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Bundesrathes in Sachen des Rekurses

der jurassischen

glieder des großen Rathes des Kantons

Mit-

Bern, betreffend

Verfassungsverlezung (Vom .). September 1863.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h

hat in Aachen der jurassischen Mitglieder des Grossen Rathes des Kantons Bern , betreffend Versassungsverlezung , nach angehörtem Berichte des Justiz- und Bolizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : 1) Mit Eingabe an den Bundesrath vom 10. Juli (eingegangen den 5. Angust) 1863 haben die Herren Ed. Carlin, A. Girard und

Eyp. Revel, Mitglieder des Grossen Rathes des Kantons Bern, für

sich und als Bevollmächtigte von 40 andern Grossrathsmitgliedern ans den. bernischen Jura, Beschwerde geführt, gegen einen Beschluss des Grossen Rathes vom 2. Juli d. J., dahin gehend, dass der Einführung des in Berathung liegenden Einkommenstenergesezes im Jnra kein versassungsmässiges Hinderniss entgegenstehe. Dieser Besehlnss verlebe die Rechtsstellung des Jnra, d. h. des neuen Kantonstheiles, welche ihm

durch die Urkunde betreffend die Vereinigung des ehemaligen Bisthums Basel mit dem Kanton Bern vom 23. November 18l5, Art. 2l

und

23 und Art. 14 und l 5 der gleichen Urkunde, so wie durch Art. 85, 86 und 89 der Ferner sei Verfassung des Gesezesentwurf

Verfassung des Kantons Bern von 1846 zugesichert sei.

bei Behandlung dieser Angelegenheit auch Art. 30 der Kantons Bern verlezt worden , welcher lautet: ,. Jeder soll vor seiner endlichen Berathung zn rechter Zeit dem

604 ^Volke bekannt gemacht werden . . . . . Jeder Entwurs eines bleibenden ,, Gesezes soll überdiess einer zweimaligen Berathnng durch den Grossen ,,Rath unterworfen werden, und zwar so, dass die lezte Beratung wenig,,stens drei Monate nach der ersten stattfindet.^ Run enthalte der von der Regierung vorgelegte Entwurf zu einem Geseze über die Einkommensteuer die ausdrükliche Bestimmung, dass dieses Gese^ nur auf den alten Kantonstheil anwendbar sein soll. Dessen ungeachtet habe der Grosse Rath am 18. März l 863 dessen Ausdehnung auch aus ^en ueuen Kantonstheil beschlossen und dadurch die Bevolkerung des ledern der durch die Verfassung gewährten Möglichkeit beraubt, ihre Jnteressen rechtzeitig zu wahren. Jndessen sei diese ^rage nach Vorschrift des Grossrathsre^len.entes der Regierung zur nähern Brüsung überwiesen worden, welche dann mit Mehrheit gegen die Anwendbarkeit des Gesezes aus den Jura steh ausgesprochen habe. Da diese Frage noch pendent geblieben, so sei die erste Berathnng des Gesezes noch nicht beendigt gewesen.

Dessen nngeachtet sei der Grosse Rath am l. Jnli 1863 zur zweiten Berathung geschritten und habe eine Motion, welch.. aus Beobachtung des verfassungsmässigen und reglementarischen Ganges der Verhandlungen gerichtet gewesen, d. h. dass vor Allem die erste^ Berathung erschbpst werde, verworfen. Ja sogar nachdem zwei Tage die Frage des Eintretens aus die Materie debattirt worden, habe der Grosse Ralh anch den Antrag verworfen , dass vor Allem diese Frage zur Abstimmung gebracht werde. Dagegen sei die andere Frage über die Anwendbarkeit des Ges.^es aus den Jnra zuerst znr Abstimmung gebracht und dadurch jene erste ^.rage präjudi^irt worden.

Das Reglement des Grossen Rathes wolle aber die Freiheit je^es .^otanten sichern. Dasselbe sei somit auch in dieser Richtung verlebt worden.

Die Vetenten stellen daher das Gesuch, der Bundesrath moge den von der Mehrheit des Grossen Rathes des Kantons Bern am 2. J..li

1863 gesassten Beschluss, betretend die versassnngsmässige Znlassigkeit der

Ausdehnung des Eiukon.mensteuergesezes aus den neuen Kautonstl^eil als

nichtig erklären.

2) Die Regierung des Kantons Bern hat diese Besehwerde unterm 4. September 1863 beantwortet und zunächst .hervorgehoben, dass der

Grosse Rath am 2. Jnli 1863 ^.gleich beschlossen habe, die weitere

Berathung zu verschieben nnb eine Kommission niederzusezen, welche Anträge bringen so.t über die Art, wie eine einheitliche Gesezgebnng sür den ganzen Kanton durchgeführt werden konne, und zwar ebensowol im Steuerwesen , als in allen übrigen Gebieten der Gesezgebung^ Es sei somit durch den rekurrirten Besehluss bloss eine grundsäzliehe ^rage entschieden worden. Ob das fragliche Gesez in Uebereiustimmung mit diesem grundsäzlichen Entscheide erlassen u.erde, hänge von dem Ergebnisse der ^weiten Berathnng desselben ab, die noeh nieht stattgefunden habe.

Es liege somit zur Stunde noch kein in Rechtskrast erwachsener und vollzieh-

605 barer Beschluß vor, und es s.^ien in Wirklichkeit auch noch keine Rechte verlezt. ^i.^ vorliegende Beschwerde sei daher jedenfalls versrüht.

