DBA-AR
ermöglicht es, solchen Ersuchen Folge leisten. Die Identifikation kann durch Name und Adresse der betroffenen Person erfolgen, aber auch durch andere Mittel, z.B. durch die Beschreibung eines Verhaltensmusters. Diese Auslegung beruht auf der Auslegungsklausel (Bst. c in Verbindung mit Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weit gehenden Informationsaustauschs verpflichtet, ohne dass sogenannte Fischzüge («fishing expeditions») zuzulassen sind. Das Verfahren für Gruppenersuchen richtet sich nach dem Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20123.

Die im Protokoll vorgesehenen Bestimmungen verpflichten die Vertragsstaaten nicht dazu, Informationen auf automatischer oder spontaner Basis auszutauschen (Bst. d). Für die Schweiz ist ein automatischer Informationsaustausch nur auf der 3

SR 672.5

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Grundlage eines global anerkannten und international umgesetzten Standards denkbar. Ist dies der Fall und stellt Argentinien den Antrag, so werden sicher Gespräche mit Argentinien über eine entsprechende Verhandlungsaufnahme in diesem Bereich zu führen sein.

Art. 27

Inkrafttreten

Die Bestimmungen des Abkommens finden Anwendung hinsichtlich der an der Quelle erhobenen Steuern für die Beträge, die am oder nach dem 1. Januar des Kalenderjahres des Inkrafttretens gezahlt werden. Mit dieser zeitlich beschränkten Rückwirkung soll der vertragslose Zustand etwas ausgeglichen werden, der durch die Beendigung der provisorischen Anwendung des DBA von 1997 spätestens Ende 2012 entstanden ist. Hinsichtlich der übrigen Steuern finden diese Bestimmungen für Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Abkommens folgenden Kalenderjahres beginnen. Hinsichtlich des Informationsaustausches wird das Abkommen für Anfragen gelten, die die Steuer- oder Geschäftsjahre betreffen, welche am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Abkommens folgenden Kalenderjahres beginnen.

Schliesslich wird der Notenaustausch vom 13. Januar 1950 betreffend die Besteuerung von Unternehmen der Schiff- oder Luftfahrt suspendiert, solange die Bestimmungen des Abkommens anwendbar sind.

Missbrauch der Abkommensvorteile Die Einführung einer Bestimmung zur Vermeidung des Missbrauchs der Abkommensvorteile wurde ausführlich diskutiert. Schliesslich zog es die argentinische Delegation vor, diese Frage in einem Memorandum of Understanding zu regeln, das nach dem Inkrafttreten des Abkommens eine Verständigungsvereinbarung im Sinne von Artikel 24 Absatz 4 DBA-AR darstellen und von den zuständigen Behörden abgeschlossen und unterzeichnet wird. Dieses Memorandum of Understanding wurde paraphiert, und seine Tragweite wird den Anwendungsbereich des Abkommens weder einschränken noch erweitern. Es hält fest, dass die zuständigen Behörden die Abkommensvorteile nicht missbräuchlich gewähren, insbesondere wenn es sich um «Kunstgebilde» handelt, die keiner ökonomischen Realität entsprechen.

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Finanzielle Auswirkungen

In jedem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen durch die teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Dividenden und Zinsen sowie die Anrechnung der argentinischen Quellensteuer auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren. In Anbetracht der identischen Lösungen im DBA-AR wie im DBA von 1997 sind die ­ mangels geeigneter Statistiken nicht bezifferbaren ­ Einbussen vergleichbar mit denjenigen aus der Zeit, als das DBA von 1997 provisorisch angewendet wurde. Die Einbussen werden teilweise dadurch kompensiert, dass die Massnahmen gleichzeitig die Attraktivität des Standorts Schweiz (wieder) erhöhen, was sich in zusätzlichen Einnahmen bei den direkten Steuern auswirken dürfte. Aus dem DBA-AR ergeben sich keine personellen Auswirkungen für den Bund.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das DBA-AR ist Artikel 54 der Bundesverfassung4 (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des DBA-AR zuständig. Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen dem fakultativen Referendum völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Das DBA-AR ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahrs gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20025 gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Es wird Amtshilfe nach dem internationalen Standard im erweiterten Umfang gewährt, wie dieser der jüngeren Abkommenspolitik der Schweiz auf diesem Gebiet entspricht. Das DBA-AR sieht damit ein wesentliches neues Engagement für die Schweiz vor. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des neuen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Argentinien wird deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

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SR 101 SR 171.10

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