Betreffend die formellen Beschwerdepunkte kann die Regierung die .Begründetheit des ersten Einwurfes^ betreffend die mangelhafte Bekanntmachung des Gesezentwnrses im Jura, nicht in Abrede stellen. ^er Grund liege darin, dass die vorberathende Behorde ni.ht die Absicht gehabt, dasselbe aus den Jura auszudehnen Uebrigens sei dieser ...^unkt.

nicht von Erheblichkeit, weil bis zur zweiten Berathung noch hinlänglich

Zeit bleibe. Betresseud den Einwurs, dass die zweite Berathung begonnen habe, bevor die erste formlieh abgeschlossen gewesen sei, wird bemerkt, dass es in der Grossrathssession , in welcher das Gesez z^.m ersten ..Mal vorgelegt worden, nicht mehr moglich gewesen sei, über die erheblich erklärten Anträge Bericht zu erstatten. es sei daher beschlossen worden.

die endliehe Redaktion mit der ^weiten Berathung des Gesezes zusammenfallen zu lassen. Früher sei schon ost in gleicher Weise verfahren worden, ohne dass man darin eine Versassnngsverlezung erblikt hätte.

Was endlich die Art der Abstimmung betreffe, so sei die von den Rekurrenten hervorgehobene Thatsache nicht zu bestreiten. Zur Erklärung moge jedoch aus das Eigentümliche der Sachlage hingewiesen werden, und .namentlich aus den Umstand, dass die mehrtägige Debatte sieh be.nahe ausschließlich um die Frage gedreht habe, ob die Anwendung des Gesezes auf den neuen Kanto..stheil na.h der Verfassung zulässig sei oder nicht.

^ie Regierung schliesst mit den. Autrage, es mochte ül^er die vorliegende Beschwerde zur Tagesordnung geschritten werden.

Jn Erwägung : dass die Beschwerde der jurassischen Deputaten dahin geht, es seien einerseits hei Berathung des Entwurfes eines Einkommensteuergesezes vom Grossen Rathe des Kantons Bern theils die Bestimmen..

gen der Vereinignngsurkuude zwischen dem alten und neuen Kauton, tl^ils die Bestimmungen des Art. 85 der bernisehen Staatsoerfassung materiell verlezt und es seien andererseits in formeller Beziehun^ die Vorschriften des Art. 3l) der Versassung, wie solche des Grossrathreglementes, ui^t beachtet worden .

2) dass, was nun die le^ezeichneten formellen Beschwerden anbetrifft, vorerst diejenige über Verlegung des Grossrathsreglemeutes ansser^ halb der Grenzen des Entscheidungsrechtes der Bundesbehorden 1)

liegt, während andererseits diejenige über Verlezung des Art. 30 der bernisehen Versassnng nicht als hinlänglich rechtlich begründet

betrachtet werden kann, da formell alle diejenigen Requisite erfüllt worden sind, welche Art. 30 selbst vorschreibt, 3) dass , zur materiellen Seite der Beschwerde übergehend , zuerst die von der Regierung von Bern erhobene Einwendung , dass die Be^ schwerde unter allen Umständen als versruht erscheinen, zu erledi-

digen ist.

^06 4) dass,

wenn auch vom Standpunkte der jurassischen Deputaten er-

klärlich ist, dass sie die Schlussnahme des Grossen Rathes nicht

gleichgültig hinnahmen, dennoch die Einwendung der Regierung bei

näherer ^rüsnng als vollig gerechtfertigt sieh herausstellt, da in

der That der Grosse Rath von Bern zwar wiederholt die A b s i e h t an den Tag gelegt hat, der Verfassung diejenige Auslegung zu geben, welche die .Beschwerdeführer als eine Versassnngsverlezung signalisiren , dass er aber bisher bei Manifestation dieser Absicht stehen geblieben ist, so dass die Beschwerdeführer selbst nieht im ^alle sind, eine die Versassnngsverlezung begründende T h a t s a c h e anzeigen ^u tonnen , 5) dass, so lange nun eine solehe Thatsache nicht vorliegt, sondern ^.

vielmehr dem Grossen Rathe freisteht, sieh definitiv noeh in der einen oder andern Weise zu entscheiden, ein Einschreiten des Bnndes ganz unzeiti.^ wäre und eine Beeinträchtigung der kantonalsouveränetät enthielte, - ein Standpunkt, den der Bundesrath um so mehr sest^uhalten hat, als es sehr wünsehbar erscheint, dass die streitenden Parteien sieh zunächst ohne Dazwisehen^inst eines Dritten ^ verständigen suchen; b e s eh l o s s e n .

1. Es sei aus die Beschwerde der jurassischen Deputaten ..nr Zeit ^ieht weiter einzutreten.

2. Sei dieser Beschluss ber Regierung von Bern und den Rekurrenten mitzutheilen, beiderseits unter Rüksendung der Akten , und ferner ^ei dieser Beschluss in das Bundesblatt einzurüken.

...llso besel..l^ssen, Bern, den ..... September l863.

Jm Ramen des fchweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident^:

^. .^ornerod.

Der Kanzler der Eidgenossensehaft: ^^ie^.

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Beschluß des Bundesrathes in Sachen des Rekurses der jurassischen Mitglieder des großen Rathes des Kantons Bern, betreffend Verfassungsverlezung. (Vom 9. September 1863.)

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1863

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

41

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

12.09.1863

Date Data Seite

603-606

Page Pagina Ref. No

10 004 192

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